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. 2021 Aug 3;84(4):319–325. [Article in German] doi: 10.1055/a-1537-8933

Die COVID-19-Pandemie als Chance für Teletherapie? – Eine Umfrage bei Vertreter*innen von Gesundheitsfachberufen

The COVID-19 Pandemic as an Opportunity for Teletherapy? – A Survey of non-medical therapy professionals in the health sector

Birte Richter 1,, Ivonne Wattenberg 2, Anna-Lisa Vollmer 1, Claudia Hornberg 3, Britta Wrede 1, Rebecca Lätzsch 2
PMCID: PMC11248726  PMID: 34344047

Zusammenfassung

Ziel der Studie Ziel der Studie war die Bereitstellung von Ergebnissen zur Nutzung von Teletherapie während der Corona-Pandemie durch Vertreter*innen von drei Gesundheitsfachberufen.

Methoden Im Rahmen einer fragebogengestützten Online-Erhebung wurden 282 Beschäftigte der Ergotherapie, Physiotherapie und Sprachtherapie/Logopädie zu Nutzungsverhalten, Herausforderungen, Potentialen und Rahmenbedingungen von Teletherapie befragt.

Ergebnisse Insbesondere Ergotherapeut*innen und Logopäd*innen nutzen die Therapieform. Teletherapie bietet aus Sicht der Befragten auch unabhängig von der Corona-Pandemie Potenzial als alternative Therapieform. Allerdings ist der Bedarf an Unterstützungsangeboten und Schulungen im Bereich der Teletherapie groß.

Schlussfolgerung Für eine langfristige Etablierung der Therapieform sind neben technischen Anforderungen und Schulungsangeboten insbesondere Klärungen zu zukünftigen Abrechnungsformalitäten nötig.

Schlüsselwörter: Teletherapie, Covid-19, Heilmittelverordnung, Digitalisierung, Gesundheitsfachberufe

Einleitung

Die COVID-19-Pandemie hat die Verbreitung digitaler Dienste und Technologien im Alltag, aber auch im Gesundheitssystem erheblich beschleunigt, neue Formate und Kommunikationstechniken haben zusehends Therapieverläufe verändert. Mit Beginn der-Pandemie hat der GKV-Spitzenverband erstmals auch Therapeut*innen im Bereich der Physio-, Ergo- und Sprachtherapie/Logopädie eine temporär befristete Genehmigung zur Anwendung von Teletherapie bei bestimmten Krankheitsbildern gegeben, um die Therapie auch ohne die Anwesenheit der Patient*innen in der Praxis zu ermöglichen 1 . Bis heute wird Teletherapie häufig jedoch nur im Rahmen von Modellvorhaben umgesetzt, da die politischen und rechtlichen Weichenstellungen fehlen, um flächendeckende Konzepte etablieren zu können.

Unter Teletherapie, die zum Anwendungsbereich der Telemedizin gehört, wird die Durchführung von Therapien unter räumlicher Distanz verstanden, z. B. mittels Videokonsultation zwischen Patient*innen und Therapeut*innen 2 . Die Interaktion mit Patient*innen erfährt dabei eine grundlegende Veränderung, bietet allerdings auch neue Möglichkeiten der Leistungserbringung. 1 Der Einsatz von Teletherapie im Praxisalltag, u. a. durch Sprachtherapeut*innen/Logopäd*innen, Ergo- und Physiotherapeut*innen, war bereits Gegenstand einiger Studien. So wird die Therapieform beispielsweise bei Sprach- und Bewegungsübungen für Schlaganfallpatient*innen oder bei Bewegungsübungen für COPD-Patient*innen im Kontext der Rehabilitation angewendet 3 4 . 2 Erhebungen zur Akzeptanz und Wirksamkeit von Teletherapie als alternative Therapieform konnten belegen, dass sich die Therapieeffekte zwischen virtueller und realer Therapie gleichermaßen verbessern, dabei handelt es sich jedoch auch zumeist um Anwendungen im Bereich der Telerehabilitation 5 6 7 .

Eine erste Studie im Bereich der Logopädie hat sich mit dem Ist-Stand bei der Umsetzung von Teletherapie im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie auseinandergesetzt 8 . Zudem liefert eine qualitative Studie 9 erste Erkenntnisse zur Anwendung von Teletherapie bei verschiedenen Therapieberufen.

Ziel des vorliegenden interdisziplinären Forschungsprojektes war es, anhand einer quantitativen Erhebung den aktuellen Stand zur Nutzung von Teletherapie und den damit verbundenen Rahmenbedingungen bei verschiedenen Gesundheitsfachberufen (Sprachtherapeut*innen/ Logopäd*innen, Ergo- und Physiotherapeut*innen) zu erheben. Die übergeordneten Fragestellungen lauteten:

  • Wie ist das Nutzungsverhalten von Teletherapie in den Gesundheitsfachberufen?

  • Welche Rahmenbedingungen und Bedarfe sehen Therapeut*innen in Bezug auf die Therapieform und

  • Welche Vor- und Nachteile hat Teletherapie aus ihrer Sicht?

Methodik

Im Rahmen einer deutschlandweiten, nicht-repräsentativen Querschnittsstudie wurden Ergo-, Physio- und Sprachtherapeut*innen/Logopäd*innen zu Nutzungsverhalten, Einstellungen Rahmenbedingungen, Herausforderungen und Potenzialen von Teletherapie als alternative Therapieform während der COVID-19-Pandemie befragt. Die anonyme Befragung wurde mithilfe eines Online-Fragebogens von Mai bis Juni 2020 durchgeführt. Teilweise wurden Fragen aus der von der Bundesärztekammer beauftragten Repräsentativbefragung 10 in modifizierter Form verwendet.

Der Fragebogen ist in 9 Kategorien (soziodemografische Daten, Nutzungsverhalten und -häufigkeit, Abrechnung und Indikationen, Patient*innenklientel, technische Rahmenbedingungen, Vor- und Nachteile, Erwartungen zur Entwicklung und Verbesserungspotenziale) unterteilt und umfasst 63 Fragen. Für die Online-Datenerhebung wurde die Evaluationsplattform EvaSys genutzt; für die deskriptive Auswertung und die Erstellung der Grafiken rStudio. Für die Analysen des Zusammenhangs von Teletherapieangeboten mit den weiteren erhobenen Merkmalen wurde der Rangkorrelationskoeffizient nach Spearman sowie der Chi-Quadrat-Test mit dem Kontingenzkoeffizienten V nach Cramér für Nominalskalen berechnet. Die Rekrutierung der Teilnehmer*innen erfolgte über relevante Multiplikator*innen, u. a. Dozierende fachbezogener Studiengänge. Außerdem wurden die Vorsitzenden der Fachgesellschaften und Berufsverbände der drei Berufsgruppen auf Landes- und Bundesebene angeschrieben, die die Umfrage über ihre Verteiler und soziale Medien verbreiteten. Im Folgenden werden zentrale Ergebnisse der Online-Befragung vorgestellt.

Ergebnisse

Stichprobe

Insgesamt haben 287 Therapeut*innen an der Befragung teilgenommen. Fünf Datensätze wurden aufgrund unvollständiger Angaben nicht berücksichtigt. Von der resultierenden Stichprobe (n=282) gaben 74 Teilnehmer*innen an, als Physiotherapeut*in zu arbeiten. 173 Proband*innen sind Ergotherapeut*innen und 35 Teilnehmer*innen kommen aus dem Bereich der Logopädie/Sprachtherapie. Es haben 239 Therapeutinnen und 43 Therapeuten teilgenommen. 120 Proband*innen sind zwischen 20–39 Jahre alt, 140 Teilnehmer*innen zwischen 40–59 Jahre und 22 Therapeut*innen gaben an, über 59 Jahre alt zu sein.

Generelles Nutzungsverhalten

Die Mehrheit der Befragten (73%) gab an, dass sie zum Zeitpunkt der Befragung Teletherapie anbietet, das entspricht 83% der Logopäd*innen, 80% der Ergotherapeut*innen und 54% der Physiotherapeut*innen. Einen Überblick zum Nutzungsverhalten nach Berufsgruppen liefert Abb. 1 . Ein Chi-Quadrat-Test wurde zwischen der Berufsgruppe und dem Angebot von Teletherapie durchgeführt. Es gab einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen Berufsgruppe und Teletherapieangebot, χ²(1)=19,38, p<0,001, V=0,26. Der Anteil der Therapeut*innen, die Teletherapie anwenden, ist in der vorliegenden Stichprobe in der Gruppe der Physiotherapeut*innen geringer als bei den Ergo- und Sprachtherapeut*innen. Die Ergebnisse der Spearman-Korrelation zwischen Teletherapieangebot und Alter, Geschlecht, Berufserfahrung in Jahren und Praxisgröße zeigen in der vorliegenden Stichprobe keine signifikante Beziehung zwischen dem Teletherapieangebot und den erhobenen soziodemografischen Merkmalen auf (p>0,05). Es lassen sich anhand der vorliegenden Stichprobe keine Aussagen über den Zusammenhang zwischen dem Teletherapieangebot und den erhobenen soziodemografischen Merkmalen abbilden.

Abb. 1.

Abb. 1

Anwendung von Teletherapie nach Berufsgruppen (n=282).

Eine weitere Analyse der Korrelation zwischen Teletherapieangebot und der Zustimmung (1-”stimme überhaupt nicht zu”, 5-”stimme voll und ganz zu”) zu Aussagen zu den Vor- und Nachteilen von Teletherapie zeigt teilweise einen signifikanten, wenngleich schwachen Zusammenhang auf. Im Folgenden wird auf spezifisch ausgewählte Aspekte genauer eingegangen. Die stärkste Korrelation in den untersuchten Items zeigt sich zu der Einschätzung der Wirksamkeit von Teletherapie (“Eine Therapiewirkung kann auch mit Teletherapie erzielt werden.”; M=3,8, SD=1,1); N=278, r=0,40, p<0,001. Therapeut*innen, die Teletherapie anbieten, schätzen die Wirkung dabei höher ein.

Ein signifikanter negativer Zusammenhang zeigt sich in der Einschätzung zu den fehlenden physikalischen Unterstützungsmöglichkeiten (“Die Möglichkeit Patient*innen bei Teletherapie nicht anfassen/physisch unterstützen zu können, ist eine unüberwindbare Hürde.”; M=2,9, SD=1,4); N=253, r=− 38, p<0,001. Therapeut*innen, die Teletherapie nicht anbieten, schätzen die Hürde höher ein. Der erhobene Datensatz zeigt ebenfalls einen schwachen Zusammenhang zwischen Teletherapieangebot und der Einschätzung der Technikakzeptanz der Patient*innen. (“Patient*innen akzeptieren die nötige Technik nicht.”; M=2,6, SD=1,1); N=255, r=− 38, p<0,001. Therapeut*innen, die Teletherapie aktuell anbieten, schätzen die Technikakzeptanz der Patient*innen höher ein. Bei der Einschätzung zu der Technikakzeptanz von Therapeut*innen zeigt sich kein Zusammenhang zum Teletherapieangebot (“Therapeut*innen akzeptieren die nötige Technik nicht.”; M=2,0, SD=1,1); N =261, r=− 25, p<0,001. Fast alle Therapeut*innen bieten Teletherapie erst seit der COVID-19-Pandemie an (99%).

Zudem wurden die Teilnehmenden nach Gründen gefragt, warum sie sich gegen oder für die Anwendung von Teletherapie entschieden haben (Mehrfachnennungen möglich). Von den 68 Therapeut*innen, die keine Teletherapie anwenden, gaben 69% als Grund an, dass ihr Patient*innenklientel nicht geeignet sei, das Interesse der Patient*innen fehle (37%) oder die eigene Therapieform nicht passend sei (38%). Auch die fehlende technische Infrastruktur, war ein zentraler Grund-bei den Patient*innen (50%) wie auch in den Praxen (34%). Zusätzlich gab rund ein Fünftel der Befragten (22%) datenschutzrechtliche Bedenken an.

Des Weiteren gaben jeweils 16% der Befragten fehlendes Wissen zu den Möglichkeiten und Rahmenbedingungen sowie fehlende Unterstützung vllt besser: Unterstützungsleistungen? und Schulungen als Grund für die Nichtnutzung an. Für 16% der Befragten ist Teletherapie zu umständlich und 4% haben generell kein Interesse an Teletherapie und neuen Medien. Zweifel an der Wirksamkeit der Teletherapie gaben 24% der Befragten als Grund an und 9% wussten nicht, dass sie Teletherapie derzeit überhaupt anwenden können.

Tab. 1 zeigt ausgewählte Hinderungsgründe nach Berufsgruppen. Auffällig ist, dass von den befragten Logopäd*innen primär das unpassende Patient*innenklientel genannt wurde, bei den Ergotherapeut*innen im Unterschied hierzu auch eine größere Zahl der Befragten ihre Therapieform als unpassend beurteilte.

Tab. 1 Ausgewählte Hindernisse für die Nutzung von Teletherapie.

Ausgewählte Gründe gegen Teletherapie (Mehrfachantworten möglich) Anteil insgesamt (n=68) Physio-therapeut*innen Ergotherapeut*innen Sprachtherapeut*innen
Anzahl Anteil (von n=35) Anzahl Anteil (von n=31) Anzahl Anteil (von n=6)
Ich glaube nicht, dass Teletherapie wirksam ist. 24% 10 32% 6 19% 0 0%
Mein Patient*innenklientel passt nicht. 69% 18 58% 23 74% 6 100%
Meine Form der Therapie passt nicht. 38% 7 22% 18 58% 1 17%

Für 88% der 207 Therapeut*innen, die Teletherapie bereits anwenden, lag der Hauptgrund Teletherapie anzuwenden berufsgruppenübergreifend in der Reduzierung von Patient*innenkontakten und der Verringerung von Ansteckungsgefahren. Über die Hälfte der Befragten führte die Therapieform auf Wunsch der Patient*innen durch. Diese wünschten sich Teletherapie häufig aus Angst vor Ansteckung mit COVID-19 oder generell als Infektionsschutz. Zusätzlich gehörten die Patient*innen oder Personen aus ihrem Haushalt teilweise der Risikogruppe bezogen auf eine COVID-19-Erkrankung an. Den Therapieerfolg stuften 27% der Befragten gleichwertig oder besser als bei der Präsenztherapie ein, wobei der Anteil bei den Physiotherapeut*innen am höchsten ist ( Tab. 2 ).

Tab. 2 Ausgewählte Gründe für die Nutzung von Teletherapie.

Ausgewählte Gründe für Teletherapie (Mehrfachantworten möglich) Anteil insgesamt (n=68) Physiotherapeut*innen Ergotherapeut*innen Sprachtherapeut*innen
Anzahl Anteil (von n=40) Anzahl Anteil (von n=138) Anzahl Anteil (von n=6)
Gleichwertiger/besserer Therapieerfolg als bei Präsenztherapie 27% 12 30% 36 26% 7 24%
Patient*innenkontakte reduzieren/ Ansteckungsgefahr verringern 88% 37 92% 119 86% 27 93%
Auf Wunsch der Patient*innen 56% 20 50% 80 58% 16 55%

Die Möglichkeit, Therapiezeiten besser einhalten zu können, sprach bei 34% der Therapeut*innen für die alternative Therapieform. Jeweils etwa ein Viertel der Befragten gab an, dass sie einer teletherapeutischen Behandlung einen gleichwertigen oder sogar besseren Therapieerfolg zuschreiben und nannten zudem finanzielle Aspekte als Argumente. Weitere Gründe, die für Teletherapie sprachen, waren ein Mangel an vorhandener Schutzkleidung (17%) und die Reduzierung von Fahrtzeiten (12%).

Hauptsächlich findet Teletherapie bei den Befragten in einer direkten Eins-zu-eins-Kommunikation statt. Fast alle Teletherapie anwendenden Therapeut*innen nutzen diese für Einzelsitzungen (99%), wohingegen Gruppensitzungen nur von 4% der Befragten durchgeführt werden. Teletherapie wird aber nicht nur zur synchronen Kommunikation genutzt: 27% der Befragten nutzen zudem Übungsvideos, in denen Therapeut*innen Übungen zeigen. Kontrollvideos mit Aufzeichnungen von den Patient*innen werden von 9% der befragten Therapeut*innen verwendet.

Technische Rahmenbedingungen

Von den 214 Therapeut*innen, die Teletherapie bereits anbieten oder dies planen, berichten 71% von einer angemessenen technischen Ausstattung in ihren Praxen und 12%, dass Investitionen für neue Hardware (z. B. Headsets, Webcams) notwendig waren. Auch war häufig eine Optimierung der Internetverbindung erforderlich. Ebenfalls entstanden Kosten für digitales Therapiematerial und Personalschulungen. 23% der Therapeut*innen schätzen, dass sie für Teletherapie auch zukünftig in technische Rahmenbedingungen investieren müssen.

Als Plattform für Teletherapie werden Web-Konferenzdienste sowie spezielle Programme für Teletherapie verwendet ( Abb. 2 ). Auffällig ist, dass trotz der vorherrschenden Nutzung eines Programms (sprechstunde.online) auch verschiedene kommerzielle Web-Konferenzdienste verwendet werden. Dies liegt daran, dass die Auswahl der Plattform sich auch nach den Wünschen der Patient*innen richtet, die vor allem Erfahrungen mit Web-Konferenzdiensten haben. Eine Gewährleistung der erforderlichen Datensicherheit für sensible Patient*inneninformationen ist bei diesen Diensten allerdings nicht gegeben. 80% der Therapeut*innen gaben an, dass die von ihnen genutzte Plattform derzeit kostenlos sei. Bei 17% der Befragten ist der genutzte Dienst auch dauerhaft kostenlos. 7% der Befragten zahlen für ihren Dienst in Form eines Software-Abonnements.

Abb. 2.

Abb. 2

Verwendete Plattformen für Teletherapie.

Erwartungen über die generelle Entwicklung von Teletherapie und Verbesserungspotenziale

Die Therapeut*innen wurden zur zukünftigen Bedeutung der Teletherapie befragt ( Abb. 3 ). 89% der Logopäd*innen, 70% der Ergotherapeut*innen und 58% der Physiotherapeut*innen sind der Meinung, dass Teletherapie im Gesundheitswesen generell an Bedeutung gewinnen wird. Bezogen auf die eigene Praxis sind immer noch 70% der Logopäd*innen, 51% der Ergotherapeut*innen und 34% der Physiotherapeut*innen davon überzeugt, dass die Bedeutung in der eigenen Praxis zunehmen wird.

Abb. 3.

Abb. 3

Beurteilung der zukünftigen Bedeutung und des Potenzials der Teletherapie. (Aufgrund von Rundungen in den Daten kann die Summe der Antworten von 100% abweichen.)

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie sind 91% der Logopäd*innen, 79% der Ergotherapeut*innen und 68% der Physiotherapeut*innen der Meinung, dass der Einsatz von Teletherapie eher Vorteile hat. Auch bezogen auf die Zeit nach der Pandemie überwiegen für 74% der Logopäd*innen, 51% der Ergotherapeut*innen und 34% der Physiotherapeut*innen eher die Vorteile (u. a. Schutz vor anderen Infektionserkrankungen). Obwohl 88% der Therapeut*innen als Grund für die Teletherapie Schutz vor COVID-19- und anderen Infektionen angeben, sehen insbesondere die Therapeut*innen aus der Logopädie und Ergotherapie einen langfristigen Nutzen.

Auch wenn die Mehrheit der befragten Therapeut*innen Teletherapie bereits anbietet und viele Befragte eher Vorteile beim Einsatz sehen, ist der Bedarf an zusätzlichen Informationen, Hilfestellungen und Schulungen groß. Die Hälfte der Befragten wünscht sich Einweisungen in datenschutzrechtliche Fragen, 46% haben Bedarf an generellen technische Schulungen und 41% wünschen sich Informationen zum Umgang mit Teletherapie, z. B. Herstellung einer guten Behandlungsumgebung.

Von 41 Therapeut*innen wurden zudem im offenen Bereich des Fragebogens angemerkt, dass sie sich eine Verlängerung der Abrechnungsmöglichkeit wünschen, sowie die Möglichkeit, Teletherapie als Ergänzung anbieten zu dürfen.

Diskussion

Die Befragung hat gezeigt, dass gerade in der besonderen Pandemie-Situation Teletherapie von vielen Therapeut*innen positiv gesehen wird. Als alternative Therapieform bietet sie während der Pandemie eine Möglichkeit, mit unterschiedlichen Patient*innengruppen in Kontakt zu bleiben, Therapiemaßnahmen fortzusetzen und gleichzeitig auf Bedenken oder Ängste der Patient*innen vor Ansteckungen einzugehen.

Die Mehrheit der Befragten wendet Teletherapie bereits an, wobei in der alternativen Therapieform diverse Chancen wie auch Risiken für die Versorgungspraxis gesehen werden-auch unabhängig von der Pandemie. Sie ermöglicht die Weiterführung therapeutischer Maßnahmen für Menschen, die nicht mobil sind oder entfernt von Angeboten leben und steigert so die räumliche, aber auch die zeitliche Flexibilität, ein Aspekt, der auch in ersten Studien im Bereich der Telesprachtherapie untersucht wurde 7 11 . Teletherapie ist in der untersuchten Stichprobe aktuell weder für Therapeut*innen noch für Patient*innen mit hohen Kosten verbunden, auch wenn für die Umstellung teilweise in technische Infrastruktur und die Digitalisierung von analogen Materialien investiert werden musste. Zudem erhöht sich der Kontakt zu Angehörigen der therapierten Patient*innen, die wegen der technischen Unterstützung zeitweise präsent sind. Vereinzelt wurde auch von einer verbesserten Compliance der Patient*innen berichtet.

In der untersuchten Stichprobe wendet ein größerer Anteil der Ergo- und Sprachtherapeut*innen Teletherapie an. Der Anteil der Physiotherapeut*innen fällt geringer aus. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Erwartung über die generelle Entwicklung der Therapieform. Ein Grund hierfür könnte in der besseren Passung der Teletherapie für die berufsspezifischen Therapieformen in den erstgenannten Therapieberufen liegen. Im Bereich der Physiotherapie wurde häufiger einschränkend ergänzt, dass die fehlende Möglichkeit der physikalischen Unterstützung die Wirksamkeit der Therapie erschwert.

Eine hohe Akzeptanz gegenüber Teletherapie, wie auch die Ergebnisse dieser Studie zeigen, wird in der Logopädie gesehen. In einer Studie wurde die Effektivität der Teletherapie vergleichbar oder sogar höher als die der Präsenztherapie eingeschätzt und auch die Motivation der Patient*innen für die Therapieform wird als vergleichbar eingestuft 8 . Weitergehende konkrete Aussagen zu den Anforderungen oder Einsatzmöglichkeiten von Teletherapie nach Berufsform, lassen sich bei der vorliegenden Erhebung aufgrund der Limitationen bezogen auf die Größe der Substichproben leider nicht abbilden. Auch Aussagen nach Alter und Geschlecht sind nicht ersichtlich. Zusätzlich zeigt sich ein Bias dahingehend, dass die Mehrzahl der Befragten das Angebot bereits nutzt und die Bewertung der Therapieform dadurch verzerrt ist. Obwohl es sich hier nicht um eine repräsentative Umfrage handelt, ergibt sich aus den Ergebnissen weiterer Forschungsbedarf.

Ausblick

Trotz der positiven Erfahrungsberichte zur Anwendung von Teletherapie in der COVID-19-Pandemie, muss festgehalten werden, dass es sich derzeit lediglich um Insellösungen handelt und eine einheitliche Implementierung in den Versorgungsalltag fehlt. Insgesamt bedarf es derzeit auch an repräsentativen Forschungsdaten zu unterschiedlichen Krankheitsbildern und Patient*innengruppen, bei denen Teletherapie während der COVID-Pandemie angewendet wurde und wird und an detaillierten Erkenntnissen zu möglichen Anreizen mit Blick auf eine Akzeptanzsteigerung oder Fördermöglichkeiten der Teletherapie. Die vorliegende Erhebung zeigt zudem, dass bei der Hälfte der Therapeut*innen der Bedarf an Schulungen und zusätzlichen Informationen zum Thema Teletherapie gegeben ist. Zusätzlich sollten Weiterbildungsmöglichkeiten im Bereich Technikkompetenz und Datenschutzgrundlagen etabliert werden und Konzepte hierfür entwickelt werden.

Für den Bereich der Physio-, Ergo- und Sprachtherapie/Logopädie sind größer angelegte Studien von Bedarf, um die Möglichkeiten, Rahmenbedingungen und Schulungsbedarfe noch ausdifferenzierter einschätzen zu können und als Basis für die Entwicklung von Technikkonzepten und Konzepten zu virtuellen Behandlungsformen nutzen zu können.Ebenfalls sollten die Probleme für die verschiedenen Berufsgruppen näher beleuchtet werden. Eine physische Unterstützung der*s Patient*in, die besonders in der Physiotherapie relevant ist, sowie ein direktes Eingreifen ist nicht möglich. Das übertragene Video der*s Patient*in in zeigt nur einen kleinen Ausschnitt des sonst Wahrnehmbaren, was zum Beispiel das Erkennen von Fehlhaltungen erschwert. Möglichkeiten die fehlende physikalische Unterstützung und die eingeschränkten Interaktionsmöglichkeiten zu verbessern, bieten hier zusätzliche Sensorik (z. B. körpernahe Sensoren und Smart-Home-Sensoren für Kontextinformationen) und neue robotische Therapiesysteme 12 13 .

Die Politik reagierte kürzlich auf die Entwicklung im Gesundheitswesen mit der Beschließung des Digitale-Versorgung-Gesetzes-DVG 14 . Aktuell sorgen die zeitlich begrenzte Abrechnungsmöglichkeit für die Erbringung von Teletherapieleistungen und die fehlenden politischen und rechtlichen Weichenstellungen bei Therapeut*innen jedoch für Unsicherheiten. Der Kosten-Nutzen-Abwägung im Hinblick auf finanzielle und zeitliche Investitionen steht eine begrenzte Nutzungsdauer entgegen. Viele der befragten Therapeut*innen wünschen sich eine Verstetigung der Teletherapie, als Ergänzung zur Präsenztherapie. Um flächendeckende Konzepte etablieren zu können, müssen entsprechende politische und rechtliche Rahmenbedingungen gefestigt werden.

Die vorliegende und die zitierten Studien zeigen den Mehrwert der Therapieform jedoch deutlich auf.

Fazit für die Praxis

Die Studie zeigt eine erste Tendenz, dass die Vertreter*innen der drei befragten Gesundheitsfachberufe in der Teletherapie Vorteile und Potenzial als ergänzende Therapieform sehen, auch unabhängig von der Pandemie-Situation. Für eine langfristige Etablierung sollten neben den technischen Anforderungen auch Schulungsangebote geschaffen und eHealth - Ausbildungsinhalt aller Gesundheitsfachberufe werden. Zudem bedarf es weiterer interdisziplinärer Forschung und Konzeptbildung in Hinblick auf die weitere technische Entwicklung sowie die therapeutischen Umsetzungsmöglichkeiten. Insbesondere ist eine Klärung zur zukünftigen Finanzierung und zu Abrechnungsmöglichkeiten der Teletherapie unerlässlich.

Danksagung

Ein herzlicher Dank gilt den Fachgesellschaften und Berufsverbänden sowie weiteren Multiplikator*innen der Gesundheitsfachberufe, die unser Anliegen an ihre Mitglieder weitergeleitet haben.

Footnotes

Interessenkonflikt Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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