Zu diesem Kapitel haben beigetragen:
Leo L Bossaert: University of Antwerp, Antwerp, Belgium
Antonio Caballero: Emergency Department, Hospital Universitario Virgen del Rocío, Sevilla, Spain
Pascal Cassan: Global First Aid Reference Centre, International Federation of Red Cross and Red Crescent, Paris, France
Cristina Granja: Emergency and Intensive Care Department, Hospital de Faro, Centro Hospitalar do Algarve, Porto, Portugal
Claudio Sandroni: Department of Anaesthesiology and Intensive Care, Catholic University School of Medicine, Rome, Italy
David A Zideman: Imperial College Healthcare NHS Trust, London, UK
Jerry P. Nolan: Department of Anaesthesia and Intensive Care Medicine, Royal United Hospital, Bath, UK
Ian Maconachie: Paediatric Emergency Medicine and NIHR BRC, Imperial College, London, UK
Robert Greif: Department of Anaesthesiology and Pain Medicine, University Hospital Bern and University Bern, Bern, Switzerland
Einleitung
Dieses Kapitel beschreibt die Techniken, die beim Kreislaufstillstand eines Erwachsenen angewendet werden sollen. Damit sind die Basismaßnahmen der Reanimation gemeint (BLS: Atemwege freimachen und Unterstützung von Atmung und Kreislauf ohne Hilfsmittel, ausgenommen zum Eigenschutz des Helfers) sowie der Einsatz eines externen automatisierten Defibrillators (AED). Außerdem gehören hierzu einfache Techniken, mit denen Erstickungsanfälle bei Atemwegsverlegung durch Fremdkörper beherrscht werden können. Leitlinien für den Einsatz manueller Defibrillatoren und zur Einleitung von Wiederbelebungsmaßnahmen im Krankenhaus finden sich in Kap. 3 (ALS) [1]. Eine Kurzdarstellung der Seitenlage ist enthalten; detaillierter wird auf diese in Kap. 9 (EH) eingegangen [2].
Die Leitlinien zu BLS/AED [3] basieren auf dem ILCOR 2015 Consensus on Science and Treatment Recommendations (CoSTR). Der ILCOR Review behandelt 23 Themen und führt zu 32 Behandlungsempfehlungen zu den Themen: frühes Erkennen der Situation und Verhindern eines Kreislaufstillstands, frühe hochwertige Herzdruckmassage (Thoraxkompression) und frühe Defibrillation.
Für die ERC-Leitlinien wurde zusätzlich zu den ILCOR-Empfehlungen von den federführenden Autoren die Literatur zu den Themenfeldern gesichtet, die bei ILCOR keine Berücksichtigung fanden. Die Leitlinien-Verfasser waren sich bewusst, dass Änderungen gegenüber den Empfehlungen von 2010 Kosten und eventuell Verunsicherung verursachen würden, und beschränkten sich daher auf Änderungen, die wirklich wichtig erschienen und durch neue Evidenz belegt sind. Die Leitlinien wurden von den federführenden Autoren konzipiert, von allen Leitlinien-Verfassern und den nationalen Wiederbelebungsräten überarbeitet und schließlich vom ERC-Board verabschiedet.
Zusammenfassung der Änderungen
Die Leitlinien 2015 betonen die besondere Bedeutung der Interaktion des Leitstellendisponenten mit dem Notfallzeugen, der mit der Wiederbelebung beginnt, und der zeitnahen Verfügbarkeit eines Defibrillators. Eine effektive, koordinierte gemeinsame Aktion, die diese Elemente zusammenführt, verbessert die Überlebenschancen des Patienten nach einem Kreislaufstillstand außerhalb eines Krankenhauses (Abb. 1).
Der Leitstellendisponent spielt eine entscheidende Rolle bei der frühzeitigen Diagnose eines Kreislaufstillstands, der leitstellengeführten Reanimation (bekannt als Telefonreanimation) und bei Auffinden und Einsetzen eines externen automatisierten Defibrillators (AED). Je früher der Rettungsdienst alarmiert wird, desto eher wird eine adäquate Behandlung begonnen und unterstützt.
Fertigkeiten, Zutrauen und Handlungsbereitschaft des Ersthelfers hängen von den Umständen des Kreislaufstillstands, seinem Trainingsstand und seinen Vorkenntnissen ab.
Der ERC empfiehlt dem Notfallzeugen, der darin geschult und dazu in der Lage ist, den Zustand des Patienten schnell zu beurteilen, indem er feststellt, ob der Patient nicht ansprechbar ist und nicht normal atmet, und dann unmittelbar den Rettungsdienst zu alarmieren.
Wenn irgend möglich, soll er währenddessen den Patienten nicht verlassen.
Der Patient, der nicht reagiert und nicht normal atmet, hat einen Kreislaufstillstand und benötigt eine Herz-Lungen-Wiederbelebung (CPR). Unmittelbar nach dem Kreislaufstillstand geht der Blutfluss zum Gehirn gegen null. Das kann Krampfanfälle auslösen, die möglicherweise mit einer Epilepsie verwechselt werden. Notfallzeugen und Leitstellendisponenten sollen daher bei krampfenden Patienten auch an einen Kreislaufstillstand denken und sorgfältig klären, ob der Patient normal atmet.
Die Leitlinien-Verfasser bekräftigen die ILCOR-Empfehlung, dass bei jeder Wiederbelebung eine Thoraxkompression durchgeführt werden soll. Notfallzeugen, die ausgebildet und in der Lage sind, eine Atemspende durchzuführen, sollen Herzdruckmassage und Atemspende kombinieren. Zusätzliche Atemspenden können vorteilhaft für Kinder bei asphyktischem Kreislaufstillstand sein oder wenn sich das Eintreffen des Rettungsdienstes verzögert.
Da wir nicht davon überzeugt sind, dass eine Wiederbelebung allein durch Thoraxkompressionen einer Standardwiederbelebung gleichwertig ist, empfehlen wir weiterhin die bisher praktizierte Vorgehensweise.
Eine qualitativ hochwertige Wiederbelebung ist entscheidend für eine Verbesserung des Ergebnisses (Outcome). Bei der Herzdruckmassage soll eine adäquate Drucktiefe sicher erreicht werden (etwa 5 cm, jedoch nicht mehr als 6 cm beim normalen Erwachsenen), bei einer Kompressionsfrequenz von 100−120/min mit minimalen Unterbrechungen. Nach jeder Kompression muss der Brustkorb vollständig entlastet werden. Atemspenden/Beatmungen sollen eine Sekunde dauern und zu einer deutlichen Hebung des Brustkorbs führen. Das Verhältnis von Herzdruckmassage zu Beatmung bleibt 30:2. Unterbrechen Sie die Thoraxkompressionen für die Beatmung nicht länger als 10 s.
Durch Defibrillation innerhalb von 3−5 min nach dem Kollaps können Überlebensraten von 50−70 % erreicht werden. Eine frühzeitige Defibrillation kann durch Notfallzeugen unter Verwendung von öffentlichen oder hauseigenen AEDs durchgeführt werden. Public-Access-Programme (öffentlicher Zugang zu AEDs) sollen an viel besuchten Orten (Flughäfen, Bahn- oder Busstationen, Sportstätten, Einkaufszentren, Bürogebäuden und Kasinos) etabliert werden. Kreislaufstillstände an solchen Orten werden häufig beobachtet, und ausgebildete Helfer können schnell vor Ort sein. Das Vorhalten eines AED gilt schon dann als kosteneffektiv, wenn sich an seinem Standort alle 5 Jahre ein Kreislaufstillstand ereignet, die Kosten pro gewonnenes Lebensjahr entsprechen denen anderer medizinischer Interventionen. Erfahrungen mit Kreislaufstillständen in der Vergangenheit und die Art der Umgebung können bei der Wahl der AED-Platzierung wegweisend sein. Eine Registrierung beim Rettungsdienst ermöglicht es den Disponenten, Helfer zu einem nahe gelegenen AED zu führen und so die Reaktionszeit zu verbessern.
Der Ablauf der Wiederbelebungsmaßnahmen für Erwachsene kann auch bei Kindern, die nicht ansprechbar sind und nicht normal atmen, sicher verwendet werden. Helfer mit einer entsprechenden Ausbildung können bei Kindern die Wiederbelebungschance mit 5 initialen Beatmungen verbessern. Für den eher seltenen Fall, dass ein Helfer auf sich allein gestellt ist, ist es bei Kindern und Ertrunkenen auch besser, erst aktiv zu werden und verzögert Hilfe zu holen. Thoraxkompressionen bei Kindern sollten eine Tiefe von mindestens einem Drittel der Brustkorbhöhe haben (Kleinkinder 4 cm, Schulkinder 5 cm).
Die Verlegung der Atemwege durch einen Fremdkörper ist ein medizinischer Notfall. Diese tritt meistens beim Essen und Trinken ein und erfordert sofortiges Eingreifen durch Schläge auf den Rücken. Führt dies nicht zum Erfolg, sind Oberbauchkompressionen erforderlich. Reagiert der Patient nicht mehr, müssen Wiederbelebungsmaßnahmen durchgeführt und Hilfe herbeigerufen werden.
Kreislaufstillstand
Der plötzliche Kreislaufstillstand stellt eine der Haupttodesursachen in Europa dar. Je nachdem, wie der plötzliche Kreislaufstillstand definiert wird, betrifft er zwischen 350.000 und 700.000 Menschen pro Jahr [4–6]. Zum Zeitpunkt der ersten Analyse des Herzrhythmus weisen 25–50 % der Betroffenen Kammerflimmern („ventricular fibrillation“, VF) auf; dieser Anteil hat sich in den letzten 20 Jahren verringert [7–13]. Wahrscheinlich haben zum Zeitpunkt des Kollapses weitaus mehr Patienten Kammerflimmern oder eine schnelle Kammertachykardie („ventrikuläre Tachykardie“, VT), aber bis zur Aufzeichnung des ersten Elektrokardiogramms (EKG) durch Rettungsdienstpersonal hat sich der Rhythmus zur Asystolie verschlechtert [14, 15]. Wird der Herzrhythmus kurz nach dem Kollaps aufgezeichnet, insbesondere durch einen vor Ort verfügbaren AED, steigt der Anteil der Patienten mit Kammerflimmern auf bis zu 76 % [16, 17]. Viele dieser Patienten überleben, wenn Notfallzeugen schon handeln, während noch Kammerflimmern vorliegt. Dagegen ist eine erfolgreiche Wiederbelebung unwahrscheinlich, wenn sich der Herzrhythmus bereits zu einer Asystolie verschlechtert hat.
Die empfohlene Behandlung bei einem VF-Kreislaufstillstand ist die sofortige Wiederbelebung durch frühzeitige elektrische Defibrillation. Den meisten Fällen von nichtkardialem Kreislaufstillstand liegt eine Störung der Atemfunktion zugrunde, wie Ertrinken (häufig Kinder) und Asphyxie. Beatmung und Thoraxkompressionen sind bei diesen Patienten für eine erfolgreiche Wiederbelebung entscheidend.
Die Überlebenskette
Die Überlebenskette fasst die für eine erfolgreiche Wiederbelebung entscheidenden Schritte zusammen (Abb. 2). Die meisten Kettenglieder treffen für Patienten mit primär kardial bedingtem wie auch primär asphyktisch bedingtem Kreislaufstillstand zu [18].
1 − Frühes Erkennen und Notruf
Brustschmerzen müssen zunächst als Mangeldurchblutung des Herzmuskels erkannt werden. Ein Viertel bis ein Drittel solcher Patienten erleidet in der ersten Stunde nach Schmerzbeginn einen Kreislaufstillstand [19]. Erkennt man, dass der Schmerz herzbedingt ist und ruft den Rettungsdienst, bevor der Patient kollabiert, wird dieser früher eintreffen, und zwar hoffentlich, bevor der Kreislaufstillstand eintritt, sodass die Überlebenschancen verbessert werden [20–23].
Ist der Kreislaufstillstand eingetreten, so kommt es darauf an, ihn schnell zu erkennen, um umgehend den Rettungsdienst zu rufen und sofort mit Ersthelfer-Reanimation zu beginnen. Die Schlüsselsymptome sind fehlende Reaktion und nicht normale Atmung. Leitstellendisponenten können die Diagnose beschleunigen, indem sie sich auf das Abfragen dieser Schlüsselsymptome beschränken.
2 − Frühe Wiederbelebung durch Notfallzeugen
Unverzüglich eingeleitete Wiederbelebungsmaßnahmen können die Überlebensrate bei Kreislaufstillstand verdoppeln bis vervierfachen [20, 24–28]. Ein ausgebildeter Helfer soll Thoraxkompressionen und Beatmung kombinieren. Ist ein Anrufer nicht in Wiederbelebung ausgebildet, soll der Leitstellendisponent ihn oder sie anleiten, ausschließlich Herzdruckmassage durchzuführen, bis professionelle Hilfe eintrifft [29–31].
3 − Frühe Defibrillation
Defibrillation innerhalb von 3−5 min nach dem Kollaps kann die Überlebensrate auf 50–70 % erhöhen. Dies kann durch öffentlich zugängliche und hauseigene AEDs erreicht werden [13, 17, 32, 33]. Jede Minute Verzögerung vor der Defibrillation vermindert die Wahrscheinlichkeit des Überlebens bis zur Klinikentlassung um 10–12 %. Die Glieder der Kette zusammen greifen besser: Wenn Notfallzeugen mit einer Wiederbelebung beginnen, sinken die Überlebenschancen langsamer, pro Minute Verzögerung im Mittel um 3−4 % [20, 24, 34].
4 − Frühe erweiterte Maßnahmen und standardisierte Behandlung nach der Reanimation
Erweiterte Maßnahmen wie Atemwegsmanagement, Medikamentengabe und Behandlung der Ursachen können erforderlich sein, wenn die Wiederbelebungsmaßnahmen primär nicht erfolgreich sind. Die Qualität der Behandlung in der Postreanimationsphase beeinflusst das Ergebnis, sie werden in den Kapiteln „erweiterte Maßnahmen“ und „Postreanimationsbehandlung“ behandelt [1, 35].
Notfallzeugen müssen sofort handeln
In den meisten Gemeinden liegt die durchschnittliche Zeitspanne zwischen der Alarmierung und dem Eintreffen des Rettungsdienstes (Hilfsfrist) bei 5−8 min [16, 36–38] bzw. 8–11 min bis zum ersten Defibrillationsschock [13, 27]. Während dieser Zeit hängt das Überleben des Patienten davon ab, dass Notfallzeugen mit der Wiederbelebung beginnen und einen AED einsetzen.
Opfer eines Kreislaufstillstands benötigen sofortige Wiederbelebungsmaßnahmen. Diese erzeugen einen geringen, aber entscheidenden Blutfluss zum Herzen und zum Gehirn. Außerdem steigern sie die Wahrscheinlichkeit, dass das Herz wieder einen effektiven Rhythmus und eine effektive Pumpleistung aufnimmt. Thoraxkompressionen sind besonders wichtig, wenn nicht in den ersten Minuten nach dem Kollaps ein Schock verabreicht werden kann [39]. Wenn das Herz noch lebensfähig ist, nehmen seine normalen Schrittmacherzellen nach der Defibrillation ihre Funktion wieder auf und produzieren einen organisierten Rhythmus, dem mechanische Kontraktionen folgen. In den ersten Minuten nach einer erfolgreichen Beendigung des Kammerflimmerns können der Herzrhythmus langsam und die Kraft der Kontraktionen schwach sein; die Thoraxkompressionen müssen daher fortgesetzt werden, bis eine ausreichende Herzfunktion zurückkehrt.
Die Verwendung eines AED durch Laienhelfer kann die Überlebenschance bei einem Kreislaufstillstand im öffentlichen Raum verbessern [16]. AEDs werden auch zunehmend in Wohnbereichen vorgehalten [40]. Ein AED gibt Sprachanweisungen, die den Ersthelfer anleiten, er analysiert den Herzrhythmus des Patienten und fordert den Ersthelfer auf, einen Schock abzugeben, wenn VF oder eine VT erkannt wird. AEDs sind genau und geben nur dann einen Schock ab, wenn VF (oder schnelle VT) vorliegt [41, 42].
Erkennen des Kreislaufstillstands
Das Erkennen eines Kreislaufstillstands kann eine Herausforderung darstellen. Notfallzeuge und Leitstellendisponent müssen beide rasch die Diagnose stellen, um die Überlebenskette zu aktivieren. Die Prüfung des Karotispulses (oder eines anderen Pulses) hat sich für Laien- wie auch für professionelle Helfer als ungenaue Methode heraugestellt, um festzustellen, ob ein Kreislauf vorhanden ist [43–47].
Schnappatmung ist eine langsame und tiefe Atmung, oft als charakteristisch schnarchendes Geräusch zu hören. Sie wird vom Hirnstamm gesteuert, dem Teil des Gehirns, der auch bei Sauerstoffmangel noch einige Minuten funktionsfähig bleibt. Das Vorhandensein von Schnappatmung kann irrtümlich als Beweis interpretiert werden, dass ein Kreislauf vorhanden und keine Wiederbelebung erforderlich ist. Schnappatmung kann bei Kreislaufstillstand bei bis zu 40 % der Betroffenen auftreten. Wenn das als Zeichen für Kreislaufstillstand interpretiert und entsprechend reagiert wird, führt das zu größeren Überlebenschancen. Die Bedeutung von Schnappatmung soll daher bei der Ausbildung in Wiederbelebung hervorgehoben werden [49, 50]. Notfallzeugen sollen einen Kreislaufstillstand annehmen und mit Thoraxkompressionen beginnen, wenn der Patient nicht reagiert und nicht normal atmet.
Unmittelbar nach einem Kreislaufstillstand geht der Blutzufluss zum Gehirn gegen null, als Folge können Krämpfe auftreten, die nicht mit einer Epilepsie verwechselt werden dürfen. Notfallzeugen sollen an einen Kreislaufstillstand denken, wenn sie einen krampfenden Patienten vorfinden [51, 52]. Von Notfallzeugen beobachtete Hautveränderungen wie Blässe oder die Blauverfärbung der Haut (Zyanose) können nicht als diagnostische Zeichen des Kreislaufstillstands gelten [51].
Die Rolle des Leitstellendisponenten
Der Leitstellendisponent spielt eine entscheidende Rolle bei der Diagnose eines Kreislaufstillstands, bei der Anleitung zur Reanimation (Telefonreanimation), bei Hinweisen zum Standort und Herbeiholen eines AED und bei der vordringlichen Alarmierung des Rettungsdienstes. Je früher der professionelle Rettungsdienst alarmiert wird, desto eher kann die erforderliche Behandlung in Gang gebracht und unterstützt werden.
Erkennen des Kreislaufstillstands durch den Disponenten
Das Erkennen eines Kreislaufstillstands zum frühestmöglichen Zeitpunkt ist wichtig. Erkennt der Disponent den Kreislaufstillstand, ist das Überleben wahrscheinlicher, weil die richtigen Maßnahmen ergriffen werden können [53, 54]. Die Verbesserung der Fähigkeit des Disponenten, einen Kreislaufstillstand zu erkennen und den Dispositionsablauf zu optimieren, kann eine kostengünstige Lösung sein, um das Outcome nach Kreislaufstillstand zu verbessern.
Schriftliche Dispositionsprotokolle in den Leitstellen mit spezifischen Fragen zum schnelleren Erkennen eines Kreislaufstillstands können hilfreich sein. Bei Patienten, die nicht reagieren und nicht normal atmen, muss ein Kreislaufstillstand angenommen werden. Das Befolgen solcher Protokolle kann das Erkennen eines Kreislaufstillstands verbessern [9, 55–57], während solche Protokolle nicht zu befolgen das Erkennen des Kreislaufstillstands verzögert und die Anleitung zur Telefonreanimation durch den Disponenten verhindert [56–60].
Eine genaue Beschreibung der Atmung eines Patienten zu erhalten stellt für den Leitstellendisponenten eine Herausforderung dar. Eine agonale Atmung ist häufig, und Anrufer können fälschlicherweise glauben, der Patient atme normal [9, 60–68]. Ergänzende Schulung der Disponenten speziell zum Erkennen und zur Bedeutung der agonalen Atmung kann die Diagnose des Kreislaufstillstands beschleunigen, die Versorgung mit Telefonreanimation verbessern und die Zahl übersehener Kreislaufstillstände verringern [64].
Fragen zum Atemmuster und der Regelmäßigkeit der Atmung können helfen, eine anormale Atmung zu erkennen und so den Kreislaufstillstand zu identifizieren. Wenn beim Notruf von einer krampfenden Person berichtet wird, muss der Disponent den starken Verdacht haben, dass ein Kreislaufstillstand vorliegt, selbst wenn aus der Vorgeschichte des Patienten eine Epilepsie bekannt ist [61, 69].
Leitstellengeleitete Reanimation
Wiederbelebung durch Notfallzeugen ist nach wie vor selten. Es konnte jedoch gezeigt werden, dass sie durch Leitstellenassistenz (Telefonreanimation) häufiger wird [9, 56, 70–72], die Zeit des therapiefreien Intervalls sich verkürzt [56, 57, 68, 72, 73], die Anzahl der Thoraxkompressionen erhöht wird [70] und das Outcome der Patienten nach Kreislaufstillstand außerhalb des Krankenhauses (OHCA) über alle untersuchten Patientengruppen hinweg verbessert werden kann [9, 29–31, 57, 71, 74].
Leitstellendisponenten sollen bei dem Verdacht auf einen Kreislaufstillstand immer eine Telefonreanimation anbieten, wenn kein trainierter Ersthelfer vor Ort ist. Handelt es sich um einen erwachsenen Patienten, soll der Disponent ausschließlich Instruktionen zur Thoraxkompression geben.
Bei einem kindlichen Notfall soll der Disponent Anleitung zur Beatmung und Thoraxkompression geben. Leitstellendisponenten sollen dementsprechend geschult sein, zu beiden Techniken anzuleiten.
BLS-Ablauf beim Erwachsenen
Alle Schritte zur initialen Beurteilung und zur Behandlung eines nicht reagierenden Patienten sind in Abb. 3 wiedergegeben. Sie führt den Leser vom Erkennen eines Kreislaufstillstands über die Alarmierung des Rettungsdienstes zum Start der Wiederbelebung und zum Einsatz des AED. Die Zahl der Schritte wurde auf die Schlüsselaktionen reduziert. Der überarbeitete Algorithmus soll schlüssig und logisch sein und es Helfern jeder Art ermöglichen, die Inhalte zu lernen, zu erinnern und anzuwenden.
Abb. 3 zeigt Schritt für Schritt das Vorgehen für den trainierten Helfer, es legt weiterhin großen Wert darauf, ihm, dem Helfer, Patienten und Notfallzeugen Sicherheit zu geben. Der Ruf nach zusätzlicher Unterstützung (sofern nötig) ist in den Schritt „Notruf“ unten eingebettet. Der besseren Übersicht halber ist der Algorithmus linear dargestellt. Er ist so zu verstehen, dass die ersten Schritte – Reaktionsfähigkeit überprüfen, Atemwege öffnen, Atemkontrolle und Notruf – simultan oder in rascher Folge abgearbeitet werden können.
Wer nicht gelernt hat, einen Kreislaufstillstand zu identifizieren und mit einer Wiederbelebung zu beginnen, wird auch diese Leitlinien nicht kennen und die Hilfe des Disponenten benötigen, wenn er den Notruf 112 absetzt. Diese Leitlinie enthält deshalb keine speziellen Empfehlungen für diesen Personenkreis.
Im folgenden Teil dieses Kapitels werden Zusatzinformationen zu einigen Schritten des Gesamtablaufs gegeben.
Freimachen der Atemwege und Atemkontrolle
Der trainierte Helfer soll den kollabierten Patienten schnell beurteilen, um festzustellen, ob er reagiert und normal atmet.
Öffnen Sie die Atemwege durch Überstrecken des Nackens und Anheben des Kinns, und beurteilen Sie dabei, ob die Person normal atmet. Verzögern Sie die Beurteilung nicht, um die Atemwege auf Behinderungen zu überprüfen. Das Vorschieben des Unterkiefers (Esmarch-Heiberg-Handgriff) und Auswischen des Mundes wird für den Laienhelfer nicht mehr empfohlen. Prüfen Sie mit der Technik aus Abb. 4 die Atmung. Seien Sie sich der kritischen Bedeutung bewusst, die oben beschriebene Schnappatmung zu erkennen.
Alarmierung des Rettungsdienstes
In der gesamten europäischen Union ist die kostenfreie Notrufnummer 112 eingerichtet. Aus dem Festnetz und über Mobiltelefone lassen sich die Notdienste – Rettungsdienst, Feuerwehr und Polizei – erreichen. Es gibt aber auch nationale Regelungen mit einer direkten Zugangsnummer für den Rettungsdienst, die möglicherweise Zeit spart. Notfallzeugen sollen deshalb den nationalen Leitlinien zur optimalen Telefonnummer folgen.
Früher Kontakt mit dem Rettungsdienst ermöglicht die Unterstützung durch den Leitstellendisponenten bei der Erkennung eines Kreislaufstillstands, der Telefonreanimation, der Alarmierung des Rettungsdienstes („First Responder“) sowie beim Auffinden und Holen eines AED [75–78]. Wenn möglich, bleiben Sie beim Patienten, wenn Sie den Notruf absetzen. Schalten Sie den Lautsprecher des Telefons ein, um den Anweisungen des Disponenten stets folgen zu können, auch (wenn nötig) zur Thoraxkompression [79]. Es ist sinnvoll, bei Reanimationskursen das Einschalten des Lautsprechers zu üben [80]. Weitere Notfallzeugen können den Anruf des Rettungsdienstes übernehmen.
Beginn der Thoraxkompression
Wenn ein Erwachsener Herzdruckmassage benötigt, besteht in der Regel ein kardiales Problem. Wenn der Blutfluss beim Kreislaufstillstand stoppt, bleibt das Blut in der Lunge und in den Blutgefäßen noch für einige Minuten mit Sauerstoff gesättigt. Um den Vorrang der Herzdruckmassage bei der Wiederbelebung zu betonen, wird empfohlen, die Wiederbelebung mit Thoraxkompressionen statt mit Beatmung zu beginnen. Untersuchungen mit Übungsphantomen haben gezeigt, dass auf diese Weise auch schneller mit der Wiederbelebung begonnen wird [81–84].
Führen Sie Thoraxkompressionen folgendermaßen durch:
Drücken Sie auf die Mitte des Brustkobs.
Drücken Sie bei einem durchschnittlichen Erwachsenen ungefähr 5 cm tief, aber nicht tiefer als 6 cm.
Komprimieren Sie den Thorax mit einer Frequenz von 100–120/min, unterbrechen Sie so selten wie möglich.
Entlasten Sie nach jeder Kompression den Brustkorb vollständig; lehnen Sie sich nicht auf den Brustkorb.
Handposition
Experimentelle Studien haben gezeigt, dass die hämodynamischen Effekte besser sind, wenn der Druck auf die untere Hälfte des Brustbeins ausgeübt wird [85–87]. Es wird empfohlen, die Lokalisierung so einfach wie möglich zu lehren [88, 89], wie z. B.: „Legen Sie Ihre Handwurzel mitten auf den Brustkorb und die andere Hand darauf.“ Gleichzeitig demonstrieren Sie, wie Sie Ihre Hände auf der unteren Hälfte des Brustbeins platzieren [88, 89].
Ein einzelner Helfer kniet bei der Thoraxkompression am besten an der Seite des Patienten. So kann er am einfachsten und mit den geringsten Unterbrechungen zwischen Herzdruckmassage und Beatmung wechseln. Über-Kopf-Herzdruckmassage durch einen einzelnen Retter oder Herzdruckmassage mit gespreizten Beinen (Grätschschritt) durch zwei Helfer kann erwogen werden, wenn durch die räumliche Enge der seitliche Zugang nicht möglich ist [90, 91].
Drucktiefe
Die Angst, etwas falsch zu machen, Erschöpfung und mangelnde Muskelkraft führen häufig dazu, dass Helfer bei der Thoraxkompression nicht so tief drücken wie empfohlen. Nach den Leitlinien von 2010 zeigten vier Beobachtungsstudien, dass eine Drucktiefe von 4,5−5,5 cm bei Erwachsenen zu besseren Ergebnissen führte, als alle anderen angewandten Drucktiefen [92–95]. In einer Untersuchung an 9136 Patienten waren Drucktiefen von 4,0 bis 5,5 cm mit einem Maximum von 4,6 cm mit den höchsten Überlebensraten assoziiert [94]. Eine Beobachtungsstudie beweist ferner, dass eine Drucktiefe von mehr als 6 cm bei der Thoraxkompression bei Erwachsenen zu mehr Schäden führt, als mit Drucktiefen von 5−6 cm [96]. Der ERC schließt sich der ILCOR-Empfehlung an, dass es bei einem durchschnittlich großen Erwachsenen sinnvoll ist, eine Drucktiefe von 5- bis maximal 6 cm anzustreben. Der ERC ist sich bei dieser Empfehlung bewusst, dass es schwierig sein kann, die Drucktiefe einzuschätzen, und dass zu geringe Drucktiefen eher schaden als zu tiefe. Im Training soll kontinuierlich die Bedeutung einer adäquaten Drucktiefe betont werden.
Kompressionsfrequenz
Die Kompressionsfrequenz ist definiert als die aktuelle Frequenz der Thoraxkompressionen, die in einem umschriebenen Zeitraum durchgeführt werden. Sie unterscheidet sich von der Zahl der Herzdruckmassagen in einem spezifischen Zeitraum, die auch die Unterbrechungen berücksichtigt.
Zwei Studien an insgesamt 13.469 Patienten fanden eine höhere Überlebensrate bei Patienten, die Thoraxkompressionen mit einer Frequenz von 100−120/min erhielten, verglichen mit > 140/min, 120−139/min, < 80/min oder 80−99/min. Sehr hohe Kompressionsfrequenzen führten zu einer zu geringen Drucktiefe [97, 98]. Daher empfiehlt der ERC die Kompressionsfrequenz von 100−120/min.
Unterbrechungen der Thoraxkompressionen minimieren
Atemspenden, Elektroschocks sowie Analysen der Beatmung und des Herzrhythmus führen zu Unterbrechungen der Herzdruckmassage. Pausen von weniger als 10 s vor und nach der Abgabe eines Schocks und ein Anteil der Thoraxkompressionen von mehr als 60 % sind mit besserem Outcome verbunden [99–103]. Unterbrechungen der Thoraxkompressionen sollen minimiert werden, wobei erkannt werden muss, wie wichtig die Aufmerksamkeit und das Wechselspiel der Helfer ist, die zusammenarbeiten.
Fester Untergrund
Wann immer möglich soll die Thoraxkompression auf einer harten Unterlage erfolgen. Luftgefüllte Matratzen müssen entlüftet werden [104]. Die Evidenz für den Nutzen von Rückenbrettern ist zweifelhaft [105–109]. Wenn sie verwendet werden, geben Sie acht, dass es nicht zu Unterbrechungen der Thoraxkompression und zur Dislokation von Atemwegs- und Gefäßzugängen kommt.
Brustkorbentlastung
Während der Herzdruckmassage lehnt sich der Helfer häufig auf den Brustkorb, sodass sich dieser nicht wieder vollständig ausdehnen kann [110, 111]. Kann sich die Brustwand nach jeder Kompression wieder komplett ausdehnen, führt dies jedoch zu einem besseren Rückfluss des Blutes zum Herzen, und das kann den Erfolg der Herzdruckmassage verbessern [110, 112–114]. Helfer sollen also darauf achten, sich nicht auf dem Brustkorb abzustützen.
Kompressionsablauf
Der optimale Kompressionsablauf (Verhältnis von Kompressionszeit zur Gesamtzeit von Kompression und Entlastung) wurde an Tiermodellen und mit mathematischen Simulationen mit uneinheitlichen Ergebnissen untersucht [115–123]. Eine Beobachtungsstudie an Menschen hat jüngst das bislang empfohlene Verhältnis von 50:50 infrage gestellt, sie kommt zu dem Schluss, dass Kompressionsphasen von mehr als 40 % eines Zyklus nicht machbar seien und zu einer zu geringeren Drucktiefe führen könnten [124]. Für den Helfer ist das Verhältnis schwer zu korrigieren, es wird stark durch andere Parameter der Thoraxkompression beeinflusst. Der ERC räumt ein, dass es wenig Evidenz dafür gibt, ein spezifisches Verhältnis zu empfehlen, folglich genügt die Evidenz nicht, das bisher empfohlenen Verhältnisses von 50:50 zu zu ändern.
Feedback der Kompressionstechnik
Die Verwendung von Geräten zu Feedback- und Sprachführung soll in der klinischen Praxis die Qualität der Wiederbelebung verbessern, indem die Chancen auf ROSC („return of spontaneous circulation“ – Rückkehr des Spontankreislaufs) und damit auf ein Überleben erhöht werden [125, 126]. Die Art des Feedbacks schließt Sprachanweisungen, Metronome, Anzeigen, Displays, Wellendarstellungen, schriftliche Anweisungen und optische Alarme ein.
Der Effekt solcher Maßnahmen wurde in 2 randomisierten [92, 127] und 11 Beobachtungsstudien untersucht [128–138]. Keine dieser Studien zeigt mit Feedback ein verbessertes Überleben zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Krankenhaus, und nur eine Untersuchung fand eine signifikant höhere ROSC-Häufigkeit. In dieser Studie wurde es allerdings dem behandelnden Arzt überlassen, wann er ein solches Gerät einsetzt, und über die Gründe, wann ein Gerät eingesetzt wurde oder nicht, sagt die Studie nichts aus [136]. Der Einsatz eines Feedback-Geräts bei der Wiederbelebung sollte als Teil einer umfassenden Qualitätssteigerungsinitiative zur Wiederbelebung betrachtet werden [138, 139], nicht als isolierte Maßnahme.
Atemspende
Bei nicht relaxierten Schweinen mit Schnappatmung, mit ungesichertem, aber freiem Atemweg, führt kontinuierliche Thoraxkompression ohne Beatmung zu einem verbesserten Outcome [140]. Zu Beginn eines Kreislaufstillstands hat ein Drittel der Menschen eine Schnappatmung, die den Gasaustausch erleichtert [48]. Thoraxkompressionen führen aber beim intubierten Patienten nur zu einem Atemhubvolumen von 40 ml, nicht ausreichend für eine adäquate Ventilation [141]. Beim beobachteten Kreislaufstillstand im Kammerflimmern verdreifachte sofortige kontinuierliche Thoraxkompression das Überleben [142]. Dementsprechend mag sie besonders in der frühen (elektrischen) und zirkulatorischen Phase der Wiederbelebung vorteilhaft sein, während in der späteren (metabolischen) Phase eine zusätzliche Beatmung an Bedeutung gewinnt [39].
Während der Herzdruckmassage ist der systemische Blutfluss und damit der Blutzufluss zur Lunge deutlich reduziert, folglich halten ein niedrigeres Atemhubvolumen und eine niedrigere Atemfrequenz als normal eine effektive Sauerstoffversorgung und Ventilation aufrecht [143–146]. Bei ungesicherten Atemwegen führt ein Atemhubvolumen von 1000 ml häufiger zur Magenüberblähung als ein Hubvolumen von 500 ml [147]. Eine Beatmungszeit von 1 s ist ohne übermäßige Magenblähung machbar [148]. Während einer Wiederbelebung kann es zu einer unbemerkten Hyperventilation kommen, besonders bei der Beutel-Masken-Beatmung eines Patienten mit gesichertem Atemweg (Intubation, supraglottische Atemwegshilfen). Obwohl dies zu einem erhöhten intrathorakalen Druck [149] und erhöhten Atemwegsdruckspitzen [150] führt, fanden sich in einer sorgfältig kontrollierten Tierstudie keine negativen Effekte [151].
Auf der Basis der vorhandenen Evidenz empfiehlt der ERC für die Beatmung eines Erwachsenen bei der Wiederbelebung ein Hubvolumen von 500 bis 600 ml (6 bis 7 ml/kg). In der Praxis führt dies zu einem sichtbaren Heben des Brustkorbs [152]. Notfallhelfer sollen eine Beatmungsdauer von 1 s anstreben, sodass sich der Brustkorb hebt, aber eine zu schnelle und zu heftige Beatmung vermieden wird. Für 2 Beatmungen sollen die Thoraxkompressionen nicht länger als 10 s unterbrochen werden [153]. Diese Empfehlung gilt für alle Formen der Beatmung während einer Wiederbelebung, einschließlich Mund-zu-Mund- und Beutel-Masken-Beatmung mit oder ohne Sauerstoffgabe.
Mund-zu-Nase-Beatmung
Die Mund-zu-Nase-Beatmung stellt eine akzeptable Alternative zur Mund-zu-Mund-Beatmung dar [154]. Sie kann erwogen werden, wenn der Mund des Patienten schwer verletzt ist oder nicht geöffnet werden kann, der Patient sich im Wasser befindet oder bei der Mund-zu-Mund-Beatmung keine Abdichtung erreicht werden kann.
Mund-zu-Tracheostoma-Beatmung
Ein Patient der eine Trachealkanüle oder ein Trachealstoma trägt, kann im Notfall Mund-zu-Tracheostoma beatmet werden [155].
Kompressions-Beatmungs-Verhältnis
Daten aus Tierversuchen sprechen dafür, dass das Verhältnis Thoraxkompression zu Ventilation größer als 15:2 sein sollte [156–158]. Nach einem mathematischen Modell bietet ein Verhältnis 30:2 den besten Kompromiss, was Blutfluss und Sauerstoffversorgung angeht [159, 160]. In den Leitlinien 2005 und 2010 wurde dem auf sich allein gestellten Helfer ein Verhältnis 30:2 bei der Wiederbelebung eines Erwachsenen empfohlen. So werden Unterbrechungen der Thoraxkompression und damit die Zeiten ohne Blutfluss („no flow fraction“) [161, 162] sowie die Wahrscheinlichkeit einer Hyperventilation reduziert [149, 163]. Mehrere Beoabachtungsstudien berichten von einer leichten Verbesserung beim Outcome der Patienten, nachdem die Leitlinienänderung von 15:2 auf 30:2 eingeführt worden war [161, 162, 164, 165]. Der ERC bleibt daher bei seiner Empfehlung für ein Kompressions-Ventilations-Verhältnis von 30:2.
Reanimation ohne Beatmung („compression-only CPR“)
Tierversuche zeigten, dass eine Wiederbelebung nur durch Thoraxkompression in den ersten wenigen Minuten nach einem nicht asphyktischen Kreislaufstillstand genauso effektiv sein kann wie eine Kombination aus Herzdruckmassagen und Beatmungen [140, 166]. Tierversuche und mathematische Modelle haben aber auch gezeigt, dass die Sauerstoffvorräte nach 2−4 min erschöpft sind [158, 167]. Bei freien Atemwegen und gelegentlicher Schnappatmung sowie durch passive Rückstellkräfte des Brustkorbs kann ein gewisser Gasaustausch stattfinden [48, 141, 168–170].
Beoabachtungsstudien, üblicherweise als sehr niedrige Evidenz eingestuft, deuten darauf hin, dass beim wahrscheinlich kardial bedingten Kreislaufstillstand eines Erwachsenen eine Wiederbelebung nur durch Herzdruckmassage und eine Wiederbelebung mit Herzdruckmassage und Beatmung gleichwertig sind [26, 171–182].
Der ERC hat sorgfältig die möglichen Vor- und Nachteile der Wiederbelebung ohne Beatmung und der Standardwiederbelebung mit Beatmung abgewogen. Unser Vertrauen in die Gleichwertigkeit der Wiederbelebung mit und ohne Beatmung reicht nicht aus, um das bisher Empfohlene zu ändern. Der ERC unterstützt daher die ILCOR-Empfehlung, dass Helfer bei allen Patienten mit Kreislaufstillstand eine Herzdruckmassage durchführen sollen. Helfer, die trainiert und in der Lage sind zu beatmen, sollen Herzdruckmassage und Atemspenden durchführen, weil dies für Kinder und Patienten mit einem asphyktischen Kreislaufstillstand [175, 183, 184] sowie bei spätem Eintreffen des Rettungsdienstes von Vorteil für den Patienten ist [179].
Einsatz eines automatisierten externen Defibrillators
AEDs sind sicher und effektiv, wenn sie durch Laien mit wenig oder ohne Training verwendet werden [185]. AEDs ermöglichen eine Defibrillation viele Minuten, bevor professionelle Hilfe eintrifft. Helfer sollen Thoraxkompressionen mit minimalen Unterbrechungen durchführen, während der AED angelegt und verwendet wird. Die Helfer sollen sich darauf konzentrieren, der Sprachführung unmittelbar zu folgen, insbesondere die Herzdruckmassage sofort wieder aufzunehmen, wenn dazu aufgefordert wird, und Unterbrechungen der Thoraxkompressionen zu minimieren. Pausen vor und nach einem Schock sollten so kurz wie nur möglich sein [99, 100, 103, 186]. Standard-AEDs können schon für Kinder ab 8 Jahren verwendet werden [187–189].
Für Kinder zwischen 1 und 8 Jahren sollen spezielle Klebeelektroden für Kinder verwendet werden, wenn möglich mit einem Kinderprogramm. Stehen sie nicht zur Verfügung, soll der Defibrillator verwendet werden, wie er ist. Die Verwendung des AED wird nicht für Kinder unter einem Jahr empfohlen, obwohl es Berichte über einen erfolgreichen Einsatz in dieser Altersgruppe gibt [190, 191]. Abgesehen von herzkranken Kleinkindern ist eine defibrillierbare Rhythmusstörung bei Kleinkindern extrem selten [187–189, 192–195]. Ist in diesen wenigen Fällen ein AED der einzige verfügbare Defibrillator, sollte sein Einsatz erwogen werden (vorzugsweise mit verringerter Dosis).
Wiederbelebungsmaßnahmen vor der Defibrillation
Die Bedeutung unmittelbarer Defibrillation wurde immer in Leitlinien und Ausbildung betont, ihr wird großer Einfluss auf das Überleben nach Kammerflimmern zugesprochen. 2005 wurde dieses Konzept infrage gestellt, da Evidenz dafür vorlag, dass Thoraxkompressionen von bis zu 180 s vor einer Defibrillation das Überleben verbessern können, wenn der Rettungsdienst erst nach mehr als 4−5 min eintrifft [196, 197]. Drei jüngere Studien konnten diesen Vorteil nicht bestätigen [198–200]. Die Analyse einer randomisierten Studie deutete auf eine Verschlechterung des Überlebens bis zur Krankenhausentlassung durch eine längere Periode CPR (Reanimation ohne Beatmung länger als 180 s) mit dadurch verzögerter Defibrillation eines defibrillierbaren Rhythmus hin [200]. Allerdings war in Rettungsdienstbereichen mit einer hohen Ausgangsüberlebensrate bei Krankenhausentlassung (definiert als mehr als 20 % der initial defibrillierbaren Fälle) eine Wiederbelebung über 180 s vor der Defibrillation erfolgreicher als eine Wiederbelebung über eine kürzere Zeit (30−60 s) [201]. Der ERC empfiehlt, dass CPR fortgeführt werden soll, während ein Defibrillator oder AED gebracht und angelegt wird, aber dann soll die Defibrillation nicht weiter verzögert werden.
Intervall zwischen den Rhythmusanalysen
Der ILCOR Consensus on Science 2015 berichtet, dass es derzeit keine Studien gibt, welche direkt zur Frage des optimalen Abstands von Rhythmusanalysen und deren Einfluss auf das Überleben Stellung nehmen: ROSC, gutes neurologisches und funktionelles Outcome, Überleben zum Zeitpunkt der Krankenhausentlassung, Koronardurchblutung und Herzzeitvolumen.
Übereinstimmend mit der ILCOR-Empfehlung und den bisherigen Leitlinien entsprechend empfiehlt der ERC, dass die Thoraxkompressionen alle 2 min für eine Rhythmusanalyse unterbrochen werden sollen.
Sprachanweisungen
Es ist von großer Wichtigkeit, dass die Notfallhelfer den Anweisungen des AED ohne Verzug folgen. Deshalb wird empfohlen, die Sprachführung so zu programmieren, dass sie die vorstehenden Zeitabläufe berücksichtigen. Dies schließt ein:
minimale Unterbrechung der Herzdruckmassagen zur Rhythmusanalyse und zum Laden,
1 Schock, wenn ein defibrillierbarer Rhythmus erkannt wird,
die Anweisung zur sofortigen Wiederaufnahme der Thoraxkompressionen nach dem Schock,
2 min Wiederbelebung bis zur nächsten Rhythmusanalyse.
Geräte, die die Qualität der Wiederbelebung messen, können zusätzlich Feedback in Echtzeit und weitere Sprach- oder Sichtanweisungen geben.
Einzelheiten zu Schocksequenzen, Energiestufen und der Dauer der Wiederbelebung zwischen den Schocks werden in Kap. 3, „Erweiterte Maßnahmen“, behandelt.
In der Praxis werden AEDs meist von ausgebildeten Helfern eingesetzt, sodass die AED-Sprachführung grundsätzlich auf ein Kompressions-Ventilations-Verhältnis von 30:2 eingestellt werden soll.
Wenn – ausnahmsweise – AEDs an einem Ort platziert werden, wo es unwahrscheinlich ist, dass ausgebildete Helfer dazukommen, kann der Betreiber die Einstellung auf Herzdruckmassage ohne Beatmung ändern lassen.
Vollautomatische AEDs
Hat ein vollautomatischer AED einen defibrillierbaren Rhythmus erkannt, gibt er den Schock ohne weiteres Zutun des Helfers ab. In einer Studie an Übungsphantomen konnte gezeigt werden, dass ungeschulte Krankenpflegeschüler mit einem vollautomatischen AED weniger Fehler machten als mit einem halbautomatischen [202]. Eine simulierte Studie an Phantomen ergab, dass die Sicherheit nicht gefährdet war, wenn ungeübte Laienhelfer einen vollautomatischen statt einen halbautomatischen AED benutzten [203].
Über die Anwendung an Menschen in einem klinischen Bereich liegen keine Daten vor.
Defibrillatoren in der Öffentlichkeit („public access defibrillation“, PAD)
Die Bedingungen für eine erfolgreiche Wiederbelebung in einem Wohnumfeld sind schlechter als im öffentlichen Raum: weniger beobachtete Kreislaufstillstände, weniger Wiederbelebungen durch Notfallzeugen und als Konsequenz weniger defibrillierbare Kreislaufstillstände. Dies schränkt die Effektivität der AED-Anwendung im häuslichen Bereich ein [204]. Die meisten Untersuchungen, die einen positiven Effekt des AED-Einsatzes auf das Überleben zeigen, wurden mit AEDs in der Öffentlichkeit durchgeführt [32, 205–208]. Jüngere landesweite Untersuchungen aus Japan und den USA zeigen, dass, wenn ein AED verfügbar ist, die Patienten sehr viel früher defibrilliert werden und eine bessere Überlebenschance haben [16, 209]. Aber nur in 3,7 % [209] bzw. 1,2 % [16] wurde ein Schock abgegeben. In der japanischen Studie findet sich eine eindeutig negative Beziehung zwischen der Anzahl der pro Quadratkilometer verfügbaren AEDs und dem Intervall zwischen dem Kollaps des Patienten und dem erstem Schock, was eine positive Korrelation mit dem Überleben ergab. Öffentliche AED-Programme sollen daher an viel besuchten Plätzen mit viel Publikumsverkehr eingerichtet werden (Flughäfen, Bahn- und Busstationen, Sportstätten, Einkaufszentren, Bürogebäuden und Kasinos). Dort werden Kreislaufstillstände häufig beobachtet, und trainierte Notfallhelfer sind schnell zur Stelle. Die Dichte, mit der AEDs für eine ausreichend schnelle Intervention zur Verfügung stehen müssen, ist besonders unter dem Aspekt der Kosten-Nutzen-Relation nicht zufriedenstellend definiert. Die Häufigkeit, mit der ein Kreislaufstillstand erwartet wird, welchen Gewinn an Lebensjahren man erhofft und welchen Zeitgewinn ein mit einem AED ausgerüsteter Notfallhelfer gegenüber dem Regelrettungsdienst hat, sollen in die Entscheidung einfließen. Die Verfügbarkeit eines AED an Orten, an denen sich ein Kreislaufstillstand alle 5 Jahre ereignet, kann als kosteneffektiv und anderen medizinischen Interventionen vergleichbar erachtet werden [210–221]. Für den häuslichen Bereich können Erfahrungen aus der Vergangenheit und die Art der Nachbarschaft bei der Entscheidung, wo ein AED stationiert sein soll, helfen [213, 214]. Die Registrierung der AED-Standorte erleichtert es dem Leitstellendisponenten, einen Notfallhelfer zum nächstplatzierten AED zu führen und somit die Hilfeleistung zu beschleunigen [215]. Die frühzeitige Defibrillation mit einem AED vor Ort kann möglicherweise auch Krankenhauskosten reduzieren [216, 217].
Das volle Potenzial von AEDs ist noch nicht ausgeschöpft, da sie meist im öffentlichen Raum zum Einsatz kommen sich aber 60 bis 80 % der Kreislaufstillstände zu Hause ereignen. Der Anteil der Patienten, die mit Kammerflimmern aufgefunden werden, ist zu Hause geringer als in der Öffentlichkeit, wohingegen die absolute Zahl zu behandelnder Patienten zu Hause höher ist [204]. Selten profitieren Patienten zu Hause von öffentlichen AED-Programmen [208]. Daher sind andere Strategien gefragt, um eine frühzeitige Defibrillation in häuslicher Umgebung zu erreichen. Von der Leitstelle eingesetzte sog. „First Responder“ (Polizei, Feuerwehr) haben in der Regel längere Reaktionszeiten, erreichen aber die gesamte Bevölkerung [17, 36]. Die logistische Herausforderung für First-Responder-Programme liegt darin, dass der Notfallhelfer nicht unbedingt schneller als der Rettungsdienst eintreffen muss, aber bis 5−6 min nach dem Notruf, um den Defibrillationsversuch in der elektrischen bzw. zirkulatorischen Phase des Kreislaufstillstands zu ermöglichen [39]. Späteres Eintreffen führt zu verschlechterten Überlebenschancen: Wenige Minuten Zeitgewinn haben wenig Bedeutung, wenn der First Responder später als 10 min nach dem Notruf eintrifft [34, 218]. Von der Leitstelle geführte Laienhelfer aus der Umgebung des Patienten, die zu einem nahe gelegenen AED geführt werden, können die Zahl der Wiederbelebung durch Laienhelfer verbessern und die Zeit bis zur Defibrillation verkürzen [40].
Wenn ein AED-Programm eingeführt wird, sollen Gemeinde und Verantwortliche berücksichtigen, dass ein Team für die Wartung der Geräte, für die Aus- und Fortbildung von Personen, welche für den Einsatz des AED infrage kommen, und für die Bildung einer Gruppe Freiwilliger, die sich verpflichten, einen AED bei der Wiederbelebung von Patienten mit Kreislaufstillstand anzuwenden, notwendig ist [219]. Es müssen Rücklagen gebildet werden, die einen dauerhaften Unterhalt solcher Programme finanziell absichern.
Programme, die AEDs in häuslicher Umgebung bereitstellen, wurden lediglich im Hinblick auf die Reaktionszeiten, aber nicht auf Überlebensvorteile hin untersucht [40]. Die Bereitstellung eines AED für Einzelne zu Hause ist auch bei jenen, die ein hohes Risiko haben, einen plötzlichen Kreislaufstillstand zu erleiden, nicht effektiv [220].
Das Kap. „Besondere Umstände“ liefert die Evidenz, die die ERC-Empfehlung untermauert, dass an Bord aller kommerziellen Flugzeuge in Europa bindend AEDs vorgehalten werden sollen, auch bei Regionallinien und sog. „Billigfliegern“ [221].
Einheitliche AED-Kennzeichnung
Wenn ein Patient kollabiert, muss schnell ein AED verfügbar sein: ein klares, einfaches Symbol muss auf seinen Standort und den schnellsten Weg dorthin hinweisen. ILCOR hat ein solches AED-Symbol entwickelt, das weltweit verstanden wird; daher wird dieses empfohlen [222].
Einsatz von AEDs in Krankenhäusern
Randomisierte Studien zum Einsatz von AEDs in Krankenhäusern im Vergleich zu manuellen Defibrillatoren gibt es nicht. Zwei ältere Beobachtungsstudien bei Erwachsenen mit Kreislaufstillstand im Krankenhaus und einer defibrillierbaren Rhythmusstörung zeigten eine höhere Überlebensrate bis zur Krankenhausentlassung, wenn es statt alleiniger manueller Defibrillation auch ein AED-Programm gab [223, 224]. Eine jüngere Beobachtungsstudie konnte zeigen, dass ein AED erfolgreich eingesetzt werden konnte, bevor das innerklinische Wiederbelebungsteam eintraf [225]. Drei Beobachtungsstudien zeigten beim Vergleich von AED-Einsatz mit manueller Defibrillation keine Verbesserung beim Überleben bis zur Krankenhausentlassung [226–228]. In einer dieser Studien [226] überlebten in der AED-Gruppe weniger Patienten mit nicht defibrillierbarem Rhythmus bis zur Krankenhausentlassung als in der Gruppe mit manueller Defibrillation (15 vs. 23 %; p = 0,04). Eine andere große Beobachtungsstudie mit 11.695 Patienten in 204 Krankenhäusern zeigte auch, dass der AED im Krankenhaus mit einer niedrigeren Überlebensrate assoziiert war als ohne AED (16,3 vs.19,3 %; adjusted rate ratio, RR, 0,85; 95 %-Konfidenzintervall, CI, 0,78–0,92; p < 0,001 [229]). Lag ein nicht defibrillierbarer Rhythmus vor, führte der AED-Einsatz zu einer geringeren Überlebensrate (10,4 vs.15,4 %; adjusted RR, 0,74; 95 %-CI, 0,65–0,83; p < 0,001) und zu einer vergleichbaren Überlebensrate bei defibrillierbarem Rhythmus (38,4 vs. 39,8 %; adjusted RR, 1,00; 95 %-CI, 0,88–01,13; p = 0,99). Dies legt nahe, dass der AED eine nachteilige Verzögerung beim Beginn der Wiederbelebungsmaßnahmen (CPR) verursacht oder zu Unterbrechungen der Thoraxkompression bei nicht defibrillierbaren Rhythmen führt [230]. Weniger als 20 % der Krankenhauspatienten, die einen Kreislaufstillstand erleiden, haben einen defibrillierbaren Rhythmus [229, 231, 232]. Wir empfehlen den Einsatz eines AED in den Bereichen eines Krankenhauses, in denen das Risiko einer verzögerten Defibrillation besteht [233], weil es mehrere Minuten dauert, bis ein Wiederbelebungsteam eintrifft, und Ersthelfer nicht in der Lage sind, manuell zu defibrillieren. Ziel ist eine Defibrillation innerhalb von drei Minuten nach dem Kollaps. In Bereichen, in denen die manuelle Defibrillation durch trainiertes Personal oder Wiederbelebungsteams rasch durchgeführt werden kann, ist die manuelle Defibrillation dem AED-Einsatz vorzuziehen. Egal, welche Defibrillationstechnik bevorzugt wird (und einige Krankenhäuser mögen Defibrillatoren wählen, die AED und manuelle Defibrillation bieten), es muss ein effektives Aus- und Fortbildungsprogramm etabliert werden [232, 234]. Eine ausreichende Anzahl an Mitarbeitern muss ausgebildet werden, damit an jeder Stelle des Krankenhauses in 3 min eine Defibrillation durchgeführt werden kann. Krankenhäuser sollen die Zeiten von einem Kollaps bis zum ersten Schock registrieren und die Ergebnisse von Wiederbelebungsmaßnahmen überwachen und aufarbeiten.
Risiken für den Ersthelfer und den Reanimationspatienten
Risiken für den Patienten, der wiederbelebt wird, obwohl er keinen Kreislaufstillstand hat
Viele Notfallzeugen beginnen nicht mit der Wiederbelebung, weil sie befürchten, dass Thoraxkompressionen bei einem Patienten, der keinen Kreislaufstillstand hat, ernste Schäden verursachen. Drei Untersuchungen befassten sich mit den Risiken einer Herzdruckmassage bei Personen, die keinen Kreislaufstillstand hatten [235–237]. In den gepoolten Daten dieser drei Studien, also von 345 Patienten, fanden sich Knochenbrüche (Rippen und Schlüsselbein) mit 1,7 % (95 %-CI, 0,4–3,1 %), Schmerzen an der Stelle der Herzdruckmasage mit 8,7 % (95 %-CI, 5,7–11,7 %), aber keine relevanten Verletzungen innerer Organe. Ersthelfer sollten keine Bedenken haben, mit einer Wiederbelebung zu beginnen, da es nur in extrem seltenen Fällen zu ernsthaften Verletzungen kommt, wenn ein Patient keinen Kreislaufstillstand hat und von einem Notfallzeugen wiederbelebt wird.
Risiken für einen Patienten, der bei Vorliegen eines Kreislaufstillstands wiederbelebt wird
Eine systematische Übersicht zu Skelettverletzungen durch manuelle Thoraxkompression berichtet von 13–97 % Rippenbrüchen und von 1–43 % Sternumfrakturen [238]. Organverletzungen (Lunge, Herz, Bauchorgane) sind sehr viel seltener und kommen mit und ohne Knochenverletzungen vor [239]. Sie treten häufiger auf, wenn beim normalen Erwachsenen tiefer als 6 cm gedrückt wird [96].
Risiken für den Helfer während des Trainings und bei realer Reanimation
Beobachtungsstudien zur Ausbildung und tatsächlichen Durchführung von Wiederbelebungsmaßnahmen sowie Fallberichte dokumentieren nur selten Muskelzerrungen, Rückenbeschwerden, Kurzatmigkeit, Pneumothorax, Brustschmerzen, Herzinfarkt oder Nervenschäden [240, 241]. Die Häufigkeit solcher Ereignisse ist niedrig, und die Ausbildung in Wiederbelebungsmaßnahmen und deren tatsächliche Durchführung ist unter den meisten Umständen sicher [242]. Teilnehmer von Wiederbelebungsschulungen sollten über Art und Ausmaß der körperlichen Belastung während des Trainingsprogramms aufgeklärt werden. Lernenden und Helfern, die während des Trainings signifikante Symptome entwickeln (z. B. Brustschmerz oder starke Atemnot), soll zum Trainingsabbruch geraten werden.
Ermüdung des Helfers
Mehrere Studien am Übungsphantom haben nachgewiesen, dass die Drucktiefe bereits weniger als 2 min nach Beginn der Thoraxkompressionen abnimmt [243]. Eine Krankenhauspatientenstudie zeigte, dass auch bei Echtzeit-Feedbacks die durchschnittliche Tiefe der Herzdruckmassage zwischen 1,5 und 3 min nach Beginn der CPR nachließ [244]. Es wird daher empfohlen, dass sich Ersthelfer etwa alle 2 min abwechseln, um eine Verschlechterung der Druckqualität infolge der Ermüdung des Helfers zu verhindern. Beim Wechsel der Helfer soll die Herzdruckmassage nicht unterbrochen werden.
Risiken während der Defibrillation
Viele Studien zu öffentlich zugänglichen Defibrillatoren („public access defibrillation“, PAD) zeigen, dass AEDs von Laien und professionellen Ersthelfern (First Respondern) sicher angewendet werden können [185]. Eine systematische Metaanalyse fand 8 Publikationen, die insgesamt 29 unerwünschte Ereignisse bei der Defibrillation auswiesen [245]. Ursache waren zufälliger oder vorsätzlicher Missbrauch des Defibrillators, Gerätefehlfunktion und versehentliche Entladung während des Trainings oder der Wartung. In 4 Einzelfallberichten kam es durch die Entladung implantierter Herzschrittmacher (implantierbarer Kardioverter-Defibrillator, ICD) zu Schocks an Helfern, was in einem Fall zu einer Schädigung peripherer Nerven führte. Es gibt keine Berichte über Schädigungen der Ersthelfer durch Defibrillationsversuche in feuchter Umgebung.
Obgleich Verletzungen der Helfer durch Defibrillationen extrem selten sind, konnte gezeigt werden, dass chirurgische Handschuhe keinen ausreichenden Schutz bieten [246–249]. Daher sollen Helfer während der Schockabgabe die Thoraxkompressionen nicht fortsetzen, und der Patient soll während der ICD-Entladung nicht berührt werden. Direkter Kontakt zwischen dem Helfer und dem Patienten während der Schockabgabe soll vermieden werden.
Psychologische Folgen
Eine große prospektive Studie zu PAD berichtete von wenigen negativen psychologischen Effekten in Verbindung mit einer Wiederbelebung oder dem Einsatz eines AED, die eine Intervention erforderten [242]. Zwei große retrospektive Fragebogenstudien zur Wiederbelebung stellten fest, dass Notfallzeugen ihre Wiederbelebung als positive Erfahrung einstuften [250, 251]. Auch Familienangehörige, die Zeugen von Wiederbelebungsmaßnahmen werden, können psychologisch davon profitieren [252–254]. Das seltene Auftreten von nachteiligen psychologischen Auswirkungen bei Ersthelfern nach einer Wiederbelebung soll dennoch registriert und angemessen behandelt werden.
Übertragung von Krankheiten
Das Risiko einer Krankheitsübertragung während des Trainings und der tatsächlichen Wiederbelebung ist extrem niedrig [255–257]. Das Tragen von Handschuhen während der Wiederbelebung ist sinnvoll, aber die Wiederbelebung soll nicht verzögert oder gar unterlassen werden, weil keine Handschuhe verfügbar sind.
Infektionsbarrieren für die Atemspende
Drei Studien zeigten unter kontrollierten Laborbedingungen, dass Beatmungsfolien oder -ventile die Übertragung von Bakterien verringern [258, 259]. Es konnten keine Studien gefunden werden, die die Sicherheit und Effektivität solcher Hilfsmittel (Beatmungstücher, Taschenmasken), die den direkten Kontakt mit dem Patienten verhindern sollen, untersuchten. Wenn man weiß, dass der Patient eine schwerwiegende Infektion hat (z. B. HIV, Tuberkulose, Hepatitis-B-Virus, SARS), wird ein Infektionsschutz empfohlen.
Wird eine solche Infektionsbarriere verwendet, ist dafür Sorge zu tragen, dass es dadurch nicht zu unnötigen Unterbrechungen der Wiederbelebung kommt. Studien an Übungsphantomen haben gezeigt, dass die Qualität einer Wiederbelebung besser ist, wenn eine Taschenmaske verwendet wird, als wenn Beutel-Masken-Beatmung oder ein Gesichtstuch zur Anwendung kommt [260–262].
Atemwegsverlegung durch Fremdkörper (Ersticken)
Die Verlegung der Atemwege durch einen Fremdkörper ist eine seltene, aber potenziell behandelbare Todesursache [263]. Da die meisten Atemwegsverlegungen beim Essen entstehen, werden sie üblicherweise beobachtet. Da die Betroffenen anfangs bei Bewusstsein sind und reagieren, besteht oft die Möglichkeit zur frühzeitigen Intervention, die lebensrettend sein kann.
Erkennen
Der Schlüssel zum erfolgreichen Outcome liegt im Erkennen einer Atemwegsverlegung. Deshalb ist es wichtig, diesen Notfall nicht mit einer Ohnmacht, einem Herzinfarkt, einem Krampfanfall oder anderen Zuständen zu verwechseln, die plötzliche Atemnot, Zyanose oder Bewusstseinsverlust hervorrufen können. Die Fremdkörperverlegung ereignet sich üblicherweise beim Essen oder Trinken. Ein erhöhtes Risiko für eine Atemwegsverlegung durch Fremdkörper haben Patienten mit eingeschränktem Bewusstsein, Intoxikationen (Alkohol, Drogen), neurologischen Erkrankungen mit Störungen der Schluck- und Hustenreflexe (Schlaganfall, Parkinson-Krankheit), Atemwegserkrankungen, geistigen Einschränkungen, Demenz, schlechtem Zahnstatus und hohem Alter [264].
Abb. 5 zeigt den Behandlungsalgorithmus bei einem Erwachsenen mit Atemwegsverlegung durch Fremdkörper. Fremdkörper können eine milde oder eine schwere Atemwegsverlegung verursachen. Es ist wichtig, den ansprechbaren Patienten zu fragen: „Haben Sie einen Erstickungsanfall?“ Ein Patient, der antwortet, hustet und atmet, hat eine milde Obstruktion. Kann er nicht sprechen, nur schwach husten, ringt er nach Luft oder kann nicht atmen, so liegt eine schwere Obstruktion vor.
Behandlung der milden Atemwegsverlegung
Husten erzeugt einen hohen und anhaltenden Atemwegsdruck und kann den Fremdkörper ausstoßen. Eine aggressive Behandlung mit Schlägen auf den Rücken, Oberbauch- und Brustkorbkompressionen kann Schäden hervorrufen und die Atemwegsverlegung verschlimmern. Diese soll Patienten vorbehalten bleiben, die Zeichen einer schweren Atemwegsverlegung aufweisen. Patienten mit einer milden Verlegung des Atemwegs sollen unter kontinuierlicher Beobachtung bleiben, bis es ihnen besser geht, weil sich eine schwere Verlegung noch entwickeln kann.
Behandlung der schweren Atemwegsverlegung
Klinische Daten zum Ersticken sind größtenteils retrospektiv und anekdotisch. Bei Erwachsenen und Kindern über 1 Jahr, die bei Bewusstsein sind und bei denen eine komplette Atemwegsverlegung durch Fremdkörper erfolgt ist, haben Fallberichte die Effektivität von Schlägen auf den Rücken sowie Oberbauch- und Brustkorbkompressionen gezeigt [265]. In ungefähr 50 % der Fälle kann die Atemwegsverlegung nicht durch eine einzige Maßnahme beseitigt werden [266]. Die Erfolgsaussichten steigen bei der Kombination von Schlägen auf den Rücken, Oberbauch- und Brustkorbkompressionen [265].
Behandlung der Atemwegsverlegung beim Bewusstlosen
Eine randomisierte Studie an Leichen [267] und zwei prospektive Studien an anästhesierten Freiwilligen [268, 269] haben gezeigt, dass mit Brustkorbkompressionen im Vergleich zu Oberbauchkompressionen ein höherer Atemwegsdruck erzeugt werden kann. Herzdruckmassagen bei bewusstlosen oder nicht ansprechbaren Patienten mit einer Atemwegsverlegung durch Fremdkörper sind mit einem guten neurologischen Outcome assoziiert (Odds Ratio, 10,57; 95 %-CI, 2472–65.059, p < 0,0001) [270]. Daher soll sofort mit Thoraxkompressionen begonnen werden, wenn der Patient nicht mehr reagiert oder bewusstlos wird. Nach 30 Kompressionen versuchen Sie zweimal zu beatmen. Führen Sie die Reanimation fort, bis sich der Patient erholt und normal zu atmen beginnt.
Nachsorge und Vorstellung beim Arzt
Nach erfolgreicher Beseitigung einer Atemwegsverlegung durch Fremdkörper können immer noch Fremdkörper in den oberen oder unteren Atemwegen verblieben sein und später zu Komplikationen führen. Patienten mit anhaltendem Husten, Schluckbeschwerden oder dem Gefühl, dass immer noch etwas im Hals steckt, sollen daher einem Arzt vorgestellt werden. Oberbauchkompressionen und Herzdruckmassagen können zu ernsthaften inneren Verletzungen führen; daher sollen alle Patienten, bei denen diese angewendet wurden, anschließend auf Verletzungen untersucht werden.
Wiederbelebung von Kindern (s. Kap. 6) und Ertrinkungsopfern (s. Kap. 4)
Viele Kinder werden nicht reanimiert, weil potenzielle Helfer fürchten, Schaden anzurichten, da sie nicht speziell in der Wiederbelebung von Kindern geschult sind. Diese Furcht ist unbegründet: Es ist viel besser, ein Kind nach dem BLS-Schema für Erwachsene zu reanimieren, als nichts zu tun. Um das Lernen und Erinnern zu vereinfachen, soll Laien beigebracht werden, dass die Erwachsenenmethode auch bei nicht reagierenden und nicht normal atmenden Kindern angewandt werden kann. Folgende geringe Änderungen an der Erwachsenensequenz machen diese für Kinder noch geeigneter:
Beatmen Sie 5-mal, bevor sie mit den Thoraxkompressionen beginnen.
Reanimieren Sie 1 min lang, bevor Sie Hilfe holen, falls Sie wirklich ganz allein sind.
Komprimieren Sie den Brustkorb, um ein Drittel; benutzen Sie 2 Finger bei Kleinkindern unter einem Jahr. Bei älteren Kindern sind 1 oder 2 Hände erforderlich, je nachdem, wie Sie eine ausreichende Kompressionstiefe erreichen.
Die gleichen Modifikationen – also 5 initiale Beatmungen sowie 1-minütige Wiederbelebungsmaßnahmen, bevor Sie Hilfe holen, falls Sie wirklich ganz allein sind – können das Outcome von Patienten nach Ertrinkungsunfällen verbessern. Diese Modifikation soll nur Helfern vermittelt werden, die eine spezielle Verpflichtung haben, sich um potenzielle Ertrinkungsopfer zu kümmern (z. B. Rettungsschwimmer).
Korrespondierender Übersetzer
Dr. med. Ulrich Jost
DLRG
Im Niedernfeld 1–3
Bad Nenndorf
ulrich.jost@dlrg.de
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
G.D. Perkins ist Editor der Resuscitation; A. J. Handley ist medizinischer Berater bei BA, Virgin, Places for people, Life saving Societies, Trading Company Secretary RCUK; G. Ristagno berät ZOLL: ECG interpretation; J. Soar ist Editor der Resuscitation; M. Castren ist im Medical advisory Board der Falck Foundation; R. Koster ist medizinischer Berater bei Physio Control and HeartSine und erhält Forschungsgelder von Physio Control, Philips, Zoll, Cardiac Science, Defibtech, Jolife; V. Wenzel erhält Forschungsgelder, ist medizinischer Berater und Vortragender bei „AOP Orphan“ Pharma; J.-T. Grasner, K.Monsieurs, M. Smyth, T. M.Olasveengen und V. Raffay geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.
Footnotes
Dieser Beitrag ist ein für das Institut für Notfallmanagement und Simulation GbR, Steinbronn erstellter, unveränderter Nachdruck des Beitrags „Basismaßnahmen zur Wiederbelebung Erwachsener und Verwendung automatisierter externer Defibrillatoren“ aus der deutschen Übersetzung der ERC-Reanimationsleitlinien aus Notfall+Rettungsmedizin 8/2015. Um den Beitrag zu zitieren, nutzen Sie bitte den DOI des originalen Beitrags: 10.1007/s10049-015-0081-1.
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