Sowohl im Vertrieb als auch im Controlling spielen Forecasts eine wichtige Rolle. Häufig sind die Planungsszenarien jedoch nicht präzise genug. In der Realität zeigen sich zwischen Planung und Umsetzung oft deutliche Unterschiede. Wie kann der Vertrieb seinen Forecasting-Prozess gestalten und optimieren?
Der Vertrieb generiert Umsätze für das Unternehmen. Die Prognose, wie viele Produkte in welchem Zeitraum an wie viele Kunden verkauft werden, ist ein wesentlicher Bestandteil der operativen Unternehmensplanung. Mithilfe von Forecasts kann der Vertrieb zudem seine Verkäufe planen, kontrollieren und steuern. Daher nimmt die Forecast-Planung eine so zentrale Rolle ein. Sowohl in der Praxis als auch in der Literatur wird jedoch auch immer wieder Kritik geäußert: Oft gilt Forecasting als unpräzise, der Prozess als zu umständlich und der Sinn des Forecasts wird infrage gestellt. Bei manchen Vertriebsabteilungen wird das Instrument gar als zeitraubender Störfaktor wahrgenommen. Mario Pufahl bezeichnet im Springer-Buch "Vertriebscontrolling" beispielsweise den Forecast als einen der häufigsten Produktivitätskiller in vielen Vertriebsorganisationen. Ein gut funktionierender Prozess kann jedoch am Ende wichtige Informationen liefern.
Schlechte Forecasts sind Karrierekiller im Vertrieb
Unpräzise Forecasts werfen hingegen Fragen auf. Kommt es zu großen Abweichungen, weil die Verkäufe hinter den Erwartungen geblieben sind, muss analysiert werden, wie es dazu kam. Der Vertriebsleiter wird anhand des Forecasts prüfen, ob seine Vertriebler die erwarteten Quoten erreichen. Die Situation kann dann heikel sein, wenn ein Vertriebsmitarbeiter immer wieder seine Ziele verfehlt, denn das ist nicht gerade karriereförderlich. Unpräzise Prognosen bergen darüber hinaus die Gefahr, dass sie zu falschen Entscheidungen im Unternehmen führen. Für das Management ist es deshalb wichtig, dass hier möglichst genaue Informationen geliefert werden.
Die Gründe, warum die Ziele nicht erreicht wurden, können vielfältig sein. Kommt es beispielsweise aufgrund von äußeren Umständen zu Umsatzeinbrüchen, lässt sich das in manchen Fällen nur schwer vorhersagen. Aktuell trifft das auf die Lage aufgrund des Coronavirus (Covid-19) zu. In vielen Unternehmen wurde der Vertrieb Mitte März 2020 vorübergehend nahezu stillgelegt. Manche Mitarbeiter sind in Quarantäne, potenzielle Kunden sind nicht erreichbar, Messen, Veranstaltungen und Meetings wurden abgesagt. Der Vertrieb konnte diese Krisensituation jedoch kaum vorhersehen und in den Forecasts, die bereits im Februar 2020 erstellt wurden, in dem tatsächlichen Ausmaß berücksichtigen. Hier müssen Unternehmen kurzfristig reagieren und Notfallszenarien erstellen. Forecasts müssen entsprechend angepasst werden.
Anders sieht es jedoch aus, wenn der Forecast ungenau ist, weil schlichtweg das Know-how hierfür fehlt oder bei der Prognose bewusst untertrieben oder sogar zu hoch gegriffen wurde. Übertreibt ein Vertriebler immer wieder deutlich, um mehr Budget zu erhalten, muss der Vertriebsleiter das Gespräch suchen. Ist der Betrachtungszeitraum zu lange, besteht die Gefahr, dass hier Werte und Entwicklungen schlichtweg geraten werden.
Die Vertriebsleitung muss den Vertriebsmitarbeitern eine klare Richtung vorgeben, welche Werte in den Forecast einfließen sollen. Auch der Betrachtungshorizont für die Forecast-Planung sollte genau vorgegeben werden. Eine klare Linie ist hier insbesondere deshalb wichtig, da ansonsten die Gefahr besteht, dass jeder Vertriebsmitarbeiter auf eine andere Weise und mit anderer Gewichtung der zugrunde liegenden Kennzahlen den Forecast erstellt und keine Vergleichbarkeit mehr gegeben ist.
Der Forecast ist aber nicht nur für den Vertriebler und seinen Vertriebsleiter von Bedeutung. Je nach Prognose kann der Einkaufs- und Produktionsprozess beeinflusst werden. Auch das Controlling wertet diese Informationen für die Unternehmensplanung aus. Und weitere Abteilungen, wie das Marketing, können die Prognosen nutzen, um mögliche Aktivitäten abzustimmen. Der Forecast ist damit ein wichtiger Hebel im Vertrieb, der auch auf andere Unternehmensbereiche wirkt.
Wichtige Schritte im Forecast-Prozess
Der Vertrieb benötigt einen klaren Prognoseprozess. Die wichtigsten Schritte eines Prognoseprozesses laut Dr. Jörg B. Kühnapfel, Professor für General Management, insbesondere Vertriebscontrolling, an der Hochschule Ludwigshafen am Rhein, sind:
- Die Zielwerte werden festgelegt. 
- Es muss entschieden werden, auf welche Art und Weise Vergangenheitswerte verarbeitet werden sollen. 
- Die Prognosemethode wird gewählt. 
- Die Art und Weise, wie Prognoseergebnisse verwendet werden, wird festgelegt. 
- Der Prozess wird etabliert, regelmäßig kontrolliert und optimiert. 
Es gibt zahlreiche unterschiedliche Methoden, um einen Forecast zu erstellen. Denkbar sind qualitative Methoden, wie beispielsweise Kundenbefragungen, aber auch quantitative Ansätze. Relevant ist dabei die Frage, was mit dem jeweiligen Forecast prognostiziert werden soll. Die nachfolgende Tabelle zeigt, welche Methoden in der Praxis besonders oft zum Einsatz kommen. Sowohl Top-down-Modelle zur Ermittlung von Zielwerten als auch Bottom-up-Modelle, um Vergangenheitswerte fortzuschreiben, werden häufig genutzt. Nur eine einzige als "perfekte Methode" zu wählen, ist nach Ansicht vieler Experten nicht empfehlenswert. Besser ist eine Kombination aus verschiedenen Ansätzen, um möglichst präzise Ergebnisse zu erhalten.
Rollierende Forecasts für kurzfristige Ziele
Der rollierende Forecast wird in der Vertriebspraxis sehr häufig eingesetzt. Periodische Forecasts sind häufig mit dem Geschäftsjahr identisch. Während sich bei einem periodischen Forecast der Betrachtungszeitpunkt nach und nach verkürzt, da zwischenzeitlich Ist-Zahlen vorliegen, bleibt beim rollierenden Forecast die Zeitachse immer gleich lang. Dies führt dazu, dass der betrachtete Zeitraum vom Geschäftsjahr abweichen kann. Interessant ist die Methode auch deshalb, weil hier individuell festgelegt werden kann, wie lange in die Zukunft Prognosen erstellt werden sollen. Häufig werden Forecasts vor allem eingesetzt, um kurzfristige Ziele zu erreichen.
| Top-down-Modelle | Bottom-up-Modelle | 
|---|---|
| • Marktanteilsprognosen • Zielgruppenanteilsprognosen • Produktpenetrationsprognosen | • Rollierender Forecast • Naiver Forecast • Einfache Trendextrapolation • Extrapolation auf Basis der exponentiellen Glättung • Multivariate Regressionsanalysen | 
Wann und wie oft sollten Forecasts erstellt werden? Im Vertrieb werden Forecasts in der Regel monatlich erstellt. Auch ad-hoc-Forecasts sind denkbar, vor allem wenn sich das Marktumfeld plötzlich verändert. Verlässliche Prognosen kann der Vertrieb häufig nur einige Monate im Voraus erstellen. Deshalb wird der Forecast auch oft als kurzfristiges Planungsinstrument verstanden. Bei der Implementierung und Überprüfung des Prozesses sollte jedoch beachtet werden: Je komplexer und detailreicher der Prozess gestaltet wird, desto länger kann der Prozess dauern.
Die Forecast-Qualität prüfen
Vor allem zu Beginn eines Geschäftsjahres kann es sinnvoll sein, die Prozessqualität der Vertriebsprognosen zu prüfen. Das empfiehlt auch Vertriebsexperte Michael Hopke von MHO Consulting: "In die möglichst genaue Vorhersage der Umsätze investiert der Vertrieb viel Zeit und Energie. Oft mit mäßigem Erfolg, denn Plan und Ist weichen meistens erheblich voneinander ab."
Aus Sicht von Hopke sind vor allem folgende Parameter bei der Analyse von Abweichungen wichtig:
- angemessene Projektlaufzeit oder Verkaufszeit 
- gute Übereinstimmung mit dem Verkaufsprozess 
- realistische Erfolgsquoten als Kennzahl 
- Vertriebsleiter müssen viel früher coachen. 
Abweichungen messen
Wie präzise der Forecast ist, lässt sich messen: Mit der Berechnung von simplen Soll-Ist-Abweichungen kann bereits ermittelt werden, ob der Vertrieb die gesteckten Ziele erreicht hat. Das kann und sollte für jede Berechnungsgröße erfolgen, wie beispielsweise
- einzelne Produkte, 
- Umsatz, 
- Absatz. 
Berechnen lässt sich dies beispielsweise mit dieser Formel: Umsatz Ist (Euro) - Umsatz Forecast = Abweichungswert. Die Forecast-Abweichung kann auch als Prozentwert ermittelt werden: Umsatz Ist (Euro) - Umsatz Forecast / Umsatz Forecast * 100 = Abweichung in Prozent.
Wichtig dabei ist jedoch, die richtigen Kennzahlen auszuwählen. Dies muss wiederum individuell erfolgen, denn der Vertrieb eines jeden Unternehmens hat individuelle Schwerpunkte. Es existieren unterschiedliche Instrumente, wie dann Abweichungsanalysen erfolgen können, beispielsweise die Break-Even-Analyse oder die Gap-Analyse. Auch hier sollte abgewogen werden, welches Instrument zum Einsatz kommen soll.
Für das Management ist es dann aber nicht damit getan, eine Abweichung festzustellen. Das zeigen Studienergebnisse von Simon-Kucher & Partners, auf die das Beratungsunternehmen im Juni 2019 hinweist. 84 Prozent der befragten Manager von Chemie- und Bauunternehmen beschränken sich laut der Analyse darauf, Abweichungen von geplanten Ergebniskennzahlen zu erklären, anstatt die Vertriebsaktivitäten proaktiv nach vorne auszurichten. Doch wie können Forecasts verbessert werden, damit eine proaktive Vertriebssteuerung gelingt?
Predictive Analytics
Gerade beim Forecasting wird viel Hoffnung in Predictive Analytics gesetzt. Vielen Unternehmen ist bewusst, dass sie vor allem im Vertrieb die Prognosequalität steigern und proaktiv handeln müssen. Das zeigen beispielsweise auch zwei Studien der Beratungsgesellschaft Horváth & Partners: Laut der Erhebung "Finance Excellence 2020" setzen 19 Prozent der befragten 120 CFOs bereits Big-Data-Analysen und Predictive Analytics ein. 39 Prozent planen deren Einführung. Und in der CFO-Studie 2019 sehen 75 Prozent der Studienteilnehmer den Einsatz von Predictive Forecasting als relevante Forecasting-Methodik für die Zukunft, denn sie ermöglicht eine proaktive, prognostizierende Steuerung im Controlling von Unternehmen. Ein Trend, der sich durchaus auf den Vertrieb übertragen lässt.
Die BARC-Studie "Predictive Planning and Forecasting hebt die Unternehmensplanung auf die nächste Stufe" macht deutlich, welche Hoffnung in diese neuen Instrumente gesetzt werden: 65 Prozent erwarten demnach eine höhere Qualität und Genauigkeit von Prognosen und 59 Prozent gehen von weniger Planungsaufwand aus. Fast jeder Zweite glaubt, dass Unternehmen damit die Möglichkeit gegeben wird, schneller auf geänderte Anforderungen reagieren zu können. Hier wird jedoch noch Umsetzungsarbeit erforderlich sein, bevor sich Erfolge einstellen.
Kompakt.
- Der Vertrieb nutzt den Forecast als operatives Steuerungsinstrument. 
- Zu unpräzise Forecasts können mehr Schaden als Nutzen stiften. 
- Der Forecast-Prozess muss kontinuierlich geprüft und optimiert werden. 
Handlungsempfehlungen .
- Der Forecast muss im Vertriebsalltag fest verankert werden. 
- Fokussieren Sie sich auf die wichtigen Inhalte im Forecast. 
- Prüfen Sie regelmäßig die Prozessqualität. 
- Der Einsatz neuer Technologien, wie Predictive Analytics, könnte die Effizienz der Prognosen steigern. 
Sylvia Meier
 ist Diplom-Finanzwirtin (FH) und publiziert regelmäßig zu aktuellen Wirtschaftsthemen. Ihre Schwerpunktthemen sind Steuerrecht, Controlling und Rechnungswesen. E-Mail: meier-sylvia@mein.gmx

