Abstract
Hintergrund
Um Veränderungen in der herzchirurgischen Patientenversorgung während der COVID-19-Pandemie in Deutschland zu objektivieren, hat die Deutsche Gesellschaft für Thorax‑, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) eine strukturierte Umfrage durchgeführt.
Methode
An dieser Umfrage unter 79 herzchirurgischen Fachabteilungen im Juni 2021 beteiligten sich 53 Fachabteilungen. Folgende Zeitpunkte wurden der Umfrage zugrunde gelegt: 01.01.2020 als Zeitpunkt vor Beginn der COVID-19-Pandemie und der 30.04.1921 als Stichtag für die Datenerhebung. Zu diesem Zeitpunkt war die „dritte Welle“ der Pandemie in Deutschland bereits abgeflaut, und eine Rückkehr zum Routinebetrieb erschien absehbar.
Ergebnis
Am 01.01.2020 standen den 53 teilnehmenden herzchirurgischen Fachabteilungen dauerhaft insgesamt 800 Intensivtherapiebetten zur Verfügung. Mit Stand zum 30.04.2021 hatte sich diese Intensivbettenkapazität um 25,6 % auf 595 reduziert. Auch die Anzahl der OP für herzchirurgische Eingriffe hatte sich während der beiden ersten „Lockdowns“ in Deutschland von 207 vor der Pandemie auf 152 reduziert (−26,6 %). Während der COVID-19-Pandemie wurden stationäre Bereiche umgewidmet, sodass 50,9 % der Teilnehmer angaben, dass ärztliches Personal und in 75,5 % der teilnehmenden Fachabteilungen auch pflegerisches Personal in spezielle COVID-19-Bereiche delegiert wurde.
Schlussfolgerung
Seit Beginn der Coronapandemie im Januar 2020 und dem Auslauf der „dritten Welle“ im Mai 2021 hat sich die herzchirurgische Versorgung in Deutschland erheblich verändert: Dies führte durch Schließung von Intensivbetten und OP in herzchirurgischen Fachabteilungen zu erheblichen Implikationen der Patientenversorgung.
Zusatzmaterial online
Zusätzliche Informationen sind in der Online-Version dieses Artikels (10.1007/s00398-022-00527-5) enthalten.
Schlüsselwörter: COVID-19-Pandemie, SARS-CoV-2, Pandemie, Herzchirurgie
Abstract
Background
For documentation of COVID-19 pandemic-related changes in cardiac surgery in Germany, the German Society for Thoracic and Cardiovascular Surgery carried out a structured survey.
Methods
From 79 German institutions for cardiac surgery, 53 took part in the survey. The cut-off date before the pandemic was taken as 1 January 2020 and 30 April 2021 as the cut-off date for data recruitment. At this point of time, the third wave of the pandemic in Germany had already ebbed away and the return to routine surgery seemed to be foreseeable.
Results
On 1 January 2020, in 53 German cardiac surgery departments 800 intensive care beds were allocated. In April 2021, this capacity was reduced by 25.6% to 595 beds. Accordingly, the number of operating rooms for cardiac surgery procedures was reduced from 207 to 152 (−26.9%) during the first two lockdowns. During the COVID-19 pandemic, hospital facilities were restructured: 50.9% of participants delegated medical personnel, and 75.5% had to transfer nursing personnel to special COVID-19 facilities in their hospitals.
Conclusion
From the start of the COVID-19 pandemic until the end of the third wave during April 2021, cardiac surgery in Germany changed profoundly, leading to a substantial reduction of intensive care beds and operating rooms for patients requiring cardiac surgery.
Keywords: COVID-19 pandemic, SARS-CoV-2, Pandemic, Cardiac surgery
Infobox Empfehlungen des „cardiovascular research consortium“ für einen Neustart herzchirurgischer Fachabteilungen im Falle ausreichend verfügbarer Intensiv- und OP-Kapazität (nach [1])
Die Herzchirurgie soll ihre elektive Kapazität so schnell wie möglich nach Zurverfügungstellung intensivmedizinischer Kapazität starten
Eine klare Kommunikation zwischen den politischen Entscheidungsträgern und den Herzchirurgen ist erforderlich
Triagierungen unter herzchirurgischen Patienten auf der Warteliste müssen von erfahrenen herzchirurgischen Spezialisten durchgeführt werden
Es ist notwendig, klare und zeitgerechte Informationen über die Verfügbarkeit herzchirurgischer Kapazitäten an Ärzte, Patienten und die Öffentlichkeit abzugeben
Aufgrund der US-amerikanischen Erfahrungen wird empfohlen, eine regionale Strategie für die Bereitstellung von herzchirurgischer Kapazität zu ermöglichen
Minimal-invasive Operationstechniken sollten nur unter vorsichtiger Überlegung und mit klarer Informationen des Patienten durchgeführt werden
Alle herzchirurgischen Patienten sollten präoperativ auf COVID-19 getestet werden; für positiv getestete Patienten sollte eine Therapieverschiebung oder -veränderung erwogen werden
Die Struktur der Intensivmedizin sollte so angepasst werden, dass COVID-19-positive herzchirurgische Patienten kohortiert werden, um das Infektionsrisiko für Mitpatienten und Personal zu minimieren
Chirurgische Eingriffe bei COVID-19-Patienten sollten so klein wie möglich gehalten werden, und strukturierte Protokolle zur Minderung des Infektionsrisikos sollten eingehalten werden
Die Verlegung von herzoperierten Patienten in Einrichtungen mit hoher COVID-19-Last sollte vermeiden werden
Forschung und Lehre sollten telemedizinisch oder webbasiert erfolgen, um das Infektionsrisiko zu minimieren
Weiterbildungsassistenten mit geringer chirurgischer Erfahrung sollten die während der Pandemie reduzierten Forschungskapazitäten unterstützen
Einleitung
Die COVID-19-Pandemie, die in Deutschland am 28.01.2020 mit einem ersten 33-jährigen Patienten begann und die im Dezember 2021 mit der bereits vierten Wellen verlief, hat zu erheblichen Herausforderungen und in der Folge auch Umwälzungen in der deutschen Krankenhauslandschaft geführt. Bereits am 25.03.2020 stellte der Deutsche Bundestag eine epidemische Lage von nationaler Tragweite fest, schließlich wurde die epidemische Lage durch den Gesetzgeber zum 25.11.2021 beendet. Im Rahmen des Pandemieverlaufs wurden vielfältige Anstrengungen unternommen, die intensivmedizinischen Kapazitäten zu erhöhen, und speziell isolierte COVID-19-Bereiche in Krankenhäusern eingerichtet. Dafür stellte die Bundesregierung Milliardenbeträge aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds bereit. Diese finanziellen Mittel wurden durch Infrastrukturförderungen der Länder flankiert. Die Fokussierung auf die Intensivmedizin führte dazu, dass in den Krankenhäusern die infrastrukturellen Anpassungen notwendigerweise auch eine Reorganisation des pflegerischen und ärztlichen Personals bedingten, um die COVID-19-Patienten adäquat versorgen zu können. Im Hinblick auf die kardiovaskuläre Sterblichkeit in Deutschland während des 1. Lockdowns zeigte die CoVCAD-Observationsstudie von Nef et al. [2] einerseits einen Rückgang von 35 % der interventionellen kardiologischen Aktivitäten und andererseits eine um 8 % höhere kardiovaskuläre sowie 12 % höhere kardiale Sterblichkeit im Vergleich zum selben Vorjahreszeitraum. Als zugrunde liegende Ursachen kommen neben reduzierten Kapazitäten der kardiologischen Fachabteilungen und der potenziellen Angst der Patienten vor einer COVID-19-Ansteckung während eines Krankenhausaufenthalts auch Fehldiagnosen infrage: So könnten Patienten mit Luftnot und positivem COVID-19-Nachweis, aber zugrunde liegender Herzinsuffizienz als COVID- und nicht als Herzerkrankte behandelt worden sein.
Auch zu negativen Effekten durch die COVID-19-Pandemie bei herzchirurgischen Eingriffen gibt es diverse Referenzen aus verschiedenen Ländern: So beschreibt eine israelische Observationsstudie [3] im Vergleich zu 2019 sowohl einen Rückgang der herzchirurgischen Operationen als auch eine erheblich erhöhte „In-hospital“-Letalität. Eine US-amerikanische Publikation [4] berechnet anhand von Daten aus 4 Institutionen, dass die kalkulierte Anzahl der herzchirurgischen Operationen um 54 % während der COVID-19-Restriktionen zurückgegangen ist. Die Autoren fordern mehr postpandemische Operationskapazitäten, um die entstandene Warteliste mit postponierten Patienten bewältigen zu können, da ansonsten weiterhin herzchirurgische Patienten verschoben werden müssten. Ein Statement der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie beschreibt das Umgehen mit COVID-19-Infizierten in der Pandemie: Hier wird deutlich, dass ein SARS-CoV-2-infizierter Patient nach den vorliegenden Daten eine bis zu 7fach erhöhte Letalität hat, sodass nach einer COVID-Infektion eine Wartezeit von 7 Wochen bis zu einer elektiven Operation vorgeschlagen wird. Eine Arbeit aus Großbritannien [5] beschreibt die Auswirkungen der COVID-19-bedingten Transformation des britischen Gesundheitswesens auf eine herzchirurgische Klinik: Hier zeigt sich, dass die Anzahl der wöchentlichen Zuweisungen über den Zeitraum vom 16.03.2020 bis zum 06.07.2020 um 20–40 % abfiel. Auch eine nordamerikanische Arbeit [6] zeigte einen Rückgang der herzchirurgischen Operationszahlen auf 45 % der vorhergehenden Zahl mit einem anteiligen Anstieg der koronaren Bypass-Operationen, der ECMO-Therapie und der Herztransplantation zulasten der Klappentherapie. In dem Artikel werden zudem erhebliche regionale Unterschiede in Nordamerika und Kanada dargestellt. Da er allerdings bereits im Mai 2020 publiziert wurde, kann er nicht den Stand des Jahres 2021 abbilden.
Um die Veränderungen in der Herzchirurgie zwischen dem Zeitpunkt vor Beginn der COVID-19-Pandemie und dem Abflauen der dritten Welle in Deutschland zu objektivieren, hat die Deutsche Gesellschaft für Thorax‑, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) eine strukturierte Umfrage unter den 79 herzchirurgischen Fachabteilungen durchgeführt.
Methoden
Die 6 Fragen umfassende Onlineumfrage (s. Zusatzmaterial) unter 79 herzchirurgischen Fachabteilungen wurde im Juni 2021 durchgeführt. Die Antworten wurden elektronisch in einer Excel-Tabelle zusammengestellt und in einer deskriptiven Statistik ausgewertet. Folgende Zeitpunkte wurden der Umfrage zugrunde gelegt: 01.01.2020 als Zeitpunkt vor Beginn der COVID-19-Pandemie und der 30.04.1921 als Stichtag für die Datenerhebung. Zu diesem Zeitpunkt war die „dritte Welle“ der Pandemie in Deutschland bereits abgeflaut, und eine Rückkehr zum Routinebetrieb in deutschen Krankenhäusern absehbar. Zwischen dem 01.01.2020 und dem 30.04.2021 hatte es in Deutschland 2 verordnete „Lockdowns“ gegeben, mit dem Ziel, die Pandemie durch Reduzierung sozialer Kontakte zu bekämpfen und eine Überlastung des deutschen Gesundheitswesens zu vermeiden.
Ergebnisse
Von den 79 herzchirurgischen Fachabteilungen in Deutschland beteiligten sich 53 (67,1 %). 27 wurden als Universitätskliniken, 9 als Herzzentren und 17 als Krankenhäuser der Maximalversorgung klassifiziert. Am 01.01.2020 standen den 53 teilnehmenden herzchirurgischen Fachabteilungen dauerhaft insgesamt 800 Intensivtherapiebetten zur Verfügung. Mit Stand zum 30.04.2021 hatte sich diese Intensivbettenkapazität um 25,6 % auf 595 reduziert (Abb. 1). Insgesamt 39 Kliniken gaben eine Reduktion von Intensivtherapiebetten an, in 12 herzchirurgischen Kliniken war die Anzahl gleich, und 2 Kliniken verfügten über mehr Intensivtherapiebetten. Die Reduktionen der Intensivbettenzahlen betrafen eher die Universitätskliniken (−29 %; Reduktion 296/417) und Krankenhäuser der Maximalversorgung (−27 %; Reduktion 146/200) als Herzzentren (−10 %; Reduktion 153/183; Abb. 2). Auch die Anzahl der in der Kernarbeitszeit zur Verfügung stehenden OP für herzchirurgische Eingriffe hatte sich während der beiden ersten „Lockdowns“ in Deutschland von 207 vor der Pandemie auf 152 reduziert (−26,6 %). Zum 30.04.2021 wurde die Anzahl der vor der Pandemie zur Verfügung stehenden OP nicht wieder erreicht, sondern es bestand eine – möglicherweise längerfristige – Reduktion auf 183 OP (−11,6 %, Abb. 3). Während 18 der 53 herzchirurgischen Fachabteilungen angaben, weniger OP als im Januar 2020 zur Verfügung zu haben, gaben 33 Fachabteilungen an, wieder die ursprüngliche OP-Anzahl zu haben. Auch in diesem Punkt zeigten Universitätskliniken und Maximalversorger im Gegensatz zu Herzzentren (Abb. 4) größere Einschnitte.


Da während der Pandemie die Intensivmedizinkapazitäten in Deutschland knapp zu werden schienen, wurden die Umfrageteilnehmer gefragt, ob sie Notfallpatienten wegen fehlender Intensivbetten abgesagt hätten. 31 von 53 (58,5 %) gaben an, Notfallpatienten wegen fehlender Intensivkapazitäten abgelehnt zu haben. Von denjenigen, die Notfallpatienten abgesagt hatten, gaben 9 Teilnehmer eine Zahl von 11 bis 20 Notfallpatienten an (Abb. 5). Ob dies zu Todesfällen geführt hat, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, dennoch gaben 18 von 53 (34,0 %) Teilnehmern an, sichere Informationen zu Todesfällen namentlich bekannter Patienten auf der Warteliste aufgrund von COVID-19-assoziierten Terminverschiebungen zu haben.
Priorisierungen unter COVID-19-Patienten und solche zwischen COVID-19- und Non-COVID-Patienten wurden öffentlich wenig diskutiert und in diesem Kontext als ethisch komplexe Fragestellungen angesehen. Die Ergebnisse dieser Umfrage zeigen folgende Situation: Auf die Frage „Erfolgten in Ihrer Einrichtung Priorisierungen?“ gaben 13 von 51 auf diese Frage antwortenden Kliniken an, es habe Priorisierungen unter COVID-19-Patienten gegeben. Immerhin 16 Teilnehmer gaben an Priorisierungen inzwischen COVID-19- und Nicht-COVID-Patienten erlebt zu haben.
Während der COVID-19-Pandemie wurden – wie oben erwähnt – intensivmedizinische Bereiche und andere stationäre Bereiche umgewidmet, um COVID-19-Patienten zu versorgen. Dies zeigt sich auch in den folgenden Antworten: 27 von 53 Teilnehmern (50,9 %) gaben an, dass ärztliches Personal in spezielle COVID-19-Bereiche abgezogen worden sei, und 40 von 53 (75,5 %) dass auch pflegerisches Personal abgezogen worden sei (Abb. 6a,b).

Diskussion
Zwischen dem Beginn der Coronapandemie im Januar 2020 und dem Abebben der „dritten Welle“ im Mai 2021 hat sich die herzchirurgische Versorgung in Deutschland erheblich verändert: Während der Pandemie wurde die Anzahl der herzchirurgischen Intensivkapazitäten bei den Teilnehmerkrankenhäusern im Durchschnitt um ca. 25 % reduziert und hat unter der fortwährenden pandemischen Lage das ursprüngliche Niveau noch nicht wieder erreicht. Gleiches gilt auch für die herzchirurgischen OP-Kapazitäten, die um etwa 27 % zurückgegangen sind. Diese COVID-19-bedingten Einschränkungen betrafen stärker die Universitätskliniken und Maximalversorger, weniger die Herzzentren. Vermutlich waren die Universitätskliniken und die Maximalversorger stärker betroffen, weil es sich dabei eher um Krankenhäuser mit einer zentralen Rolle in der Versorgung von COVID-19-Patienten und damit einem höheren Intensivbettenbedarf für diese Patienten handelt. Aufgrund der Restriktionen mussten in 58 % der Kliniken mit herzchirurgischer Fachabteilung Notfallpatienten wegen fehlender intensivmedizinischer Kapazitäten abgelehnt werden, im Median 10 bis 20 Patienten pro Klinik. Dies ging bei insgesamt 18 von 53 Kliniken mit Todesfällen von Patienten auf der Warteliste einher.
Bei etwa der Hälfte der Kliniken wurde ärztliches Personal in „COVID-19-Bereiche“ abgezogen, und in drei Viertel der Kliniken Pflegepersonal. Dies führte zur Schließung von Intensivbetten und OP in herzchirurgischen Fachabteilungen.
Eine Absage von Operationen am Herzen und die damit verbundene verlängerte Wartezeit bis zum Eingriff bedeutet eine zwar niedrige, aber substanzielle Gefahr für die wartenden Patienten: Bei 1000 Patienten-Wochen treten, statistisch gesehen, jeweils einer bis 2 Todesfälle, Myokardinfarkte und Notfallherzoperationen auf [7], wobei Patienten mit eingeschränkter Herzfunktion und mit Herzklappenerkrankungen gefährdeter sind [8].
Ein relevanter Unterschied der Sterblichkeit von Patienten, die im Jahr 2020 und 2021 in Deutschland herzchirurgisch versorgt wurden, ist nach gegenwärtigem Kenntnisstand zumindest für das Jahr 2020 auszuschließen. Der aktuelle Leistungsstatistik der Deutschen Gesellschaft für Thorax‑, Herz- und Gefäßchirurgie [9] für das Jahr 2020 zeigt im longitudinalen Vergleich keine signifikanten Letalitätsunterschiede. Die retrospektive Observationsstudie von Keizmann et al. aus Israel [3] zeigt bei dem Vergleich 2019 zu 2020 an 2 herzchirurgischen Institutionen einen signifikanten Unterschied der Sterblichkeit nach herzchirurgischen Eingriffen. Für Deutschland lässt sich dies nicht nachvollziehen.
Im August 2020 hat ein „international cardiac surgery consortium“ mit Repräsentanten aus 19 Ländern, und damit einem internationalen Erfahrungsspektrum, Empfehlungen zur Wiederaufnahme herzchirurgischer Aktivitäten in der SARS-CoV-2-Ära publiziert. Diese sicher sinnvollen Empfehlungen (Infobox) beziehen auch die deutsche Perspektive ein; aufgrund des relativ frühen Publikationszeitpunkts waren jedoch nicht alle relevanten Fakten umfänglich bekannt.
Passend zu den hier dargestellten Ergebnissen für die Herzchirurgie stellt eine Arbeit von Rüggeberg et al. [10] die COVID-19-bedingten Veränderungen bei allgemein- und viszeralchirurgischen sowie bei unfallchirurgischen und orthopädischen Eingriffen dar: Auch hier war es im Pandemieverlauf zu erheblichen Fallzahlveränderungen gekommen. So gingen die Fallzahlen beispielsweise in den Abteilungen für Allgemein- und Viszeralchirurgie in der ersten Pandemiewelle um 39 % zurück. Wann die so verschobenen Eingriffe nachgeholt wurden, ist der Arbeit nicht eindeutig zu entnehmen.
Um den während der Pandemie entstandenen Verzögerungen und insbesondere Verschiebungen zwingend notwendiger Herzoperationen angemessen begegnen zu können, müssen die Kapazitäten in den deutschen herzchirurgischen Fachabteilungen kurzfristig wieder mindestens den Stand vor der Pandemie erreichen.
In diesem Kontext erscheint insbesondere erwähnenswert, dass es durch die Pandemie oder in deren Folge nicht zu einer von den anerkannten Leitlinien [11, 12] abweichenden Versorgung von Patienten mit Herzerkrankungen kommen darf, da dies weder medizinisch noch ethisch zu vertreten ist. Keinesfalls ist es daher sinnvoll, interventionelle Eingriffe mit der Begründung durchzuführen, intensivmedizinische Ressourcen einsparen zu wollen, wenn diese Interventionen nicht mittel- und langfristig das für jeden einzelnen Patienten bestmögliche Ergebnis erzielen.
Limitationen
Diese Arbeit basiert auf einer Onlineumfrage, an der 53 der 79 herzchirurgischen Fachabteilungen in Deutschland teilgenommen haben. Dies bedeutet eine gewisse Einschränkung der Repräsentativität. Der Umfragezeitpunkt lag nach der „dritten Welle“ in Deutschland, markiert jedoch nicht das Ende der COVID-19-Pandemie. Einige Angaben zur Triage beruhen auf subjektiven Eindrücken der Befragungsteilnehmenden.
Kernaussagen
Die herzchirurgische Versorgung während der COVID-19-Pandemie wurde erheblich reduziert.
Etwa ein Viertel aller herzchirurgischen Intensivbetten und OP wurde für die COVID-19-Versorgung umgewidmet.
Etwa die Hälfte aller herzchirurgischen Fachabteilungen delegierte Ärzte für die COVID-19-Versorgung, drei Viertel delegierten auch Pflegekräfte.
Nach dem Auslauf der „dritten Pandemiewelle“ blieben die Kapazitäten der Herzchirurgie weiterhin reduziert.
Es gibt Hinweise auf pandemiebedingte Todesfälle von Patienten, die auf Wartelisten für herzchirurgische Eingriffe standen.
Supplementary Information
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
A. Böning, V. Falk, J. Gummert, A. Markewitz, M. Heinemann und A. Beckmann geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Footnotes
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Literatur
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Associated Data
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