Abstract
Die Wasserstoffionenkonzentration (H+) der Körperflüssigkeiten wird innerhalb eines sehr engen Bereichs konstant gehalten. Nur so können die vielfältigen biochemischen Prozesse im Stoffwechsel der Gewebe und die elektrophysiologischen Vorgänge an den erregbaren Membranen des Körpers ihre normale Funktion aufrechterhalten. Die Wasserstoffionenkonzentration der Extrazellulärflüssigkeit entspricht einem pH-Wert zwischen 7,36 und 7,44. Dieses Konzentrationsgleichgewicht wird durch die fortlaufend im Stoffwechsel entstehenden Säuren und Basen gefährdet. Hierbei droht entweder eine zu hohe Wasserstoffionenkonzentration (Azidose) oder eine zu niedrige Wasserstoffionenkonzentration (Alkalose). Beide Störungen beeinträchtigen gleichermaßen die Funktion der Organe. Bestimmte Regulationssysteme sorgen jedoch dafür, dass die Wasserstoffionenkonzentration sich unter dem Einfluss von Säuren und Basen nur sehr wenig ändert. Dies sind die Puffersubstanzen, die Atmung, die Nieren und die Leber.
Die Wasserstoffionenkonzentration (H+) der Körperflüssigkeiten wird innerhalb eines sehr engen Bereichs konstant gehalten. Nur so können die vielfältigen biochemischen Prozesse im Stoffwechsel der Gewebe und die elektrophysiologischen Vorgänge an den erregbaren Membranen des Körpers ihre normale Funktion aufrechterhalten. Die Wasserstoffionenkonzentration der Extrazellulärflüssigkeit entspricht einem pH-Wert zwischen 7,36 und 7,44. Dieses Konzentrationsgleichgewicht wird durch die fortlaufend im Stoffwechsel entstehenden Säuren und Basen gefährdet. Hierbei droht entweder eine zu hohe Wasserstoffionenkonzentration (Azidose) oder eine zu niedrige Wasserstoffionenkonzentration (Alkalose). Beide Störungen beeinträchtigen gleichermaßen die Funktion der Organe. Bestimmte Regulationssysteme sorgen jedoch dafür, dass die Wasserstoffionenkonzentration sich unter dem Einfluss von Säuren und Basen nur sehr wenig ändert. Dies sind die Puffersubstanzen, die Atmung, die Nieren und die Leber.
Grundlagen
Säuren
Säuren sind Substanzen, die in wässriger Lösung Wasserstoffionen abgeben; sie sind Wasserstoffionendonatoren (von lat. donare: geben). Da das Wasserstoffion H+ mit einem Proton identisch ist, werden Säuren auch als Protonendonatoren bezeichnet:
Starke Säuren geben in wässriger Lösung viele Wasserstoffionen ab, sie „dissoziieren“ stark, während schwache Säuren nur wenig dissoziieren, also wenige Wasserstoffionen abgeben.
Basen
Basen sind Substanzen, die in wässriger Lösung Wasserstoffionen aufnehmen; sie sind Wasserstoffionen- oder Protonenakzeptoren:
Starke Basen nehmen viele Wasserstoffionen auf, schwache hingegen nur wenige.
pH-Wert
Die Wasserstoffionenkonzentration der Extrazellulärflüssigkeit beträgt 0,36–0,44 × 10−7mol/l, eine extrem kleine Zahl, die sich dem Vorstellungsvermögen entzieht. Darum wird die H+-Konzentration durch das Symbol pH ausgedrückt. Die pH-Zahlen sind sog. Logarithmen.
pH-Wert
Der pH-Wert ist definiert als der negative dekadische Logarithmus der Wasserstoffionenkonzentration.
Er gibt also an, wie hoch die Wasserstoffionenkonzentration einer Lösung ist. Hierbei gilt:
Ein niedriger pH-Wert bedeutet hohe Wasserstoffionenkonzentration,
Ein hoher pH-Wert bedeutet niedrige Wasserstoffionenkonzentration.
Puffer
Puffersubstanzen sind Lösungen, deren pH-Wert (Wasserstoffionenkonzentration) sich bei Zugabe einer Säure oder Base nicht wesentlich ändert. Puffer bestehen aus dem Gemisch einer schwachen Säure mit einem ihrer Salze oder aus dem Gemisch einer schwachen Base mit einem ihrer Salze. Werden dem Puffergemisch Wasserstoffionen (H+-Ionen) zugeführt, bindet der Puffer diese Ionen. Werden hingegen Basen zugeführt, setzt der Puffer H+-Ionen frei. Hierdurch bleibt die H+-Ionenkonzentration konstant.
Regulation des Säure-Basen-Haushalts
Die meisten Säuren entstehen im Stoffwechsel, ein Teil stammt aus der Nahrung. Folgende drei Organe sind an der Elimination der Säuren beteiligt:
Lunge: ca. 224 ml oder 10 mmol CO2 pro min,
Leber: ca. 40 mmol H+/h (als Milchsäure bzw. Laktat),
Niere: ca. 40–80 mmol H+ pro Tag (als H2PO4– bzw. NH4+).
Niere und Lunge sind über ein Puffersystem, den Kohlensäure-Bikarbonat-Puffer miteinander verbunden (Abb. 58.1).
Die Wasserstoffionenkonzentration bzw. der Säure-Basen-Haushalt wird durch vier Systeme, die sich gegenseitig beeinflussen, reguliert (Abb. 58.1):
Puffersubstanzen (v. a. das Kohlensäure-Bikarbonat-Puffersystem),
Lunge,
Leber,
Niere.
Puffersysteme
Zahlreiche Puffersysteme stehen im Organismus zur Verfügung, um Veränderungen der Wasserstoffionenkonzentration entgegenzuwirken:
Bikarbonatpuffer,
Phosphatpuffer,
Proteinpuffer.
Der Bikarbonatpuffer besteht aus einem Gemisch von Kohlensäure (H2CO3) und Natriumbikarbonat (NaHCO3) und macht 75% der gesamten Pufferkapazität des Organismus aus, die Nichtbikarbonatpuffer 25%. Die Wirkungsweise dieses Puffers ist in Abb. 58.1 dargestellt.
Alle Pufferungsvorgänge laufen innerhalb sehr kurzer Zeit nach Beginn der Störung des Gleichgewichtes an.
Lunge
Steigt die CO2-Konzentration im Körper an, so fällt der pH-Wert ab, d. h. die Wasserstoffionenkonzentration nimmt zu. Sinkt die CO2-Konzentration hingegen, so steigt der pH-Wert an, die Wasserstoffionenkonzentration nimmt ab. Über diese Beziehung beeinflusst die Atmung das Säure-Basen-Gleichgewicht. Einzelheiten: Abb. 58.1.
Die Atmung reagiert innerhalb weniger Minuten auf Veränderungen der Wasserstoffionenkonzentration.
Leber
Die Leber verstoffwechselt Milchsäure oxidativ zu CO2 und H2O oder verwendet sie für die Neubildung von Glukose (Glukoneogenese). In beiden Fällen wird pro 1 mol Laktat 1 mol H+ verbraucht.
Niere
Die Nieren regulieren die Wasserstoffionenkonzentration durch zwei Mechanismen:
Erhöhung der Bikarbonatkonzentration im Blut,
Erniedrigung der Bikarbonatkonzentration im Blut.
Hierbei gilt: Für jedes H+-Ion, das die Niere ausscheidet, gewinnt der Körper ein Bikarbonation.
Die Regulationsmechanismen in der Niere sind komplex und erst Tage nach Beginn der Störung voll ausgebildet.
Störungen des Säure-Basen-Gleichgewichts
Störungen des Säure-Basen-Gleichgewichts äußern sich v. a. als Veränderungen der Wasserstoffionenkonzentration bzw. des pH-Werts im Blut (Übersicht Tab. 58.1):
Diagnose | pH | pCO2 (mm Hg) | BE (mmol/l) |
---|---|---|---|
Normalwerte | 7,40 ± 0,04 | 40 ± 5 | 0 ± 2 |
Respiratorische Azidose | <7,36 | >45 | 0 ± 2 |
Respiratorische Alkalose | >7,44 | <35 | 0 ± 2 |
Nichtrespiratorische Azidose | <7,36 | 40 ± 5 | < –2 |
Nichtrespiratorische Alkalose | >7,44 | 40 ± 5 | > +2 |
Azidose
Störung, die mit einer Zunahme der H+-Ionen im Blut ( Azidämie) einhergeht. Erkennbar am Abfall des pH-Werts auf <7,36.
Alkalose
Störung, die mit einer Abnahme der H+-Ionen im Blut ( Alkaliämie) einhergeht. Erkennbar am Anstieg des pH-Werts auf >7,44.
Je nach der zugrundeliegenden Ursache können respiratorische und nichtrespiratorische (metabolische) Störungen des Säure-Basen-Haushalts unterschieden werden. ± kennzeichnen die Standardabweichung.
Störungen des Säure-Basen-Haushalts
respiratorische Azidose
respiratorische Alkalose
metabolische (nichtrespiratorische) Azidose
metabolische (nichtrespiratorische) Alkalose
Außerdem können respiratorische und metabolische Störungen kombiniert auftreten.
Die Diagnose „Alkalose“ oder „Azidose“ wird durch Messung des pH-Werts im Blut gestellt. Ob die zugrunde liegende Störung respiratorisch oder metabolisch bedingt ist, kann jedoch nur durch eine sog. arterielle Blutgasanalyse (Abschn. 58.4) festgestellt werden.
Hierzu müssen die respiratorischen und metabolischen Komponenten des Säure-Basen-Haushalts im Blut bestimmt und analysiert werden:
respiratorische Komponente: CO2-Partialdruck (pCO2),
metabolische Komponenten: Standardbikarbonat, Plasmabikarbonat, Basenabweichung, Pufferbasen, Alkalireserve.
Gleichung von Henderson-Hasselbalch
Das System kann mit Hilfe der Gleichung von Henderson-Hasselbalch verdeutlicht werden:
Der respiratorische Einfluss ist durch den pCO2 im Nenner der Gleichung gegeben: Anstieg des pCO2 vermindert den pH-Wert, die Wasserstoffionenkonzentration nimmt zu. Umgekehrt gilt: Wird der pCO2 im Nenner kleiner, nimmt der pH-Wert zu und die Wasserstoffionenkonzentration ab.
Der metabolische Einfluss wird durch das im Zähler der Gleichung stehende Bikarbonat charakterisiert. Ein Anstieg des Bikarbonats erhöht den pH-Wert, die Wasserstoffionenkonzentration nimmt ab. Umgekehrt führt ein Abfall des Bikarbonats im Zähler der Gleichung zu einem Abfall des pH-Werts, d. h. einer Zunahme der Wasserstoffionenkonzentration.
Respiratorisch bedingte Säure-Basen-Störungen
Respiratorisch, also durch Veränderungen der Atmung bedingte Störungen des Säure-Basen-Haushalts können durch Messung des CO2-Partialdrucks im arteriellen Blut erfasst werden.
Normwerte des arteriellen pCO2: 35–45 mmHg.
Zwei Arten von respiratorischen Störungen des Säure-Basen-Haushalts werden unterschieden: respiratorische Azidose und respiratorische Alkalose (Tab. 58.2).
Parameter | Störung | Mechanismus |
---|---|---|
paCO2 >45 mmHg | Respiratorische Azidose | Hypoventilation |
paCO2 <35 mmHg | Respiratorische Alkalose | Hyperventilation |
Respiratorische Azidose
Respiratorische Azidose
Ein erhöhter paCO2 aufgrund einer verminderten CO2-Ausscheidung der Lungen (Hypoventilation).
Ursachen
Die wichtigsten Ursachen der respiratorischen Azidose sind:
Einstellung eines zu geringen Atemminutenvolumens bei maschineller Beatmung,
Verlegung der Atemwege,
zentrale Atemdepression, z. B. durch Opioide,
Lungenerkrankungen, z. B. COPD, Status asthmaticus,
Erkrankungen der Thoraxwand, z. B. instabile Rippenserienfraktur,
neurologische oder neuromuskuläre Erkrankungen (Einzelheiten: 10.1007/978-3-662-50444-4_61).
Blutgasanalyse
Tab. 58.1.
Kompensationsmechanismen
Respiratorische Störungen versucht der Körper metabolisch zu kompensieren. Hierbei spielen die Niere und die Leber die wichtigste Rolle: sie steigern die H+-Ionenausscheidung. Hierdurch wird der pH-Wertabfall kompensiert (allerdings nicht vollständig).
Bei Kompensation sieht die Blutgasanalyse folgendermaßen aus:
pH fast normal,
paCO2 >45 mmHg,
BE >2 mmol/l.
Therapie
Respiratorische Azidosen müssen soweit möglich respiratorisch behandelt werden: Steigerung der Ventilation, assistierte oder kontrollierte Beatmung.
Respiratorische Alkalose
Respiratorische Alkalose
Ein erniedrigter paCO2 aufgrund einer gesteigerten CO2-Ausscheidung der Lungen (Hyperventilation).
Ursachen
Die wichtigsten Ursachen der respiratorischen Alkalose sind:
kompensatorische Hyperventilation bei Lungenerkrankungen,
kontrollierte oder versehentliche Hyperventilation mit dem Respirator,
Schädel-Hirn-Trauma,
Angst und Aufregung,
Salizylsäurevergiftung u.v.m.
Blutgasanalyse
Tab. 58.1.
Kompensationsmechanismen
Länger anhaltende respiratorische Alkalosen werden metabolisch kompensiert: Die Nieren scheiden vermehrt Bikarbonat mit dem Urin aus; die Leber verbraucht Glutamin. Blutgasanalyse bei Kompensation:
pH fast normal,
paCO2, BE und Standardbikarbonat erniedrigt.
Therapie
Die Behandlung richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache. Bei angstbedingter Hyperventilationstetanie, falls erforderlich, den Patienten sedieren und CO2 einatmen lassen.
Metabolisch (nichtrespiratorisch) bedingte Säure-Basen-Störungen
Alle nichtrespiratorisch bedingten Abweichungen der Wasserstoffionenkonzentration vom Normalbereich werden als metabolische Störungen bezeichnet. Auch hier können wieder zwei Arten unterschieden werden: metabolische Azidose und metabolische Alkalose (Tab. 58.3). Wiederum kann durch Messung des pH-Werts im Blut allein nicht festgestellt werden, ob eine Störung metabolisch oder respiratorisch bedingt ist; vielmehr ist eine vollständige arterielle Blutgasanalyse erforderlich. Hierbei stehen zwei metabolische Parameter im Mittelpunkt: das Standardbikarbonat und die Basenabweichung (Base Excess, BE). Diese beiden Säure-Basen-Parameter werden primär nur metabolisch beeinflusst und daher zusammen mit dem pH-Wert für die Diagnostik metabolischer Störungen herangezogen.
Parameter | Störung | Mechanismus |
---|---|---|
Basenabweichung, Standardbikarbonat ↓ | Metabolische Azidose |
1. Zunahme fixer Säuren 2. Verlust von Bikarbonat |
Basenabweichung, Standardbikarbonat ↓ | Metabolische Alkalose |
1. Verlust fixer Säuren 2. Zunahme von Bikarbonat |
Basenabweichung (Basenüberschuss, Base Excess, BE)
Dieser sehr wichtige Parameter ist ein Rechenwert und gibt an, wie viel mmol H+ (oder OH–) erforderlich wären, um den pH-Wert des Blutes bei einem pCO2 von 40 mmHg auf 7,4 zu normalisieren. Die Einheit ist mmol/l; der Normalwert beträgt 0 ± 2 mmol/l. Die berechnete Basenabweichung wird nicht vom paCO2 beeinflusst und erlaubt damit zuverlässige Aussagen über die Art einer Säure-Basen-Störung.
Ein Überschuss an Basen wird als positive Basenabweichung bezeichnet und mit einem „+“ gekennzeichnet (positiver Base Excess), ein Mangel an Basen als negative Basenabweichung (sprachlich falsch als negativer Base Excess), gekennzeichnet mit einem „-„.
Normwerte der Basenabweichung (BE): 0 ± 2 mmol/l.
Standardbikarbonat
Um den respiratorischen Einfluss (des paCO2) auf die Bikarbonatkonzentration auszuschalten, wird das Plasmabikarbonat bei 37°C und einem paCO2 von 40 mmHg, bei O2-Vollsättigung des Hämoglobins, gemessen. Dieses Standardbikarbonat ist weitgehend unbeeinflusst vom paCO2. Allerdings wird es doch bei respiratorischer Azidose etwas zu niedrig und bei respiratorischer Alkalose etwas zu hoch bestimmt.
Normwerte des Standardbikarbonats: 21–25 mmol/l.
Metabolische Azidose
Metabolische Azidose
Mangel an Bikarbonat und eine negative Basenabweichung (–BE).
Ursachen
Metabolische Azidosen können durch zwei Grundmechanismen entstehen (Tab. 58.4):
Anhäufung nichtflüchtiger (fixer) Säuren im Blut,
Verlust von Bikarbonat aus dem Körper.
Zunahme fixer Säuren | Verlust von Bikarbonat |
---|---|
Nierenversagen | Durchfälle |
Diabetische Ketoazidose | Pankreassaftdrainage |
Hungerketoazidose | Dünndarmdrainage |
Alkoholische Ketoazidose | Renale Tubulusazidose |
Laktatazidose | Diamoxtherapie |
Salizylsäurevergiftung | Ionenaustauschtherapie |
Methanolvergiftung | Verdünnungsazidose |
Alkoholvergiftung | Ureterosigmoidostomie |
Blutgasanalyse
Tab. 58.1.
Kompensationsmechanismen
Metabolische Störungen versucht der Körper, nach anfänglicher (jedoch nicht ausreichender) Blutpufferung, respiratorisch zu kompensieren: Es wird vermehrt CO2 über die Lungen ausgeschieden, um das normale Verhältnis zwischen Bikarbonat und Kohlensäure (20 : 1) wiederherzustellen. Die Atemsteigerung beginnt praktisch sofort und ist nach 12–24 h maximal ausgeprägt. Vollkompensation gelingt allerdings nicht. Bei respiratorisch kompensierter metabolischer Azidose sieht die Blutgasanalyse folgendermaßen aus:
pH fast normal,
Standardbikarbonat und BE erniedrigt,
paCO2 erniedrigt (kompensatorische Hyperventilation).
Therapie
Metabolische Azidosen werden grundsätzlich metabolisch korrigiert, nicht respiratorisch. Hierfür werden Puffersubstanzen i.v. zugeführt. Die wichtigsten sind:
Natriumbikarbonat 8,4% (1 ml = 1 mmol),
Natriumbikarbonat 4,2% (1 ml = 0,5 mmol),
Tris-Puffer (1 ml = 0,3 mmol Base).
Die Zufuhr von Puffersubstanzen ist, neben der (entscheidenden) Behandlung der auslösenden Ursache, etwa ab pH-Werten von 7,2 und darunter erforderlich. Der Bedarf an Puffer (Basen) zur Korrektur der metabolischen Azidose kann nach folgenden Formeln errechnet werden:
Dosierung von Puffersubstanzen
Bikarbonatbedarf (mmol) = negativer BE × 0,3 × kgKG
Tris-Lösung (ml) 0,3 molar = negativer BE × kgKG
Die Pufferung muss behutsam erfolgen, um eine Alkalose zu vermeiden: Die Azidose darf nicht komplett korrigiert werden. Es genügt zunächst, wenn der pH-Wert auf über 7,2 angehoben wird. Beachtet werden muss, dass die schwere Azidose mit einer Hyperkaliämie einhergeht (Ausstrom von Kalium aus der Zelle im Austausch gegen H+-Ionen). Hierdurch können bedrohliche Herz-Kreislauf-Störungen, insbesondere Herzrhythmusstörungen, auftreten.
Natriumbikarbonat
Alle Säuren, die eine metabolische Azidose hervorrufen, werden durch Zufuhr von Natriumbikarbonat gepuffert. Bei Azidosen durch Bikarbonatverlust bedeutet die Zufuhr von Natriumbikarbonat eine echte Ersatztherapie.
Bei einer Hypernatriämie ist Natriumbikarbonat kontraindiziert, weil hiermit große Mengen Natrium zugeführt werden. Dann sollte Tris-Puffer eingesetzt werden.
Tris-Puffer ( THAM, Trometamol)
Dieser Puffer bindet die H+-Ionen. Er ist natriumfrei und damit besonders indiziert, wenn kein Natrium zugeführt werden darf. Die Substanz führt zur Atemdepression. Die Atemdepression soll durch eine Abnahme der freien Kohlensäure bei gleichzeitiger Bikarbonatbildung entstehen. Bei respiratorischer Insuffizienz ohne eine Möglichkeit der maschinellen Beatmung darf Tris-Puffer daher nicht zugeführt werden. Kontraindiziert ist die Substanz auch bei Oligurie oder Anurie (Kumulationsgefahr).
Extravasal infundiert führt Tris-Puffer, wie Bikarbonat, zu schweren Gewebsnekrosen!
Die Tagesdosis von Tris-Puffer soll ca. 750 ml der 0,3 molare-Lösung nicht überschreiten. Die Einlaufgeschwindigkeit liegt maximal bei 10 ml/min (0,3 molare Lösung).
Metabolische Alkalose
Metabolische Alkalose
Überschuss an Bikarbonat und eine positive Basenabweichung (+BE) im Blut.
Ursachen
Metabolische Alkalosen entstehen in erster Linie durch den Verlust von Wasserstoffionen aus dem Körper. Die renale Regulation der Ausscheidung von Bikarbonat ist beeinträchtigt (durch Chloridmangel, Hyperaldosteronismus, Hypokaliämie). Die wichtigsten Ursachen der metabolischen Alkalose (Standardbikarbonat und positive Basenabweichung erhöht) sind:
Verlust von saurem Magensaft: Erbrechen, Magensonde,
Diuretikatherapie,
Chloridverlust durch Diarrhöe,
schwerer Kaliummangel,
übereifrige Pufferung,
Kortikoidtherapie.
Blutgasanalyse
Tab. 58.1.
Kompensationsmechanismen
Auch bei der metabolischen Alkalose versucht der Organismus die Störung respiratorisch zu kompensieren. Es wird weniger CO2 ausgeatmet (Hypoventilation), um das Verhältnis von Bikarbonat und Kohlensäure zu normalisieren. Eine Vollkompensation wird meist nicht erreicht. Bei respiratorisch kompensierter metabolischer Alkalose sieht die Blutgasanalyse folgendermaßen aus:
pH fast normal,
Standardbikarbonat und positiver BE erhöht,
paCO2 erhöht.
Bei ausgeprägter Alkalose kann eine Hypokaliämie auftreten, da Wasserstoffionen aus der Zelle gegen Kalium aus dem Blut ausgetauscht werden.
Therapie
Metabolische Alkalosen werden metabolisch behandelt, nicht respiratorisch. Erst sehr schwere metabolische Alkalosen müssen korrigiert werden. Diese Störungen entstehen meist durch Salzsäureverlust oder Kaliummangel (oder beides). Für die Therapie müssen auch die Serumelektrolyte bestimmt und entsprechend ersetzt werden. Dies gilt v. a. für Chlorid und Kalium. Die wichtigsten Maßnahmen sind:
Ausgleich einer Hypovolämie,
Substitution von Chlorid,
Substitution von Kalium, evtl. auch von Magnesium,
Steigerung der renalen Bicarbonatausscheidung durch Azetazolamid (Vorsicht: Hypokaliämie!).
Säure wird nur bei schwerer metabolischer Alkalose und Versagen der angegebenen Maßnahmen zugeführt.
Dosierung
Ermittlung des Säurebedarfs:
Säurebedarf (mmol) = positiver BE × 0,3 × kgKG; maximal 25 mmol/h
Als Säuren werden zugeführt:
Salzsäure (0,1–0,2 molar) über einen zentralen Venenkatheter,
Argininhydrochlorid,
Lysinhydrochlorid.
Die Therapie mit Arginin- oder Lysinhydrochlorid ist umstritten, weil beide Substanzen die intrazelluläre Alkalose verstärken sollen.
Tab. 58.5 zeigt das differenzialdiagnostische Vorgehen bei Störungen des Säure-Basen-Haushalts. Die dicken Pfeile kennzeichnen die jeweiligen für die metabolische oder respiratorische Störung typischen primären Abweichungen. Die gestrichelten, aufwärts oder abwärts gerichteten Pfeile zeigen die Kompensationsreaktionen und das Verhalten des pH-Werts. Durch die Kompensationsreaktionen verändert sich der pH-Wert immer in Richtung Normalbereich.
Auswirkungen von Azidose und Alkalose
Azidose
Die Hauptwirkung einer Azidose ist die Dämpfung des zentralen Nervensystems. Fällt der pH-Wert unter 7,0 ab, treten folgende Zeichen auf:
Verwirrtheit,
Muskelschwäche,
Koma.
Wichtig sind auch die möglichen Herz-Kreislauf-Wirkungen der Azidose:
Blutdruckabfall,
Herzrhythmusstörungen.
Bei metabolischer Azidose ist die Atmung gesteigert: Atemfrequenz und Atemtiefe nehmen zu. Hingegen fehlt bei respiratorischer Azidose die Atemsteigerung, denn Atemdepression ist meist die Ursache der respiratorischen Azidose.
Aus den Zeichen der Azidose wird ersichtlich: Sie sind unspezifisch und können auch durch andere Störungen verursacht sein. Darum kann die Diagnose nur durch eine Blutgasanalyse gesichert werden.
Alkalose
Hauptwirkung der schweren Alkalose ist die Übererregbarkeit des peripheren Nervensystems. Typisches Symptom ist die Tetanie, das sind tonische Spasmen der Muskulatur. Die Spasmen beginnen meist am Unterarm, breiten sich dann über das Gesicht und schließlich über den ganzen Körper aus. Verwirrtheit kann ebenfalls auftreten. Die Herz-Kreislauf-Wirkungen sind ähnlich wie bei der Azidose:
Blutdruckabfall,
Herzrhythmusstörungen.
Die Diagnose wird durch eine Blutgasanalyse gesichert.
Blutgasanalyse: Arterielle Punktionen und Normalwerte
Die sog. arterielle Blutgasanalyse umfasst im klinischen Sprachgebrauch die Parameter des Säure-Basen-Haushalts und die Blutgase O2 (pO2) und CO2 (pCO2). Da beide Systeme eng miteinander verknüpft sind, werden zumeist alle Parameter bestimmt.
Parameter der Blutgasanalyse
pO2 = O2-Partialdruck (mmHg)
pCO2 = CO2-Partialdruck (mmHg)
Hämoglobin (g/100 ml)
saO2 = O2-Sättigung des Hämoglobins (%)
pH = Wasserstoffionenkonzentration
Standardbikarbonat (mmol/l)
BE = Basenabweichung (Base Excess, mmol/l)
Plasmabikarbonat
Pufferbasen
Gemessen werden bei der Blutgasanalyse folgende Größen:
pO2, pCO2,
pH, Hämoglobinkonzentration (Hb) und
O2-Sättigung.
Hingegen werden Standardbikarbonat und Basenabweichung (BE) errechnet, bzw. aus Nomogrammen ermittelt.
Für die Messung von pCO2, pO2 und pH werden jeweils spezielle Elektroden eingesetzt; die O2-Sättigung wird mit einem Oxymeter bestimmt.
Grundsätzlich werden die Blutgase pO2 und pCO2 im arteriellen Blut bestimmt, da nur anhand arterieller Blutgasanalysen der pulmonale Gasaustausch beurteilt werden kann. Hingegen können die metabolischen Parameter des Säure-Basen-Haushalts im venösen Blut bestimmt werden.
Probenentnahme
Blutgasanalysen werden im Vollblut durchgeführt. Das Blut wird mit entsprechenden Fertigmonovetten entnommen, in denen zur Gerinnungshemmung kalziumstabilisierendes Heparin enthalten ist.
Arterielle Punktionen
Die arteriellen Blutentnahmen werden meist an einer der folgenden Stellen vorgenommen (Abb. 58.2):
A. radialis,
A. brachialis,
A. femoralis.
Ausweichmöglichkeiten sind: A. ulnaris, A. dorsalis pedis, A. tibialis posterior, A. temporalis.
Arterialisiertes Kapillarblut
Bei Neugeborenen und Kleinkindern liefert die Analyse von arterialisiertem Kapillarblut ausreichend genaue Werte, wenn die Durchblutung im Punktionsbereich gut ist. Bei einer Zentralisation des Kreislaufs ist das Verfahren hingegen unzuverlässig.
Praktisches Vorgehen
Auswahl eines stark kapillarisierten Gefäßbettes: Ferse, Ohrläppchen, Fingerbeere, Großzehe,
Erwärmen des Gebietes, z. B. durch 10-minütiges Anstrahlen mit einer Lampe,
tiefer Einstich in das erwärmte Gebiet mit einer Lanzette; Blut muss frei austreten; hierbei darf das Gewebe nicht gequetscht werden,
eine mit Heparin benetzte Kapillare (10 cm lang, 60–100 μl Fassungsvermögen) tief in den Bluttropfen einführen; das Blut muss leicht in der Kapillare aufsteigen,
Probe sofort luftdicht verschließen und bei 4°C lagern.
Venöse Analysen
Venöse Analysen sind nicht geeignet, um die O2-Sättigung, den pO2-Wert des arteriellen Blutes zu beurteilen. Dies liegt an der unterschiedlichen Aufnahme von Sauerstoff durch die einzelnen Gewebe. Dadurch differieren die venösen O2-Werte in den einzelnen Gefäßgebieten.
Gemischtvenöse Analyse
Eine echte gemischtvenöse Blutgasanalyse ist nur aus dem Blut der A. pulmonalis möglich, denn hier befindet sich repräsentatives Mischblut aus dem gesamten Körper. Zentralvenöses Blut stammt hingegen aus einer zentralen Vene oder aus dem rechten Vorhof. Im zentralvenösen Blut ist noch nicht das gesamte Körpervenenblut gemischt.
Aufbewahrung bzw. Verarbeitung der Proben
Das entnommene Blut ist nach wie vor ein lebendes Gewebe, das Sauerstoff verbraucht und Kohlendioxid produziert. Darum muss die Blutentnahme unter anaeroben Bedingungen erfolgen, d. h. während und nach der Entnahme darf keine Luft in die Spritze eindringen, damit die Blutgaswerte nicht verfälscht werden. Nach der Entnahme sollte das Blut sofort analysiert werden. Ist das nicht möglich, muss die Stoffwechselaktivität des entnommenen Blutes durch Lagerung bei 4°C gesenkt werden.
Bei einer Temperatur von 4°C kann das Blut ohne wesentliche Veränderungen ca. 1–2 h aufbewahrt werden.
Einfluss der Temperatur auf die Blutgasanalyse
Blutgasanalysen werden im Gerät bei 37°C durchgeführt. Da sich jedoch die Blutgase und der pH-Wert mit der Temperatur ändern, ist eine Korrektur der Werte erforderlich, wenn die Körpertemperatur des Patienten deutlich von 37°C abweicht.
pH-Wert
Da die Temperatur das Messergebnis beeinflusst, ist eine Standardisierung der Messung erforderlich. Aus diesem Grund werden alle pH-Messungen bei 37°C durchgeführt.
Außerdem wird der pH-Wert noch durch die Körpertemperatur des Patienten beeinflusst: Mit abnehmender Temperatur steigt der pH-Wert an und umgekehrt. Für klinische Zwecke kann vereinfacht pro Grad Temperaturabfall 0,015 zum gemessenen pH-Wert addiert und pro Grad Temperaturanstieg 0,015 abgezogen werden.
pCO2
Die Löslichkeit von Gasen nimmt mit sinkender Temperatur zu und umgekehrt (Sprudelflasche!). Darum ist bei gleicher Anzahl von CO2-Molekülen der pCO2 bei Hypothermie niedriger als bei Normothermie, bei Hyperthermie entsprechend höher.
Da die Blutgase grundsätzlich bei 37°C gemessen werden, ist eine entsprechende Korrektur der erhaltenen Werte auf die aktuelle Körpertemperatur erforderlich. Die Abweichung wird mit einer Formel berechnet.
pO2
Für den pO2 gilt das Gleiche wie für den pCO2: Abfall mit abnehmender Körpertemperatur und umgekehrt. Nur kommt hierbei die O2-Sättigung hinzu, denn mit abnehmender Temperatur nimmt die Bindung des Sauerstoffs an das Hämoglobin zu. Diese Beziehung muss bei der Korrekturberechnung berücksichtigt werden.
Normwerte und Formeln
Untere p a O 2- Grenzwerte:
Neugeborene: 40 mmHg,
<50 Jahre: 80 mmHg,
50–65 Jahre: 75 mmHg,
>65 Jahre: 70 mmHg.
Sauerstoffgehalt im Blut
Summe aus chemisch gebundenem und physikalisch gelöstem Sauerstoff.
O2-Gehalt = O2-Sättigung × 1,34 + (pO2 × 0,003) = Vol.-%
Normal sind:
arteriell: ca. 21 ml O2/100 ml Blut,
venös: ca. 16 ml O2/100 ml Blut.
Es gilt folgende Regel: Multiplikation der inspiratorischen O2-Konzentration mit 5 ergibt den zu erwartenden paO2-Wert in mmHg. Bleibt der Anstieg aus, liegt eine pulmonale Gasaustauschstörung vor.
Contributor Information
Collaborators: Tobias Fink and Tilmann Müller-Wolff
Nachschlagen und Weiterlesen
- [1].Hartwig W, Biesalski HK, Druml W, Fürst P, Weimann A. Ernährungs- und Infusionstherapie. Stuttgart: Thieme; 2003. [Google Scholar]
Internet
- [2].PhysioSBH Säure-Basen-Haushalt. www.physioklin.de