Zusammenfassung
Hintergrund Die Psychotherapie-Richtlinie (PT-RL) gestaltet die Rahmenbedingungen der Psychotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung in Deutschland. Aufgrund der Diskussion um Wartezeiten und inadäquate Versorgung von Betroffenen trat 2017 eine Reform in Kraft, um den Zugang zur Psychotherapie sowie den gesamten Versorgungs- und Behandlungsverlauf zu verbessern. Ziel des Projektes ist die Evaluation der neu eingeführten Versorgungselemente in der PT-RL sowie die Identifikation möglicher Implementierungsschwierigkeiten.
Methoden Zur Evaluation der Reform der PT-RL finden sowohl quantitative als auch qualitative Methoden Anwendung. Um einen Vergleich der Versorgungssituation vor und nach der Reform durchzuführen, wird eine vergleichende retrospektive, kohortenbasierte Analyse auf Basis anonymisierter Routinedaten der BARMER und der AOK durchgeführt. Zusätzlich wird mit Hilfe einer Querschnittsanalyse erfasst, wie die neuen Versorgungselemente in der Praxis umgesetzt werden. Dazu erfolgt eine Befragung von Psychotherapeut*innen, Hausärzt*innen und Patient*innen. Fokusgruppen mit relevanten Interessensgruppen stellen zusammen mit einer Literaturrecherche die Basis für die Befragung dar. Zusammen mit den Routinedaten zur Versorgungssituation nach Reform der PT-RL und aggregierten, anonymisierten Daten der KBV zur vertragsärztlichen Versorgung sowie zur Inanspruchnahme der Terminservicestellen ergeben die Befragungsergebnisse die Datenbasis für die Querschnittsanalyse.
Schlussfolgerung Durch die Verbindung von quantitativen und qualitativen Daten können die Auswirkungen der Strukturreform der PT-RL von 2016 auf individueller und struktureller Ebene sowie in Bezug auf den gesamten Versorgungs- und Behandlungsprozess analysiert werden. Darauf aufbauend werden Vorschläge für eine bedarfsgerechte Weiterentwicklung der PT-RL unter Berücksichtigung der Perspektiven verschiedener Interessensgruppen ausgearbeitet.
Schlüsselwörter: ambulante psychotherapeutische Versorgung, Reform, Versorgungsforschung, Abrechnungsdaten
Key words: outpatient psychotherapy, reform, health care research, administrative claim data
Abstract
Introduction In Germany, psychotherapy in outpatient statutory health care is regulated by the Psychotherapy Guideline (PT-GL). A discussion on waiting times and inadequate care for patients resulted in a structural reform of the PT-GL in 2017. The reform aims to improve access to psychotherapy and the entire course of care and treatment. The purpose of the present study was the evaluation of the new elements and identification of obstacles and barriers in their implementation.
Methods Quantitative and qualitative methods were used to evaluate the reform of the PT-GL. In a retrospective cohort-based analysis of anonymized administrative claim data from the statutory health insurances BARMER and AOK, the health care situation before and after the reform were compared. In addition, a cross-sectional questionnaire survey evaluated the implementation of the new care elements from the perspective of psychotherapists, general practitioners and patients. The questionnaires were developed based on focus groups with stakeholders and a literature search. The survey results provided the data basis for the cross-sectional analysis together with the routine data on the care situation after the reform of the PT-GL as well as aggregated, anonymized data from the National Association of Statutory Health Insurance Physicians on statutory health insurance care and on the use of the appointment service centers.
Conclusion By combining quantitative and qualitative data, the effects of the structural reform of the PT-GL of 2016 can be analyzed at the individual and structural level as well as in relation to the entire care and treatment process. Based on this, proposals for a needs-oriented further development of the PT-GL will be prepared, considering the perspectives of various interest groups.
Hintergrund
Psychische Störungen sind komplexe Erkrankungen, die ca. 28% (ca. 17,8 Millionen Menschen) der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland pro Jahr betreffen 1 2 . Für Betroffene und Angehörige stellen sie eine enorme individuelle Belastung mit einer hohen Krankheitslast dar [3] und sind darüber hinaus mit erheblichen Herausforderungen, wie langen Arbeitsunfähigkeitszeiten, verbunden.
In Deutschland existiert ein vielfältiges Hilfe- und Gesundheitsversorgungssystem für Menschen mit psychischen Erkrankungen. Je nach klinischen Faktoren, Symptomschwere, Erkrankungsverlauf und Patientenpräferenz stehen niederschwellige psychosoziale Interventionen, medikamentöse und/oder psychotherapeutische Behandlungsalternativen sowie weitere Therapieverfahren zur Verfügung 4 . Anwendung findet die psychotherapeutische Behandlung im ambulanten, teilstationären und stationären Versorgungsbereich. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) gestaltet die ambulante Psychotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung in der Psychotherapie-Richtlinie (PT-RL). Darin ist u. a. festgelegt, welche Leistungen zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erbracht werden können, welche Psychotherapieverfahren anerkannt und anwendbar sind oder welche Konsiliar-, Anzeige-, Antrags- oder Genehmigungspflichten gelten 5 .
Verschiedene Studien deuten auf Zugangs- und Schnittstellenprobleme hin 6 . In diesem Zusammenhang wurde auch die Zeit bis zum Beginn einer psychotherapeutischen Behandlung und das damit zusammenhängende Problem des Zugangs der Versicherten zur Psychotherapie diskutiert 7 8 9 .
Im Jahr 2016 hat der Gesetzgeber eine Strukturreform der PT-RL angestoßen, die 2017 wirksam wurde. Zentrales Ziel der Strukturreform war die Verbesserung des Zugangs zur Psychotherapie. Dazu wurden neue Versorgungselemente eingeführt. So soll mit Hilfe der psychotherapeutischen Sprechstunde für alle Versicherten eine zeitnahe, niedrigschwellige diagnostische bzw. differentialdiagnostische Abklärung behandlungsbedürftiger psychischer Erkrankungen erreicht werden. Durch die psychotherapeutische Akutbehandlung wurde die Möglichkeit einer kurzfristigen psychotherapeutischen Intervention geschaffen 5 . Weiterhin wurden Maßnahmen zur Rezidivprophylaxe sowie zur Förderung der Gruppentherapie beschlossen und die telefonische persönliche Erreichbarkeit der Therapeut*innen reguliert.
Zielsetzung und Fragestellung
Ziel der Studie ist die Evaluation der neuen Versorgungselemente der PT-RL in Bezug auf die Fragen:
Führen die neuen Elemente im Vergleich zur Situation vor dem Inkrafttreten der Strukturreform zu einer Verbesserung des Zugangs zur psychotherapeutischen Behandlung? (Zugang)
Führen die neuen Elemente im Vergleich zur Situation vor dem Inkrafttreten der Strukturreform zu einer Verbesserung des gesamten Behandlungs- und Versorgungsablaufs und einer Verbesserung der patientenrelevanten Outcome-Parameter? (Behandlungs- und Versorgungsverlauf)
Wie werden die neu eingeführten Elemente in der Praxis umgesetzt und ergeben sich dabei Hürden und Hemmnisse? (Umsetzung)
Die Analyse findet jeweils getrennt für Erwachsene sowie Kinder und Jugendliche statt. Ausgehend von diesen Ergebnissen werden Reformvorschläge zur Weiterentwicklung der PT-RL entwickelt. Die Studie wird gefördert durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschuss (Fördernummer 01VSF19006).
Methodik
Studiendesign
Die Evaluation basiert auf einer Prä-Post-Analyse und einer Querschnittsanalyse (s. Abb. 1 ). Dabei werden unterschiedliche quantitative und qualitative Datenquellen verwendet. Die Studie wurde von der Ethik-Kommission der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen beraten und genehmigt.
Prä-Post-Analyse
Anhand eines retrospektiven kohortenbasierten Vergleichs wird evaluiert, inwieweit sich die Strukturreform 1) auf den Zugang zur psychotherapeutischen Behandlung und 2) den gesamten Behandlungs- und Versorgungablauf in der Versorgung psychischer Erkrankungen ausgewirkt hat. Der Vergleich der Leistungsinanspruchnahme vor und nach Einführung der neuen Versorgungselemente (Prä-/Post-Analyse) erfolgt anhand anonymisierter Routinedaten zweier bundesweit tätiger gesetzlichen Krankenversicherungen: der BARMER und des AOK-Systems.
Die Analyse erfolgt am Beispiel der Depression, als einer der häufigsten psychischen Erkrankungen in allen Altersgruppen. Im Rahmen dieser Analyse werden Versicherte, bei denen vor der Reform im ersten Quartal 2016 eine Depression diagnostiziert wurde (Prä-Zeitraum), verglichen mit Versicherten, bei denen nach der Reform im ersten Quartal 2018 eine Depression diagnostiziert wurde (Post-Zeitraum, s. Abb. 2 ). Damit stellen das erste Quartal 2016 und das erste Quartal 2018 die Indexquartale für den Prä- bzw. Postzeitraum dar. Der Nachbeobachtungszeitraum beträgt 12 Monate.
Die Einschlusskriterien für die Selektion der Versicherten sind in Tab. 1 dargestellt.
Erwachsene | Kinder und Jugendliche |
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Zu den selektierten Versicherten beider Kohorten werden Stammdaten (z. B. Alter, Geschlecht), Daten zur ambulanten (z. B. Diagnosen, EBM-Ziffern, Facharztgruppen) und stationären (z. B. Dauer des Krankenhausaufenthaltes, Diagnosen) Versorgung, Arznei- sowie Heilmittelverordnungen, stationäre Rehabilitationsaufenthalte und Arbeitsunfähigkeitszeiten übermittelt.
Outcomes Prä-Post-Analyse
Die Versorgungssituation von Menschen mit Depression vor und nach der Reform wird in Bezug auf mögliche Veränderungen im Zugang sowie Veränderungen in den Behandlungs- und Versorgungsabläufen getrennt für die Gruppe der Erwachsenen sowie der Kinder und Jugendlichen betrachtet. Die Analyse der Routinedaten erfolgt gemäß der Guten Praxis Sekundärdatenanalyse 10 . Der Zugang wird über die zeitlichen Abstände zwischen Indexdiagnose, Erstkontakt und Beginn der Richtlinientherapie bzw. Akutbehandlung operationalisiert. Primärer Endpunkt hinsichtlich der Verbesserung des Zugangs ist die Anzahl der Arztkontakte. Weitere Endpunkte zur Untersuchung des Zugangs zu psychotherapeutischer Versorgung sind:
Stationäre Aufenthalte
Arbeitsunfähigkeitszeiten
Behandlungszeit.
Zusätzlich werden Versorgungsprozesse analysiert.
Analyse
Zunächst wird eine deskriptiv vergleichende Analyse hinsichtlich patientenseitiger sowie versorgungsstruktureller Merkmale in den Kohorten des Prä- bzw. Post-Zeitraums durchgeführt, um Zielgrößen, wie die Zeit bis Behandlungsbeginn oder die Häufigkeit der Inanspruchnahme der neuen Versorgungselemente, unter Kontrolle patientenseitiger sowie ggf. struktureller Einflussfaktoren zu analysieren. Je nach Variablentyp werden Häufigkeitsverteilungen und Lageparameter verglichen, bei gleichzeitiger Testung der statistischen Signifikanz. Ferner werden Subgruppenanalysen, etwa nach Alter, durchgeführt. Zur Ermittlung der statistischen Signifikanz finden Testverfahren wie z. B. Chi²-Test, T-Test und Mann-Whitney-U-Test Anwendung.
Querschnittsanalyse
Zur Beantwortung der Fragestellung 3 erfolgt eine Querschnittsanalyse unter Einbeziehung verschiedener Datenquellen und Perspektiven. Ziel dieser Analyse ist die Evaluation der Umsetzung der neuen Versorgungselemente sowie die Identifikation von möglichen bestehenden Hürden. Die Analyse besteht aus mehreren Elementen und beruht auf den folgenden Datenquellen (s. Abb. 1 ):
Anonymisierte GKV-Routinedaten für den Zeitraum nach der Strukturreform (Post-Zeitraum),
Anonymisierte aggregierte Daten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV)
zur Inanspruchnahme der Terminservicestellen (TSS),
zu Leistungsdaten auf Praxisebene,
zu Strukturdaten (teilweise basierend auf dem Bundesarztregister),
Primärdaten (standardisierte Befragung von Psychotherapeut*innen, Hausärzt*innen und Patient*innen).
GKV-Routinedaten Post-Zeitraum
Auf Basis der anonymisierten GKV-Routinedaten für den Zeitraum nach der Reform (2. Quartal 2018 bis einschließlich 1. Quartal 2019) erfolgt eine deskriptive Analyse der Häufigkeiten der Nutzung der neuen Versorgungselemente getrennt für Erwachsene und Kinder/Jugendliche mit einer Depressionsdiagnose (Einschlusskriterien, s. Tab. 1 ). Neben der Analyse der Häufigkeit werden sowohl Versorgungsprozesse (etwa der Übergang in die Richtlinientherapie) als auch Zeiträume zwischen verschiedenen Versorgungsschritten beleuchtet. Weiterhin wird die Inanspruchnahme der Akuttherapie, der Gruppentherapie, der Kurzzeittherapie 1 (KZT 1) und ihre Fortführung als KZT 2 sowie die Langzeittherapie (LZT) betrachtet. Letzteres ist aufgrund des Beobachtungszeitraums nur bedingt möglich.
Daten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV)
Auf Ebene der Praxen wird querschnittlich mit aggregierten anonymisierten Leistungsdaten der KBV die Umsetzung der neuen Versorgungselemente im Post-Zeitraum deskriptiv untersucht. Einbezogen werden auch die Daten des Bundesarztregisters der KBV. Dabei werden unter anderem folgende Aspekte berücksichtigt: Anzahl zugelassener Psychotherapeut*innen mit Zulassung für bestimmte Psychotherapieverfahren und Anzahl der Psychotherapeut*innen mit Zulassung für eine Gruppentherapie. Die Inanspruchnahme sowie Vermittlungsquoten der TSS werden anhand von aggregierten Daten der KBV für die Jahre 2017 bis 2020 evaluiert.
Standardisierte Befragung
Im Rahmen von standardisierten anonymen Befragungen von Patient*innen, Psychotherapeut*innen sowie Haus- und Kinderärzt*innen anhand von Fragebögen werden die Umsetzung der Reform sowie Hemmnisse und Hürden aus unterschiedlichen Perspektiven für die Gruppen der Erwachsenen sowie Kinder und Jugendlichen erfasst. Die Erhebungen erfolgen unter Einhaltung ethischer und wissenschaftlicher Standards.
Fragebogenerstellung: Grundlage der Fragebogenerstellung ist eine orientierende Literaturrecherche zur Umsetzung der PT-RL. Zudem werden zur Vorbereitung Fokusgruppen mit Psychotherapeut*innen, Kostenträgern und Patientenvertreter*innen durchgeführt. Ziel ist die Identifikation weiterer relevanter Aspekte für die standardisierte Befragung. Dabei dienen die Fokusgruppen auch der Identifikation von Hürden und Hemmnissen für eine Implementierung der neuen Elemente, die im Rahmen der Befragung quantifiziert werden.
Die Rekrutierung findet über die Projektpartner bzw. Patientenvertreter*innen von Selbsthilfegruppen für verschiedene Krankheitsbilder statt. Die Gruppen bestehen aus jeweils 8 bis 16 Teilnehmer*innen.
Studienpopulation und Rekrutierung: Es wird eine geschichtete Zufallsstichprobe von Psychologischen und Ärztlichen Psychotherapeut*innen (Fachärzt*innen für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Fachärzt*innen für Psychiatrie und Psychotherapie, Fachärzt*innen für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, alle Ärzt*innen mit Zusatzbezeichnung Psychotherapie) und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*innen befragt. Zusätzlich werden niedergelassene Ärzt*innen des hausärztlichen Versorgungsbereichs (Hausärzt*innen sowie Kinder- und Jugendärzt*innen) sowie Patient*innen (Erwachsene sowie Kinder und Jugendliche bzw. bei unter 14-Jährigen eine sorgeberechtigte Person) in psychotherapeutischer Behandlung befragt.
Die Rekrutierung der hausärztlich tätigen Ärzt*innen sowie der Kinderärzt*innen und der Psychotherapeut*innen erfolgt über eine Zufallsauswahl aus dem Pool eines im Gesundheitsbereich tätigen Adressanbieters.
Die angeschriebenen Psychotherapeut*innen werden zudem über ein Schreiben um ihre Mitwirkung bei der Rekrutierung für die Patientenbefragung gebeten. Befragt werden sollen jeweils Erwachsene ab dem 21. Lebensjahr sowie Kinder und Jugendliche zwischen 4 und 18 Jahren, die gesetzlich krankenversichert sind und derzeit eine Richtlinientherapie durchführen. Dabei werden ihnen nach erfolgter Unterstützungszusage Fragebögen zur Verfügung gestellt, die Psychotherapeut*innen im Anschluss an Therapiesitzungen an ihre Patient*innen bzw. an die sorgeberechtigte Person austeilen können.
Fallzahlschätzung: Zur Ermittlung statistisch signifikanter Mittelwertunterschiede bei einer Power von 85% und einem alpha-Fehler von 0,05 sind für eine mittlere Effektstärke für die Befragungen der einzelnen Gruppen Stichproben von mindestens 420 Teilnehmer*innen erforderlich. In Anbetracht des erwarteten Rücklaufs von 25% müssten damit jeweils ca. 1700 Psychotherapeut*innen in der Versorgung Erwachsener, ca. 1700 Psychotherapeut*innen in der Versorgung von Kindern und Jugendlichen, ca. 1700 Hausärzt*innen sowie ca. 1700 Kinder- und Jugendärzt*innen angeschrieben werden. Die Patient*innen werden über die behandelnden Psychotherapeut*innen rekrutiert.
Outcomes: Durch die Befragung sollen insbesondere Erkenntnisse zur Umsetzung sowie zur Zufriedenheit der neuen Versorgungselemente in der Praxis gewonnen und so die Erkenntnisse aus den Routinedaten ergänzt werden. Zudem soll die Befragung Hinweise auf Hemmnisse und Hürden in der Umsetzung der Reform aus den verschiedenen Perspektiven geben.
Analysen
Für die Analysen der GKV-Routinedaten werden deskriptiv vergleichende Analysen und Subgruppenanalysen durchgeführt. Je nach Variablentyp werden Häufigkeitsverteilungen und Lageparameter verglichen, bei gleichzeitiger Testung der statistischen Signifikanz.
Die Auswertung der Fragebögen erfolgt aufgrund der unterschiedlichen Items, Fragestellungen und Zielgrößen getrennt für die sechs Gruppen (Psychotherapeut*innen, Ärzt*innen und Patient*innen jeweils für die Gruppe der Erwachsenen und Kinder) und umfasst uni- bzw. bivariate deskriptive Analysen. Je nach Variablentyp werden Häufigkeitsverteilungen und Lageparameter verglichen, bei gleichzeitiger Testung der statistischen Signifikanz.
Diskussion
In dieser Publikation wird das methodische Vorgehen zur Evaluation der Strukturreform der PT-RL dargestellt, welche 2017 in Kraft getreten ist. Dazu wird ein Mixed-Methods-Ansatz gewählt. Dieser bietet die Möglichkeit, die im Rahmen der Reform neu eingeführten Versorgungselemente der PT-RL in Bezug auf die Verbesserung des Zugangs und des gesamten Behandlungs- und Versorgungsablaufes zu evaluieren sowie mögliche Hürden und Hemmnissen für deren Umsetzung und Wirksamkeit zu identifizieren. Durch die Nutzung einer breiten Datenbasis können Schwächen einzelner Datenquellen kompensiert und die Perspektiven verschiedener Stakeholder berücksichtigt werden. So ermöglicht die Prä-Post-Analyse einen Vergleich des Versorgungsgeschehens vor und nach der Strukturreform. Dies lässt Schlüsse darauf zu, ob durch die Strukturreform die intendierte Verbesserung der Versorgung in Bezug auf den Zugang und den Behandlungs- und Versorgungsablauf erzielt werden konnte.
Aufbauend auf den Ergebnissen der Längs- und Querschnittsanalysen werden Reformvorschläge für die bedarfsgerechte Weiterentwicklung der PT-RL erarbeitet. Dazu wird zunächst eine Bewertung der durch die Reform eingefügten Elemente in Hinblick auf die Kernfragen der Evaluation vorgenommen. Sollten diese Ergebnisse zeigen, dass die mit der Reform verbundenen Ziele in Bezug auf Patientenzugang, Prozessqualität bzgl. Behandlungs- und Versorgungsablauf und Verbesserung der patientenbezogenen Outcomes nicht oder nicht vollständig erreicht wurden, werden Vorschläge bezogen auf die untersuchten Reformelemente sowie ein darüberhinausgehendes Maßnahmenbündel zur Verbesserung der Versorgung erarbeitet.
In Bezug auf die Fragebogenerhebung ist zu berücksichtigen, dass die Befragung im Jahr 2021 durchgeführt wurde und somit auch in der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung pandemiebedingte Veränderungen der Versorgungsprozesse stattfanden, die Auswirkungen auf die Umsetzung der neuen Versorgungselemente haben könnten. So wurden bspw. vermehrt Therapiestunden per Videokonferenz durchgeführt. Gruppentherapien und psychotherapeutische Akutbehandlungen können erst seit dem 01.10.2021 per Videokonferenz durchgeführt werden. Um diesen Aspekt zu berücksichtigen, wurden in die Befragung entsprechende Kontrollfragen aufgenommen. Die Routinedatenanalyse der Daten von 2016 (Präzeitraum) und 2018 (Postzeitraum) ermöglichen hingegen eine Auswertung ohne pandemiebedingte Einflussfaktoren.
Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die PT-RL fortlaufend durch den Gesetzgeber weiterentwickelt wird, können die Ergebnisse aus dem Projekt Eva PT-RL einen wichtigen Beitrag leisten, Zugangs-, Steuerungs- und Koordinationsprobleme in der vertragsärztlichen psychotherapeutischen Versorgung durch die Einführung der neuen Versorgungselemente rechtzeitig zu erkennen und die Versorgung bedarfsgerecht weiterzuentwickeln. Das Projekt endet im dritten Quartal 2023. Es ist geplant, die Ergebnisse des Projektes zeitnah zu veröffentlichen.
Hinweis
Dieser Artikel wurde gemäß des Erratums vom 13.9.2023 geändert.
Erratum
Im oben genannten Artikel gibt es einen Rechtschreibfehler im Titel. Der korrekte Titel lautet: Mixed-Methods- Ansatz zur Evaluation der Reform der Psychotherapie- Richtlinie: ein Studienprotokoll
Danksagung
Unser Dank gilt der BARMER, dem AOK Bundesverband, dem Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (BKJPP), der Deutschen Psychotherapeuten Vereinigung (DPtV) und der Vereinigung Analytischer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten in Deutschland (VAKJP).
Funding Statement
Funding Information Innovationsfonds — 01VSF19006
Footnotes
Interessenkonflikt Dieter Best: Mitgliedschaft Deutsche Psychotherapeuten Vereinigung (DPtV), Christa Schaff: Mitgliedschaft Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in Deutschland e. V. (bkjpp); Helene Timmermann: Mitgliedschaft Vereinigung Analytischer Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten in Deutschland e.V. (VAKJP), Kathrin Klipker: Bis Ende März 2023 Beschäftigungsverhältnis beim AOK Bundesverband, Ursula Marschall: Beschäftigungsverhältnis bei der Barmer.
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