Skip to main content
Thieme Open Access logoLink to Thieme Open Access
. 2022 Aug 22;84(08-09):706. [Article in German] doi: 10.1055/s-0042-1753574

Homöopathie als distinktive Praxis sozialer Milieus. Querschnittstudie anhand Daten des European Social Survey

D Röding 1
PMCID: PMC11248907

Einleitung  Während der COVID-Pandemie kamen Widerstände gegen offizielle Maßnahmen unter anderem verstärkt aus einem Mittelschichtsmilieu mit hohem kulturellen Kapital, das der Schulmedizin kritisch und der Alternativmedizin offen gegenübersteht. Soziale Milieus finden ihre Identität in der Unterscheidung ihres Lebensstils im Vergleich zu denen anderer. Bei der Analyse des genannten Problems ist daher nicht allein die milieuspezifische Ausstattung mit Ressourcen relevant, sondern auch die Logik, nach der die einzelnen Milieus ihre Ressourcen für oder gegen etwas einsetzen. Der Beitrag untersucht die These, dass die Inanspruchnahme von Homöopathie Postmaterialisten (PM) auch dazu dient, sich horizontal von Materialisten (MA) und Konservativ-Gehobenen (KONG) sowie vertikal vom Prekariat (PREK) abzugrenzen und sich den über sie stehenden Liberal-Intellektuellen (LIBI) zu nähern. Dabei werden die Werteorientierungen Self-Direction (Openness to Change) und Universalismus (Self-Transcendence) im Sinne des Bourdieuschen Habituskonzepts als mögliches Scharnier zwischen Milieuzugehörigkeit (sozialer Raum) und Inanspruchnahme von Homöopathie (Raum der Lebensstile) untersucht.

Methoden  Datenbasis ist die deutsche Stichprobe (n=3.045) der 2014 durchgeführten Runde 7 des European Social Survey. Die Bestimmung der Milieuzugehörigkeit der Befragten wurde mit einem validierten Klassenmilieu-Schema durchgeführt. Mittels binär-logistischer Regression wurde untersucht, inwiefern Milieuzugehörigkeiten, Einkommen, Bildung, Universalismus und Self-Direction mit der Inanspruchnahme von Homöopathie assoziiert sind. Berichtet werden Odds Ratio (OR).

Ergebnisse  Im unadjustierten Modell nutzen MA (OR 0,44), KONG (OR 0,71) und das PREK (OR 0,40) mit signifikant geringerer Wahrscheinlichkeit Homöopathie als PM. Werden Alter, Geschlecht, Einkommen und Bildung ins Modell aufgenommen, nutzen MA (OR 0,64), KONG (0,56), das PREK (OR 0,54) als auch LIBI (0,53) mit signifikant geringerer Wahrscheinlichkeit Homöopathie als PM. Je höher das Einkommen (OR 1,47) und die Bildung (OR 3,40), desto wahrscheinlicher die Inanspruchnahme von Homöopathie. Werden zusätzlich die beiden Werteorientierungen ins Modell aufgenommen, zeigen sich für Universalismus (OR 1,59), Self-Direction (OR 1,37), hohes Einkommen (1,55) und hohe Bildung (2,73) erhöhte, für MA (OR 0,71), KONG (0,64), LIBI (0,54) und das PREK (OR 0,62) geringere Wahrscheinlichkeiten, Homöopathie in Anspruch zu nehmen.

Schlussfolgerung  Mit dem Klassenmilieu-Schema konnten theoretisch postulierte horizontale Ungleichheiten in der Inanspruchnahme von Homöopathie nachgewiesen werden, die klassische SES-Indikatoren nicht aufzudecken vermögen und die sich, wie sich gezeigt hat, nicht über milieuspezifische Ungleichheiten in ökonomischen und kulturellen Ressourcen erklären lassen.


Articles from Gesundheitswesen (Bundesverband Der Arzte Des Offentlichen Gesundheitsdienstes (Germany) are provided here courtesy of Thieme Medical Publishers

RESOURCES