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editorial
. 2013 Nov 7;161(12):1134–1135. [Article in German] doi: 10.1007/s00112-013-2918-3

Impfungen

Vaccinations

R Berner 1,, F Zepp 2
PMCID: PMC7079884  PMID: 32214489

Impfungen als Maßnahmen zur Prävention von Infektionskrankheiten gehören zu den bedeutendsten Errungenschaften der modernen Medizin. Durch sie können nicht nur Infektionskrankheiten und deren akute Komplikationen verhindert, sondern auch schwerwiegenden Sekundärkrankheiten persistierender Virusinfektionen wie hepatozellulären Karzinomen oder Zervixkarzinomen vorgebeugt werden.

Durch konsequente Umsetzung von Impfprogrammen gelang es im 20. Jahrhundert, früher gefürchtete übertragbare Krankheiten wie Pocken, Diphtherie, Kinderlähmung u. a. zu kontrollieren oder gar vollständig auszurotten. Der überragende Erfolg von Impfungen führte jedoch gleichzeitig dazu, dass in der Bevölkerung die Wahrnehmung der potenziellen Gefahren von Infektionskrankheiten kaum mehr präsent ist. Angesichts der scheinbar fehlenden Bedrohung durch Infektionen und Seuchen überwiegt in der Meinungsbildung nicht selten die Angst vor Nebenwirkungen und vermeintlichen Risiken von Impfstoffen. Nur vorübergehend schärften neue Seuchen wie SARS („severe acute respiratory syndrome“) oder die drohende Influenzapandemie das Bewusstsein der Menschen und der öffentlichen Meinung dahingehend, dass Infektionskrankheiten auch in der modernen, medizinisch nahezu omnipotenten Gesellschaft unverändert eine reelle Bedrohung darstellen können.

Es ist die gemeinsame Aufgabe der Ärzteschaft, das Vertrauen der Bevölkerung in Impfungen und Impfprogramme durch verständliche Information und Aufklärung zu stärken und zu erhalten. Mit dem Leitthema Impfungen dieser Ausgabe der Monatsschrift Kinderheilkunde wollen wir unsere Leserschaft über geltende und aktualisierte Impfempfehlungen informieren, wichtige Aspekte der öffentlichen Diskussion, wie beispielsweise die Frage nach der Einführung einer Impfpflicht, erörtern und auf interessante Neuentwicklungen in der Impfstoffforschung hinweisen.

Information und vertrauensvolle Beratung der Eltern sind wichtige Aufgaben der Kinderärzte

Kowalzik u. Zepp stellen in ihrem Beitrag die aktuellen Empfehlungen der STIKO (Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut) mit den wichtigsten Neuerungen aus dem August 2013 dar. Die STIKO hat den Auftrag, Infektionskrankheiten und die damit assoziierten Komplikationen durch Impfungen „im öffentlichem Interesse“ zu verhindern. Dies kann nur gelingen, wenn jeder Arzt aktiv durch Information über Risiken und Gefahren impfpräventabler Krankheiten und durch die vertrauensvolle Beratung zu Impfungen an der Umsetzung dieser Empfehlungen mitwirkt. Die Autoren gehen in ihrem Beitrag auch auf die aktuellen Masernausbrüche in Deutschland ein und diskutieren die immer wieder gestellte Frage nach einer Impfpflicht. Eines der wesentlichen Argumente gegen eine solche ist sicherlich, wie die Autoren schreiben, dass alleine die Diskussion darüber auch als ein Signal dafür wahrgenommen werden könnte, dem Gesundheitswesen fehlten vernünftige Argumente, um die Menschen von der Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit von Impfungen zu überzeugen. Dies kann eigentlich nicht sein. In vielen Ländern Europas konnten ausreichend hohe Impfquoten erreicht werden, ohne dass eine Impfpflicht eingeführt worden wäre; auch in Mecklenburg-Vorpommern liegen die Impfraten für die 2-malige Masernimpfung über 95 %. Es kann also gelingen! Sachliche Information und vertrauensvolle Beratung der Eltern sind ein wesentlicher Auftrag für die Kinderärzte. Allein können sie diese Aufgabe jedoch nicht meistern, es bedarf dazu umfassender Anstrengungen aller Akteure des Gesundheitswesens.

Knuf u. Vogel berichten in ihrem Beitrag über die Epidemiologie von Meningokokkeninfektionen und die Entwicklung neuer Impfstoffe. Die Einführung gut verträglicher und immunogener Konjugatimpfstoffe gegen Meningokokken der Serogruppe C und später auch der Serogruppen A, W135 und Y führte zu einer eindrucksvollen Abnahme von invasiven Infektionen durch die in den Impfstoffen enthaltenen Serogruppen. Trotz dieser Erfolge konnten bisher Meningokokkeninfektionen durch Serogruppe B, die zahlenmäßig den größten Anteil schwerwiegender Infektionen in Deutschland ausmachen, nicht verhindert werden. Gründe hierfür waren strukturelle Eigenschaften der Kapsel und insbesondere die schlechte Immunogenität des Kapselpolysaccharids der Serogruppe B. Neue Technologien zur Entwicklung und Herstellung von Impfstoffen scheinen hier einen Durchbruch ermöglicht zu haben; mittlerweile steht mit 4CMenB („multicomponent meningococcal serogroup B vaccine“, Bexsero®) erstmals ein Meningokokken-B-Impfstoff auf Proteinbasis zur Verfügung und wurde inzwischen auch behördlich zugelassen. Bisher ist bekannt, dass der Impfstoff eine gute Immunantwort auslöst, ob er auch tatsächlich vor Krankheit schützt, muss sich erst in der klinischen Anwendung zeigen.

Koch u. Rodeck beschreiben in ihrem Beitrag – aus der Sicht des öffentlichen Gesundheitsdiensts und der Sicht des Klinikers – die Epidemiologie und Klinik von Rotavirusinfektionen und den aktuellen Stand der Impfprävention. Rotaviren gehören zu den häufigsten Erregern von akuten Gastroenteritiden bei Kindern; die Krankheitslast auch in Deutschland ist beträchtlich. Seit 2006 sind in Deutschland 2 orale Rotavirusimpfstoffe für die Impfung von Säuglingen zugelassen; die STIKO empfiehlt nun seit Mitte 2013 die routinemäßige Rotavirusimpfung für alle Säuglinge. Bereits 1998 war in den USA der Impfstoff RotaShield® auf den Markt gekommen, aufgrund von vermehrt aufgetretenen Invaginationen jedoch wieder zurückgezogen worden. Für die gegenwärtigen Impfstoffe Rotarix® und RotaTeq® wurden die Wirksamkeit, Effektivität und Sicherheit in großen klinischen Studien sowie zahlreichen Post-Marketing-Studien dokumentiert. In den USA ging die Zahl der Krankenhausaufnahmen wegen Rotavirusinfektionen seit 2006 um mehr als 80% zurück. Es ist zu erwarten, dass die Krankheitslast auch in Deutschland nach nun gültiger allgemeiner Impfempfehlung weiter deutlich abnehmen wird.

Panning u. Forster beschäftigen sich in ihrem Beitrag mit der Entwicklung neuer Impfstoffe gegen 2 wichtige Erreger von gastrointestinalen bzw. Atemwegsinfektionen. Noroviren übernahmen in den USA nach Einführung der Rotavirusimpfung mit Abstand den Spitzenplatz unter den Erregern akuter Gastroenteritiden bei Kindern. Im Gegensatz zur Rotavirusinfektion betrifft die Norovirusgastroenteritis zu einem nicht unerheblichen Anteil auch Erwachsene, insbesondere ältere Menschen mit einer bei ihnen relevanten Morbidität und Letalität. RSV („respiratory syncytial virus“) ist nach wie vor der häufigste Erreger der klassischen Bronchiolitis und obstruktiven Bronchitis bei Säuglingen und Kleinkindern und damit die wichtigste Ursache für Krankenhauseinweisungen aufgrund akuter Atemwegsinfektionen in dieser Altersklasse. Trotz intensiver Bemühungen ist für diese beiden wichtigen Viren bisher kein wirksamer und sicherer Impfstoff verfügbar. Mit neuen gentechnologischen Methoden können zukünftig innovative biologische Konzepte für die Entwicklung geeigneter Impfstoffkandidaten genutzt werden. Für die entsprechenden Kandidatvakzinen müssen dann allerdings zunächst Fragen zur Sicherheit, zur Persistenz der Immunogenität und Protektion beantwortet werden, bevor sie zur klinischen Erprobung empfohlen werden können.

Die Beiträge im vorliegenden Themenheft Impfungen sollen Ihnen einerseits einen Überblick über die von der STIKO aktualisierten Impfempfehlungen geben, andererseits aber auch den Blick für neu implementierte sowie künftig vorstellbare Impfstoffe und Impfkonzepte öffnen. Wir wünschen Ihnen eine spannende und interessante Lektüre!

Prof. Dr. R. Berner

Prof. Dr. F. Zepp

Acknowledgments

Interessenkonflikt

R. Berner und F. Zepp weisen auf folgende Beziehungen hin: Referententätigkeit im Rahmen von Pädiatrie UpDate, Impfakademie und Consilium infectiorum.


Articles from Monatsschrift Kinderheilkunde are provided here courtesy of Nature Publishing Group

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