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. 2022 Feb 25;85(3):181–187. [Article in German] doi: 10.1055/a-1718-3132

Gesundheitsversorgung in Deutschland durch Mitarbeit von Physician Assistants im ärztlichen Team

Healthcare in Germany: Including Physician Assistants into the Team of Physicians

Tanja Meyer-Treschan 1,, Ann Kathrin Stegemann 2, Julia Sebastian 3, Sara Hatwich 4, Martin Beiderlinden 5, Ralf B Siepe 4, Barbara Veltjens 6, Nabeel Farhan 7, Julia Siegmüller 8
PMCID: PMC11248888  PMID: 35213896

Zusammenfassung

Ziel der Studie ÄrztInnen in Deutschland sind überlastet. Entlastung könnte durch Delegation von ärztlichen Aufgaben an Physician Assistants (PA) geschaffen werden. Obwohl seit 2012 PA im deutschen Gesundheitswesen mitarbeiten, gibt es wenig Daten. Wir haben die Vor- und Nachteile der Delegation aus Sicht von ÄrztInnen, die seit Jahren an PA delegieren, sowie die Arbeitsbedingungen, die Zufriedenheit und Prozesszeiten von PA untersucht.

Methodik Semi-quantitative Querschnittserhebung an einer Abschlusskohorte des Studienganges PA und den an diese seit drei Jahren delegierenden ÄrztInnen. Retrospektive Analyse von Wartezeiten und Aufenthaltsdauer in einer interdisziplinären Notaufnahme.

Ergebnisse Die ÄrztInnen waren mit den PA sehr zufrieden und gaben eine deutliche Entlastung durch diese an. Auch die PA zeigten eine sehr hohe berufliche Zufriedenheit. Prozesszeiten in der Notaufnahme wurden durch die Mitarbeit einer PA nicht verlängert.

Schlussfolgerung ÄrztInnen, die seit Jahren an PA delegieren, sind entlastet und mit den PA zufrieden, gleichermaßen sind PA zufrieden mit ihrem Beruf.

Schlüsselwörter: Physician Assistants, Delegation, Entlastung, Tätigkeiten, Zufriedenheit

Einleitung

Die Mehrheit der Ärztinnen und Ärzte in Deutschland fühlt sich überlastet 1 . Insgesamt 59% der KrankenhausärztInnen geben an, häufig überlastet zu sein oder gar ständig über die eigenen Grenzen hinaus zu gehen 1 . Möglichkeiten zur Entlastung des ärztlichen Personals sind daher dringend erwünscht 2 . Eine Möglichkeit der Entlastung besteht in der Delegation von ärztlichen Aufgaben an nicht-ärztliches Personal 3 . Die Ausführung einer Tätigkeit wird dabei von einer qualifizierten nicht-ärztlichen Person übernommen, die Verantwortung für die Ausführung der Tätigkeit verbleibt bei der delegierenden ärztlichen Fachkraft 3 .

„Physician Assistants“, auch ArztassistentInnen oder MedizinassistentInnen genannt, erwerben einen Bachelor of Science im Fach „Physician Assistance“. Während des Studiums erlernen sie medizinische Kenntnisse und Fertigkeiten, welche sie qualifizieren durch Übernahme ärztlicher Tätigkeiten im Rahmen der Delegation das ärztliche Personal zu entlasten 4 . In Deutschland gibt es sowohl private als auch staatliche Hochschulen, die das Studium zum Physician Assistant anbieten. Es werden primärqualifizierende und weiterbildende Studiengänge angeboten. Je nach Vorbildung der Studierenden dauert das Studium drei bis fünf Jahre 5 .

In Deutschland werden seit 2005 Physician Assistants (PA) entsprechend akademisch ausgebildet 6 . In einer gemeinsamen Stellungnahme hat sich die Bundesärztekammer zusammen mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung 2017 für die Entlastung der ÄrztInnen im deutschen Gesundheitswesen durch die Mitarbeit von PA in ärztlichen Teams ausgesprochen und auch Anforderungen an die Curricula und die Kompetenzen der PA definiert 4 . PA werden daher im Studium ausgehend von den naturwissenschaftlichen Grundlagen hin zu den klinischen Bereichen ausgebildet. Weitere Lehrgebiete sind Public Health, rechtliche Aspekte, aber auch Dokumentation und Qualitätsmanagement. Zu den Schlüsselkompetenzen zählen kommunikative Fähigkeiten, Projekt- und Konfliktmanagement und das wissenschaftliche Arbeiten. Neben dem Erwerb theoretischer Kenntnisse liegt der Fokus auf praktischen Kompetenzen. Zu den Anforderungen an die PA, welche diese „selbständig und situationsadäquat in Kenntnis der Konsequenzen durchführen“ können sollen [Kompetenzlevel 3b gemäß Nationalem kompetenzbasiertem Lernzielkatalog Medizin], zählen unter anderem die vorbereitende Erhebung der allgemeinen und fachspezifischen Krankengeschichte sowie eine vorbereitende allgemeine körperliche Untersuchung. Weitere selbstständige Tätigkeiten sind das Legen peripherer Gefäßzugänge, das Anlegen von Infusionen und die Applikation von Medikamenten, aber auch das Wundmanagement. Damit sind hier nur einige wesentliche Kompetenzen der PA benannt 4 . Letztlich liegt es in der Verantwortung des fachärztlichen Personals, welche Tätigkeiten im eigenen Tätigkeitsspektrum an die PA delegiert werden und für das jeweilige Behandlungsteam die effektivste Entlastung mit sich bringen.

Von 2008 bis 2019 hatten insgesamt 571 Personen das Studium in Deutschland abgeschlossen 7 . Mittlerweile haben einige dieser PA schon mehrere Jahre Berufserfahrung in Deutschland erworben. Nach unserer Kenntnis gibt es bisher kaum Daten zu der Frage, ob diejenigen ÄrztInnen, welche an PA delegieren, sich tatsächlich entlastet fühlen und welche Vor- und Nachteile der Einsatz mit sich bringt. Ebenso ist fraglich, wie sich die Einbindung von PA auf Prozesszeiten auswirkt. Die Notwendigkeit der engmaschigen Absprache mit dem ärztlichen Personal könnte zwar eine Arbeitserleichterung sein, aber auch zu einer verlängerten Behandlungsdauer führen. Ebenso existieren wenig Daten dazu, welche Tätigkeiten PA ausführen und ob auch die PA mit ihrer Tätigkeit zufrieden sind. Wir haben diese offenen Punkte mit Hilfe einer Analyse der Delegationssituation zwischen ÄrztInnen und PA an einer Abschlusskohorte des Studienganges und mittels einer Analyse von Prozesszeiten in einer Notaufnahme untersucht.

Methodik

Delegationssituation

Eine semi-quantitativen Querschnittserhebung ermittelte die Erfahrungen von ärztlichen Fachpersonen, welche an PA delegieren, und die der entsprechenden PA. Dazu wurden 2017 alle PA befragt, welche 2014 als zweite Kohorte des Studiengangs „Physician Assistants“ der ehemaligen Matthias-Hochschule in Rheine (jetzt EUFH), das Studium beendet hatten. Über die PA konnten die delegierenden FachärztInnen gewonnen werden. Alle Beteiligte erhielten einen Informationsbogen mit schriftlicher Darlegung des Zieles der Umfrage und erteilten schriftlich ihr Einverständnis. Die Umfrage bestand aus zwei für diesen Zweck entwickelten Fragebögen: „Fragebogen für PA“ und „Fragebogen für ärztliche Fachpersonen“ (siehe Anlage). Die Entwicklung der Fragen erfolgte im Rahmen einer Expertengruppe, die Fragen wurden nach den Ergebnissen eines Pretests optimiert und dann an die Teilnehmenden als Paper-Pencil Befragung übermittelt.

Der „Fragebogen für ärztliche Fachpersonen“ untersucht die folgenden Hypothesen: 1. PA entlasten in der täglichen Praxis Ärztinnen und Ärzte. 2. Durch PA entstehen dem ärztlichen Team mehr Vor- als Nachteile. Der „Fragebogen für PA“ untersucht Art, Umfang und Inhalt der Tätigkeitsfelder der PA, sowie deren Vergütung unter folgenden Hypothesen: 1. PA sind am Arbeitsmarkt gefragt und werden schon in vielen medizinischen Fachbereichen, vor allem im stationären Sektor eingesetzt. 2. PA mit einigen Jahren Berufserfahrung übernehmen tatsächlich die von der BÄK und KBV vorgesehenen ärztlichen Tätigkeiten in Delegation. 3. PA sind mit ihrer Tätigkeit zufrieden.

Prozesszeiten

Um die Hypothese zu testen, dass die Einbindung von PA in ein ärztliches Behandlungsteam aufgrund der notwendigen engmaschigen Absprache mit dem fachärztlichen Personal zu einer Verlängerung der Prozesszeiten führt, wurden die Dauer der Wartezeiten und die Gesamtaufenthaltsdauer in einer interdisziplinären Notaufnahme untersucht. Dazu wurde basierend auf den Uhrzeiten des Eintreffens und des Behandlungsbeginns und –endes, die jeweilige Dauer in Minuten errechnet: Dauer Wartezeit=Eintreffen bis Behandlungsbeginn, Gesamtaufenthaltsdauer=Eintreffen bis Behandlungsende. Die zur hausinternen Qualitätskontrolle routinemäßig anonym erfassten Zeiten eines Behandlungsquartals ohne Mitarbeit einer PA (2. Quartal 2017) wurden mit den Zeiten eines Behandlungsquartals unter Mitarbeit einer PA verglichen (2. Quartal 2018).

Datenanalyse

Alle Daten wurden in Excel übertragen, nach Plausibilitätstestung erfolgte eine deskriptive Statistik. Die Prozesszeiten wurden mit einem zweiseitigen T-Test auf Signifikanz geprüft, Signifikanzniveau p<0,05.

Ergebnisse

Alle AbsolventInnen des Abschlussjahrganges Herbst 2014 (100%) und die an sie delegierenden ÄrztInnen haben an der Umfrage teilgenommen, so dass Angaben von 14 Personen, sieben PA und sieben ÄrztInnen, welche an diese delegieren, vorliegen. Zwei der PA sind bei dem gleichen Arbeitgeber tätig sind, in einem Fall delegieren zwei ärztliche Fachpersonen. Tabelle 1 zeigt Charakteristika der Befragten. Im Mittel arbeiten die ÄrztInnen seit drei Jahren mit PA zusammen. Fast alle PA arbeiten Vollzeit, alle nach einem festen Arbeitszeitmodell und nicht regelhaft nachts. Eine PA arbeitet regelmäßig am Wochenende, eine ist auch an Feiertagen eingesetzt. Sechs der sieben PA sind nicht im Rufdienst tätig. Eine PA arbeitet im Schichtdienst von Montag bis Freitag zwischen 8:00 Uhr und 19:00 Uhr: in einem Frühdienst von 8:00–14:00 Uhr, einem Spätdienst von 13:00–19:00 Uhr und einem Hauptdienst von 9:00–19:00 Uhr.

Tab. 1 Charakterisierung der Ärztinnen und Ärzte und der Physician Assistants.

Physician Assistants (n=7)
Alter [Jahre] 32 [29–54]
Schulabschluss (Realschul-, (Fach-)Abitur) 3/5
Erlernter Gesundheitsberuf (Krankenpflege/Technische Assistenz/Therapieberuf/Medizinische Fachangestellte) 4/1/1/1
Bezeichnung der berufliche Position (Physician Assistant/Arztassistent) 6/1
Stellenumfang (Vollzeit/Teilzeit) 6/1
Zuordnung zum ärztlichen Dienst 7
Wochenarbeitszeit [Stunden] (38,5/40) 4/3
Einsatzbereiche/Funktionseinheiten (Mehrfachnennung möglich)
 Stationsdienst 5
 Operationssaal 2
 Patientenaufnahme (Ambulanz) 2
 Funktionsabteilung Sonographie 1
 Sprechstunde 1
 Tagesklinik 1
 Poliklinik 1
 Eigener Tarif betriebsintern 2
Fachärztliches Personal (n=7)
Alter [Jahre] 52 [39–63]
Position 1/2/2/1
(PraxisinhaberIn/Chefärztin,-arzt/Oberärztin,-rzt/Fachärztin,-arzt) einmal ohne Angabe
Medizinische Spezialisierung (Gynäkologie/Neurologie/Neurochirurgie/Orthopädie/Geriatrie) 1/3/1/1/1
Art der Gesundheitseinrichtung (Krankenhaus/Praxis/Kombination) 5/1/1
Dauer der Zusammenarbeit mit PA [Jahre] 3,0 [2–6]

Zwei ärztliche Fachkräfte gaben an, dass im Wesentlichen sie selbst an die PA delegieren, während in 4 Fällen alle ÄrztInnen Aufgaben an PA übertragen. Zwei Befragte gaben an, dass nur FachärztInnen an PA delegieren. Andere Berufsgruppen delegieren gar nicht an PA. Die Delegation erfolgt nach Angabe von fünf der sieben Befragten (71%) überwiegend direkt und individuell vor der Aufgabe. Zusätzlich gibt es bei allen Befragten einen festgelegten Tätigkeitskatalog. Auf die Frage, ob die Durchführung der Aufgabe im Beisein der ärztlichen Fachkraft erfolgt, wählten alle Befragten wenig oder gar nicht zutreffend. Sechs der sieben Befragten (85%) gaben an, dass sie die Festlegung der delegierbaren Aufgaben als überwiegend rechtlich gesichert ansehen, eine befragte Person empfand dies als „wenig rechtlich gesichert“. Ergänzend wurde angegeben, dass der bestehende Kompetenzkatalog hauptsächlich für die Arbeit im Krankenhaus angelegt sei und es gut wäre, wenn es einen Katalog für den ambulanten Bereich gäbe. Neben der Absicherung nach §28 Abs. 1 Satz 2 SGB V (Behandlung durch Hilfeleistung anderer Personen, die vom Arzt angeordnet und zu verantworten ist), sei auch eine Absicherung durch eine entsprechende Haftpflichtversicherung wichtig, da die Gesetzgebung bezüglich der Delegation etwas schwammig formuliert sei.

Die Ergebnisse der Frage nach Vor- und Nachteilen durch die Mitarbeit der PA sind in Tab. 2 dargestellt.

Tab. 2 Überblick über die Vor- und Nachteile der Zusammenarbeit mit Physician Assistants aus ärztlicher Sicht.

Vorteile der Zusammenarbeit mit Physician Assistants und besondere Stärken des Berufsbildes
Unterstützung im Alltag Entlastung durch Übernahme bestimmter Tätigkeiten Aspekte der Behandlungsqualität Besondere Stärken der Physician Assistants
Arbeitsentlastung auf verschiedene Weise (n=9) Administrative Tätigkeiten (z. B. Anfragen der Krankenkassen bearbeiten) Verbesserte Versorgungsqualität der Patientinnen (n=2) Administrative Tätigkeiten
Ausgleich des Ärztemangels Dokumentation Gute Kommunikation zwischen unterschiedlichen Berufsgruppen vorbereitenden Arztbriefschreibung
Einsparung ÄrztInnen/andere MitarbeiterInnen Arztbriefschreibung Konstante Ansprechpartner in den PA Dokumentation
Konzentration der ÄrztInnen auf nicht delegierbare Aufgaben Durchführung von Gesprächen mit Angehörigen Höhere Mitarbeiter- und Patientenzufriedenheit PatientInnenaufnahme
Einsatz analog PJ-Studierenden Vorbereitung des Aufklärungsgespräches für eine Operation Kenntnis der lokalen Gegebenheiten Visite
Vorbereitenden Anamnese-Erhebung Langjährige MitarbeiterInnen mit beruflicher (Vor-) vorbereitende Anamnese und Befunderhebung
Vorbereitende körperliche Untersuchung Erfahrung (z. B. therapeutisch) Angehörigengespräche
Vorsortieren von Befunden und Beurteilungen Hohe Motivation der PA Ansprechperson für PatientInnen
Assistenz bei Operationen Hilfsbereitschaft, Kommunikative Fähigkeiten
Einarbeitung neuer MitarbeiterInnen Enger Patientenkontakt
Qualitätsmanagement Verbesserte Versorgungsqualität
Organisationsgeschick
Eigenständiges Arbeiten
Nachteile der Zusammenarbeit mit Physician Assistants bzw. Nachteile des Berufsbildes
Keine (n=3); Kein Einsatz im Nachtdienst (n=3); „Keine eigenen Abrechnungsziffer für die Vergütung im ambulanten Bereich“, „Kontroll-/Supervisionsverpflichtung muss konsequent eingehalten werden“, „Selbstkontrolle der PA funktioniert nicht immer“

Anzahl der Nennungen in Klammern, falls keine Angabe eine Nennung.

Die ÄrztInnen beurteilten sowohl die fachliche Ausbildung als auch die Arbeitsqualität von PA nach dem Schulnotenprinzip im Allgemeinen jeweils mit durchschnittlich 1,57 als gut (Median 2, Range 1–2) und die Akzeptanz der PA durch andere MitarbeiterInnen mit durchschnittlich 1,7 (Median 2, Range 1–3) ebenfalls als gut. Die Einbindung der PA in den Arbeitsalltag wird mit 1,43 (Median 1, Range (1–2) als sehr gut bewertet. Sechs der sieben Befragten gaben an, dass sie sich vorstellen können in Zukunft noch mehr PA in der Gesundheitseinrichtung zu beschäftigen. Die eine befragte Person, die sich dies nicht vorstellen konnte, begründete ihre Einschätzung damit, dass schon vier PA in der Einrichtung tätig seien und ein angemessenes Verhältnis von PA zu ÄrztInnen notwendig sei. Die Begründung für die Bereitschaft weitere PA zu engagieren, waren: „Arbeitsentlastung bei hoher Versorgungsqualität“ und „Die PA sind zu wertvollen Mitarbeitern im ärztlichen Dienst geworden, die bei der natürlichen Fluktuation der Assistenzärzte für Kontinuität und Qualität auf der Station und bei der Einarbeitung der neuen Kollegen sorgen“.

Nach einer durchschnittlichen Beschäftigungszeit von 34 Monaten verdienen die PA im Mittel ein Jahresbruttogehalt von 46.264 Euro (38.500–54.918 Euro) einschließlich aller festen Zuwendungen (n=6, eine Enthaltung, Teilzeitvergütung wurde auf Vollzeit extrapoliert, mittlerer monatlicher Bruttolohn 3.855,33 Euro exklusive Dienstzulagen). Eine Person gibt an, zusätzlich zum Jahresbruttolohn monatliche Zuwendungen in Form von Dienstzeitvergütung in Höhe von etwa 300 Euro brutto zu erhalten. Zwei der sieben PA berichten von einem eigenen betriebsinternen Tarif für ihre Berufsgruppe.

Die Physician Assistants führen sehr unterschiedliche Tätigkeiten durch ( Tab. 3 ). Zur Identifikation mit der eigenen Rolle gefragt, geben fünf von 7 PA an, dass ihnen ihre Rolle völlig klar sei („trifft völlig zu“), jeweils eine Person wählte „trifft überwiegend zu“ bzw. „trifft wenig zu“. Insgesamt 6 der 7 Befragten geben auf den Satz „Ich glaube, dass meinen KollegInnen meine Rolle völlig klar ist“, die Antwort „trifft völlig zu“, nur eine Person antwortet mit „trifft überwiegend zu“. Die Aussage „Ich fühle mich von meinen ärztlichen KollegInnen wertgeschätzt“ wurde mit „trifft völlig zu“ (n=4) oder „trifft überwiegend zu“ (n=3) beantwortet. Identisch fallen die Antworten zur Aussage „Ich fühle mich von meinen pflegerischen KollegInnen wertgeschätzt“ aus. Insgesamt ist die berufliche Zufriedenheit der Befragten auf einer Skala von 0=gar nicht zufrieden bis 10=höchst zufrieden im Mittel mit 9 sehr hoch.

Tab. 3 Überblick über das Tätigkeitsportfolio von Physician Assistants.

Administrative Tätigkeiten Medizinische Tätigkeiten Wissenschaftliche Tätigkeiten Sonstige Tätigkeiten
Entlassbriefe schreiben (n=6) Vorbereitende Anamnese-Erhebung (n=6) Jeweils einmalige Nennung Durchführung von Gesprächen mit Angehörigen (n=6)
Befunde sichten/anfordern (n=5) Visiten begleiten oder durchführen (n=6) Datenerhebung für wissenschaftliche Forschungsarbeiten Halten von Vorträgen (n=5)
Weitere Protokolle/Berichtschreibung (n=4) Blutentnahmen (n=6) Mithilfe bei Ein-/Ausschluss von PatientInnen für klinische Studien (Screening) Durchführung von Gesprächen mit PatientInnen (n=4)
Dokumentationsarbeiten (n=3) Vorbereitende körperliche Untersuchungen (n=5) Besprechung von Fragebögen für Studien mit PatientInnen Anleitung und Einarbeitung neuer MitarbeiterInnen (n=3)
Organisation von Verlegungen (n=3) Verbandswechsel (n=5) Teilnahme an interdisziplinären Besprechungen (n=3)
Entlassmanagement (n=3) Anlage venöser Zugänge (n=5) Durchführung von Entlassgesprächen (n=2)
Beantragung von Anschlussheilbehandlung (n=2) Sonographische Untersuchungen (n=4) Dienstplangestaltung (n=2)
Beratung zur Vorbereitung auf Aufklärungsgespräche (n=2) Assistenz bei Operationen (n=4) Lehre (n=2)
Terminkoordination für Wiedervorstellung/Konsile/stationäre Aufnahmen (n=2) Applikation von Medikamenten (i. v./i.m./s.c./i.a.) (n=4) Teilnahme an Bewerbungsgesprächen (n=2)
Qualitäts-/Risikomanagement (n=2) Liquorpunktionen/Lumbalpunktionen (n=3) Jeweils einmalige Nennung
Jeweils einmalige Nennung: Anlage von Lumbaldrainagen (n=2) Durchführung von Verlaufsgesprächen, Betreuung von HospitandInnen, Screening von PatientInnen im Rahmen von Zertifizierungsmaßnahmen, Organisation von Fortbildungen, Besuch von Fortbildungen, Durchführung von Sozialgerichtsgutachten, Vorstellung des Berufsbildes PA in umliegenden Krankenhäusern
Dokumentation : OP-Berichte schreiben, Vorbereitung für Kodierung, Abrechnung nach GOÄ Punktion von Flüssigkeitsverhalten (n=2)
Prozessabläufe mitgestalten : Anordnungen für Pflegedienst vorbereiten, Diagnostik/Therapie/Bildgebende Verfahren anmelden Entfernen von Drainagen einschl. Übernähung der Punktionsstelle (n=2)
Aufklärungsgespräche vorbereiten, Konsile ausarbeiten, Konsile ausarbeiten, Präoperative Maßnahmen/Diagnostik auf Vollständigkeit prüfen Erstellen eines vorläufigen Therapiekonzepts (n=2)
Kommunikation: Kontakt zu vor-/nachbehandelnden Ärzten/Kliniken herstellen, Telefonische Übergabe an weiterbehandelnde Ärzte, telefonische Befundmitteilung, Befundmitteilung zum Hausarzt, Behördenkorrespondenz, Vorstellungen der Patienten bei Fallbesprechungen Anlage suprapubischer Blasenkatheter (n=2)
Sonstiges: Freigabe der Apothekenbestellung, Konferenzen vorbereiten Entfernen von Nahtmaterial (n=2)
Jeweils einmalige Nennung:
Anlage oder Nutzung von Zu- und Ableitungen: Anlage transurethraler Blasenkatheter, Punktion von Ports und Shunts, Anlage zentraler Venenkatheter und arterieller Zugänge
Mitwirkung bei Diagnose und Therapie: Assistenz bei Gastro- und Koloskopien, Wundversorgung, Vorbereitende Befundung von Röntgen-/MRT-/CT-Bildern, Begleitung von Angiographien, Sprechstunde zur Verlaufskontrolle, Durchführung von Kurvenvisiten, Orthesen gemäß Standard verordnen, Betreuung einer Schwerpunktsprechstunde

Prozesszeiten in der interdisziplinären Notaufnahme

Die Mitarbeit der PA reduzierte die Wartezeit von 66±51 Minuten (n=1415) auf 50±47 Minuten (n=1390; p<0.01). Die Gesamtaufenthaltsdauer in der Notaufnahme ohne PA war länger, als mit PA (143±79 versus 127±86 Minuten; p<0,01).

Diskussion

Für die ÄrztInnen, die an dieser Umfrage teilgenommen haben und die im Mittel seit drei Jahren mit PA zusammenarbeiten, führt die Zusammenarbeit zu einer Entlastung. Die ÄrztInnen sind mit der Arbeitsqualität der PA sehr zufrieden. Damit hat das Berufsbild Physician Assistance in der hier befragten Gruppe von Ärztinnen das von der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung formulierte Ziel an die PA erfüllt „Ärzte in enger Zusammenarbeit mit diesen (zu) unterstützen und entlasten“ 4 .

PA haben ein umfangreiches Portfolio an Tätigkeiten und sind mit ihrer beruflichen Situation in hohem Maße zufrieden. Der Einsatz einer PA in einer interdisziplinären Notaufnahme verlängert nach unseren Daten weder die Wartezeit noch die Gesamtaufenthaltsdauer.

Insgesamt gibt es in Deutschland sehr wenig Daten zum Berufsbild Physician Assistants. Nach unserer Kenntnis ist die hier gezeigt Erhebung die erste dieser Art in Deutschland bei der ausschließlich ÄrztInnen befragt wurden, die auf eine mehrjährige Erfahrung mit PA zurückgreifen können. In einer Befragung des Deutschen Krankenhausinstituts gaben Krankenhaus-ÄrztInnen an, dass sie eine Entlastung des ärztlichen Dienstes durch die Zusammenarbeit auf Station oder im OP „teils, teils“ oder als „eher zutreffend“ empfinden, wenn sie gelegentlich mit PA zusammenarbeiten. ÄrztInnen, die regelmäßig mit PA zusammenarbeiten, sahen die Entlastung viel häufiger als „voll zutreffend“ an. Allerdings arbeiteten nur 37% der Befragten regelmäßig mit PA zusammen 8 .

Bisher sind PA bevorzugt im stationären Bereich tätig, so auch in unserer Umfrage. Der stationäre Sektor ist von Leistungsverdichtung besonders betroffen. KrankenhausärztInnen wünschen sich mehr Zeit für die Patientenversorgung 1 . Auch im ambulanten Sektor ist die hohe Arbeitsbelastung einer der Gründe, warum Entlastung dringend geboten ist 9 . Allerdings, so zeigen auch unsere Daten, gibt es im ambulanten Bereich bisher „keine eigenen Abrechnungsziffern“, welche die Leistungen der PA abbilden könnten. Dies wurde als einer der wenigen Nachteile der Zusammenarbeit mit PA genannt. Die weiteren als nachteilig empfundenen Aspekt waren, dass die „Kontroll-/Supervisionsverpflichtung konsequent eingehalten werden [muss]“ und die „Selbstkontrolle der PA nicht immer funktioniert“.

Physician Assistants werden in Deutschland ausschließlich in Delegation tätig. Dabei verbleibt die Verantwortung für die Ausführung stets bei der delegierenden ärztlichen Fachperson und diese hat sich in unmittelbarer Nähe, d. h. in Rufweite, aufzuhalten. Anfänglich ist die nicht-ärztliche Person, welche die ärztlichen Aufgaben übernimmt, regelmäßig zu überwachen, bevor sich die Überwachungspflicht auf Stichproben beschränken darf 3 . Insofern ist es vollkommen zutreffend, dass die Kontrollverpflichtung bei der Zusammenarbeit mit PA konsequent eingehalten werden muss. Dies gilt allerdings in gleichem Maße auch für die Delegation an ärztliche KollegInnen in Weiterbildung. Dies ist insofern kein Nachteil der speziell mit dem Berufsbild PA vergesellschaftet ist, sondern ausschließlich durch Delegation von Aufgaben an eine Person mit fachärztlicher Qualifikation zu umgehen wäre 3 .

Die befragten ÄrztInnen haben zahlreiche Vorteile genannt, welche sich in einem breiten Spektrum von Tätigkeiten wiederfinden, welche die PA übernehmen können. Neben der Betonung der Entlastung wurde der Ausgleich des Ärztemangels und die Einsparung von ÄrztInnen oder anderen MitarbeiterInnen genannt.

Limitierend ist hier, dass wir in der vorliegenden Arbeit nicht direkt nach Entlastung gefragt haben, sondern aus der Übernahme zahlreicher Tätigkeiten, die dem ärztlichen Arbeitsfeld zuzuordnen sind, die Kategorie „Entlastung“ erstellt haben. Die in der Kategorie „Entlastung durch Übernahme bestimmter Tätigkeiten“ gelisteten Aufgaben entsprechen, gemäß unserer Hypothese, dem Tätigkeitsrahmen, den die BÄK und KBV in ihrer Stellungnahme für die PAs definiert haben 4 .

Mit der „Einsparung von ÄrztInnen“ sind die großen Sorgen von Gegnern des Berufsbildes angesprochen, das durch PA Arztstellen reduziert und PA aus Gründen der Kosteneinsparung eingesetzt werden und so die Behandlungsqualität leide 10 11 . Die Personalnot im deutschen Gesundheitswesen ist jedoch mittlerweile so groß, dass ÄrztInnen neben der eigenen Gesundheit auch die der PatientInnen als gefährdet ansehen 12 . Gutachten, welche sich mit Maßnahmen gegen den Ärztemangel in Deutschland befassen, empfehlen seit Jahren unter anderem die Delegation ausgewählter ärztlicher Tätigkeiten 13 . Unter Berücksichtigung des demographischen Wandels und des Personalmangels wurde in Sachsen explizit der Studiengang „Arztassistent“ als Konzept für die Bewältigung des Ärztemangels empfohlen 14 . Von uns befragte ÄrztInnen sehen teilweise durch PA die Versorgungsqualität verbessert. Mögliche Gründe dafür werden ebenfalls genannt: so seien PA konstante Ansprechpartner, kennen die lokalen Gegebenheiten und haben zum Teil langjährige berufliche Vorerfahrungen. Insbesondere die Versorgungsqualität sollte zukünftig weiter untersucht werden.

Alle AbsolventInnen der befragten Kohorte waren zum Zeitpunkt der Befragung berufstätig, überwiegend in Vollzeit und im stationären Sektor eingesetzt und alle dem ärztlichen Dienst zugeordnet. Die Einsatzbereiche und das Tätigkeitsportfolio sind trotz der kleinen Fallzahl ausgesprochen vielfältig. Einen Schwerpunkt bilden die administrativen Tätigkeiten, ein Feld in welchem die ÄrztInnen besonders hohen Bedarf für Entlastung bekunden 2 . Die medizinischen Tätigkeiten zeigen, dass PA vor allen Dingen vor- und nachbereitend zu den Kernaufgaben des ärztlichen Handelns tätig werden, also zur Diagnosefindung, Therapiefestlegung und –durchführung beitragen. In dem von uns untersuchten Beispiel wurde die Gesamtaufenthaltsdauer durch die Mitarbeit einer PA im ärztlichen Team nicht verlängert. Diese Daten zeigen, dass PA die von der Bundeärztekammer und Kassenärztlichen Bundesvereinigung vorgesehenen Tätigkeiten übernehmen 4 . Interessant ist, dass die PA alle im Tagdienst eingesetzt werden, obwohl die Delegation von ärztlichen Tätigkeiten grundsätzlich auch im Schichtsystem möglich ist 3 . Die rechtliche Situation der PA ist weiterhin ein klärungsbedürftiges Handlungsfeld.

Die kleine TeilnehmerInnenzahl limitiert die Übertragbarkeit der hier präsentierten Daten. Der Mangel an vergleichbaren Publikationen vor dem Hintergrund der Bedeutung des Themas zeigt, wie dringend Daten zum Berufsbild PA in Deutschland gebraucht werden.

Fazit für die Praxis.

  1. ÄrztInnen mit mehrjähriger Zusammenarbeit mit Physician Assistants sind mit diesen sehr zufrieden und entlastet.

  2. Physician Assistants bearbeiten ein großes Portfolio verschiedener Aufgaben und sind mit ihrer Tätigkeit sehr zufrieden.

  3. In unserem Beispiel einer interdisziplinären Notaufnahme wurden die Prozesszeiten durch die Mitwirkung einer PA nicht verlängert.

  4. Die rechtliche Situation der PA in Deutschland ist ein klärungsbedürftiges Handlungsfeld.

Footnotes

Interessenkonflikt Tanja Meyer-Treschan, Barbara Veltjens, Nabeel Farhan und Julia Siegmüller sind oder waren hauptberuflich an Fachhochschule tätig, welche den Studiengang Physician Assistance anbieten. Ann Kathrin Stegemann, Julia Sebastian und Sarah Hatwich haben Physician Assistance studiert und arbeiten als Physician Assistants. Martin Beiderlinden und Ralf Siepe haben als Ärzte Physician Assistants in ihr Team integriert. Alle Autoren sind daher daran interessiert, das Berufsbild der Physician Assistants in das deutsche Gesundheitswesen erfolgreich einzubinden. Andere Interessenkonflikte, besonders im Sinne finanzieller Abhängigkeiten, bestehen nicht.

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Associated Data

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