Skip to main content
Thieme Open Access logoLink to Thieme Open Access
. 2024 Jan 19;86(1):11. [Article in German] doi: 10.1055/a-2209-1275

Metaanalyse mit unerwartetem Ausgang: Die meisten Krebsfrüherkennungsuntersuchungen führen nicht zur Verlängerung der Lebenszeit

PMCID: PMC11248080

Abstract

Mittels Untersuchungen zur Früherkennung von Krebs sollen Krebserkrankungen in einem Stadium entdeckt werden, in dem sie noch nicht weit fortgeschritten sind und eine kurative Therapie möglich ist – das erscheint zwingend logisch. Nicht eindeutig erwiesen ist bislang allerdings, ob Menschen, die an üblichen Krebsvorsorgeuntersuchungen teilnehmen, länger leben.


Es ist wichtig, der Öffentlichkeit verlässliche Angaben über Nutzen und Schaden der Früherkennung in Bezug auf die Krebsinzidenz und -sterblichkeit sowie über die durch die Früherkennung hinzugewonnene Lebenszeit zu vermitteln, schreiben Michal Bretthauer vom Oslo University Hospital und seine Mitautoren in im Fachjournal JAMA Internal Medicine. Während ersteres bei den meisten Krebsfrüherkennungsuntersuchungen zum Standard geworden ist, ist das zweite Ziel immer noch schwer zu erfassen.

Die Quantifizierung der Auswirkungen eines Screenings auf die Lebenserwartung stützt sich meist auf Modellierungsstudien, bei denen die krebsspezifischen Auswirkungen der einzelnen Untersuchungen auf die Gesamtsterblichkeit hochgerechnet werden. Diese Vorgehensweise ist allerdings umstritten und es ist nicht erwiesen, ob die so berechneten Ergebnisse korrekt sind. Die zuverlässigste Methode zur Quantifizierung des Lebenszeitgewinns durch Krebsvorsorgeuntersuchungen ist die Verwendung verfügbarer Daten aus großen klinischen Screening-Studien.

Hier setzt die aktuelle Metaanalyse von Bretthauer und Kollegen an: In diese bezogen sie randomisierte klinische Studien mit einer langen Nachbeobachtungszeit (mehr als neun Jahre) ein, in denen die Gesamtsterblichkeit und die geschätzte Lebenszeitverlängerung für sechs häufig durchgeführte Krebsfrüherkennungsuntersuchungen verglichen wurden (Teilnehmer der Screening-Untersuchungen vs. Kontrollpersonen ohne Screening). Die Autoren nutzten für die Suche nach passenden klinischen Studien die Datenbanken Medline und Cochrane. Folgende Screenings bezogen sie in die Analyse ein: Mammografie für Brustkrebs, Koloskopie, Sigmoidoskopie und Test auf okkultes Blut im Stuhl (FOBT) für Darmkrebs, Computertomografie (CT) bei Rauchern und ehemaligen Rauchern für Lungenkrebs sowie Bestimmung des Prostata-spezifischen Antigens (PSA) für Prostatakrebs.

In die Metaanalyse wurden 18 Studien mit insgesamt 2,1 Millionen Teilnehmern eingeschlossen, die alle Einschlusskriterien erfüllten. Die mittlere Nachbeobachtungszeit betrug 10 Jahre für CT, PSA und Koloskopie, 13 Jahre für Mammographie und 15 Jahre für Sigmoidoskopie und FOBT.

Die berichteten relativen Risiken für die Gesamtmortalität bei Inanspruchnahme des Screenings im Vergleich zu Nicht-Inanspruchnahme betrugen 0,98 für Sigmoidoskopie, 0,99 für Koloskopie, 1,00 für FOBT, 1,00 für Mammographie, 0,99 für PSA und 0,97 für CT.

Auf der Grundlage der beobachteten relativen Risiken und der in den Studien angegebenen Nachbeobachtungszeit war die einzige Früherkennungsuntersuchung mit einem signifikanten Lebenszeitgewinn die Sigmoidoskopie (110 Tage). Es gab keinen signifikanten Unterschied nach Mammographie (0 Tage), Prostatakrebs-Screening (37 Tage), Koloskopie (37 Tage), FOBT-Screening jedes oder jedes zweite Jahr (0 Tage) und Lungenkrebs-Screening (107 Tage).

Dr. Michaela Bitzer, Tübingen

Fazit.

Die Ergebnisse dieser Metaanalyse legen nahe, dass die Annahme, gegenwärtige Krebsfrüherkennungsuntersuchungen würden Leben retten, indem sie die Lebenszeit verlängern, derzeit nicht belegt ist. Einzige Ausnahme war die Darmkrebsvorsorge mittels Sigmoidoskopie, für die eine Lebenszeitverlängerung um 3 Monate gefunden wurde. Dennoch plädieren die Autoren nicht dafür, alle Vorsorgeuntersuchungen abzuschaffen: Screening-Tests mit einer positiven Nutzen-Risiko-Bilanz, gemessen an der Inzidenz und Mortalität der betreffenden Krebserkrankung im Vergleich zu den negativen Auswirkungen, können durchaus sinnvoll sein.

References

  • Bretthauer M, Wieszczy P, Løberg M et al. Estimated Lifetime Gained With Cancer Screening Tests. A Meta-Analysis of Randomized Clinical Trials. JAMA Intern Med. 2023;183:1196–1203. doi: 10.1001/jamainternmed.2023.3798. [DOI] [PMC free article] [PubMed] [Google Scholar]

Articles from Gesundheitswesen (Bundesverband Der Arzte Des Offentlichen Gesundheitsdienstes (Germany) are provided here courtesy of Thieme Medical Publishers

RESOURCES