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. 2021 Jun 7;92(8):762–772. [Article in German] doi: 10.1007/s00115-021-01138-5
Indikation ESO/ESMINT-Guidelines [6] AHA/ASA-Guidelines [5] Aktuelle Forschungsergebnisse und Empfehlung der Autoren
Zeit von Symptombeginn/zuletzt gesund gesehen zum Behandlungsbeginn Bei Patienten mit einem Verschluss der vorderen Zirkulation, die sich zwischen 6 und 24 h, nachdem sie zuletzt gesund gesehen wurden, präsentieren, wird eine MT empfohlen, sofern die DAWN- oder DEFUSE-3-Kriterien erfüllt sind Bei Patienten mit AIS aufgrund eines Verschlusses der vorderen Zirkulation, die sich zwischen 6 und 16 h nach Symptombeginn, nach dem sie zuletzt gesund gesehen wurden, vorstellen und die DAWN- oder DEFUSE-3-Kriterien erfüllen wird eine Thrombektomie empfohlen Auch in einem Zeitfenster von > 24 h sollte eine Thrombektomie erwogen werden, sofern in der (Perfusions‑)Bildgebung noch eine relevante Penumbra nachgewiesen werden kann
Grad der Evidenz: moderat ⊕⊕⊕ Grad der Evidenz: A
Stärke der Empfehlung: stark ↑↑ Stärke der Empfehlung: stark ↑↑
Expertenmeinung: Im Zeitfenster von 6–12 h können Patienten, die die ESCAPE-Kriterien (moderate bis gute Kollateralen und ASPECTS ≥ 6) erfüllen durch MT behandelt werden Bis zu 24 h ist eine mechanische Thrombektomie bei Patienten, die die DAWN Kriterien erfüllen angemessen
Grad der Evidenz: B‑R
Stärke der Empfehlung: moderat ↑
Leichtere Schlaganfälle (NIHSS < 6) AIS-Patienten mit milder Symptomatik (NIHSS 0–5) und großem Gefäßverschluss, die sich bis zu 24 h, nach dem sie zuletzt gesund gesehen wurden, vorstellen, sollten in RCTs eingeschlossen werden Auch wenn der Nutzen unklar ist, kann bei Patienten mit einem proximalen Verschluss der vorderen Zirkulation eine MT auch bei einem NIHSS < 6 in einem Zeitfenster von 6 h durchgeführt werden Bis zum Vorliegen besserer Evidenz sollte eine MT nur im Einzelfall nach genauer Abwägung der potenziellen Risiken und Chancen erfolgen
Grad der Evidenz: sehr niedrig ⊕ Grad der Evidenz B‑R
Stärke der Empfehlung: neutral – Stärke der Empfehlung: schwach ↑?
Größe des Infarktes (ASPECTS) AIS-Patienten mit einem Verschluss der vorderen Zirkulation mit großem Infarktkern (ASPECTS < 6 oder Core-Volumen > 70/100 ml) sollten in RCTs zur Evaluierung des Nutzens der MT gegenüber medizinischem Management eingeschlossen werden Auch wenn der Nutzen unklar ist, kann bei Patienten mit einem proximalen Verschluss der vorderen Zirkulation eine MT auch bei eine ASPECTS < 6 in einem Zeitfenster von 6 h durchgeführt werden Basierend auf der bisherigen Evidenz empfehlen wir die Erwägung einer MT bei Patienten mit einem ASPECTS von 4–6 und bei ausgewählten Patienten (frühes Zeitfenster, Alter < 70 Jahre, vorher selbstständig zu Hause lebend) auch mit einem ASPECTS von 0–3
Grad der Evidenz: sehr niedrig ⊕ Grad der Evidenz B‑R
Stärke der Empfehlung: neutral – Stärke der Empfehlung: schwach ↑?
MT in Kombination mit i.v. tPA AIS-Patienten mit einem LVO sollten eine kombinierte Therapie aus MT und i.v. tPA erhalten, sofern keine Kontraindikation besteht. Beide Behandlungen sollten so schnell wie möglich erfolgen und sich nicht gegenseitig verzögern AIS-Patienten bei denen i.v. tPA infrage kommt, sollten sie erhalten, auch wenn eine MT durchgeführt werden soll

Wir empfehlen weiterhin die Gabe von i.v. tPA, auch wenn eine MT durchgeführt werden soll. Die Gabe sollte die MT auf keinen Fall verzögern

Tenecteplase sollte als Alternative zur derzeit genutzten Alteplase erwogen werden, insbesondere bei Patienten mit nachgewiesenem LVO

Grad der Evidenz: sehr niedrig ⊕ Grad der Evidenz A
Stärke der Empfehlung: stark ↑↑ Stärke der Empfehlung: stark ↑↑
Expertenmeinung: Sofern ein LVO nachgewiesen wird vor i.v. tPA-Gabe, sollte Tenecteplase bevorzugt werden Es könnte vernünftig sein, bei MT-Patienten Tenecteplase statt Alteplase zu verwenden
Grad der Evidenz B‑R
Stärke der Empfehlung: schwach ↑?
Distale Verschlüsse Expertenmeinung: Bei M2-Verschlüssen besteht Konsensus unter den Experten, dass eine MT angemessen ist. Keine Aussage zu anderen distalen Verschlüssen Bei gut ausgewählten AIS-Patienten auf Basis eines M2- oder M3-Verschlusses könnte eine MT innerhalb der ersten 6 h nach Symptombeginn von Vorteil sein Wir empfehlen bei Patienten mit distalen Verschlüssen, die sicher per MT erreichbar sind, eine MT durchzuführen, sofern ein klinischer Vorteil zu erwarten ist. Dies gilt unabhängig vom Zeitfenster
Grad der Evidenz: B‑R
Stärke der Empfehlung: schwach ↑?
Verschlüsse der hinteren Zirkulation Expertenmeinung: Bei Verschlüssen der A. basilaris besteht Konsensus unter den Experten, dass eine MT angemessen ist. Keine spezifische Aussage zu den Aa. posterior und vertebralis Bei gut ausgewählten AIS-Patienten auf Basis eines Verschlusses der A. basilars, A. vertebralis oder A. posterior könnte eine MT innerhalb der ersten 6 h nach Symptombeginn von Vorteil sein Wir empfehlen bei Verschlüssen der hinteren Zirkulation die Durchführung der MT
Grad der Evidenz: C-LD
Stärke der Empfehlung: schwach ↑?
Tandem-Verschlüsse Der intrakranielle LVO sollte behandelt werden, hinsichtlich der Behandlungsmodalität für die extrakranielle Läsion kann keine Empfehlung gegeben werden. Diese Patienten sollten in RCTs eingeschlossen werden Die Behandlung des/der extrakraniellen Verschlusses/Stenose während der primären Thrombektomie könnte vernünftig sein Wir empfehlen die Durchführung der MT auch bei Tandem-Verschlüssen sowie, wenn sicher möglich, das parallele primäre Stenting der extrakraniellen Läsion
Grad der Evidenz: sehr niedrig ⊕ Grad der Evidenz B‑R
Stärke der Empfehlung: neutral – Stärke der Empfehlung: schwach ↑?
Expertenmeinung: 9/11 Experten sofern kein Einschluss in RCT möglich, sollte bei hochgradiger Stenose am ehesten ein Stenting erwogen werden
Schlaganfall bei Kindern und Jugendlichen (0–17 Jahre) Keine spezifische Empfehlung In Abwesenheit besserer Studiendaten bleibt eine Behandlung von Kindern mit LVO durch MT umstritten [84]

Wir empfehlen die Durchführung von MT auch bei Kindern und Jugendlichen, sofern sie die Kriterien der bisherigen RCTs zur MT bei Erwachsenen erfüllen

Sofern als Ursache eine Arteriopathie vermutet wird, sollte mit besonderer Vorsicht agiert werden

Schlaganfall bei sehr alten Patienten (> 90 Jahre) Ein oberes Alterslimit für die MT ist nicht gerechtfertigt bei AIS-Patienten, die sich innerhalb von 6 h vorstellen Der Nutzen von MT bei Patienten mit einem Alter von über 90 Jahren ist nicht klar Wir empfehlen die MT auch bei LVO-Patienten mit einem Alter von über 90 Jahren, sofern sie vorher selbstständig waren
Grad der Evidenz: moderat ⊕⊕⊕
Stärke der Empfehlung: stark ↑↑
ESO/ESMINT schlägt vor auch ältere LVO-Patienten (> 80 Jahre) im Zeitfenster von 6–24 h zu behandeln, sofern sie die DAWN- und DEFUSE-3-Kriterien erfüllen
Grad der Evidenz: niedrig ⊕⊕
Stärke der Empfehlung: schwach ↑?
Vorbestehende Defizite (prämorbider mRS > 1) Keine spezifische Empfehlung Auch wenn der Nutzen unklar ist, könnte bei Patienten mit einem proximalen Verschluss der vorderen Zirkulation eine MT auch bei einem prämorbiden mRS > 1 in einem Zeitfenster von 6 h durchgeführt werden

Aufgrund der geringen Risiken der MT sollten vorbestehende Defizite nicht zwingend ein Ausschlussgrund für die MT sein. Wichtiger noch sollte das Ermitteln des prämorbiden mRS die Therapie nicht verzögern

Wir empfehlen ein pragmatisches Kriterium, wie z. B., ob der Patient aus dem eigenen Haushalt kommt oder aus einem Pflegeheim

Grad der Evidenz: B‑R
Stärke der Empfehlung: schwach ↑?
Pre-hospital-Skalen für die Erkennung von LVOs Keine spezifische Empfehlung. Patienten sollten, wenn möglich, in RCTs eingeschlossen werden Es sollten effektive Pre-hospital-Skalen entwickelt werden, um Patienten mit einer hohen Wahrscheinlichkeit für einen LVO zu identifizieren, um den Transport der Patienten in ein MT-fähiges Krankenhaus zu beschleunigen Pre-hospital-Skalen wie z. B. RACE oder Telekonsultation könnten die Triage von vermuteten LVO-Patienten verbessern. Sie sollten in Zusammenarbeit mit den Notdiensten evaluiert werden
Grad der Evidenz: sehr niedrig ⊕ Grad der Evidenz: C-EO
Stärke der Empfehlung: neutral – Stärke der Empfehlung: stark ↑↑
Ziel der Thrombektomie Bei Patienten mit LVO sollte versucht werden, mTICI 3 zu erreichen, sofern es möglich ist mit vertretbarer Sicherheit Das technische Ziel der MT sollte eine Reperfusion vom Grad mTICI ≥ 2b sein Wir empfehlen als Ziel der MT eine vollständige bzw. fast vollständige (mTICI 2c/3) Reperfusion. Wir empfehlen wiederholte Manöver auch bei bereits erreichter mTICI-2b-Reperfusion, wenn es technisch sicher möglich ist und das noch nichtperfundierte Areal funktionell wichtig ist
Grad der Evidenz: niedrig ⊕⊕ Grad der Evidenz: A
Stärke der Empfehlung: stark ↑↑ Stärke der Empfehlung: stark ↑↑

AHA/ASA American Heart Association/American Stroke Association, AIS „acute ischemic stroke“, ASPECTS Alberta Stroke Program CT Score, ESO/ESMINT European Stroke Organisation/European Society for Minimally Invasive Neurological Therapy, mRS modifizierte Rankin-Skala, MT mechanische Thrombektomie, mTICI „modified treatment in cerebral infarction“, LVO „large vessel occlusion“, NIHSS National Institutes of Health Stroke Scale, RCT randomisierte kontrollierte Studie, tPA „tissue plasminogen activator“

aDie Angaben beziehen sich auf das 2019 Update der „Guidelines for the early Managment of Patients with Acute Ischemic Stroke“ von der AHA/ASA und den 2019 veröffentlichen „ESO/ESMINT Guidelines on acute ischemic stroke.“

Die Evidenzlevel der AHA/ASA: A hochqualitative Evidenz von mehr als einer RCT, Metaanalyse mehrerer RCTs, eine oder mehr RCTs ergänzt durch eine hochqualitative Registerstudie. B‑R („randomized“) Evidenz moderater Qualität von einer oder mehr RCTs sowie von einer Metaanalyse dieser RCTs. C‑LD („limited data“) randomisierte oder nichtrandomisierte Studien mit Limitationen in Design oder Ausführung, Metaanalysen derartiger Studien, physiologische oder mechanistische Studien bei Menschen. C‑EO („expert opinion“) Konsensus von Experten basierend auf klinischer Erfahrung