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. 2021 Oct 25;68(11):14–21. [Article in German] doi: 10.1007/s35128-021-0943-9

So machen Vermittler ihren Betrieb zukunftsfest

Uwe Schmidt-Kasparek 1,
PMCID: PMC8542430

Versicherungsvermittlern bläst schon seit geraumer Zeit der Wind ins Gesicht. Regulierungen, Corona-Pandemie, Nachwuchsmangel und verändertes Kundenverhalten zwingen sie, ihre Geschäftsmodelle auf den Prüfstand zu stellen. Beispiele aus der Versicherungsmagazin-Titelgeschichte zeigen, wie sich Vertriebler aufstellen können, um gelassen in die Zukunft zu blicken.

Die Covid-19-Pandemie war die Nagelprobe und wurde von den Versicherungsvermittlern überwiegend brillant gemeistert. Denn unter dem Strich konnte in vielen Betrieben sowohl 2020 als auch 2021 das Betriebsergebnis gehalten oder sogar verbessert werden. Das gilt sowohl für die Ausschließlichkeit als auch die Maklerschaft. Doch nach der überstandenen Schockwelle kommt der graue Alltag zurück. Die Bundestagswahl hat die Grünen in die Regierungsverantwortung befördert. Ob sie, in einer Koalition mit der ebenfalls siegreichen FDP, ihre Maximalforderungen, ein Ende der Provisionsberatung, einen Bürgerfonds statt der Riester-Rente sowie eine Bürgerversicherung in der Kranken- und Pflegeversicherung, durchsetzen können, bleibt abzuwarten. Zudem kann sich dem Megatrend Nachhaltigkeit kein Vermittler entziehen. Einfacher dürfte die Versicherungsvermittlung mit Sicherheit künftig auf keinen Fall werden.

Anpassungsfähigkeit erhöhen

Die Effizienz der Vermittlerbetriebe muss noch mehr gesteigert werden, lautet das Fazit aus den aktuellen Entwicklungen. Das bedeutet, die Anpassungsfähigkeit der Betriebe muss sich erhöhen. Anpassungsfähig ist eine Organisation, die in der Lage ist, sich sowohl auf kurzfristige als auch auf langfristige Veränderungen der Rahmenbedingungen einzustellen und sich aktiv so auszurichten, dass sie ihre Wettbewerbsfähigkeit erhält oder sogar steigert, wie das Wittener Institut für Familienunternehmen in seinem aktuellen Praxisleitfaden festhält. Dafür bedarf es einer Situationsanalyse sowie kreativer Ideen.

"Selbstständige Versicherungskaufleute sehen sich zunehmendem Effizienzdruck ausgesetzt", sagt Andreas Vollmer, Vizepräsident des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute (BVK). Die Kosten steigen durch immer mehr Regulierung und rationalisierende Versicherer. Die überalterte Vermittlerschaft schrumpft, denn Nachwuchs ist immer schwerer zu finden. Das gefährdet sogar die Altersvorsorge der Makler, die wesentlich auf dem Verkaufserlös des Betriebes beruht. Hinzu kommen ein Verdrängungswettbewerb in den Sachsparten und ein scharfer digitaler Wettbewerb, vor allem durch Online-Broker. "Die unternehmerischen Herausforderungen können besser bewältigt werden, wenn man die betriebswirtschaftlichen Strukturen kennt und weiß, welche Stellschrauben betätigt werden müssen, um erfolgreich sein Einkommen erzielen, attraktive Arbeitsplätze anbieten und in die Zukunft investieren zu können", so BVK-Mann Vollmer, der in Bielefeld als Versicherungsmakler tätig ist.

Tatsächlich zeigt die aktuelle BVK-Strukturanalyse 2020/21 die neuralgischen Punkte der Betriebe und damit gleichzeitig die wichtigsten Ansätze für eine Anpassungsstrategie. Eine deutliche Botschaft brachte die Corona-Krise mit sich. Wer bereits umfassend digital aufgestellt ist, kann sein Geschäft auch unter den widrigen Bedingungen der Kontaktbeschränkung gut fortsetzen. "Bei einer detaillierten Betrachtung zeigt sich, dass trotz der besonderen Umstände des Corona-Jahres jeder zehnte Vermittlerbetrieb einen erheblichen konjunkturellen Aufschwung mit einer Einnahmensteigerung um mehr als zehn Prozent verzeichnen konnte", stellen die Autoren der BVK-Studie, die Professoren Matthias Beenken, Lukas Linnenbrink und Michael Radtke, fest. Besonders bei Maklern scheint eine Schere auseinanderzugehen, denn hier berichtet sogar gut jeder siebte Betrieb von sehr stark gestiegenen Einnahmen. An der Umfrage der Fachhochschule Dortmund, die von Dezember 2020 bis März 2021 lief, nahmen 3.021 Ausschließlichkeitsvermittler, 146 Versicherungsmakler sowie 66 Mehrfachagenten teil. Damit sind hier Einfirmenvermittler deutlich überrepräsentiert. Vermittlerbetriebe mit 50 und mehr Beschäftigten fehlen. Es sind somit keine Großmakler vertreten.

Die Umfrage zeigt deutliche Anzeichen einer Trendwende, die vom digitalen Zeitalter geprägt ist. So schaffen es vor allem Versicherungsmakler, ihren Bestand um mehr als zehn Prozent sprunghaft steigen zu lassen. Denn Makler können Preise und Leistungen immer transparenter vergleichen und so den Kunden das geeignete Angebot machen. Dass der Ausschließlichkeit dieses Pro-blem durchaus bewusst ist, zeigt der juristische Kampf des BVK gegen das Online-Vergleichsportal Check 24. Doch die Verfahren gegen den Internet-Versicherungsmakler haben den Konkurrenten nicht verschwinden lassen. Laut BVK-Analyse bieten heute fast 80 Prozent der Einfirmenvertreter auf ihrer Website die Möglichkeit eines Online-Abschlusses an. Demgegenüber liegt diese Quote bei Versicherungsmaklern und Mehrfachagenten nur knapp über 40 Prozent.

Digital Angebote vergleichen

Versicherungsmakler können sich im Gegensatz zu Ausschließlichkeit einen Vergleichsrechner auf die Website stellen, zur Not sogar über die Tochter von Check 24, Procheck 24. Je nach Geschäftsmodell kann das eine effektive Vertriebsidee sein. Das zeigt seit Jahren schon Stephan Brückner. Der Geschäftsführer der SAW-Assekuranz ist auf Kfz-Online-Nischen-Vergleiche spezialisiert. Gefunden wird er beispielsweise über kfz-versicherungsmakler.de, lkw.versi- cherung.de, kfzhaftpflichtversicherung. eu oder zugmaschine-versicherungsver- gleich.de. Welche und wie viele Links Brückner im Netz hat, bleibt sein Geschäftsgeheimnis. Brückner schaltet gleichzeitig Werbung über Google. "Ein Drittel der Kunden gewinnen wir über die anorganische Suche per Anzeige, ein Drittel über die organische Suche und ein Drittel sind Wiederholungstäter, die uns kennen", erläutert der Makler.

Betriebliche Mindestkosten Büromiete und Nebenkosten 9.000
Mitarbeiter (450-Euro-Kraft) 7.000
Kfz (Leasing, Betriebskosten) 9.000
IT- und Kommunikation 2.000
Marketing 3.000
Mitgliedsbeiträge und Versicherungen 3.000
Sonstige Bürokosten 2.000
Gewerbesteuer 5.000
Gesamt 100.000

Von den Nachteilen digitaler Vergleiche berichten Nicole Litau und René Bendgens von Versicherungsmakler Bendgens. Über den Vergleichsrechner Nafi habe das unabhängige Vermittlerunternehmen in den vergangenen Jahren viele Monokunden erhalten, die in ganz verschiedenen Regionen in Deutschland ansässig waren. "Wir wollen die Kunden aber ganzheitlich beraten. Daher haben wir den Nafi-Rechner wieder abgeschafft", erklärt Bendgens. Heute kommen mehr als 95 Prozent seiner Kunden aus einem Radius von 100 Kilometern.

Wachsen oder weichen

Egal welches Geschäftsmodell Vermittler betreiben, sie können die Hände nicht in den Schoß legen. Denn Vermittlerbetriebe, deren Umsatz nicht wächst, sind bedroht, erläutern die BVK-Autoren. Die Einnahmen müssen regelmäßig steigen, um höhere Löhne, Steuern, Abgaben und oder Mieten auffangen zu können. Es gibt nach Einschätzung der Wissenschaftler sogar einen Mindestumsatz von 100.000 Euro, unter dem auch ein Einzelkämpferbetrieb nicht arbeiten kann (siehe Tabelle oben).

Laut der BVK-Studie besteht noch immer jeder siebte Betrieb nur aus einem Inhaber oder einer Inhaberin. Jedes dritte Unternehmen beschäftigt maximal eine weitere Person (siehe Tabelle Seite 20 oben). Eine sinnvolle Arbeitsteilung und Spezialisierung sind erst möglich, wenn ein Betrieb aus mehreren Mitarbeitenden besteht. Viele selbstständige Versicherungsvertriebler haben somit noch ein erhebliches Potenzial, ihre Effizienz zu steigern. Laut dem Unternehmensberater Steffen Ritter aus Sangerhausen sind Bürogemeinschaften, die Kosten und Mitarbeiter teilen, eine einfache Lösung, um die Effektivität zu erhöhen (ein Interview mit dem Experten lesen Sie auf https://go.sn.pub/Interview_Ritter).

Intensivbetreuung lohnt sich

Ausschließlichkeitsvermittler verfügen im Schnitt über deutlich höhere Kundenbestände als Mehrfachvermittler und Makler. Fast 38 Prozent der Betriebe liegen über 1.000 Kunden, 20 Prozent über 2.000. Demgegenüber haben Mehrfachagenten überwiegend einen Bestand, der zwischen 500 und 1.000 Kunden enthält, während bei Versicherungsmaklern Bestände zwischen 250 und 500 Kunden dominieren (siehe mittlere Tabelle Seite 20). Für die vielen kleinen Einfirmenbetriebe dürfte es sehr schwer sein, ihren Kundenstamm tatsächlich intensiv zu betreuen. Daher wird für diese Unternehmen die Digitalisierung, etwa mit automatisch generierten Kundenbriefen, unerlässlich. Denn wer keinen engen Kontakt zu seinem Kundenstamm halten kann, muss nach Meinung der BVK-Studienautoren damit rechnen, dass immer wieder Abwerbungen erfolgen. Gerade in der privaten Schaden- und Unfallversicherung gibt es nämlich kaum noch originäres Neugeschäft.

Fatal wirkt sich fehlende Betreuung der Kunden auf die Cross-Selling-Quote der Vermittler aus. Sie sinkt, wenn die im Betrieb tätigen Personen zunehmend viele Kunden betreuen müssen. Je nach Vermittlerart hat die BVK-Studie bei der Anzahl der Verträge je Kunde hier deutliche Unterschiede festgestellt. Durchschnittlich weisen Ausschließlichkeitsvermittler 2,9 und Mehrfachvermittler 2,8 Verträge je Kunde auf. Bei den Maklern hingegen sind es 3,8 Verträge. Ebenso sind bei Maklern signifikant häufiger hohe Cross- Selling-Quoten von fünf und mehr Verträgen je Kunde zu beobachten. "Offensichtlich ist ein Makler leichter in der Lage, einen Kunden umfassend zu versichern und verschiedenste Verträge zu platzieren", lautet das wenig überraschende Fazit der Experten. Eine höhere Cross-Selling-Quote steigert den Umsatz und den Gewinn deutlich. Vermittler sollten daher intensiv überlegen, wie sie diese wichtige Kennzahl für ihren Vertrieb verbessern können.

Dies gilt prinzipiell schon längst bei der Südwestring Versicherungsmakler. "Wir nehmen nur Gesamtmandate an", sagt Geschäftsführer Jochen Brenner. Das wird hier bereits seit 15 Jahren praktiziert. Trotzdem läuft für Alt-Kunden permanent die Aktion "Gesamtberatung", um die Vertragsdichte zu erhöhen. Auch Herold Assekuranzmakler aus Hainburg nimmt nur Vollmandate an. Doch der Makler sieht trotzdem noch Potenzial bei seinen Bestandskunden. "Daher informieren wir die Kunden regelmäßig über aktuelle Themen, und wenn es Veränderungen in den Sparten gibt, versenden wir Links zu Landigpages", beschreibt Geschäftsführer Günther Herold die Vorgehensweise. Demgegenüber ermittelt der Transport- und Kfz-Flotten-Spezialist Aktiv Assekuranz Makler mit einem Kundenbeziehungs-Tool offenes Risikopotenzial der Kunden. "Dann sprechen wir sie gezielt an", sagt Kommunikationsexpertin Ewelina Jankowski. Ähnlich filtert das Team um Malte Mengers von Gayen & Berns Homann bei kleinen Kunden fehlende Sparten heraus und fasst dann mit klassischen Mitteln wie Brief, E-Mail und Telefon nach. Manuell erhöht auch Michael Lambrecht von Sicherheit & Finanzen aus Leer noch seine Cross-Selling-Quote. Auf seiner Agenda stehen jedoch Tools zur automatischen Bestandspflege. Daher sollte er Wolfgang Bruger einmal über die Schulter schauen. Der Assekuranz-, Finanz- und Immobilienmakler von wbA 24 aus Hamburg erhöht nämlich seine Kundendurchdringung systematisch mit dem Programm Keasy und der Unterstützung der Software des Finanzportals 24.de.

Wie interessant es sein kann, sich zu spezialisieren, zeigt Udo Kraus von Scimus Pensionsmanagement. "Cross-Selling bezieht sich in meinem Unternehmen vornehmlich auf die betriebliche Versorgung." Er berät vor allem in den Bereichen betriebliche Altersversorgung (bAV), betriebliche Krankenversicherung und betriebliche Unfallversicherung. "In jedem Fall verweisen wir auf die anderen beiden Sparten", so Kraus. Und damit liegt der Versicherungsmakler derzeit absolut im Trend. Kraus weiß: "Das ist nämlich aufgrund der Lage der gesetzlichen Sozialversicherungsträger verbunden mit dem Fachkräftemangel ein riesiges Thema für die Unternehmen zur Bindung von Mitarbeitern."

Etablierte Vermittler mit hoher Cross-Selling-Quote oder Spezialisten wie Kraus können sich entspannt zurücklehnen. Das gilt aber für viele Vermittler noch lange nicht. Mit Gewinnen unter 50.000 Euro, die rund 20 Prozent der Einfirmenvermittler, über 35 Prozent der Mehrfachagenten und sogar fast 39 Prozent der Makler erzielen, kann ein Unternehmer auf die Dauer kaum existieren (siehe Tabelle Seite 20 unten). Ein Instrument, um die Einkünfte von Maklern zu erhöhen, können neben der klassischen Provision Servicegebühren sein. Sie sind stornofester und können den Betrieb gegen eine politische Zäsur durch einen Provisionsdeckel schützen. Doch es gibt rechtliche Grauzonen bei diesem Thema.

Gebühren werden salonfähig

Eine der wichtigsten betriebswirtschaftlichen Größen für Versicherungsvermittlerbetriebe ist der Bestand. Betrachtet wird aber im Wesentlichen nur die Summe der Beitragseinnahmen aus Schaden- und Unfallversicherungen, nicht aus Leben und Kranken. Denn nur die Schaden- und Unfall-Sparte liefert Versicherungsvermittlern eine im Voraus kalkulierbare, regelmäßige Einnahme aus Bestandsprovisionen. So ist der Vermittler weniger abhängig von schwankenden und auf der politischen Abschussliste stehenden Abschlussprovisionen.

Den gleichen Effekt erzielen Versicherungsmakler mit Extra-Service-Gebühren, also einem Einnahme-Mischmodell. Nach Meinung von Juristen, Pools und Verbänden ist es rechtlich möglich, Leistungen, die nicht zu den Pflichten des Maklers gehören, über eine Vereinbarung extra vergüten zu lassen. Diese Gebühren unterliegen dann, anders als Maklerprovisionen, aber grundsätzlich der Umsatzsteuer. In der Gewerbe- und Industrieversicherung sind Mischmodelle unproblematisch, weil der Kaufmann auch gegen Honorar beraten darf. "Trotzdem ist es schwer, eine genaue Trennlinie zu ziehen, wo der besondere Service anfängt und die Kardinalpflichten eines Versicherungsmaklers aufhören", gibt Hartmut Goebel, Vorstand des Bundesverbands Deutscher Versicherungsmakler (BDVM) und Chef des Maklerverbundes germanbroker.net, zu bedenken (ein Interview lesen Sie auf https://go.sn.pub/Interview_Goebel).

Salonfähig wurde das Servicegebühren-Modell endgültig, als der Arbeitskreis Beratungsprozesse Anfang September 2021 auf www.beratungsprozesse.de Mustertexte für Serviceverträge "Gewerbe" und "Privat" veröffentlichte. Im Wesentlichen unterscheiden sich die Vertragsentwürfe dadurch, dass das Gewerbeformular einen Service für bAV enthält. Vermittler, die die Verträge unverändert übernehmen, dürfen neben dem eigenen Firmenlogo auch mit dem Logo des Arbeitskreises werben. Das kann wirken. Immerhin wird der Arbeitskreis vom Berufsverband BDVM und den Servicegesellschaften Charta Börse, germanbroker.net sowie dem Verband der Fairsicherungsmakler getragen. Gleichzeitig unterstützen die Berufsverbände Bundesverband Finanzdienstleistung (AfW) und BVK die Arbeit. In der Vereinbarung heißt es: "Der hier vorliegende Servicevertrag für Privatpersonen (Gewerbe siehe separater Servicevertrag) enthält Vorschläge für typische Serviceleistungen, die Makler je nach Dienstleistungsspektrum individuell zusammenstellen, aber auch ergänzen können." Bei der Mindestlaufzeit kann ein oder zwei Jahre gewählt werden. Danach dürfen Kunden und Makler mit einer Frist von vier Wochen kündigen. Notfalls können die Kunden über die Beendigung des Maklervertrags aus dem zusätzlichen Service aussteigen. Eine Servicevereinbarung kann auch in einen Maklervertrag eingebettet werden. Unterstützt werden solche Angebote von Maklerpools wie Fonds Finanz, Maxpool oder Netfonds. Während der Arbeitskreis keinen Hinweis auf die Höhe der Gebühren gibt, nennen Maklerpools zehn bis 20 Euro pro Monat für Privatkunden.

Servicelevel ist oft zu hoch

"Niemand weiß genau, welche Leistung ein Versicherungsmakler mit der laufenden Courtage eigentlich bezahlt bekommt", sagt Peter Süßengut, Geschäftsführer von Mission Service, die ebenfalls ein Gebührenmodell entwickelt hat. "Versicherungsmakler haben die Tendenz, viel zu viel für ihre Kunden zu leisten", moniert Süßengut. So seien beispielsweise bei der Schadenregulierung lediglich die Meldung an den Versicherer und die Aushändigung des Schadenformulars notwendig. Auch ein ständiges Updaten der Autoversicherung auf günstigere Tarife werde von den Maklerpflichten gar nicht erfasst. Das gelte zudem für ein proaktives Jahresgespräch. Mit einer Servicegebühr erschienen solche Aktivitäten in ganz neuem Licht. "Der Makler muss nicht bei einem Kunden der 'Verträge bis unter das Dach hat', etwas verkaufen, damit sich die Nummer rechnet", so Süßengut. Und der Kunde wisse nun, dass das Treffen zum Gespräch als bezahlter Service wirklich der Situationsanalyse gelte. "Betriebswirtschaftlich ist ein hohes Servicelevel vollkommen unwirtschaftlich", verdeutlicht der Mission-Service-Chef. Daher glaubt er, dass sich Servicegebühren bei vielen Maklern durchsetzen werden. Unterstützt wird der Vertriebler von der Kanzlei Wirth-Rechtsanwälte und dem Vertriebscoach Jörg Laubrinus. "Die Branche hat seit Jahren ein Problem, denn Versicherungsmakler werden nicht ausreichend für ihren Service bezahlt", glaubt Süßengut. Daher sollten Makler künftig ihren Kundenstamm in "Basis", "Komfort" und "Premium" unterteilen. Nur Basiskunden zahlen keine Gebühr, während Premiumkunden beispielsweise 20 Euro und Komfortkunden 15 Euro pro Monat bringen sollen. Höhere Gebühren seien bei Familien möglich. Von Unternehmen könnten Makler sogar zwischen 35 und 50 Euro verlangen. Die Flatrate könne jeder Versicherungsmakler aber selbst festlegen. "Im Markt sind deutlich höhere Gebühren als die genannten realisierbar", behauptet Süßengut.

In zwei Live-Interviews schilderten während eines Webinars für den Pool Fonds Finanz eine Maklerin aus dem Erzgebirge und ein Makler aus Franken ihre Erfahrungen mit dem Servicemodell Mission Service. In beiden Fällen waren rund zwei Drittel des Bestands bereit, künftig für Serviceleistungen eine Gebühr zu zahlen. Nach eigenen Angaben konnten die beiden jeweils ein Gebühreneinkommen von rund 1.600 Euro pro Monat generieren. "Die Kunden haben mit einer hohen Akzeptanz reagiert", stellt Sabine Hohmann, Finanz- und Versicherungsmaklerin aus Walthersdorf, fest. Viele hätten sich schon gewundert, wie das hohe Servicelevel ohne zusätzliche Gebühren überhaupt möglich gewesen sei. Oliver Rauber aus Kitzingen bei Würzburg macht deutlich, dass er mit dem Servicemodell stark aus dem Hamsterrad des Neugeschäfts aussteigen konnte. Die Beratung sei nun aber auch breiter geworden. Beide Makler berichten, dass mit der Vereinbarung der Serviceverträge die Kommunikation mit den Kunden eine deutlich höhere Klarheit erhalten hat und sogar der Abschluss von Policen gestiegen ist.

Für rechtssichere Serviceverträge sorgt im Modell Mission Service die Kanzlei von Norman Wirth. Die Makler erhalten beim Kauf des Gesamtpakets eine zweijährige Begleitung mit Tools und regelmäßigem Coaching. Außerdem sei eine rechtliche Erstberatung durch die Berliner Anwälte auch ohne eine Rechtsschutzversicherung möglich. "Die Kosten für die Schulung zum Servicemakler betragen derzeit 3.000 Euro netto", sagt Süßengut. Ein besonderes Haftungsrisiko sieht Rechtsanwalt Wirth aus Serviceverträgen nicht, wenn der Makler sich "an klare Regeln halte". Trotzdem sei es ratsam, auch für diese Tätigkeiten eigenen Versicherungsschutz zu haben. Für das Modell Mission Service böten beispielsweise die Ergo und Hans-John Maklerservice Vermögensschadenhaftpflichtschutz an, und damit wohl auch für Serviceverträge des Arbeitskreises Beratungsprozesse, die nahezu identisch mit dem Angebot von Süßengut seien, erläutert Wirth.

Wer tatsächlich als Makler seinen Kundenbestand weitgehend von Serviceverträgen überzeugen kann, erhöht damit den Wert seines Unternehmens. Angesichts des Dilemmas bei der Nachfolge ist das kein unwichtiges Argument. So heißt es im Mustervertrag des Arbeitskreises: "Der Auftragnehmer ist außerdem berechtigt, im Fall der Geschäftsaufgabe die Rechte und Pflichten aus dieser Servicevereinbarung auf einen anderen geeigneten Vertragspartner zu übertragen." Vielleicht ist dies ein guter Anlass, grundsätzlich über die Nachfolge nachzudenken. Auch hier gibt es erschreckende Defizite. Laut BVK-Studie haben sich fast 54 Prozent der Makler damit noch gar nicht beschäftigt. Mehr als die Hälfte aller Vermittler in der BVK-Studie sind mindestens 50 Jahre alt. Demgegenüber stehen keine 15 Prozent Teilnehmer im typischen Existenzgründungsalter unter 40 Jahren. "So wenig wie noch nie zuvor", betonen die Autoren. Dies belege einmal mehr, welche erheblichen Nachwuchsprobleme der selbstständige Versicherungsvertrieb hat. Daher müssen die Maklerunternehmen derzeit viel Aufwand betreiben, um den so notwendigen Mitarbeiterzufluss zu erreichen. "Unseren Nachwuchs wollen wir nach Möglichkeit selbst ausbilden, was uns in den vergangenen Jahren bereits gelungen ist", sagt Versicherungsmakler Lambrecht. Da es das Berufsbild des Versicherungsmaklers als Abschluss der Industrie- und Handelskammer (IHK) immer noch nicht gibt, werde die Basisqualifikation Versicherungs-Fachmann beziehungsweise -Fachfrau gewählt. "Dabei fügen wir unternehmensspezifische Inhalte hinzu", so Lambrecht. Qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Arbeitsmarkt zu finden gestalte sich aktuell eher schwierig.

Personen (Kopfzahl) Einfirmenvermittler Mehrfachagent Makler
-
1 13,2 34,7 30,3
2 18,5 30,6 16,2
3 bis 5 47,1 16,4 32,3
6 bis 10 17,6 16,3 9,1
11 und mehr 3,5 2,0 12,1
Zahl der Kunden Einfirmenvermittler Mehrfachagent Makler
bis 100 0,6 4 4,7
ab 101 0,6 8 9,4
ab 251 4,4 22 27,4
ab 501 18,3 30 24,5
ab 1.001 37,8 18 14,2
ab 2.001 20,2 8 8,5
ab 3.001 13 8 3,8
ab 5.001 4 0 6,6
10.001 und mehr 1,1 2 0,9
Höhe in Euro Einfirmenvermittler Mehrfachagent Makler
Verlust 0,1 2,0 1,0
bis 24.999 5,0 23,5 14,4
bis 49.999 14,5 11,8 23,1
bis 99.999 35,5 19,6 29,8
bis 149.999 21,2 13,7 9,6
bis 199.999 10,0 15,7 5,8
ab 200.000 13,7 13,7 16,3

Das bestätigt Makler Mengers. Der Hanseat hat daher Prämien für erfolgreiche Hinweise ausgelobt. Zudem beauftragt er Headhunter und fragt bei Versicherern nach. Überdies schaltet er Stellenanzeigen auf Online-Plattformen wie Monster oder Xing. Kollege Bruger hat noch immer Erfolg durch Empfehlungen. "Aktuell können wir, nochmals angestoßen von Corona, mit sehr flexiblen Arbeitszeitmodellen werben", wirft Hans-Georg Jenssen, geschäftsführender Vorstand beim BDVM, in die Waagschale. So könnte sich die Regelung drei Tage Büro und zwei Tage Homeoffice durchsetzen, intelligent verknüpft mit dem Außendienstvertrieb. Makler sollten sich, wenn es um eine Berufsvorstellung in den Schulen geht, auf keinen Fall verstecken. "Dann kann man klarmachen, dass der Job oft daraus besteht, Absicherungslösungen zu finden, damit Unternehmen laufen", argumentiert Jenssen.

Jenssen erklärt weiter: "Wir setzen uns zudem für eine starke Frauenförderung ein." Frauen brächten einen ganz anderen Ton in den Vertrieb. Hier könnten Vermittler einen Synergieeffekt mit dem Trend zur Nachhaltigkeit erzielen. Denn seit dem 10. März 2021 muss die Finanzdienstleistungsbranche die Transparenzverordnung (TVO) anwenden und prüfen, ob Kunden nachhaltig beraten werden wollen. Daher können Vermittler ihre Glaubwürdigkeit unterstreichen, wenn sie selbst die so genannten ESG-Kriterien anwenden. Diese orientieren sich an den nachhaltigen Entwicklungzielen der Vereinten Nationen und umfassen die Bereiche Environment (E), Social (S) und Governance (G). Frauenförderung gehört zur Sozialen Nachhaltigkeit ("S"), bei der der Versicherungsvertrieb laut BVK-Studie "noch sehr viel aufzuholen hat".

In technischer Hinsicht könnte Nachhaltigkeit der Ausstieg aus kommerziellen Pools hin zu Maklerverbünden sein. "Wer als Versicherungsmakler Kooperationen sucht, der sollte auf das Modell 'Makler für Makler' setzen", fordert BDVM-Mann Jenssen. Verbünde wie germanbroker.net, Charta Börse oder Vema seien hier die wichtigsten Player. "Das sind Selbsthilfeeinrichtungen für Versicherungsmakler. Damit können auch Einpersonenmakler überleben", glaubt Jenssen. Ein Exodus der Ausschließlichkeit zeichnet sich, trotz vieler Nachteile bei der Vermittlung, noch nicht ab. Denn es gibt kaum eine nennenswerte Fluktuation. Nur 7,5 Prozent wollen wechseln. Das Umstiegsbegehren ist somit seit 2019 weiter gesunken. Immerhin: Bei Versicherungsmaklern liegt der Wunsch bei null. Das spricht, trotz aller Unbill, für eine hohe Zufriedenheit in der Branche.

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Kompakt.

  • Vermittlerbetriebe müssen wachsen, denn die Kosten steigen.

  • Mit einfachen Kooperationen können kleine Büros Kosten sparen.

  • Servicegebühren sind für Makler eine neue Einnahmequelle.

Tipps für Vermittlerbetriebe .

  • Ein gesunder Vermittlerbetrieb hat das Kompositgeschäft klar im Fokus, damit er in Zeiten der Niedrigzinsen und der drohenden Bürgerversicherung nicht allein vom Lebens- und Krankenversicherungsgeschäft abhängig ist.

  • Unter 100.000 Euro Umsatz ist der Betrieb zu klein. Es lassen sich weder Arbeitsteilung noch Spezialisierung umsetzen.

  • Einen Tarifvertrag für die Mitarbeiter abzuschließen erspart die individuelle Verhandlung von Löhnen und Gehältern und sonstigen Arbeitsbedingungen, also viel Aufwand.

  • Eine betriebswirtschaftliche Beratung durch anerkannte und auf die Philosophie der Versicherungsvermittler verpflichtete Unternehmensberater gibt es beim Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK).

  • Ein Vergleichsrechner von Smartinsurtech kann in Form eines Endkundenrechners auf der Website des Maklers in dessen Corporate Identity eingebunden werden. Er umfasst die privaten Sachsparten inklusive Kfz, sollte aber vor allem als Leadgenerator für die persönliche Kundenberatung dienen.

  • Die digitale Plattform Thinksurance wird als erster Anbieter die DIN-Norm 77235 in ihre Software integrieren. Vermittler können dann die "Basis-Finanz- und Risikoanalyse für Selbstständige sowie kleine und mittlere Unternehmen" hinzubuchen oder einzeln erhalten.

Uwe Schmidt-Kasparek

ist Wirtschaftsjournalist in Düsseldorf.graphic file with name 35128_2021_943_Figb_HTML.jpg


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