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. 2022 Mar 7;85(5):462–470. [Article in German] doi: 10.1055/a-1749-5591

Die Umsetzung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in die vertragsärztliche Kollektivversorgung und in die privatärztliche ambulante Versorgung

Reimbursement for New Examination and Treatment Methods of Outpatients: Comparison of Statutory Health and Private Medical Insurance

Anke Walendzik 1,, Carina Abels 2, Jürgen Wasem 2
PMCID: PMC11248752  PMID: 35255514

Abstract

Aim of the study The aim of the study was to compare the timeliness of reimbursement for new examination and treatment methods in outpatient care in the social (SHI) and private insurance system (PHI) in Germany.

Methodology For the reimbursement in the SHI system, the decisions and further documentation of the Joint Federal Committee and the evaluation committee could be used. For the reimbursement in the PHI system, for example, the resolutions of the Central Consultation Committee for Fee Schedule Questions and those of the Fee Schedule Committee, but also evaluations of the North Rhine Medical Association and a working group of the German Association of PHI were used. Included were medical methods finally assessed for use in outpatient medical care by the Joint Federal Committee between 2010 and 2019.

Results A total of 17 individual resolutions, two series of resolutions consisting of several individual resolutions, and regulations concerning companion diagnostics were included. The time intervals between the start of the procedure and the introduction of the new method into the SHI system varied widely (14 to 216 months). At the same time, the study showed that for the majority of the methods, reimbursement in PHI was possible earlier than in SHI. Furthermore, five methods showed a potential limitation of reimbursement in PHI dependent on individual insurance contracts, but in two cases also reimbursement by PHI for services later assessed as without benefit by SHI.

Conclusion Medical procedures based on the included new methods in most cases were reimbursed in the PHI earlier than in the SHI system. However, this also implies a risk of reimbursing services that are subsequently assessed by the Joint Federal Committee as having no medical benefit. If the joint federal committee assessment is used as a benchmark, this could lead to a reduction in the cost-effectiveness of care and, in individual cases, to patient harm due to overuse or misuse of care. Thus, there is a conflict between early access to new examination and treatment methods (especially in the case of very long Joint Federal Committee procedures) and (cost) effectiveness and assurance of the quality of care.

Key words: New examination and treatment methods SHI benefits catalog, reimbursement, outpatient care, PHI benefits catalog

Hintergrund

In der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung gilt das Prinzip des „Verbots mit Erlaubnisvorbehalt“. Der Vertragsarzt darf neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nur erbringen und abrechnen, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) sie nach einer Untersuchung ihres Nutzens, ihrer medizinischen Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit formal gestattet hat und sie in das vertragsärztliche Gebührenverzeichnis, den Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM), aufgenommen wurden. Zudem gibt der G-BA in diesem Zusammenhang Empfehlungen über die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung. In der privatärztlichen Versorgung können nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden über so genannten Analogziffern erbracht werden. Hierzu gibt die Bundesärztekammer als Empfehlung ein Verzeichnis der analogen Bewertungen heraus, das einen Teil analog abrechenbarer Leistungen enthält. Praktisch relevant ist es jedoch, inwieweit die entsprechenden Leistungen über die Private Krankenversicherung (PKV) und die Beihilfe abgerechnet werden können.

Während die Verfahrensdauer bis zur Erbringbarkeit in der vertragsärztlichen Versorgung teilweise als sehr lang angesehen wird, gibt es gegenüber der privatärztlichen Versorgung kritische Stimmen in Bezug auf die Verwendung von noch nicht auf ihre Evidenz überprüfte neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Bislang wurde noch nicht empirisch überprüft, wie hoch einerseits der Time-Lag zwischen dem Zeitpunkt des Beginns der regulären ambulanten Erbringbarkeit neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in vertrags- und privatärztlicher Versorgung ist und wie häufig andererseits tatsächlich vom G-BA nachträglich abgelehnte Methoden in der privatärztlichen Versorgung erbracht werden können.

Studienziel

Aufbauend auf einer Analyse der Beschlüsse des G-BA der letzten 10 Jahre (01.01.2010 bis 31.12.2019) zur Aufnahme neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in die vertragsärztliche Versorgung war das Ziel der Studie, folgende Fragen zu beantworten:

  1. Wie war die Dauer der Verfahren bis zu einer endgültigen positiven oder negativen Entscheidung des G-BA bzgl. der Aufnahme in den vertragsärztlichen Leistungskatalog und bis zur Entscheidung über die Vergütung in der vertragsärztlichen Versorgung?

  2. Seit wann sind Leistungen entsprechend diesen Verfahren im Rahmen der Analogbewertung nach GOÄ erbringbar, und zu welchem Anteil handelt es sich um vom G-BA positiv oder negativ bewertete Methoden?

  3. Welche Indikationsbeschränkungen sind im Falle einer positiven Entscheidung des G-BA in seiner Richtlinie festgelegt, und gibt es vergleichbare Einschränkungen im Zusammenhang der Empfehlungen zur Analogziffer?

Methodik

Grundlage der Untersuchung war die Analyse und Dokumentation des Weges der eingeschlossenen NUB in die jeweiligen Vergütungssysteme. Methodisch arbeitet diese Studie im Wesentlichen mit einer Dokumentenanalyse. Darauf aufbauend wurden die Ergebnisse hinsichtlich der Unterschiede zwischen den Gebührenordnungs- und Erstattungssystemen zusammengefasst und gewürdigt. Für den Bereich der privatärztlichen Leistungserbringung und Erstattung wurde der Sachverstand von Vertretern der Bundesärztekammer (BÄK), der Ärztekammer Nordrhein und der privaten Krankenversicherungsunternehmen eingebunden.

Abgrenzung des Untersuchungsgegenstands

Der Zugang zu neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) setzt eine explizite Empfehlung des G-BA in Gestalt von Richtlinien voraus. Genaue Vorgaben werden in § 135 Abs. 1 SGB V formuliert. Neben der Überprüfung der Einführung entsprechender neuer Methoden ist auch eine Überprüfung und ggfs. ein Leistungsausschluss bei in der Vergangenheit schon durch die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) finanzierten Leistungen möglich.

Die Richtlinienentscheidungen des G-BA wurden in die Untersuchung einbezogen, wenn sie die vertragsärztliche Versorgung betrafen. Dabei wurden sowohl Ein- als auch Ausschlüsse von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden berücksichtigt. Andere ambulante Versorgungsformen wurden nicht analysiert. War ein Antrag zurückgezogen worden, wurde die Methode ebenfalls nicht in die Analyse einbezogen.

Die Richtlinien zur Früherkennung von Erkrankungen ebenso wie Anpassungen der Impfrichtlinie wurden nicht berücksichtigt. Im Untersuchungszeitraum verblieben Entscheidungen im Bereich der

  • Richtlinien über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung (Mutterschafts-Richtlinien), soweit keine Früherkennungsleistungen

  • Richtlinie über die Durchführung der Psychotherapie (Psychotherapie-Richtlinie)

  • Richtlinie zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung), früher BUB-Richtlinie

  • Richtlinie zur Empfängnisverhütung und zum Schwangerschaftsabbruch

  • Richtlinie über die Verordnung von Arzneimitteln 8in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinie).

Die Arzneimittel-Richtlinie wurde im Zusammenhang der Studie aber nur dann einbezogen, wenn der Einsatz von Companion Diagnostics Voraussetzung für den Einsatz eines Arzneimittels war und insofern dessen Erstattung in der vertragsärztlichen Versorgung relevant war. Folgende Methoden, Leistungen und Beschlüsse wurden darüber hinaus nicht berücksichtigt:

  • (neue) Leistungen, die nicht einer neuen Methode zuzuordnen sind und somit nicht der Bewertung des G-BA unterliegen.

  • Beschlüsse zu Erprobungsrichtlinien für NUB (§ 13e SGB V)

  • Beschlüsse, die ausschließlich Anpassungen der Qualitätsvoraussetzungen schon bestehender Leistungen oder geringfügigere Änderungen der Anzahl der zu vergütenden Leistungen oder die Ergänzung einer Erbringungsform betreffen.

  • Einzelne neue Leistungen, auch wenn sie als neue NUB verstanden werden könnten, die zusätzlich über Vorgaben des Gesetzgebers in die vertragsärztliche Versorgung gelangen, so z. B. die Regelungen zu telemedizinischen Leistungen wie zur Videosprechstunde in § 87 Abs. 2a SGB V.

  • NUB, die nicht ausdrücklich durch den G-BA aus der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen sind und im Rahmen von Selektivverträgen erbracht werden.

Veränderungen der Leistungsstruktur wie die Strukturreform der ambulanten Psychotherapie 1 werden deshalb in der Untersuchung nicht behandelt, weil hier schwer Vergleichbarkeit zwischen den Vergütungsordnungen herzustellen ist.

Empirische Grundlage/Dokumentenanalyse

Im Rahmen der Erstattung im GKV-System konnte auf die Beschlüsse und weitergehende Dokumentation (z. B. tragende Gründe, IQWIG-Nutzenbewertung) des G-BA und des Bewertungsausschusses zurückgegriffen werden, welche für alle eingeschlossenen Methoden und Verfahren nahezu vollständig öffentlich zugänglich sind 2 3 4 .

Zur Identifizierung von durch Veränderungen des Laborkapitels des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) im Untersuchungszeitraum entstandenen Erstattungsverzögerungen wurden sowohl die entsprechenden Beschlüsse des Bewertungsausschusses als auch eine Expertise des Bundesverbands Deutscher Pathologen e.V. herangezogen 5 .

Die Datenlage bzgl. der Abrechnungsmöglichkeiten über Analog-Ziffern der GOÄ und der Kostenerstattung über die PKV-Unternehmen ist hingegen für den öffentlichen Zugang begrenzt. Zusätzlich kann der vertragliche Leistungsumfang zwischen PKV-Unternehmen und Versicherten unterschiedlich sein. Entsprechend ist die Erstattung von Leistungen durch die PKV grundsätzlich erst einmal vom im Versicherungsvertrag vereinbarten Leistungsumfang abhängig. Unterschiede in der Erstattung bestehen insbesondere bei psychotherapeutischen Leistungen und im Bereich der Hilfsmittel. Zunächst wurden hier alle öffentlich zugänglichen Dokumente bezüglich der Umsetzung in die GOÄ der eingeschlossenen NUB ausgewertet. Dabei handelt es sich um Dokumente in Gestalt von Kommentaren zur Einschätzung der Abrechnungsfähigkeit von Leistungen. Herangezogen werden konnten bspw. die Beschlüsse des Zentralen Konsultationsausschusses für Gebührenordnungsfragen bei der BÄK oder die Beschlüsse des Ausschusses „Gebührenordnung“, welche jedoch ausschließlich Empfehlungen darstellen und keinen rechtsverbindlichen Charakter haben. Zusammengefasst sind die Analogpositionen im Analogverzeichnis der BÄK 6 . Die Autoren des Verzeichnisses weisen explizit darauf hin, dass es sich nicht um eine abschließende Zusammenfassung handelt. Auch das PKV-System bezieht sich in den Musterbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (MB/KK §1 Abs. 2) auf medizinische notwendige Behandlungen 7 innerhalb des vertraglich vereinbarten Leistungsumfangs und hat insofern einen parallelen Blick auf die Vergütung von NUB 8 .

Da aber nur für einen Teil der behandelten NUB ausreichende Daten in Bezug auf die PKV generiert werden konnten, wurden in einem zweiten Schritt relevante Stakeholder gebeten, weitere Informationen zur Verfügung zu stellen. Aus der Perspektive der Ärzteschaft wurde seitens der Ärztekammer Nordrhein eigens eine gebührenrechtliche Beurteilung zur Umsetzung der untersuchten NUB erstellt und für die vorliegende Untersuchung bereitgestellt 9 . Weiterhin wurde die Expertise des GOÄ-Arbeitskreises des PKV-Verbandes eingeholt.

Die Leistungen im Rahmen der einzelnen Methoden wurden außerdem auf besonders relevante tarifabhängige Erstattungsunterschiede in der PKV untersucht. Zusätzliche seltenere tarifindividuelle Unterschiede wurden dabei nicht gesondert betrachtet.

Ergebnisse

Eingeschlossene Methoden

Es wurden 17 Einzelbeschlüsse aus dem Bereich Methoden vertragsärztliche Versorgung und der Psychotherapie identifiziert. Des Weiteren wurden im Rahmen der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung zwei aus mehreren Einzelbeschlüssen bestehende Beschlussreihen (nichtmedikamentöse lokale Verfahren zur Behandlung des benignen Prostatasyndroms sowie Positronenemissionstomographie (PET)/Computertomographie (CT)) eingeschlossen. Alle eingeschlossenen Beschlüsse finden sich in Tab. 1 .

Tab. 1 eingeschlossene Methoden.

Methode
Einzelbeschlüsse
Diamorphingestützte Substitutionsbehandlung Opiatabhängiger
Asynchrone Photosoletherapie im Vollbad
Kapselendoskopie bei Blutungen des Dünndarms
Neuropsychologische Therapie
Osteodensitometrie bei Osteoporose
EMDR bei Erwachsenen mit Posttraumatischen Belastungsstörungen und Umstrukturierung der Anlage 1
Arthroskopie des Kniegelenks bei Gonarthrose
Kontinuierliche interstitielle Glukosemessung mit Real-​Time-Messgeräten (rtCGM) zur Therapiesteuerung bei insulinpflichtigem Diabetes mellitus
Hyperbare Sauerstofftherapie bei diabetischem Fußsyndrom
Messung der myokardialen fraktionellen Flussreserve bei koronarer Herzkrankheit
Extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) beim Fersenschmerz
UV-Vernetzung mit Riboflavin bei Keratokonus
Tonsillotomie bei Hyperplasie der Tonsillen und bei rezidivierender akuter Tonsillitis
Optische Kohärenztomographie (OCT) zur Diagnostik und Therapiesteuerung der neovaskulären altersbedingten Makuladegeneration (nAMD) und des Makulaödems im Rahmen der diabetischen Retinopathie (DMÖ)
Häuslicher Einsatz von motorbetriebenen Bewegungsschienen (CPM) nach Interventionen am Kniegelenk und am Schultergelenk
Liposuktion bei Lipödem (zusätzlich: Liposuktion bei Lipödem im Stadium III)
Vakuumversiegelungstherapie von Wunden
Beschlussreihen
Nicht medikamentöse, lokale Verfahren zur Behandlung des benignen Prostatasyndroms (BPS)
Ablation der Prostata mittels Thulium-Laser (TmLAP) und Enukleation der Prostata mittels Thulium-Laser (TmLEP) zur Behandlung des benignen Prostatasyndroms
Thulium-Laserresektion (TmLRP) zur Behandlung des benignen Prostatasyndroms
Thulium-Laserenuklation (TmLEP) zur Behandlung des benignen Prostatasyndroms (BPS)
Photoselektive Vaporisation (PVP) zur Behandlung des benignen Prostatasyndroms (BPS)
Positronenemissionstomographie (PET und PET/CT) bei malignen Lymphomen
Positronenemissionstomographie (PET)/Computertomographie (CT) bei Kopf-​Hals-Tumoren
Positronenemissionstomographie (PET); PET/Computertomographie (CT) bei malignen Lymphomen bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen
Positronenemissionstomographie (PET); Computertomographie (CT) zum Interim-​Staging bei fortgeschrittenen Hodgkin-​Lymphomen
Positronenemissionstomographie (PET); PET/Computertomographie (CT) zum initialen Staging bei Hodgkin-​Lymphomen
Positronenemissionstomographie (PET); PET/Computertomographie (CT) zum initialen Staging bei aggressiven Non-​Hodgkin-Lymphomen
Biomarkerbasierte Tests zur Entscheidung für oder gegen eine adjuvante Chemotherapie bei primärem Mammakarzinom

Quelle: 2 , eigene Darstellung.

Im Untersuchungszeitraum hatten 47 Arzneimittel, deren Einsatz laut Label der Europäischen Arzneimittelagentur EMA einen diagnostischen Test mit einem Companion Diagnostics voraussetzt, einen Marktzutritt in Deutschland.

Entscheidung und Dauer der Verfahren im GKV-System

Nur in einem der 17 Einzelbeschlüsse erfolgte ein kompletter Ausschluss aus der vertragsärztlichen Versorgung, bei einem weiteren wurde für eine Teilindikation ein Erprobungsverfahren eingeleitet. Auch bei den Beschlussreihen gab es jeweils differenzierte Entscheidungen zu einzelnen dort behandelten Methoden bzw. Teilindikationen. So wurden einige Methoden im Bereich der Behandlung des Benignen Prostatasyndroms aus der GKV-Erstattung ausgeschlossen. Bei Einschluss von Methoden wurde in mehreren Fällen nur die Anwendung in enger gefasste Indikationen positiv beschieden, so z. B. im Falle der Osteodensitometrie bei Osteoporose.

Einen Überblick über die Verfahrensdauern in G-BA und Bewertungsausschuss liefert Tab. 2 .

Tab. 2 Dauer der Verfahren von G-BA-Antrag bis EBM-GOP.

Methode Antrags-datum/Beratungsbeginn Datum Inkrafttreten Dauer G-BA Verfahren von Antrag bis Datum Inkrafttreten in Monaten Datum Inkrafttreten Beschluss Bewertungsausschuss Dauer in Monaten von Inkrafttreten Beschluss G-BA bis Inkrafttreten Beschluss Bewertungsausschuss Verfahrensdauer insgesamt in Monaten
Diamorphingestützte Substitutionsbehandlung Opiatabhängiger 16.07.2009 12.06.2010 10 01.10.2010 4 14
Asynchrone Photosoletherapie im Vollbad 04.06.2009 24.07.2010 14 01.10.2010 2 16
Kapselendoskopie bei Blutungen des Dünndarms 25.05.2007 02.02.2011 44 01.07.2014 41 85
Nicht medikamentöse, lokale Verfahren zur Behandlung des benignen Prostatasyndroms (BPS) 27.09.2001 21.07.2011 118 01.04.2016 56 174
Positronenemissionstomographie (PET und PET/CT) bei malignen Lymphomen 14.03.2003 22.12.2011 106 01.01.2016 48 154
Ablation der Prostata mittels Thulium-Laser (TmLAP) und Enukleation der Prostata mittels Thulium-Laser (TmLEP) zur Behandlung des benignen Prostatasyndroms 27.09.2001 09.02.2012 124 Kein Beschluss notwendig 124
Neuropsychologische Therapie 01.07.2003 24.02.2012 104 01.01.2013 10 114
Osteodensitometrie bei Osteoporose 23.02.2006 11.05.2013 86 01.01.2014 8 94
EMDR bei Erwachsenen mit Posttraumatischen Belastungsstörungen und Umstrukturierung der Anlage 1 27.01.2011 03.01.2015 47 kein Beschluss notwendig 47
Arthroskopie des Kniegelenks bei Gonarthrose 20.10.2010 01.04.2016 65 01.04.2016 0 65
Kontinuierliche interstitielle Glukosemessung mit Real-​Time-Messgeräten (rtCGM) zur Therapiesteuerung bei insulinpflichtigem Diabetes mellitus 14.07.2011 07.09.2016 62 01.04.2017 7 69
Positronenemissionstomographie (PET)/Computertomographie (CT) bei Kopf-​Hals-Tumoren 14.03.2003 07.06.2017 171 Kein Beschluss notwendig 171
Thulium-Laserresektion (TmLRP) zur Behandlung des benignen Prostatasyndroms 27.09.2001 30.08.2017 191 01.04.2018 7 198
Hyperbare Sauerstofftherapie bei diabetischem Fußsyndrom 25.09.2013 11.01.2018 51 01.10.2018 9 60
Messung der myokardialen fraktionellen Flussreserve bei koronarer Herzkrankheit 13.07.2015 31.01.2018 31 01.10.2018 8 39
Thulium-Laserenuklation (TmLEP) zur Behandlung des benignen Prostatasyndroms (BPS) 27.09.2001 12.05.2018 199 01.10.2018 5 204
Photoselektive Vaporisation (PVP) zur Behandlung des benignen Prostatasyndroms (BPS) 27.09.2001 12.05.2018 199 01.10.2018 5 204
Extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) beim Fersenschmerz 25.09.2014 26.07.2018 46 01.01.2019 5 51
Positronenemissionstomographie (PET); PET/Computertomographie (CT) bei malignen Lymphomen bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen 14.03.2003 08.08.2018 185 kein Beschluss notwendig 185
Positronenemissionstomographie (PET); Computertomographie (CT) zum Interim-​Staging bei fortgeschrittenen Hodgkin-​Lymphomen 14.03.2003 08.08.2018 185 kein Beschluss notwendig 185
UV-Vernetzung mit Riboflavin bei Keratokonus 03.02.2011 12.10.2018 92 01.04.2019 6 98
Tonsillotomie bei Hyperplasie der Tonsillen und bei rezidivierender akuter Tonsillitis 03.09.2015 14.12.2018 39 01.07.2019 7 46
Positronenemissionstomographie (PET); PET/Computertomographie (CT) zum initialen Staging bei Hodgkin-​Lymphomen 14.03.2003 17.01.2019 191 kein Beschluss notwendig 191
Optische Kohärenztomographie (OCT) zur Diagnostik und Therapiesteuerung der neovaskulären altersbedingten Makuladegeneration (nAMD) und des Makulaödems im Rahmen der diabetischen Retinopathie (DMÖ) 03.03.2015 23.03.2019 49 01.10.2019 6 55
Biomarkerbasierte Tests zur Entscheidung für oder gegen eine adjuvante Chemotherapie bei primärem Mammakarzinom 05.07.2011* 23.08.2019 98 01.01.2020 4 102
Häuslicher Einsatz von motorbetriebenen Bewegungsschienen (CPM) nach Interventionen am Kniegelenk und am Schultergelenk 19.05.2016 05.09.2019 39 Beschluss nicht notwendig 39
Liposuktion bei Lipödem (zusätzlich: Liposuktion bei Lipödem im Stadium III) 20.03.2014 07.12.2019 68 01.01.2020 1 69
Vakuumversiegelungstherapie von Wunden 14.03.2002 12.03.2020 216 01.10.2020 7 216
Positronenemissionstomographie (PET); PET/Computertomographie (CT) zum initialen Staging bei aggressiven Non-​Hodgkin-Lymphomen 14.03.2003 21.03.2020 205 kein Beschluss notwendig 205

Quelle: 2 10 ; * hier wurde der Verfahrensbeginn für die ersten Tests verwendet, für die ein Antrag in der Indikation gestellt wurde. Der letztlich erfolgreiche Antrag auf Aufnahme des Oncotype DX in die vertragsärztliche Versorgung wurde erst am 2.10.2013 gestellt.

Die Dauer der Verfahren war sehr unterschiedlich: Bei der auf gesetzlichen Auftrag aufgenommenen diamorphingestützten Substitutionsbehandlung Opiatabhängiger war sie mit rund einem Jahr sehr kurz. Eine Reihe von Verfahren dauerten 3–5 Jahre, etwa zur Kapselendoskopie bei Blutungen des Dünndarms. Es gab aber auch erheblich längere Verfahrensdauern, etwa 8 Jahre bei der neuropsychologischen Therapie und 17 Jahre bei der Vakuumversiegelungstherapie von Wunden, wobei hier das Verfahren in Erwartung weiterer Studien zur Verbesserung der Datenlage rund 10 Jahre ausgesetzt wurde. Auch die Beschlussreihen zu den Behandlungsmethoden des benignen Prostatasyndroms und zu PET/CT dauerten teilweise deutlich länger als 10 Jahre. Bezüglich Veränderungen in der Dauer von G-BA-Verfahren über den Studienzeitraum lassen sich keine Schlussfolgerungen ziehen. Diese sind in hohem Ausmaß abhängig vom Vorhandensein einschlägiger Evidenz. Das ist auch daran ersichtlich, dass mehrere Verfahren ausgesetzt und bei Lieferung neuerer Studien wiederaufgenommen wurden, was automatisch zu einem längeren Gesamtzeitraum von erstem Antrag an den G-BA bis zum abschließenden Beschluss führt.

Auch die Zeitspanne von einem G-BA-Beschluss zur Aufnahme einer Methode in den GKV-Leistungskatalog bis zum Beschluss des Bewertungsausschusses zur Anpassung des EBM war zeitlich sehr variabel und dauerte von wenigen Wochen bis zu drei Jahren und mehr. Seitdem der Gesetzgeber mit dem GKV-VSG hier zeitliche Vorgaben zur Umsetzung von G-BA-Beschlüssen im EBM gemacht hat, sind allerdings keine größeren Verzögerungen mehr zu beobachten.

Companion Diagnostics

Insgesamt ergaben sich bei vier Arzneimitteln Verzögerungen für die Abrechnungsmöglichkeit des zugehörigen Companion Diagnostics im Rahmen des EBM im Vergleich zum Zulassungszeitpunkt des Arzneimittels, wie Tab. 3 zeigt.

Tab. 3 Arzneimittel mit verzögerter Abrechnungsmöglichkeit des zugehörigen Companion Diagnostics per EBM.

Arzneimittel Monate ohne EBM-Abrechnungsmöglichkeit des Companion Diagnostics
Olaparib 18
Osimertinib 10
Necitumumab 22
Talazoparib 6

Quelle: eigene Darstellung.

Nachdem der Gesetzgeber mit dem GKV-Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG)2017 vorgeschrieben hat, dass die Abbildung eines Companion Diagnostics im EBM spätestens mit dem Nutzenbewertungsbeschluss des G-BA, also 6 Monate nach Inverkehrbringen des zugehörigen Arzneimittels, zu erfolgen hat, ist kein größerer Time-Lag zwischen Arzneimittelzulassung und Abbildung des Companion Diagnostic im EBM mehr entstanden.

Erstattung durch die PKV

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in den meisten Fällen eine Erstattung der durch G-BA-Beschluss in die ambulante GKV-Versorgung aufgenommenen neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden und der entsprechenden medizinischen Leistungen in der PKV – teilweise deutlich – früher erfolgt 8 9 11 12 13 14 . Weder die Behandlungsentscheidung des Patienten durch den Arzt noch die nachfolgende Kostenerstattung durch die PKV-Unternehmen unterliegt einem gesetzlichen Genehmigungsverfahren. Hieraus ergibt sich ein größerer Handlungsspielraum für dezentrale Entscheidungen. Allerdings lässt sich der Erstattungsbeginn in der PKV nur in einem Teil der Fälle nachvollziehen. Tab. 4 zeigt, dass im Rahmen der Studie in 15 Fällen zumindest Anhaltspunkte für den Zeitpunkt des Erstattungsbeginns in der PKV gefunden werden konnten. Davon beruhten diese Anhaltspunkte nur in 11 Fällen auf Dokumenten zu öffentlich zugänglichen Beschlüssen einschlägiger Organe. In 9 Fällen konnten auch über die Zusammenarbeit mit einer Landesärztekammer und dem Institut der PKV keine Anhaltspunkte für den Zeitpunkt des Eingangs der entsprechenden Leistung in die PKV-Versorgung gefunden werden. Ursache ist hier die knappe Datenlage über die ärztliche Leistungserbringung im PKV-System. In 5 Fällen konnten Leistungen zwar entweder grundsätzlich früher erstattet werden als im GKV-System, unterlagen aber in einigen Fällen tariflichen Einschränkungen oder waren nach MB/KK nicht Bestandteil der PKV-Leistungspflicht. Der erste Fall betrifft dabei Fragen des Hilfsmittelkatalogs und der Leistungsgestaltung für psychotherapeutische Leistungen, der zweite die Substitutionstherapie bei Substanzabhängigkeit. In zwei Fällen (etwa einige der nicht-medikamentösen lokalen Verfahren zur Behandlung des benignen Prostatasyndroms oder der wegen mangelnder Evidenz zur Effektivität in relevanten Indikationen weitgehende Ausschluss der therapeutischen Arthroskopie des Kniegelenks bei Gonarthrose) werden auch vom G-BA aus der ambulanten ärztlichen GKV-Versorgung ausgeschlossene Leistungen bzw. Leistungsgruppen zumindest teilweise von der PKV weiter erstattet.

Tab. 4 Art und Zeitpunkt der Umsetzung der neuen ambulanten GKV-Leistungen in das PKV-System.

Art und Zeitpunkt der Umsetzung der neuen ambulanten GKV-Leistungen in das PKV-System Fallzahl
Frühere Umsetzung der Leistungen mit Anhaltspunkt für Zeitpunkt des Beginns der PKV-Erstattung 15
davon: mit öffentlich zugänglicher Beschlussgrundlage bzw. aufgrund regulärer GOP GOÄ 11
frühere Umsetzung im PKV-System, keine Anhaltspunkte für Zeitpunkt des Beginns der PKV-Erstattung 9
potenzielle Einschränkungen der Erstattung in der PKV 5
durch den G-BA aus der GKV-Versorgung ausgeschlossene Leistung, die weiterhin im Rahmen der PKV zumindest teilweise erstattet wird 2*

Quelle: eigene Darstellung; *Im Falle der nichtmedikamentösen lokalen Verfahren zur Behandlung des benignen Prostatasyndroms wurden allerdings mehrere Verfahren ausgeschlossen.

Fazit

Es ergaben sich sehr unterschiedliche Zeitabstände zwischen Verfahrensbeginn und Eingang der entsprechenden neuen Methode in die kollektive ambulante GKV-Versorgung mit einer Spanne von 14 bis 216 Monaten, also von etwa einem Jahr bis zu 18 Jahren (Forschungsfrage 1). Feststellbar ist allerdings, dass die Intervention des Gesetzgebers per GKV-VSG über eine sechsmonatige Fristsetzung für die Entscheidung des Bewertungsausschusses die Dauer dieses Teils des Eingangsverfahrens für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in die ambulante Versorgung verkürzt hat. Auch die relativ seltenen Probleme bei der zeitnahen Erstattung von Companion Diagnostics im GKV-System wurden durch das AMVSG 2017 durch den Gesetzgeber erfolgreich adressiert. Inwiefern gesetzliche Änderungen, die auf die Dauer der G-BA-Verfahren zielen, sich in Verfahrensverkürzungen umsetzen, lässt sich aufgrund der Methodik der Studie nicht beantworten, da die untersuchten Beschlüsse anhand des Beschlussdatums des G-BA und nicht des Verfahrensbeginns ausgewählt wurden.

Die Beantwortung der Forschungsfrage 2 war aufgrund der Datenlage im PKV-System nur eingeschränkt möglich. In den Fällen, in denen entweder öffentlich zugängliche Beschlüsse relevanter Organe wie des Zentralen Konsultationsausschusses für Gebührenordnungsfragen oder des Ausschusses Gebührenordnung der BÄK oder zeitliche Einschätzungen von Sachverständigen überwiegend aus einer Ärztekammer vorliegen, konnte im Ergebnis festgestellt werden, dass später vom G-BA positiv eingeschätzte neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden teilweise erheblich früher im PKV-System erstattet werden. Tab. 5 gibt hier einen Überblick. Als Limitation muss allerdings beachtet werden, dass erstens aufgrund der Datenlage nur für einen Teil der insgesamt untersuchten Methoden eine klare zeitliche Aussage über den Beginn der Erstattung der entsprechenden Leistungen im PKV-System möglich war. Zweitens stellen Zeitangaben, Beschlüsse und Entscheidungen von relevanten Ausschüssen z. B. bei der BÄK und beim PKV-Verband lediglich Empfehlungen dar, die i.d.R. zwar die Erstattungspraxis der PKV-Unternehmen abbilden, aber rechtlich nicht bindend sind. Drittens beruht ein Teil der in der Tabelle dargestellten Daten alleine auf Experteneinschätzungen überwiegend aus der Ärztekammer Nordrhein. Dies betrifft in der Tabelle diejenigen Methoden, bei denen nur eine Jahresangabe zu finden ist. Die unzureichende öffentlich zugängliche Datenlage bzgl. der letztendlich erstatteten Leistungen im PKV-System erschwert insofern eine vergleichende Betrachtung zum GKV-System und erlaubt so keine größere Genauigkeit.

Tab. 5 Zeitlicher Vorlauf der Erstattung vom G-BA positiv beschiedener neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden auf Basis von Empfehlungen einschlägiger Gremien und Experteneinschätzungen überwiegend aus der Ärztekammer Nordrhein.

Methode Datum Inkrafttreten Beschluss Bewertungsausschuss frühester Hinweis auf Erstattung durch PKV-Unternehmen Zeitlicher Vorlauf der PKV-Erstattung in Jahren
Asynchrone Photosoletherapie im Vollbad 01.10.2010 2005 4
Kapselendoskopie bei Blutungen des Dünndarms 01.07.2014 08.03.2005 9
Positronenemissionstomographie (PET und PET/CT) bei malignen Lymphomen 01.01.2016 18.01.2002 14
Osteodensitometrie bei Osteoporose 01.01.2014 1996 18
Kontinuierliche interstitielle Glukosemessung mit Real-​Time-Messgeräten (rtCGM) zur Therapiesteuerung bei insulinpflichtigem Diabetes mellitus 01.04.2017 25.06.2010 7
Positronenemissionstomographie (PET)/Computertomographie (CT) bei Kopf-​Hals-Tumoren seit G-BA-Beschluss 7.6.2017, kein BA-Beschluss notwendig 18.01.2002 15
Messung der myokardialen fraktionellen Flussreserve bei koronarer Herzkrankheit 01.10.2018 2003 15
Extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) beim Fersenschmerz 01.01.2019 15.02.2002 15
Positronenemissionstomographie (PET); PET/Computertomographie (CT) bei malignen Lymphomen bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen Seit G-BA-Beschluss 08.08.2018, kein BA-Beschluss notwendig 18.01.2002 16
Positronenemissionstomographie (PET); Computertomographie (CT) zum Interim-​Staging bei fortgeschrittenen Hodgkin-​Lymphomen Seit G-BA-Beschluss 08.08.2018, kein BA-Beschluss notwendig 18.01.2002 16
Tonsillotomie bei Hyperplasie der Tonsillen und bei rezidivierender akuter Tonsillitis 01.07.2019 1998 21
Positronenemissionstomographie (PET); PET/Computertomographie (CT) zum initialen Staging bei Hodgkin-​Lymphomen Seit G-BA Beschluss 17.01.2019, kein BA-Beschluss notwendig 18.01.2002 17
Optische Kohärenztomographie (OCT) zur Diagnostik und Therapiesteuerung der neovaskulären altersbedingten Makuladegeneration (nAMD) und des Makulaödems im Rahmen der diabetischen Retinopathie (DMÖ) 01.10.2019 2012 17
Biomarkerbasierte Tests zur Entscheidung für oder gegen eine adjuvante Chemotherapie bei primärem Mammakarzinom 01.01.2020 2005 15
Liposuktion bei Lipödem (zusätzlich: Liposuktion bei Lipödem im Stadium III) 01.01.2020 2005 15

Quelle: eigene Darstellung.

Weiterhin sind bei einigen Methoden und den darauf beruhenden Leistungen in der PKV tarifliche Erstattungsbeschränkungen möglich. Dies betrifft insbesondere Leistungen, die Hilfsmittel inkludieren oder auch psychotherapeutische Leistungen. Dabei sind allerdings Bemühungen des PKV-Systems erkennbar, Verträge mit „geschlossenen“ Hilfsmittelkatalogen deutlich zu reduzieren.

Bezogen auf die zwei Beschlüsse des G-BA, die Methoden aus der vertragsärztlichen Versorgung ausschließen oder ihre Indikation begrenzen, kann man keine oder allenfalls eine geringe Übersetzung ins PKV-System erkennen. Wird von der Annahme ausgegangen, dass der G-BA- Beschluss den fehlenden Nutzen der Methode hier evidenzbasiert und für alle in der Versorgung relevanten Fälle festgestellt hat, entsteht die Schlussfolgerung, dass im PKV-System hier weiter Leistungen ohne medizinischen Nutzen erbracht werden. Zu welchen Anteilen ggfs. Fälle mit begründet individuell abweichender Nutzeneinschätzung vorliegen könnten, kann im Rahmen der Studie nicht empirisch ermittelt werden.

Im Bereich der Companion Diagnostics sind für den Untersuchungszeitraum im Bereich der PKV keinerlei Erstattungsprobleme erkennbar.

Insgesamt ist also zu sagen, dass auf vom G-BA später positiv bewerteten neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden beruhende ambulante Leistungen im PKV-System oft erheblich früher erstattet werden als im GKV-System. Es besteht hier also für diese Leistungen vor dem Einschluss in die GKV-Erstattung eine größere Therapiefreiheit für den Arzt/die Ärztin und bei Überbrückung der Informationsasymmetrie zwischen Arzt/Ärztin und Patient*in auch eine größere Wahlfreiheit der Patient*in zwischen Therapieoptionen. Diese frühere Erstattung impliziert gleichzeitig natürlich ein Risiko, auch Leistungen zu erstatten, die vom G-BA im weiteren Verlauf als ohne medizinischen Nutzen bewertet werden. Legt man die Bewertung des G-BA als Maßstab zugrunde, könnte hiermit eine Verringerung der Kosteneffektivität der Versorgung und im Einzelfalle bei belastenden Behandlungen ein Patientenschaden durch Über- oder Fehlversorgung entstehen, und der schnellere Zugang zur Innovation könnte sich als nachteilig erweisen. Mit anderen Worten: Dieses Ergebnis ist im Spannungsfeld zwischen frühem Zugang zu neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (gerade bei sehr langer Dauer der G-BA-Verfahrens) und (Kosten-)Effektivität und Sicherung der Versorgungsqualität zu sehen.

Limitationen der Studie bzgl. der hier behandelten Forschungsfrage ergeben sich aus der unbefriedigenden Datenlage im Bereich der Erstattung von Leistungen durch PKV-Unternehmen, was öffentlich zugängliche Quellen und generell die Aggregierung von Daten aus mehreren Versicherungsunternehmen angeht.

Die dritte Forschungsfrage lässt sich exemplarisch gut am Beispiel der G-BA-Beschlüsse zur Positronenemissionstomographie (PET); PET/Computertomographie (CT) beantworten. Seitens des G-BA wurden hier einzelne Indikationen betrachtet und der Nutzen der Methode entsprechend indikationsspezifisch untersucht. Dies führte einerseits zu einer sukzessiven Einführung der Leistung mit allerdings langen Verfahrensdauern, andererseits zu indikationsspezifischen Erkenntnissen über den Nutzen entsprechender Leistungen. Die Abrechnung mittels GOÄ erfolgt nicht indikationsspezifisch und unterliegt insofern auch nicht indikationsspezifischen Einschränkungen. Das führt zu stärkeren Verzögerungen der Erstattung für Patientengruppen im GKV-System, für die der indikationsbezogene Beschluss des G-BA später erfolgt, gegenüber dem PKV-System.

In dieser Studie nicht untersucht wurden weitere Abrechnungsbedingungen in beiden Systemen, die sich auf qualitative Voraussetzungen, meist solche der Strukturqualität, für die Erbringung der Leistungen beziehen. Hier werden im GKV-System in vielen Fällen parallel zur Entscheidung über die Zulassung der Methode Qualitätssicherungs-Richtlinien beschlossen, während die GOÄ per Konstruktion hier kaum qualitative Leistungsvoraussetzungen definiert. Für ein volles Bild des Vergleichs des Umgangs mit neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in beiden Versicherungssystemen besteht hier also noch Forschungsbedarf. Weiterhin wäre es wünschenswert, den generellen Datenzugang zu Abrechnungsdaten des PKV-Systems zu Forschungszwecken zu verbessern.

Weiterhin ist die Untersuchung begrenzt auf solche Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die über eine G-BA-Entscheidung Eingang in den GKV-Behandlungsumfang finden. Strukturelle Innovationen wie z. B. die Reform der Psychotherapie-Richtlinie werden nicht betrachtet. Hier ist das GKV-System durch seine Zentralisierung in der Lage, entsprechende Innovationen systematischer in die Versorgung zu integrieren.

Im Zusammenhang mit der Integration neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden wird häufig die Frage diskutiert, inwieweit der so genannte Systemwettbewerb zwischen GKV- und PKV-System der Versorgung in beiden Systemen zuträglich ist. Anders gefragt: führt dieser Systemwettbewerb zu einer schnelleren Erstattung in der ambulanten GKV-Versorgung und zu einer stärkeren Qualitätssicherung im PKV-System über die Nutzung der Ergebnisse von Nutzenbewertungen? Aus den Untersuchungsergebnissen lassen sich hier keine klaren Schlüsse ziehen. Zwar hat der Gesetzgeber in den vergangenen Jahren, wie beschrieben, darauf hingewirkt, den Prozess des Methodeneinschlusses im GKV-System zu beschleunigen; es ist jedoch nicht nachweisbar, dass dies zur Wettbewerbsstärkung des GKV-Systems geschehen sei. Andererseits werden Leistungen auf Basis vom G-BA ausgeschlossener Methoden weiterhin seitens des PKV-Systems erstattet. Auch hier kann auf Basis der Untersuchungsergebnisse nicht differenziert werden, ob es sich hier um begründete Einzelfallentscheidungen des/der behandelnden Arztes/Ärztin oder ein durchgehendes Phänomen handelt. Damit bestätigt sich auch hier die generelle Einschätzung, dass der Systemwettbewerb mit Blick auf die Versorgung nicht „schwarz-weiß“ ist 15 .

Footnotes

Interessenkonflikt Das Projekt, aus dem der Artikel entstand, wurde finanziert durch das Wissenschaftliche Institut der PKV (WIP).

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