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. Author manuscript; available in PMC: 2017 Oct 1.
Published in final edited form as: Onkologe (Berl). 2016 Aug 4;22(10):725–736. [Article in Scottish Gaelic] doi: 10.1007/s00761-016-0092-7

Epidemiologie, Prävention und Früherkennung des Zervixkarzinoms

Epidemiology, prevention and early detection of cervical cancer

Nicolas Wentzensen 1
PMCID: PMC5336232  NIHMSID: NIHMS813224  PMID: 28265177

Zusammenfassung

Hintergrund

Persistierende Infektionen mit humanen Papillomviren sind die notwendige Ursache des Zervixkarzinoms. Die Entwicklung von HPV-basierten Präventionsverfahren, der HPV Impfung und der HPV-Testung, führt derzeit zu umfangreichen Veränderungen von Zervixkarzinom-Vorsorgeprogrammen. Eine Dekade nach Einführung der HPV-Imfpung in vielen Ländern werden bereits Reduktionen von HPV-Infektionen und Krebsvorstufen in jungen Frauen beobachtet. Der Fokus liegt jetzt auf der Integration von neuen Testverfahren im Screening von Populationen mit zunehmenden Impfraten.

Ergebnisse und Schlussfolgerung

Ein erfolgreiches Zervixkarzinom-Vorsorgeprogramm besteht aus verschiedenen Komponenten, vom primären Screening über die Triage zur Kolposkopie mit Biopsie, um Frauen mit Kresbvorstufen zu identifizieren, die eine therapeutische Intervention benötigen. Im primären Screening wird eine kleine Gruppe von Frauen mit erhöhtem Risiko für eine Krebsvorstufe identifiziert, während die grosse Mehrheit kein erhöhtes Risiko hat. Je nach primärem Testverfahren werden in screen-positiven Frauen zusätzliche Triage-Tests durchgeführt, um zu entscheiden, wer zur Kolposkopie überwiesen werden sollte. Derzeit gibt es drei verschiedene Ansätze für das primäre Zervixkarzinomscreening: Die Zervix-Zytologie, die HPV-Testung, und die HPV-Zytologie Ko-Testung. Zahlreiche Triage-Tests für HPV-positive Frauen werden derzeit untersucht, darunter sind die Zytologie, HPV-Genotypisierung, p16/Ki-67 Zytologie, und diverse Methylierungstests. Die steigende Anzahl an Optionen für die Früherkennung des Zervixkarzinoms stellt eine Herausforderung für klinische Leitlinien dar. Die zunehmende Komplexität von Vorsorgeprogrammen kann zur Verunsicherung von Ärzten und von am Screening teilnehmenden Frauen führen. Die Präzisions-Prävention des Zervixkarzinoms ist eine neuer Ansatz, der umfangreiche Risikodaten basierend auf der individuellen Vorgeschichte und von Testergebnissen integriert und einheitliche, Risiko-basierte Managementempfehlungen gibt.

Schlüsselwörter: Zervixkarzinom, HPV, Screening, Biomarker, Risiko-basiertes Management

Keywords: Cervical cancer, HPV, screening, biomarker, risk-based management

Einführung

Die niedrige Inzidenz des Zervixkarzinoms in den meisten Industrienationen ist die grösste Erfolgsgeschichte eines Krebs-Screeningprogramms. Nach Einführung des Pap-Abstrichs in vielen Ländern in den 60er und 70er Jahren ist die Zervixkarzinominzidenz dort dramatisch zurückgegangen (1). Erstaunlicherweise wurden diese Erfolge erreicht, ohne die Karzinogenese des Zervixkarzinoms zu verstehen, und ohne eine einzige randomisierte Screeningstudie durchgeführt zu haben.

Seitdem in den 1980er–90er Jahren die kausale Rolle von humanen Papillomviren beim Zervixkarzinomen etabliert wurde (2), haben sich zahlreiche neue Möglichkeiten der Prävention ergeben, die jetzt in die Praxis umgesetzt werden (3). Die erfolgreiche Entwicklung von HPV Impfstoffen führt schon jetzt zu einer Reduktion von HPV-assoziierten Erkrankungen in Ländern mit hohen Impfraten (4;5). HPV-Testverfahren ermöglichen es, das Screening effizienter zu gestalten, insbesondere in geimpften Populationen. Eine neue S3 Leitlinie zur Prävention des Zervixkarzinoms, in der diese Entwicklungen eine wichtige Rolle spielen, wird derzeit fertiggestellt. Diese Übersichtsarbeit fasst die aktuellen Entwicklungen zusammen, mit einem besonderen Fokus (1) auf risiko-basierten Screening- und Managementansätzen im Rahmen der precision prevention‘ und (2) auf der Integration von HPV-Impfung und Screening.

Epidemiologie des Zervixkarzinoms

Weltweit verursachen Hochrisiko-HPV Typen etwa 600,000 invasive Karzinome und 300,000 Todesfälle pro Jahr (6). Davon machen Zervixkarzinome mit 500,000 Karzinomen den Grossteil aus. Die Inzidenz des Zervixkarzinoms variiert sehr stark geographisch, von 2 pro 100,000 Frauen pro Jahr in Palästina bis zu 76 pro 100,000 Frauen pro Jahr in Malawi (6;7). Die Zervixkarzinom-Inzidenz korreliert invers mit dem Index für humane Entwicklung (Human Development Index, HDI), einem Wohlstandsindikator der auf durchschnittlichen Einkommen, Bildung und Lebenserwartung der Bevölkerung eines Landes beruht. In Entwicklungsländern, insbesondere in Afrika südlich der Sahara, ist das Zervixkarzinom immer noch das häufigste Malignom bei Frauen. Im Gegensatz dazu ist die Inzidenz in Industrienationen in den letzten Jahrzehnten aufgrund des Zervixkarzinomscreenings stark zurückgegangen (1). In Deutschland erkrankten im Jahre 2010 4,660 Frauen an einem Zervixkarzinom (altersstandardisierte Inzidenz: 9 pro 100,000 Frauen) und 1,524 starben an den Folgen eines Zervixkarzinoms (altersstandardisierte Sterberate 2.5 pro 100,000) (8). Das mittlere Erkrankungsalter des Zervixkarzinoms in Deutschland ist 53 Jahre, deutlich jünger als das der meisten anderen Krebserkrankungen.

Die zwei wichtigsten Subtypen des Zervixkarzinoms sind das häufige Plattenepithelkarzinom (80–90% aller Karzinome) und das seltenere Adenokarzinom (5–10% aller Karzinome). Beide Typen werden von Papillomviren verursacht, mit dem Unterschied dass HPV18 einen grösseren Anteil der Adenokarzinome verursacht im Vergleich zu Plattenepithelkarzinomen. Adenokarzinome entstehen weiter oben im Zervikalkanal als Plattenepithelkarzinome und sind deshalb schwieriger zu diagnostizieren.

Das mehrstufige Karzinogenesemodell des Zervixkarzinoms basiert auf der Integration von molekularen, pathologischen und epidemiologischen Daten (Abbildung) (9). Der erste Schritt ist die Infektion des Zervixepithels im Bereich der Transformationszone mit humanen Papillomviren. Die meisten HPV-Infektionen sind nach 1–2 Jahren nicht mehr nachweisbar. Wenn HPV-Infektionen über einen längeren Zeitraum persistieren, erhöht sich das Risiko einer hochgradigen Dysplasie. Nur eine Minderheit der unbehandelten hochgradigen Dysplasien entwickelt sich über die nächsten 30 Jahre zu einem invasiven Karzinom (10).

Die etablierten Risikofaktoren für das Zervixkarzinom spielen dabei an unterschiedlichen Zeitpunkten in der Karzinogenese eine Rolle (11) (Abbildung 1). Das Alter des ersten sexuellen Kontaktes, die Anzahl der Partner und das Sexualverhalten sind alles Faktoren die die HPV-Akquisition beeinflussen. Rauchen ist mit der Progression einer HPV-Infektion zu einer Krebsvorstufe assoziiert. Orale Kontrazeptiva sind mit dem Zervixkarzinom assoziiert, weil sie zum Einen mit dem Sexualverhalten korrelieren, und weil zum Anderen direkte Effekte der Hormone auf die Karzinogenese vermutet werden. Es gibt Hinweise darauf, dass genetische Faktoren, zum Beispiel der HLA Status, eine Rolle bei der HPV Persistenz und Progression zur Dysplasie spielen, aber die detaillierten Mechanismen und die Stärke der Assoziation sind derzeit nicht bekannt.

Abbildung 1.

Abbildung 1

Zervixkarzinom-Progressionsmodell und Risikofaktoren

Im klinischen Management spielen diese Risikofaktoren keine oder nur eine geringe Rolle, da sie entweder Surrogate für die HPV-Infektion sind, die direkt gemessen werden kann, oder weil die Assoziationen nicht stark genug sind um das klinische Management zu beeinflussen.

Prävention des Zervixkarzinoms

Das Zervixkarzinom wird durch persistierende Infektionen mit einem von13–15 verschiedene karzinogenen HPV-Typen verursacht (3). Allerdings variiert das Risiko stark zwischen den unterschiedlichen Typen: HPV16 verursacht etwa 50–60% aller Karzinome weltweit, gefolgt von HPV18, das etwa 10–15% der Karzinome verursacht (12). Die anderen Typen spielen eine deutlich geringere Rolle (Abbildung 2). Aufgrund der Bedeutung von HPV16 und HPV18 wurden die ersten HPV Impfstoffe für diese zwei Typen entwickelt. Zwei Impfstoffe kamen in den 2000ern auf den Markt: Cervarix, ein bivalenter Impfstoff gegen HPV16 und HPV18, und Gardasil, ein quadrivalenter Impstoff der zusätzlich noch die Typen HPV6 und HPV11 beeinhaltet, die mit Genitalwarzen assoziiert sind (13). Die Impfungen induzieren hohe Antikörper-Titer, die gegen die spezifischen Virustypen gerichtet sind. Zum Teil können diese Antikörper durch Kreuzreaktionen auch gegen nah verwandte HPV Typen wirksam sein. Beide Impfstoffe wurden ausserordentlich erfolgreich in grossen randomisierten Studien untersucht (13). Der Impfschutz gegen Neuinfektionen mit HPV16 oder HPV18 ist höher als 90% in Frauen, die zum Zeitpunkt der Impfung keine HPV16/18 Infektion haben. Die HPV-Impfung wird in der Regel sehr gut toleriert und hat kaum Nebenwirkungen (14). Gegen bestehende Infektionen oder Krebsvorstufen konnte keine überzeugende Wirksamkeit der Impfstoffe gezeigt werden (15). In langjährigen Nachbeobachtungsstudien wurde weiterhin ein sehr hoher Impfschutz beobachtet (13). Generell sollte die Impfung am besten vor Beginn der sexuellen Aktivität erfolgen. Studien haben gezeigt, dass bei jüngerem Impfalter höhere Antikörper-Titer erreicht werden können. Während Impfempfehlungen sich in Details international unterscheiden, gibt es wichtige Gemeinsamkeiten, zum Beispiel die Empfehlung, die Impfung im Alter von 11–12 Jahren durchzuführen. Aufgrund des beobachteten langfristigen Impfschutzes gibt es derzeit keine Empfehlungen für Boosterimpfungen.

Abbildung 2.

Abbildung 2

Karzinogene HPV Typen in Zervixkarzinomen weltweit

Die ursprünglichen Impfzyklen umfassten 3 Dosen innerhalb von 6 Monaten.. Zunehmend gibt es Daten von Frauen, die nur 2 der 3 Dosen erhalten haben, die aber einen vergleichbaren Impfschutz haben (16). Die WHO hat deshalb ihre Empfehlungen geändert und bewertet eine 2-Dosen Impfung als ausreichend (13).

Vor kurzem wurde eine Weiterentwicklung der quadrivalenten Vakzine zugelassen, eine Neunfachimpfung, die die Hochrisiko-Typen 16, 18, 31, 33, 45, 52, 58 beinhaltet, zusätzlich zu HPV6 und HPV11 (Abbildung 2). Diese Kombination deckt über 90% aller Karzinome ab erweitert damit den Impfschutz beträchtlich. Es wird erwartet, dass dieser Impfstoff zunehmend die quadrivalente Impfung ersetzt. Inzwischen wurde gezeigt, dass die Impfung auch gegen HPV-Infektionen im Analbereich und im Kopf-Halsbereich schützt, was den Effekt der Impfung auf andere, seltenere Tumorentitäten ausdehnt (17;18).

Die HPV-Impfung ist sehr unterschiedlich organisiert. In einigen Ländern, wie zum Beispiel Australien, gibt es organisierte Impfprogramme mit einer sehr hohen Bevölkerungsabdeckung. In anderen Ländern, wie in Deutschland und den USA, ist die Impfung nicht organisiert und die Teilnahme an der HPV Impfung deutlich geringer. In einigen Ländern wird die Impfung auch für Jungen empfohlen, zum einen aufgrund der Prävention von Genitalwarzen, Analkarzinome, Kopf-Hals-Tumoren, zum anderen weil dadurch eine bessere Herdenimmunität erreicht werden kann.

Früherkennung des Zervixkarzinoms

Trotz der erfolgreichen Einführung der HPV Impfung wird es für einige Jahrzehnte notwendig sein, ein Zervixkarzinomscreening anzubieten: Die Impfung wird derzeit bei jungen Mädchen durchgeführt, die erst 10–20 Jahre nach Impfung das Screeningalter erreichen. Die bisherigen Impfungen schützen nur gegen HPV16 und HPV18, aber nicht gegen andere Hochrisikotypen. Ausserdem ist die Abdeckung der Bevölkerung in den meisten Ländern derzeit nicht hoch genug, um das Screening aufzugeben. Das Screening sollte aber effizienter gestaltet werden und an die veränderten Bedingungen in geimpften Bevölkerungen angepasst werden.

Wichtige Parameter für die Entwicklung eines Screeningprogrammes sind die Auswahl des primären Screeningverfahrens (Zytologie, HPV Test), das Alter bei der ersten Früherkennungsuntersuchung, das Screeningintervall, das Alter der letzten Früherkennungsuntersuchung, das Management von Screen-positiven Frauen, und die Therapie.

Es gibt derzeit 3 verschiedene Ansätze für das Zervixkarzinomscreening (19): Die Zervix-Zytologie, basierend auf dem Pap-Abstrich, ist noch immer der am weitesten verbreitete Screeningtest. Die verschiedenen Varianten der Zytologie beinhalten den konventionellen Abstrich und flüssigkeitsbasierte Verfahren, die entweder komplett manuell oder computerassistiert ausgewertet werden können.

Die HPV-Testung als primärer Screeningtest wurde in den letzten 10 Jahren in vielen randomisierten Studien erfolgreich untersucht (20). In diesen Studien konnte die Überlegenheit der HPV-Testung gezeigt werden, mit einer früheren Detektion von Krebsvorstufen in den HPV-Armen und einer langfristigen Reduktion des Zervixkarzinoms durch die HPV Testung (21). Eine dritte Variante ist die HPV-Zytologie Ko-Testung, bei der beide Verfahren in allen Frauen gleichzeitig angewendet werden. Dieser Ansatz hat die höchste Sensitivität, allerdings ist die zusätzliche Detektion, die durch die Kombination erreicht wird nur marginal, während in allen Frauen 2 Tests durchgeführt werden müssen (22). Derzeit wird die Ko-Testung nur in den USA empfohlen (23).

Aufgrund der hohen Sensitivität des HPV Tests können die Screeningintervalle in HPV-negativen Frauen gegenüber Zytologie-negativen Frauen verlängert werden. Ein optimales Screeningintervall ist der Zeitpunkt, an dem die meisten Krebsvorstufen detektiert werden, ohne dass ein Karzinom auftritt. Wenn die Screeningintervalle zu kurz sind, dann sinkt die Prävalenz der Krebsvorstufen in der nächsten Runde. Für HPV-basierte Screeningprogramme ist ein 5-Jahres Abstand in der Regel ausreichend, und bei Frauen, die wiederholt HPV-negativ waren, können die Abstände sogar noch verlängert werden. Allerdings setzt dies voraus, dass Frauen nach diesem Intervall auch tatsächlich wieder zum Screening kommen. In organisierten, einladungsbasierten Screeningprogrammen können die Screeningintervalle am Besten optimiert werden. In opportunistischen Programmen besteht die Gefahr, dass Frauen entweder zu häufig oder zu selten zur Vorsorge kommen.

Die meisten derzeit erhältlichen kommerziellen HPV Testverfahren haben ähnliche Sensitivität und Spezifität fuer Krebsvorstufen und können fürs primäre Screening eingesetzt werden. Ein wichtiger Vorteil eines HPV-basierten Screenings besteht darin, dass Frauen, die nicht an der Vorsorge beim Gynäkologen teilnehmen, eine Selbst-Kollektion für einen HPV-Test durchführen können. In den Niederlanden wird self-sampling‘ derzeit in klinischen Studien untersucht, um die Teilnahme am organisierten Zervixkarzinomscreening zu erhöhen (24). In Entwicklungsländern können mit self-sampling‘ Frauen erreicht werden, die sonst keinen Zugang zu einer gynäkologischen Einrichtung haben. Natürlich muss in diesen Situationen gewährleistet sein, dass screen-positive Frauen Zugang zu adäquatem Management und Therapie haben.

Management von screen-positiven Frauen

Bei allen Screeningansätzen sind zusätzliche Verfahren notwendig, um zu entscheiden, wer unter den screen-positiven Frauen eine Therapie benötigt. Eine Diagnose, die für die Therapie-Indikationsstellung notwendig ist, wird in der Regel aufgrund der histologischen Untersuchung der kolposkopischen Biopsie gestellt. Da nicht alle screen-positiven Frauen zur Kolposkopie überwiesen werden können, werden zusätzliche Triage Verfahren eingesetzt. Im zytologischen Screening wird der HPV-Test zur Triage von niedriggradigen zytologischen Veränderungen verwendet (25). Im Gegensatz dazu benötigen in einem HPV-basierten Screeningansatz alle HPV-positiven Frauen einen Triagetest, um die Frauen zu identifizieren, die ein erhöhtes Risiko haben und eine Kolposkopie benötigen (19).

Biomarker für die Triage von Screen-positiven Frauen

Zahlreiche Testverfahren für Zervixkarzinomvorstufen werden derzeit als mögliche Triagemarker untersucht (Abbildung 3) (26;27). Die meisten primärem HPV Screening-Ansätze empfehlen die Zytologie für die Triage. Aufgrund der erhöhten Prävalenz von Krebsvorstufen in HPV-positiven Frauen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung, und weil viele niedriggradige zytologische Veränderungen in HPV-negativen Frauen nicht vorkommen, wird erwartet, dass die Zytologie in der Triage bessere Ergebnisse zeigt als im primären Screening. Dementsprechend haben mehrere Studien gezeigt, dass die Sensitivität der Zytologie höher ist, wenn die histologische Beurteilung mit Kenntnis des HPV-Status erfolgt (28;29).

Abbildung 3.

Abbildung 3

Biomarker fuer Krebsvorstufen

Das Risiko für Krebsvorstufen und Karzinome ist sehr unterschiedlich für einzelne HPV Typen, die in der Hochrisikogruppe von 13 bis 14 Typen zusammengefasst werden (12). Daher kann die HPV-Genotypisierung zur Risikostratifizierung eingesetzt werden. Weltweit hat HPV16 die stärkste Assoziation mit dem Zervixkarzinom, gefolgt von HPV18 (12). Da es klinisch nicht sinnvoll ist, eine vollständige Genotypisierung für alle individuellen HPV-Typen durchzuführen, wird diskutiert, welche Typen in einem Genotypisierungstest detektiert werden sollten. HPV16 und HPV18, und seltener HPV45, sind in derzeit erhältlichen HPV Tests mit Typisierung enthalten. Obwohl HPV18 in Krebsvorstufen seltener vorkommt als mehrere andere HR Typen, wird es aufgrund seines hohen Anteils in Karzinomen, und insbesondere in Adenokarzinomen, in Genotypisierungstests eingeschlossen. Generell erhöht der Einschluss zusätzlicher Typen die Sensitivität, während die Spezifität sinkt, daher muss sich die Diskussion über den Umfang der Genotypisierung an der klinischen Anwendung orientieren (30;31). Im Gegensatz dazu sollte die Motivation, zusätzliche Typen in Testverfahren einzuschliessen, nicht sein, ein Alleinstellungsmerkmal für einen bestimmten Test zu schaffen. In den USA ist die HPV-Genotypisierung für HPV16 und HPV18 zugelassen als Teil der HPV-Screeningstrategie (32). HPV16/18 positive Frauen werden direkt zur Kolposkopie überwiesen, während Frauen, die positiv für die anderen 12 HR Typen testen, zytologisch untersucht werden.

Einen anderen Ansatz zur Triage stellt die p16/Ki-67 dual stain (DS) Zytologie dar. Das zelluläre Protein p16 ist ein Surrogat für die Aktivität des HPV Onkoproteins E7 und wird in HPV-transformierten Zellen stark exprimiert. Der DS-Test kombiniert die Färbung für p16 mit dem zusätzlichen Nachweis eines Proliferationsmarkers, Ki-67; bei Nachweis einer doppelt gefärbten Zelle gilt der Test als positiv. Der DS-Test wurde in grossen Studien zum primären Screening (33) und zur Triage von HPV-positiven Frauen untersucht (29;34). Die Daten zur HPV Triage zeigen, dass DS-positive Frauen zur Kolposkopie überwiesen werden sollten, während HPV-positive, DS-negative Frauen 1 bis 2 Jahre beobachtet werden können.

Mehrere andere Triagemarker werden derzeit untersucht, darunter zelluläre (3537) und virale Methylierungstests (3840), Testverfahren für chromosomale Veränderungen (41) und der Nachweis von HPV mRNA und HPV-Proteinen (27).

Kolposkopie, Biopsie und histologische Diagnose

In den meisten Screeningprogrammen ist die Kolposkopie mit Biopsie das zentrale Verfahren zur Diagnosestellung. Eine akkurate Diagnose setzt voraus, dass eine Biopsie an der richtigen Stelle durchgeführt wird und dass die Biopsie korrekt histologisch beurteilt wird. Die kolposkopische Beurteilung beinhaltet einen Gesamteindruck und die Identifizierung von optimalen Biopsiestellen. Die kolposkopische Beurteilung ist ein subjektives Verfahren mit teilweise limitierter Reproduzierbarkeit. Ein revidierte Kolposkopie-Terminologie wurde 2011 von der Internationalen Kolposkopie Gesellschaft (IFCPC) eingeführt, die das Ziel verfolgt, die Reproduzierbarkeit zu verbessern, Terminologien weltweit zu vereinheitlichen, und die kolposkopsche Beurteilung mit der Therapieplanung zu verbinden (42). Mehrere Studien haben gezeigt, dass durch eine erhöhte Anzahl an kolposkopischen Biopsien die Detektion von Krebsvorstufen verbessert werden kann (43;44). Auf der anderen Seite gibt es prospektive Daten, die zeigen dass bei einer negative Kolposkopie bei Frauen mit niedriggradigen zytologischen Veränderungen ein sehr geringes Risiko für eine Krebsvorstufe besteht (44;45). Daher sollte die kolposkopische Praxis an das individuelle Risiko angepasst werden. Mit der zunehmenden Implementierung der HPV-Testung im primären Screening wird es neue Herausforderungen für die Kolposkopie geben, da kleinere Läsionen im Screening identifiziert werden, die in der Kolposkopie schwerer zu diagnostizieren sind.

Im Jahre 2013 wurde eine neue histologische Terminologie von Zervixläsionen vorgestellt, die auf einer Kombination von morphologischer Bewertung und p16-Färbung beruht (46). Dabei werden die histologischen Veränderungen in 2 Gruppen unterteilt, niedriggradige Läsionen (low grade squamous intraepithelial lesions, LSIL), die alle CIN1 einschliessen, und hochgradige Läsionen (high grade squamous intraepithelial lesions, HSIL), die alle CIN3 Läsionen einschliessen. CIN2 Läsionen sind eine heterogene Gruppe, die sowohl harmlose Infektionen als auch Kresbsvorstufen beinhalten. Basierend auf der p16 Färbung werden p16-positive CIN2 als HSIL und p16-negative CIN2 als LSIL klassifiziert. Der Nachteil dieser dichotomen Klassifizierung ist, dass es konservativeres Management von CIN2, insbesondere bei jüngeren Frauen, erschwert. Deshalb ist es weiterhin relevant, den CIN-Grad zusätzlich zur LAST-Terminologie zu berichten.

Integration von Impfung und Früherkennung

In den letzten 10 Jahren wurde die HPV-Impfung in den meisten Industrienationen eingeführt (13). Die Impfprogramme sind auf junge Mächen fokussiert, aber in vielen Ländern wurden bei der Implementierung initial auch Impfungen von Fraen bis zu einem Alter von 26 Jahren durchgeführt. Die ersten geimpften Kohorten erreichen daher jetzt das Alter, in dem die Früherkennung durchgeführt wird.

In Australien wurde 2007 ein nationales HPV-Impfprogramm eingeführt, das in kurzer Zeit eine hohe Bevölkerungsabdeckung erreicht hat. Das Programm hat bereits jetzt zu einer starken Reduktion von HPV Infektionen, Genitalwarzen und Krebsvorstufen bei jungen Frauen geführt (4;5;13). Ähnliche Effekte wurden in anderen Ländern beobachtet.

Eine grosse Herausforderung ist, dass in einer partiell geimpften Bevölkerung das Risiko eines Zervixkarxinoms individuell stark variiert. Das Risiko wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst: 1. Wurde eine Impfung durchgeführt? 2. Fand die Impfung vor dem ersten sexuellen Kontakt statt? 3. Wieviele Impfdosen wurden verabreicht? 4. Selbst wenn keine Impfung durchgeführt wurde, wie hoch ist die Herdenimmunität in der Bevölkerung? Für eine individuelle Risikoeinschätzung müssten alle diese Faktoren zusammen mit Ergebnissen aus vorherigen Vorsorgeuntersuchungen beurteilt werden. Da es unrealistisch ist, solch detailierte Information zur HPV-Impfung aus der Anamnese zu erhalten, wäre ein nationales, einfach zugängliches Impfregister notwendig, das derzeit in Deutschland nicht existiert. Ein alternativer Ansatz verwendet den gleichen Screening-Ansatz für vakzinierte und unvakzinierte Frauen, so dass individuelle Information zum Impfstatus nicht notwendig sind. In einem Screeningprogramm das auf HPV Testung mit partieller Genotypisierung beruht, ist der entscheidende Risikoindikator der HPV-Status zum Zeitpunkt der Testung. Mit zunehmender Impfabdeckung und Herdenimmunität wird es möglich sein, das Eintrittsalter ins Screening zu erhöhen und die Screeningintervalle zu verlängern.

Risiko-basierter Ansatz: Precision Prevention‘ des Zervixkarzinoms

Die Vielfalt an Testverfahren und prophylaktischen Impfstoffen zur Prävention des Zervixkarzinoms ist eine Folge der grossen Fortschritte, die beim Verständnis der Biologie von Papillomviren und der Karzinogenese des Zervixkarzinoms gemacht wurden. Mit verschiedenen Testverfahren ist es jetzt moeglich, das Risiko einer Krebsvorstufe mit hoher Präzision vorherzusagen. Derzeit wird eine umfangreiche S3-Leitlinie zur Prävention des Zervixkarzinoms in Deutschland fertiggestellt, die einen starken Fokus auf HPV-basierten Präventionsansätzen (HPV-Impfung und HPV-Testung) hat. Zur gleichen Zeit werden kontinuierlich neue Testverfahren entwickelt und in klinischen Studien evaluiert, die zu weiteren Verbesserungen des Screenings führen können. Einige neue Verfahren, wie neue HPV Tests mit Genotypisierung, haben sehr ähnliche Charakteristika wie bereits etablierte Tests, während neue Triagetests, wie p16/Ki-67 und Methylierung, das Spektrum der etablierten Verfahren erweitern können. Es ist wünschenswert, neue, erfolgreich ausgewertete Testverfahren schnell in der klinischen Praxis einzuführen. Allerdings ist es nicht möglich, für jedes Testverfahren und für jede Testkombination neue Leitlinien zu entwickeln.

Ein neuer Ansatz zur Entwicklung von Leitlinien und klinischen Empfehlungen beruht auf dem Prinzip der Precision Prevention‘, oder Prazisions-Prävention (Abbildung 4). Dabei wird für ein bestimmtes Krankheitsrisiko ein einheitliches klinisches Management durchgeführt, unabhängig davon, durch welches Testverfahren das Erkrankungsrisiko bestimmt wird. Zentrale Aufgabe der klinischen Leitlinienentwicklung ist bei diesem Ansatz, die Höhe des Risikos festzulegen, bei der bestimmte klinische Interventionen notwendig sind. Diese Entscheidungen können zum Teil durch das Alter der untersuchten Frau, die compliance, und die Art des Screeningprogramms (organisiert, opportunistisch) modifiziert werden. Unabhängig davon werden neue Testverfahren entwickelt und ausgewertet. Das absolute Risiko einer Erkrankung, das durch den neuen Test anzeigt wird, bestimmt dann die Einsatzbereiche des neuen Verfahrens.

Abbildung 4.

Abbildung 4

Prinzip des Risiko-basierten Managements und der precision prevention beim Zervixkarzinom

Mit diesem Ansazt wird die Entwicklung von Richtlinien und Empfehlungen in zwei zentrale Bereiche unterteilt: Die Festlegung eines standardisierten, Risiko-basierten klinischen Managements auf der einen Seite, und die Evaluierung neuer Testverfahren im Kontext dieser Risikowerte auf der anderen Seite.

Es besteht die Gefahr, dass die vielen Optionen zum Zervixkarzinomscreening und die Komplexität der Verfahren zu starker Verunsicherung sowohl von Frauen, die am Screening teilnehmen, als auch von Ärzten, die das Screening durchführen, führen kann. Daher muss die Präzision, die mit der Vielzahl an Testverfahren erreicht werden kann, gegen die Durchführbarkeit eines Vorsorgeprogrammes abgewogen werden. Insgesamt ist die Integration von Impfung und Vorsorgeuntersuchung für das Zervixkarzinom ein Paradebeispiel für einen erfolgreichen Precision Medicine‘ und Prevision Prevention‘ Ansatz.

Fazit

  • Persistierende Infektionen mit humanen Papillomviren (HPV) sind eine notwendige Ursache für die meisten Zervixkarzinome

  • Die Entwicklung von HPV-basierten Präventionsverfahren führt zu grossen Veränderungen von Vorsorgeprogrammen

  • Die HPV-Impfung ist sehr effizient und führt bereits jetzt zur Reduktion von HPV Infektionen und Krebsvorstufen in geimpften Bevölkerungen

  • Die HPV-Testung hat eine hohe Sensitivität für Krebsvorstufen und erlaubt es, Screeningintervalle in HPV-negativen Frauen zu verlängern

  • Zahlreiche Testverfahren zur Triage von HPV-positiven Frauen werden derzeit untersucht

  • Die effiziente Integration von Impfung und neuen Screeningverfahren stellt eine Herausforderung fuer Präventionsprogramme dar

  • Risiko-basierte Screeningempfehlungen erleichtern die Integration von neuen Testverfahren in bestehenden Präventionsprogrammen

Footnotes

Interessenskonflikt: Dr. Wentzensen ist Angestellter des National Cancer Institutes (NCI). Das NCI hat Assays fuer das Zervixkarzinomscreening zu reduzierten Kosten von den Firmen BD, Cepheid, Hologic, und Roche erhalten. Darüberhinaus bestehen keine Interessenskonflikte.

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