Abstract
Hintergrund
Der temporÄre Einsatz eines Magenballons zur Behandlung der Adipositas Grad1 und 2 nimmt weltweit zu; bei der Adipositas Grad 3 wird der Magenballon als adjuvantes Hilfsmittel zur prÄoperativen Gewichtsreduktion implantiert. Ziel dieser retrospektiven Kohorten analyse ist, die Wirksamkeit des Magenballons auf Gewichtsreduzierung und das Risikoprofil der Methode zu evaluieren.
Methoden
Retrospektive Kohortenanalysen aus 4 Adipositas-Zentren, in denen der Magenballon seit 2001 regelmÄßig implantiert wurde.
Ergebnisse
Von Februar2001 bis April 2008 wurde bei 634 Patienten ein Magenballon implantiert (BIBTM Intragastric Balloon System; Allergan Medical, Irvine, CA, USA). Die Geschlechterverteilung war 31,5% MÄnnerzu 68,5% Frauen; das Durchschnittsalter betrug 41,5 Jahre. Das durchschnittliche Ausgangsgewicht lag bei 126 kg. Der initiale BMI bei Implantation des Magenballons war 42,5 kg/m2. Die Implantation der Prothese war in allen FÄllen unkompliziert. Der durchschnittliche Gewichtsverlust lag bei 20,75 kg bzw. 7,05 BMI-Punkten.
Summary
The Gastric Balloon — a Retrospective Cohort Analysis with 634 Patients
Background
The temporary use of a gastric balloon for the treatment of obesity grade 1 and 2 is increasing worldwide, whereas in grade 3 obesity, it is implanted as a tool for preoperative adjuvant weight loss. The aim of this retrospective cohort analysis is to evaluate the effectiveness of weight reduction and to describe the risk profile of the method.
Methods
Retrospective cohort analysis of 4 obesity centers where gastric balloons had been regularly implanted since 2001.
Results
Between February 2001 and April 2008, the gastric balloon (BIBTM Intragastric Balloon System; Allergan Medical, Irvine, CA, USA) was implanted in 634 patients. The gender ratio was 31.5% males to 68.5% females; the average age was 41.5 years. The average initial weight was 126 kg. The initial BMI at implantation of the gastric balloon was 42.5 kg/m2. The implantation of the prosthesis was uncomplicated in all cases. Average weight loss was 20.75 kg or 7.05 BMI points, respectively.
SchlÜsselwÖrter: Magenballon, BIB, Kohortenanalyse, Adipositas, Minor-Komplikationen, Major-Komplikationen
Key Words: Gastric balloon, BIB, Cohort analysis, Obesity, Minor complications, Major complications
Einleitung
Die Entwicklung minimal invasiver Techniken in der Behandlung der Adipositas hat angesichts deren stark ansteigender Inzidenz großes Interesse geweckt. Dahinter stehen Sensibilisierung sowie Bewusstseinsänderungen in Bezug auf die Lebensqualität bei der Grunderkrankung Adipositas (ICD E66) mit einem BMI < 30. Zunehmend fließen Risiko-Nutzen-Analysen für verschiedene Verfahren und Techniken, unter anderem Reversibilität der Verfahren und Respektierung der anatomischen Organgegebenheiten, in die individuelle Patientenevaluierung ein.
Die ersten Magenballons wurden 1982 implantiert, jedoch mit wenig Erfolg, da das Material des Bezoars zu schweren Komplikationen wie Magenperforation sowie Darmverschluss nach Deflation führte (Ballobes − 500 ml, luftgefüllt, 4 Monate, Dänemark; Garren-Edwards Bubble - luftgefüllt, 220 ml, 3 Monate, USA).
Seit 1987 (Tarpon Springs, FL, USA) wurde mit einem Silikonelastomer gearbeitet, das diese Problematik deutlich reduzierte. Anfang der 1990er Jahre wurde der Magenballon auf den Markt gebracht, nachdem das Sicherheitsprofil deutlich verbessert wurde (BIB™ Intragastric Balloon System; Allergan Medical, Irvine, CA, USA) [2]. Sicherlich spielte auch die Weiterentwicklung der Protonenpumpenhemmer zu diesem Zeitpunkt eine weitere Rolle, um die Deflations- oder Ulkusrate zu senken.
* In memoriam unserem Freund und Kollegen Ingmar Pomhoff.
Material und Methoden
Indikation
Adipositas Grad 1 + 2:
– Frustrane konservative Therapie
– Patienten mit kardiovaskulärem Risiko
– Vorbehandlung vor/nach orthopädischen Eingriffen.
Adipositas Grad 3:
– Vorbehandlung vor Gastric Banding/Magenbypass/Sleeve Gastrectomy zur Senkung des perioperativen Risikoprofils.
Eine definitive Behandlung mit des Magenballons kann sicherlich nicht als «In and Out»-Behandlung angesehen werden. Supportive Therapien, wie Ernährungsberatung, Bewegungstherapie und Anstreben einer Lebensstilveränderung, sind oftmals eine Conditio sine qua non [1], jedoch nach den Erfahrungen der Autoren immer individualisiert auf den Patienten anzuwenden. Standardisierte Algorithmen auf die heterogene Gruppe der multifaktoriellen Erkrankung Adipositas anzuwenden, hat sich dort als nicht sinnvoll erwiesen. Dennoch sollte ein Leitfaden zum Follow-up mit monatlichen Erfolgskontrollen erfolgen. So ist eine monatliche sonografische Lagekontrolle des Ballons unerlässlich.
Kontraindikationen
Voroperation am Magen sowie bei Schwangerschaft, Alkoholerkrankung, Drogenabhängigkeit, Cortisontherapie, fehlender Motivation und Compliance, Phenprocoumon-Therapie und psychiatrischen Grunderkrankungen (Ausnahme: reaktive Depression).
Risikoprofil
Die Implantation des Magenballons birgt zunächst die allgemeinen Risiken einer interventionellen Endoskopie, die hier als bekannt vorausgesetzt werden. Hinzu kommen die speziellen Risiken durch den Magenballon. In der Literatur sind 2 Todesfälle nach Implantation bei am Magen voroperierten
Patienten beschrieben. Ein Todesfall erfolgte bei einem Patienten mit Prader-Willy-Syndrom. Des Weiteren sind Einzelfallberichte über Magenperforationen publiziert. Die Ballondeflationsrate ist mit dem BIB deutlich niedriger als mit den zuvor in den 1980er Jahren benutzten Ballobes und Garren-Edwards Gastric Bubbles. An Minor-Komplikationen sind Elektrolytentgleisungen (bei rezidivierendem Erbrechen), welche meist unter elektrolytgesteuerter intravenöser Volumensubstitutionstherapie kompensiert werden, Staseösophagitis (PPI-Gabe) oder Gastroparese aufgrund des Bezoars die häufigsten Begleiterscheinungen.
Ergebnisse
In den 4 Adipositas-Zentren wurden ähnliche Ergebnisse in Bezug auf absoluten Gewichtsverlust in kg sowie BMI-Punkte erzielt (Tab. 1). Es wurden 2 unterschiedliche Techniken zur Implantation angewendet (intravenöse Sedierung vs. Intubation); eine Implantation in der auch publizierten lokalen Rachenanästhesie wurde in keinem Zentrum durchgeführt (Tab. 2). Eine begleitende Therapie (Follow-up, Sonografiekontrolle, Elektrolytkontrollen) erfolgte bei allen Patienten monatlich. Die Explantation erfolgte in 2 Zentren zu 100% unter Intubation, in 1 Zentrum zu 67% und in 1 Zentrum zu 99% in tiefer Sedierung (Tab. 3). Major-Komplikationen wurden nicht beschrieben. Es kam zu einer Deflation mit Spontanabgang; eine vorzeitige Entfernung des Ballons war bei 3,01% der Patienten erforderlich. In einem Fall kam es zu einer Aspirationspneumonie, welche jedoch keine Residuen hinterließ.
Diskussion
Der Magenballon etabliert sich immer mehr in der Vielfalt der Handlungsmöglichkeiten des Adipositaschirurgen. Weltweit sind mehr als 50 000 Magenballons implantiert worden, wobei das BIB-System das derzeitig einzige System innerhalb einer Studie der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) ist. Die Produktsicherheit, Effektivität und niedrige Komplikationsrate machen es zu einem einzigartigen Hilfsmittel. Das Verfahren wird ambulant durchgeführt.
Zum jetzigen Zeitpunkt liegt ein endgültiger Beschluss des Einheitlichen Bundesausschusses noch nicht vor. Es ist jedoch bereits ein Operations- und Prozedurschlüssel eingeführt; ebenso sind nach den sogenannten weichen Kriterien des Medizinischen Diensts der Krankenversicherung (MDK) bereits Kostenübernahmen der gesetzlichen Krankenkassen erteilt worden. In Italien handelt es sich um eine Leistung der gesetzlichen Krankenkasse. Die Argumentation, es handele sich um ein innovatives Verfahren, kann von den Autoren nicht nachvollzogen werden, da dort bereits 1999 erste Daten publiziert wurden, wobei eine Vielzahl von Publikationen die guten Ergebnisse des Verfahrens bestätigen [3–5]. Dass ein Gewichtsverlust zu einer Besserung der Adipositaserkrankung führt, ist nicht infrage zu stellen [6–8]. Letzten Endes fehlt die Referenz- oder Alternativmethode zum Ballon, da es sich dabei nicht um ein dauerhaftes Instrument zur Behandlung der Adipositaserkrankung handelt; es birgt jedoch auch nicht die Komplikationspotenziale irreversibler Verfahren, wie Magenbypass, Schlauchmagen oder Magenband. Auf der anderen Seite liegen die erzielten Ergebnisse beim absoluten Gewichtsverlust deutlich über der Pharmakotherapie und denen, welche mit stationären Kuren/Diäten erreicht werden, die Teil des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenkassen sind [9].
Disclosure
Die Autoren geben keine Interessenkonflikte an.
Tab. 1.
Gewichtsverlust in den Kohorten der 4 Adipositas-Zentren
Gewicht, kg |
||||
---|---|---|---|---|
Kohorte 1 | Kohorte 2 | Kohorte 3 | Kohorte 4 | |
Ausgangsgewicht | 112 | 168 | 117 | 10 |
Bei Prothesenentfernung | 93 | 147 | 97 | 83 |
Tab. 2.
Technik zur Implantation der Prothese
Kohorte 1 | Kohorte 2 | Kohorte 3 | Kohorte 4 | |
---|---|---|---|---|
Rachenanästhesie, % | 0 | 0 | 0 | 0 |
Tiefe Sedierung, % | 88 | 100 | 76 | 40 |
Intubiert, % | 12 | 0 | 24 | 60 |
Tab. 3.
Technik zur Prothesenentfernung
Kohorte 1 | Kohorte 2 | Kohorte 3 | Kohorte 4 | |
---|---|---|---|---|
Entfernung, | 0 | 0 | 0 | 0 |
Rachenanästhesie,% | ||||
Entfernung, | 0 | 99 | 33 | 0 |
tiefe Sedierung,% | ||||
Entfernung, intubiert, % | 100 | 1 | 67 | 100 |
Literatur
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