In Teil 1 zu diesem Beitrag wurde das Wissen in der Sprache über Wesen und Charakteristika von Schmerz, über kulturabhängige Vorstellungen der Verursachung von Schmerz und dessen Definitionen umrissen. In Teil 2 wird nun aufgezeigt, dass in der jüngeren Schmerzmedizin nicht nur objektive Nozizeption und subjektives Leiden als Empfindung und/oder Gefühl zu beachten sind, sondern auch die Auswirkungen und die Chronifizierung des Schmerzes mit möglichen Beeinträchtigungen für den Patienten.
Auswirkungen von Schmerz
Systematisch hat sich John Bonica (1917-1994) in seinem Opus magnum "The Management of Pain" (1953) mit der Thematik befasst. Schmerz als eigenständiges Problem erster Ordnung bezeichnend, forderte er in breiter Sicht: "Um ihn angemessen zu behandeln, muss der Arzt den Verlauf des Schmerzes von seinem Ursprungsort bis zu den Wahrnehmungszentren im Gehirn kennen und muss in allen wesentlichen Eigenschaften und Komponenten des Schmerzes versiert sein: Er muss seine Ursachen, Mechanismen, Charakteristika, Verschiedenheiten, seine Lokalisationen und Bedeutung kennen sowie die seelischen und körperlichen Effekte, die er hervorruft" [1]. F. J. J. Buytendijk (1887-1974) hob die verschiedenen Antworten des Menschen in Abhängigkeit von Situation, Vorgeschichte und Bedeutung hervor [2].
Schmerz ist eine wichtige Komponente menschlichen Leidens, aber auch ein Krankheitsfaktor per se bei zahlreichen Gesundheitsstörungen bzw. die Krankheit selbst (Algopathie). In Abhängigkeit von Intensität, Dauer und Qualität können speziell unerträgliche Schmerzen zu vielfältigen Auswirkungen in verschiedenen Organsystemen und Funktionsbereichen führen. Eine eigenständige Bedeutung kommt heftigen akuten Schmerzen zu, wenn eine schlimme Verletzung oder eine schwere Geburt lautes Schreien oder Klagen auslöst. Chronischer Schmerz führt gehäuft zu einer missmutig-traurigen Verstimmung sowie zu einer Einengung von der Erlebnisfähigkeit und von Interessen, zu weitgehender Schlaflosigkeit und im Extremfall zu Suizid, also zu einem algogenen Psychosyndrom. Er ist dann für Betroffene und Therapeuten ethisch relevant [3].
Weiterhin kann es zu kommunikativen Störungen, zur Verringerung von Aufmerksamkeit und Konzentration, von Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis, der psychomotorischen Geschwindigkeit, des abstrakten Denkens, der Entscheidungsfindung und Problemlösung und zu weiteren Defiziten kommen [4].
Chronischer Schmerz ist in der ärztlichen Primärversorgung häufig. In einer multinationalen Studie der Weltgesundheitsorganisation an 15 Zentren der Primärversorgung waren durchschnittlich 22 % (5,5-33 %) aller Patienten von anhaltenden Schmerzen betroffen. In allen Zentren zeigten sich positive Korrelationen von chronischem Schmerz und psychischen Störungen. Die Schmerzpatienten waren 4-fach häufiger von Angst- oder depressiven Störungen und oft von Beeinträchtigungen der täglichen Aktivitäten betroffen [5] (Abb. 1).
Speziell bei chronischen Krankheiten kommt den Folgeprozessen in der Schmerzentstehung und -aufrechterhaltung eine erhebliche Bedeutung zu, wie im Jahr 2001 eine Gesandtschaft der Europäischen Föderationen der IASP(International Association for the Study of Pain)-Chapters dem Europäischen Parlament in Brüssel, Belgien, präsentiert hat [7], nämlich:
Immobilisierung mit Verschlechterung der Funktion von Muskeln, Faszien, Gelenken und Knochen;
Appetitlosigkeit und mangelnde Nahrungsaufnahme mit Gewichtsabnahme einerseits, Bewegungsmangel mit Gewichtszunahme andererseits;
Schlafstörungen;
Kreislauffunktionsstörungen;
Verminderung von Atmung und Sauerstoffversorgung;
Dämpfung des Immunsystems und infolge dessen erhöhte Krankheitsanfälligkeit;
verminderte Leistungen am Arbeitsplatz oder Krankenstand bzw. frühzeitige Berentung;
übermäßige Abhängigkeit von der Familie und anderen Pflegepersonen;
übermäßige bzw. unsachgemäße Inanspruchnahme des Gesundheitssystems;
Abwendung vom gesellschaftlichen Leben und Familie bis hin zur Isolation;
Angst, Sorgen, Verbitterung.
Chronifizierende Prozesse wurden nicht nur molekularbiologisch und neurophysiologisch erforscht und nachgewiesen [8], sondern auch auf makroskopischer Ebene durch demografische, somatische, psychische, soziale Faktoren und durch den Lebensstil [9, 10, 11].
Die Übersicht in (Tab. 1) gibt verschiedenartige Prädiktoren wieder, die Rückenschmerz chronifizieren können. Mit der Chronifizierung können sich zahlreiche Folgen wie eine Sensibilisierung und ein "Schmerzgedächtnis" [12] einstellen, die Bestandteil des chronischen Schmerzzustands werden und zum anhaltenden Leiden des Betroffenen beitragen (können). Hinzu kommen die seit den 1980er Jahren erforschten verschiedenen Copingformen, speziell "fear-avoidance", also ein Vermeidungsverhalten aus Furcht vor Schmerz (mit schädlichen Folgen), Katastrophisieren einerseits und Akzeptanz sowie zwanghaftes Durchhalten andererseits [3, 13].
| Prädiktoren | Positive Studien | Negative Studien |
|---|---|---|
| Alter | 30 | 13 |
| Geschlecht | 13 | 11 |
| Erziehung | 10 | 8 |
| Einkommen | 5 | 2 |
| Familienstand | 9 | 5 |
| Körperliche Arbeit | 9 | 4 |
| Arbeitsunzufriedenheit | 7 | 1 |
| Lohnersatz, Entschädigung | 14 | 3 |
| Soziale Unterstützung | 3 | 0 |
| Stresserleben | 7 | 0 |
| Fehlverarbeitung | 7 | 0 |
| Beeinträchtigungsüberzeugung | 10 | 2 |
| Angst, Angstvermeidung | 7 | 2 |
| Depressive Störung | 9 | 3 |
| Alkohol-/Drogenmissbrauch | 8 | 0 |
Schmerz - ein wichtiges globales Problem
Kreuzschmerz wurde schon bei der ersten Jahrestagung der Gesellschaft zum Studium des Schmerzes für Deutschland, Österreich und die Schweiz im Jahr 1976 als Thema gewählt aufgrund der Multidisziplinarität sowie der großen medizinischen und ökonomischen Bedeutung. Dieter Gross (1914-1985) sprach schon damals über die multifaktorielle Entstehung und Behandlung [14], was heute ebenso betont wird [10].
In der umfangreichen "Global Burden of Diseases, Injuries, and Risk Factors Study" von 1980 bis 2017 wurde in 195 Ländern bzw. Territorien die alters- und geschlechtsspezifische Mortalität aufgrund von 282 Todesursachen mit den verlorenen Lebensjahren durch vorzeitigen Tod ("years of life lost", YLL) erhoben und systematisch analysiert [15]. Danach stellen kardiovaskuläre und Krebskrankheiten die häufigsten Todesursachen dar, wie das auch in Deutschland der Fall ist. Bezüglich der Methodik und der Datenübersichten sei auf die Originalarbeiten verwiesen [15, 16].
Mit dem Rückgang der Mortalität verschiedener Krankheiten (wie z. B. HIV/AIDS durch bessere Therapie) kam es zu einer Erhöhung der globalen Lebenserwartung. In Deutschland stieg sie von 1990 bis 2010 im Durchschnitt von 75,4 auf 80,2 Jahre [17]. Mit der Alterung sind bekanntlich Multimorbidität [18, 19] und komplexere Krankheitszustände verbunden, was ein konzeptionelles Umdenken mit einer verstärkten Beachtung von Vielschichtigkeit und längerem Leiden erfordert.
Im Rahmen der Global-Burden-Forschungen wurden auch Prävalenz, Inzidenz und die Ursachen der Beeinträchtigungen ("disability") erfasst von 354 Krankheiten und Verletzungen (1990-2017) mit ihren Folgen sowie den errechneten Lebensjahren mit Beeinträchtigungen ("years lived with disability", YLD) [16]. Als häufigste Ursachen der Beeinträchtigungen fanden sich Kreuzschmerz ("low back pain") und Kopfschmerzstörungen ("headache disorders"). Dritthäufigste Ursache waren im Jahr 1990 Störungen verbunden mit Eisenmangel in der Nahrungsaufnahme, 2017 waren es depressive Störungen. Lumbale Rückenschmerzen ("low back pain") wurden in 126 der 195 Länder als führende Ursache der Beeinträchtigungen festgestellt. Sie treten zwar in allen Altersstufen auf, gehäuft aber im mittleren Alter. Deshalb sind sie für körperlich Arbeitende von besonderer Bedeutung.
Zu den Aktivitätseinschränkungen kommen Invalidität und vorzeitige Berentung hinzu. In den Studien wurde das weitere Hervortreten der hauptsächlichen Mortalitätsursachen und der wichtigsten Ursachen von Beeinträchtigungen in die Zukunft projiziert. Hier ist allerdings anzumerken, dass dabei die COVID-19-Pandemie mit Long-COVID-Syndromen noch nicht erfasst wurde. COVID-19 führte in Westeuropa 2020 zum stärksten Rückgang der Lebenserwartung seit dem Zweiten Weltkrieg [20]. Der Rückgang war in Deutschland mit 0,23 Jahren bei Frauen und 0,38 Jahren bei Männern vergleichsweise gering.
Epidemiologischer Überblick
Die globale Lebenserwartung ist nach Mitteilung der Vereinten Nationen in allen Regionen der Welt gestiegen, bei der Geburt im Jahr 1950 von etwa 46 Jahren auf fast 74 Jahre 2019, in Deutschland von rund 70 auf über 80 Jahre 2020 [19]. Das National Center for Health Statistics (CDC) hat veröffentlicht, dass die durchschnittliche Lebenserwartung in den USA nach dem Zweiten Weltkrieg erst stetig zunahm, mit Abflachung seit 2010 und einem Gipfel im Jahr 2014. Danach trat bis 2017 eine Verringerung der Lebenserwartung um 0,3 Jahre ein, in ursächlichem Zusammenhang mit der Opioidepidemie. Von 2017 auf 2018 erhöhte sich die Lebenserwartung um 0,1 Jahre [21], danach ging sie durch die COVID-19-Pandemie deutlich zurück.
Hinsichtlich der Morbidität als epidemiologische Messgröße, wie häufig Krankheiten in der Bevölkerung zu einem bestimmten Zeitpunkt bzw. Zeitraum vorkommen, ist die Feststellung zu bekräftigen, dass die eigentliche Morbidität "vom Leiden der Menschen und nicht von den Krankheitskonzepten der Ärzte gebildet" wird und dass sich "Diagnosen in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter weg von den Leiden der Menschen" [22] bewegt haben. Die Schmerzforschung hat sich vorwiegend mit der Nozizeption und nicht mit dem Schmerzerleiden beschäftigt.
Im Rahmen nationaler und internationaler Schmerzforschung wurden auch Studien über die Häufigkeit des Auftretens in verschiedenen Ländern und Altersstufen durchgeführt [23, 24, 25, 26]. Aktueller Stand der Deutschen Schmerzgesellschaft (DSG) und der Deutschen Gesellschaft für Schmerz- und Palliativmedizin (DGS) ist:
etwa 23 Mio. Deutsche leiden unter chronischen Schmerzen,
davon sind 6 Mio. durch den Schmerz im Alltag eingeschränkt,
3,4 Mio. sind aktuell schwer schmerzkrank,
bei 2,2 Mio. ist der Schmerz eine komplexe, eigenständige, psychosoziale Erkrankung.
Eine repräsentative epidemiologische Untersuchung in 15 europäischen Ländern und Israel ergab eine Prävalenz erheblicher Schmerzen im Erwachsenenalter von 12-30 %, in Deutschland von 17 %. Dabei handelt es sich in 54 % der Fälle um intermittierende und in 46 % um konstante Schmerzen [6]. In Übereinstimmung mit Untersuchungen in den USA [26] waren etwa 8 % der Erwachsenen von erheblichen bis starken chronischen Schmerzen betroffen. Alarmierend ist bei uns die Zunahme intermittierender und chronischer Schmerzen im Kindes- und Jugendalter [27].
Systematische, fortlaufende epidemiologische Untersuchungen erfolgten nicht in allen Ländern, jedoch in den USA. Die in diesem Zusammenhang besonders interessierenden Todesfälle durch Überdosierung von Drogen und Medikamenten, speziell durch verordnete Opioidanalgetika, sind dort seit den 1980er Jahren zu einem stetig zunehmenden Problem geworden. So hat das CDC mitgeteilt, dass 2019 nahezu 71.000 Menschen durch Drogenüberdosierung starben, davon 70 % mit Beteiligung verordneter oder illegaler Opioide [28], und im Januar 2022 veröffentlichte das CDC, dass in den zwölf Monaten von Juni 2020 bis Juni 2021 die Zahl der Todesfälle durch Überdosierung von Drogen/Medikamenten um 20,6 % zunahm, von nahezu 84.000 auf über 101.000 Menschen. Der Anteil durch Opioidüberdosierung erhöhte sich dabei von rund 61.500 auf 76.000 [29].
Zeitgemäße Schmerzdiagnostik
Rücken- und Kopfschmerzen, die häufigsten Syndrome, treten jeweils in mehreren 100 diagnostischen Entitäten bzw. Ausprägungen auf. Dabei sollte die klassifikatorische (qualitative) Diagnostik durch die metrische (quantitative) ergänzt werden. So ist es z. B. ein grundlegender Unterschied, ob Migräne an einem Tag oder an über 15 Tagen im Monat auftritt [38]. Starke Schmerzen verdienen natürlich besondere Beachtung. Bei der Analyse sind akute, oft selbstlimitierende von rezidivierenden und den besonders wichtigen chronischen Verläufen zu unterscheiden. Eine besondere Bedeutung besitzen entsprechend die zahlreichen Ursachen für eine Chronifizierung [8, 9, 11]. Bei Rückenschmerzen können körperliche Arbeit und Fehlbelastung Auslöser sein, daneben aber zahlreiche psychische, soziale und auch demografische Faktoren [9, 10, 11].
Verschiedene Kopfschmerzen können durch alimentäre, personale und berufliche Faktoren ausgelöst werden. Modulierende Einflüsse somatischer, psychischer oder sozialer Art, Alkoholgenuss, Erwartungsspannung oder Stress bzw. Wegfall von Stress spielen bei Migräne eine Rolle, hormonelle bei der sogenannten menstruellen Migräne [30].
Schmerzsyndrome ohne prima vista klar erkennbare Entstehung müssen eingehend untersucht werden. Dabei sind neben der Nozizeption akuter Schmerzen zahlreiche psychische und soziale Möglichkeiten der Chronifizierung in Erwägung zu ziehen [31, 32]. Chronische Schmerzzustände bedürfen einer besonderen Analyse und Abklärung der psychosomatischen und sozialen Aspekte. In der Palliativmedizin tritt die spirituelle Dimension hinzu [33, 34]. Zur Erfassung der Ätiologie, etwa von Verletzungen oder Verwundungen mit erforderlicher Amputation oder Operation bei Frakturen, durch monokausale oder multifaktorielle Verursachung, treten pathophysiologische Prozesse von diagnostischer und speziell auch therapeutischer Relevanz hinzu, etwa bei Entzündungen oder Autoimmunkrankheiten. Beim Ausschluss einer somatischen Ursache oder Pathogenese und beim Vorliegen positiver Kriterien ist eine Psychogenese in Erwägung zu ziehen [32].
Risiko- und Kontextfaktoren, die physikalische Umwelt und die soziale Umgebung spielen eine besondere Rolle und sind eine Herausforderung in der medizinischen Versorgung [19]. Das Auftreten und die Ausprägung von Schmerzen hängen von der Situation ab. So wurde mehrfach berichtet, dass Verwundungen im Kriegsgeschehen zunächst gar nicht beachtet wurden, und auch bei wichtigen Sportveranstaltungen wurde die Schwere von Verletzungen manchmal erst später erkannt.
Sozialgerichtsverfahren (z. B. Schadensersatzforderung oder Rentenbegehren) bestimmen Schmerzverhalten und Therapieergebnis mit. Bei laufenden gerichtlichen Verfahren ist deshalb zu erwägen, eine systematische Schmerzbehandlung eventuell erst nach Abschluss des Verfahrens zu beginnen. Eine besondere Bedeutung kommt Stress zu [11, 35]. Im Akutfall kann Stress Schmerzerleben verringern, bei intermittierenden Formen hingegen chronifizieren und bei anhaltenden Verläufen verstärken.
Die Erhebung von Vorgeschichte und psychopathologischem Befund besitzt entsprechend größte Bedeutung. Weiter ist die Untersuchung im ursprünglichen Wortsinn, das Suchen nach zugrundeliegenden Strukturen und Funktionen sowie der Ausschluss möglicher alternativer Ursachen und Prozesse, unabdingbar für das weitere angemessene Vorgehen. Dabei ist in aller Regel nicht mit determinierten, sondern nur mit möglichen bis wahrscheinlichen Gegebenheiten und Zusammenhängen zu rechnen. Dogmatische Ausführungen, wie z. B. dass "chronischer Schmerz Leiden und Beeinträchtigungen verursacht" ("chronic pain causes suffering and disability", [36]), unterscheiden sich aber grundlegend von Erhebungen, die von Betroffenen ausgegangen sind, etwa über schmerzrelevante Amputationsfolgen: "Triggerzonen bzw. Triggerpunkte können Stumpf- und/oder Phantomschmerzen auslösen oder verstärken […]. Neurome können [...] Stumpfschmerzen auslösen […]. Druckstellen und Geschwüre am Stumpf können [...] Phantomschmerz provozieren [...]. Bei Durchblutungsstörungen des Stumpfes […] kann das Gehen mit der Prothese Stumpf- oder Phantomschmerz auslösen […]" [37].
Schmerz als Symptom kann bei einer unermesslichen Zahl von Krankheiten auftreten, doch jeweils nur bei einem Teil der Betroffenen. Selbst bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen kommt er zwar häufig, doch nicht in jedem Fall vor [38], auch nicht immer bei gravierenden Verletzungen, etwa nach einem Querschnitttrauma oder bei schweren neurologischen Erkrankungen.
Bei zahlreichen Schmerzsyndromen sind Einflüsse der Lebensführung relevant, so Bewegungsmangel, Ernährung, Übergewicht, Rauchen und Alkoholüberkonsum. In diesem Rahmen kann auf all diese wichtigen Faktoren nicht explizit eingegangen werden, doch erhöhen sie zweifelsfrei die Komplexität.
Das Leiden der Betroffenen, vielfältige Auswirkungen mit Schadenspotenzial für sie, Angehörige und die Gesellschaft [16] sowie Copingformen [13] sind eng mit der Lebensqualität [39], medizin-ethischen Bezügen [3] und Aufforderungen zur Prävention durch Schmerzkontrolle [12, 39] verbunden.
Fazit und Folgerungen
Schmerz ist ein humanitäres und ein medizinisches Grundproblem und häufigster Anlass für ärztliche Behandlung.
In der überschaubaren Menschheitsentwicklung wurden verschiedene Konzeptionen über seine Erscheinungsformen als Empfindung und/oder Emotion, sein Wesen und die Bedeutung, als Krankheitssymptom und -faktor bzw. als eigenständige Algopathie entwickelt.
Obwohl die Bedeutung des Schmerzes erkannt ist und systematische Grundlagenforschung und eine unermessliche Zahl wissenschaftlicher Untersuchungen erfolgten, nahm die Häufigkeit weltweit zu.
Mit der Alterung der Weltbevölkerung stellte sich eine erhöhte Multimorbidität ein, sodass das früher dominierende Reiz-Reaktions-Denken vermehrt durch die Komplexitätstheorie mit eingehender Problemanalyse zu ergänzen ist bzw. die Umorientierung dazu erfolgen sollte.
Die zunehmende Bedeutung der Schmerzzustände von Kindheit bis Alter in Deutschland verdient besondere Aufmerksamkeit.
Aktuell ergeben sich deshalb begründete Forderungen nach verstärktem präventivem und kurativem Bemühen um die Linderung des Leidens und die Verringerung der Einschränkungen und Folgen.
Im Falle rezidivierender und chronischer Schmerzsyndrome sind wiederkehrende Bestimmungen von Leiden, möglichen Beeinträchtigungen und Komplikationen erforderlich, in der Einstellungszeit in kurzen Intervallen, im späteren Verlauf etwa monatlich.
Schon in der Deklaration der Europäischen Gesellschaften 2001 über die Bedeutung chronischen Schmerzes als eigenständige Krankheit und wichtiges Gesundheitsproblem wurde aufgerufen, vorhandene Maßnahmen der Schmerzlinderung mehr zu beachten. Zudem sollten Forschungsanstrengungen und die humanen sowie finanziellen Ressourcen für die Kontrolle chronischen Schmerzes verstärkt werden [7].
In der Palliativmedizin erfolgten seitdem in Deutschland wesentliche Verbesserungen, durch die Einrichtung ambulanter und stationärer Palliativinstitutionen sowie durch Hospize. Hingegen ist die angemessene ambulante Behandlung von Menschen mit beeinträchtigenden und starken Schmerzen noch unzureichend realisiert. Die flächendeckend ergänzende Versorgung durch Spezialambulanzen und klinische Einrichtungen ist nicht überall gewährleistet.
Die Palliativmedizin macht deutlich, dass die Schwere der Schmerzen, die vor allem subjektiv wahrgenommen wird, in ihrer Vielschichtigkeit und Heterogenität individuell zu behandeln ist, und dass Standards, z. B. durch Leitlinien, häufig nicht Anwendung finden können. Gerade für unerträgliche und stark beeinträchtigende Schmerzprobleme gilt das Motto der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin: Personalisierung und Individualisierung statt Standardisierung.
PD Dr. med. Roland Wörz, MA Medizinethik.
Neurologie, Psychiatrie, Schmerzmedizin
Rieslingweg 9
76669 Bad Schönborn
woerz.roland@t-online.de
Dr. med. Dipl. Lic. Psych. Johannes Horlemann.
Allgemeinmedizin
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V.
Regionales Schmerzzentrum Kevelaer
Grünstr. 25
47625 Kevelaer
johannes.horlemann@dgschmerzmedizin.de
Dr. med. Gerhard H.H. Müller-Schwefe.
Allgemeinmedizin, Anästhesie
Ehrenpräsident Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V.
Schmerz- und Palliativzentrum Göppingen
Schillerplatz 8/1
73033 Göppingen
info@mueller-schwefe.com
Teil 1 in "Schmerzmedizin" 3/2022.
In "Schmerzmedizin" 3/2022 lesen Sie den ersten Teil zu diesem Beitrag:
Wörz R, Horlemann J, Müller-Schwefe GHH. Vielseitige Bedeutung und zunehmende Wichtigkeit des Schmerzes (Teil 1) - Schmerz in der Sprache, Konzeptionen und Definitionen
Zu finden online unter: www.springermedizin.de/schmerzmedizin
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