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editorial
. 2017 Mar 30;112(3):184–185. [Article in German] doi: 10.1007/s00063-017-0274-0

Infektiologie in der Intensivmedizin

Infectiology in intensive care medicine

T Welte 1,, K-F Bodmann 2,
PMCID: PMC7080130  PMID: 28361231

Infektionen sind einer der wesentlichen Gründe für eine Aufnahme auf die Intensivstation, spielen jedoch auch als Komplikationen einer Intensivbehandlung eine entscheidende Rolle. Tritt während des Intensivaufenthalts eine Infektion auf, ist die Sterblichkeit gegenüber Patienten ohne Infektion deutlich erhöht [1]. Neben diagnostischen und therapeutischen Herausforderungen wurde in den letzten Jahren auch ein besonderes Augenmerk auf die Prävention von Infektionen gerichtet. Dabei wurden in Einzelbereichen, wie z. B. bei den Katheterinfektionen, erhebliche Erfolge mit einem deutlichen Rückgang von Infektionen erzielt [2]. Bei anderen Infektionen v. a. mit gramnegativen Erregern sind die Möglichkeiten zur Prävention beschränkt. Die meisten Infektionen stehen in engem Zusammenhang mit der Schwere der Grunderkrankung und der Anzahl und Schwere der Begleiterkrankungen der Patienten; Faktoren, die sich nur schwer durch Prävention beeinflussen lassen. Über das letzte Jahrzehnt ist bei gramnegativen Erregern eine Zunahme der Resistenz festzustellen, für die es unterschiedliche Ursachen gibt. Neben dem Überverbrauch in der Veterinär- und der Humanmedizin spielt sicher auch die veränderte Demographie mit mehr älteren und mehr chronisch kranken und immunsupprimierten Patienten eine Rolle. Friederike Maechler et al. stellen in ihrem Beitrag die Entwicklung der Resistenzentwicklung auf Basis der Daten aus der deutschen Krankenhausinfektions-Surveillance (KISS) dar. Sie diskutieren dabei kritisch, dass multiresistente Erreger natürlich ein Problem für die moderne Infektionsmedizin sind, die in der Öffentlichkeit diskutierten Zahlen verkennen jedoch häufig den Einfluss moderner Überwachungssysteme auf die Diagnostik dieser Infektionen.

Bei gramnegativen Erregern ist eine Zunahme der Resistenz festzustellen

Die Infektiologie hat in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg ein stiefmütterliches Dasein geführt, weil sie als Querschnittsfach kein eigenes Aus- und Weiterbildungscurriculum vorweisen konnte. Wie viele infektiologische Inhalte in den einzelnen Organfächern abgebildet wurden, war mehr dem Zufall überlassen. Mit dem Anstieg der Rate multiresistenter Erreger und den öffentlichkeitswirksamen Ausbrüchen verschiedener Viruserkrankungen, wie Ebola-Virus-Epidemien oder die Coronaviruspandemie („severe acute respiratory syndrome“, SARS), ist in der Politik eine Aufmerksamkeit für die Belange der Infektiologie entstanden. Verschiedene Programme, wie das Antibiotic-Stewardship(ABS)-Programm, wurden ins Leben gerufen. Sebastian Weis und Mathias Pletz zeigen in ihrem Artikel am Beispiel der Staphylococcus-aureus-Bakteriämie auf, welche Effekte ein standardisiertes ABS-Programm auf Morbidität und Letalität von Erkrankungen haben kann. Sinn machen ABS-Programme aber nur dann, wenn in der Zukunft mehr in die Ausbildung in der Infektiologie investiert wird [3], um insgesamt wieder mehr Wissen in die breite Ärzteschaft hineinzubringen.

Ein Faktor für den zu hohen Antibiotikaverbrauch in Deutschland ist, dass in der Regel empirisch behandelt wird, ohne dass der Erreger – und die Resistenzsituation – bekannt sind. Eine bessere Diagnostik mit schneller Erregeridentifikation würde eine zielgerichtete Therapie mit Schmalspektrumantibiotika ermöglichen. Damit würde der Selektionsdruck auf die wichtigsten Breitspektrumantibiotika sinken. Holger Rohde et al. geben in ihrem Artikel einen Überblick über die heute verfügbaren Technologien im Diagnostikbereich und ordnen sie im Hinblick auf ihren klinischen Stellenwert ein.

In der Politik ist eine Aufmerksamkeit für die Belange der Infektiologie entstanden

Während man sich in den 1980er-Jahren praktisch jedes Jahr über ein neues Antibiotikum mit erweitertem Wirkspektrum freuen konnte, sind in den letzten Jahren nur noch wenig neue Substanzen auf den Markt gekommen. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Der wesentliche dürfte darin zu suchen sein, dass einerseits die regulatorischen Anforderungen immer weiter gestiegen sind, was die Kosten der Antibiotikaentwicklung stark in die Höhe getrieben hat; andererseits sind Antibiotika keine Medikamente für die chronische Anwendung. Mit Medikamenten in der Akutmedizin lässt sich jedoch nur bedingt Geld verdienen. Auf politischer Ebene ist hier eine Reihe von Veränderungen, wie staatliche Förderung von Antibiotikaentwicklung, geänderte regulatorische Verfahren [4], geänderte Preispolitik, notwendig, um die Entwicklung wieder ins Laufen zu bringen [5].

Einige neue Substanzen sind jedoch im letzten Jahr in den Markt gekommen oder stehen unmittelbar vor der Zulassung [6]. Jessica Rademacher stellt die wichtigsten Substanzen in ihrem Artikel vor und beschreibt die Einsatzmöglichkeiten im Intensivbereich.

Diese Ausgabe der Zeitschrift Medizinische Klinik – Intensivmedizin und Notfallmedizin gibt einen Überblick über verschiedene Probleme von Infektionen im Intensivbereich. Wir hoffen, dass er Intensivmedizinern als Anregung für die Gestaltung der Zukunft dienen wird.

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Prof. Dr. T. Welte

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Dr. K.-F. Bodmann

Interessenkonflikt

T. Welte hat Honorare für Vorträge/Beratung von AstraZeneca, Basilea, Bayer, Grifols, GSK, Insmed, Infectopharm, Novartis und Pfizer erhalten. Die Klinik für Pneumologie der MHH bekommt Forschungsunterstützung von Bayer, Grifols, Insmed, Novartis, der EU, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung. K.-F. Bodmann bekam Kongressgebühren und Reisekosten von den Firmen Astellas, Basilea, Cubist, MSD und Novartis erstattet. Er erhielt Vortragshonorare von den Firmen Abbott, Astellas, Basilea, Bayer, InfectoPharm, MSD, Novartis, Pfizer und Thermo-Fisher Scientific.

Contributor Information

T. Welte, Email: welte.tobias@mh-hannover.de

K.-F. Bodmann, Email: med-intensiv@klinikum-barnim.de

Literatur

  • 1.Osmon S, Warren D, Seiler SM, Shannon W, Fraser VJ, Kollef MH. The influence of infection on hospital mortality for patients requiring > 48 h of intensive care. Chest. 2003;124(3):1021–1029. doi: 10.1378/chest.124.3.1021. [DOI] [PubMed] [Google Scholar]
  • 2.Fussen R, Lemmen S. Prevention of transmission of multidrug-resistant bacteria. Internist (Berl) 2015;56(11):1246–1254. doi: 10.1007/s00108-015-3708-x. [DOI] [PubMed] [Google Scholar]
  • 3.Fätkenheuer G, Cornely OA, Kern WV, Salzberger B, Stallmach A, Welte T. Perspectives of infectious diseases in Germany. Dtsch Med Wochenschr. 2015;140(3):210–212. doi: 10.1055/s-0041-100245. [DOI] [PubMed] [Google Scholar]
  • 4.Welte T. Time to reconsider how we do antibiotic therapy trials. Lancet Infect Dis. 2015;15(2):132–133. doi: 10.1016/S1473-3099(14)71063-1. [DOI] [PubMed] [Google Scholar]
  • 5.Welte T. New antibiotic development: the need versus the costs. Lancet Infect Dis. 2016;16(4):386–387. doi: 10.1016/S1473-3099(16)00068-2. [DOI] [PubMed] [Google Scholar]
  • 6.Vincent JL, Bassetti M, François B, Karam G, Chastre J, Torres A, Roberts JA, Taccone FS, Rello J, Calandra T, De Backer D, Welte T, Antonelli M. Advances in antibiotic therapy in the critically ill. Crit Care. 2016;20(1):133. doi: 10.1186/s13054-016-1285-6. [DOI] [PMC free article] [PubMed] [Google Scholar]

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