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. 2008 Nov 28:605–733. doi: 10.1016/B978-343721511-7.50037-3

Diagnostik und Management der wichtigsten Reiseund Tropenkrankheiten

Mit Beiträgen von
Editors: H Kretschmer, G Kusch, H Scherbaum, Christoph Benn, Franz Berghold, Mauro Bodio, Gerhard Boecken, Gerd Dieter Burchard, Gabriele Döller, Peter Claus Döller, Andreas Fabricius, Elisabeth Fries, Michael Groening, Stefanie Gsell, Christoph Hatz, Else Heidemann, Hans-Christian Heitkamp, Klaus Hoffmann, Gottfried Huss, Helmut Jäger, Harro Jenss, Thomas Junghanss, Gesche Keding, Volker Klauß, Jürgen Knobloch, Herwig Kollaritsch, Harald Kretschmer, Ursula Kretschmer, Reinhard Krippner, Gottfried Kusch, Gunther von Laer, Walter Mautsch, Georg Neff, Hugo Partsch, Peter Platiel, Karl-Michael Reinauer, Teut Risler, Werner Rudin, Martin Schabet, Johannes Schäfer, Wolfgang Schaffert, Ulrich-Christoph Schaller, Helmut Scherbaum, Thomas Schlunk, Hans-Eugen Schulze, Hans Schwöbel, Jörg Siedenburg, Robert Steffen, August Stich, Albrecht von Schrader-Beielstein, Stefan Walther, Michael Wolf
PMCID: PMC7156010

4.1. Malaria

GERD DIETER BURCHARD

Die Malaria ist eine akute, durch Protozoen der Gattung Plasmodium hervorgerufene Infektionskrankheit. Sie ist die wichtigste Tropenkrankheit. Ein Drittel der Menschheit lebt in Gebieten, in denen die Malaria vorkommt. 300-500 Millionen Menschen erkranken jährlich an ihr. Es wird geschätzt, dass jedes Jahr zwischen 1,5 und 2,7 Millionen Menschen an einer Malaria sterben. 80-90% der malariabedingten Krankheitsund Todesfälle treten im tropischen Afrika auf.

Gegenüber den weltweit hohen Malariazahlen nehmen sich die 1000 Erkrankungen, die jährlich in Deutschland gemeldet werden, gering aus - auch wenn von einer gewissen Dunkelziffer ausgegangen werden muss. Trotzdem hat die Malaria auch in der Reisemedizin eine überragende Bedeutung:

  • da sie relativ häufig importiert wird;

  • da sie eine lebensbedrohliche Erkrankung ist, die aber bei frühzeitiger Diagnosestellung stets geheilt werden kann;

  • da sie differenzialdiagnostisch bei einer Vielzahl von Symptomen bedacht werden muss.

Nur die rasch einsetzende und korrekt durchgeführte Therapie kann bei einer Malaria tropica schwerwiegende Komplikationen aufhalten und das Leben des Patienten retten.

▪. Wo kann man sich anstecken?

Malaria ist eine der am weitesten verbreiteten Infektionskrankheiten. Sie ist früher bis an den Polarkreis und südlich bis Nordargentinien aufgetreten, die heutige Verbreitung ist auf die Tropen und Subtropen beschränkt. Am höchsten ist das Malariarisiko im tropischen Afrika, woher auch die meisten importierten Fälle kommen. Ausgedehnte Malariagebiete gibt es auch in Brasilien und benachbarten Ländern Südamerikas. Seltener ist die Malaria in Mittelamerika. In Haiti und den angrenzenden Gebieten der Dominikanischen Republik tritt sie in einem einzigen isolierten Gebiet in der sonst malariafreien Karibik auf. Im Vorderen Orient findet sich die Malaria nur sporadisch. Malariagebiete erstrecken sich aber von Pakistan über China bis Südostasien. In Ozeanien sind vorwiegend Papua-Neuguinea, die Salomoninseln und Vanuatu betroffen (Abb. 4-1 ).

Abbildung 4-1.

Abbildung 4-1

Malariaverbreitung 2005 und empfohlene medikamentöse Chemoprophylaxe (nach Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit, DTG).

▪. Was sollte man von der Parasitologie der Erreger wissen?

Erreger der Malaria ist der einzellige Parasit Plasmodium. Vier Plasmodienarten infizieren den Menschen:

  • Plasmodium falciparum ist der Erreger der Malaria tropica (englisch: malignant tertian malaria [m.t.])

  • Plasmodium vivax und Plasmodium ovale verursachen die Malaria tertiana (englisch: benign tertian malaria [b.t.])

  • Plasmodium malariae ist verantwortlich für die Malaria quartana.

Weitaus am gefährlichsten ist die Malaria tropica; fast alle der oben erwähnten Todesfälle werden von ihr verursacht.

Plasmodien werden durch blutsaugende weibliche Stechmücken der Gattung Anopheles übertragen. Im Verlauf des Lebenszyklus in der Mücke und im Menschen durchlaufen die Plasmodien eine Reihe von Entwicklungsstadien, in denen sie immer wieder die äußere Gestalt verändern:

  • Mit Hilfe von Geruchssinnesorganen an Antennen und Fühlern finden die Mücken den Wirt und durchbohren mit ihrem Stechapparat die Haut und Gefäßwand. Sie injizieren ein Antikoagulans und saugen etwa 1-3 μ1 Blut. Während dieser Blutmahlzeit werden von der Mücke die infektiösen Stadien der Plasmodien - die Sporozoiten in die Blutbahn injiziert.

  • Die Sporozoiten dringen innerhalb von 30-60 Minuten in Leberzellen ein, wo sie sich in eine große, vielkernige Zelle, den Schizonten, verwandeln. Dieser teilt sich in viele tausend kleine Zellen, die Merozoiten, die nach ein bis zwei Wochen in den Blutstrom freigesetzt werden (präerythrozytäres Stadium).

  • Die Merozoiten heften sich über spezifische Rezeptoren an Erythrozyten, dringen in diese ein und entwickeln sich vom Trophozoiten durch ungeschlechtliche Teilung zu Präschizonten und Schizonten weiter. Dabei werden 10-20 neue Merozoiten frei, die weitere Erythrozyten befallen (erythrozytä-res Stadium). Plasmodium vivax invadiert nur Retikulozyten, Plasmodium falciparum dringt in Erythrozyten aller Altersklassen ein.

  • Einige Merozoiten entwickeln sich zu Gametozyten. Werden diese von einer Stechmücke aufgenommen, machen sie in der Mücke eine geschlechtliche Vermehrung durch.

▪. Wie führen die Plasmodien zu Krankheitserscheinungen?

Pathogen sind die erythrozytären Formen der Plasmodien, Gewebe-Schizonten und Gametozyten spielen keine Rolle. Anämie, Ischämie, Immunreaktionen und Speicherphänomene des retikulohistiozytären Systems (RHS) sind die Hauptkomponenten der Pathogenese. Im Einzelfall sind die Organe in unterschiedlicher Relation beteiligt, dadurch wird der klinische Aspekt des jeweiligen Patienten bestimmt.

Histopathologisch wurde bereits vor Jahrzehnten beschrieben, dass viele parasitierte Erythrozyten also Erythrozyten, die Plasmodium falciparum enthalten - sich in den zerebralen Kapillaren anreichern und diese zu verstopfen scheinen (s. Farbtafel Abb. IV.4-2). Elektronenmikroskopische Untersuchungen ergaben, dass parasitierte Erythrozyten Ausstülpungen ihrer Zellmembran, sogenannte knobs, aufweisen und dass diese knobs sich an die Endothelzellen anlagern. Auf den parasitierten Erythrozyten werden Neoantigene exprimiert (z.B. PfEMP-1 = P. falciparum erythrocyte membrane protein 1), die an Rezeptoren wie z.B. ICAM-1 auf den Endothelzellen adhärieren. Zellen des Makrophagen-Monozyten-Systems sezernieren darüber hinaus proinflammatorische Zytokine. Man nimmt an, dass Plasmodienprodukte zur Stimulation von CD4-Zellen führen, die γ-Interferon exprimieren und freisetzen. γ-Interferon führt zur Aktivierung von Makrophagen. Als weiteres Produkt wird von den Makrophagen Stickstoffmonoxid freigesetzt, dem eine eher protektive Rolle bei der Entstehung der zerebralen Symptome zugeschrieben wird. Zytokine wie TNF führen nun wiederum dazu, dass bestimmte Adhäsionsmoleküle auf den Gefäßwandzellen im Gehirn in erhöhter Zahl exprimiert werden damit wird also wiederum die Adhärenz parasitierter Erythrozyten verstärkt.

▪. Gibt es eindeutige klinische Zeichen einer Malaria?

Die Präpatenzzeit (bis zum Auftreten von Trophozoiten im Blut) beträgt im Allgemeinen 7-21 Tage, die Inkubationszeit (bis zum Auftreten von Symptomen) meist einige Tage länger. Nach Durchführung einer nicht voll wirksamen medikamentösen Prophylaxe kann die Inkubationszeit deutlich verlängert sein. Durch Synchronisation des Parasitenzyklus können bei der Malaria tertiana die Fieberschübe alle 48 Stunden, bei der Malaria quartana alle 72 Stunden auftreten (Abb. 4-3 ). Symptome aller Malariaformen sind plötzlich auftretendes Fieber, Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen. Die Symptome sind vielgestaltig, die Malaria wurde deshalb auch als „a master of masquerade” bezeichnet.

Abbildung 4-3.

Abbildung 4-3

Typischer Fieberverlauf bei den verschiedenen Malariaarten. Bei der Malaria tropica kein rhythmischer Fiebertyp!

Verlauf der Malaria tertiana

Bei der Malaria tertiana erlöschen die Krankheitserscheinungen meist nach zwei bis drei Wochen, Organkomplikationen treten meist nicht auf. Rezidive (englisch: relapse) können nach längerer Zeit auftreten durch Hypnozoiten, die sich aus den Sporozoiten entwickeln und in der Leber verbleiben.

Verlauf der Malaria quartana

Bei der Malaria quartana beträgt die Zahl der Anfälle bei unbehandelten Patienten 20 oder mehr, es können auch nach längerer Zeit Rezidive durch persistierende Blutformen auftreten (sogenannte Rekrudeszenz). Wie bei der Malaria tertiana sind Organkomplikationen selten, allerdings kann sich gelegentlich ein nephrotisches Syndrom entwickeln.

In der Reisemedizin spielen die Malaria quartana und das assoziierte nephrotische Syndrom keine wesentliche Rolle.

Verlauf der unkomplizierten Malaria tropica

Der Fieberverlauf bei der Malaria tropica ist meist unregelmäßig (Abb. 4-3).

Wenn Periodizität vorliegt, ähnelt sie der Malaria tertiana. Dabei können die ersten Fieberattacken in verkürztem Rhythmus auftreten, deshalb auch der englische Ausdruck „subtertian malaria”. Es kann aber auch bereits zu Anfang eine Kontinua auftreten. Die ersten Fieberschübe können noch milde sein und zur Verwechslung mit einem banalen Virusinfekt Anlass geben.

▪. Welches sind die Zeichen eines schweren Malariaverlaufes?

Bei der Malaria tropica kann die Parasitendichte rasch zunehmen, und es können sich Organkomplikationen entwickeln.

Gehirn

Ausdruck einer zentralnervösen Mitbeteiligung sind allgemeine Unruhe, gesteigerte Erregbarkeit, später Somnolenz und zunehmende Benommenheit, die in ein Koma übergeht. Möglich sind auch hirnorganische Psychosyndrome, spastische oder schlaffe Lähmungen und Krampfanfälle.

Niere

Ein akutes Nierenversagen ist eine häufige Komplikation. Pathophysiologisch liegt eine akute Tubulusnekrose vor, bedingt durch einen verminderten renalen mikrovaskulären Blutfluss; zusätzlich spielen prärenale Faktoren eine Rolle, manchmal eine massive Hämolyse und eventuell eine Immunkomplex-Glomerulonephritis. Das Nierenversagen führt oft in Kombination mit metabolischer Azidose und Lungenödem zum Tode. Es tritt häufig um den fünften Tag herum auf. Eine schwere Malaria tropica geht häufig mit einer Hyponatriämie einher.

Lungen

Durch einen Endothelschaden kommt es zum Flüssigkeitsaustritt ins Interstitium. Es entwickeln sich daher schnell nichtkardiale Lungenödeme. Diese werden nicht selten iatrogen durch eine Volumenüberladung verstärkt oder erst hervorgerufen. Erstes Zeichen kann eine Tachypnoe sein, im Vollbild ähnelt die Klinik einem ARDS.

Herz

Gelegentlich kann eine Myokarditis zum Tode führen. Eine Linksherzinsuffizienz tritt allerdings eher selten auf, Lungenödeme sind meist nichtkardial bedingt. Neben diesen primären Schädigungen des Myokards kann es sekundär zu einer Beeinträchtigung der Herzfunktion kommen durch eine Anämie, durch Einschränkung der Nierenfunktion, Störungen des Wasserhaushalts und schließlich auch durch die medikamentöse Therapie (s.u.).

Leber

Die Malaria tropica kann zu einer unspezifischen hepatozellulären Dysfunktion führen mit Dilatation der Sinusoide, eventuell mit Stase in den zentrolobulären Kapillaren sowie Hyperplasie und Pigmentspeicherung der Kupffer-Sternzellen. Die Leberdurchblutung ist herabgesetzt. Ein eventueller Ikterus ist einerseits Folge der Hämolyse, kann aber andererseits auch durch den Leberschaden bedingt sein.

Intestinaltrakt

Wichtig ist, dass bei der Malaria auch der Intestinaltrakt betroffen sein kann. Gastrointestinale Symptome, wie z. B. Diarrhöen, können vorkommen und sogar im Vordergrund stehen. Es gibt darüber hinaus einige Einzelfallberichte über eine akute Pankreatitis im Rahmen einer akuten Malaria.

▪. Laborbefunde, technische Befunde

Das Blutbild zeigt typischerweise eine Anämie. Die Thrombozyten sind bei der Mehrzahl der Patienten mit Malaria tropica erniedrigt. Pathogenetisch hierfür verantwortlich sind Verteilungsstörungen der Thrombozyten, eine erhöhte Thrombozytenaggregation und auch ein Verbrauch von Thrombozyten in Abhängigkeit von Endotheldefekten. Die Granulozyten verhalten sich unterschiedlich, etwa ein Drittel der Patienten weist eine Leukopenie auf. Laborchemisch finden sich LDH-Erhöhung, Haptoglobinabfall, je nach Organbeteiligung Anstieg der harnpflichtigen Substanzen und Anstieg der Leberenzyme. Gefährlich sind Hypoglykämien, besonders bei Chinintherapie. Das Gerinnungssystem ist aktiviert, eine Verbrauchskoagulopathie tritt aber nur sehr selten auf. Neben der häufig vorkommenden Hyponatriämie (s.o.) ist auch eine Hypokalzämie erwähnenswert.

Im Röntgen-Thorax können bei pulmonaler Beteiligung Zeichen der Stauung und interstitielle Infiltrate bis zum ARDS gefunden werden. Eine Myokardbeteiligung lässt sich gelegentlich elektrokardiographisch nachweisen. Sonographisch kann eine Splenomegalie bestehen.

▪. Diagnostik

Voraussetzung für die Diagnose „Malaria” ist das Darandenken!

Grundlage der Diagnostik ist auch heute noch der direkte Erregernachweis unter dem Lichtmikroskop. Wichtig ist dabei eine schnelle Diagnostik inklusive Erregerdifferenzierung. Ein Labor mit tropenmedizinischer Erfahrung sollte unbedingt eingeschaltet werden. Für das Labor gilt, dass die Untersuchungen des Materials sofort nach der Ankunft der Einsendung erfolgen und der Befund umgehend dem einsendenden Arzt mitgeteilt werden muss.

Die Plasmodien lassen sich in einem Blutausstrich nachweisen, bei geringer Parasitendichte muss ein Dicker Tropfen als Anreicherungsverfahren herangezogen werden. Diese einfachen Techniken haben bei korrekter Durchführung eine hohe Sensitivität und Spezifität.

Wichtig ist, dass die Serologie keine Rolle in der Diagnostik der akuten Malaria spielt.

Die Plasmodien sind anhand ihrer charakteristischen Morphologie intraerythrozytär zu erkennen (s. Farbtafel Abb. IV.4-4, und IV.4-5). Eine Speziesdifferenzierung muss in jedem Fall durchgeführt werden, da die Therapie der verschiedenen Malariaformen unterschiedlich ist (s.u.). Sowohl im Dicken Tropfen als auch im Ausstrich erscheinen das Chromatin der Zellkerne rotviolett, das Plasma blau und die Erythrozyten im Ausstrich grau. Da der Dicke Tropfen nicht fixiert wird, ist die Form der Parasiten nicht so gut erhalten, deshalb setzt diese Methode viel Erfahrung in der Beurteilung voraus und sollte zur sicheren Speziesdifferenzierung immer mit einem Ausstrich kombiniert angewandt werden. Diese kombinierte Methode ist nach wie vor die sicherste Art der Malariadiagnostik.

Zur qualitativen Identifizierung von Plasmodium-Antigenen im Vollblut stehen immunchromatographische Tests zur Verfügung. Diese beruhen auf dem Nachweis von PfHRP-2 (histidinerich protein 2) oder einer spezifischen Laktatdehydrogenase aus P falciparum sowie einer Aldolase aus P vivax. Mikroskopisch ungeübten Untersuchern kann der Test zum Ausschluss oder Nachweis einer Malaria unter Umständen empfohlen werden, es gibt aber falschpositive Resultate insbesondere in Gegenwart von Rheumafaktoren und auch falschnegative Ergebnisse - sogar bei hohen Parasitämien (s. Kap. III.7).

Während der Nachweis von Plasmodien im Blutausstrich das Vorliegen einer Malaria sichert, schließt ein negatives Untersuchungsergebnis diese Erkrankung keineswegs aus. Zu Beginn einer Malaria können die Parasiten noch so spärlich sein, dass sie im Blutausstrich nicht nachgewiesen werden können. Bei starkem Verdacht auf das Vorliegen einer Malaria sollte der Plasmodiennachweis in 12- bis 24-stündlichem Abstand mehrfach versucht werden. Dabei kann Blut unabhängig vom Fieberrhythmus abgenommen werden, da Plasmodien grundsätzlich jederzeit und keinesfalls nur während des Fieberanstiegs nachweisbar sind.

Die Anfertigung und Beurteilung parasitologischer Blutausstriche erfordert viel Erfahrung, die in der Regel nur bei geübten Ärzten und medizinischtechnischen Assistentinnen bzw. spezialisierten Institutionen vorhanden ist. Wenn keine eigene Erfahrung vorliegt, sollte bei jedem Verdacht auf das Vorliegen einer Malaria Blut an ein solches spezialisiertes Labor geschickt werden (luftgetrocknete, unfixierte und ungefärbte dünne und dicke Blutausstriche sowie 2 ml EDTA-Blut).

Nach Diagnose der Plasmodieninfektion muss der Schweregrad der Erkrankung abgeschätzt werden, da die Therapie hiervon abhängig ist. Dazu sind folgende Untersuchungen erforderlich:

  • Blut: Blutbild mit Thrombozyten

  • Gerinnung: Gerinnungsstatus

  • Herz-Kreislauf: Hämoglobin, Herzfrequenz und Blutdruck, EKG

  • Stoffwechsel: Blutzucker

  • Nieren: Ausscheidung über 24 Stunden, Kreatinin (oder Cystatin C), Natrium, Kalium, Chlorid, Kalzium

  • Leber: Transaminasen, Bilirubin

  • Lunge: Atemfrequenz, Röntgen-Tho-rax, Bestimmung des Säure-Basen-Status und der Blutgase

  • Gehirn: Bewusstseinszustand.

Kriterien für das Vorliegen einer komplizierten Malaria tropica sind:

  • Bewusstseinstrübung

  • wiederholte epileptische Anfälle (> 3/24 h)

  • respiratorische Insuffizienz

  • Blutung

  • Schock

  • schwere Anämie (Hb < 5 g/dl)

  • Niereninsuffizienz (Ausscheidung < 400 ml/24 Stunden, Kreatinin > 3 mg/dl)

  • Hypoglykämie (BZ < 40 mg/dl)

  • Azidose (pH < 7,25)

  • Hyperlaktatämie (venös > 45 mg/dl)

  • Transaminasenerhöhung > 3-fach

  • Ikterus, Bilirubin > 2,5 mg/dl

  • Hämoglobinurie

  • Hyperparasitämie (> 4 % der Erythrozyen befallen).

▪. Klinisches Management

Die Therapie einer Malaria sollte stationär erfolgen. Eine komplizierte Malaria tropica muss intensivmedizinisch betreut werden. Die Empfehlungen zur Therapie beruhen auf den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit (DTG), sie sind abrufbar über die Internetseite der DTG (www.dtg.mwn.de). Grundsätzlich richtet sich die Therapie nach der Art der Malaria, nach der Schwere der Erkrankung und nach der Wahrscheinlichkeit einer Medikamentenresistenz sowie nach eventuell vorhandenen Vorkrankheiten. Dementsprechend müssen folgende Informationen vorliegen:

  • Anamnestische Angaben
    • Reiseland
    • wahrscheinlicher Infektionszeitpunkt und Beginn der ersten Symptome
    • Art und Compliance einer Chemoprophylaxe
    • Vorkrankheiten
  • Parasitologische Untersuchungsergebnisse
    • Speziesdifferenzierung
    • Quantifizierung der Parasitenzahl
  • Laboruntersuchungen und technische Befunde (s.o.).

Therapie der Malaria tertiana und Malaria quartana

Malaria tertiana und Malaria quartana werden mit Chloroquin behandelt. Bei Import einer Malaria tertiana aus Südostasien oder Ozeanien muss mit einer Chloroquinresistenz gerechnet werden und die Therapie kann deshalb auch mit Mefloquin durchgeführt werden.

Behandlung der Malaria mit Chloroquin

  • Therapiebeginn: 10 mg Chloroquin-Base/kg KG

  • 6 Stunden nach Therapiebeginn: 5 mg Chloroquin-Base/kg KG

  • 24 Stunden nach Therapiebeginn: 5 mg Chloroquin-Base/kg KG

  • 48 Stunden nach Therapiebeginn: 5 mg Chloroquin-Base/kg KG

Eine Tablette Resochin® (Chloroquin-di-hydrogenphosphat) enthält 155 mg Chloroquin-Base.

  • Nebenwirkungen: meist gering, eventuell Übelkeit und Erbrechen, sehr selten neuropsychiatrische Symptome oder zerebelläre Dysfunktion

  • Kontraindikationen: Psoriasis, Porphyrie

  • Therapiekontrolle: Verschwinden der Schizonten aus dem peripheren Blut innerhalb von sieben Tagen.

Bei der Malaria tertiana muss, falls kurzfristig keine erneute Reise in ein Endemiegebiet geplant ist, eine Nachbehandlung mit Primaquin angeschlossen werden, um möglicherweise vorhandene Hypnozoiten in der Leber abzutöten. Primaquin ist in Deutschland nicht zugelassen und muss aus dem Ausland bezogen werden.

  • Dosierung: 15-22,5 mg/d über insgesamt 14 Tage (0,25 bis 0,33 mg Base/kg KG)

  • Nebenwirkungen: Übelkeit und Erbrechen, besonders bei Einnahme nüchtern. Hämolytische Anämie bei Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel. Wichtig: Patienten auf Hämolysezeichen hinweisen (Dunkelfärbung des Urins). Trotz der Behandlung mit Primaquin kann es zu weiteren Spätanfällen der Malaria tertiana kommen.

Therapie der unkomplizierten Malaria tropica

Mittel der Wahl zur antiparasitären Therapie ist Mefloquin (Lariam®), alternativ können eingesetzt werden Atovaquon-Pro-guanil (Malarone®) oder Artemether-Lumefantrin (Riamet®).

Behandlung der Malaria tropica mit Mefloquin

  • Therapiebeginn: 750 mg Mefloquin-Base

  • 6-8 Stunden nach Therapiebeginn: 500 mg Mefloquin-Base

  • 12-16 Stunden nach Therapiebeginn (bei KG > 60 kg): 250 mg Mefloquin-Base

Eine Tablette Lariam® enthält 250 mg Mefloquin-Base.

  • Pharmakokinetik: Mefloquin wird nur langsam ausgeschieden, Eliminationshalbwertszeit 2-3 Wochen.

  • Nebenwirkungen: häufiger Bauchschmerzen oder Erbrechen, in seltenen Fällen bradykarde Herzrhythmusstörungen (daher Überwachung bei gleichzeitiger Gabe von Betablockern, Kalziumantagonisten, Antiarrhythmika, Digitalispräparaten oder Antidepressiva); in etwa 0,5-1% zentralnervöse Nebenwirkungen: Koordinationsstörungen, Gleichgewichtsstörungen, Tremor, Ver-wirrtheit, Psychosen, Krämpfe.

  • Kontraindikationen: Krampfanfälle oder psychische Auffälligkeiten in der Anamnese.

  • Resistenzen: relativ häufig in Südostasien, deshalb bei entsprechender Herkunft nach Möglichkeit kein Mefloquin.

Behandlung der Malaria tropica mit Atovaquon-Proguanil

  • 1. Tag: 4 Tabletten (Einzeldosis)

  • 2. Tag: 4 Tabletten (Einzeldosis)

  • 3. Tag: 4 Tabletten (Einzeldosis)

1 Tablette Malarone® enthält 250 mg Atovaquon + 100 mg Proguanil

  • Pharmakokinetik: Die Pharmakokinetik von Atovaquon ist durch die hohe Lipophilie charakterisiert. Die Bioverfügbarkeit ist mit rund 20% recht gering und zudem sehr variabel, lässt sich jedoch durch die Einnahme mit Milch oder einer Mahlzeit erheblich verbessern. Atovaquon bindet zu 99% an Plasmaproteine. Atovaquon wird kaum metabolisiert und überwiegend unverändert mit den Fäzes eliminiert. Die Eliminationshalbwertzeit beträgt zwei bis drei Tage. Proguanil wird rasch und vollständig enteral resorbiert. Es bindet zu 75% an Plasmaproteine und wird in das aktive Cycloguanil und 4-Chlorophenylbiguanid metabolisiert. Die Metaboliten werden ebenso wie die Muttersubstanz renal mit einer Halbwertzeit von 12-15 Stunden eliminiert.

  • Nebenwirkungen: häufiger Bauchschmerzen oder Übelkeit, eventuell Diarrhö, Husten, selten reversible Transaminasenanstiege.

  • Kontraindikationen: schwere Niereninsuffizienz.

  • Resistenzen: kommen in Einzelfällen vor durch Mutationen im Gen für Cytochrom b.

Behandlung der Malaria tropica mit Artemether-Lumefantrin

  • 1. Tag: 4 Tabletten sofort, 4 Tabletten nach 8 Stunden

  • 2. Tag: 2 × 4 Tabletten

  • 3. Tag: 2 × 4 Tabletten

1 Tablette Riamet® enthält 20 mg Artemether + 120 mg Lumefantrin.

  • Pharmakokinetik: Die Resorption der Substanzen aus dem Magen-Darm-Trakt ist im nüchternen Zustand nicht optimal, deshalb Einnahme zusammen mit fetthaltiger Mahlzeit. Beide Substanzen binden zu mehr als 95 % an Serumproteine. Sie werden in der Leber über Cytochrom-P450-abhängige Enzyme (z. B. CYP3A) metabolisiert. Die Eliminationshalbwertzeit von Artemether liegt bei etwa zwei Stunden; Lumefantrin besitzt bei Malaria-Patienten eine terminale Halbwertzeit von drei (bis zu sechs) Tagen.

  • Nebenwirkungen: Kopfschmerzen, Anorexie, Bauchschmerzen, Schwindel und Schlafstörungen.

  • Kontraindikationen: bekannte Herzkrankheit, Verlängerung der QTc-Zeit, plötzlicher Herztod in der Familienanamnese, Einnahme von Medikamenten, die die QT-Zeit verlängern oder die Cytochrom CYP2D6 hemmen.

  • Resistenzen: kommen in Einzelfällen vor.

Therapie der komplizierten Malaria tropica

Eine komplizierte Malaria tropica wird mit Chinin und Doxycyclin behandelt. Die Behandlung muss stets stationär unter intensivmedizinischer Überwachung erfolgen.

Behandlung der komplizierten Malaria tropica

  • über 10 Tage: 3×10 mg Chinin per infusionem/kg KG/Tag

  • zusätzlich: 3 mg Doxycyclin i.v./kg KG/Tag Auf Grund pharmakokinetischer Untersuchungen wird empfohlen, die Chinintherapie mit einer loading dose zu beginnen: 20 mg/kg KG Chinin per infusionem über die ersten vier Stunden, dann weiter mit 10 mg/kg KG alle acht Stunden. Keine loading dose bei vorausgegangener Mefloquingabe. Bei fortbestehenden Zeichen einer komplizierten Verlaufsform sollte die Dosis nach 3 Tagen um 30-50% reduziert werden. Bei Nierenversagen muss die Dosis nach zwei Tagen auf die Hälfte reduziert werden (falls möglich: Plasmaspiegelbestimmungen). Dosis ebenfalls reduzieren, wenn bei Patienten mit vorbestehender Herzkrankheit die QT-Zeit um mehr als 25% ansteigt. Bei Besserung des Zustandes kann von Chinin per infusionem auf die gleiche Dosis Chinin oral übergegangen werden. Chinin nie als Bolusinjektion geben!

  • Chinin: Nebenwirkungen sind Tinnitus, Schwindel, Tremor, Hypotonie, Herzrhythmusstörungen, avüberleitungsstörungen, Dysphonie, Bauchschmerzen, selten Urtikaria, Asthma, Thrombozytopenie, Hämolyse, drug fever. Wichtig: Hypoglykämien unter Chinintherapie beachten!

  • Doxycyclin: nicht bei Schwangeren oder Kindern unter acht Jahren! Kein Doxycyclin bei schweren Leberfunktionsstörungen.

Neben der antiparasitären Therapie ist eine supportive Behandlung notwendig. Wichtige Maßnahmen sind:

  • Kreislaufüberwachung mit Messung des zentralen Venendrucks. Entscheidend ist eine restriktive Flüssigkeitszufuhr; eine Hypotonieneigung sollte nicht durch Überwässerung bekämpft werden.

  • Antipyretika bei Fieber, Acetylsalicylsäure sollte dabei wegen der häufigen Thrombopenie aber nicht gegeben werden.

  • Glukose-Dauerinfusionen bei der häufig auftretenden Hypoglykämie.

  • Hypotone Kreislaufverhältnisse und Mikrozirkulationsstörungen in der Niere führen zum Bild der akuten Tubulusnekrose (s.o.). Es sollte dann frühzeitig dialysiert oder filtriert werden.

  • Bei einem Hämoglobin unter 8 g/dl sollte üblicherweise transfundiert werden, da die Anämie die vorbestehenden Mikrozirkulationsstörungen verstärkt.

  • Eine Thrombozytopenie muss nur bei manifester Blutung substituiert werden.

Folgende Parameter sollten unter der Therapie kontrolliert werden:

  • klinische Parameter
    • Temperatur, Puls, Blutdruck, ZVD, Flüssigkeitsbilanz
    • neurologischer Status
  • parasitologische Parameter
    • Parasitenzählung im Blutausstrich
  • Laborparameter
    • wie vor Therapie.

▪. Welches sind die häufigsten Fehler bei der Diagnose?

Das wichtigste Problem bei der Diagnose einer Malaria ist die zu spät gestellte Diagnose:

  • Patient missachtet Frühsymptome

  • Arzt vergisst Reiseanamnese

  • Arzt vergisst Malaria bei atypischen Symptomen

  • verzögerte Blutuntersuchung im Labor

  • nur Blutausstrich beurteilt, kein Dicker Tropfen

  • einmalige (negative) Blutuntersuchung.

Dies soll an einem Fallbeispiel demonstriert werden (nach Hatz, 1994):

Ein 25-jähriger Steward erleidet an einem Freitagabend einen akuten Fieberschub mit starken Kopfschmerzen. Da die Beschwerden nach antipyretischer Therapie am nächsten Tag verschwinden, sucht er keinen Arzt auf. Am folgenden Abend kommt es zu einem weiteren Fieberschub, es wird deswegen ein Notarzt gerufen. Da der Patient diesen nicht auf die vorausgegangenen Kurzaufenthalte in Kenia aufmerksam macht, wird keine Blutuntersuchung veranlasst. Weitere Fieberschübe bis 40 °C treten am Sonntag auf, der Patient sucht am Montagmorgen in noch ordentlichem Allgemeinzustand den Tropenarzt auf. Es besteht eine Plasmodiumfalciparum-Parasitämie von über 30%. Eine Chinintherapie wird sofort eingeleitet. Acht Stunden nach Therapiebeginn wird der Patient komatös und kann trotz intensivmedizinischer Bemühungen nicht gerettet werden.

Die Diagnose einer Malaria, einer der wichtigsten Reisekrankheiten überhaupt, darf nicht verzögert oder verfehlt werden, damit möglichst rasch die lebensrettende Behandlung begonnen werden kann!

▪. Prophylaxe

Zur Expositions- und Chemoprophylaxe siehe Kapitel II.8.2 und 3.

▪. Meldepflicht

Bei manchen Patienten hat die Malariainfektion während eines beruflichen Aufenthaltes in den Tropen stattgefunden. In diesen Fällen ist die ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit zu erstatten, die zu einer Begutachtung und Anerkennung als Berufskrankheit nach Ziffer 3104 führt.

Laut Infektionsschutzgesetz ist der Nachweis von Plasmodien nichtnamentlich zu melden.

Weiterführende Literatur

  1. Gilles H.M., Warrell D.A. Essential Malariology. 4. Auflage. Arnold; London: 2002. [Google Scholar]
  2. Hatz C.F. Aktuelles Malariamanagement in der Schweiz. Schweiz Med Wochenschr. 1994;124:2249–2259. [PubMed] [Google Scholar]
  3. Knobloch J. Malaria, Grundlagen und klinische Praxis. Uni-Med Verlag; 2003. [Google Scholar]
  4. Schlagenhauf P. Travelers' malaria. BC Decker Inc; 2001. [Google Scholar]
  5. WHO Severe falciparum malaria. Trans R Soc Trop Med Hyg. 2000;94(Suppl. 1):1–90. [PubMed] [Google Scholar]

4.2. Amöbiasis, Lambliasis, Kokzidienund Blastocystisinfektionen

4.2.1. Amöbiasis

GERD DIETER BURCHARD

Die Amöbiasis ist eine symptomatische oder asymptomatische Infektion mit Ruhramöben der Spezies Entamoeba histolytica. In der Reisemedizin spielt die Amöbiasis eine wichtige Rolle.

▪. Wo und wie kann man sich anstecken?

Amöbenruhr und Amöbenleberabszess kommen weltweit, vor allem aber in tropischen und subtropischen Regionen vor. Die Infektion mit E. histolytica erfolgt durch die orale Aufnahme der Zysten. Die Zysten können entweder direkt fäkaloral oder über kontaminierte Nahrung oder kontaminiertes Wasser übertragen werden. Das Infektionsrisiko steigt unter schlechten hygienischen Verhältnissen beim Ausscheider und beim Empfänger an.

▪. Was sollte man über den Erreger wissen?

E. histolytica besitzt einen relativ einfachen Lebenszyklus. Dieser umfasst zwei morphologisch klar zu unterscheidende Entwicklungsstadien, das Stadium der Zyste und das vegetative Stadium, auch Trophozoitenstadium genannt. Nach Ingestion der typischerweise vierkernigen Zysten, die im Gegensatz zu den Trophozoiten an der Außenwelt über Monate infektiös bleiben können und resistent gegenüber dem sauren Milieu des Magens sind, entwickeln sich im Dünndarm die einkernigen Vegetativformen, die dann vor allem den oberen Dickdarm besiedeln und sich hier vermehren. Diese, auch als Minutaformen bezeichnet, werden in der Regel nur bei einer beschleunigten Darmpassage mit dem Stuhl abgesetzt. Vermutlich durch die besonderen Bedingungen im unteren Dickdarm kommt es zur Entzystierung der Trophozoiten.

E. histolytica kann morphologisch nicht von der Spezies Entamoeba dispar abgegrenzt werden. Nur wenn man Amöben findet, die Erythrozyten phagozytiert haben, kann man davon ausgehen, dass es sich um E. histolytica handelt. E. dispar ist wie andere apathogene Darmamöben (z.B. Entamoeba coli) als reiner Kommensale zu betrachten und bedarf keiner Therapie. Eine invasive Amöbiasis geht also ausschließlich mit einer Infektion durch E. histolytica, nicht aber mit einer Infektion durch E. dispar einher - allerdings findet man gelegentlich auch asymptomatische Ausscheider von E. histolytica.

▪. Wie kommt es zu Symptomen?

Ausgelöst durch unbekannte Mechanismen - und oft erst lange Zeit nach der Besiedlung des Dickdarmes - können die Amöben ihre Eigenschaften ändern und in die Kolonschleimhaut eindringen. Es kommt dann typischerweise zu einer Amöbenruhr. Im weiteren Verlauf können die Amöben dann in das Gefäßsystem einbrechen und zu Abszessen vor allem in der Leber führen.

▪. Klinik der Amöbenruhr

Typische Symptome einer Amöbenruhr sind Bauchschmerzen und meist blutige Diarrhöen. Fieber tritt bei der Amöbenruhr nur in etwa einem Drittel der Fälle auf.

Die Bauchschmerzen reichen von Druckgefühl, leicht ziehenden Schmerzen und leichten Koliken vor der Defäkation bis zu Tenesmen. Der Stuhl ist in den ersten Tagen eventuell noch geformt oder breiig, mit aufgelagertem Schleim, dann entwickelt sich eine Dysenterie mit 4-6 blutigschleimigen Stühlen pro Tag. In typischen Fällen erscheint der Stuhl himbeergeleeartig. Andererseits können bei der akuten Amöbenruhr auch wässrige Stuhlentleerungen auftreten; profuse, wässrige Durchfälle, die zur Elektrolytentgleisung führen, sind allerdings eher selten. Bei wässrigen Durchfällen ohne Blutauflagerungen ist meist die Untersuchung auf okkultes Blut positiv. Seltene, aber gefährliche Komplikationen einer Amöbenruhr sind eine Perforation mit Peritonitis und ein toxisches Megakolon.

▪. Klinik des Amöbenleberabszesses

Ein Amöbenleberabszess äußert sich durch meist akut auftretenden, zunächst dumpfen, dann heftigeren Schmerz im rechten Oberbauch und durch Fieber. Es handelt sich um ein akutes, lebensbedrohliches Krankheitsbild mit Abgeschlagenheit und schwerem Krankheitsgefühl, seltener entwickelt sich die Symptomatik schleichend.

Die Schmerzen im rechten Oberbauch können in den Rücken und zur rechten Schulter und Scapula ausstrahlen, die Schmerzen sind manchmal atemabhängig. In anderen Fällen können Bauchschmerzen mit Abwehrspannung vorhanden sein, selten kann ein Amöbenleberabszess als akutes Abdomen imponieren. Linksseitige Abszesse können differenzialdiagnostische Probleme bereiten, da sie mit retrosternalen oder präkordialen Schmerzen einhergehen können.

Fieber ist fast immer vorhanden. Dabei sind die Temperaturerhöhungen uncharakteristisch intermittierend oder auch remittierend.

Die wichtigsten Komplikationen des Amöbenleberabszesses sind Ruptur in die Bauchhöhle, Ruptur in den Pleuraraum und Ruptur ins Perikard. Offene Perforationen in die Bauchhöhle oder gedeckte Perforationen können vorkommen, dementsprechend kann die Symptomatik plötzlich oder allmählich einsetzen. Bei offenen Perforationen stehen Zeichen einer schweren, generalisierten Peritonitis mit Fieber, Abwehrspannung, bretthartem Abdomen und Schock im Vordergrund, die Prognose ist schlecht. Eine gedeckte Perforation ist schwieriger zu diagnostizieren; Fieber, schlecht lokalisierbare Bauchschmerzen und umschriebene Abwehrspannung stehen im Vordergrund. Bei Ruptur in den Pleuraraum kann der Abszess Anschluss an das Bronchialsystem erlangen, es werden dann große Mengen nekrotischen Materials abgehustet, andernfalls entwickeln sich Lungenabszesse. Eine Ruptur ins Perikard führt zur Herzbeuteltamponade.

▪. Laborwerte bei Amöbenleberabszess

Beim Amöbenleberabszess ist laborchemisch am wichtigsten der Nachweis stark erhöhter Entzündungsparameter.

Eine Beschleunigung der Blutsenkungsgeschwindigkeit ist fast immer vorhanden, eine Leukozytose bei mehr als 75% der Fälle. Entsprechend sind die Akutphase-Proteine im Serum erhöht, z.B. Creaktives Protein, Fibrinogen, Haptoglobin. Die Transaminasen sind meist nur gering erhöht, die alkalische Phosphatase ist meist mäßig erhöht. Eine Erhöhung des Bilirubins ist ungewöhnlich, das Auftreten einer Cholestase hängt von der Lokalisation des Abszesses und dem daraus resultierenden Druck auf die Gallenwege ab.

Fieber, Leukozytose und Druckschmerz im rechten Oberbauch sollten bei entsprechender Reiseanamnese stets an einen Amöbenleberabszess denken lassen. Ein erfahrener Tropenmediziner sollte bei solchem Verdacht unbedingt konsultiert werden.

▪. Wie diagnostiziert man eine Amöbiasis?

Amöbenruhr

Die Diagnose beruht auf dem Erregernachweis im Stuhl. Dieser wird entweder in frischen oder in fixierten Stuhlproben geführt. Es sollten nach Möglichkeit drei Stühle auf Amöben untersucht werden. Bei Nachweis von Amöben, die Erythrozyten phagozytiert haben („Magnaformen”), kann die Diagnose einer Amöbenruhr mit ausreichender Sicherheit gestellt werden. Dies gelingt oft bei der Untersuchung frischer Stuhlproben, da die Amöben sich noch bewegen.

Insgesamt ist die Sensitivität der mikroskopischen Methoden jedoch unbefriedigend, insbesondere bei niedriger Parasitendichte. Außerdem ist eine Abgrenzung gegen die apathogene Spezies E. dispar nicht möglich, wenn die Amöben keine Erythrozyten phagozytiert haben. Wenn man keine Magnaformen findet, ist daher ein Stuhl-ELISA zum E. histolytica-Antigennachweis (kommerziell erhältlich) oder besser noch eine spezifische PCR aus dem Stuhl anzufordern.

Amöbenleberabszess

Beim Amöbenleberabszess bedient man sich in erster Linie bildgebender Verfahren zum Nachweis entsprechender Strukturdefekte in der Leber sowie serologischer Verfahren mit Nachweis spezifischer Antikörper zur Bestätigung der Diagnose.

Sonographie

Sonographisch findet sich typischerweise eine runde oder ovale Raumforderung. Diese ist meist solitär, meist im rechten Leberlappen und meist peripher gelegen. Eine prominente Wand ist nicht nachweisbar. Die Raumforderung ist meist echoarm, mit feinen Binnenechos und mit dorsaler Schallverstärkung. Allerdings kann der Amöbenleberabszess auch als echoreich imponieren, gelegentlich auch heterogen mit echoreichen und echoarmen Anteilen. Diese echoreichen Abszesse werden im weiteren Verlauf meist echoarm, daher können Verlaufskontrollen manchmal zur Diagnose beitragen.

Computertomographie

Nach Form und Größe stellt sich der Amöbenleberabszess computertomographisch entsprechend den Befunden in der Sonographie dar (Abb. 4-6 ).

Abbildung 4-6.

Abbildung 4-6

Amöbenleberabszess im Computertomogramm.

NMR

Auf T1-gewichteten Aufnahmen erscheint der Amöbenleberabszess scharf begrenzt und signalarm. Auf T2-gewichteten Aufnahmen findet man eine hyperintense Region. Entsprechend morphologisch normalem, aber ödematösem Lebergewebe erscheint auch die Umgebung des Abszesses hyperintens. Auch kernspintomographisch ist eine sichere Abgrenzung eines Amöbenleberabszesses von bakteriellen Abszessen oder nekrotischen Tumoren nicht möglich.

Immundiagnostik

Beim Amöbenleberabszess sind in fast allen Fällen Antikörper nachweisbar. Die Antikörper persistieren Monate bis Jahre, sie sind am längsten im ELISA nachweisbar. Es stehen mehrere Testverfahren zur Verfügung, neuerdings wurden Tests mit rekombinant hergestellten Antigenen entwickelt.

▪. Therapie

Die Therapie einer Amöbenruhr und eines Amöbenleberabszesses, der stets stationär behandelt werden muss, besteht in einer oralen oder intravenösen zehntägigen Behandlung mit Metronidazol oder Tinidazol. Es sollte immer eine Therapie mit Paromomycin (Humatin®) angeschlossen werden, um eventuell noch im Darmlumen vorhandene E. histolytica sicher zu eliminieren. Der Therapieerfolg wird klinisch anhand der raschen Besserung des Allgemeinbefindens und am Rückgang der Entzündungsparameter verifiziert. Songraphische Kontrolluntersuchungen sollten zu Beginn täglich, später dann wöchentlich bis monatlich durchgeführt werden. Punktionen bzw. Drainagen eines Amöbenleberabszesses sind nur bei drohender Ruptur, also eher selten notwendig.

Asymptomatische Zystenausscheider von E. histolytica (bzw. von E. histolytica/E. dispar, wenn nur mikroskopisch untersucht wurde und eine Differenzierung nicht möglich ist) werden nur mit Paromomycin therapiert.

▪. Welches sind die häufigsten Fehler bei der Diagnose?

An einen Amöbenleberabszess wird häufig nicht gedacht; typische Fehler sind:

  • Es wird nicht bedacht, dass der Amöbenleberabszess erst Jahre nach Verlassen des Endemiegebietes auftreten kann.

  • Bei zunächst negativem Sonographiebefund werden keine Verlaufsuntersuchungen durchgeführt.

  • Es wird angenommen, dass fehlende blutige Diarrhöen in der Anamnese einen Amöbenleberabszess ausschließen.

  • Es wird vermutet, dass ein fehlender Nachweis von E. histolytica im Stuhl einen Amöbenleberabszess ausschließt.

Dies soll an einem Fallbeispiel demonstriert werden (nach Limberg und Kohlhäufl, 1994):

Im Oktober 1990 traten bei einem 37-jährigen Patienten erstmals Fieber und rechtsseitige Oberbauchschmerzen auf. Bei der deshalb durchgeführten ambulanten Ultraschalluntersuchung ließ sich eine 5 cm große Raumforderung im rechten Leberlappen nachweisen. Diese Raumforderung hatte eine inhomogene Binnenstruktur und wies echoreiche und echoarme Areale auf. Der Befund wurde als ein Leberhämangiom interpretiert. Wegen der Zunahme der Beschwerden suchte der Patient fünf Tage später die Ambulanz einer chirurgischen Klinik auf. Unter der klinischen Diagnose „akute Appendizitis” wurde eine Appendek-tomie durchgeführt. Die histologische Untersuchung der resezierten Appendix zeigte jedoch keine akute Entzündung. Postoperativ erhielt der Patient für drei Tage eine antibiotische Behandlung mit Metronidazol. Nach zunächst zweiwöchiger weitestgehender Beschwerdefreiheit kam es zu einer erneuten Verschlechterung des Allgemeinzustandes. Wegen einer bei ambulanter sonographischer Kontrolle nachgewiesenen Größenzunahme der vorbeschriebenen Raumforderung im rechten Leberlappen wurde eine Computertomographie durchgeführt. Es wurde die Verdachtsdiagnose „Leberabszess, DD Echinokokkuszyste” gestellt. Daraufhin erfolgten im November 1990 in einer chirurgischen Klinik eine dreiwöchige Abszessdrainage und lokale Spülung. Unter dieser Therapie war eine Verkleinerung der Abszesshöhle auf 3,2 cm zu verzeichnen. Bei der Punktion wurde steriles Punktat gewonnen. Die Ätiologie des Leberabszesses wurde jedoch nicht geklärt. Eine antibiotische Behandlung erfolgte nicht. Im März 1991 traten erneut Fieber und rechtsseitige Oberbauchschmerzen auf. Eine Oberbauchsonographie zeigte ein 4×5 cm großes Rezidiv des Leberabszesses. Die daraufhin eingeleitete ambulante ungezielte antibiotische Behandlung mit Erythromycin blieb erfolglos. Der Allgemeinzustand verschlechterte sich erheblich, es trat ein Gewichtsverlust von 5 kg innerhalb von drei Wochen auf, weiterhin unverändert Nachweis von Fieber. Im April 1991 erfolgte dann die erneute stationäre Einweisung. Auf gezieltes Befragen gab der Patient an, zuletzt vor vier Jahren im Ausland (Indonesien, Philippinen) als Rucksacktourist gewesen zu sein. Dabei seien einmal Fieber und anhaltende Bauchschmerzen, jedoch keine Diarrhöen aufgetreten. Serologisch ließ sich die Diagnose eines Amöbenleberabszesses bestätigen.

▪. Prophylaxe

Die einzige Prävention der Amöbiasis besteht derzeit in einer Expositionsprophylaxe (Nahrungsmittelaufnahme). Eine medikamentöse Prophylaxe wird nicht empfohlen, und ein Impfstoff steht bisher nicht zur Verfügung.

Wegen des selten auftretenden, aber lebensbedrohlichen Amöbenleberabszes ses spielt die Amöbiasis in der Reisemedizin eine wichtige Rolle.

Weiterführende Literatur

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4.2.2. Lambliasis

REINHARD KRIPPNER

Giardia lamblia (auch Lamblia intestinalis oder duodenalis) - ein begeißelter Einzellerist als Erreger von Durchfallerkrankungen von großer Bedeutung.

Die frei beweglichen Trophozoiten besiedeln vorwiegend das Duodenum, können sich jedoch auch im Gallensystem und bei Hypaziditätim Magen finden. Im Verlauf der Passage durch den Dünndarm wandeln sie sich in Zysten um, die mit dem Stuhl ausgeschieden werden.

Unterschiedliche Giardia-Stämme oder eine erworbene Immunität sind möglicherweise die Ursache, dass längst nicht jede Infektion mit Giardia auch zur Erkrankung führt.

▪. Nicht nur in den Tropen

Giardia kommt weltweit vor. In gemäßigten Klimazonen gehört der Einzeller zu den am häufigsten gefundenen intestinalen Parasiten, ebenso bei Reiserückkehrern in Deutschland. Die Übertragung geschieht bei mangelnder Stuhlhygiene durch direkten Kontakt sowie gehäuft über kontaminierte Nahrung. Trinkwasserkontamination durch ungenügende Wasseraufbereitung, bei defekten Leitungssystemen oder bei Benutzung von Oberflächenwasser kann zu epidemischem Auftreten von Giardia-Erkrankungen führen.

▪. Schwere Diarrhöen sind keine Seltenheit

Während bei einigen Reisenden Inkubationszeiten von nur vier Tagen beobachtet wurden, kommt es meist nach zwei bis drei Wochen zu Durchfällen, die zu Beginn oft wässrig, dann faulig riechend und fetthaltig sind. Hinzu kommen krampfartige Bauchschmerzen, Meteorismus, Übelkeit, Appetitlosigkeit und Abgeschlagenheit. Nicht selten wird über Aufstoßen mit dem Geruch von faulen Eiern geklagt. Fieber ist die Ausnahme; ebenso sind Schleimund Blutbeimengungen im Stuhl normalerweise nicht zu beobachten.

Die Beschwerden können nach einer akuten Phase von einigen Tagen auch ohne Behandlung allmählich abklingen. Wiederkehrende Beschwerden oder anhaltender Durchfall führen den Kranken meist zum Arzt. Die Patienten berichten häufig über Gewichtsverlust, bei stärkerer Ausprägung auch über Schwäche und Zeichen der Malabsorption, wie z. B. Steatorrhö.

▪. Die Unterscheidung von Durchfallerkrankungen anderer Genese ist oft schwierig

Differenzialdiagnostisch in Frage kommen bakterientoxinbedingtes „food poisoning”, Enteritiden viraler und bakterieller Genese, eine HIV-Enteropathie, Infektionen mit Parasiten wie Cyclospora, Kryptosporidien, Isospora belli und Strongyloides stercoralis. Auch nichtinfektiöse Ursachen wie entzündliche Darmerkrankungen, Sprue, Gallenblasen- und Pankreaserkrankungen sollten nicht außer Acht gelassen werden.

Verdachtsmomente für eine Giardia-Infektion:

  • längere Inkubationszeit,

  • anhaltender oder rezidivierender Durchfall ohne Fieber,

  • starker Meteorismus, faulig riechender Stuhl und Flatus,

  • Aufstoßen mit Geruch von faulen Eiern.

▪. Ein mikroskopischer Erregernachweis kann Schwierigkeiten bereiten

Giardia tritt im Stuhl zyklisch auf, so dass drei oder mehr Stuhluntersuchungen in einem tropenmedizinisch erfahrenen Labor notwendig sein können, um die Infektion nachzuweisen. Bei der mikroskopischen Stuhluntersuchung stellen sich ovale Zysten von 8-12 μm Größe, bei intensiverem Befall eventuell auch 9-21 μm große, bewegliche Trophozoiten dar. Daneben steht ein ELISA-Test zum Nachweis von Giardia-Antigen im Stuhl mit einer hohen Sensitivität zur Verfügung. Die Untersuchung von Duodenalsaft auf Giardia durch Aspiration mit Hilfe einer Duodenalsonde bzw. Duodenoskopie oder mittels eines zu schluckenden Wollfadens (string-test) kann die Diagnose sichern, wenn Stuhluntersuchungen ergebnislos verliefen und der Antigentest nicht zur Verfügung steht.

▪. Einmalbehandlung mit Tinidazol ist die Therapie der Wahl

Tinidazol ist als orale Einmaldosis (Erwachsene: 2 g, Kinder: 50 mg/kg) mit einer Wirksamkeit von über 90 % der mehrtägigen Behandlung mit Metronidazol überlegen. Bei wiederholtem Therapieversagen kannsofern eine Reinfektion ausgeschlossen istdie Kombination eines Nitroimidazol-Präparates mit Albendazol zum Erfolg führen. Neu in der Behandlung ist die Substanz Nitazoxanide (seit 2003 in den USA für Kinder zugelassen, jedoch noch nicht in Deutschland), der eine gute Wirksamkeit bescheinigt wird. Für Schwangere kommt eine Behandlung mit Paromomycin (3 × 500 mg/Tag für 5-10 Tage) in Betracht.

Alkoholkonsum ist unter der Therapie mit Nitroimidazol-Präparaten in jedem Fall zu meiden!

▪. Vorbeugung: „Peel it, boil it, cook it or forget it” gilt auch hier

Abkochen oder Filtern (z. B. Keramikfilter) des Wassers beseitigt Giardia (s. Kap. III.5). Die bekannten, aber nicht immer befolgten Empfehlungen wie das Meiden von rohem Gemüse, der Verzicht auf Eiswürfel, die Beschränkung auf schälbares Obst helfen, einer Infektion vorzubeugen.

Weiterführende Literatur

  1. Cacopardo B., Patamia I., Bonaccorso V., Di Paola O., Bonforte S., Brancati G. Synergic effect of albendazole plus metronidazole association in the treatment of metronidazole-resistant gi-ardiasis. Clin Ter. 1995;146:761–767. [PubMed] [Google Scholar]
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4.2.3. Kokzidieninfektionen

REINHARD KRIPPNER

Zu den Kokzidien gehören die humanpathogenen Darmprotozoen Cyclospora cayetanensis, Cryptosporidium parvum und Isospora belli.

Diese Erreger sind durch folgende gemeinsame Merkmale charakterisiert:

  • weltweites Vorkommen, jedoch häufiger in den Tropen und Subtropen,

  • fäkalorale Übertragungswege,

  • bei Immunkompetenten: selbstlimitierende akute Durchfallerkrankungen, gelegentlich chronisch rezidivierende Verläufe mit Malabsorption,

  • bei Immunsupprimierten: chronische Diarrhö mit Gewichtsabnahme, Schwäche und Kachexie,

  • Sprueähnliche histologische Dünndarmveränderungen bei chronischem Verlauf,

  • wechselnd starke Erregerausscheidung im Stuhl.

▪. Cyclospora cayetanensis

Ein neuer Erreger

Dieser intestinale Parasit wurde erstmalig im Jahre 1979 in Papua-Neuguinea beschrieben. Eindeutig zugeordnet wurde er jedoch erst in den 90er Jahren, nachdem sich Berichte über sporadische Krankheitsfälle und Ausbrüche überwiegend aus Entwicklungsländern, aber auch aus Nordamerika mehrten. Ende 2000 wurde erstmalig ein kleiner Ausbruch aus Süddeutschland gemeldet. Betroffen sind Menschen aller Altersgruppen. Bei Reisenden werden Cyclospora-Infektionen mit zunehmender Häufigkeit diagnostiziert. Gesichert ist bisher nur die Übertragung durch kontaminiertes Trinkwasser. Allerdings wurden auch Salate und Himbeeren als Infektionsvehikel nachgewiesen. Ein tierisches Erregerreservoir konnte bisher nicht identifiziert werden.

Akuter Erkrankungsbeginn, rezidivierender Verlauf

Nach einer Inkubationszeit von ein bis etwa elf Tagen erkrankt der Patient mit plötzlichem, oft „explosionsartigem”, wässrigem Durchfall, Appetitlosigkeit, Schwächegefühl, Übelkeit, Darmkneifen und Meteorismus. Erbrechen, Fieber oder krampfartige Bauchschmerzen werden weniger häufig geklagt. Die akute Erkrankung dauert meist nur wenige Tage. Nach anfänglichem Abklingen der Beschwerden kommt es zu wiederkehrenden Durchfallepisoden, unterbrochen von Phasen der Besserung. Malabsorption und häufig eine deutliche Gewichtsabnahme sind die Folge. Das Allgemeinbefinden kann erheblich beeinträchtigt sein.

Bei immunkompetenten Personen heilt die Infektion spontan aus. Unbehandelt beträgt die Dauer der Erkrankung etwa drei bis sieben Wochen. Asymptomatische Infektionen kommen vor.

AIDS-Patienten hingegen leiden meist an chronischer oder intermittierender Diarrhö.

Erregernachweis im Stuhl-Nativpräparat

Der mikroskopische Nachweis von 8-10 μm großen, hyalinen Zysten im ungefärbten Stuhl-Nativpräparat führt zur Diagnose. Bei niedriger Parasitendichte können zwei oder drei Stuhluntersuchungen erforderlich sein. Die Größenbestimmung mit einem Messokular ist notwendig, um den Erreger nicht mit Kryptosporidien (Größe 4-6 μm) zu verwechseln. Anreicherungsverfahren und spezielle Färbemethoden (z.B. modifizierte Ziehl-Neelsen-Färbung) werden in parasitologisch erfahrenen Labors durchgeführt.

Verdachtsdiagnose:

  • akute wässrige Diarrhö zu Beginn der Erkrankung,

  • Phasen vorübergehender Besserung und Rückfälle,

  • Gewichtsabnahme.

Differenzialdiagnostisch kommen alle Ursachen einer Durchfallerkrankung mit Rezidiven in Betracht, bei Reiseanamnese in erster Linie eine Lamblienoder Kryptosporidien-Infektion. Die seltene tropische Sprue (auch tropisches oder postinfektiöses Malabsorptionssyndrom) ist klinisch nicht zu unterscheiden. Der Cyclospora-Nachweis ist hier das entscheidende Kriterium, da bei Cyclosporeninfektion das histologische Bild des Dünndarmbiopsats dem einer tropischen Sprue ähnelt.

Cotrimoxazol das Mittel der Wahl

Bisher hat sich nur Cotrimoxazol (Trimethoprim-Sulfamethoxazol) als wirksam erwiesen. Bei Sulfonamid-Allergie kann ein Versuch mit Ciprofloxacin unternommen werden. Nitazoxanide, das in Deutschland noch nicht zugelassen ist, scheint auch bei diesem Parasiten (s. Kap. IV.4.2.2) eine gewisse Wirksamkeit zu haben.

  • Erwachsenendosis: Cotrimoxazol forte 160 mg/800 mg 2 × pro Tag für 7 Tage

  • Kinder: 5 mg Trimethoprim und 25 mg Sulfamethoxazol (Cotrimoxazol) pro kg KG.

Vorbeugung

Cyclospora widersteht der üblichen Chlorierung des Trinkwassers. Bei Wasser unbekannter Qualität ist daher das Abkochen oder Filtrieren z.B. mit Keramikfiltern zu empfehlen.

Weiterführende Literatur

  1. Fryauff D.J., Krippner R. Case report of Cyclospora infection acquired in Indonesia and treated with co-trimoxazole. Am J Trop Med Hyg. 1996;55/6:584–585. doi: 10.4269/ajtmh.1996.55.584. [DOI] [PubMed] [Google Scholar]
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▪. Cryptosporidium parvum Behandlungsmöglichkeiten sind begrenzt

Kryptosporidien werden bei 2-5% der Reisenden in tropische Länder nachgewiesen. Bei Immunkompetenten findet man diese Infektion am häufigsten im Alter von ein bis fünf Jahren. Prävalenzraten von 11-48% wurden bei AIDS-Patienten mit Diarrhö berichtet.

Als Infektionsquellen sindneben infizierten Personenauch Hausoder Farmtiere von Bedeutung. Seltene Manifestationen sind Gallenwegsinfektionen, Pankreatitis, Hepatitis und Luftwegsinfektionen. Für die Diagnostik der runden Oozysten im ungefärbten Stuhl-Nativpräparat ist die Größenmessung (ca. 5 μm) zur Unterscheidung von Cyclospora wichtig. Anreicherungsverfah- ren und spezielle Färbemethoden (z.B. modifizierte Ziehl-Neelsen-Färbung) werden in parasitologisch erfahrenen Labors durchgeführt. Inzwischen stehen auch ELISA-Tests zum Nachweis von Cryptosporidien-Antigen im Stuhl zur Verfügung.

Bisher blieb die Behandlung gegen Kryptosporidien unbefriedigend. Unter Spiramycin, Paromomycin und Eflornithin wurde gelegentlich eine gewisse Besserung berichtet. Erfolgversprechender scheint die Behandlung mit der Substanz Nitazoxanide zu sein, das seit 2003 in den USA für Kinder, in Deutschland bisher jedoch nicht zugelassen ist.

Während Kryptosporidien durch Abkochen abgetötet werden, sind die Erreger gegen die üblichen Maßnahmen der Trinkwasserchlorierung resistent. Gute persönliche Hygiene (Händewaschen) stellt die wichtigste Vorbeugungsmaßnahme dar.

▪. Isospora belliein bei immunkompetenten Personen seltener Erreger

Die Prävalenz von Isosporabelli-Infektionen ist in den Industriestaaten auch bei AIDS-Patienten relativ niedrig (USA ca. 0,2-1,9%). Dagegen konnte in Entwicklungsländern bei 10-20% der Patienten mit AIDS und gleichzeitiger Durchfallsymptomatik dieser Erreger nachgewiesen werden. Die Diagnose wird in parasitologisch erfahrenen Labors durch mikroskopischen Nachweis der charakteristischen ellipsoiden Oozysten (22-23 μm × 12-15 μm) im Stuhl gestellt. Im Gegensatz zu anderen intestinalen Protozoen-Infektionen kann eine Eosinophilie im Blutbild nachweisbar sein.

Trimethoprim-Sulfamethoxazol (Cotrimoxazol) wird mit gutem Erfolg zur Behandlung eingesetzt.

4.2.4. Blastocystisinfektionen

REINHARD KRIPPNER

Blastocystis hominis ist ein anaerober Einzeller mit drei unterschiedlichen morphologischen Formen.

Im Stuhl des Menschen findet sich meist die 5-30 μm große rundliche, vakuolisierte Form.

Infektionsraten bis zu 36% bei Reisenden ohne aktuelle Beschwerden wurden berichtet. Damit gehört der Einzeller zu den am häufigsten im menschlichen Stuhl gefundenen Parasiten. Umstritten ist jedoch noch seine Pathogenität. Eine Reihe abdomineller Beschwerden sowie akute und chronische Diarrhö wurden ihm zugeschrieben. Das Auftreten von Krankheitssymptomen in Abhängigkeit von der Intensität der Infektion bzw. von möglicherweise pathogenen und apathogenen Formen wurde diskutiert. Die bisher vorliegenden Untersuchungen sprechen gegenwärtig jedoch eher gegen eine Pathogenität. Vorhandene abdominelle Symptome wurden durch andere gleichzeitig vorhandene Erreger erklärt.

Eine Behandlung ist normalerweise nicht notwendig. Sollte bei einer länger anhaltenden Diarrhö allein Blastocystis als möglicher Verursacher nachweisbar sein, kann ein Therapieversuch mit Metronidazol oder Cotrimoxazol unternommen werden. Nitazoxanide (s.o.) scheint ebenfalls wirksam zu sein.

Weiterführende Literatur

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4.3. Typhuserkrankungen: Typhus abdominalis und Paratyphus

GOTTFRIED KUSCH, HELMUT SCHERBAUM

Die Infektion mit Salmonellen der Serovare S. Typhi und S. Paratyphi (A, B, C) führt nach einer Inkubationszeit von 3-60 Tagen häufig zu einem akuten systemischen Krankheitsbild mit septischen Temperaturen und Bakteriämie.

▪. Sporadische Erkrankungen bei Reisen unter einfachen Bedingungen

Typhuserkrankungen kommen weltweit vor, gehäuft jedoch unter schlechten sozioökonomischen Bedingungen mit mangelhafter Wasserversorgung und unzureichenden Abwassersystemen sowie eingeschränkter Gesundheitsfürsorge (s. Abb. 4-7 ). Die Inzidenzen sind dementsprechend sehr unterschiedlich und variieren gemäß Ländern mit sporadischem (Nordund Mitteleuropa, Nordamerika, Australien), endemischem (1-10 Erkrankungen pro 100000 Einwohner pro Jahr) und hyperendemischem Vorkommen (> 10 Erkrankungen pro 100000 Einwohner pro Jahr). Hyperendemische Gebiete finden sich in Peru, auf dem indischen Subkontinent sowie in Westund Nordafrika außer Tunesien. Die höchste Inzidenz wird bei Kindern im Alter von 3-15 Jahren gefunden. In Nordund Mitteleuropa sowie Nordamerika sind die meisten Krankheitsfälle importiert (Touristen, Immigranten). Die Zahl der Einschleppungen nach Deutschland, Österreich und der Schweiz ist jedoch sehr gering. Im Jahr 2003 wurden in Deutschland insgesamt nur 66 Erkrankungen an Typhus abdominalis und 72 Erkrankungen an Paratyphus gemeldet.

Abbildung 4-7.

Abbildung 4-7

Inzidenzen von Typhuserkrankungen pro 100000 Einwohner (mit freundlicher Genehmigung von Peter Claus Döller).

▪. Prophylaxe

Die Infektion erfolgt auf fäkaloralem Weg durch direkten Kontakt oder über Nahrungsmittel (Früchte, Gemüse, Milch, Milchprodukte, Fleisch) und Trinkwasser. Deshalb kommt dem Ernährungsverhalten und der Wasserund Nahrungsmittelhygiene (s. Kap. III.5) zur Prophylaxe einer Typhuserkrankung die wichtigste Rolle zu.

Impfprophylaxe gegen Typhus abdominalis bei erhöhtem Risiko

Bei insgesamt niedrigem Erkrankungsrisiko während einer Reise empfiehlt sich eine Impfprophylaxe gegen Typhus abdominalis (s. Kap. II.8.1.15) bei längeren Reisen in hyperendemische Gebiete (s.o.), wenn häufige Kontakte mit Erkrankten oder Dauerausscheidern (Ausscheidung von Bakterien länger als sechs Monate) wahrscheinlich sind, hygienische Standards nicht immer eingehalten werden können und/oder bei Reisenden mit reduzierter Magensäurebarriere. Die Schutzrate einer Impfung mit dem oralen Lebendimpfstoff und mit dem parenteralen Polysaccharidimpfstoff beträgt jeweils 50-70%; die Impfung bewirkt keinen Schutz gegen Paratyphus. Bei hohem Risiko können beide Impfungen simultan erfolgen, da sich lokale und humorale Immunität ergänzen. Dieses Vorgehen könnte zum Beispiel für Helfer in Katastrophensituationen erwogen werden. Zu beachten ist, dass der orale Impfstoff nicht gleichzeitig mit Antibiotika eingenommen werden sollte. Eine Malariaprophylaxe sollte frühestens drei Tage nach der letzten oralen Impfdosis begonnen werden. In diesem Zusammenhang sei auch auf die Möglichkeit der gleichzeitigen parenteralen Immunisierung mit einem Kombinationsimpfstoff gegen Typhus und Hepatitis A hingewiesen.

▪. Leitsymptome: Fieber und Kopfschmerzen

Nach Ingestion einer entsprechend hohen Keimzahl, Invasion der Dünndarmmukosa, Vermehrung im retikulohistiozytären System (lymphatische Gewebe, Leber, Milz, Knochenmark) kommt es zu klinischen Zeichen mit Fieber und Kopfschmerzen als Leitsymptomen (Tab. 4-1 ).

Tabelle 4-1.

Zeichen und Symptome bei Typhuserkrankungen.

Fieber 75–100%
Kopfschmerzen 59–90%
Husten 28–86%
Obstipation 10–79%
Splenomegalie 39–64%
Durchfälle 43–57%
Erbrechen 24–54%
Hepatomegalie 15–52%
Abdominelle Schmerzen 19–49%
Relative Bradykardie 42%
Roseolen 3–33%

Das Fieber erreicht dabei in der Regel Temperaturen über 39 °C, nicht selten über 40 °C, die Durchfälle sind meist wässrig, seltener breiig oder schleimig.

Manche Verläufe sind durch intestinale Blutungen, Darmperforationen, Cholezystitis, Leberabszess, Pyelonephritis, Bronchopneumonie, Meningitis und/oder Myokarditis kompliziert. Entsprechend breit ist die Differenzialdiagnose. Der Verlauf bei Paratyphus ist oft leichter als bei Typhus.

▪. Frühe Diagnose durch Erregeranzüchtung anstreben

Die größte Sensitivität (40-80%) für die Erregeranzucht in der ersten Krankheitswoche besteht bei der Untersuchung von Blutkulturen. In der zweiten bis dritten Krankheitswoche liegt die Sensitivität für Blut-, Stuhl- und Urinkulturen in der gleichen Größenordnung; danach ist die Sensitivität für Stuhl- und Urinkulturen größer als die für Blutkulturen. Durch simultane Kulturierung von Blut, Stuhl und Urin kann die Sensitivität auf über 95% erhöht werden.

Serologische Untersuchungen ergänzen die Diagnostik und können hilfreich sein, wenn die Erregeranzucht aus Blut, Stuhl und Urin nicht gelingt. Bei der Gruber-Widal-Reaktion werden O- und H-Antikörper gegen das somatische Antigen (O-Antigen) und das Geißel-Antigen (H-Antigen) nachgewiesen. Bei der Diagnosestellung muss beachtet werden, dass Kreuzreaktionen mit anderen Salmonellenarten, z.B. bei Salmonellen-Enteritis, möglich sind. Isolierte Antikörper gegen H-Antigene können außerdem nach Typhus-Impfung und zurückliegender Typhus- bzw. Paratyphus-Erkrankung vorkommen.

Grundsätzlich sollen bei Typhus- bzw. Paratyphus-Verdacht von mehreren Blut-, Stuhl- und Urinproben Kulturen angelegt werden. Auch Knochenmarkaspirat (Sensitivität 80-85%) eignet sich zur Kulturierung.

Die Leukozytenzahlen im Blut können vermindert, normal oder vermehrt sein. Eine Linksverschiebung, Eosinopenie, Mo-nozytose und Lymphozytose sowie Thrombozytopenie werden häufig beobachtet, außerdem kann eine geringe Erhöhung der Transaminasen vorkommen.

▪. Antibiotische Therapie indiziert

Bei dringendem klinischem Verdacht, Wachstum von gramnegativen Stäbchenbakterien in der Kultur und spätestens bei Identifizierung der Stäbchen als Typhusoder Paratyphus-Erreger muss eine antibiotische Therapie eingeleitet werden. Die Anfertigung eines Antibiogramms ist obligat. Nach Vorliegen des Antibiogramms muss die antibiotische Therapie überprüft werden. Eine stationäre Behandlung ist bei leichten Verläufen nicht zwingend. In den meisten Fällen kann mit einer Entfieberung innerhalb von fünf Tagen nach Beginn der antibiotischen Therapie gerechnet werden. Während für Erkrankte, die in endemischen Gebieten leben, eine dreitägige Behandlung mit einem Chinolon ausreichend sein kann, wird für Reisende eine 7-tägige (Azithro-mycin) bzw. 7- bis 14-tägige (Chinolone, Breitspektrum-Cephalosporine) Therapie empfohlen. Bei einer Chinolon-Resistenz, die zunehmend häufiger aus Asien berichtet wird, kann Azithromycin eingesetzt werden. Wegen des schnellen An-sprechens und der niedrigen Rezidiv-Rate sind die Chinolone bei sensiblen Erregern die Medikamente der ersten Wahl. Für Schwangere und Kinder (bis 17 Jahre) sowie in der Stillperiode werden wegen potentieller Nebenwirkungen der Chinolone Breitspektrum-Cephalosporine oder Azithromycin vorgezogen. Die Versagerquote unter antibiotischer Therapie liegt bei bis zu 10%, die Letalität bei < 1%, die Rezidivrate bei 5-10%.

Bei besonders schwerem Krankheitsverlauf (Verwirrtheit, Vigilanzstörungen, Schock) liegt die Letalitätsrate unter Einsatz von Dexamethason i. v. (initial 3 mg/ kg KG, dann 1 mg/kg KG alle 6 Stunden für 2 Tage) deutlich niedriger als ohne Dexamethason.

Personen, die noch ein Jahr nach der Erkrankung Erreger ausscheiden, gelten als Dauerausscheider.

Medikamente der Wahl bei Typhuserkrankungen von Erwachsenen mit Ausnahme von Schwangeren und Stillenden sind Chinolone, z.B. Ciprofloxacin (2 × 500 mg täglich). Da Chinolone für die Anwendung im Kindesalter nicht zugelassen sind, kommen bei der Therapie von Kindern vor allem Breitspektrum-Cephalosporin, z.B. Ceftriaxon (20-80 mg/kg KG/Tag i.v. in 1-2 Dosen, maximal 4 g/ Tag) in Frage, außerdem Azithromycin (10 mg/kg KG p. o. an Tag 1, dann 5 mg/kg KG/Tag). Dieses Makrolid-Antibiotikum kann wie die Breitspektrum-Cephalosporine auch bei Schwangeren und Stillenden Anwendung finden, außerdem bei Resistenz gegen Chinolone. Die Azithromycin-Dosierung für Erwachsene ist 500 mg an Tag 1, dann 250 mg einmal täglich. Zu beachten ist, dass sowohl Ceftriaxon als auch Azithromycin in die Muttermilch übergehen, fruchtschädigende Nebenwirkungen sind bisher jedoch nicht bekannt. Multiresistenzen, insbesondere gegen Ampicillin und Trimethoprim, sind nicht selten, deshalb gehören beide Chemotherapeutika nicht mehr zu den empfohlenen Medikamenten für die Therapie einer Typhus-Erkrankung.

▪. Meldepflicht und Tätigkeitsverbote beachten

Bereits bei Krankheitsverdacht besteht Meldepflicht. Dauerausscheider (3-5% der vormals Erkrankten), bei denen die Erreger über viele Jahre im Verdauungstrakt – vorwiegend in den Gallengängen – persistieren können und über den Stuhl ausgeschieden werden, stellen eine besondere Infektionsgefahr dar, vor allem im Lebensmittelbereich und in Gemeinschaftseinrichtungen. Nach dem Infektionsschutzgesetz ist ein Erregernachweis deshalb auch bei nichterkrankten Personen meldepflichtig. Tätigkeitsverbote (Lehr-, Erziehungs-, Pflege- und Aufsichtstätigkeiten sowie Tätigkeiten beim Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen von Lebensmitteln sowie in Küchen von Gaststätten und sonstigen Einrichtungen mit oder zur Gemeinschaftsverpflegung) müssen beachtet werden. Bezüglich der Lebensmittel gilt das auch für Schulveranstaltungen, Nachbarschafts-, Straßen- und Sommerfeste sowie für Vereinsveranstaltungen oder Ferienlager, jedoch nicht für den privaten hauswirtschaftlichen Bereich.

Kasuistik.

Ein 30-jähriger Mann stellt sich fünf Tage nach Rückkehr von einer 15-tägigen Indienreise wegen ansteigenden Fiebers und Kopfschmerzen vor, außerdem werden leichtes Brennen beim Wasserlassen, ein geringer Hustenreiz und weicher Stuhl angegeben. Eine Malariaprophylaxe wurde nicht durchgeführt. Impfschutz besteht gegen Diphtherie, Pertussis, Tetanus und Poliomyelitis. Bei der Aufnahmeuntersuchung beträgt die Körpertemperatur 38 °C axillär, am Bauch findet sich ein Exanthem (s. Farbtafel Abb. IV.4-8), die Zunge ist belegt, der Rachenring gerötet. Im Oberbauch wird ein geringer Druckschmerz angegeben, die Milz ist anstoßend. Die Laboruntersuchungen zeigen eine normale Leukozytenzahl von 5200/ml mit Linksverschiebung (15% Stabkernige), eine Eosinopenie, eine Thrombozytopenie von 86 000/ml, leicht erhöhte Transaminasen (SGOT 57 U/l, SGPT 45 U/l) und ein erhöhtes CRP von 58,3 mmol/l. Die Malariaausstriche sind negativ. Sonographisch besteht eine Hepatospleno-megalie. Einen Tag nach Aufnahme wachsen in der Blutkultur gramnegative Stäbchenbakterien, eine vom Hausarzt eingeleitete antibioti-sche Therapie mit Cefuroximacetil (Zinnat°) wird auf zunächst intravenöse, dann orale Therapie mit Ciprofloxacin umgestellt. Einen Tag später ergibt die Differenzierung Wachstum von S. Typhi, das Antibiogramm zeigt Wirksamkeit für Cefuroxim und Ciprofloxacin sowie Resistenz auf Ampicillin und Co-trimoxazol. Auch in der Stuhlkultur ist Wachstum von S. Typhi nachweisbar. In der Salmonellen-Agglutination zeigen sich erhöhte Antikörpertiter gegen das O- und H-Antigen. Am vierten stationären Tag kommt es zur Entfieberung, der Patient bleibt bis zur Entlassung fieberfrei, die Linksverschiebung im Differenzialblutbild besteht noch fort, die SGPT ist mit 80 U/l noch erhöht, die Throm-bozytenzahl normalisiert. Der Verlauf ist bis auf eine Hyperpyrexie am zweiten stationären Tag von 41,1°C rektal bei relativer Bradykardie von 96/Minute unkompliziert.

Weiterführende Literatur

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4.4. Bakterielle Enteritiden

PETER CLAUS DÖLLER

Enteritiden sind entzündliche Darmerkrankungen, deren Hauptsymptom die Diarrhö ist.

▪. Etwa ein Drittel aller Tropenreisenden erkrankt an einer Reisediarrhö

Durchfallerkrankungen sind in großen Teilen der Welt eines der häufigsten Gesundheitsprobleme, insbesondere bei Kleinkindern. Mit weltweit mehr als drei Millionen Todesfällen pro Jahr stellen Diarrhöen besonders in Entwicklungsländern eine Haupttodesursache in dieser Altersgruppe dar. Die Diarrhö ist immer nur ein Symptom und kein eigenständiges Krankheitsbild (s. Kap. IV.2.2). Hauptursache ist eine Infektion des Gastrointestinaltrakts, ausgelöst durch eine Vielzahl von verschiedenen Krankheitserregern, insbesondere Bakterien. Erregerspektrum und Häufigkeitsverteilung sind beispielhaft in Tabelle 4-2 dargestellt. Die Häufigkeitsangaben variieren jedoch von Autor zu Autor, unter anderem bedingt durch ein unterschiedliches Untersuchungsklientel. Durchfallerreger werden in der Regel mit fäkal kontaminiertem Wasser und Nahrungsmitteln oder mechanisch über verunreinigte Hände aufgenommen. Tabelle 4-3 zeigt beispielhaft die Häufigkeit der Isolierungen von enteropathogenen Bakterien aus Lebensmitteln, die auf thailändischen Märkten angeboten wurden. Aus 820 Lebensmittelproben konnten bei ca. 12% der Proben darmpathogene Bakterien isoliert werden. Dies zeigt, dass das Risiko einer lebensmittelbedingten Darminfektion in tropischen Ländern hoch ist. Um eine Diarrhö hervorzurufen, müssen jedoch bestimmte Mindestmengen an pathogenen Erregern aufgenommen werden. Bereits eine geringe Dosis (10-100 Shigellen) kann zur Infektion und Erkrankung führen. Bei Salmonellen, Campylobacter und Vibrio cholerae ist zur Krankheitsauslösung die Aufnahme von sehr viel höheren Infektionsdosen (106–1011 Keime) notwendig. Bei verminderter Magensäure, der eine gewisse Schutzfunktion gegen unterschiedliche Enteritiserreger zukommt, kann jedoch bereits eine geringe Anzahl von Erregern zur Erkrankung führen.

Tabelle 4-2.

Häufigkeit darmpathogener Erreger bei Reisediarrhö.

Erreger Häufigkeit (%)
ETEC 40
Shigella spp. und EIEC (enteroinvasive E. coli) 10
Campylobacter jejuni 3
Salmonella spp. 5
Aeromonas/Plesiomonas 5
Protozoen 5
Viren 10
Keine Erreger nachweisbar 22

© 2005

Tabelle 4-3.

Enteropathogene Bakterien in un-gekochten Nahrungsmitteln von Thai-Märkten (n=820 Proben).

Bakterienisolat Anzahl (n)
Vibrionen
□ Vibrio cholerae non-Ol 109
□ Vibrio parahaemolyticus 19
□ Vibrio alginolyticus 14
□ Vibrio fluvialis 4
□ Vibrio cholerae Inaba 1
Salmonellen
□ Salmonella spp. 72
Shigellen
□ Shigella spp. Campylobacter 1
□ Campylobacter jejuni 2
Escherichia
□ ETEC 1
Aeromonaden
□ Aeromonas sobria 90
□ Aeromonas hydrophila 80
□ Aeromonas caviae 58
Plesiomonas
□ Plesiomonas shigelloides 55

© 2005

▪. Ursachen bakterieller Enteritiden

Die wichtigsten bakteriellen Ursachen von Enteritiden sind enterotoxinbildende Escherichia coli (ETEC), Shigellen, Campylobacter und Salmonellen (s. Kap. IV.2.2).

Zunehmende Bedeutung erlangen, insbesondere in Südostasien und Afrika, auch Erreger wie Aeromonas hydrophila, Plesiomonas shigelloides und Vibrio para-haemolyticus. Zu erwähnen sind auch die bakteriellen Intoxikationen (Lebensmittelvergiftungen), die zu kurzanhaltenden Durchfällen und/oder Erbrechen führen. Die Toxine werden dabei von Bakterien produziert und an die kontaminierten Lebensmittel abgegeben. Zur Erkrankung kommt es innerhalb weniger Stunden nach Aufnahme der präformierten Toxine. Einige für bestimmte Enteritiden charakteristische Stuhlveränderungen werden in Tabelle 4-4 aufgelistet.

Tabelle 4-4.

Lokalisation des Darmbefalls und charakteristische Stuhlveränderungen bei bestimmten Enteritiserregern.

Stuhlbeschaffenheit Dünndarm Unterer Dünn-/oberer Dickdarm Dickdarm
  • Vibrio cholerae

  • Campylobacter

  • Escherichia coli (ETEC, EPEC)

  • Salmonellen

  • Escherichia

  • Yersinien

□ Shigellen coli (EIEC, EHEC)
  • Stuhlvolumen

  • Stuhlkonsistenz

  • Blut im Stuhl

  • Leukozyten im Stuhl

  • groß

  • wässrig

  • sehr selten

  • sehr selten

  • groß-klein

  • breiig

  • selten-häufig

  • selten-häufig

  • klein

  • schleimig

  • häufig

  • häufig

Salmonella spp.

Salmonellen können einerseits sehr an den Menschen angepasst sein, nur diesen infizieren und fieberhafte systemische Erkrankungen wie Typhus und Paratyphus hervorrufen (s. Kap. IV.4.3). Andererseits gibt es Salmonellen, die nur für Tiere infektiös sind, und solche, die bei Tieren vorkommen, aber auch beim Menschen eine Gastroenteritis hervorrufen können, wie z.B. Salmonella Enteritidis und Salmonella Typhimurium. Die verschiedenen Salmonellen (mehr als 2000 verschiedene Serovare) werden aufgrund ihrer Zellwand-(O-) und Geißel-(H-)Antigene differenziert.

Salmonellen penetrieren in Epithelzellen des terminalen Ileums, wodurch es über die Aktivierung von cAMP zu Flüssigkeitssekretion ins Darmlumen und dadurch zu Durchfall kommt.

Shigella spp.

Shigellen sind Erreger der Bakterienruhr (bakterielle Dysenterie). Es kommt zur Invasion der Schleimhaut des Dickdarms. Dies führt zu einer Entzündung mit eitrigen und blutigen Durchfällen.

Vier verschiedene Shigellenarten sind bekannt:

  • Shigella dysenteriae,

  • Shigella flexneri,

  • Shigella sonnei,

  • Shigella boydii.

Von diesen vier Shigellenarten verursacht Shigella sonnei die meisten Infektionen mit leichtem Beschwerdebild. Schwerer verlaufen Infektionen mit Shigella flexneri und Shigella boydii. Die schwersten Krankheitsverläufe findet man bei Shigella dysenteriae. Zur Bakteriämie kommt es bei Shigellen jedoch nur äußerst selten.

Campylobacter spp.

Campylobacter zählt heute zu einem der häufigsten Durchfallerreger. Von einer Infektion sind Jejunum, Ileum und Kolon betroffen. Zytotoxine werden nicht produziert. Wie bei Salmonellen existiert ein riesiges Tierreservoir, z. B. Rinder, Schafe, Nagetiere, Geflügel und wildlebende Vögel. Auch junge Hunde und Katzen können infiziert sein. Die häufigsten Campylobacter-arten, die zu Durchfällen führen können, sind Campylobacter jejuni und Campylobacter coli.

Andere, bislang selten isolierte Durchfallerreger

In den letzten Jahren haben enterotoxinbildende Erreger wie Aeromonas hydrophila, Plesiomonas shigelloides und Vibrio parahaemolyticus vermehrt Beachtung gefunden. Diese Bakterien findet man in der Umwelt, in Fischen, Amphibien, Reptilien und Säugetieren. Ein Infektionsrisiko besteht durch den Genuss von kontaminierter Nahrung, wie Fischen und anderen Meerestieren, sowie durch Wassersport, Aquarienhaltung und Umgang mit Reptilien, wie Schlangen etc. Infektionen treten saisonal, vor allem in den Sommermonaten auf. Gastroenteritiden mit diesen Erregern sind vorwiegend in Südostasien mit besonderer Häufung in Japan beschrieben worden; sie kommen jedoch weltweit in tropischen und subtropischen Regionen vor. Aeromonas findet sich auch in gemäßigten Klimata.

▪. Klinik der bakteriellen Enteritiden

Die Inkubationszeiten der bakteriellen Enteritiden liegen zwischen 1 und 10 Tagen.

  • Enterotoxinbildende Bakterien führen zu wässrigen, seltener schleimigen Durchfällen. Bauchschmerzen, Brechreiz und Erbrechen können auftreten. In der Regel kommt es nicht zu Fieber, gelegentlich jedoch zu einer leichten Temperaturerhöhung (< 38,5 °C). Im Stuhl finden sich keine Leukozyten und kein Blut. Durch einen schweren wässrigen Durchfall kann ein massiver Flüssigkeits- und Elektrolytverlust auftreten, woraus Elektrolytungleichgewicht, Dehydratation, metabolische Azidose, Hypokaliämie bis hin zum hypovolämischen Schock resultieren können.

  • Invasive Bakterien dringen in Zellen des Darmepithels ein und verursachen blutige Durchfälle (Dysenterie), wobei im Stuhl Leukozyten nachweisbar sind. Gelegentlich finden sich kolikartige Bauchschmerzen. Hohes Fieber tritt häufig auf. Die Symptome können jedoch in ihrem Schweregrad erheblich variieren.

Die klinischen Erscheinungen einer Aeromonas-, Plesiomonas- und Vibrio-parahaemolyticus-Infektion reichen von einer milden selbstlimitierenden Erkrankung mit wässrigen Durchfällen bis zu einer schleimig-blutigen Diarrhö. Die Symptomatik ist von einer Salmonellen-, Shigellen- oder Campylobacter-Infektion nicht zu unterscheiden. Fieber kann auftreten, und die Durchfälle können auch länger als zwei Wochen persistieren. Asymptomatische Träger kommen vor.

▪. Diagnostik

Die Diagnose der bakteriellen Enteritis beruht auf dem Nachweis der pathogenen Erreger im Stuhl. Auch heute werden diese Erreger noch durch kulturelle Methoden nachgewiesen. Dies ist zwar ein zeitraubendes Verfahren, gewährleistet jedoch auch, dass die isolierten Bakterien auf ihre Sensibilität gegenüber verschiedenen Antibiotika getestet werden können. Entscheidend für eine erfolgreiche Anzucht der darmpathogenen Bakterien ist, dass mit dem frisch abgesetzten Stuhl sofort entsprechende Kulturmedien beimpft werden. Durch langes Stehen, insbesondere durch Versand der Stuhlproben in ein auswärtiges Labor, gehen einige dieser Bakterien zugrunde und können trotz bestehender Durchfälle nicht mehr nachgewiesen werden. Dies gilt insbesondere für Shigellen, die gegenüber Abkühlung und pH-Abfall sehr empfindlich sind. So kann durch sofortigen Ansatz gegenüber dem Stuhlversand die Nachweisrate der Shigellen auf das 4- bis 5-fache gesteigert werden. Dies ist zwar schon seit langem bekannt, jedoch werden bei Durchfallerkrankungen immer noch Stuhlproben – oft über weite Strecken – verschickt. Selbst bei sofortigem Ansatz sind nicht in jeder Stuhlprobe darmpathogene Bakterien zu finden. Daher empfiehlt es sich, drei Stuhlproben an verschiedenen Tagen zu untersuchen. Die ETEC-Diagnostik spielt in der Reisemedizin kaum eine Rolle, da sie sehr aufwendig ist und sich daraus keine spezifischen therapeutischen Konsequenzen ergeben.

Entscheidend für eine erfolgreiche Anzucht von darmpathogenen Bakterien ist der sofortige Ansatz der frischen Stuhl-probe.

▪. Therapie

Entsprechend dem auftretenden Wasserund Elektrolytverlust sollte rasch eine ausreichende Flüssigkeits- und Elektrolytzufuhr eingeleitet werden. Zur Anwendung oraler Rehydrierungsmaßnahmen siehe Kapitel III.6. Auf die Behandlung von Durchfällen bei Kindern wird in Kapitel II.5.5 eingegangen.

Wegen der hohen Infektiosität und der destruierenden Kolitis sollten alle Patienten mit Shigellen antibiotisch behandelt werden. Bei Salmonellen, Campylobacter, Aeromonas, Plesiomonas und Nicht-Cholera-Vibrionen sind Antibiotika bei milder Symptomatik nicht unbedingt indiziert, bei schweren Verläufen mit Fieber und blutigen Durchfällen sollte jedoch eine gezielte Antibiotikatherapie erfolgen. Dabei haben sich heute Chinolone (Ofloxacin, Ciprofloxacin) am wirksamsten erwiesen.

Die Behandlung mit anderen Antibiotika muss vom Ergebnis der Resistenztestung abhängig gemacht werden, insbesondere, da bei einigen dieser Erreger hochgradige Resistenzen gegenüber den gebräuchlichen Antibiotika vorkommen. Bei Reisedurchfällen ist oft eine Einzeldosis Ciprofloxacin bereits ausreichend, um die Erreger zu eliminieren. Dies gilt auch für Shigellen, mit Ausnahme von Shigella dysenteriae. Wie bei bakteriologischen Stuhluntersuchungen zu beobachten ist, erfolgt bereits nach eintägiger Therapie mit Ciprofloxacin in der Regel auf den verschiedenen Nährmedien kein bakterielles Wachstum mehr. Auch wenn es um die Sanierung von Salmonellenausscheidern geht, lässt sich Ciprofloxacin erfolgreich einsetzen. Bei Campylobacter finden sich zunehmend Chinolonresistenzen. Hier haben sich Makrolide als effektiv erwiesen und gelten trotz gelegentlicher Resistenzen als Mittel der Wahl, insbesondere, da hierdurch die Darmflora nicht beeinträchtigt wird.

Bei Isolierung darmpathogener Erreger muss sofort eine Meldung nach § 7 Infektionsschutzgesetz an das zuständige Gesundheitsamt erfolgen, auch wenn das Ergebnis der Art- und Serovardiagnostik noch nicht vorliegt. Auch der Patient ist rasch zu benachrichtigen. Ein stationär aufgenommener Patient muss, wenn dies nicht bereits bei der Aufnahme geschehen ist, isoliert werden.

Fazit

Etwa ein Drittel aller Reisenden in warmen Klimazonen erkrankt an einer Reisediarrhö. Ursache sind Infektionen durch verschiedene Bakterienarten, am häufigsten durch ETEC. Eine erregerspezifische antibiotische Behandlung erfolgt in der Regel nur in schweren Fällen. Der Nachweis der Erreger erfolgt durch Kultivierung auf speziellen Nährmedien. Zunehmende Antibiotkaresistenzen gegen bakterielle Enteritiserreger sind weltweit zu beobachten.

Weiterführende Literatur

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4.5. Borreliose, FSME und andere durch Zecken übertragene Krankheiten

JOHANNES SCHÄFER

Schon lange ist bekannt, dass Zecken gefährliche Krankheiten übertragen können. So starb der englische Arzt Dutton 1905 kurz nach der Beschreibung des Erregers des Zecken-Räckfallfiebers im Kongo selbst an dieser Krankheit. Aber erst die Beschreibung des Krankheitbildes der Lyme-Borreliose an der Ostküste der USA und die Entdeckung des Erregers 1981 hat Zecken als Krankheitsüberträger ins öffentliche Bewusstsein gebracht. Inzwischen ist die Lyme-Borreliose die häufigste durch Vektoren übertragene Krankheit in den USA und in Europa (s. Tab. 4-5 ).

Tabelle 4-5.

Lyme-Borreliose: Gemeldete Erkrankungen pro Jahr und Inzidenzraten

Fälle/Jahr Inzidenzd
Bulgarien 3500 55,0
Deutschlanda 20000 25,0
Frankreich 7200 16,0
Großbritannien 200 0,3
Irland 30 0,6
Österreich 14 000 130,0
Russlanda >10 000 ?c
Schweiza 2000 30,4
Slowenien 2000 120,0
Süd-Schweden 7120 69,0
Tschechiena 3500 39,0
USA 20 000 6,3b
a

Schätzungen;

b

95% aller Fälle in 9 Staaten im Nordosten sowie Wisconsin und Minnesota (Mittelwesten), Inzidenz in Connecticut 110,8/100 000

c

Inzidenzrate in Perm (Ural) 30/100 000;

d

Erkrankungen pro 100 000 Einwohner.

(Eu-calb: Europa, 1995; CDC: USA, 2003).

© 2005 CDC

Für den reisemedizinisch tätigen Arzt ergeben sich aus dem weltweiten Tourismus und der zunehmenden Beliebtheit von Freizeitaktivitäten in freier Natur gelegentlich komplexe Fragestellungen.

Aus der Sprechstunde:

Ein junger Mann stellt sich nach Rückkehr von einer Reise durch Südostasien vor. Vor 4 Wochen hatte er in Ost-Malaysia mehrere Nächte am Strand übernachtet und danach eine vollgesogene Zecke hinter einem Ohr bemerkt. Jetzt ist er besorgt, „dass da noch etwas sein könnte”.

Ein Paar erkrankt kurz nach der Rückkehr von einer 2-wöchigen Hochzeitsreise mit Reitsafari in Südafrika mit Fieber, Hautausschlag und Lymphknotenschwellung.

Eine Frau stellt sich zur reisemedizinischen Beratung vor. Sie plant im Sommer einen mehrwöchigen Wanderurlaub in einem ostsibirischen Nationalpark.

Neben der Lyme-Borreliose können noch andere Bakterien, Viren, Protozoen und Toxine durch Zecken auf den Menschen übertragen werden (s. Tab. 4-6 ). Die resultierenden Krankheitssymptome sind vielfältig und oft unspezifisch und damitnicht nur für den Laien verwirrend. Zusätzlich sorgt die Angst vor bleibenden Schäden für Verunsicherung.

Tabelle 4-6.

Krankheiten, Erreger, Reservoir.

Krankheit (Synonyme, Akürzung) Erreger Tierreservoir
durch Bakterien
Borreliosen
□ Lyme-Borreliose Borrelia burgdorferi, B. afzelii, B. garinii Mäuse
□ Southern tick-associated rash illness (STARI) B. lonestarii ?
□ Zeckenrückfallfieber, endemisches Rückfallfieber B. duttoni u. andere Nagetiere
Rickettsiosen der Fleckfiebergruppe
□ Rocky Mountain spotted fever (RMSF) und Brasilianisches Fleckfieber Rickettsia rickettsii Hunde, Nagetiere
□ Mittelmeer-Zeckenfleckfieber (Mediterranean tick typhus, Fièvre boutonneuse) R. conorii Hunde, Nagetiere
□ Afrikanisches Zeckenbissfieber R. africae
(African tick bite fever, African tick typhus) R. conorii Hunde, Nagetiere, Rinder
□ Oriental tick typhus R. japonica
□ Queensland tick typhus R. australis Nagetiere
□ Flinders Island spotted fever R. honei Beuteltiere
□ North Asian tick typhus (Sibirian tick typhus) R. sibirica
Ehrlichiosen
□ Humane monozytäre Ehrlichiose (HME) Ehrlichia chaffeensis Rehe
□ Humane granulozytäre Ehrlichiose (HGE) E. phagocytophilum ?
□ Tularämie (Hasenpest) Francisella tularensis Hasen, Nagetiere
Q-Fieber Coxiella burnetii Schafe, Rinder, Ziegen

durch Viren
Flavivirosen
□ FSME (tick-borne encephalitis, TBE) TBE-Virus (3 Subtypen) Mäuse
□ Russian spring-summer encephalitis (RSSE) TBE-Virus (3 Subtypen) Mäuse
□ Omsk hemorrhagic fever (OHF) OHFV-Virus Mäuse, Bisamratte
□ Kyasanur Forest diseases (KFD) KFD-Virus Affen, Nagetiere
Crimean-Congo hemorrhagic fever (CCHF) Bunyavirus Huftiere
Colorado tick fever (CFT) Coltivirus Nagetiere

durch Protozoen
Babesiose B. microti (USA) Mäuse
B. divergens (Europa) Rinder
durch Toxine
Zeckenlähmung Toxine

▪. Von Zecken übertragene Erkrankungen - ein weltweites Phänomen

Die Epidemiologie der von Zecken übertragenen Erkrankungen ist äußerst vielschichtig. Sie resultiert aus einer komplexen Interaktion zwischen Zecken, Wirtstieren, dem Erreger und Umwelteinflüssen (s. Abb. 4-9 ). Bei allen Krankheiten handelt es sich um Zoonosen, d.h. die Übertragung auf den Menschen spielt im natürlichen Erregerkreislauf eine untergeordnete Rolle. Die Zahl der menschlichen Erkrankungen lässt somit kaum Rückschlüsse auf die Verbreitung des Erregers zu, da sie wesentlich von anderen Faktoren abhängt. Dazu gehören das verhaltensabhängige individuelle Infektionsrisiko, die verfügbaren diagnostischen Möglichkeiten und das Meldewesen.

Abbildung 4-9.

Abbildung 4-9

Interaktionen bei zeckenübertragenen Erkrankungen.

Die Zeckenpopulation ist direkt abhängig vom Wirtstierbestand. Viele Wirtstiere haben eine Bedeutung als Erregerreservoir. Außerdem können vor allem die größeren Wirtstiere wie Rehe, Hunde und auch der Mensch Zecken und Krankheitserreger über große Entfernungen transportieren und damit zur Verbreitung beitragen.

Klima und Vegetation sind zentrale Determinanten sowohl der Zecken- als auch Wirtstierpopulationen und erklären die komplexen Verbreitungsmuster. Im Zuge des weltweiten Klimawandels sind hier Veränderungen zu erwarten.

Während viele Zeckenarten eine hohe Wirtsspezifität besitzen, sind andere weniger wählerisch. Es sind gerade diese Zecken (z. B. die verschiedenen Ixodesarten) mit einem breiten Spektrum an Wirtstieren, die für die Übertragung von Krankheiten auf den Menschen eine entscheidende Rolle spielen.

Eine zentrale Bedeutung für das Infektionsrisiko haben jedoch Lebensweise und Verhalten des Menschen (Tab. 4-7 ). Gezielt sollte deswegen nach einer möglichen Zeckenexposition gefragt werden. Dabei muss bedacht werden, dass Zeckenbisse häufig unbemerkt bleiben. Selbst bei der Lyme-Borreliose, zu deren Übertragung in der Regel ein längerer Kontakt (> 24 h) bestehen muss, konnten sich die Erkrankten nur in ca. 60-70% der Fälle an einen Zeckenbiss erinnern.

Tabelle 4-7.

Hauptsächliche Expositionsgefährdungen für Zeckenbisse.

An Zeckenexposition denken:
generell bei Reisenden
□ Tätigkeiten in Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Gärtnerei
  • Wandern und Trekking

  • Klettern und Bergsteigen

□ Wohngebiete in Waldnähe □ Zelten
□ Wald-kindergärten
  • Reiten

  • Radfahren

□ Freizeitaktivitäten □ Boots- und Kanutouren
□ Beeren und Pilze sammeln □ Tierbeobachtung
□ Haustiere
  • Jagen

  • Urwald-expeditionen

Mindestens ein Drittel aller Zeckenbisse wird nicht bemerkt!

Unser Verständnis der globalen Epidemiologie der von Zecken übertragenen Krankheiten ist sehr lückenhaft. Daten liegen vor allem für die USA und Teile von Europa vor und betreffen im Wesentlichen die Lyme-Borreliose und die FSME, ansonsten beschränken sich die Angaben im Wesentlichen auf Schätzungen. Außerdem ist davon auszugehen, dass es noch weitere Krankheitserreger gibt, die sich bis jetzt dem mikrobiologischen Nachweis entzogen haben.

▪. Zecken

Zecken sind Spinnentiere (s. Tab. 4-8 ). Die große Mehrzahl der medizinisch bedeutsamen Zeckenarten gehört zu der Familie der Schildzecken (Ixodidae, „hard ticks”). Diese tragen dorsal einen chitinösen Schild (Skutum), der ihnen eine große mechanische Stabilität verleiht. In der Aufsicht von dorsal sind die Mundwerkzeuge (Capitulum) gut sichtbar. Der Saugrüssel (Hypostom) ist mit Widerhaken besetzt, was die Entfernung erschwert.

Tabelle 4-8.

Zeckenarten.

Gattung Bezeichnung und Art Krankheit
Schildzecken, Ixodidae (hard ticks)
Ixodes spp. Holzbock (1. ricinus) Lyme-Borreliose
Deer tick (1. dammini) Rickettsiosen
Blacklegged tick (1. scapularis) Virosen (FSME, RSSE)
Western blacklegged tick (1. pacificus) Ehrlichiosen, Babesiose
Dermacentor spp. Schafzecke (D. marginatus) Q-Fieber
Dog tick (D. variabilis) RMSF, Tularämie
Wood tick (D. andersoni) Colorado Tick Fever
Amblyomma spp. Lone Star Tick (A. americanum) STARI
Bont tick (A. hebraeum) Rickettsiosen
Rhipicephalus spp. Braune Zecken Rickettsiosen
Hyalomma spp. Hyalomma marginatum Krim-Kongo Fieber

Lederzecken, Argasidae (soft ticks)
Ornithodorus spp. O. mouabata Zecken-Rückfallfieber

Alle Schildzecken durchlaufen drei Entwicklungsstadien (Abb. 4-10 ); aus dem Ei schlüpft die sechsbeinige Larve, diese entwickelt sich über die achtbeinige Nymphe zur adulten Form.

Abbildung 4-10.

Abbildung 4-10

Ixodesstadien.

Bei der Familie der Lederzecken (Argasidae, „soft ticks”) fehlt der Schild, der Zeckenleib besteht aus einer derben Haut, die Mundwerkzeuge sind nur in der ventralen Aufsicht erkennbar. Je nach Art durchlaufen Lederzecken 4 bis 8 Entwicklungsstadien.

Diese Entwicklungsschritte sind abhängig von der Außentemperatur und der Verfügbarkeit von geeigneten Wirten. Dies erklärt das gehäufte Auftreten von Zecken im Frühjahr und Sommer und damit auch das saisonale Muster der Krankheitsübertragung.

Für jeden Entwicklungsschritt benötigt die Zecke eine Blutmahlzeit, wobei ein Vielfaches des eigenen Körpergewichts an Blut aufgenommen wird. Dabei wird von der Zecke laufend Speichel injiziert. Bei Ixodeslarven dauert der Saugakt 3 bis 7 Tage, bei Nymphen 5 bis 10 Tage und bei den Adulten 1 bis 4 Wochen. Bei Lederzecken hingegen dauert die Blutmahlzeit lediglich 20 bis 30 Minuten.

Während der Blutmahlzeit können Krankheitserreger aufgenommen und übertragen werden. Die Übertragung geschieht bei den meisten Erregern über Speichel, eventuell auch über Regurgitation, in manchen Fällen jedoch auch über Fäzes (Tularämie, Q-Fieber) oder über Drüsensekretionen (Zecken-Rückfallfieber).

Bei der Lyme-Borreliose steigt das Übertragungsrisiko mit der Dauer des Saugaktes, bei einer Entfernung innerhalb von24 Stunden ist das Infektionsrisiko sehr gering. Dies gilt nicht für andere Erreger.

In Abhängigkeit von der Temperatur und der Verfügbarkeit von Wirten liegen zwischen den Blutmahlzeiten Wochen bis Monate oder auch Jahre. Die transstadiale Persistenz von Krankheitserregern in der Zecke über solche Zeiträume stellt eine spezifische Anpassungsleistung dar und erklärt die enge Beziehung zwischen Krankheitserregern und einzelnen Zeckenarten. Auch eine transovarielle Übertragung ist bei den meisten Erregern möglich. Zecken haben somit nicht nur eine Bedeutung als Überträger, sondern auch als Erregerreservoir.

Die Infektionsraten bei Zecken sind vom Stadium abhängig. Als Faustregel kann gelten, dass mit der Größe der Zecke und der Dauer der Blutmahlzeit das Infektionsrisiko steigt. Vor allem Ixodesspezies können eine ganze Reihe von Krankheiten übertragen. Deshalb sollte immer auch mit der Möglichkeit von Koinfektionen gerechnet werden.

Die meisten Zeckenarten bevorzugen eine hohe Luftfeuchtigkeit - man findet sie deshalb bevorzugt in Flusstälern sowie in schattigen Wäldern und Waldrändern mit viel Unterholz oder Farnbewuchs. Zecken kriechen zur Wirtssuche auf Gräser oder andere Pflanzen, wobei die Adulten bis zu einer Höhe von 1 m klettern. Dort sitzen sie mit ausgestreckten Vorderbeinen und lassen sich abstreifen; dabei reagieren sie auf Erschütterung, Wärme und olfakto-rische Reize.

Zeckenbisse vermeiden:

  • Meidung von Zeckenhabitaten (schattige Waldränder, Gebüsche, hohes Gras).

  • Kleidung: möglichst geschlossen und hell (um Zecken leichter zu entdecken), eventuell Vorbehandlung mit Repellenzien (DEET) oder Insektiziden (Permethrin).

  • Nach möglicher Exposition Inspektion des ganzen Körpers. Bevorzugte Bissstellen: Kopf, Hals, Kniekehlen, Knöchel. Besonders bei Kindern auf Zeckenbefall achten!

  • Zecke umgehend entfernen (Abb. 4-11 )!
    Abbildung 4-11.

    Abbildung 4-11

    Entfernung von Zecken.

▪. Hinweise zu Klinik und Diagnostik

Tabelle 4-9 gibt einen Überblick über die wichtigsten von Zecken übertragenen Erkrankungen. Die zahlenmäßig größte Bedeutung unter ihnen hat die Lyme-Borreliose, an zweiter Stelle steht die Zeckenenzephalitis, bei der sowohl tödliche Verläufe wie auch bleibende neurologische Schäden auftreten können. An dritter Stelle stehen die Rickettsiosen der Fleckfiebergruppe und das Zecken-Rückfallfieber. Die globale Bedeutung des Rückfallfiebers wird wahrscheinlich unterschätzt, da überwiegend arme Bevölkerungsgruppen in ländlichen Gebieten Afrikas betroffen sind; zudem ähneln die Symptome denen der Malaria. Beim Q-Fieber sorgen immer wieder kleinere Epidemien für Aufmerksamkeit, wobei die Übertragung durch Aerosole erfolgt. Die Übertragung durch Zecken spielt nur bei Tieren eine wichtige Rolle. Bei den Ehrlichiosen, der Tularämie, der Babesiose sowie den Viruskrankheiten außer der o.g. Zeckenenzephalitis handelt es sich um relativ seltene Erkrankungen.

Tabelle 4-9.

Epidemiologie und Klinik von zeckenübertragenen Krankheiten.

Lyme-Borreliose Zeckenrück-fallfieber Fleckfieber Humane monozytäre und granulo-zytäre Ehrli-chiose (HME und HGE) Q-Fieber Tularämie (Hasenpest) Zeckenenzephalitis (FSME und RSSE) Babesiose
Erreger Borrelia burgdorferi (USA, selten in Europa), B. garinii und B. afzelii (Europa, Asien) Borrelia duttoni, B. hermsii, B. hispanica und andere Rickettsien der Fleckfiebergruppe (s. Tab. 4-6) Ehrlichia chaffeensis (HME), Anaplasma phagocyto-philum(HCE) Coxiella burnetii Francisella tularensis 3 Flavivirus-Subtypen FSME: west-licher Subtyp; RSSE: fernöstlicher und sibirischer Subtyp Babesia divergens (Europa), B. microti (USA) und andere (70 Babesia spp.)
Übertragung Schildzecken (Ixodes spp.) Lederzecken (Ornithodo-rus spp.) Schildzecken (Amblyomma und Rhipice-phalus spp.) Schildzecken (HME: Amblyomma und Dermacentor spp., HGE: Ixodes spp.) Aerosol (!), Schildzecken (Dermacentor spp.), Zeckenkot hochinfektiös Schildzecken, Kontakt mit infiziertem Material (Schlachtkörper), Inhalation Schildzecken (Ixodes spp.), orale Übertragung möglich (un-pasteurisierte Milchprodukte) Schildzecken (Ixodes spp.)
Vorkommen Gesamte nördliche Hemisphäre (gemäßigte Klimazonen) Afrika, Zentralasien, Naher Osten, Spanien, USA, Mexiko, Kanada, Südamerika weltweit USA, Europa, Asien (?) weltweit nördliche Hemisphäre 30.-70. Breitengrad Europa, GUS-Staaten, China, Korea, Japan, USA (Nordosten und Mittelwesten), Europa, Asien
Bedeutung weltweit > 50-100000 Erkrankungen/Jahr, bedeutendste vektorübertragene Erkrankung in den USA und in Europa USA 30-50 Fälle/Jahr, Letalität ca. 5% weltweit wahrscheinlich >10000 Fälle/Jahr (USA: 250-1200) USA (Meldungen 2002): HGE: 511 Fälle, HME: 216 Fälle; Europa: Einzelfälle (HCE) weltweit <1000 Fälle/Jahr; häufig in Form von kleinen Ausbrüchen (Aerosole) sporadisches Auftreten, Letalität unbehandelt hoch (30%) >10000 Fälle/Jahr, Letalität 5%, bleibende neurologische Schäden. Bei RSSE schwerere Verlaufsformen. Einzelfälle, erhöhtes Risiko nach Splenekto-mie
Inkubationszeit Stadium 1: 3-30 Tage (meist 7-10); Stadium II: Wochen-Monate; Stadium III: Monate-Jahre 2-14 Tage 5-7 Tage HGE: 2-7 Tage, HME: 7-21 Tage 5-40 Tage 3-21 Tage 7-14 Tage 7-28 Tage
Krankheitsbild komplexe zeitliche Abfolge in 3 Stadien mit Beteiligung verschiedener Organe (s. Tab. 4-10) Fieberschübe von 2-8 Tagen Dauer, fieberfreies Intervall 2-4 Tage (bis zu 10 Fieberschübe) Krankheitsgefühl, Kopfschmerzen, Photophobie, Exanthem, gastrointesti-nale Symptome, petechialf Blutungen, Hepatosple-nomegalie, Ikterus. typische Symptomtrias: Fieber, Eschar, Exanthem; RMSF: periorbitale. Ödeme, Petechien. Fulminante Verläufe mit Organversagen. Afrikanisches Fleckfieber: Myalgien der Halsmuskulatur; Eschar häufig multipel, regionale Lymphadenitis. 60% klinisch inapparent. Grippeartige Symptome; selten Ausschlag und Splenomegalie. Komplizierend können Sekundärinfektionen (Pneumonie, Candida-infektionen) auftreten. Bei der Mehrzahl der Fälle kommt es innerhalb von 1 Woche zu einer folgenlosen Ausheilung. 50% asymptomatisch. Akutes Q-Fieber: Schlagartig einsetzendes hohes Fieber, Allgemeinsymptome mit Myalgien, Halsschmerzen, trockener Husten, abdominelle Beschwerden, Erbrechen oder Durchfall. Atypische Pneumonie bei 30 bis 50%. Chronisches Q-Fieber: Infektion persistiert > 6 Monate mit Endokarditis v.a. bei vorbestehender Klappenschädigung. Krankheitsbild abhängig von Infektionsweg und infektiöser Dosis. Nach Hautinfektion ulceroglandu-läre Form mit hohem Fieber, Ulkus im Bereich der Inokulationsstelle, regionale Lymph-adenopathie und septisches Krankheitsbild Bei Inhalation Pneumonie, bei oraler Aufnahme oro-pharyngeale Infektion. biphasischer Krankheitsverlauf: 1. Woche grippeartige Symptome. ZNS-Symptome (bei 10%); nach kurzem freien Intervall: Meningitis (50%), Menin-goenzephalitis (40%), Enze-phalomyelitis (10%); schwerere Verläufe bei Erwachsenen häufiger. Neurologische Folgeschäden bei ca. 20%. Fieber, Abgeschlagenheit, Gewichtsverlust, Muskel- und Gliederschmerzen, Splenomegalie, hämo-lytische Anämie, Hämoglobin-urie, Ikterus, Nieren-versagen möglich.
Diagnose Stadium 1 (Erythema migrans): klinisch; Stadium II und IM: Serologie (ELISA, Western Blot zur Bestätigung), IgM-Antikörper früher als IgC nachweisbar. Nach Therapie Antikörper-Titer nur langsam rückläufig, Neuroborreliose: intrathekale AK-Bildung. Verlaufskontrollen, möglichst gleiches Testsystem/Labor Erregernachweis im Blutausstrich bzw. Dicken Tropfen; häufig Leukozytose und Throm-bopenie.
  • Klinisch (typische Befund kon-stellation); Serologie (IFT): Antikörper teilweise erst nach Wochen, bei früher Therapie eventuell gar nicht. Weil-Felix-Reaktion durch modernere

  • Verfahren ersetzt.

Typische Ein-schlusskörper-chen nur in ca. 20% der Fälle. Anämie, Leu-ko- und Throm-bopenie, Transaminasen-erhöhung. Serologie (IFT): IgM-Antikörper frühestens am 3. bis 5. Tag. Ein signifikanter Anstieg des IgC-Titers sichert die Diagnose. Antikörper ab der 2. Krankheitswoche. Akutes Q-Fieber: IgM-Antikörper gegen Phase 1 und II, IgC-Anti-körper gegen Phase II. Chronisches Q-Fieber: IgC- und IgA-Antikörper gegen Phase 1. Klinisch; Serologie (Agglutinationstest): Antikörper erst in 2. oder 3. Krankheitswoche nachweisbar. Anzucht des Erregers erforderlich in speziellen Kulturmedien. Erkrankungsbeginn: Virusisolierung oder PCR (Blut, Liquor). Ab 2. Krankheitswoche: IgM- und IgC-Antikörper in Serum oder Liquor (ELISA). Nach Impfung ebenfalls IgM-Antikörper nachweisbar. Nachweis der intra-erythrozytä-ren Erreger im Blutausstrich.
Therapie s. Tab. 4-11 Doxycyclin, initial 200 mg p.o. oder i.V., dann 2×100 mg 3-7 Tage. Cave: Jarisch-Herxheimer-Reaktion! Doxycyclin 2 × 100 mg 7 Tage. Doxycyclin, 2 × 100 mg, mindestens 5-7 Tage. Akutes Q-Fieber: Doxycyclin, 2×100 mg für 14-21 Tage, alternativ Erythromycin. Chronisches Q-Fieber: Doxycyclin mit Chinolon oder Chloroquin (Langzeittherapie) Streptomycin 2×1g für 10 Tage; alternativ: Doxycyclin (Rezidivrate bis 10%). symptomatisch Atovaquon 2 × 750 mg plus Azithro-mycin 500 mg initial, dann 250 mg/Tag für 7 Tage oder Clinda-mycin 3 × 600 mg plus Chinin 3×650 mg für 7 Tage.

Grundsätzlich gilt:

  • Mit Ausnahme des Stadiums II und III der Lyme-Borreliose sind die Inkubationszeiten von zeckenübertragenen Krankheiten relativ kurz. Bei klinischem Verdacht auf eine von Zecken übertragene Erkrankung sollte deshalb gezielt nach einer möglichen Exposition in den letzten Wochen gefragt werden.

  • Ein direkter Erregernachweis ist nur bei den Rückfallfieberborrelien sowie der Babesiose möglich. Antikörper sind zum Zeitpunkt der akuten Erkrankung meist noch nicht nachweisbar. Die Diagnose stützt sich deswegen hauptsächlich auf das klinische Bild und die anamnestischen Angaben. Zur serologischen Sicherung der Diagnose ist ein Titeranstieg meist beweisend, deshalb empfiehlt sich die Abnahme von 2 Serumproben (Akutphase und nach zwei bis vier Wochen).

  • Tetrazykline sind sowohl bei den Borreliosen wie auch bei den intrazellulären Erregern (Rickettsien, Ehrlichien, Coxiellen) sowie - mit Einschränkungen - bei der Tularämie wirksam. Bei unklaren Krankheitsbildern wird deshalb bevorzugt Doxycyclin eingesetzt, allerdings nicht bei Kindern und Schwangeren.

  • Zumindest bei der Lyme-Borreliose ist eine antibiotische Postexpositionsprophylaxe nach Zeckenbiss grundsätzlich möglich. In einer amerikanischen Studie in einem Gebiet mit hoher Prävalenz konnte die Einnahme von 100 mg Doxycyclin als Einmaldosis die Erkrankungshäufigkeit (Erythema migrans) senken. Aufgrund des relativ geringen Infektionsrisikos wird jedoch ein abwartendes Verhalten mit Antibiotikagabe nur bei Auftreten von Symptomen empfohlen. Unter bestimmten Bedingungen scheint sie jedoch durchaus sinnvoll (z.B. nach Entfernung einer vollgesaugten Ixodes-Zecke in einem Gebiet mit hoher Inzidenz).

▪. Lyme-Borreliose (Tab. 4-10)

Tabelle 4-10.

Symptomatik und Stadieneinteilung der Lyme-Borreliose.

Symptome Häufigkeit Stadium
I II III
Haut Erythema migrans (EM): ∼60-80%
□ Makulopapulöse Effloreszenzen an Bissstelle
□ Häufig noch keine Antikörper nachweisbar
Lymphadenosis cutis benigna (LCB): selten
□ rötliche livide Hautknoten (z.B. Ohr, Mamille, Skrotum)
Acrodermatitis chronica atrophicans (ACA): selten
□ (B. afzelii)
Allgemeinsymptome frühe Generalisation (early disseminated infection):
□ allgemeines Krankheitsgefühl, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Arthralgien und Myalgien, Fieber, Lymphknotenschwellung häufig
ZNS akute Neuroborreliose: ∼5%
□ lymphozytäre Meningitis
□ Meningoradikulitis
□ Fazialisparese
□ Myelitis
chronische Neuroborreliose:
□ chronische Enzephalomyelitis (Europa) mit intrathekaler Antikörper-Produktion, spastische Paraparesen, kraniale Neuropathie, kognitive Störungen ∼15%
□ Lyme-Enzephalopathie (USA) mit kognitiven Störungen
Gelenke Wandernde Arthritis: ∼60%
□ überwiegend große Gelenke
□ hohe Antikörper-Titer
Chronische Arthritis:
□ autoimmune Genese (?) ∼10%
Herz Karditis: ∼5%
□ AV-Block
□ akute Myoperikarditis
Dilatative Kardiomyopathie selten

Die Vielfalt und die komplexe zeitliche Abfolge der Symptome machen das Krankheitsbild verwirrend. Die Verschiedenartigkeit der Erreger erklärt die erheblichen regionalen Unterschiede in der Häufigkeit und Ausprägung der Symptome und erschwert so die serologische Diagnostik und die Entwicklung eines Impfstoffs.

Das Risiko, nach einem Zeckenbiss zu erkranken, ist von mehreren Faktoren abhängig (Abb. 4-12 ). Ähnlich wie bei der Syphilis werden 3 Stadien unterschieden (Tab. 4-10):

Abbildung 4-12.

Abbildung 4-12

Erkrankungsrisiko an Lyme-Borreliose nach Zeckenbiss (Daten des Robert-Koch-Instituts).

Im Stadium I kommt es innerhalb von Tagen oder Wochen nach Infektion zu einer lokalisierten Hautinfektion an der Bissstelle, zusätzlich können Allgemeinsymptome auftreten. Im Stadium II besteht eine generalisierte Infektion mit Manifestation an der Haut, dem ZNS, den Gelenken und dem Herzen. Im Spätstadium kann es vor allem durch muskuloskelettale Beschwerden sowie durch Beteiligung des ZNS zu einer schweren Beeinträchtigung kommen. Diese Symptome sind zum Teil durch die Persistenz des Erregers, zum Teil durch immunologische Phänomene bedingt; auch die genetische Disposition der Betroffenen spielt eine Rolle.

Antikörper sind erst einige Wochen nach Krankheitsbeginn nachweisbar. Der Western Blot dient als Bestätigungstest, wobei das Bandenmuster weitere diagnostische Hinweise zum Erkrankungsstadium geben kann. Auch nach Therapie können sowohl IgG- wie auch IgM-Antikörper lange persistieren, der Nachweis von IgM-Antikörpern ist deshalb nicht beweisend für ein frische Infektion oder eine Persistenz der Erreger.

Die antibiotische Therapie ist vom Krankheitsstadium und dem Krankheitsbild abhängig. In Tabelle 4-11 sind die Therapieempfehlungen der IDSA (2001) dargestellt. Zwischen den verschiedenen Autoren und Arbeitsgruppen besteht weit gehende Übereinstimmung bezüglich der Diagnostik und Therapie der Stadien I und II. Sehr kontrovers und teilweise erbittert wird über die Diagnostik und Therapie im Spätstadium diskutiert. Von einigen namhaften Autoren wird das Krankheitsbild der chronischen Lyme-Borreliose in Frage gestellt. Dabei geht es zum einen um die Abgrenzung der Spätborreliose zu anderen Krankheitsbildern, insbesondere der Fibromyalgie und dem chronischen Müdigkeitssyndrom, zum anderen um die Art und Dauer der antibiotischen Therapie.

Tabelle 4-11.

Therapie der Lyme-Borreliose

Indikation Therapie Dauer (Tage)
Zeckenbiss beobachten
Erythema migrans oral 14–21

Akute Neuroborreliose
□ Meningitis parenteral 14–28
□ Fazialisparese oral 14–21
Chronische Neuroborreliose parenteral 14–28

Kardiale Beteiligung
□ AV-Block I und II oral 14–21
□ AV-Block III parenteral 14–21

Arthritis ohne neurologische Beteiligung oral 28
Arthritis-Rezidiv nach antibiotischer Therapie oral 28
parenteral 14–28
Persistierende Arthritis nach zweimaliger antibiotischer Therapie symptomatisch
Erwachsene Kinder
Orale Therapie 1. Wahl Amoxicillin 3 × 500 mg/Tag 50 mg/kg KG/Tag
Doxycyclina 2 × 100 mg/Tag (2-4 mg/kg KG/Tag)
Alternative Cefuroxim 2 × 500 mg/Tag 30 mg/kg KG/Tag
Parenterale Therapie 1. Wahl Ceftriaxon 1 × 2 g/Tag 75-100 mg/kg KG/Tag
Alternativen Cefotaxim 3 × 2 g/Tag 150-200 mg/kg KG/Tag
Penicillin G 6 × 3-4 ME/Tag 0,2-0,4 ME/kg KG/Tag
Erythema migrans: Azithromycin 1 × 500 mg/Tag
weitere orale Erythromycin 4 × 500 mg/Tag
Alternativen Clarithromycin 2 × 500 mg/Tag
a

Kontraindikationen beachten: Kinder < 8 Jahre, Schwangere und Stillende.

(Guidelines Infectious Disease Society of America, IDSA, 2001).

© 2005 IDSA

Die Vermarktung eines in den USA zugelassenen Impfstoffes (LYMErix) gegen Borrelia burgdorferi wurde 2002 wieder eingestellt (nach Angaben des Herstellers aus wirtschaflichen Gründen).

▪. Fleckfieber (engI. „Typhus”)

Durch Zecken übertragene Rickettsiosen sind auf der ganzen Welt einschließlich Australien verbreitet. In Europa, Asien und Afrika überlappen sich die Verbreitungsgebiete der einzelnen Arten teilweise. Rickettsia rickettsii, der Errger des „Rocky Mountain spotted fever”, kommt überall in den USA, in Kanada sowie in Mittelund Südamerika vor; der Name der Krankheit ist somit irreführend.

Das Krankheitsbild mit Eschar, Fieber und Exanthem ist typisch und erlaubt häufig eine klinische Diagnose.

▪. Q-Fieber

Coxiella burnetii kommt vor allem bei Schafen, Ziegen, Rindern und Wildwiederkäuern vor. In Naturherden spielen Zecken eine wichtige Rolle sowohl bei der Übertragung wie als Reservoir. Die Inhalation von infiziertem Zeckenkot ist ein klassischer Übertragungsweg. Infizierte Tiere können den Erreger mit allen Sekreten und den Exkrementen ausscheiden. Der von Zecken unabhängige Übertragungsweg in Form von Aerosolen (z. B. in Schlachthäusern oder Weidegebieten von Schafen) scheint den meisten Ausbrüchen zu Grunde zu liegen.

Das Krankheitsbild ist in der Frühphase uncharakteristisch, die Kombination von atypischer Pneumonie und Begleithepatitis sollte an Q-Fieber denken lassen.

In Australien ist für beruflich exponierte Personen ein Impfstoff verfügbar (Q-Vax).

▪. Zeckenlähmung

Toxine im Speichel von verschiedenen Schildzeckenarten können bei Menschen und Tieren zu Lähmungen führen. Diese treten ca. 5–7 Tage nach Beginn des Saugaktes auf. Dabei kommt es zu schmerzlosen motorischen Ausfällen mit Schwäche, Gang-, Sprach- und Schluckstörungen bis hin zur Atemlähmung. Betroffen sind vor allem Kinder. Nach Entfernung der Zecke bilden sich die Symptome in der Regel zurück.

Die Mehrzahl der Fallberichte stammt aus den USA und Australien, aber auch in Südafrika, Europa, Asien und Südamerika sind einzelne Fälle beschrieben.

▪. Erkrankungen durch Flaviviren (FSME/RSSE, OHF, KFD)

Der größte Bedeutung unter den von Zecken übertragenen viralen Krankheiten kommt der FSME (in Mitteleuropa) sowie der RSSE zu (Tab. 4-12 ). Allein in Russland wird die Zahl der jährlichen Erkrankungen auf bis zu 10 000 Fälle pro Jahr geschätzt. Im Gegensatz zur Lyme-Borreliose ist das FSME-Übertragungsrisiko sehr inhomogen. Für Mitteleuropa stehen detaillierte Karten der Risikogebiete zur Verfügung.

Tabelle 4-12.

FSME/RSSE-Erkrankungen

Land Anzahl
Baltikum 411
Dänemark 1
Deutschland 226
Finnland 38
Frankreich 2
Italien 6
Kroatien 30
Österreich 60
Polen 126
Russland 6000-10000
Schweiz 59
Slowakei 62
Slowenien 262
Süd-Schweden 105
Tschechien 647
Ungarn 226

(International Scientific Working Group on Tick Borne Enzephalitis, 2002).

© 2005 International Scientific Working Group on Tick Borne Enzephalitis

In Deutschland stehen zwei vergleichbare, gut wirksame Impfstoffe für Erwachsene und Kinder zur Verfügung. Diese bieten auch einen Schutz vor den Russischen Frühjahr-Sommer-Enzephalitis(RSSE)-Subtypen. In Österreich ist mit Einführung der Impfung die Zahl der gemeldeten Fälle deutlich zurückgegangen.

In der Region von Omsk (Westsibirien) trat zwischen 1940 und 1960 wiederholt ein durch Zecken übertragenes hämorrhagisches Fieber auf; betroffen waren vor allem Bisamrattenjäger und teilweise auch die Landbevölkerung. Von 1961 bis 1987 wurden keine weiteren Fälle registriert, von 1988 bis 1998 wurden jedoch wiederum 152 Erkrankungen mit 3 Todesfällen dokumentiert.

Das Kyasanur-Forest-Disease-Virus kommt ausschließlich in einem Waldgebiet in Südindien (südwestlich von Bangalore) vor. Seit den 50er Jahren treten in größeren Abständen immer wieder Ausbrüche eines hämorrhagischen Fiebers mit Enzephalitis bei Affen und Menschen auf, zuletzt 2003 mit ca. 250 Erkrankten und 10 Todesfällen. Die Übertragung erfolgt durch Schildzecken (Haemophysalis spinigera). Es steht ein Impfstoff zur Verfügung. In Saudi-Arabien wurde 1997 nach Erkrankungen bei Menschen ein Subtyp des KFD Virus – das Alkhurma-Virus – isoliert, bei dem eine Übertragung auch über unpasteurisierte Kamelmilch möglich ist.

Crimean-Congo Hemorrhagic Fever (CCHF)

Das CCHF-Virus gehört zur Familie der Bunyaviren, die Übertragung ist sowohl durch Zeckenbisse als auch durch direkten Kontakt mit Blut oder Körpersekreten von infizierten Tieren (z. B. Schlachttieren) oder Menschen (z. B. nosokomial) möglich. Das Verbreitungsgebiet umfasst Afrika, den Balkan, Russland, den Mittleren Osten und den Indischen Subkontinent.

Nach einer Inkubationszeit von 2–9 Tagen kommt es zuerst zu unspezifischen, oft schlagartig einsetzenden Symptomen mit Fieber, Kopfschmerzen, Myalgien, Arthralgien, abdominellen Schmerzen und Erbrechen sowie enzephalitischen Zeichen. Im weiteren Verlauf imponieren Gerinnungsstörungen (DIC) mit petechialem Hautausschlag, Ekchymosen, Epistaxis und anderen Blutungen. Letalität: 15–70%.

Colorado Tick Fever (CFT)

Das CFT-Virus ist ein Coltivirus, welches ausschließlich im Westen der USA und in Kanada in Höhen über 1300 m vorkommt. Jährlich werden einige hundert Fälle gemeldet. Nach einer Inkubationszeit von 4–5 Tagen kommt es zu einem grippeartigen Krankheitsbild mit biphasischem Verlauf, eventuell begleitet von einem Hautausschlag. Komplizierend kann eine Enzephalitis oder Hepatitis auftreten. Im Anschluss an die Erkrankung können längerdauernde Virämien (bis zu 120 Tagen) auftreten; eine Übertragung ist auch durch Bluttransfusionen möglich.

Das Erkrankungsrisiko durch zeckenübertragene Erreger ist bei einem einzelnen Zeckenbiss gering. Bei entsprechender Exposition kann das kumulative Risiko jedoch erheblich sein. Die Grundlagen der Prävention sind:

  • Kenntnisse über saisonale, geographische und verhaltensabhängige Risiken.

  • Die Vermeidung von Zeckenexposition und die rasche, sachgemäße Entfernung von Zecken.

  • Die Schutzimpfung sowie – in Einzelfällen – die antibiotische Postexpositionsprophylaxe.

Wichtige Adressen

Borreliose Bund Deutschland e.V.

Bundesgeschäftsstelle

Große Straße 205

21705 Hamburg

Tel.: 040/7905788.

Konsiliarlaboratorium für Borrelien

und Ehrlichien

Max-von-Pettenkofer-Institut für Hygiene und

Medizinische Mikrobiologie

Lehrstuhl Bakteriologie

LMU München

Pettenkoferstr. 9a

80336 München

PD Dr. B. Wilske

Tel.: 089/51605231, Fax: 089/51604757

Konsiliarlaboratorium für FSME

Bundesinstitut für gesundheitlichen

Verbraucherschutz und Veterinärmedizin

Diedersdorfer Weg 1

12277 Berlin

PD Dr. J. Süss

Tel.: 01888/4122261(2204)

Fax: 01888/4122952

E-Mail: j.suess@bgvv.de

Informationen im Internet

  1. CDC Lyme-Disease Homepage: www.cdc.gov/ncidod/dvbid/lyme/
  2. European Union Concerted Action on Lyme Borreliosis (Eucalb): www.vie.dis.strath.ac.uk/vie/LymeEU/ [PubMed]
  3. ISW – International Scientific Working group on TBE: www.tbe-info.com/introduction/index.html

4.6. Hepatitis A bis E

HARRO JENSS, GOTTFRIED KUSCH

Hepatitis-A- und Hepatitis-E-Infektionen verursachen meist eine passagere akute ikterische Leberentzündung; chronische Verläufe sind nicht bekannt. Die Hepatitis-B-Infektion, die Simultaninfektion mit dem Hepatitis-D-Virus und die Hepatitis-C-Infektion sind dagegen mit dem Risiko einer Chronifizierung mit potentieller Progression in eine Leberzirrhose und der Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms (HCC) belastet.

Virushepatitiden gehören weltweit zu den häufigsten menschlichen Infektionskrankheiten. In Deutschland entfallen 75% der gemeldeten viralen Hepatitiden auf die Typen A und B, wobei die Hepatitis A – nach Durchfall- und Atemwegserkrankungen – die von Reisenden am häufigsten im Ausland erworbene infektiöse Erkrankung darstellt. Durch die aktive Immunisierung ist die Inzidenz jedoch deutlich rückläufig.

Die verschiedenen Typen von Hepatitisviren sind heute in ihren biologischen und molekularen Eigenschaften außerordentlich gut untersucht und charakterisiert. Mit einer Vielzahl von Markern (Virusantigene und gegen sie gerichtete Antikörper) gelingt es, in Zusammenschau mit Anamnese, Symptomen, klinischen und laborchemischen Befunden, akute und chronische Verläufe zu differenzieren.

▪. Hepatitis A: häufigste auf Reisen erworbene Virushepatitis

Die Hepatitis A ist eine akute Leberentzündung, verursacht durch das Hepatitis-A-Virus (HAV), ein einsträngiges RNA-Virus (Picornavirus).

Die Hepatitis A ist eine in der Regel gutartige, selbstlimitierende Erkrankung, die meist innerhalb von zwei Monaten nach Krankheitsbeginn vollständig ausheilt. Insbesondere bei älteren Menschen werden jedoch auch fulminante letale Verläufe beobachtet. Die Übertragung erfolgt hauptsächlich auf fäkal-oralem Weg durch kontaminierte Nahrungsmittel bzw. kontaminiertes Wasser oder durch direkten Kontakt mit infizierten Personen. Dagegen ist der parenterale Übertragungsweg unbedeutend. Die Inkubationszeit beträgt 2–6 Wochen. Der Erkrankung geht eine kurze virämische Phase voraus; die Ausscheidung von HAV über den Stuhl erfolgt in der späten Inkubationsphase, erreicht den Gipfel mit Beginn der Krankheitssymptome und fällt rasch innerhalb der ersten beiden Krankheitswochen ab.

Vorkommen der Hepatitis A

Der Durchseuchungsgrad der Bevölkerung in Endemiegebieten korreliert mit dem Alter, dem sozioökonomischen Status sowie mit den hygienischen Verhältnissen. Während bei etwa der Hälfte der Personen im Alter von über 50 Jahren in Industrieländern protektive HAV-Antikörper gefunden werden, sind diese nur mit einer Häufigkeit von 3–10% bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen nachweisbar. Die vergleichsweise seltene Immunität gegen Hepatitis-A-Viren in industrialisierten Ländern lässt das Risiko wachsen, bei entsprechender Exposition an einer Hepatitis A zu erkranken. Dabei ist besonders bei Erwachsenen mit symptomatischen Krankheitsverläufen zu rechnen. Dieser Umstand stellt ein starkes Argument für die Impfprophylaxe vor Auslandsreisen dar.

In Europa ist die Hepatitis A eine typische Reisekrankheit; Hepatitis-A-Ausbrüche in Familien, Kindergärten, Schulen, Heimen kommen jedoch ebenfalls vor. In Entwicklungsländern ist sie primär eine Erkrankung junger Kinder, die Prävalenz erreicht dort bei den 5- bis 10-Jährigen, gemessen am Nachweis von Anti-HAV-IgG, fast 100%.

Ein hohes Hepatitis-A-Infektionsrisiko besteht in weiten Teilen Afrikas, im Nahen und Mittleren Osten, in Südost- und Ostasien sowie in Zentral- und Südamerika (Abb. 4-13 ).

Das Risiko, an Hepatitis A zu erkranken, liegt bei einem vierwöchigen Aufenthalt in Ländern mit hohem Infektionsrisiko je nach Reisestandard zwischen 3 und 20 Erkrankungen pro 1000 Reisende.

Klinik: keine chronischen Verläufe

Klinisch ist die Erkrankung zunächst durch Prodromi wie bei einem banalen viralen Infekt charakterisiert. Es können auftreten:

  • Abgeschlagenheit, Müdigkeit und körperliche Schwäche,

  • Unwohlsein, Übelkeit und Appetitlosigkeit,

  • gelegentlich Juckreiz,

  • Arthralgien,

  • passagere Diarrhö,

  • vorübergehendes Fieber.

Erst danach kommt es zu einem Sklerenund Hautikterus, nach dessen Auftreten sich die o.g. Beschwerden rasch zurückbilden. Im Gegensatz dazu verläuft die HAV-Infektion bei Kindern gewöhnlich inapparent oder symptomarm. Nur selten beobachtet werden eine verzögerte Rekonvaleszenz über Wochen bis Monate und protrahierte oder rezidivierende cholestatische Verläufe mit lange anhaltendem Ikterus und Bilirubinwerten über 20 mg/dl, eine Thrombopenie, Leukopenie, hämolytische Anämie oder eine fulminante Hepatitis (Inzidenz unter 0,5%). Schwere Verläufe kommen eher in der Altersgruppe der über 40-Jährigen vor. Extrahepatische Komplikationen wie Arthritis, Vaskulitis oder Kryoglobulinämie sind extrem selten. Eine persistierende Infektion oder ein Übergang der HAV-Infektion in eine chronische Hepatitis sind nicht bekannt.

HAV-Superinfektion bei chronischer Hepatitis B oder C

Patienten mit chronischer Hepatitis B oder C können bei einer zusätzlichen akuten HAV-Infektion einen komplizierten Krankheitsverlauf entwickeln; insbesondere Personen mit chronischer Hepatitis C scheinen bei einer HAV-Superinfektion durch eine fulminante Hepatitis mit erhöhter Letalität gefährdet zu sein.

Diagnostik: Die Serologie ist wegweisend

Die sorgfältige (Reise-)Anamnese ergibt bei klinischen und laborchemischen Zeichen einer akuten Hepatitis einen ersten differenzialdiagnostischen Hinweis auf eine eventuell vorliegende HAV-Infektion. Die Diagnose der HAV-Infektion wird durch den serologischen Nachweis von Antikörpern gegen HAV (Anti-HAV) gestellt. Der Nachweis von Anti-HAV-IgM beweist eine akute oder kürzlich abgelaufene Infektion. Weitere diagnostische Maßnahmen (Virusnachweis im Stuhl oder Serum mittels PCR oder gar Leberpunktion) sind nicht angezeigt. In der Ausheilungsphase fällt Anti-HAV-IgM ab, während Anti-HAV-IgG ansteigt.

Therapie: keine spezifischen Maßnahmen

Der Wert einer Diät ist nicht bewiesen, so dass sich die Ernährung – bei Alkoholkarenz! – nach der Verträglichkeit für den Patienten richtet. Ebenso orientiert sich das Maß an körperlicher Schonung an dem jeweiligen Befinden des Patienten. Bei Erbrechen und Diarrhö kann die parenterale Substitution von Flüssigkeit, Elektrolyten und Kalorien kurzzeitig notwendig werden. Intensivmedizinische Maßnahmen wegen Blutungen im Rahmen von Gerinnungsstörungen, wegen Hämolyse, Hypoglykämie oder Koma sind nur sehr selten notwendig. Bei fulminantem Verlauf muss eine Lebertransplantation erwogen werden.

Prophylaxe: Einen wirksamen Schutz bietet die aktive Immunisierung

Die konsequente Beachtung hygienischer Maßnahmen ist in der Prävention unterschiedlicher fäkal-oral übertragener Infektionskrankheiten wie der Hepatitis A von Bedeutung (s. Kap. III.5). Jugendlichen und Erwachsenen, die in Länder mit mittlerem bzw. hohem HAV-Infektionsrisiko (Abb. 4-13) reisen und nicht über protektive Antikörper verfügen, ist eine Immunisierung anzuraten (s. Kap. II.8.1.7). Hierzu steht die aktive Hepatitis-A-Schutzimpfung, gegebenenfalls auch durch den kombinierten Hepatitis-A- und -B-Impfstoff, zur Verfügung. Um nicht Personen zu impfen, die während früherer Lebensphasen (z. B. durch eine subklinische HAV-Infektion) bereits eine Immunität erworben haben, ist die Bestimmung von Anti-HAV insbesondere bei Reisenden im Seniorenalter sinnvoll. Ganz besonders wichtig ist die Impfung für Patienten mit chronischen Lebererkrankungen und chronischen Krankheiten mit Leberbeteiligung, wie zum Beispiel bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, Autoimmunerkrankungen, Mukoviszidose, Glykogenspeicherkrankheiten und Stoffwechselkrankheiten, außerdem für Dialysepatienten, Homosexuelle und Patienten mit Suchtmittelabusus.

Abbildung 4-13.

Abbildung 4-13

Endemiezonen der Hepatitis A.

Impfprophylaxe für Kontaktpersonen von Hepatitis-A-Erkrankten

Bei infektionsgefährdeten Personen wird eine aktive Hepatitis-A-Impfung (sog. Riegelungsimpfung) mit einem 2-Dosen-Schema empfohlen. Bei individuell besonders gefährdeten Personen kann durch die zusätzliche Gabe von Immunglobulinen (mit hohem Gehalt an HAV-Antikörpern) eine Hepatitis A in einem hohen Prozentsatz verhütet oder in ihrem Verlauf abgeschwächt werden, wenn der Viruskontakt bis zu zehn Tage zurückliegt.

Zusammenfassung: Die fäkal-oral übertragene Hepatitis A stellt eine der häufigsten Reiseinfektionen dar. Die Therapie der Hepatitis A, bei der lebensbedrohliche Krankheitsbilder sehr selten und chronische Verlaufsformen nie auftreten, ist rein symptomatisch. Die hochwirksame aktive Immunisierung ist bei Reisen in Gebiete mit entsprechendem Infektionsrisiko allen Jugendlichen und Erwachsenen anzuraten, die nicht aufgrund einer durchgemachten Erkrankung bereits über HAV-Antikörper verfügen.

▪. Hepatitis E: ähnliche Übertragungswege wie bei der Hepatitis A

Bei der Hepatitis E handelt es sich um eine Erkrankung, die durch ein RNA-Virus der Familie der Caliciviren hervorgerufen wird.

Das Hepatitis-E-Virus (HEV) wurde als Erreger von epidemischen Hepatitiden in Entwicklungsländern, vor allem in Indien, Südostasien, Afrika und Südamerika, beobachtet. Die Übertragung geschieht fäkaloral.

Im Gegensatz zur HAV-Infektion ist das Risiko einer Infektion nach Exposition eher gering. Die Inkubationszeit beträgt 4–6 Wochen. In Nichtendemiegebieten ist die HEV-Infektion extrem selten. Bisher sind nur wenige Erkrankungen bei zurückkehrenden Reisenden aus Endemiegebieten festgestellt worden.

Die HEV-Infektion verläuft in der Regel leicht und geht mit einer kompletten Ausheilung einher. Bei Schwangeren sind dagegen in 10–20% der Erkrankungen fulminante Verläufe sowie häufig Fehl- und Frühgeburten beobachtet worden, wobei der Mechanismus der offensichtlich erhöhten Virulenz im dritten Trimenon der Gravidität nicht geklärt ist. Ultima ratio ist die Lebertransplantation.

Die Diagnose der akuten Infektion wird durch den serologischen Nachweis von Anti-HEV-IgM gestellt. Die Behandlung beschränkt sich auf symptomatische Maßnahmen.

Eine Immunprophylaxe ist augenblicklich noch nicht möglich; gentechnisch hergestellte Impfstoffe werden derzeit erprobt.

Zusammenfassung: Kehren Reisende aus Endemiegebieten zurück und entwickeln eine akute Hepatitis, ist bei negativem Anti-HAV-IgM differenzialdiagnostisch an eine Hepatitis E zu denken. Dies gilt besonders für Migranten, die Angehörige und Freunde in ihrem Herkunftsland besucht haben.

Mit Ausnahme fulminanter Verlaufsformen bei Schwangeren kommt es selten zu schweren Erkrankungen. Es kommen nur symptomatische Therapiemaßnahmen in Frage. Die Prävention der fäkal-oral übertragenen HEV-Infektion beschränkt sich auf die Einhaltung hygienischer Vorsichtsmaßnahmen.

▪. Hepatitis B: Das Infektionsrisiko für Reisende ist schwer abzuschätzen

Die Hepatitis B wird durch das zur Familie der Hepadnaviren gehörende Hepatitis-B-Virus, ein doppelsträngiges DNA-Virus, hervorgerufen.

Die Oberfläche des Hepatitis-B-Virus (HBV) besteht weitgehend aus dem Hepatitis-B-Surface-Antigen (HBsAg), von dem unterschiedliche Subdeterminanten bekannt sind. Das Hepatitis-B-Core-Antigen (HBcAg) wird an der Oberfläche des Nukleokapsids von HBV exprimiert. Hepatitis-B-e-Antigen (HBeAg) ist ein Protein, das im Serum nachweisbar ist und auf eine hohe Infektiosität hinweist.

Hepatitis-B-Viren infizieren nicht nur Hepatozyten, sondern auch Zellen des blutbildenden Systems, der Milz, der Lymphknoten und anderer Organe. HBV und HBV-Proteine scheinen für die Hepatozyten nicht direkt zytopathisch zu sein. Vielmehr ist der „entzündliche Prozess” Ausdruck von gegen das Virus gerichteten Reaktionen zytotoxischer T-Zellen. Diese sind einerseits gegen HBV-infizierte Hepatozyten gerichtet und hemmen andererseits die Genexpression von HBV.

Übertragung und Infektionsrisiken

Die Übertragung erfolgt weitestgehend parenteral, sexuell oder vertikal. Als hochinfektiös müssen Blut oder Blutprodukte angesehen werden, die Hepatitis-B-Viren enthalten; das Virus ist jedoch auch in Körpersekreten wie Speichel und Sperma sowie in der Muttermilch nachweisbar. Eine Übertragung durch Insekten wurde bisher nicht nachgewiesen. Die Inkubationszeit ist sehr variabel und beträgt zwischen 1 und 6 Monaten.

Von den geschätzten weltweit über 350 Millionen HBsAg-Trägern leben 75% in Südostasien und der Westpazifik-Region. In diesen Gebieten erfolgt die Übertragung von HBV im frühen Lebensalter, sowohl durch die Mutter-Kind-Transmission perinatal/vertikal als auch horizontal unter Kindern und Jugendlichen.

Neben der Bedeutung einer Übertragung durch hetero- oder homosexuelle Kontakte ist in Gebieten mit geringer Endemierate i.v.-Drogenabusus ein wesentlicher Risikofaktor für eine HBV-Infektion. Bei bis zu 25% der Patienten bleibt der Infektionsweg jedoch unbekannt.

Diagnostik

Liegen klinische und laborchemische Hinweise für eine akute oder chronische Hepatitis vor, beweist ein positives HBsAg, gegebenenfalls zusammen mit einem positiven Anti-HBc-IgM, die HBV-Infektion.

Anti-HBc-IgM-Antikörper dienen auch zum Nachweis einer akuten oder kürzlich abgelaufenen Hepatitis B, wenn das HBsAg negativ ist. Ein positives HBeAg deutet auf eine hohe Virusreplikation und hohe Infektiosität hin. Bei einer akuten HBsAg-negativen Hepatitis B (etwa 5% aller akuten HBV-Infektionen) können selbst geringste Mengen von HBV-DNA durch die PCR-Technologie nachgewiesen werden.

Parallel zur Rückbildung der klinischen Zeichen und zum Abfall der Transaminasen werden Anti-HBc-Antikörper, Anti-HBe-Antikörper und Anti-HBs-Antikörper nachweisbar; HBeAg und HBsAg sind dann nicht mehr dokumentierbar. Diese serologische Konstellation bei Normalisierung der Transaminasen spricht für eine abgelaufene, ausgeheilte Hepatitis B mit Entwicklung einer Immunität gegen weitere HBV-Infektionen.

Die Diagnose einer chronischen Hepatitis B wird gestellt, wenn über mindestens sechs Monate serologische Marker einer fortbestehenden Virusreplikation nachzuweisen sind. Die chronische Infektion wird durch ein persistierendes HBsAg, Anti-HBc und HBeAg und gegebenenfalls den Nachweis von HBV-DNA angezeigt. Transaminasen und Viruslast können erheblichen Schwankungen unterliegen. Während dieses Zeitraums sind in der Leber histologisch Nekrosen und Entzündungszeichen mit oder ohne Fibrose dokumentierbar. Ein positives Anti-HBc-IgM in niedriger Konzentration kann auch auf eine Exazerbation einer chronischen Hepatitis B zurückzuführen sein. In diesem Fall ist auch eine Untersuchung auf eine HDV-Infektion (Bestimmung von Anti-HDV) und eine Quantifizierung von HBV-DNA angezeigt.

Der zeitliche Ablauf des Auftretens und Verschwindens serologischer Marker geht aus der Abbildung 4-14 hervor.

Abbildung 4-14.

Abbildung 4-14

Auftreten serologischer Marker bei akuter Hepatitis-B-Infektion mit Ausheilung.

Neben einem Enzymprofil gehören auch diverse Tests zur Bestimmung der Leber-Syntheseleistung (Albumin, CHE, GLDH, Quick), ein Blutbild und eine Oberbauchsonographie zur allgemeinen Diagnostik einer Hepatitis. Eine Leberbiopsie unterstützt die Diagnose und Verlaufsbeurteilung einer chronischen Hepatitis B durch Aussagen zur entzündlichen Aktivität (Grading) und zum Fibroseausmaß (Staging), bei fehlenden, unklaren oder negativen biochemischen und serologischen Parametern auch zur Chronizität und Ätiologie. In bestimmten Fällen (s. Therapie und Verlauf) unterstützt sie die Indikationsstellung zur Therapie.

Therapie und Verlauf

Bei Neugeborenen und Kindern verläuft die Hepatitis-B-Infektion meistens asymptomatisch. Dagegen entwickeln Erwachsene eine akute Hepatitis mit deutlichem Anstieg der Transaminasen sowie des Bilirubins. Die Verläufe sind sehr variabel, wobei die Krankheitszeichen von denen der Hepatitis A nicht zu unterscheiden sind. In der Regel bilden sich die Symptome und Befunde innerhalb von vier bis acht Wochen zurück. Ernährung und körperliche Belastung richten sich jeweils nach dem Befinden des Patienten. Alkohol und lebertoxische Medikamente müssen vermieden werden. Mehr als 95% der Patienten mit einer akuten Hepatitis B können mit einer Spontan-Heilung rechnen.

Bei weniger als 1% der Patienten mit akuter Hepatitis B besteht das Risiko eines fulminanten Krankheitsverlaufes. Bei diesen Personen entwickelt sich innerhalb von acht Wochen nach Krankheitsbeginn ein Leberversagen mit Enzephalopathie, rascher Abnahme der Lebersyntheseleistung und histologisch nachweisbarer massiver Nekrose. Die Lebertransplantation hat die Prognose für diese Patientengruppe erheblich verbessert.

Im Jugend- oder Erwachsenenalter heilt die HBV-Infektion in der Regel ohne Folgen aus. Bei bis zu 10% der Patienten kann die Erkrankung jedoch in einen chronischen Verlauf übergehen, bei perinatal erworbenen Infektionen muss sogar bei bis zu 90% der Fälle mit einer Chronifizierung gerechnet werden.

Klinisch stehen unspezifische Symptome wie vermehrte Müdigkeit, Abgeschlagenheit, verminderte Leistungsfähigkeit und uncharakteristische Oberbauchbeschwerden im Vordergrund. Laborchemisch werden gering bis mäßig erhöhte Transaminasen in wechselnder Höhe festgestellt. Patienten mit einer aktiven chronischen Infektion besitzen ein erhebliches Risiko, eine postnekrotische Leberzirrhose und ein primäres Leberzellkarzinom zu entwickeln. Bei der chronischen Hepatitis werden HBe-Antigen-positive und HBe-Antigen-negative Verläufe unterschieden. Bei letzterer (HBe-Minus-Mutante) werden häufiger schwerere Entzündungen und eine Zirrhoseentwicklung beobachtet.

Die Indikation für eine medikamentöse Therapie ist in der immunaktiven Phase (deutlich erhöhte Transaminasen und über 105 Kopien/ml der HBV-DNA) einer chronischen Hepatitis B gegeben, außerdem bei deutlicher oder fortschreitender Fibrose und bei Zirrhose. Bei HBeAg-positiven Patienten und mindestens 5-fach erhöhten Transaminasen wird Interferon-α zur primären Therapie empfohlen, bei 2-bis 5-fach erhöhten Transaminasen können Interferon-α oder Nukleosidanaloga (Lamivudin, Adefovir) zur primären Therapie eingesetzt werden, bei Patienten mit normalen oder nur leicht erhöhten Transaminasen sollte eine Leberbiopsie die Therapieentscheidung unterstützen. Auch bei der immunaktiven HBeAg-negativen chronischen Hepatitis B wird eine Leberbiopsie empfohlen. Die Therapie kann mit Inter-feron-α oder den genannten Nukleosidanaloga erfolgen.

Günstige Parameter für einen Therapie-Erfolg sind:

  • Transaminasenerhöhung > 200 U/l,

  • histologisch hohe entzündliche Aktivität,

  • niedrige HBV-DNA,

  • Infektion im Erwachsenenalter,

  • akute ikterische Hepatitis in der Vorgeschichte,

  • keine Herkunft aus Ländern mit hoher HBV-Endemizität.

Ist durch eine Interferon-Behandlung keine Serokonversion zu erreichen oder liegen Kontraindikationen gegen eine Therapie mit Interferon-α vor (u. a. Schwangerschaft und Stillzeit, Leberzirrhose Child B und C), ist für diese Patientengruppe eine Therapie mit Lamivudin oder Adefovir zu erwägen. Eine Lebertransplantation kommt für Patienten mit fortgeschrittener HBV-assoziierter Leberzirrhose in Frage, wenn eine Rekompensation durch eine medikamentöse Therapie nicht gelingt. Bei einer fulminanten Hepatitis B wird die sofortige Gabe von Lamivudin und Kontaktaufnahme mit einem Transplantationszentrum empfohlen.

Extrahepatische Manifestationen können im Verlauf einer akuten, insbesondere aber einer chronischen Hepatitis B auftreten. Sie sind durch immunkomplex-vermittelte Reaktionen bedingt und imponieren wie eine Serumkrankheit. Haut, Gelenke, Blutgefäße und Nieren können betroffen sein. Extrahepatische Manifestationen treten bei weniger als 10% der Erkrankungen auf.

Immunprophylaxe: Die WHO empfiehlt eine Hepatitis-B-Impfung für alle Reisenden in tropische und subtropische Länder.

Für die aktive Immunisierung stehen stark immunogene und hochwirksame Hepatitis-B-Impfstoffe zur Verfügung. In Deutschland hat die Ständige Impfkommission (STIKO) die Hepatitis-B-Impfung für Kinder und Jugendliche in den Kalender der empfohlenen Impfungen aufgenommen (s. Kap. II.5.5). Geimpft werden sollten insbesondere Hepatitis-B-gefährdetes Personal im Gesundheitsdienst, Dialysepatienten, Hämophile, Personen mit chronischen Lebererkrankungen, HIV-Positive ohne HBV-Marker, Sextouristen und Drogenabhängige. Auf Einzelheiten zur aktiven Immunisierung gegen Hepatitis B wird in Kapitel II.8.1.8 eingegangen.

Postexpositionelle Prophylaxe

Eine passive Immunisierung mit spezifischen Hepatitis-B-Immunglobulinen ist indiziert bei Personen ohne Immunschutz nach Exposition mit entsprechenden Materialien, insbesondere nach Nadelstichverletzungen. Sie ist ebenfalls notwendig bei Neugeborenen von HBsAgpositiven Müttern. Die postexpositionelle Prophylaxe sollte möglichst früh, innerhalb der ersten Stunden (bei Neugeborenen innerhalb von 12 Stunden, sonst nicht später als 48 Stunden) nach der Exposition stattfinden. In der Regel wird die passive Immunisierung mit einer aktiven Impfung kombiniert.

Zusammenfassung: Im Vergleich zur Hepatitis A besteht für Reisende im Zusammenhang mit der Hepatitis B ein geringeres, insgesamt jedoch schwer einschätzbares Infektionsrisiko. Während etwa die Hälfte aller HBV-Infektionen anikterisch bzw. inapparent verläuft, haben fulminante sowie chronische Verlaufsformen eine hohe Morbidität und Letalität. Bei gesicherter Chronifizierung ist unter Berücksichtigung von Klinik, biochemischen, serologischen und ggf. auch histologischen Parametern die Therapie mit α-Interferon oder Nucleosidanaloga wie Lamivudin oder Adefovir angezeigt. Eine Lebertransplantation kann bei fulminanter Hepatitis oder dekompensierter Leberzirrhose notwendig werden. Als wirksamer Schutz steht eine aktive Immunisierung zur Verfügung.

▪. Hepatitis D: nur in Verbindung mit einer Hepatitis B

Die Hepatitis D wird mit einer akuten HBV-Infektion als Simultan- oder bei chronischer HBV-Infektion als Superinfektion mit dem inkompletten RNA-haltigen Hepatitis-D-Virus (HDV) erworben.

Da das Hepatitis-D-Virus zur Infektion und Replikation der Anwesenheit des He-patitis-B-Virus bedarf, kann eine Simultaninfektion mit HDV durch eine Hepatitis-B-Impfung verhindert werden. Wegen der – im Vergleich zur HBV-Prävalenz – auch in Hochendemiezonen deutlich niedrigeren Hepatitis-D-Prävalenz ist das Infektionsrisiko für Reisende insgesamt sehr gering. Die Diagnose einer aktuellen oder stattgehabten Infektion erfolgt über die Bestimmung von Antikörpern (Anti-HDV), eine chronische HDV-Infektion ist durch die Persistenz von HDV-RNA über mindestens 6 Monate definiert.

Die Hepatitis D wird ähnlich wie die Hepatitis B parenteral über Blut(produkte) oder sexuelle Kontakte übertragen. In vielen tropischen und subtropischen Regionen korreliert das Vorkommen von HDV mit der HBV-Prävalenz. Es wird geschätzt, dass weltweit 5% der HBsAg-Träger mit dem HDV koinfiziert sind. HDV-Infektionen führen gehäuft zu fulminanten und chronischen Verlaufsformen. Die Therapie mit Interferon-α führt nur in weniger als 10% zur dauerhaften Elimination des HDV. Eine Lebertransplantation kann auch als primäre Therapieoption bei Patienten mit einer fortgeschrittenen Leberzirrhose erwogen werden.

▪. Hepatitis C: häufig ein Zufallsbefund

Die Hepatitis C wird durch das Hepatitis-C-Virus (HCV), ein einsträngiges RNA-Virus mit enger Verwandtschaft zu den Flaviviren, hervorgerufen.

Verschiedene HCV-Genotypen zeigen eine unterschiedliche geographische Verteilung und können mit spezifischen klinischen Verläufen und einem unterschiedlichen Ansprechen auf die Therapie assoziiert sein.

Vorkommen und Übertragungswege

Die Hepatitis C ist eine relativ häufige Erkrankung. Die Prävalenz in Mitteleuropa beträgt 0,5–1,0%, in einigen Entwicklungsländern werden bei 15–20% der Bevölkerung Antikörper gegen HCV nachgewiesen.

HCV wird vorwiegend parenteral durch Blut oder Blutprodukte, bei der Dialyse und durch i.v-Drogenabusus übertragen. Das verbesserte Screening von Blut und Blutprodukten hat in Deutschland zu einer signifikanten Reduktion der transfusionsassoziierten HCV-Infektion geführt, der i.v-Drogenabusus als Risikofaktor für eine HCV-Infektion hat dagegen an Bedeutung erheblich zugenommen. Die Infektionsgefährdung bei medizinischem Personal nach Nadelstichverletzungen ist eher gering (1–2%). Infektionen durch Tätowierung, Piercing, Akupunktur und medizinische Eingriffe sind selten. Auch andere Übertragungswege (sexuell, vertikal) sind möglich. So beträgt das Risiko einer HCV-Infektion für Neugeborene HCV-positiver Mütter bis zu 5,6%, bei gleichzeitig vorliegender HIV-Infektion kann es auf 17% ansteigen.

Diagnostik

Die Bestimmung von HCV-Antikörpern (Anti-HCV-IgG) mittels Immunoassays gibt Hinweise auf eine akute, abgelaufene oder chronische HCV-Infektion. Bei Va. eine akute HCV-Hepatitis und negativem Anti-HCV-IgG sollte die HCV-RNA bestimmt werden. Der direkte Nachweis von HCV-RNA im Serum, der bereits kurz nach der Infektion und etwa vier Wochen vor nachweisbaren Anti-HCV-IgG möglich ist, erlaubt eine frühe Aussage über die Infektiosität und den Verlauf mit oder ohne Therapie. Die virologische Diagnostik sollte auch die Bestimmung des HCV-Geno-typs und die Suche nach eventuellen Koinfektionen (HBV, HIV) umfassen. Die Leberbiopsie erlaubt eine Aussage über die entzündliche Aktivität und das Vorliegen einer Fibrose oder Zirrhose. Sie dient auch zur Beurteilung der Chronizität und einer möglichen Komorbidität sowie zum Nachweis von (Prä-)Neoplasien im Spätstadium einer chronischen Hepatitis C. Die Wertigkeit einer Leberbiopsie ist besonders dann umstritten, wenn sie wie bei den HCV-2-und HCV-3-Infektionen wegen der zu erwartenden sehr guten Behandlungserfolge nicht zur Therapie-Indikationsstellung beiträgt.

Verlaufsformen

Die akute Hepatitis C verläuft nach einer durchschnittlichen Inkubationszeit von ungefähr 50 Tagen (2 Wochen bis 6 Monate) meistens symptomarm oder gar symptomlos. Während bei einem Viertel der Patienten ein Ikterus auftreten kann, wird in den meisten Fällen die akute Infektion nicht bemerkt.

Fehlt der Verdacht einer Exposition, wird die akute anikterische Hepatitis C nur selten diagnostiziert.

Etwa 50% der Patienten mit symptomatischer akuter Hepatitis C weisen noch mehr als sechs Monate später erhöhte Transaminasen auf. Bei diesen Personen lässt sich neben positiven Anti-HCV-IgG eine persistierende RNA in der PCR nachweisen; histologisch sind dann Zeichen einer chronischen Hepatitis dokumentierbar. Patienten mit asymptomatischer akuter Hepatitis C entwickeln sogar in über 85% eine chronische Hepatitis C.

Die chronische Hepatitis C ist eine sehr langsam progrediente, schleichende Erkrankung, die – abgesehen von unspezifischen Beschwerden – in der Regel ohne auffällige Symptome verläuft. Die Transaminasen zeigen starke Schwankungen zwischen nahezu normalen Werten und dem 3- bis 5-fachen der Norm. Etwa 20% der Patienten mit chronischer Hepatitis C entwickeln eine Leberzirrhose. Diese Patienten haben ein deutlich erhöhtes Risiko, an einem hepatozellulären Karzinom (HCC) zu erkranken (1–6% pro Jahr). Ungünstige Prognoseparameter im Hinblick auf die Entwicklung einer Zirrhose sind: höheres Alter bei Infektion, männliches Geschlecht, Alkoholkonsum, Koinfektion mit HIV und/oder HBV, Transaminasen mehr als 3- bis 5-fach über Norm, stärkere nekroinflammatorische Entzündungsaktivität und höherer Fibrosegrad in der Histologie sowie eine Steatosis hepatis.

Eine Chronizität besteht bei mehrfach dokumentierten erhöhten Transaminasen über mindestens sechs Monate und HCV-RNA-Nachweis. Es besteht ein hohes Risiko für die Entwicklung einer Leberzirrhose und eines HCC.

Patienten mit chronischer Hepatitis C können eine Reihe extrahepatischer Manifestationen entwickeln:

  • Arthralgien,

  • Vaskulitis, Lichen ruber planus und Hautveränderungen bei Porphyria cutanea tarda,

  • gemischte Kryoglobulinämie,

  • membranoproliferative Glomerulonephritis,

  • Immunthyreoiditis.

Prävention: derzeit weder passive noch aktive Immunisierung möglich

Wesentliche Schutzmaßnahmen sind die Vermeidung von Kontakt mit dem Blut HCV-infizierter Personen sowie geschützter Sexualverkehr.

Therapie

Bei gesicherter akuter Hepatitis C wird gegenwärtig eine Behandlung mit Interferon-α als Soforttherapie oder „verzögert” (fehlende Spontanausheilung nach 3 Monaten) empfohlen. Insbesondere bei Patienten mit einer ikterisch verlaufenden akuten Hepatitis C kommt es in einem hohen Prozentsatz zu einer spontanen Viruselimination, so dass bei persistierender Virämie ein abwartendes Verhalten bis zu 4 Monaten nach Symptombeginn gut vertretbar ist. Asymptomatische Patienten mit akuter Hepatitis C dagegen scheinen eher von einer möglichst frühzeitigen antiviralen Therapie zu profitieren. Ziel der Therapie einer akuten Hepatitis C ist die Verhinderung der Chronifizierung, was in bis zu 98% auch gelingt.

Bei bewiesener Chronizität der HCV-Infektion, biochemischer und/oder histologischer Entzündungsaktivität und unter Berücksichtigung des Risikos, eine Leberzirrhose zu entwickeln oder die Infektion auf Dritte zu übertragen, besteht eine Indikation für die Behandlung mit pegyliertem Interferon-α kombiniert mit Ribavirin. Auf eine Kontrazeption bis zu 6 Monaten nach Therapieende ist wegen des embryotoxischen und teratogenen Risikos von Ribavirin zu achten. Bei bestehenden Kontraindikationen für Ribavirin sollte eine Monotherapie mit pegyliertem Interferon-α durchgeführt werden. Eine hohe Viruslast, HCV-Genotyp 1/4 und eine höhergradige Fibrose sind ungünstige Parameter für den Erfolg einer antiviralen Therapie, bei der in 40 bis zu über 95% der Patienten eine langfristige Elimination der HCV-RNA erreicht wird. Eine Lebertransplantation muss bei Patienten mit fortgeschrittener HCV-assoziierter Leberzirrhose diskutiert werden.

Selbstverständlich müssen auch in allen Fällen einer Hepatitis C Alkohol und lebertoxische Medikamente vermieden werden. Alkohol- und Drogenabusus sind Kontraindikationen für eine antivirale Therapie, ebenso wie eine Thrombo- und Leukopenie sowie eine dekompensierte Leberzirrhose.

Zusammenfassung: Während Reisen ist das Infektionsrisiko für die parenteral übertragbare Hepatitis C im Vergleich zur HBV-Infektion deutlich geringer. Die Mehrzahl der akuten HCV-Infektionen verläuft inapparent oder symptomarm. Eine Leberzirrhose und ein hepatozelluläres Karzinom sind gefürchtete Folgen einer Chronifizierung. Ziel einer Soforttherapie oder „verzögerten” Therapie ist die Verhinderung dieser Chronifizierung. Bei gesicherter chronischer Verlaufsform besteht die Standardtherapie in der Gabe von pegyliertem Interferon in Kombination mit Ribavirin. Die Verhinderung von HCV-Erkrankungen beschränkt sich auf bestimmte Vorsichtsmaßnahmen entsprechend den häufigsten Übertragungswegen. Ein spezifischer Impfstoff steht zurzeit noch nicht zur Verfügung. Eine ausgeheilte Hepatitis C vermittelt keine Immunität.

▪. Koinfektionen bei Hepatitis

Die akute und chronische Hepatitis D nehmen häufiger einen schwereren Verlauf als die Hepatitis-Monoinfektion (s. Hepatitis D). Das Gleiche gilt für die chronische HBV-/HCV- und die chronische HBV-/HCV-/HDV-Koinfektion im Vergleich zur HBV- oder HCV-Monoinfektion bzw. HBV-/HCV-Koinfektion. Bei der HIV-/HBV-Koinfektion werden außer einer rascheren Progression der Lebererkrankung schwerere leberassoziierte Nebenwirkungen der hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART) beobachtet.

Kasuistik. Eine 28-jährige Ärztin erkrankt aus Wohlbefinden heraus mit Übelkeit, heftigem Erbrechen, Kopfschmerzen sowie Diarrhöen. Das Allgemeinbefinden verschlechtert sich rasch. Schwindel, hypotone Blutdruckwerte, starkes Krankheitsgefühl und Fieber bis 39°C führen zur Hospitalisation. Vorerkrankungen sind nicht bekannt.

Die körperliche Untersuchung zeigt eine blasse, mäßig exsikkierte, krank aussehende Patientin. Tastbar vergrößerte Lymphknoten sind nicht vorhanden, Leber und Milz sind palpatorisch nicht vergrößert. Respiratorisches und kardiovaskuläres System sind unauffällig. Zum Zeitpunkt der Aufnahme besteht ein diskreter Sklerenikterus. Laborchemisch sind die GPT mit 2900 U/l, die GOT mit 2500 U/l, die AP mit 355 U/l und das Bilirubin mit 2,5 mg/dl erhöht. Sämtliche übrigen gemessenen Laborparameter (Blutbild, INR, Gesamteiweiß, Elektrolyte, Kreatinin) sind normal. Bei der Ultraschalluntersuchung sind Leber wie auch der übrige Abdomi- nalbefund regelrecht. An dem Vorliegen einer akuten Hepatitis besteht kein Zweifel. Nach Aussagen der Patientin wurde zu Beginn ihrer Krankenhaustätigkeit eine aktive Hepatitis-B-Immunisierung durchgeführt; bei einer Kontrolle ein Jahr nach der Impfung war ein Anti-HBs mit 100 I.E./l dokumentiert worden. Eine kürzlich zurückliegende Nadelstichverletzung ist nicht erinnerlich. Bei der Frage nach Auslandsaufenthalten berichtet die Patientin von einem fünftägigen Marokkobesuch vier Wochen zuvor.

Das stark positive Anti-HAV-IgM beweist die akute Hepatitis A, die an das örtliche Gesundheitsamt gemeldet wird. Der Zustand der Patientin zeigt nach initialer Infusionstherapie wegen Erbrechens bereits nach wenigen Tagen eine deutliche Besserung. Der weitere Verlauf ist nach vorübergehendem Anstieg des Bilirubins auf 9 mg/dl unauffällig. Die Transaminasen normalisieren sich nach drei Wochen.

Weiterführende Literatur

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4.7. Sexuell übertragbare Krankheiten (STD, STI)

CHRISTOPH BENN

Sexuell übertragbare Krankheiten (engl.: Sexually Transmitted Diseases = STD; die WHO benutzt seit kurzem den Begriff Sexually Transmitted Infections = STI) gehören zu den häufigsten Erkrankungen. Jedes Jahr treten weltweit mehr als 300 Millionen Neuerkrankungen auf. Die Inzidenz von STI hat in vielen Ländern während der letzten Jahre zugenommen. Neben der HIV-Epidemie ist die zunehmende Häufigkeit von Syphilis in Osteuropa und in den Staaten der früheren Sowjetunion beunruhigend. Für alle Menschen, die sich vorübergehend für eine bestimmte Zeit im Ausland aufhalten – Geschäftsleute, Entwicklungshelfer, Diplomaten oder Urlauber – besteht ein erhöhtes Risiko, sich mit sexuell übertragbaren Erregern zu infizieren, da die Prävalenz dieser Krankheiten in vielen Ländern in Übersee relativ hoch ist und sich das Sexualverhalten auf Reisen von dem in der gewohnten Umgebung unterscheiden kann.

Der früher gebräuchliche Begriff „Geschlechtskrankheit” ist irreführend, denn diese Krankheitsgruppe beschränkt sich keineswegs auf Erkrankungen der Geschlechtsorgane. Krankheiten wie Syphilis, Chlamydien-Infektionen oder AIDS (s. Kap. IV.4.8) können verschiedene Organsysteme einbeziehen. Was diese Krankheitsgruppe verbindet, ist allein der Übertragungsweg durch sexuelle Kontakte.

▪. Bedeutung von sexuell übertragbaren Krankheiten für Reisende

Das Risiko für Auslandsreisende, sich eine STI zuzuziehen, lässt sich anhand von Informationen über das Sexualverhalten von Reisenden im Ausland abschätzen. Dazu liegen umfangreiche Daten aufgrund von systematischen Befragungen vor, die von den Bundesministerien für wirtschaftliche Zusammenarbeit und für Gesundheit durchgeführt wurden.

Etwa 4,6 Millionen Deutsche reisen pro Jahr ins außereuropäische Ausland einschließlich Nordamerika und davon wiederum über 2 Millionen in Länder Asiens, Afrikas und Lateinamerikas.

Von den über 14-jährigen Reisenden geben 8,5% an, während der Reise sexuelle Kontakte aufgenommen zu haben mit Personen, die sie erst im Gastland kennen gelernt hatten. Im Durchschnitt gab diese Gruppe von Befragten 12–13 Sexualkontakte pro Reise mit zwei bis drei unterschiedlichen Partnern an. Nur etwa zwei Drittel benutzten dabei regelmäßig Kondome.

Gefährdet sind dabei in starkem Maße gerade Teenager bei Besuchen europäischer und außereuropäischer Länder: Bei einer auf Ibiza durchgeführten Studie gaben mehr als 50% dieser jungen Menschen an, während eines bis zu zweiwöchigen Aufenthaltes mit mindestens einem neuen Partner sexuell verkehrt zu haben, über 25 % hatten mehr als einen Sexualpartner. Bei mehr als einem Viertel aller Sexualkontakte wurden keine Kondome benutzt. In all diesen Statistiken sind die Sextouristen im engeren Sinn, die also ihre Reise mit der Absicht unternehmen, sexuelle Dienste bei Menschen des Gastlandes zu kaufen, nicht mitberücksichtigt. Die Zahl der Sextouristen allein aus Deutschland wird noch einmal auf 100 000–200 000 geschätzt.

Die vorliegenden Daten belegen, dass die Exposition mit einer sexuell übertragbaren Krankheit für Reisende ein relativ häufiges Ereignis darstellen dürfte. Darum muss bei Personen, die nach einer Reise medizinischen Rat suchen, besonders auch an Symptome und Krankheitsbilder gedacht werden, die mit diesem Übertragungsweg in Zusammenhang stehen könnten.

▪. Durch Viren hervorgerufene STI

Herpes genitalis

Infektionen mit Herpes-simplex-Virus Typ 2 gehören zu den wenigen STD, die in den Industrieländern eine höhere Prävalenz aufweisen als in den Ländern des Südens.

Krankheitsbild

Nach einer Inkubationszeit von zwei bis sieben Tagen treten die charakteristischen Bläschen, die zunächst mit einer serösen Flüssigkeit gefüllt sind, an den Genitalorganen auf. Nach dem Platzen der Bläschen entstehen kleine Ulzerationen. Sie sind schmerzhaft und liegen fast immer in Gruppen vor. Die Ränder der Ulzerationen erheben sich nicht über das Hautniveau. Sie heilen spontan ohne Narbenbildung aus, neigen aber zu Rezidiven. Komplikationen sind Neuritis mit Schmerzen, Meningitis und allgemeine Dissemination. Insbesondere bei HIV-infizierten Personen sind sehr schwere Verläufe beobachtet worden.

Diagnose

Die Diagnose wird zunächst klinisch gestellt durch die typische Erscheinungsform der schmerzhaften Bläschenbildung mit nachfolgender Ulzeration. Die Sicherung der Diagnose ist durch Virenanzucht und PCR aus dem Bläscheninhalt möglich. Antikörpernachweis kommt eher selten zum Einsatz.

Therapie

Bei schweren Infektionen kann Aciclovir in einer Dosierung von 200 mg 5 × täglich oral für 7–10 Tage gegeben werden.

Genitalwarzen

Der Erreger der Verrucae vulgares, das Human Papilloma Virus (HPV), ist weltweit sehr stark verbreitet. Bestimmte Subtypen des Virus gelten als Kofaktoren für die Entstehung von Zervixkarzinomen und Plattenepithelkarzinomen im Analbereich.

Krankheitsbild

Typisch für diese Erkrankung sind die warzenförmigen, weichen Papeln, die sich flächenhaft ausbreiten mit oft mehreren Zentren gleichzeitig. Sie werden als Condylomata acuminata bezeichnet. Die Papeln sind schmerzlos, können aber erhebliche kosmetische Probleme verursachen.

Diagnose

Das klinische Bild ist relativ typisch. Differenzialdiagnostisch müssen die Condylomata acuminata von den Condylomata lata der sekundären Syphilis abgegrenzt werden.

Therapie

Therapieversuche bleiben oftmals unbefriedigend.

Symptomatisch kann die lokale Anwendung von Podophyllin-Lösung (10–25%) 1–2 × wöchentlich versucht werden.

Außerdem bieten Kryotherapie, Elektrokoagulation oder die Anwendung von Laserchirurgie gewisse Aussichten auf eine Beseitigung der Warzen.

Durch Bakterien verursachte STI, die Ulzerationen hervorrufen

Syphilis (Lues)

Der Erreger der Syphilis ist Treponema pallidum, ein korkenzieherartig gewundenes Bakterium aus der Familie der Spirochäten.

Krankheitsbild

Die Treponemen dringen durch die intakte Haut oder Schleimhaut des Genitaltraktes ein und verursachen nach einer Inkubationszeit von 9–90 Tagen eine kleine Papel, die sich nach kurzer Zeit in ein Ulkus verwandelt. Dieses wird als Primäraffekt bezeichnet.

Beim Mann befindet sich der Primäraffekt normalerweise an der Glans penis, bei der Frau an der Vulva oder der Zervix. Das Ulkus tritt in den allermeisten Fällen einzeln auf, es hat einen festen, indurierten Rand, ist schmerzlos und sondert eine seröse Flüssigkeit ab.

Der Primäraffekt enthält viele Spirochäten. Das Ulkus verschwindet auch ohne Behandlung innerhalb von drei bis sechs Wochen ohne Vernarbung. Die inguinalen Lymphknoten können während dieser Zeit angeschwollen sein, sind aber ebenfalls nicht schmerzhaft.

Die späteren Stadien der sekundären Syphilis, die sechs bis zwölf Wochen nach der Erstinfektion auftritt, sowie der tertiären Syphilis, die erst Monate oder Jahre nach einer unbehandelten primären Syphilis entsteht, werden nicht unmittelbar nach einer Reise auftreten. Auf eine Beschreibung dieser Krankheitsbilder soll deshalb an dieser Stelle verzichtet werden.

Diagnose

Die Diagnose eines Primäraffekts beruht auf einer gründlichen Inspektion zum Nachweis der charakteristischen Ulzerationen sowie der Lymphknotenschwellung. Der Abstrich vom Wundgrund ermöglicht den Erregernachweis im Dunkelfeld-Mikroskop. Heute ist auch ein Nachweis durch PCR möglich. Die Labordiagnostik der Syphilis beruht jedoch in der Regel auf verschiedenen serologischen Untersuchungsmethoden.

Serologische Tests wie der unspezifische VDRL (Veneral Disease Research Laboratory) oder der spezifische TPHA (Treponema-pallidum-Hämagglutinations-Test) werden erst zwei bis drei Wochen nach Auftreten des Primäraffekts positiv und eignen sich vor allem zur Diagnosestellung bei klinischem Verdacht und fehlender Ulzeration sowie zur Therapiekontrolle. Spezifische serologische Bestätigungstests (Immunfluoreszenz und Immunoblot) stehen zur Verfügung. Der ebenfalls unspezifische Rapid-Plasma-Reagin-Card-Test ist ein Schnelltest, der auch im ambulanten Bereich zur orientierenden Diagnostik eingesetzt werden kann.

Differenzialdiagnostisch muss an andere ulzerierende STD sowie an Plattenepithelkarzinome gedacht werden.

Therapie

Penicillin ist das Mittel der Wahl, und Resistenzen sind glücklicherweise nach wie vor unbekannt. Die Standarddosierung der Frühtherapie bei Erwachsenen ist:

Benzathin-Penicillin G 2,4 Mio. I.E. i.m. 1 × wöchentlich für drei Wochen.

Bei Penicillinallergie wird Tetracyclin oder Erythromycin empfohlen.

Weicher Schanker (Ulcus molle, Chancroid)

Das Ulcus molle wird verursacht durch Haemophilus ducreyi, ein gramnegatives Bakterium. Es ist endemisch in Südostasien und in Afrika.

Weltweit gilt der weiche Schanker als die häufigste ulzerierende STD und wird regelmäßig durch Reisende auch nach Mitteleuropa importiert. Besonders hoch sind die Infektionsraten bei Prostituierten in vielen Reiseländern. Unter den STD ist das Ulcus molle der wichtigste Kofaktor für die Transmission von HIV.

Krankheitsbild

2–6 Tage nach dem Erstkontakt entsteht an den Geschlechtsorganen ein schmerzhaftes Ulkus mit unregelmäßigen, unterminierten Rändern. Das Ulkus ist weich und eitrig-schmierig belegt. Meistens treten mehrere Ulzera gleichzeitig auf. Die inguinalen Lymphknoten werden in ca. 50% befallen. Sie sind ebenfalls sehr schmerzhaft und neigen zu Abszedierungen und Fistelbildungen.

Diagnose

Die Diagnose beruht nach wie vor hauptsächlich auf dem charakteristischen klinischen Bild mit weichem, schmerzhaftem Ulkus und Bubo. Der Erreger kann im Direktausstrich und im Kulturverfahren nachgewiesen werden. Allerdings sind diese Verfahren aufwendig und relativ unspezifisch. Ein routinemäßig eingesetzter serologischer Test steht nicht zur Verfügung. Wichtig sind vor allem auch die Reiseanamnese und die Frage nach einem eventuellen Risikoverhalten.

Therapie

Haemophilus ducreyi ist inzwischen resistent gegen viele gängige Antibiotika. Drei verschiedene Medikamente sind als gut wirksam einzustufen und werden von der WHO als Mittel der ersten Wahl empfohlen:

Erythromycin 500 mg 4 × täglich für 7Tage. Ciprofloxacin 500 mg oral 2 × täglich für 3 Tage.

Azithromycin 1 g oral als Einzeldosis.

Abszedierende Lymphknoten in der Leiste sollten nicht inzidiert, sondern mit einer dicken Kanüle drainiert werden, um Fistelbildungen zu vermeiden. Zur Reinigung der Ulzera hat sich Kaliumpermanganat-Lösung bewährt.

Lymphogranuloma inguinale

Der Erreger des Lymphogranuloma inguinale gehört zur Gattung der Chlamydien. Für diese spezifische Krankheit ist allerdings nur ein bestimmter Serotyp, Chlamydia trachomatis, Serotyp L1–3, verantwortlich.

Das Lymphogranuloma inguinale ist praktisch ausschließlich auf tropische Länder beschränkt. Besonders häufig wird diese Erkrankung in Äthiopien und Nigeria beobachtet. Das Lymphogranuloma inguinale ist bei Männern zwei- bis achtmal häufiger als bei Frauen.

Krankheitsbild

7–30 Tage nach der Infektion entsteht ein kleines Geschwür, das relativ schnell abheilt und deshalb oft unbemerkt bleibt. Das Ulkus selbst ist klein, schmerzlos und nicht induriert. Bei Männern findet sich die Primärläsion hauptsächlich an der Glans penis und am Präputium, bei Frauen bevorzugt an der Vulva, in der Vagina oder an der Zervix.

Die eigentliche Symptomatik der Erkrankung in ihrem Stadium II entsteht durch die Schwellung der inguinalen Lymphknoten mit der Bildung eines sogenannten Bubo. Relativ häufig entstehen Abszesse und Fisteln. Klassisch ist die Einkerbung des geschwollenen Lymphknotens durch die Ligamenta inguinale (groove sign). Während der akuten Infektionsphase kann es auch zu Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen kommen. Als Komplikationen sind Konjunktivitis, Meningoenzephalitis sowie rheumatoide Beschwerden beschrieben worden.

Wird die Erkrankung nicht behandelt, kann es aufgrund des Lymphstaus zu massiven Schwellungen sowohl an den Labien als auch am Penis kommen. Als Folge von Fibrosierungen und Vernarbungen entstehen erhebliche Funktionseinschränkungen. Proktitiden und Rektumstrikturen sind ebenfalls beschrieben worden.

Diagnose

Die Diagnosestellung beruht auf der Reiseanamnese, der Inspektion des betroffenen Organs sowie auf serologischen Untersuchungen, die meist mit der Immunfluoreszenztechnik erfolgen. Ein Direktnachweis von Chlamydien Serotyp L1–3 aus der Primärläsion ist mittels PCR, Kultur oder direktem Immunfluoreszenztest möglich.

Therapie

Mittel der Wahl ist Doxycyclin 100 mg, 2 × täglich für 14 Tage.

Als Alternativen stehen Azithromycin 1 g oral als Einzeldosis oder Erythromycin 500 mg 4 × täglich für 14 Tage zur Verfügung.

Eine Aspiration der Abszesse wird empfohlen. Inzisionen sind dagegen kontraindiziert wegen häufiger Narbenbildung.

Granuloma inguinale (Donovanose)

Der Erreger des Granuloma inguinale ist Calymmatobacterium granulomatis, ein gramnegatives intrazelluläres Bakterium.

Die Erkrankung kommt fast ausschließlich in Papua-Neuguinea, Brasilien, Südostindien sowie in Südafrika vor, ist aber dort recht häufig. Daher sollte bei Reisenden aus diesen Regionen auch an das Granuloma inguinale gedacht werden.

Krankheitsbild

Nach einer Inkubationszeit von 7 Tagen bis 5 Monaten bildet sich an der Kontaktstelle eine Papel, die nach kurzer Zeit ulzeriert. Das Ulkus ist schmerzlos, mit einem scharf abgegrenzten Rand, der gegenüber dem umgebenden Gewebe etwas angehoben ist. Ohne Behandlung breiten sich die Ulzera langsam wachsend aus und können handtellergroß werden. Sekundärinfektionen sind häufig. Schließlich heilen die Ulzera unter Narbenbildung ab. Ein Befall der Mundschleimhaut, der Zervix und selten auch anderer Organe ist beschrieben worden.

Diagnose

Bei der Inspektion imponiert die typische Erscheinungsform der Ulzera. Ein Abstrich vom Geschwürrand zeigt charakteristische intrazelluläre Organismen, die von der Form her einer geschlossenen Sicherheitsnadel gleichen.

Therapie

Azithromycin 1 g oral am 1. Tag, dann 500 mg täglich für 7 Tage.

Als Alternative kann Doxycyclin 100 mg 2 × täglich für 7 Tage verwendet werden.

▪. STD, die Ausfluss aus der Harnröhre verursachen

Gonorrhö

Der Erreger ist Neisseria gonorrhoeae, ein gramnegativer Diplococcus.

Die Gonorrhö ist auf der ganzen Welt verbreitet. In Europa werden 14–25% der Fälle von Gonorrhö (wie auch von Syphilis) im Ausland erworben. In Deutschland ist die Gonorrhö die häufigste meldepflichtige sexuell übertragbare Krankheit. Etwa 60% der Infektionen bei Frauen und 25% bei Männern verlaufen symptomlos.

Krankheitsbild

Bei der symptomatischen Gonorrhö ist die wichtigste Erscheinungsform die Urethritis. 1–10 Tage nach der Infektion beobachten die Patienten Ausfluss von dickflüssigem Eiter und Schmerzen beim Wasserlassen. Bei Frauen können Vaginitis und Zervizitis im Vordergrund stehen, die übergehen können in Salpingitiden mit nachfolgender Infertilität und Neigung zu extrauterinen Schwangerschaften.

Als Komplikationen gelten Urethrastrikturen, Epididymitis, Arthritis sowie die disseminierte Gonorrhö mit Fieber, Polyarthritis und flohstichartigen Hämorrhagien vorwiegend an den Fingern.

Diagnose

Der Nachweis der intrazellulär gelegenen Diplokokken im Urethral- oder Zervixabstrich erfolgt durch Gramfärbung oder mittels PCR. Zur Sicherung der Diagnose sollte eine Kulturierung erfolgen, die auch eine Antibiotika-Resistenzbestimmung erlaubt. Nur bei Verdacht auf eine systemische Gonokokken-Infektion ist ein Antikörpernachweis sinnvoll.

Therapie

In den letzten Jahren haben die Gonokokken immer mehr Resistenzen ausgebildet, nicht nur gegenüber dem ehemaligen Standardmedikament Penicillin, sondern auch gegenüber anderen Antibiotika. Schwerpunkte der resistenten Neisseria-Stämme sind Ostafrika und Südostasien. Deshalb sollte vor der Behandlung grundsätzlich eine Bestimmung der Antibiotika-Empfindlichkeit durchgeführt werden.

Bei der unkomplizierten Gonorrhö bietet sich eine gut wirksame Einmalbehandlung an:

Ciprofloxacin 500 mg oder Azithromycin 2 g als einmalige orale Dosis oder Ceftriaxon 125 mg bzw. Spectinomycin 2 g jeweils als einmalige i.m. Injektion.

Bei der disseminierten Gonorrhö sollte unter stationären Bedingungen eine Therapie mit intravenösem Ceftriaxon 1 g für 7 Tage durchgeführt werden.

Chlamydien-Infektion

Innerhalb der Gattung der Chlamydien ist Chlamydia trachomatis für die sexuell übertragbaren Erkrankungen verantwortlich. Während der Serotyp L 1–3 das Lymphogranuloma inguinale verursacht, lösen die Serotypen D–K urogenitale Infektionen mit Ausfluss, aber ohne Ulzerationen aus. 50% der Infektionen bei Frauen und 33% bei Männern verlaufen klinisch inapparent, können aber Spätfolgen, besonders Infertilität bei Frauen, hervorrufen.

Weltweit gesehen nimmt die Infektion mit Chlamydien als Erregern von sexuell übertragbaren Krankheiten stark zu. In vielen Regionen sind Chlamydien-Infektionen die häufigste STD überhaupt.

Krankheitsbild

Die Symptomatik wird bestimmt durch eine Urethritis mit eitrigem oder weißlichem Ausfluss aus der Harnröhre sowie Dysurie.

Häufige Komplikationen bei Frauen sind Endometritis und Adnexitis. Als Folge davon können ektopische Schwangerschaften und Infertilität auftreten. Bei Männern kann es nach einer Epididymitis ebenfalls zur Sterilität kommen.

Extragenitale Manifestationen der Chlamydien-Infektionen sind Pneumonien und Konjunktivitiden.

Diagnose

Die Diagnosestellung erfolgt wie bei Lymphogranuloma inguinale.

Therapie

Doxycyclin in einer Dosierung von 100 mg 2 × täglich für 7–10 Tage ist in der Regel gut wirksam, ebenso wie Azithromycin 1 g oral als Einzelgabe.

Als Alternative kann Erythromycin 500 mg 4 × täglich für 7 Tage eingesetzt werden.

▪. Prävention

Ärzte, die in der Reisemedizin tätig sind, haben eine wichtige Funktion nicht nur in der Erkennung und Behandlung von STD, sondern auch in der Prävention. Das gilt sowohl für die Beratung Reisender als auch für den Schutz ihrer Sexualpartner.

Anders als bei anderen reisemedizinisch relevanten Erkrankungen geht es hier allerdings nicht um Impfungen oder die prophylaktische Einnahme von Medikamenten, sondern um die Beeinflussung von Verhaltensweisen. STI können wirkungsvoll verhindert werden durch die Vermeidung von risikoreichen Sexualkontakten und/oder die regelmäßige und korrekte Verwendung von Latex-Kondomen.

Leider werden diese im Prinzip so einfachen Präventionsmaßnahmen in der Praxis oftmals nicht angewendet. Mindestens ein Drittel aller Reisenden mit Sexualkontakten im Ausland verwendet keine Kondome, und andere benützen Kondome nur bei Personen, bei denen sie ein erhöhtes Risiko vermuten.

Selbstverständlich ist es nicht leicht, dieses Thema in der Reiseberatung anzusprechen. Bei aller angeblichen Offenheit und Freizügigkeit ist Sexualverhalten auch in unserer Gesellschaft ein sehr sensibles und tabuisiertes Thema. Trotzdem sollten Reisende auf das nicht unerhebliche Risiko hingewiesen werden, da viele nicht ausreichend über die hohe Prävalenz von HIV und anderen STI in ihren Reiseländern informiert sind.

Ebenso wichtig sind allerdings auch eine gründliche Anamnese und Untersuchung nach der Rückkehr, um eventuelle Symptome möglichst frühzeitig zu erkennen und um eine effektive Behandlung der Patienten und ihrer Sexualpartner einleiten zu können. Dieses Vorgehen wird nicht nur die Reisenden selbst vor den Spätfolgen einer eventuellen Infektion bewahren, sondern auch die weitere Ausbreitung der Infektion über Sexualpartner in Deutschland verhindern.

Weiterführende Literatur

  1. Braun-Falco O., Plewig G., Wolff H.H. Dermatology. 2nd ed. Springer; Berlin: 2000. [Google Scholar]
  2. World Health Organization . Guidelines for the Management of Sexually Transmitted Infections. WHO; Genf: 2003. http://www.int/hiv/pub/sti/en/STIGuidelines2003.pdf [Google Scholar]

4.8. HIV-Infektion und AIDS

CHRISTOPH BENN

▪. Weltweite Ausbreitung des Human Immunodeficiency Virus (HIV)

1981 wurden in den USA die ersten AIDS-Erkrankungen bekannt. Inzwischen hat sich HIV auf allen Kontinenten in mehr als 190 Ländern ausgebreitet. Daher kann man mit Recht von einer globalen Pandemie sprechen. Es gibt praktisch keine Weltregion, in der kein Infektionsrisiko für Reisende bestehen würde.

Nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) waren Ende 2002 etwa 42 Millionen Menschen mit HIV infiziert (Abb. 4-15 ). Jeden Tag kommen mehrere Tausend neue Infektionen hinzu. Die meisten Infektionen traten bislang in Afrika und Südasien auf.

Abbildung 4-15.

Abbildung 4-15

Geschätzte Zahl der HIV-Infizierten in verschiedenen Weltregionen. Weltweit waren am 31. 12. 2002 ca. 42 Millionen Menschen mit HIV infiziert.

Die Infektionen mit HIV sind durch zwei Virustypen verursacht, HIV-1 und HIV-2. HIV-2 tritt vorwiegend in Westafrika auf und scheint nach den bisher vorliegenden Untersuchungen weniger pathogen zu sein als HIV-1, das in praktisch allen anderen Weltregionen vorherrscht. Doppelinfektionen kommen vor. Von HIV-1 sind mehrere Subtypen bekannt, die regional in unterschiedlicher Häufigkeit auftreten. Der Subtyp B ist stärker in Europa und Nordamerika verbreitet. Die Subtypen A, C, D und E sind für die meisten Infektionen in Afrika und Südostasien verantwortlich. Es gibt Studien, die darauf hindeuten, dass der Subtyp E leichter als andere auf sexuellem Wege übertragen werden kann. Für die Reisemedizin sind diese Unterscheidungen insofern von Bedeutung, als Patienten mit Infektionen aus außereuropäischen Ländern häufiger mit Subtypen infiziert sind, die in Deutschland eher selten sind. Es ist noch nicht abschließend geklärt, ob alle diese Subtypen die gleichen Charakteristika haben in Bezug auf Diagnostik, Krankheitsverlauf und Ansprechbarkeit auf antiretrovirale Therapie.

▪. Krankheitsbild

AIDS ist ein Syndrom verschiedener Symptome und Krankheitsbilder, hervorgerufen durch die Schwächung des Immunsystems als Folge einer Infektion mit HIV. Die Krankheitsphase ist charakterisiert durch das Auftreten einer Vielzahl von opportunistischen Infektionen.

Die Inkubationszeit bei AIDS ist extrem lang. Nach amerikanischen und europäischen Studien liegen im Durchschnitt zehn Jahre zwischen Ansteckung und Ausbruch der Krankheit. Daher tritt eine AIDS-Erkrankung nie unmittelbar nach einer Reise auf. Eine Aufstellung der AIDS-definierenden opportunistischen Infektionen findet sich in Kapitel II.6.8, Tab. 6-14.

Die ein bis drei Wochen nach einer Infektion mit HIV auftretende akute HIV-Krankheit wird vom Vollbild der Erkrankung (AIDS) unterschieden. Die Leitsymptome der akuten HIV-Krankheit sind Fieber, Lymphknotenschwellungen, Pharyngitis sowie bei 70% der Patienten ein makulöses Exanthem. Häufig werden Symptome wie Schweißausbrüche, Leistungsabfall, Müdigkeit, Erbrechen, Muskel- und Gelenkschmerzen geschildert. Selten können auch eine Meningoenzephalitis, periphere Neuropathien sowie ein Guillain-Barré-Syndrom auftreten. Bei allen Patienten klingen diese Symptome innerhalb von 5-14 Tagen wieder ab.

Differenzialdiagnostisch muss die akute HIV-Infektion von einer Influenza, einer Mononukleose, einer Lues und bei Tropenreisenden von allen tropenspezifischen Erkrankungen, die mit Fieber und Lymphknotenschwellungen einhergehen, unterschieden werden.

Die akute HIV-Erkrankung wird nur relativ selten diagnostiziert, vor allem weil zu wenig daran gedacht wird. Bei Reisenden, die mit dieser Symptomatik zum Arzt kommen, sollten eine eventuelle Exposition eruiert und eine entsprechende Diagnostik eingeleitet werden. Zu beachten ist, dass aus Scham oder Verdrängung die Exposition nicht selten geleugnet wird. Bei klinischem Verdacht sollte dem Patienten die serologische Untersuchung nahegelegt werden.

Diagnose

Eine HIV-Infektion lässt sich durch verschiedene Untersuchungsmethoden nachweisen. Bereits nach ein bis zwei Wochen kann das HIV-p24-Antigen im Blut nachgewiesen werden. Außerdem steht eine virusspezifische PCR zur Verfügung, die ebenfalls schon ein bis zwei Wochen nach der Infektion reagiert.

Nach durchschnittlich sechs bis acht Wochen beginnt der Organismus mit der Produktion von spezifischen Antikörpern gegen HIV. Erst danach können durch Anti-HIV-Tests mögliche Antikörper im Blut nachgewiesen werden. Die Zeit zwischen Infektion und dem Nachweis von Antikörpern wird „Fensterperiode” genannt. Nach der Bildung der Antikörper wird der p24-Antigen-Test meist wieder negativ.

Zum Antikörpernachweis sollte zunächst ein EIA-Test (Enzymmmunoassay) eingesetzt werden. Im Falle eines reaktiven Resultats muss dieses durch einen Western Blot (Immunoblot) bestätigt und durch eine 2. Blutprobe verifiziert werden.

Ist eine HIV-Infektion diagnostiziert worden, sollten zur Verlaufskontrolle vor und während einer möglichen antiretroviralen Therapie Viruslastmessungen mittels PCR durchgeführt werden.

Am Beginn einer Infektion und im Stadium der akuten HIV-Krankheit besteht häufig eine Thrombozytopenie. Charakteristisch ist außerdem eine Leuko- und Lymphopenie. Diese Konstellation wird auch bei vielen anderen Infektionskrankheiten beobachtet, sollte aber zu einer erhöhten Aufmerksamkeit in Bezug auf eine mögliche HIV-Infektion führen.

Die Zahl der CD4-positiven Zellen (Helferzellen) ist ein Maß für die immunologische Reaktionsfähigkeit des Organismus und die Progredienz der HIV-Infektion. Der Normwert liegt bei 600-1300 Zellen/μ1. In der Regel nehmen die Zellen etwa vier bis sechs Jahre nach der Infektion kontinuierlich ab, bis zum vollständigen Zusammenbruch des Immunsystems. Als krankheitsdefinierend für AIDS gilt ein CD4+-Wert von < 200 Zellen/μ1.

▪. Therapie

Die Therapie der HIV-Infektion unterliegt ständigen Veränderungen aufgrund von immer neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Laufend kommen neue Medikamente auf den Markt und werden Therapiestudien über die am besten geeigneten Dosierungen und Kombinationen veröffentlicht. Darum sollte die spezifische antiretrovirale Therapie an Kliniken und in Praxen durchgeführt werden, die über ausreichende Erfahrung verfügen.

Es liegen zurzeit noch keine gesicherten Daten über den besten Zeitpunkt für den Beginn und die Dauer einer antiretroviralen Therapie vor.

Die Vorteile einer Therapie müssen abgewogen werden gegen die möglichen Nebenwirkungen der Medikamente und die mit der regelmäßigen Einnahme einhergehende Belastung für die Patienten.

Nach den bisherigen Erfahrungen eignet sich zur Therapie am besten eine Kombination aus zwei Reverse-Transkriptase-Inhibitoren und einem Protease-Inhibitor. Da bereits eine ganze Reihe von antiretroviralen Medikamenten zur Verfügung steht, ergeben sich verschiedene Kombinationsmöglichkeiten zur individuellen Therapie der Patienten (Tab. 4-13 ); zu Interaktionen mit anderen Medikamenten siehe auch Kapitel II.6.8. Begleitend zur Therapie müssen regelmäßige Kontrollen des Blutbilds, der Leber- und Pankreasenzyme sowie der Nierenwerte durchgeführt werden. Viruslastmessungen vor und während der Therapie geben Hinweise auf die Wirksamkeit und den Verlauf der Infektion.

Tabelle 4-13.

Antiretrovirale Medikamente.

Wirkstoff Kurzbezeichnung Handelsname
Nukleosidanaloge-Reverse-Transkriptase Inhibitoren (RTI)
Zidovudin AZT Retrovir
Zalcitabin DDC Hivid
Didanosin DDI Videx
Lamivudin 3TC Epivir
Stavudin D4T Zerit
Abacavir ABC Ziagen
Tenofovir TDF Viread
Lamivudin/Zidovudin 3TC/AZT Combivir
Nicht-Nukleosidanaloge-Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTI)
Nevirapin NVP Viramune
Efavirenz EFZ Sustiva
Protease-Inhibitoren (PI)
Saquinavir SQV Fortovase
Indinavir IDV Crixivan
Ritonavir RTV Norvir
Nelfinavir NFV Viracept
Lopinavir/Ritonavir LPV Kaletra
Amprenavir AMP Agenerase

Fazit

Die aktive Replikation von HIV schädigt das Immunsystem und führt zur Entwicklung von AIDS. Die Viruslast spiegelt das Ausmaß der HIV-Replikation wider. Die Zahl der CD4-positiven T-Zellen korreliert mit der Kompetenz des Immunsystems.

Therapieregime sollten stets auf individueller Basis anhand von Viruslast und Zahl der CD4-positiven T-Zellen ausgewählt werden. Die Kombinationstherapie ist am effektivsten mit Substanzen, zwischen denen keine Kreuzresistenzen bestehen. Die Compliance des Patienten ist von großer Bedeutung für den Therapieerfolg. Je einfacher das Therapieregime, desto größer die Compliance.

Informationen im Internet

  1. Deutscher Informationsservice für HIV und AIDS: www.hiv.net
  2. Neueste Informationen zu HIV und AIDS: www.medscape.com/hiv-aidshome?src=search
  3. HIV/AIDS treatment information service: www.aidsinfo.nih.gov

4.9. Wichtige respiratorische Infektionen

PETER CLAUS DÖLLER, GABRIELE DÖLLER

Infektionen des Respirationstrakts sind nach dem Reisedurchfall die zweithäufigste Erkrankung bei Reisenden. Während Reisen erleichtert der häufige Wechsel zwischen klimatisierten Räumen und feucht-heißem Klima das Angehen von Infektionen der Atemwege. Ähnliches gilt für einen längeren Aufenthalt in der trockenen Atmosphäre von Druckkabinen in Flugzeugen (s. Kap. II.3.1.4), für Rauchen und Passivrauchen, für Exposition gegenüber neuen Allergenen und für die Luftverschmutzung vieler Großstädte, insbesondere im asiatischen Raum.

Die meisten der Respirationstraktinfektionen sind ubiquitär verbreitet und viral bedingt (v.a. Rhinoviren, Coronaviren, Adenoviren und Enteroviren). Parainfluenzaviren und RSV (Respiratory Syncytial Virus) können bei Kindern zu schweren Erkrankungen führen, bei Erwachsenen verlaufen sie meist milde. Die schwerwiegendste virale Infektion ist die Influenza oder „echte Grippe”. Im März bis Juli 2003 hat sich eine neuaufgetretene Atemwegserkrankung negativ auf das Reiseverhalten ausgewirkt. Das „severe acute respiratory syndrome” (SARS) hat zu einer großen Verunsicherung der Reisenden v. a. in Südostasien geführt. Behördliche Einschränkungen hatten damals Reisen erschwert und z. T. unmöglich gemacht.

Unter den bakteriellen Respirationstraktinfektionen spielt die Legionärskrankheit sicherlich die wichtigste Rolle. Auch Infektionen mit Chlamydien, Mykoplasmen und Coxiella burnetii (Q-Fieber) können während Reisen erworben werden. Zwar ist das Risiko, sich während einer Reise eine Tuberkulose zuzuziehen gering, jedoch gibt es Einzelberichte über Infektionen, die während längerer Interkontinentalflüge durch direktes Anhusten von Mitreisenden erworben wurden (s. Kap. II.3.1.4). Die Klimaanlagen in den Flugzeugen spielen bei der Übertragung keine Rolle. Meningokokken werden zwar über den Respirationstrakt übertragen, führen jedoch zu neurologischen oder septischen Krankheitsbildern.

Die Übertragung der Erreger erfolgt meist durch Tröpfchen, die beim Husten oder Niesen entstehen, aber auch durch direkten Kontakt als Schmierinfektion, wie z. B. Händeschütteln, Trinken aus einem Gefäß oder Küssen.

Eine Infektion des oberen Respirationstraktes mit „banalen” Erregern äußert sich durch Schnupfen, Husten (s. Kap. IV.2.3), einer laufenden Nase, Kopf- und Halsschmerzen. Fieber kann, muss aber nicht auftreten. In der Regel klingt ein grippaler Infekt nach ca. einer Woche wieder ab. Eine antibiotische Therapie ist nicht indiziert. Empfohlen wird Ruhe und Zufuhr von viel Flüssigkeit. Eine Influenza dagegen beginnt klassischerweise plötzlich und verläuft schwerer als ein grippaler Infekt und kann tödlich enden.

4.9.1. Influenza, Geflügelinfluenza, SARS

Influenzaviren gehören zur Familie Orthomyxoviridae mit der Gattung Influenzavirus, deren wichtigste Vertreter Influenza-A- und Influenza-B-Viren sind. Die reifen Virionen haben einen Durchmesser von 80-120 nm und tragen in ihrer pleomorphen Lipidhülle die Oberflächenglyko-proteine Hämagglutinin (HA) und Neuraminidase (NA), welche für das Eindringen der Viren in die Wirtszellen verantwortlich sind. Der infizierte Organismus produziert gegen HA und NA neutralisierende, d. h. vor einer weiteren Infektion schützende Antikörper.

Eine Besonderheit der Influenzaviren und deren außerordentliche Gefährlichkeit liegt darin begründet, dass die das Erbgut tragende RNA (Genom) in 8 Segmente aufgegliedert ist. Aufgrund dieses segmentierten Genoms kann bei einer zufälligen Mischinfektion einer Wirtszelle mit verschiedenen Influenza-A-Virus-Subtypen ein Austausch der Genomsegmente stattfinden. Dieser Austausch wird als Reassortment bezeichnet und kann zum Entstehen neuer Influenza-A-Viren führen. Der Vorgang, der zu neuen, bislang nicht existierenden Subtypen führt, wird als Antigenshift bezeichnet. Die bisher beim Menschen aufgetretenen Influenza-A-Virus-Subtypen, die zu Pandemien führten, wurden durchnummeriert und sind in Influenza A/H1N1, A/H2N2 und A/H3N2 eingeteilt worden. 1997 wurde erstmals der Subtyp Influenza A/H5N1 (Geflügelinfluenza) von erkrankten und verstorbenen Personen in Hongkong isoliert. 1999 wurde in China ein weiteres Geflügelinfluenzavirus (A/H9N2) beim Menschen nachgewiesen. Im Mai 2003 kam es in den Niederlanden, Belgien und Deutschland zum Ausbruch der Geflügelpest (Influenza A/H7N7). Ein Tierarzt verstarb an dieser Infektion, die ansonsten beim Menschen keine schweren Krankheitszeichen, wenn überhaupt, verursacht. Im Jahr 2004 kam es in Asien erneut zu einer Epizootie mit dem Influenza-A-Virus Subtyp H5N1 („Vogelgrippe”). Betroffen waren vor allem Hühner insbesondere in China, Japan, Indonesien, Laos, Kambodscha, Korea, Thailand und Vietnam. In letzteren beiden Ländern kam es in mehr als 30 Fällen zu einer Übertragung auf den Menschen mit über 20 Todesfällen.

Geringere Änderungen der Oberflächenglykoproteine HA oder NA werden durch Punktmutationen in der Basensequenz ihrer Erbinformationen ausgelöst. Dieser Vorgang wird als Antigendrift bezeichnet und kommt bei Influenza-A- und Influenza-B-Viren vor. Eine Antigenshift tritt relativ häufig auf und führt dazu, dass die Zusammensetzung des Impfstoffes jedes Jahr angepasst werden muss.

Die Nomenklatur der Influenzavirus-Stämme beinhaltet Virustyp, Isolierungsort, laufende Nummer am Isolierungsort, Isolierungsjahr und die Hämagglutinin- und Neuraminidase-Antigene, z. B. Influenza A Subtyp H3N2 (A/Moskau/10/99); Influenza A Subtyp H1N1 (New Caledonia/20/99); Influenza B (B/Hongkong/330/2001). Bei Influenza B gibt es keine Subtypen.

Selbst bei Nichtimmunen verläuft eine Influenzavirusinfektion bei mehr als 50% der Infizierten inapparent oder subklinisch. Die unkompliziert verlaufende Influenza (Grippe) ist von zahllosen anderen Infektionen der Atemwege („grippale Infekte”) nicht zu unterscheiden. Die klassischen Symptome einer Influenza sind plötzlicher Krankheitsbeginn, steiler Temperaturanstieg und Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens (Kopf-, Glieder-, Muskelschmerzen, Niesreiz). Übelkeit, Erbrechen und Durchfall können hinzukommen, ebenso Laryngotracheobronchitis, Bronchiolitis und Pneumonie. Häufig erfordert die Krankheit Bettruhe und es besteht Arbeitsunfähigkeit. Die mittlere Inkubationszeit der Influenza beträgt 1-5 Tage. Die Ausscheidung der Influenzaviren beginnt mit dem Auftreten von Krankheitszeichen. In Epidemiezeiten ist eine Übersterblichkeit in der Bevölkerung zu beobachten. Weltweit sterben jährlich ca. 250000 bis 500000 Menschen an einer Influenza, in Pandemiezeiten viele Millionen.

Bei einer bestehenden Influenza können zusätzlich Bakterien zu Zweit- bzw. zu sog. Superinfektionen führen, was zu einer Pathogenitätssteigerung der Influenzaviren durch bakterielle Proteasen führen kann.

Diagnostiziert wird eine Influenza meist klinisch, wenn die Erkrankung während einer Epidemie auftritt. Da sich eine Influenza jedoch klinisch nicht sicher von anderen Respirationstraktinfektionen abgrenzen lässt, kann die Diagnose nur durch Labormethoden, wie durch Virusanzucht, Antigennachweis, Nukleinsäurenachweis direkt aus Patientenmaterialien oder durch den Nachweis spezifischer Antikörper gesichert werden.

Amantadin und Rimantadin können bei einer Influenza A in schweren Fällen zur Behandlung eingesetzt werden, sind jedoch bei Influenza-B-Virus-Infektionen unwirksam. Auch durch Neuraminidase-Blocker lässt sich der Verlauf einer akuten Influenza um 1,5 bis 3 Tage verkürzen, wenn die Behandlung binnen 36 Stunden nach dem Einsetzen der Symptome beginnt.

Vorbeugend stehen Injektionsimpfstoffe (Totimpfstoff) verschiedener Hersteller zur Verfügung. In den USA ist ein Lebendimpfstoff verfügbar, der über die Nase verabreicht wird. Gerade Risikopersonen dürfen mit ihm jedoch nicht geimpft werden.

▪. Influenza und Reisen

Influenzaviren sind weltweit verbreitet. Daher gilt Influenza nicht als typische Reisekrankheit. Dennoch kann eine Influenza, die während oder nach einer Reise ausbricht, erhebliche Probleme mit sich bringen. Bei Reisen ist die Saisonalität der Influenza zu berücksichtigen. In der nördlichen Hemisphäre dauert die Influenzasaison zwischen November und April, in der südlichen Hemisphäre von April/Mai bis September. In den Tropen gibt es keine Saisonalität. Influenza kommt dort ganzjährig vor.

Reisende, die einer Risikogruppe angehören, sollten daher über einen ausreichenden Impfschutz verfügen (s. Kap. II.8.1.12). Hinsichtlich einer Reise auf die südliche Hemisphäre ist zu beachten, dass dort u. U. andere Influenzaviren kursieren und daher ein Impfschutz gegen die dort vorhandenen Influenzaviren nötig wäre. Leider ist der Impfstoff für die südliche Hemisphäre in der Regel nicht auf der Nordhalbkugel verfügbar. In manchen Jahren ist die Zusammensetzung der beiden Impfstoffe jedoch gleich.

In den vergangenen Jahren gab es gelegentlich Influenzaausbrüche während Kreuzfahrten. Hier kommen Passagiere u. U. aus beiden Hemisphären in relativ engen Kontakt und verbringen einige Zeit gemeinsam auf dem Schiff zusammen. Für sich schnell ausbreitende Infektionskrankheiten, wie z. B. Influenza oder Norovirus-Infektionen, besteht daher ein hohes Übertragungsrisiko. Da die Passagiere meist ältere Menschen sind und daher zur Risikogruppe gehören, sollten diese auf alle Fälle geimpft sein. Auf Grund des engen Kontaktes unter Passagieren und Crewmitgliedern werden Impfungen auch den jüngeren Crewmitgliedern angeraten.

▪. Geflügelinfluenza („Vogelgrippe”)

Die seit mehr als 100 Jahren bekannte Geflügelinfluenza ruft insbesondere bei Hühnern schwere Erkrankungen hervor. Mehrere o.g. Subtypen der Influenza-A-Viren sind Ursache dieser Erkrankung. Die Übertragung dieser Viren von Geflügel auf den Menschen führt nach heutigem Kenntnisstand nicht oder nur sehr selten zu einer Weiterverbreitung von Mensch zu Mensch. So sind auch Reisende nach derzeitigem Kenntnisstand nicht infektionsgefährdet, sofern Kontakt mit lebendem Geflügel z. B. bei einer Reise nach Südostasien gemieden wird. Obwohl die Impfung gegen humanpathogene Influenzaviren nicht vor einer Infektion mit tierpathogenen Influenzaviren schützt, beugt sie doch einer Koinfektion mit unterschiedlichen Influenza-A-Viren und damit der möglichen Weiterverbreitung der daraus entstehenden Reassortanten von Mensch zu Mensch vor.

Da Gesundheitsprobleme durch Geflügelinfluenza nach einer Reise nicht vorkommen, erübrigt sich an dieser Stelle die Beschreibung von Symptomatik, Diagnostik und - ohnehin nur begrenzt möglicher - Therapie.

▪. SARS

Mitte November 2002 traten zunächst unbemerkt von der übrigen Welt in der chinesischen Provinz Guangdong rätselhafte Erkrankungs- und Todesfälle an einem unbekannten akuten Atemwegsyndrom mit Lungenentzündung auf. Im Februar 2003 berichtete die WHO erstmals über diese Erkrankungen und Todesfälle. Das Syndrom bekam die Bezeichnung „severe acute respiratory syndrome”, abgekürzt als SARS. Die Erkrankung, deren Ursache zunächst unklar war, breitete sich epidemieartig aus und verzeichnete am Ende des Ausbruchs mehr als 8500 Erkrankungen mit mehr als 800 Todesfällen. Die Gesundheitsbehörden ordneten strengste Isolierungsmaßnahmen an, die WHO sprach eine Reisewarnung aus, Fluggäste wurden auf Fieber und Atemwegssymptome untersucht. Touristische und geschäftliche Reisen in die betroffenen Gebiete kamen zum Erliegen, wirtschaftliche Einbußen blieben nicht aus. Im April 2003 wurde schließlich der Erreger von SARS nachgewiesen. Es handelte sich um ein bislang nicht bekanntes Coronavirus, welches die vorläufige Bezeichnung SARS-CoV (SARS-assoziiertes Coronavirus) bekam. Es ist das erste Coronavirus, welches beim Menschen schwere Erkrankungen verursacht. Eine Labordiagnostik ist heute möglich. Gemäß dem Infektionsschutzgesetz besteht nach § 6 Absatz 5a eine Meldepflicht. Bei der Behandlung von Patienten müssen strengste Isoliermaßnahmen ergriffen werden. Eine effektive Therapie ist nicht bekannt.

Im Juli 2003 gab es schließlich Entwarnung, die Epidemie war beendet. In der Folge traten aber in den Jahren 2003 und 2004 noch Laborinfektionen auf, die sich jedoch nicht weiter ausgebreitet haben. Als Tierreservoir, von dem aus die Epidemie ihren Ausgang genommen hat, wird die Zibetkatze angenommen, die in China als Delikatesse gilt. Ob es sich bei der SARS-Epidemie um ein einmaliges Ereignis gehandelt hat oder ob wieder mit SARS-Ausbrüchen gerechnet werden muss, kann nicht vorhergesehen werden, wobei letzteres wahrscheinlicher ist.

4.9.2. Legionellose (Legionärskrankheit)

Seit ihrem erstmaligen Auftreten 1976 in Philadelphia hat die Legionärskrankheit immer wieder Schlagzeilen gemacht, auch im Zusammenhang mit Reisen. So war der letzte Ausbruch einer Legionärskrankheit mit Todesfällen im Sommer 2003 auf einem Kreuzfahrtschiff beschrieben worden. Die Symptome sind grippeartig und damit von anderen Infektionen, wie z. B. Influenza, klinisch zunächst nicht abgrenzbar.

Die Wasserleitungssysteme sind eigentlich fast überall mit Legionellen besiedelt. Legionellenbakterien wachsen im Gegensatz zu den meisten anderen Bakterien bei Temperaturen bis ca. 50°C sehr gut. Dies sind die Temperaturen, wie sie in den Warmwasserleitungssystemen herrschen. Das heißt, dass es praktisch in jedem Haushalt, in jedem Krankenhaus, in jedem Hotel zu einer Infektion kommen könnte. Leicht können Tröpfchen mit Legionellen beim Duschen, Baden oder im Whirlpool, aber auch in klimatisierten Räumen eingeatmet werden. Von Mensch zu Mensch werden Legionellen nicht übertragen. Gefährdet sind vor allem ältere und durch Krankheiten abwehrgeschwächte Menschen. Man kann sich selbst praktisch nicht dagegen schützen. Zur Sanierung der Wasserleitungssysteme muss das Wasser auf über 60°C hochgeheizt werden. Ob dies in den Urlaubsressorts auch erfolgt, steht in Frage.

▪. Symptomatik, Diagnostik, Therapie

Eine Übersicht der Symptome, Diagnostik und Therapiemöglichkeiten der Respirationstraktinfektionen gibt Tabelle 4-14 .

Tabelle 4-14.

Symptomatik, Diagnostik und Therapie viraler und bakterieller Respirationstraktinfektionen.

Symptomatik Diagnostik Therapie
Influenza plötzlicher Beginn, steiler Fieberanstieg, Frösteln, Schweißausbrüche. Kopf- und Glieder schmerzen. Reizhusten, Heiserkeit, Halsschmerzen, häufig auch Schmerzen hinter dem Brustbein. Virusnachweis in der Rachenspülflüssigkeit Neuraminidasehemmer (Influenza A und B), Amantadin (nur Influenza A), Antibiotika (Prophylaxe bakterieller Superinfektion)
Geflügel-influenza Milde Konjunktivitiden bis hin zu schweren letal verlaufenden Pneumonien Virusnachweis Neuraminidasehemmer
SARS hohes Fieber (>38 °C), schwerer Husten, Atemnot, Kurzatmigkeit, Halsschmerzen klinisches Bild, Virusnachweis (PCR) unspezifisch
Legionellose Schwere Lungenentzündung mit teilweise hohem Fieber, Husten, Atembeschwerden und allgemeiner Mattigkeit Antigennachweis im Urin, Anzucht des Erregers aus den Atmungsorganen Antibiotika (Makrolide)
Fazit

Infektionen des Respirationstraktes sind nach dem Reisedurchfall die zweithäufigste Erkrankung bei Reisenden. Die meisten der Respirationstraktinfektionen sind ubiquitär verbreitet und viral bedingt. Die schwerwiegendste virale Infektion ist die Influenza oder „echte Grippe”. Neuaufgetreten ist das „severe acute respiratory syndrome” (SARS); diese Krankheit hat zu einer großen Verunsicherung der Reisenden geführt und sich negativ auf das Reiseverhalten ausgewirkt. Unter den bakteriellen Respirationstraktinfektionen spielt die Legionärskrankheit sicherlich die wichtigste Rolle. Die Übertragung der Erreger erfolgt meist durch Tröpfchen, die beim Husten oder Niesen entstehen, aber auch durch direkten Kontakt als Schmierinfektion, wie z.B. Händeschütteln, Trinken aus einem Gefäß oder Küssen.

Informationen im Internet

  1. WHO Influenza: www.who.int/csr/disease/influenza/en/
  2. WHO SARS: www.who.int/csr/sars/en/
  3. WHO Outbreak News: www.who.int/csr/don/en/

4.10. Meningitis/Enzephalitis

REINHARD KRIPPNER

4.10.1. Meningokokkenmeningitis

Neisseria meningitidis, Haemophilus influenzae und Streptococcus pneumoniae sind für den weitaus größten Teil aller bakteriellen Meningitiden verantwortlich. Reisemedizinisch hat jedoch nur die Meningokokkenmeningitis Bedeutung.

▪. Ein gramnegativer Diplococcus

Gramnegative semmelförmige Diplokokken verursachen die verschiedenen Erscheinungsformen der Meningokokkenerkrankung. Anhand ihrer Kapselpolysaccharide lassen sich Meningokokken serologisch in mindestens 13 Serogruppen unterteilen. Übertragen wird der Erreger durch Tröpfcheninfektion meist von asymptomatischen Trägern, die das Bakterium im Nasen-Rachen-Raum beherbergen. Trägerraten in der Bevölkerung werden auf 10-25% geschätzt. Enger Kontakt und Leben auf beengtem Raum begünstigen die Ausbreitung der Infektion.

▪. Meningitisgürtel in Afrika und Trekking-Paradies Nepal

Während in Europa die Serogruppen B und C und in Nordamerika die Gruppen B, C und Y bei weitem überwiegen (Europa 1997/98: Gruppe B 61%, Gruppe C 32%), herrschen die Serogruppen A und C in Afrika, Asien, im Pazifik und in einigen Teilen Lateinamerikas (in Brasilien auch Serogruppe B) vor (s. Kap. II.8.1.6, Abb. 8-3). Die Serogruppen A, C und neuerdings W 135 breiten sich oft epidemisch aus. In der endemischen Situation erkranken in erster Linie Kinder der Altersgruppe 1-4 Jahre, in Epidemien sind dagegen auch Kinder und Jugendliche von 5-19 Jahren sowie ältere Personen stärker betroffen.

In der Sahelzone Afrikas zieht sich der sogenannte Meningitisgürtel von Ost nach West, ein hyperendemisches Gebiet, in dem Epidemien in Abständen von einigen Jahren während der Trockenzeit (etwa Januar bis April) und zu Beginn der Regenzeit auftreten. Epidemien in Kenia, Uganda, Ruanda, Burundi und Tansania deuten darauf hin, dass sich die Infektion über den klassischen Meningitisgürtel der Sahelzone weiter nach Süden ausbreitet. Waren bisher vor allem Meningokokken der Serogruppe A sowie auch Erreger der Serogruppe C für das Auftreten von Epidemien verantwortlich, so erkrankte bei der Epidemie 2002 in Burkina Faso ein Großteil der Betroffenen an W 135. Mit einer weiteren Zunahme von W-135-Erkrankungen in Westafrika ist zu rechnen.

Weitere Regionen mit gehäuftem und epidemischem Auftreten sind Angola, Demokratische Republik Kongo, Mozambique, Nordindien, Nepal, Mongolei und die Großstädte Lateinamerikas sowie Mekka in Saudi-Arabien. In dieser Pilgerstadt waren 2001 mehr als 50% der Erkrankungen durch W135 verursacht, nachdem frühere Epidemien durch Erreger der Serogruppe A hervorgerufen waren.

▪. Meningitis - die häufigste Manifestation einer Meningokokkenerkrankung

Die Meningokokkenerkrankung manifestiert sich in unterschiedlichen Krankheitsbildern, die ineinander übergehen können. Das Spektrum reicht von der vorübergehenden Bakteriämie mit Fieber bis zum fulminanten Verlauf mit tödlichem Ausgang innerhalb von Stunden nach Beginn der Symptome.

Erscheinungsformen der Meningokokkenerkrankungen:
  • Meningitis

  • Meningoenzephalitis

  • Sepsis

  • Bakteriämie ohne Sepsis.

Die Meningokokkenmeningitis stellt die häufigste Verlaufsform dar. Die Inkubationszeit kann sehr variabel sein und wenige Tage bis mehrere Monate betragen. 70% der Erkrankungen nach Kontakt mit Meningitiskranken werden jedoch innerhalb der ersten Woche manifest. Häufig mit Symptomen eines Atemwegsinfektes bzw. grippeartigen Beschwerden beginnend, treten plötzlich hohes Fieber, Übelkeit, Erbrechen und starke Kopfschmerzen auf. Nackensteifigkeit, ein positives Kernig- und Brudzinski-Zeichen weisen auf die Meningitis hin. Bei sehr jungen und bei alten Patienten können typische meningitische Symptome jedoch fehlen. Bei Säuglingen stehen Trinkschwäche und Berührungsempfindlichkeit im Vordergrund. Ein flüchtiges, fleckiges Exanthem wird häufig beobachtet und kann mit viralen Exanthemen verwechselt werden.

Petechien stellen den wichtigsten klinischen Hinweis auf eine mögliche Meningokokkengenese dar und sind bei Zunahme ein wichtiges Warnsignal für einen septischen Verlauf mit disseminierter intravasaler Gerinnung.

Petechien finden sich meist an Rumpf und Beinen, aber auch subkonjunktival, und können zu Ekchymosen konfluieren. Klinische Zeichen wie periphere Vasokonstriktion, Zyanose, ausgedehnte Petechien, Hypotonie, veränderte Bewusstseinslage, Hyperventilation und fehlende Nackensteifigkeit sind mit einem ungünstigen Ausgang assoziiert.

Zerebrale Krampfanfälle und eine Herdsymptomatik sind selten. Ausgeprägter Meningismus und pathologische Reflexe deuten auf eine Meningoenzephalitis hin.

Meningokokkenerkrankungen mit Pneumonie, Sinusitis, purulenter Tracheobronchitis, Perikarditis und Hirnnervenaus-fällen (VI, VII, VIII) wurden beschrieben. Anhaltendes leichtes Fieber oder wiederkehrende hochfieberhafte Episoden verbunden mit Exanthem und Arthritis können Ausdruck einer chronischen Meningokokkenbakteriämie sein.

Die Letalität der Meningokokkeninfektion hängt von der Verlaufsform der Erkrankung, sozioökonomischen Faktoren sowie dem Einsetzen und der Qualität der medizinischen Behandlung ab. Die mittlere Letalitätsrate betrug 1997/98 in Europa, d. h. unter günstigen Behandlungsbedingungen, 6%. Bei Epidemien in den Ländern des Meningitisgürtels im gleichen Jahr wurden jedoch Letalitätsraten bis 65 % gemeldet.

▪. Bei Verdacht handeln!
Der Verdacht einer Meningokokkenmeningitis besteht bei:
  • Fieber,

  • Meningismus,

  • Petechien,

  • Reiseanamnese mit Aufenthalt in einem endemischen/epidemischen Gebiet.

In Anbetracht eines möglichen schweren Verlaufs sollten die genannten Kriterien Anlass sein, den Patienten umgehend ins Krankenhaus einzuweisen, um mittels Lumbalpunktion den Verdacht zu bestätigen und eine sofortige Behandlung einzuleiten. Differenzialdiagnostisch muss bei entsprechender Reiseanamnese und klinischer Symptomatik an zerebrale Malaria, Typhus, Rückfallfieber und bei Petechien und Ekchymosen an hämorrhagisches Fieber gedacht werden.

Diagnostik
Liquorbefund bei Meningokokkenmeningitis:
  • trüber Liquor,

  • granulozytäre Pleozytose,

  • Liquorzucker deutlich erniedrigt,

  • Liquoreiweiß deutlich erhöht,

  • gramnegative (semmelförmige) Diplokokken im Ausstrich.

Zu Beginn der Erkrankung können der Liquorbefund weniger ausgeprägt und Meningokokken im Ausstrich nur spärlich vorhanden sein. Finden sich mikroskopisch keine Meningokokken, stellen Liquor-Antigentests und -PCR, sofern verfügbar, weitere diagnostische Möglichkeiten dar. Liquor- und Blutkultur ergänzen die diagnostischen Maßnahmen. Das periphere Blutbild zeigt eine deutliche Leukozytose und Thrombozytopenie, das CRP ist erhöht.

Therapie

Penicillin G 300 000 IE/kg/Tag intravenös, bis maximal 24 Millionen IE/Tag.

Ceftriaxon 100 mg/kg/Tag intravenös, bis maximal 4 g/Tag.

Chloramphenicol 100 mg/kg/Tag intravenös, bis maximal 4 g/Tag.

Abhängig von der Schwere der Erkrankung und dem Ansprechen auf das Antibiotikum dauert die Behandlung in der Regel 10-14 Tage. Bestehende Allergien und in vielen Teilen der Welt die Kosten der Behandlung beeinflussen die Wahl des Antibiotikums. Penicillin G und Chloramphenicol sind in vielen Ländern außerhalb Europas die erste Wahl. Resistenzen des Erregers gegen Penicillin wurden bisher selten berichtet. Cephalosporine der dritten Generation stellen eine Behandlungsalternative bei fehlendem Therapieerfolg mit Penicillin dar.

Der Beginn der antibiotischen Therapie bei Meningitisverdacht bereits durch den einweisenden Arzt und der Einsatz von Heparin bei disseminierter intravasaler Gerinnung werden kontrovers diskutiert.

Unterschiedlich sind auch die Studienergebnisse bezüglich des Einsatzes von Glukokortikoiden. Während einzelne Untersuchungen einen positiven Einfluss einer zusätzlichen Glukokortikoidtherapie, insbesondere bei frühem Einsatz, auf den Erkrankungsverlauf einer bakteriellen Meningitis zeigten, erwies sich in einer Untersuchung im südlichen Afrika die Behandlung mit Kortikoiden als wirkungslos.

▪. Sind Reisende in Endemiegebieten gefährdet?

Untersuchungen über das Infektionsrisiko für Touristen, Rucksackreisende oder Berufstätige in endemischen Ländern gibt es kaum. In einer retrospektiven Studie wurde eine Inzidenz von 0,4 Meningokokkenerkrankungen pro eine Million Reisende pro Monat geschätzt, was etwa der jährlichen Inzidenz in den USA entspricht. Mekka-Pilger hatten in der gleichen Studie mit 2000 Meningokokkenerkrankungen pro eine Million/Monat ein erheblich erhöhtes Risiko. Eine zu geringe Erfassung von Meningokokkenerkrankungen bei Reisenden wegen unvollständiger Meldung ist denkbar. Vermutlich hält sich der größte Teil der Touristen und Berufsreisenden in Dritte-Welt-Ländern außerhalb Meningitisendemischer Gebiete auf, und nur eine Minderheit besucht z. B. Länder der Sahelzone. Bei Reisen in einem endemischen Gebiet liegt das Infektionsrisiko daher vermutlich höher.

Ein erhöhtes Infektionsrisiko ist anzunehmen bei:
  • Reisen in ein Land mit bekanntem epidemischem Vorkommen;

  • Reisen in ein Land des Meningitisgürtels, insbesondere während der Trockenzeit und zu Beginn der Regenzeit;

  • Reisen in ein Land während einer Epidemie;

  • Pilgerreise nach Mekka;

  • Langzeitaufenthalt in einem endemischen Land;

  • Kurzzeitaufenthalt in einem endemischen Land bei engem Kontakt zur Bevölkerung (z.B. Übernachtung bei Einheimischen während eines Trekkings in Nepal; berufliche Tätigkeit in Flüchtlingslagern und Slums von Großstädten der Dritten Welt).

▪. Vorbeugung

Abhängig von den individuellen Reisebedingungen ist bei erhöhtem Infektionsrisiko eine Meningokokken-ACWY-Impfung zu empfehlen (s. Kap. II.8.6.1). Dies gilt insbesondere auch für Reisende mit Asplenie, Immundefizienz, Hämoglobinopathien, Komplementmangel und unter Kortikosteroid-Therapie. Für gefährdete Kinder vor dem vollendeten 2. Lebensjahr steht ein Konjugatimpfstoff gegen Meningokokken der Serogruppe C zur Verfügung.

Für Mekka-Pilger ist eine Impfung mit dem tetravalenten Impfstoff vorgeschrieben. Eine Immunisierung gegen C-Menin-gokokken wird auch bei Langzeitaufenthalten von Kindern und Jugendlichen in einigen Ländern Europas und Teilen Kanadas empfohlen, z. B. bei Sprachferien und Schüleraustauschprogrammen.

Gesunde Meningokokkenträger können mit Minocyclin, Rifampicin, Ceftriaxon oder Ciprofloxacin saniert werden. Der Wert einer Antibiotikaprophylaxe bei Haushaltskontakten eines Kranken während einer Epidemie wird unterschiedlich beurteilt.

Weiterführende Literatur

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  6. WHO Meningococcal Meningitis. Wkly Epidem Rec. 2003;78:294–296. [PubMed] [Google Scholar]

4.10.2. Japanische Enzephalitis (JE)

Die Japanische Enzephalitis ist eine durch Mücken übertragene Flavivirus-Infektion, die Reisende nur selten betrifft.

▪. Ein asiatischer Enzephalitis-Erreger

Das Japanische Enzephalitisvirus ist wie auch der Erreger des Dengue-Fiebers und des Gelbfiebers ein Arbovirus (arthropod borne virus).

Das Ausbreitungsgebiet der JE umfasst einen großen Teil Asiens (s. Kap. II.8.1.11, Abb. II.8-4) und weitet sich weiter aus (z. B. in Nepal, Indien, Sri Lanka, Pakistan).

Es wird geschätzt, dass jährlich in den endemischen Gebieten etwa 50 000 Menschen an JE erkranken. Abhängig vom Land und von der Region liegt die Inzidenz bei etwa 1-10 Erkrankungen pro 10 000 Einwohner und Jahr. Kinder unter 15 Jahren sind hauptsächlich betroffen. Bei fast jedem Bewohner eines endemischen Gebietes lassen sich bis zum Erreichen des Erwachsenenalters Antikörper als Zeichen einer durchgemachten JE-Infektion nachweisen. Der Lebensraum der übertragenden Moskitos und die Rolle des Schweins als wichtiges Reservoir begründen die Verbreitung der Infektion im ländlichen Bereich, gelegentlich aber auch am Rand von Städten. Trotz Ähnlichkeit der ökologischen Bedingungen in zahlreichen Ländern zeigt sich eine unterschiedliche Erkrankungshäufigkeit. Deutlichere Temperaturunterschiede während der verschiedenen Jahreszeiten erklären möglicherweise, weshalb die Erkrankung in nördlichen Regionen wie Nordthailand, Nordvietnam und China epidemisch während der Regenzeit (Mai bis September, Höhepunkt: Juni/Juli) auftritt, während sich im südlichen Südostasien (Malaysia, Singapur, Philippinen, Indonesien) bei geringen Temperaturschwankungen nur sporadische Erkrankungen das ganze Jahr über finden.

Moskito - Schwein - Moskito - Mensch

Hauptvektor sind Moskitos der Culex-Familie. Reisfelder, Wassergräben und größere Wasseransammlungen sind das natürliche Habitat dieser Mückenart. Durch ihr zoophiles Verhalten und die Eigenschaft, sich außerhalb von Behausungen aufzuhalten und zu ernähren, sind sie ideal als Überträger der JE geeignet. Culex-Moskitos stechen in der Abenddämmerung und nachts. Zur Vermehrung können dem Virus zahlreiche Wirbeltiere als Wirt dienen (sogenannter amplifying host). Während Pferde und Esel eine Enzephalitis entwickeln, bleiben die meisten Wirtstiere asymptomatisch. Wasservögel auf Reisfeldern und an Bewässerungskanälen stellen ein wichtiges natürliches Reservoir dar, während dem Hausschwein als Vermehrungswirt größte Bedeutung zukommt. Das enge Zusammenleben von Landbevölkerung und Hausschwein in endemischen Gebieten führt zum Übertragungszyklus Moskito-Schwein-Moskito-Mensch. Es gibt keine epidemiologischen Daten, die eine direkte Übertragung des JE-Virus von Mensch zu Mensch stützen würden.

▪. Enzephalitis bei wenigen - asymptomatische Infektion bei den meisten

Die meisten mit JE-Virus infizierten Personen entwickeln keine Symptome. Das Verhältnis der asymptomatischen Infektionen zur Erkrankung wurde unter der in einer Endemiezone lebenden Bevölkerung auf etwa 300:1, unter amerikanischen Soldaten in Korea auf 25:1 geschätzt. Die Krankheitsbilder reichen von einer einfachen fieberhaften Erkrankung über die aseptische Meningitis bis zur Enzephalitis.

Die Inkubationszeit der JE beträgt ca. 4-14 Tage; die Erkrankung verläuft im typischen Fall in vier Stadien (Abb. 4-16 ):

  • Prodromalstadium (2-3 Tage): plötzlich auftretendes, hohes Fieber, allgemeines Krankheitsgefühl, Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen.

  • Akute Enzephalitis (3-4 Tage): anhaltendes Fieber, Bewusstseinstrübung, Verwirrtheit, Delir, Stupor, Koma, fokale oder generalisierte Krampfanfälle, Nackensteifigkeit, Schwäche der Extremitäten, Hyperreflexie, Fußklonus. Weniger häufig beobachtet werden: Tremor, abnorme Bewegungen, Hirnnervenlähmungen, abnormes Verhalten, verlangsamte Sprache, Papillenödem. Poliomyelitis-ähnliche Verläufe mit schlaffen Lähmungen kommen vor. Fälle mit tödlichem Ausgang sind rasch progredient, der Tod tritt meist in diesem Stadium ein.

  • Subakutes Stadium (7-10 Tage): in unkomplizierten Fällen Entfieberung, Rückgang der neurologischen Symptomatik. Bei schweren Verläufen können eine Pneumonie, Harnwegsinfekte und ein Dekubitus auftreten.

  • Rekonvaleszenz (4-7 Wochen): weitere Rückbildung der neurologischen Ausfälle abhängig von der Schwere der Erkrankung. Vollständige Heilung bei mildem Verlauf.

Abbildung 4-16.

Abbildung 4-16

Typischer klinischer Verlauf einer Japanischen Enzephalitis-Erkrankung.

(nach S. Kalayanarooj, 1995)

© 2005

Verdachtsmomente für JE:

  • Fieber,

  • klinische Zeichen einer Meningitis oder Enzephalitis,

  • Aufenthalt in Asien in den letzten 15 Tagen, insbesondere auf dem Land,

  • Liquorbefund.

Diagnostik

Im Blutbild finden sich meist eine mäßiggradige Leukozytose mit Erhöhung der neutrophilen Granulozyten im Differenzialblutbild und eine leichte Anämie.

Die Untersuchung des Liquors ergibt in der Regel eine Leukozytenzahl von 300-1000/μ1 mit Überwiegen der Lymphozyten. Die Glukose liegt im Normbereich, das Protein kann leicht erhöht sein.

Ein Anstieg der JE-Antikörper im Serum (idealerweise vierfach, z. B. durch Hämag glutinationshemmtest) oder der Nachweis von JE-IgM-Antikörpern (IgM capture ELISA) im Liquor oder Serum beweist die Genese der Erkrankung. Kreuzreaktionen mit Antikörpern gegen andere Flaviviren (am häufigsten Dengue-Viren) können jedoch Schwierigkeiten bei der serologischen Diagnostik bereiten. In den ersten Tagen kann der Antikörpernachweis noch negativ ausfallen. Andere Erkrankungen müssen ausgeschlossen werden.

Differenzialdiagnose

Bei Patienten mit Fieber und neurologischen Auffälligkeiten sollte, abgesehen von anderen viralen und bakteriellen Infektionen, in jedem Fall auch an eine zerebrale Malaria gedacht werden. In einigen Regionen Südostasiens überschneiden sich die Endemiegebiete für JE und Scrub-Typhus (Tsutsugamushi-Fieber). Ein enzephalitischer Verlauf dieser Rickettsiose kommt daher bei Buschwanderung in der Anamnese auch in Betracht.

Die durch das neu entdeckte Nipah-Virus (ein Paramyxovirus) verursachte Enzephalitis-Epidemie in Malaysia und Singapur in den Jahren 1998/99 wurde initial für JE gehalten.

Meningitis und Enzephalitis anderer Genese:
  • enzephalitischer Verlauf eines Dengue-Fiebers,

  • zerebrale Malaria,

  • enzephalitischer Verlauf einer Rickettsiose (Tsutsugamushi-Fieber),

  • Typhus abdominalis.

Therapiesupportive Maßnahmen beeinflussen den Ausgang

Es gibt keine spezifische antivirale Therapie bei JE; die Behandlung ist symptomatisch und besteht in der Überwachung der vitalen Funktionen, Vorbeugung bzw. Therapie von Komplikationen und rehabilitativen Maßnahmen. Kortikosteroide wurden lange Zeit verabreicht, ein Nutzen konnte jedoch nicht nachgewiesen werden. Ebenso wenig hat Interferon α-2a einen Einfluss auf den Ausgang der Erkrankung. Die Letalität wird abhängig vom Land mit etwa 20-40% angegeben. Sie wird von der Erkrankung selbst wie auch von der Qualität der supportiven Maßnahmen beeinflusst. Manche der JE-endemischen Länder verfügen über nur sehr bescheidene intensivmedizinische Möglichkeiten. Oft haben auch Kranke und deren Angehörige nicht die nötigen finanziellen Mittel zur Behandlung. Entsprechend variiert auch der Anteil bleibender Schäden. Man kann davon ausgehen, dass bei mehr als der Hälfte aller JE-Kranken neuropsychiatrische Schäden zurückbleiben.

▪. JE - ein Risiko für Touristen?

In den Jahren 1978 bis 1992 wurden weltweit 24 JE-Erkrankungen bei Ausländern registriert, von denen sechs Kranke verstarben und fünf bleibende Schäden davontrugen. Bis 1996 kamen noch mindestens vier weitere Erkrankungen bei Reisenden hinzu. Das Erkrankungsrisiko für die meisten Kurzzeitreisenden in Asien wird auf weniger als 1:1 Million geschätzt, in der Hauptübertragungszeit kann es in hochendemischen Gebieten jedoch 1:20000 bis 1:5000 pro Woche erreichen.

Vorbeugung

Moskitoschutz und Impfung

Die wichtigste Maßnahme ist der Schutz vor Moskitostichen am Abend durch angepasste Kleidung und Repellenzien.

Mehrere Impfstoffe wurden entwickelt. In China wird seit 1989 ein attenuierter Lebendimpfstoff verwendet. Der in Europa gebräuchlichste und auch in den USA zugelassene Impfstoff ist der japanische Formalin-inaktivierte Biken-Impfstoff (s. Kap. II.8.1.11).

Das Abwägen des Infektionsrisikos mit dem Risiko der Impfnebenwirkungen führte zu folgender Impfempfehlung für Reisende:

  • Personen, die sich einen Monat (WHO: 14 Tage) oder länger in endemischen ländlichen Gebieten insbesondere während der Hauptübertragungszeit aufhalten.

  • Personen, die sich in Gegenden mit epidemischer Verbreitung aufhalten.

  • Personen, die sich in besonderem Maße einem Infektionsrisiko aussetzen, wie z.B. bei ausgedehnter Aktivität im Freien in ländlichen Gebieten.

  • Personen, die möglicherweise unerwartet in Gebiete mit hohem Infektionsrisiko reisen müssen.

Weiterführende Literatur

  1. Kalayanarooj S. Japanese Encephalitis: Clinical Manifestations, Outcome and Management. In: Rojanasuphot S., Tsai T.F., editors. 26/3. Southeast Asian J Trop Med Publ Health; 1995. pp. 9–10. (Regional Workshop on Control Strategies for Japanese Encephalitis). [Google Scholar]
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4.10.3. Eosinophile Meningitis

Die vor allem in Ostasien vorkommenden, parasitär bedingten eosinophilen Meningitiden spielen in der Reisemedizin keine Rolle. Ihre Erreger sind Helminthen wie Parastrongylus cantonensis und Gnathostoma spinigerum. Differenzialdiagnostisch ist in den entsprechenden Ländern auch an eine Zystizerkose oder einen ektopen Paragonimusbefall zu denken.

Weiterführende Literatur

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4.11. Dengue-Fieber

REINHARD KRIPPNER

Dengue-Fieber, eine Arbovirose, ist eine der häufigsten bei Reisen in tropische Länder erworbenen Infektionen. Die Diagnose wird allerdings häufig verfehlt.

▪. Südostasien, Pazifik und Karibik - Hauptverbreitungsgebiete des Dengue-Fiebers

Das Dengue-Fieber ist der bedeutendste Vertreter der von Insekten übertragenen Virusinfektionen, der sogenannten Arbovirosen (arthropod-borne). Inzwischen ist Dengue-Fieber in mehr als 100 Ländern zwischen dem 26. nördlichen und 21. südlichen Breitengrad endemisch mit geschätzten 50 Millionen Infektionen und 400 000 Erkrankungen mit hämorrhagischer Symptomatik pro Jahr. Zwei Milliarden Menschen sind nach Schätzungen einem Infektionsrisiko ausgesetzt. Betroffen sind vor allem Südostasien, der Pazifische Raum, die Karibik, Mittel- und Teile Südamerikas (Abb. 4-17 ). In den letzten Jahren trat Dengue-Fieber auch vermehrt in Nordostaustralien und zum ersten Mal in Hongkong/Macao auf; in Indien und Bangladesch wurden erstmalig hämorrhagische Verlaufsformen berichtet. Wenige Informationen liegen bisher über die Verbreitung in Afrika vor. Hier tritt das Dengue-Fieber bisher nur in seiner klassischen Verlaufsform auf (s. u.).

Abbildung 4-17.

Abbildung 4-17

Verbreitung von Dengue-Fieber.

In den Endemiezonen sind vor allem Kinder betroffen, die der Infektion gehäuft zum Opfer fallen. Die durchschnittliche Letalität kann bei Epidemien und unzureichender Versorgung 5% erreichen, bei hämorrhagischem Verlauf oder Schock jedoch noch wesentlich höher liegen. In Südostasien treten die Erkrankungen das ganze Jahr über auf, jedoch mit deutlicher saisonaler Zunahme während der Regenzeit. Große Epidemien kehren alle drei bis fünf Jahre wieder, ohne dass es hierfür bisher eine befriedigende Erklärung gibt.

▪. Kleinste Wasseransammlungen genügen als Brutplätze für den Vektor

Tagaktive Moskitos der Gattung Aedes (Aedes aegypti und Aedes albopictus) übertragen das Virus, wobei der Mensch das einzige Virusreservoir zu sein scheint. Aedes-Mücken brüten in kleinsten Wasseransammlungen, so z. B. in Töpfen, Autoreifen, Kokosnussschalen, Aufzweigungen von Bananenstämmen etc. Dies hat zur Folge, dass Dengue-Fieber nicht nur in ländlichen Gebieten übertragen wird, sondern dass gerade in den Ballungszentren der Städte hohe Erkrankungszahlen vorkommen.

▪. Krankheitsbilder

Es lassen sich drei Verlaufsformen unterscheiden:

  • klassisches Dengue-Fieber

  • Dengue-Hämorrhagisches-Fieber (DHF)

  • Dengue-Schock-Syndrom (DSS).

Das einsträngige RNA-Virus, zur Gruppe der Flaviviren gehörend, lässt sich in vier Subtypen unterteilen. Nach Eindringen des Virus in den Körper des Menschen vermehrt sich das Virus im retikuloendothelialen System. Die Pathogenese des Dengue-Fiebers ist noch weitgehend ungeklärt. Die Beobachtung, dass ein schwerer Verlauf vor allem nach Zweitinfektion mit einem anderen Virus-Subtyp auftritt, führte zu der Hypothese, dass nicht-neutralisierende heterotypische IgG-Antikörper die Aufnahme und Vermehrung des Virus in Monozyten bzw. Makrophagen fördern (sogenanntes immune enhancement). Durch weitere Immunreaktionen kommt es zur Freisetzung von Mediatoren aus Monozyten und Lymphokinen aus aktivierten Lymphozyten. Hierdurch wird die Gefäßpermeabilität erhöht, was wiederum zu Blutungen und Schock führen kann. Dengue-Schock-Syndrom und Dengue-Hämorrhagisches-Fieber wurden selten nach Primärinfektionen beobachtet. Möglicherweise spielen genetische Faktoren und unterschiedlich virulente Virusstämme eine Rolle.

Das klassische Dengue-Fieber

Der Verlauf dieser Erkrankung kann am ehesten als „grippeähnlich” umschrieben werden. Etwa vier bis fünf Tage nach der Infektion kommt es zum plötzlichen Temperaturanstieg mit Werten von etwa 39-40°C. Begleitet wird das Fieber von unspezifischer Allgemeinsymptomatik wie retroorbitalen Kopfschmerzen, Gliederschmerzen und Abgeschlagenheit. Nicht selten kann in den ersten Tagen eine auffällige Hautrötung vor allem im Gesichts-, Nacken- und Oberkörperbereich, ein makulopapulöses oder petechiales Exanthem oder die Kombination beider Hautmanifestationen beobachtet werden. Leukopenie und geringgradige Thrombozytopenie können vorhanden sein, Hämatokrit und Gerinnungswerte liegen jedoch im Normbereich. Ein positiver Rumpel-Leede-Test ist nicht selten. Größere Blutungen treten in der Regel nicht auf, wobei Zahnfleisch-und Nasenbluten oder evtl. eine gastrointestinale Blutung vorkommen können. Das Fieber hält zwei bis sieben Tage an und kann einen biphasischen Verlauf zeigen. Der Entfieberung schließt sich eine manchmal etwas verzögerte Rekonvaleszenz an.

Dengue-Hämorrhagisches-Fieber (DHF) und Dengue-Schock-Syndrom (DSS)

Als Dengue-Hämorrhagisches-Fieber (DHF) wird eine Verlaufsform des Dengue-Fiebers bezeichnet, die einhergeht mit einer Thrombozytopenie (< 100 000 Thrombozyten/μl), mit hämorrhagischen Manifestationen und einem Flüssigkeitsverlust durch erhöhte Gefäßpermeabilität, erkennbar an zunehmender Hämokonzentration (oder Hämodilution unter Infusionsbehandlung). Bei fortschreitendem Volumenmangel kann dieses Krankheitsbild in ein Dengue-Schock-Syndrom (DSS) übergehen. Unklar ist, welche Faktoren einen solchen Krankheitsverlauf begünstigen.

Auf einen hämorrhagischen Verlauf deuten hin: Bauchschmerzen, Erbrechen, eine Verschlechterung des Allgemeinzustandes, spontan auftretende Petechien, Nasenoder Zahnfleischbluten, subkonjunktivale Blutungen, Hämatemesis und Meläna. Die körperliche Untersuchung zeigt meist eine Hepatomegalie und häufig eine Lymphadenopathie. Oft finden sich die Petechien zuerst an den abhängigen Körperpartien, beginnend an den Unterschenkeln, und dehnen sich im weiteren Verlauf über den Körper aus. Eine Schwellung des Gesichts, das Auftreten von Lidödemen und subkonjunktivalen Blutungen werden auch als „Dengue-Facies” bezeichnet. Petechien und hämorrhagische Manifestationen werden gewöhnlich kurz vor oder mit der Entfieberung beobachtet, bei biphasischem Fieberverlauf ein bis zwei Tage nach dem ersten Fieberabfall.

Diagnose

Die wichtigsten diagnostischen Kriterien für ein Dengue-Fieber lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • anhaltendes Fieber,

  • wenige Tage zurückliegender Aufenthalt in einem Endemiegebiet,

  • positiver Rumpel-Leede-Test oder Petechien (nicht obligat),

  • Leukopenie, Thrombozytopenie (nicht obligat),

  • ansteigender Dengue-Antikörpertiter oder positiver Dengue-IgM-Antikör-pernachweis.

Bei Dengue-Hämorrhagischem-Fieber (DHF):

  • Thrombozytopenie (< 100 000 Thrombozyten/μ1),

  • Anstieg des Hämatokritwertes um mindestens 20% (oder Abfall um mindestens 20% unter Infusionstherapie),

  • spontane Blutungen und/oder Petchien.

Nur in Ausnahmefällen wird für die spezifische Diagnose die Möglichkeit zum Virusnachweis mittels Kultur (nur wenige Tage nach Krankheitsbeginn) oder PCR bestehen. Die Interpretation einer Antikörperbestimmung mittels HHI, ELISA oder Dipstick kann durch Kreuzreaktionen mit anderen Flavivirusantikörpern erschwert sein. Virusspezifisches IgM tritt meist erst 5 Tage nach Krankheitsbeginn auf (siehe auch Kasuistik).

Differenzialdiagnose

Die Problematik der Diagnostik soll anhand von zwei Kasuistiken mit Fieber unklarer Genese dargestellt werden.

Kasuistik 1. Eine junge, vorher nicht exponierte Europäerin erkrankt noch während des Heimflugs von einem Thailandurlaub mit Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen. Im weiteren Verlauf treten Abgeschlagenheit, trockener Husten, einmalig Erbrechen und dünnflüssiger Stuhl auf. Kopfschmerzen im Stirnbereich und besonders bei Blickwendung.

Bei Aufnahme im Krankenhaus des Heimatorts am Abend des 4. Krankheitstages Fieberfreiheit, jedoch in der Nacht Anstieg der Temperatur auf 40,5°C.

Die wesentlichen Beschwerden und Befunde am 5. Krankheitstag:

  • Fieber seit 5 Tagen mit Allgemeinsymptomen,

  • leichte Lidschwellungen,

  • Leukopenie mit 1800/μl,

  • Thrombozytopenie mit 65 000/μl,

  • LDH 334 U/L,

  • GOT 30 U/L,

  • Malariadiagnostik negativ,

  • Dengue-Serologie negativ.

Diagnose: kann nicht gestellt werden.

Am 6. Tag Oberbauchschmerzen, kaffeesatzartiges Erbrechen und Teerstuhl. Am 7. Krankheitstag Petechien an beiden Unterschenkeln, die sich in den nächsten Tagen auf Rumpf und Arme ausdehnen. Auftreten von subkonjunktivalen Blutungen. Dengue-Antikörpertiter am 13. Krankheitstag im HHI: Titer höher als 1:320.

Diagnose: Dengue-Fieber mit hämorrhagi-scher Manifestation.

Trotz der initial negativen Dengue-Serologie wurde auf Grund der Reiseanamnese und der sich entwickelnden hämorrhagischen Manifestationen ein DHF angenommen und supportiv mit Infusionen, 20%igem Humanalbumin und wegen des Hb-Abfalls auf 7,8 g/dl mit einem Erythrozytenkonzentrat behandelt. Die Patientin entwickelte keine Schocksymptomatik und konnte am 16. Tag nach Beginn der Erkrankung wieder aus der stationären Behandlung entlassen werden.

Kasuistik 2. Eine junge Europäerin, in Jakarta/Indonesien lebend, klagt nach einem Tauchgang über Unwohlsein und Gliederbeschwerden. Trotzdem entschließt sie sich an diesem Wochenende noch zu einem weiteren Tauchgang! Die Beschwerden nehmen über die nächsten zwei Tage zu mit Auftreten von Fieber und Kopfschmerzen. Am 4. Krankheitstag sucht sie einen Arzt in Jakarta auf.

Die wesentlichen Beschwerden und Befunde am 4. Krankheitstag:

  • Kopf- und Gliederschmerzen seit 4 Tagen, Fieber seit 2 Tagen,

  • Leukopenie mit 3000/μl,

  • Thrombozytopenie mit 30000/μl,

  • Malariadiagnostik negativ,

  • Aufenthalt in einem Dengue-Fieber-endemischen Gebiet (Jakarta).

Diagnose: Verdacht auf Dengue-Fieber.

Die Patientin wird stationär in einem Krankenhaus Jakartas aufgenommen und symptomatisch behandelt. Temperaturen von 39-40°C, Kopf- und Gliederbeschwerden, ausgeprägte Abgeschlagenheit und Schwäche bestehen fort. Tägliche Kontrollen des Differenzialblutbildes und Thrombozytenzählung. Am 6. Krankheitstag berichtet die Patientin über schwarzen Stuhlgang. Am 7. Krankheitstag wird vom Labor im Differenzialblutbild Plasmodium falciparum entdeckt.

Neue Diagnose: Malaria tropica.

Die erneute Durchsicht der täglichen Differenzialblutbilder zeigte bereits am Tag nach der stationären Aufnahme eindeutig Malariaparasiten, die vom Laborpersonal zwei Tage lang übersehen wurden. Auf der Laboranforderung war jedoch nicht mehr nach Malaria gefragt worden. Entsprechend der Reiseanamnese hatte sich die Patientin zwei Wochen vor Erkrankungsbeginn an der Südküste Westjavas, einem Gebiet mit niedriger Malariaübertragung, aufgehalten. Andere Besuche in Malariagebieten lagen bereits mehr als ein halbes Jahr zurück. Jakarta selbst ist malariafrei.

Die vom behandelnden Arzt angeordnete Malariatherapie erhielt die Patientin erst am folgenden Morgen (8. Krankheitstag). Wegen zunehmendem Ikterus, Anämie und Dyspnoe erfolgte am gleichen Tag die Verlegung nach Singapur. Dort war am folgenden Tag eine Intubation und Beatmung wegen ARDS (adult respiratory distress syndrome) erforderlich. Nach einem zwei Tage anhaltenden sehr kritischen Zustand und insgesamt einwöchiger Beatmung erholte sich die Patientin allmählich. Eine mehrwöchige Rekonvaleszenz schloss sich an.

Aus den beiden genannten Beispielen ergeben sich folgende Schlussfolgerungen:

  • Dengue-Fieber und Malaria lassen sich zu Beginn klinisch nicht mit Sicherheit unterscheiden.

  • Leukopenien und Thrombozytopenien können bei beiden Erkrankungen sehr ausgeprägt sein.

  • Eine einmalige Untersuchung auf Malaria reicht zum Ausschluss dieser Krankheit nicht aus.

  • Antikörperbestimmungen fallen in der Frühphase einer Erkrankung nicht selten negativ aus.

  • Bei anfangs negativer Serologie und weiterbestehendem Verdacht sollte die Antikörperbestimmung nach 10-14 Tagen wiederholt werden.

  • Die Reiseanamnese darf trotz naheliegender Verdachtsdiagnose nicht vernachlässigt werden.

  • Andere Erkrankungen müssen mit ausreichender Sicherheit ausgeschlossen werden.

Bei Dengue-Fieber werden auch enzephalitische Verläufe beobachtet, so dass die Abgrenzung zu Enzephalitiden anderer Genese, wie z. B. einer Japanischen Enzephalitis, initial Schwierigkeiten bereiten kann.

Leuko- und Thrombopenie treten auch beim Typhus/Paratyphus auf.

Bei entsprechender Reiseanamnese (Buschwanderung) kommt in Südostasien differenzialdiagnostisch auch ein Milben-Fleckfieber (Scrub-Typhus, Tsutsugamushi-Fieber) in Betracht.

Auch das Chikungunya-Fieber, eine weitere Arbovirus-Infektion, kann mit hämorrhagischen Manifestationen einhergehen. Das Virus wurde für Dengue-ähnliche Epidemien auf den Philippinen, in Thailand, Kambodscha, Vietnam, Indien, Myanmar und Sri Lanka verantwortlich gemacht. Möglicherweise wird es nicht selten als Dengue-Fieber verkannt.

Therapie des Dengue-Fiebers:

  • keine kausale Therapie möglich,

  • Bettruhe,

  • Fiebersenkung, allerdings keine Acetylsalicylsäure (ASS) verabreichen,

  • Volumensubstitution mit Elektrolytlösungen, Humanalbumin, Plasmaexpandern,

  • Bluttransfusion, wenn indiziert.

Bis heute existiert keine kausale Behandlung des Dengue-Fiebers. Die Maßnahmen beschränken sich daher auf eine symptomatische und supportive Therapie. Das klassische Dengue-Fieber, sofern es als solches überhaupt erkannt wird, zeigt in der Regel einen unproblematischen Heilungsverlauf. Bettruhe und Verabreichung von Paracetamol zur Fiebersenkung sowie die Linderung von Kopf- und Gliederschmerzen sind die wichtigsten Maßnahmen. Acetylsalicylsäure (ASS) sollte nicht gegeben werden, um durch die Thrombozytenaggregationshemmung eine potentielle Blutungsneigung nicht zu verstärken.

Trotz eines scheinbar milden Verlaufs muss der Patient ausreichend überwacht werden, um erste Anzeichen eines DHF oder DSS nicht zu übersehen und rechtzeitig die supportive Behandlung einzuleiten. Auf Grund eines fehlenden eindeutigen Nutzens haben der Einsatz von Heparin und Kortikosteroiden keinen Eingang in die Behandlungsleitlinien für DHF/DSS gefunden.

Vorbeugung

Die wichtigste Vorbeugung besteht im Schutz vor Mückenstichen mit Repellenzien und geeigneter Schutzkleidung.

Europäer, die in Dengue-Fieber-endemischen Gebieten leben, müssen ihren Wohnbereich und den eventuell vorhandenen Garten frei von Gegenständen halten, die den Aedes-Moskitos als Brutplätze dienen könnten. Zierbecken sollten mit larvenfressenden Fischen besetzt sein oder regelmäßig mit Insektiziden behandelt werden. Ein Impfstoff befindet sich in der Entwicklung.

▪. Dengue-Fieber bei europäischen Reisenden?

Erst seit wenigen Jahren werden in Europa Dengue-Erkrankungen systematisch erfasst. Im Jahr 2002 wurden in Deutschland 218 dieser seit 2001 meldepflichtigen Erkrankungen registriert. Am häufigsten werden die Infektionen in Südostasien (dort vor allem bei Thailandaufenthalten im 2. und 3. Jahresquartal sowie in Indonesien), in Indien und Brasilien erworben. Das Risiko, an Dengue-Fieber zu erkranken, wurde für Reisende in endemischen Gebieten auf etwa 1:1000 geschätzt. Eine vermutlich nicht geringe Anzahl von Dengue-Erkrankungen wird aufgrund eines milden Verlaufs, wegen unterlassener Arztbesuche, einer möglichen Fehldiagnose als „Grippe” oder dem Verzicht auf eine kostenaufwendige serologische Abklärung nicht entdeckt. Untersuchungen an Tropenrückkehrern haben erkennen lassen, dass Europäer erheblich häufiger eine Dengue-Infektion erleiden, als ursprünglich angenommen. Dies gilt insbesondere für Personen, die sich, meist aus beruflichen Gründen, länger in endemischen Gebieten aufhalten. Hier liegt das Risiko wohl im Prozentbereich. Zwar wurden zahlreiche Fallberichte über hämorrhagische Dengue-Manifestationen bei Reisenden veröffentlicht, insgesamt sind sie jedoch selten.

Weiterführende Literatur

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4.12. Wurmkrankheiten

4.12.1. Schistosomiasis (Bilharziose)

GOTTFRIED KUSCH

Die Schistosomiasis umfasst Krankheitsbilder, die durch Infektion mit im Süßwasser lebenden Trematodenlarven der Gattung Schistosoma bedingt sind. Leichte Infektionen sind häufig asymptomatisch.

▪. Vom Süßwasserkontakt zum Eigranulom

Spätestens wenn eine hyperergische Reaktion mit Fieber und Bluteosinophilie, eine Hämaturie, Miktionsbeschwerden oder intestinale Beschwerden Wochen bis Monate nach einer Reise in tropische oder subtropische Gebiete Anlass zur weiteren Abklärung geben, muss bei der Reiseanamnese auch die Frage nach einem Süßwasserkontakt gestellt werden. Immerhin besteht in 74 Ländern die Möglichkeit, durch solch eine Exposition mit Tremato-den der Gattung Schistosoma infiziert zu werden (Abb. 4-18 und 4-19 , Tab. 4-15 ).

Abbildung 4-18.

Abbildung 4-18

Vorkommen von Schistosoma mansoni und Schistosoma intercalatum.

Abbildung 4-19.

Abbildung 4-19

Vorkommen von Schistosoma haematobium, Schistosoma japonicum und Schistosoma mekongi.

Tabelle 4-15.

Vorkommen der wichtigsten Schistosomen-Arten.

Erdteil/Land Schistosoma mansoni Schistosoma haematobium
Afrika
Ägypten + +
Äquatorial-guinea Schistosoma intercalatum
Äthiopien + +
Algerien +
Angola + +
Benin + +
Botswana + +
Bukina Faso + +
Burundi +
Elfenbeinküste + +
Gabun + +
Schistosoma intercalatum
Gambia + +
Ghana + +
Guinea + +
Guinea-Bissau + +
Kamerun + +
Schistosoma intercalatum
Kenia + +
Kongo Brazzaville + +
Kongo, + +
Demokratische Republik Schistosoma intercalatum
Liberia + +
Libyen + +
Madagaskar + +
Malawi + +
Mali + +
Marokko +
Mauretanien +
Mauritius +
Mosambik + +
Namibia + +
Niger + +
Nigeria + +
Ruanda +
Sambia + +
São Tomé und Principe + +
Schistosoma intercalatum
Senegal + +
Sierra Leone + +
Simbabwe + +
Somalia + +
Sudan + +
Südafrika + +
Swasiland + +
Tansania + +
Togo + +
Tschad + +
Uganda + +
Zentralafrikanische Republik + +
Amerika
Antigua +
Brasilien +
Dominikanische Republik +
Guadeloupe +
Martinique +
Puerto Rico +
St. Lucia +
Surinam +
Venezuela +
Asien
China Schistosoma japonicum
Indonesien Schistosoma japonicum
Iran +
Irak +
Jordanien +
Kambodscha Schistosoma mekongi
Laos Schistosoma mekongi
Libanon +
Malaysia Schistosoma malayenis
Oman + +
Philippinen Schistosoma japonicum
Saudi-Arabien + +
Syrien +
Thailand Schistosoma japonicum
Yemen + +
Europa
Türkei +

Die Invasion der nur 0,5 mm großen Zerkarienlarven durch die intakte Haut oder Schleimhaut kann innerhalb von 24 Stunden zu einer juckenden Dermatitis führen, so dass wegen des zeitlichen Zusammenhangs mit dem Baden in einem Fluss oder See von den Reisenden ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Dermatitis und dem Badeereignis vermutet wird. Auf eine spontane Mitteilung wartet man als Arzt jedoch vergebens, da die Dermatitis nur kurz andauert und bei der ärztlichen Untersuchung Wochen bis Monate nach der Reise in der Regel vergessen ist. Man muss deshalb ganz gezielt nach Süßwasserkontakten fragen und bei möglicher Infektion mit Schistosomenlarven (Abb. 4-20 ) eine tropenmedizinische Untersuchung veranlassen. Entscheidend ist es, an die Infektionsmöglichkeit zu denken!

Abbildung 4-20.

Abbildung 4-20

Auch wenn die Badegelegenheit noch so einladend ist - wie bei diesem Pool in der Massai-Steppe Nordtansanias -, sollte die Gefahr einer Bilharzioseinfektion nicht vergessen werden.

Nachdem es zu einer Infektion des Menschen durch die Zerkarienlarven gekommen ist - in der Trockenzeit kann die Larvenkonzentration und damit die Infektionsdosis in einem Gewässer sehr hoch sein -, gelangen diese über den Blutkreislauf in die Lunge und in die Leber. In diesen Organen erfolgen Wachstum und Reifung der Larven, in der Leber auch die Paarung der getrenntgeschlechtlichen Würmer.

Die Pärchen von 10-20 mm Länge gelangen in den Venenplexus der Harnblase (Schistosoma haematobium) oder in die der Mesenterialvenen (Schistosoma mansoni, Schistosoma japonicum, Schistosoma mekongi und Schistosoma intercalatum), wo es zur Eiablage kommt. Die 100-200 μm großen Eier (s. Farbtafel Abb. IV.4-21) können im Gewebe liegen bleiben, wo sie eine granulomatöse, immunologische Reaktion (s. Farbtafel Abb. IV.4-22) induzieren, oder mit Stuhl bzw. Urin ausgeschieden werden. Auf dem Nachweis dieser Eier im Stuhl oder Urin beruht die parasitologische Diagnose. Nur etwa 50% der produzierten Eier werden ausgeschieden. Die Krankheitserscheinungen von Seiten des Darmes oder/und Urogenitaltraktes sind Folge der Ei-Granulome. Es ist verständlich, dass häufige Infektionen zu einer größeren Wurm- und damit Eilast mit entsprechenden Gewebsveränderungen führen: Pro Weibchen werden 400-3500 Eier pro Tag bei einer Lebensdauer im Menschen von 3-35 Jahren ausgeschieden. Auch bei einmaligem Süßwasserkontakt kann die klinische Symptomatik erheblich sein (s. Abschnitt Kasuistik).

Voraussetzung zur Aufrechterhaltung der Infektionskette sind außer der Produktion von vermehrungsfähigen Eiern, die mit dem Urin oder Stuhl in das Süßwasser gelangen, das Vorhandensein aquatisch lebender Lungen- oder Kiemenschnecken als Zwischenwirte. In ihnen erfolgt eine massenhafte ungeschlechtliche Vermehrung der neuen Larvengeneration mit Ausbildung der den Menschen infizierenden Zerkarienlarve. Ohne diese Zwischenwirte gibt es keine Schistosomiasis!

▪. Schistosomiasis - die bedeutsamste tropentypische Wurmerkrankung

Nach Angaben der WHO (2002) sind 200 Millionen Menschen mit Schistosomen infiziert, weitere 600 Millionen Menschen leben in Gebieten, in denen Infektionsgefahr besteht. Von den Infizierten sind 120 Millionen Menschen erkrankt, davon 20 Millionen schwer. Die höchste Infektionsprävalenz findet sich bei Kindern bis zum 15. Lebensjahr, sie kann jedoch auch in den anderen Altersklassen bis zu 100% ausmachen.

Die meisten Menschen (100 Millionen) sind mit Schistosoma mansoni infiziert, etwa 90 Millionen mit Schistosoma haematobium und 5 Millionen mit Schistosoma japonicum. Doppelinfektionen von Schistosoma haematobium und Schistosoma mansoni sind in Afrika nicht selten. 85% der infizierten und infektionsgefährdeten Menschen leben in Afrika südlich der Sahara. Zum Vorkommen der Schistosomiasis siehe Abbildungen 4-18 und 4-19 sowie Tabelle 4-15.

Reisende werden vergleichsweise selten mit Schistosomen infiziert. Viele Infizierte sind asymptomatisch. Trotzdem stellt die Schistosomiasis auch für Reisende eine wichtige tropentypische Wurminfektion dar, die im Gegensatz zu vielen anderen Wurmerkrankungen in jedem Fall behandelt werden sollte. Symptome von Seiten des Harntraktes sind frühestens drei Monate, von Seiten des Intestinaltraktes frühestens vier Wochen nach Infektion zu erwarten.

Von den wenigstens 19 Schistosomenarten haben fünf eine wesentliche human-pathogene Bedeutung:

  • Schistosoma mansoni,

  • Schistosoma haematobium,

  • Schistosoma japonicum,

  • Schistosoma intercalatum,

  • Schistosoma mekongi.

Es gibt zoonotische Arten, durch die der Mensch infiziert werden kann, die aber außer einer Zerkariendermatitis keine Krankheitserscheinungen verursachen, da die Entwicklung im Menschen zu adulten Würmern unterbleibt. Während der Mensch bei Schistosoma mansoni, Schistosoma haematobium und Schistosoma intercalatum das einzige bedeutsame Reservoir darstellt, sind bei Schistosoma japonicum außer dem Menschen noch viele Säugetiere (Rinder, Wasserbüffel, Hunde, Schweine, Ziegen und andere) als Endwirte und Eiausscheider bekannt. Bei Schistosoma mekongi sind nicht selten Hunde infiziert.

In deutschen tropenmedizinischen Ambulanzen überwiegt die Zahl der Infektionen mit Schistosoma mansoni und Schistosoma haematobium, die weitaus meisten Patienten haben sich in Afrika infiziert.

Die Schistosomiasis ist die wichtigste humanpathogene Wurminfektion der Tropen und Subtropen. Das Auftreten der Schistosomiasis ist an bestimmte ökologische Bedingungen (Süßwasser, Zwischenwirte) und an ein bestimmtes Verhalten der Endwirte (Mensch und gegebenenfalls auch Säugetiere) gebunden. Neuinfektionen entstehen durch verschiedene Arten des Wasserkontaktes (Waschen, Baden, Durchwaten, Trinken). Besonders gefährdet sind Menschen, die in verseuchten Gebieten ihre tägliche Arbeit verrichten müssen, z. B. Reisbauern.

▪. Krankheitsbilder
Zerkariendermatitis

Als Reaktion auf absterbende, in die Haut eingedrungene Zerkarienlarven kann es gelegentlich innerhalb von 24 Stunden nach Infektion zu einem juckenden, erythema-tösen, makulösen oder papulösen Exanthem kommen, das nach wenigen Tagen wieder abklingt.

Katayama-Fieber

Ein typhoides Fieber mit hoher Bluteosinophilie und eventuellen urtikariellen Hauterscheinungen zwei bis acht Wochen nach Süßwasserkontakt, gegebenenfalls mit Hepatosplenomegalie und/oder generalisierter Lymphknotenschwellung muss an ein Katayama-Fieber denken lassen. Dabei handelt es sich um eine systemische Erkrankung mit einer Immunkomplexbildung durch die im Körper heranreifenden Schistosomen. Das Fieber klingt nach Tagen bis Wochen spontan ab und führt häufig zu differenzialdiagnostischen Problemen und mehrgleisigen therapeutischen Strategien (s. Abschnitt Kasuistik). Schwere Verläufe kommen vor. Kopf-, Nacken- und Gliederschmerzen, gastrointestinale Symptome und Husten können zusätzlich auftreten.

Urogenitale Schistosomiasis

Die urogenitale Schistosomiasis wird durch Infektionen mit Schistosoma haematobium hervorgerufen (s. Farbtafel Abb. IV.4-21). Klinische Leitsymptome sind (terminale) Hämaturie, Dysurie und Pollakisurie. Makroskopisch finden sich hyperämische Schleimhautbezirke, Papillome und Geschwüre, insbesondere am Trigonum der Blase. Sekundäre Veränderungen sind eine Verdickung der Blasenwand, Blasenwand-verkalkungen, Strikturen der Ureteren, Hy-droureter, Hydronephrose, Pyelonephritis und - in manchen Endemiegebieten gehäuft - das Blasenkarzinom. Granulome finden sich auch an Vulva, Vagina, Cervix uteri sowie sehr selten im Corpus uteri und in den Ovarien. Auch Samenblase, Prostata, Hoden und Nebenhoden können befallen sein.

Intestinale Schistosomiasis

Eine intestinale Schistosomiasis wird durch Infektionen mit Schistosoma mansoni, Schistosoma japonicum, Schistosoma intercalatum und Schistosoma mekongi hervorgerufen, gelegentlich auch durch Schistosoma haematobium. Stuhlunregelmäßigkeiten, kolikartige Bauchschmerzen und Durchfälle, zum Teil blutigschleimig, sind die Leitsymptome. Makroskopisch finden sich im Dickdarm ähnliche Veränderungen wie bei der urogenitalen Schistosomiasis in der Blase: hyperämische Schleimhautbezirke, Papillome und Geschwüre (s. Farbtafel Abb. IV, 4-22). Dünndarmbefall ist möglich (s. Abschnitt Kasuistik). Am stärksten betroffen sind das Rektosigmoid und das distale Kolon. Sekundärsymptome treten durch Blut-und Eiweißverlust auf. Ileus, Invagination und Rektumprolaps sind seltene Komplikationen. Eine Hepatosplenomegalie kann frühzeitig im Verlauf der Infektion auftreten.

Chronische hepatolienale Schistosomiasis

Die Vergrößerung von Leber und Milz bei gleichzeitiger portaler Hypertension ist Kennzeichen der chronischen hepatolienalen Schistosomiasis, die in Endemiegebieten bei bis zu 10% der Infizierten beobachtet wird, in der hiesigen Reisemedizin jedoch allenfalls bei Migranten eine Rolle spielt. Die Symptome entstehen durch periportale Leberfibrose mit folgender portaler Hypertension nach mehreren Jahren wiederholter Infektionen und Granulombildung. Müdigkeit, Schwäche, Aszites, Ödeme, Panzytopenie, Kollateralkreisläu-fe, Blutungen aus Ösophagusvarizen, Koma, Begleit- und Sekundärinfektionen (Sal-monellosen, Hepatitis B und C) sind die Folgen dieser chronischen Krankheit.

Ektope Schistosomiasis

Eine ektope Schistosomiasis entsteht durch aberrante Eier und/oder adulte Würmer. Die wichtigsten Lokalisationen sind das ZNS (Symptome: epileptische Anfälle, motorische und sensible Ausfälle, Halbseitenoder Querschnittssymptomatik, Blasen-und Mastdarmlähmung, Schmerzen) und die Lunge (pulmonale Hypertonie und Cor pulmonale).

Eine Immunkomplex-Glomerulonephritis muss an eine Infektion mit Schistosoma mansoni denken lassen.

An eine Infektion mit Schistosomen muss immer dann gedacht werden, wenn in entsprechenden Endemiegebieten ein Süßwasserkontakt mit Haut oder Schleimhäuten stattgefunden hat und Wochen bis Monate später eine hyperergische Reaktion mit Fieber und Bluteosinophilie, eine Hämaturie und Miktions- oder gastrointestinale Beschwerden auftreten. Auch bei anderen ungeklärten Symptomen, insbesondere des ZNS, muss wegen der Möglichkeit des ektopen Befalls eine Schistosomiasis in die differenzialdiagnostischen Überlegungen einbezogen werden. In der Regel wird die Konsultation eines Tropenmediziners erforderlich sein.

▪. Diagnostik
Direkte Verfahren

Die definitive Diagnose einer Schistosomiasis beruht auf dem Ei-Nachweis. Eier werden bei der urogenitalen Schistosomiasis im Urin oder in der Schleimhautbiopsie der Blase, bei der intestinalen Schistosomiasis im Stuhl oder in der Schleimhautbiopsie des Rektums nachgewiesen. Eier im Urin (Infektion mit Schistosoma haematobium) werden in der Regel frühestens nach drei Monaten, im Stuhl (Infektionen mit Schistosoma mansoni, Schistosoma japonicum, Schistosoma intercalatum, Schistosoma mekongi) frühestens nach vier bis sechs Wochen ausgeschieden. Die bioptischen Verfahren im Rahmen einer Zystoskopie oder Rektoskopie sind nur notwendig, wenn der Ei-Nachweis im Urin bzw. Stuhl auch in Anreicherungsverfahren (Sedimentation, Filtration und Zentrifugation von Stuhl in der Anreicherung nach Maldonado und der Merthiolat-Jod-Formaldehyd-Konzentration sowie der Untersuchung von Sammelurin) nicht gelingt und die aus den Eiern einer Stuhlprobe schlüpfenden Mirazidien-Larven im Mirazidien-Schlüpfversuch nicht nachgewiesen werden können.

Biopsate können sofort im ungefärbten und unfixierten Quetschpräparat auf das Vorhandensein von Eiern untersucht werden. Dabei ist es meist auch möglich, Aussagen über die Viabilität von Eiern zu machen. Eine Aussage zur Viabilität ist wichtig im Falle von Untersuchungen nach erfolgter Therapie, da tote Eier im Gewebe liegen bleiben können, obwohl die Therapie effektiv war und keine lebenden Eier mehr produziert werden.

Beim Ei-Nachweis ist zu beachten, dass Doppelinfektionen mit Schistosoma mansoni und Schistosoma haematobium sowie Schistosoma haematobium und Schistosoma intercalatum vorkommen können. Gelegentlich lassen sich Eier von Schistosoma mansoni auch im Harntrakt und von Schistosoma haematobium auch im Darmtrakt nachweisen. Besonders in der Wanderungs- und Reifungsphase der Schistosomen und insbesondere beim Kataya-ma-Syndrom findet sich eine Bluteosinophilie, im chronischen Stadium kann sie fehlen.

Indirekte Verfahren

In der Immundiagnostik (ELISA, IFT, IHA, Zerkarienhüllenreaktion) werden Antigene von Zerkarienlarven, adulten Würmern und/oder Eiern verwendet. Sie ist besonders als Screening-Untersuchung wertvoll, wenn im Frühstadium der Infektion noch keine Eier ausgeschieden werden oder ein ektoper Befall, z. B. bei neurologischer Symptomatik, vermutet wird. Abfallende oder nicht mehr nachweisbare Antikörper bei den Folgeuntersuchungen nach Therapie sind neben einem fehlenden Ei-Nachweis ein Kriterium einer parasitologischen Heilung. Als Verlaufsparameter nach Therapie sind serologische Kontrolluntersuchungen wegen des langsamen Antikörperabfalls jedoch erst nach 2 Jahren sinnvoll.

Nachteile der Immundiagnostik sind die fehlende Differenzierbarkeit der Schistosomenarten und Kreuzreaktionen bei Infektion mit zoonotischen Schistosomen und anderen Trematoden. Bei vermuteter Schistosomiasis und (noch) fehlendem Ei-Nachweis sollten serologische Kontrollen alle (2-)4 Wochen bis 3 Monate nach vermutetem Expositionszeitpunkt durchgeführt werden.

Antigen-Nachweise im Blut stehen nur in Speziallaboratorien zur Verfügung.

Der mikroskopische Nachweis lebender Schistosomeneier oder ein positiver Mirazidien-Schlüpfversuch beweisen das Vorliegen einer behandlungsbedürftigen Schistosomiasis. Serologische Methoden sind als Screening-Untersuchungen wertvoll. Ein positiver serologischer Befund bedarf weiterer tropenmedizinischer Abklärung.

▪. Differenzialdiagnose

Die Vielfältigkeit der Erscheinungsbilder bedingt eine große Anzahl von Differenzialdiagnosen, wobei die Zerkariendermatitis nach Rückkehr aus einem Schistosomiasis-Endemiegebiet in der Regel bereits abgeklungen ist und deshalb nicht zur Konsultation eines Arztes führt. Die Symptome der urogenitalen Schistosomiasis lassen vorrangig an Nieren- oder Harnleitersteine, Malignome und Infektionen, vor allem an die Tuberkulose, denken. Bei der intestinalen Schistosomiasis werden vorrangig andere virale, bakterielle und parasitäre Ursachen einer Enteritis, einschließlich der Amöbiasis und der Tuberkulose sowie Malignome und chronisch-entzündliche Darmerkrankungen in die differenzialdiagnostischen Überlegungen einbezogen werden müssen. Am umfangreichsten ist die Differenzialdiagnose eines Katayama-Syndroms, bei dem man wegen des Fiebers und einer Eosinophilie auch an eine Trichinose, Leberegelinfektion im akuten Stadium, die viszerale Larva migrans und die tropische Eosinophilie bei (okkulter) Filariose denken sollte. Bei Fieber und Hepatosplenomegalie kommen weitere infektiöse Ursachen in Frage, vor allem ein Typhus abdominalis, eine Brucellose, Endokarditis, Tuberkulose, Mononukleose, Zytomegalie, virale Hepatitis, Malaria, viszerale Leishmaniose, Trypanosomiasis, Toxoplasmose und eine Amöbiasis.

Wenn (bei Migranten) eine hepatolienale Schistosomiasis ohne Fieber vermutet wird, sollte die Diagnostik auch postinfektiöse Zustände, das tropische Splenomegalie-Syndrom, eine Echinokokkose, chronisch-hämolytische Anämien, lympho-und myeloproliferative sowie lymphoretikuläre Erkrankungen, Kollagenosen, Speicher- und Stoffwechselkrankheiten, eine Amyloidose, Sarkoidose, Herzinsuffizienz und Pericarditis constrictiva sowie Gefäßprozesse (Pfortaderthrombose, Budd-Chiari-Syndrom, veno-occlusive disease) berücksichtigen. Eine ektope Schistosomiasis erweitert die Differenzialdiagnose auf das neurologische, gynäkologische und dermatologische Fachgebiet.

Die umfangreiche Differenzialdiagnose bei Schistosomiasis macht in der Regel eine stationäre Diagnostik notwendig. Dies gilt besonders dann, wenn der Verdacht auf eine zusätzlich zur Schistosomiasis vorliegende Grunderkrankung infektiöser oder nicht-infektiöser Art vorliegt.

▪. Therapie

So komplex Biologie, Klinik und Differenzialdiagnose der Schistosomiasis auch sind, so einfach ist die antiparasitäre Therapie der nachgewiesenen Infektion:

Bei Infektionen mit Schistosoma haematobium, Schistosoma mansoni und Schistosoma intercalatum erfolgt die Therapie mit Praziquantel 40 mg/kg Körpergewicht pro Tag über drei Tage. Die Dreitagestherapie ist wahrscheinlich der von der WHO empfohlenen Eintagestherapie bezüglich Heilungsraten überlegen. Angesichts fehlender Hinweise auf vermehrte Nebenwirkungen (s.u.) einer dreitägigen Therapie sollte die längere Therapiedauer gewählt werden. Bei Infektionen mit Schistosoma aponicum und Schistosoma mekongi werden 60 mg/ kg Körpergewicht Praziquantel für drei Tage empfohlen, wobei die Tagesdosis in 2 Dosen von je 30 mg/kg Körpergewicht im Abstand von 4-6 Stunden eingenommen werden sollte.

Praziquantel tötet die adulten Würmer, so dass es zu keiner weiteren Eiproduktion und damit Organschädigung kommt. Je nach Untersuchungsmethode (nur Ei-Nachweis im Stuhl und Urin oder zusätzlich auch in Biopsien, Antikörper- oder Antigen-Nachweis) werden mit dieser Therapie parasitologische Heilungsraten von 60-100% berichtet. Sollte bei einer Nachuntersuchung nach drei bis sechs Monaten festgestellt werden, dass weiterhin viable Eier produziert werden, empfiehlt sich die Wiederholung der Therapie. Bei Schwangeren sollte die Therapie bis nach der Entbindung aufgeschoben werden; das Stillen sollte für die Zeit der Therapie (drei Tage) unterbrochen werden. Die Verträglichkeit von Praziquantel ist ausgezeichnet. Nebenwirkungen (Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Benommenheit, Fieber, gastrointestinale Beschwerden, urtikarielle Hautreaktionen) treten äußerst selten auf, bei Kindern häufiger als bei Erwachsenen.s

Ein Katayama-Fieber wird symptomatisch behandelt, da in diesem Stadium eine Therapie mit Praziquantel nicht oder nur teilweise wirksam ist. Bei schweren Verläufen kann eine Steroidmedikation erforderlich sein.

Die Therapie aller Formen der urogenitalen, intestinalen, chronischen hepatolienalen und ektopen Schistosomiasis erfolgt mit Praziquantel. Alternativ kann nach mehrfacher erfolgloser Anwendung von Praziquantel Metrifonat für die Therapie der Schistosoma haematobium- und Oxamniquine für die Therapie der Schistosoma-mansoni-Infektion angewendet werden. Die Therapie des Katayama-Fiebers erfolgt symptomatisch.

▪. Vorbeugung

Durch Meiden von Wasserkontakt mit Haut und Schleimhäuten in endemischen Gebieten und durch Filtern von Trinkwasser kann eine Infektion durch Zerkarien-larven sicher vermieden werden. Die Applikation von 7,5% N,N-Diethyl-m-Toluamid (DEET) - Inhaltsstoff in Insekten-Repellentien - verhindert die Zerkarien-Invasion durch die Haut. Da die Larven innerhalb von drei Tagen nach Verlassen des Zwischenwirtes (Schnecke) absterben, wenn sie keinen Endwirt gefunden haben, stellt Wasser aus Vorratsbehältern nach dieser Zeit hinsichtlich einer Schistosomi-asis keine Gefährdung mehr dar. Es gibt Hinweise für eine gute Wirksamkeit von Artesunate in der prophylaktischen Anwendung nach erfolgter Exposition.

Vorbeugung für die einheimische Bevölkerung umfasst im Rahmen eines Gesundheitserziehungsprogrammes die Bereitstellung sicheren Brauch- und Trinkwassers, sicherer Wasch- und Badeplätze, den Bau von Latrinen sowie die Chemotherapie von Infizierten und Erkrankten. Diese Maßnahmen können durch Schneckenbe-kämpfung ergänzt werden. Impfstoffe sind in Entwicklung.

Kasuistik. Eine 29-jährige Individualtouristin auf Madagaskar erkrankt zwei Monate nach Reisebeginn mit Fieber. Wegen Verdachts auf eine vorliegende Malariainfektion erfolgt eine Selbstbehandlung mit Malariamedikamenten. Sechs Wochen später treten erstmals wässrige Durchfälle mit krampfartigen Bauchschmerzen und erneut Fieber auf. Es erfolgt eine Selbstbehandlung mit einem Antibiotikum. Nachdem es zu keiner Besserung kommt, erfolgt die stationäre Aufnahme in der Hauptstadt Antananarivo. Trotz parasitologisch negativer Blutausstriche erhält die Patientin Chinin parenteral, zusätzlich Metronidazol. Wegen Verschlechterung des Zustandes fliegt sie eine Woche später nach Deutschland. Es werden Eier von Schistosoma mansoni im Stuhl gefunden, koloskopisch ergibt sich eine Panenterokolitis mit Beteiligung des Dünndarms (s. Farbtafel Abb. IV.4-22). Die Patientin erhält Praziquantel und wegen des fortbestehenden typhösen Krankheitsbildes Ciprofloxacin. Außer der Schistosomeninfektion werden jedoch keine weiteren Ursachen der Erkrankung gefunden. Drei Monate nach Krankenhausentlassung erfolgt bei Wohlbefinden der Patientin eine Nachuntersuchung einschließlich Endoskopie, die keinen wesentlichen pathologischen Befund ergibt.

Weiterführende Literatur

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Informationen im Internet

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  2. Centers for Disease Control and Prevention. http://www.cdc.gov/ncidad/dpa/parasites/schistosomiasis/default.htm
  3. World Health Organization: http://www.who.int./wormcontrol/documents/maps/country/en

4.12.2. Filariosen

GUNTHER VON LAER

Die wichtigsten Filariosen des Menschen sind die Onchozerkose, die lymphatischen Filariosen und die Loiasis. Sie werden durch unterschiedliche Nematoden (Fadenwürmer) hervorgerufen, die als erwachsene Parasiten und als Larvenstadien im Menschen leben. Die Dracunculiasis wird wegen einiger Ähnlichkeiten hier mitaufgeführt, obwohl der Erreger streng genommen keine Filarie ist, sondern den Dracunculoideae angehört.

Die Filariosen spielen in der klinischen Reisemedizin eine nur untergeordnete Rolle, können jedoch in Einzelfällen differenzialdiagnostisch bei Rückkehrern aus tropischen Gebieten von Wichtigkeit sein. Nicht immer ist eine Therapie dieser Infektionen indiziert.

▪. Onchozerkose (Onchocerciasis)

Die Onchozerkose („Flussblindheit”) ist eine Nematodeninfektion des Menschen durch Onchocerca volvulus.

Die Onchozerkose kommt bei ca. 20 Millionen Menschen in großen Teilen des tropischen Afrikas, im Jemen und in Lateinamerika vor (Abb. 4-23 ).

Abbildung 4-23.

Abbildung 4-23

Gebiete mit Vorkommen von Onchozerkose, lymphatischer Filariose und Loa loa.

Mikrofilarien als Ursache der Krankheitserscheinungen

Der Erreger Onchocerca volvulus wird als infektiöse Larve durch den Stich von Simulien auf den Menschen übertragen. Die Reifung zum erwachsenen Männchen oder Weibchen dauert rund zwölf Monate. Subkutan tastbare, fibröse Knoten (Onchozerkome) beim Patienten enthalten dann ein Knäuel erwachsener Würmer beiderlei Geschlechts (s. Farbtafel Abb. IV.4-24). Circa 12-20 Monate nach der Infektion (Präpatenzzeit) werden erste Nachkommen (Mikrofilarien) produziert. Diese schwärmen in der Kutis und Subkutis aus und sind für die klinischen Symptome der Onchozerkose verantwortlich (s. u.). Die Mikrofilarienproduktion eines Wurmes im Menschen endet nach maximal 15 Jahren. Die in O. volvulus lebenden Wolbachien - essenzielle Endosymbion-ten - tragen zur Fertilität der Filarien und zur Immunpathologie bei.

Die Onchozerkose weist ein weites Spektrum klinischer Symptome an verschiedenen Organen auf und verläuft individuell und geographisch sehr unterschiedlich. Wie alle anderen Filariosen verläuft sie nur selten tödlich. Schwere Spätschäden sind nur bei Bewohnern eines hyperendemischen Gebietes zu erwarten. Dagegen sind Reisende kaum betroffen. Tabelle 4-16 listet die organspezifischen Auffälligkeiten und Krankheitsbilder auf.

Tabelle 4-16.

Klinische Erscheinungsformen der Onchozerkose.

Organ Symptome Krankheitsbilder
Haut Juckreiz, Flecken, Papeln, Urtikaria; späte Zeichen: Lichenifikation, Pachydermie, „leopard skin“, Atrophie, Elastizitätsverlust, „Altershaut“ Onchodermatitis, Onchodermatose (s. Farbtafel Abb. IV.4-26)
Augen Visus reduziert, unscharfes Sehen, „röhrenförmiges Gesichtsfeld“, Sehverlust/Blindheit Keratitis punctata, laterale/mediale Pannusbildung, Iritis, Iridozyklitis, Retinitis, Optikusatrophie
Lymphknoten Lymphknotenvergrößerung, Lymphknotendruckschmerz, Lymphödem akute Lymphadenitis, chronisch-fibröse Lymphadenitis, Lymphknotenfibrose (s. Farbtafel Abb. IV.4-26)
Mehrere Organe: Sowda (= besondere Verlaufsform) extremer Juckreiz, starkes Ödem, Lymphknotenvergrößerung, wenig/keine Onchozerkome tastbar; histologisch: dichtes eosino-philes Infiltrat akute Dermatitis, Lymphadenitis, chronische Dermatose, chronisch-reaktive Onchodermatitis

Diagnose durch Hautbiopsie

Die Onchozerkome liegen meist tastbar als derbe, frei verschiebliche Knoten an typischer Stelle zwischen Haut und Knochen in der Subkutis (z. B. Os sacrum, Spina iliaca; in Mittelamerika oft: Kopf, Hals und Schultergürtel). Der direkte mikroskopische Mikrofilariennachweis gelingt aus Hautbiopsien („skin snip”), die mehrere hundert Mikrofilarien pro Milligramm Haut enthalten können. Die serologische Diagnostik mit filarienspezifischen Antigenen ist unspezifisch und spezialisierten Labors vorbehalten.

Ophthalmologische Untersuchungen sind bei gesicherter Onchozerkose obligat (s. Kap. III.9).

Therapie und Bekämpfung

Die Nodulektomie (chirurgische Knotenexstirpation) ist insbesondere bei Onchozerkomen am Kopf sinnvoll, da hier die Mikrofilariendichte in der Nähe der Augen hoch sein kann (Gefahr der Erblindung!), und bei der besonderen Verlaufsform „Sowda” (s. Tab. 4-16 und Farbtafel Abb. IV.4-25), da hierdurch eine schnellere Heilung zu erreichen ist. Ivermectin (Mectizan®) und Doxycyclin sind inzwischen die wichtigsten Medikamente zur Therapie, wobei Doxycyclin zur Behandlung der Wolbachien-Infektion über 3 Wochen in einer Dosierung von 100 mg/Tag gegeben werden sollte.

Als Alternative ist weiterhin das mikrofilarizide Diethylcarbamazepin (DEC) im Einsatz, sollte aber wegen seiner Nebenwirkungen möglichst nicht mehr verwendet werden.

Die Onchozerkose ist in einigen Regionen ein häufiger Grund verhütbarer Blindheit. Reisende sind von dieser Erkrankung selten betroffen.

▪. Lymphatische Filariosen

Die Erreger der lymphatischen Filariosen des Menschen sind Wuchereria bancrofti sowie Brugia malayi und Brugia timori. Die erwachsenen Würmer in den Lymphbahnen und Lymphknoten rufen beim Wirt lokale Entzündungsreaktionen hervor.

Das Risiko einer klinisch relevanten Erkrankung ist bei Reisenden sehr gering, bei Langzeitexposition größer. Bei den über 120 Millionen Infizierten im Tropengürtel werden sehr unterschiedliche Symptome hervorgerufen. Viele Infizierte bleiben asymptomatisch.

Mikrofilarien mit Tag-Nacht-Rhythmus

Aus den beim Stich der Mücke übertragenen infektiösen Larven im Drittstadium entwickeln sich die erwachsenen Würmer (Abb. 4-27 ). Die Weibchen produzieren in den Lymphbahnen Mikrofilarien. Diese gelangen in den Blutkreislauf und sind dort nachts nachweisbar. Diese zirkadiane Rhythmik der Verteilung der Mikrofilarien im Menschen entspricht der zumeist nächtlichen Stechaktivität der Überträger. Regional kommt auch eine periphere Mikrofila-riämie über Tag vor (z. B. Variatio pacifica). Die Mikrofilarien werden vom Wirt ohne wesentliche Symptome toleriert.

Abbildung 4-27.

Abbildung 4-27

Aspekte der Übertragung von Filarien am Beispiel der lymphatischen Filariose.

Bei den lymphatischen Filariosen lassen sich verschiedene Reaktionstypen des Wirtes abgrenzen: areaktiv bzw. asymptomatisch (Immuntoleranz), rezidivierende lokale Entzündung in der Nähe des Wurms, „Filarienfieber” und tropische Eosinophilie.

Makrofilarien als Ursache von Elephantiasis

Für die Schwere der Erkrankung sind die Wurmlast über Jahre, die Häufigkeit der Infektionen, die individuelle Reaktion des Wirtes und auch das Auftreten von Superinfektionen (Bakterien, Pilze) entscheidend. Der Verlauf ist chronisch über Jahre bis Jahrzehnte. Die Lymphabflussstörung durch narbige bzw. fibrotische Verlegung der Lymphdrainage („Elephantiasis”) ist Folge der chronisch-rezidivierenden Entzündungen, die durch die Makrofilarien ausgelöst und unterhalten werden.

Der erwachsene Wurm im Lymphgefäß oder im Lymphknoten kann eine lokale immunologische Reaktion mit den typischen unspezifischen, histologischen und klinischen Entzündungszeichen hervorrufen. Druckschmerz, Rötung und Ödem an Lymphknotenstationen (häufig inguinal) sind im Endemiegebiet bekannt, auf wenige Wochen begrenzt und rezidivierend (Abb. 4-28 ). Die Episoden der entzündlichen Lokalreaktion weisen in Dauer, Ausprägung und Häufigkeit erhebliche individuelle Unterschiede auf. Den chronisch-rezidivierenden Infiltrationen und Ödemen kann die lokale fibrotische Stenosierung der Lymphbahnen (Lymphknotenfibrose, narbige Lymphgefäßverschlüsse) folgen: Immer weniger Lymphe wird drainiert, der Druck in den distalen Lymphgefäßen steigt, Klappeninsuffizienz im Lymphgefäß und lymphatische Varikosis (z. B. auch in den ableitenden Harnwegen) können sich entwickeln (Abb. 4-29 ). In ca. 2% der Fälle entwickelt sich eine typische Elephantiasis (s. Farbtafel Abb. IV.4-30). Die Extremität oder das betroffene Organ (z.B. Mamma, Skrotum) können ein Vielfaches ihres Normalgewichtes erreichen. Nicht selten ist die Funktion eingeschränkt, und Folgeschäden an anderen Organen, wie z. B. Lymphfisteln der ableitenden Harnwege (Chylurie), treten auf. Das Filarienfieber stellt eine häufig rezidivierende, generalisierte Reaktion auf die Infektion dar, die oft mit den lokalen Symptomen gleichzeitig auftritt. Die 2-3 Wochen dauernde, fieberhafte Erkrankung ähnelt einem grippalen Infekt. Ihr können symptomfreie Phasen unterschiedlicher Dauer folgen. Die tropische pulmonale Eosinophilie (TPE) ist ein Syndrom mit extrem hohen Eosinophilenzahlen im peripheren Blut (bis 70%), das selten auch bei Rückkehrern, häufiger bei Langzeitaufenthalten vorkommt. Dabei wird häufig bei der Abklärung von Husten ein Lungeninfiltrat („Löffler”) gefunden (s. Kap. IV.3.4). Filarien sind wohl auslösend, die Serologie mit Filarienantigen fällt positiv aus, das IgE ist erhöht, ein parasitologischer Mikrofilariennachweis gelingt aber nicht. Die Diagnose der tropischen Eosinophilie kann durch eine Therapie mit DEC ex juvantibus gesichert werden (s. u.): Es kommt innerhalb von Tagen bis wenigen Wochen zur Normalisierung der eosinophilen Zellzahlen im Blut.

Abbildung 4-28.

Abbildung 4-28

Pathophysiologische Aspekte: frühe lymphatische Filariose mit Wechsel von Entzündung und Remission in Lymphgefäßen und Lymphknoten des Wirts.

Abbildung 4-29.

Abbildung 4-29

Pathophysiologische Aspekte bei lymphatischer Filariose: späte, irreversible Veränderungen an Lymphgefäßen und Lymphknoten mit proximaler Lymphabflussstörung und distalem Lymphödem.

Diagnose durch direkten Parasitennachweis im Blut

Der parasitologische Direktnachweis der drei möglichen Erreger aus dem peripheren Blut, der im Allgemeinen nur durch spezialisierte tropenmedizinische Institutionen geführt werden kann, muss die zir-kadiane Rhythmik der peripheren Mikrofilariämie berücksichtigen (Blutentnahme nachts, s.o.). Blutausstriche, Filtermethoden, Dicker Tropfen, Anreicherung nach Knott und zusätzliche einfache Färbung zur Artdiagnose sind die diagnostischen Methoden. Die Serologie kann Hinweise geben, ist aber selten beweisend. Moderne Methoden wie der Ultraschallnachweis der adulten Würmer im Skrotum oder die Lymphszintigraphie können im Einzelfall nützlich sein.

Therapie und Bekämpfung

Bei infizierten Tropenrückkehrern ist die Behandlungsindikation wegen der geringen Wurmlast und bei Fehlen von klinischen Symptomen sehr eng zu stellen. Die Therapie ist erfahrenen Tropenärzten vorbehalten.

Kurzzeit-Reisende sind von einer lymphatischen Filariose nur sehr selten betroffen.

▪. Loiasis

Die Loiasis ist eine Infektion mit dem Fadenwurm Loa loa.

Etwa zehn Millionen Menschen sind mit Loa loa infiziert. Die Loiasis tritt ausschließlich in der Regenwaldzone Afrikas auf (s. Abb. 4-23).

Übertragung durch Bremsen

Überträger der Loiasis sind Bremsen der Gattung Chrysops, die in schattigen Bereichen feuchttropischer Wälder Zentralafrikas leben. Die tagaktiven, geschickten Flieger stechen den Menschen schmerzhaft, auch durch leichte Kleidung. Sie brüten in morastigem Gelände.

Erreger mit periodischem Auftreten im Blut

Die infektiösen, ca. 2 mm langen Larven des Erregers werden bei dem Stich der Mangrovefliegen auf den Menschen übertragen. Die Reifezeit zu erwachsenen Würmern beträgt ca. 6-12 Monate, sie bleiben bis zu 15 Jahren im Menschen fortpflanzungsfähig. Der Befruchtung folgt die zyklische Produktion von Mikrofilarien durch die erwachsenen Würmer in der Unterhaut des Menschen. Die Mikrofilarien von Loa loa werden besonders mittags („Microfilaria diurna”) im zirkulierenden Blut gefunden.

Leitsymptom Calabarschwellung

Oft werden die Loa-loa-Würmer und ihre Mikrofilarien vom Wirt ohne Symptome toleriert. Einige Infizierte weisen folgende Beschwerden einzeln oder in Kombination auf:

  • Pruritus,

  • Calabarschwellung (s.u.),

  • Beschwerden durch die Wurmwanderung.

Quälender Juckreiz an wechselnden Körperregionen (besonders Oberkörper, Schultergürtel, Gesicht) kann den Infizierten erheblich beeinträchtigen.

Die sogenannte Kamerun- oder Calabarschwellung ist gelenknah flach-erhaben, schmerzarm, umschrieben, misst bis etwa 20 cm im Durchmesser und geht mit Hyperämie, gelegentlich auch mit Pruritus einher. Die Schwellung bleibt kurze Zeit bestehen (bis wenige Wochen) und tritt häufig nach symptomfreiem Intervall (Wochen bis Monate) an anderen Körperregionen wieder auf. Die allgemeine Differenzialdiagnose der wechselnden Hautschwellungen muss rheumatische und hyperergisch-allergische Erkrankungen miteinschließen.

In der Subkutis bleibt die Wanderung der Loa-loa-Makrofilarie meist ohne Reaktion des Wirtsorganismus. Sie wird in der oberen Hautschicht gelegentlich, besonders nach DEC-Anwendung, als geschlängelte Struktur sichtbar. Eine sichtbare Wanderung der Loa-loa-Makrofilarie durch die Konjunktiva erfolgt rasch innerhalb von Minuten (s. Farbtafel Abb. III.9-2). Der gut sichtbare, aktiv bewegliche Wurm löst gelegentlich ein lokales Ödem aus. Eine weitergehende pathogene Wirkung des Parasiten am Auge ist nicht bekannt.

Bei Patienten mit hoher Mikrofilariendichte im Blut kommen aufgrund einer allergischen Reaktion auf die Lyse intrazerebraler Mikrofilarien spontane Meningoenzephalitiden vor. Häufiger ist diese Komplikation bei der DEC-Behandlung von Patienten mit hoher Mikrofilariendichte im Blut. Zusätzlich kann die therapeutisch induzierte rasche Agglomeration der absterbenden Mikrofilarien intravasal zu multiplen intrazerebralen Infarkten führen. Daher sind quantitative Feststellung der Mikrofilariendichte im Tagblut und die kritische Prüfung jeder Behandlungsindikation vor der DEC-Gabe notwendig.

Diagnostik

Mikrofilarien werden besonders mittags im peripheren Blut mit Anreicherungsverfahren (Filtermethoden, Anreicherung nach Knott) gefunden und zur Artdiagnose nach Giemsa gefärbt. Mehrfacher Nachweisversuch ist sinnvoll, da individuelle und tageszeitliche Schwankungen der Mikrofilariendichte zu falsch-negativen Resultaten führen können. Nach der Filtration von Blut können die Mikrofilarien auf dem Filter nach der Färbung mikroskopisch identifiziert werden. Oft finden sich eine sehr hohe Eosinophilie (bis 70%) und eine IgE-Vermehrung.

Therapie und Bekämpfung

DEC ist auch bei Loa loa gegen die Mikrofilarien und die erwachsenen Würmer wirksam. Loa loa kommt vereinzelt bei Touristen oder bei Langzeitaufenthalten in den Tropen vor, und der Arzt ist auch bei klinisch stummer Infektion gelegentlich mit imperativen Therapiewünschen konfrontiert. Wegen der möglichen Nebenwirkungen sind Vorsicht und spezielle Kenntnisse für jede Therapie geboten.

Die chirurgische Extraktion eines Wurmes (z. B. aus der Konjunktiva) ist im Endemiegebiet bei laufender Reinfektion sinnlos. Beim Reisenden kann nach der Heimkehr besonders bei psychischer Alteration durch den sichtbar gewordenen Wurm die aktive Entfernung eines Wurmes im Einzelfall nützlich sein.

Bei Reisenden und Tropenrückkehrern sind gelegentlich Infektionen mit Loa loa nachweisbar. Krankheitszeichen sind jedoch selten. Da die Therapie nicht ohne Risiken ist, sollte vor der Durchführung der Rat eines erfahrenen Tropenmediziners eingeholt werden.

▪. Dracunculiasis

Der Erreger der Dracunculiasis ist ein bis 80 cm langer Fadenwurm (Dracunculus medinensis, „Medinawurm”) aus der Überfamilie Dracunculoideae.

Die Dracunculiasis kommt in Afrika südlich der Sahara und im Jemen vor. 70% der Erkrankungen weltweit finden sich im Sudan. Die Erkrankung ist mit Ulzeration der Haut, häufigen lokalen Superinfektionen und gelegentlich Beteiligung von Gelenken im Endemiegebiet ein bekanntes Leiden. Die Folgen sind langfristig Arbeitsunfähigkeit, Beschwerden und Gefährdung durch Superinfektionen des Wurmkanals bis hin zur Sepsis. Für die vollständige Entwicklung des Erregers im biologischen Zyklus sind der direkte Wasserkontakt der betroffenen Körperregion und die spätere Aufnahme des Erregers durch das Verschlucken der Zwischenwirte (Süßwasserkrebse) beim Trinken notwendig.

Aufgrund erfolgreicher Bekämpfungsmaßnahmen ist mit der Ausrottung von Dracunculus medinensis in den nächsten Jahren zu rechnen. In der Reisemedizin spielt die Dracunculiasis keinerlei Rolle.

Weiterführende Literatur

  1. Hörauf A., Mand S., Büttner D.W. Doxycyclin zur Chemotherapie der Filariosen. Deutsches Ärzteblatt. 2003;37 [Google Scholar]
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  5. WHO: Dracunculiasis. Weekly Epidemiological Record, laufende Berichterstattung.

4.12.3. Andere Wurmkrankheiten

HARALD KRETSCHMER

Die Wurmkrankheiten des Menschen werden durch drei große Gruppen von Würmern hervorgerufen: Nematoden oder Fadenwürmer, Trematoden oder Saugwürmer und Cestoden oder Bandwürmer.

Wurmerkrankungen spielen in ärmeren Ländern eine große Rolle und fordern jährlich Millionen von Todesopfern. In der Reisemedizin sind die Wurmerkrankungen des Darmes wegen der geringen Häufigkeit von Infektionen und der leichten klinischen Verläufe von untergeordneter Bedeutung. Abgesehen von Schistosomen führen Strongyloiden, Taenia solium, Fasciola hepatica, Paragonimus, Echinokokken und Trichinellen nach Infektion während einer Reise gelegentlich zu schweren Krankheitsbildern. Den ersten Hinweis auf das Vorliegen einer Wurmkrankheit gibt meistens eine zufällig entdeckte mäßige bis starke Eosinophilie (s. Kap. IV.3.1); viel seltener sind Durchfälle und abdominelle Beschwerden Anlass für eine eingehendere Diagnostik. Zwischen Infektionszeitpunkt während einer Reise und Auftreten von Symptomen liegen wegen der komplizierten Entwicklungszyklen der Würmer im Menschen Wochen oder gar Monate. Tabelle 4-17 fasst die wichtigsten Informationen zu den unten aufgeführten Wurmkrankheiten zusammen.

Tabelle 4-17.

Durch Stuhluntersuchungen diagnostizierbare Wurminfektionen.

Klinische Symptome Erreger Infektionsweg Lebenszyklus Komplikations-möglichkeiten Therapie
Diarrhö, eventuell Obstipation, Tenes-men, Übelkeit Ascaris lumbricoides 15-40 cm lang mit menschlichen Fäkalien oder Erde kontaminierte Nahrungsmittel Reservoir: Mensch Zwischenwirt: ø Wanderung der Larve durch die Lunge Husten, Dyspnoe, Fieber während der Lungenwanderung; Cholangitis und Leberabszesse, Heus Mebendazol, Albendazol
Trichuris trichiura 3-5 cm lang mit menschlichen Fäkalien oder Erde kontaminierte Nahrungsmittel Reservoir: Mensch Zwischenwirt: ø Rektumprolaps Mebendazol, Albendazol
Ancylostoma duode-nale, Necator americanus 0,1-1 cm lang perkutane Invasion der Larve bei Kontakt mit kontaminierter Erde Reservoir: Mensch Zwischenwirt: 0 Wanderung der Larve durch die Lunge Juckreiz an der Hauteintrittspforte; Anämie, Eiweißmangel; Bronchitis während der Lungenwanderung Mebendazol, Albendazol
Strongyloides ster-coralis 0,1-0,2 cm lang perkutane Invasion der Larve bei Kontakt mit kontaminierter Erde; endogene (über Darm-mukosa) oder exogene (mit Stuhl kontaminierte Haut), Autoinfektion häufig Reservoir: Mensch Zwischenwirt: 0 Wanderung der Larve durch die Lunge Larva currens; Fieber, Husten, Dyspnoe bei Lungenwanderung; schwerste Sprue-ähnliche Symptome; bei Generalisation (Immunsuppri-mierte!): Meningitis, Hirnabszesse Albendazol; alternativ: Ivermectin
Analpruritus Enterobius vermi-cularis (Oxyuris) 0,5-1 cm lang fäkal-orale Autoinfektion Reservoir: Mensch Zwischenwirt: 0 Appendizitis; Vulvovaginitis Mebendazol, wiederholte Gabe
Abgang von Wurmteilen (Proglottiden) Taenia saginata bis 9 m lang Verzehr rohen Rindfleisches Reservoir: Mensch Zwischenwirt: Rind lleus Praziquantel; Niclosamid Praziquantel;
Taenia solium bis 3 m lang Verzehr rohen Schweinefleisches Reservoir: Mensch Zwischenwirt: Schwein, andere Säugetiere, Mensch Zystizerkose*, insbesondere Neuro-zystizerkose (Infektionsweg: Schmierinfektion über kontaminierte Nahrungsmittel) Niclosamid
Diphyllobothrium latum bis 12 m lang Verzehr rohen Fisches Reservoir: Mensch und fischfressende Säugetiere, Zwischenwirt: Krebse, Fische megaloblastäre Anämie Praziquantel
Hymenolepis nana 2-4 cm lang fäkal-orale Schmierinfektion; endogene oder exogene Autoinfektion Reservoir: Mensch, Ratten, Mäuse, Zwischenwirt: 0 oder Rattenfloh selten abdominelle Symptomatik Praziquantel
hepatobiliäre Symptome: Schmerzen rechter Oberbauch, Hepatomegalie, Ikterus, Aszites Fasciola hepatica 2-4 cm lang Verzehr von Wasserkresse und anderen Pflanzen Reservoir: Schaf, Ziege, Rind, Mensch u.a. Zwischenwirt: Schnecken, Uferpflanzen wie Kresse sklerosierende Chol-angitis, Leberfibrose Triclabendazol
Clonorchis sinensis, Opisthorchis viver-rini, Opisthorchis felineus 1-2 cm lang Verzehr rohen Fisches Reservoir: Hund, Katze, andere Säugetiere, Mensch Zwischenwirt: Schnecken, Fische Cholangitis, Cholelithiasis, Leberabszess, Pankreatitis, Cholan-giokarzinom Praziquantel
Fieber, chronische Bronchitis, Pleuropneumonie, Lungenabszess Paragonimus species 1 cm lang Verzehr roher Krustentiere, z. B. Krebse Reservoir: Karni-voren, Mensch Zwischenwirt: Schnecken, Crustaceen abdominelle Schmerzen, Diarrhöen; zerebrale Symptome Praziquantel
*

Infektionsweg: Schmierinfektion über kontaminierte Nahrungsmittel

▪. Sichtbare Würmer und Wurmteile sowie mikroskopisch kleine Wurmeier im Stuhl

Auf die Spulwurminfektion (Ascaris lum-bricoides) macht häufig erst der Abgang eines 20 cm langen erwachsenen Wurms mit dem Stuhl aufmerksam (s. Farbtafel Abb. IV.4-31). Wie auch bei der Peitschenwurminfektion (Trichuris trichiura) erfolgt die Ansteckung durch Ingestion von Wurmeiern, z.B. durch Genuss kopfgedüngter Salate. Die bei Touristen fast stets ohne Beschwerden verlaufende Ascariasis wird mit Mebendazol behandelt; die Trichuriasis bedarf in der Regel keiner Therapie.

Die Hakenwurmkrankheit (Ancylostoma duodenale, Necator americanus) führt in warmen Ländern zu vielen Todesfällen durch schwere Anämie; für den europäischen Reisenden ist sie nie bedrohlich. Erworben wird die Infektion durch Penetration der Haut durch Hakenwurmlarven, die sich aus Wurmeiern im menschlichen Stuhl zu dem infektiösen Larvenstadium weiterentwickelt haben. Larven des Hakenwurms von Hund oder Katze entwickeln sich dagegen im menschlichen Organismus nicht weiter, sie führen am Ort der Infektion zur stark juckenden Larva migrans cutanea (s. Kap. IV.2.7 und Farbtafel IV.2-5). Die Behandlung der Ancylostomiasis erfolgt mit Mebendazol.

Auch bei der Zwergfadenwurminfektion (Strongyloides stercoralis) erfolgt die Ansteckung durch Penetration von Haut oder Schleimhaut durch infektiöse Wurmlarven. Häufig kommt es zu juckendem Hautausschlag; rezidivierende Autoinfektionen führen zu einem potentiell unbegrenzten Weiterbestehen der Infektion. Besonders bei immunsupprimierten Personen, z.B. unter Kortisonbehandlung oder bei AIDS, kann die Infektion, die mit einer hohen Eosinophilie einhergeht, zu schweren Krankheitserscheinungen, insbesondere von Seiten des ZNS mit enzephalitischen und meningitischen Erscheinungen führen. Zum Nachweis der Strongyloiden-larven im Stuhl werden spezielle Anreicherungsverfahren eingesetzt. Die Therapie der Strongyloidiasis ist also in jedem Fall notwendig und erfolgt mit Albendazol oder Ivermectin. (Letzteres ist in Deutschland für die Therapie nicht zugelassen, aber über Apotheken erhältlich.) Die Therapie muss im Abstand von drei Wochen wiederholt werden.

Die Madenwurminfektion (Enterobius vermicularis) kommt weltweit und auch in unseren Breiten vor, ist also keine typische Reisekrankheit. Die Infektion mit Oxyuren erfolgt durch direkten Kontakt von Person zu Person oder durch laufende Selbstinfektion mit den perianal abgelegten Wurmeiern. Diese können am besten durch ein Abklatschpräparat mittels Klebestreifen, z.B. Tesafilm nachgewiesen werden. Die Therapie, die oft eine Intervallbehandlung der ganzen Familie sein wird, erfolgt mit Mebendazol.

Bei den Bandwurmerkrankungen des Menschen werden im Stuhl sowohl Wurmanteile als auch Wurmeier ausgeschieden. Rinder- (Taenia saginata) und Schweinebandwurm (Taenia solium) sind weltweit verbreitet und führen durch Aufnahme der Larven beim Genuss rohen Fleisches zur Infektion. Sie spielen in der Reisemedizin keine wesentliche Rolle; zu ernsteren Erkrankungen kommt es in sehr seltenen Fällen durch Aufnahme von Taenia-solium-Eiern und Ausbildung der Larvenform im Menschen. Dies führt zum Krankheitsbild der Zystizerkose, besonders gefährlich in Form der Neurozystizerkose. Zu deren Nachweis dienen bildgebende und serologische Untersuchungsmethoden.

Ernstere Erkrankungen kann bei der einheimischen Bevölkerung von Küstengebieten weltweit der Fischbandwurm (Diphyllobothrium latum) hervorrufen. Während die meisten Bandwurmwirte asymptomatisch bleiben, kann es bei einigen zu einer ausgeprägten megaloblastären Anämie kommen. Touristen sind - auch wegen des Übertragungsweges durch Essen roher Fische - kaum betroffen. Dies gilt auch für Infektionen mit dem bevorzugt in tropischen Gebieten vorkommenden Zwergbandwurm (Hymenolepis nana).

Die Behandlung dieser durch entsprechendes Essverhalten sicher zu verhütenden Bandwurminfektionen erfolgt mit Praziquantel oder auch mit Niclosamid.

Bei allen genannten Wurmkrankheiten erfolgt die Diagnosestellung durch Nachweis von Wurmeiern bzw. Wurmlarven oder von adulten Würmern bzw. Wurmteilen im Stuhl oder im Gewebe.

Bei der Strongyloidiasis und der Zystizerkose sind serologische Untersuchungen von Wichtigkeit.

▪. Nachweis von Wurmeiern im Stuhl ohne sichtbare Würmer oder Wurmteile

Die vorwiegend in Ostasien (Clonorchis sinensis und Opisthorchis viverrini), aber auch in Osteuropa (Opisthorchis felineus) vorkommenden kleinen Leberegel stellen für Reisende selten eine Bedrohung dar, ebenso wenig wie der weltweit vorkommende große Leberegel (Fasciola hepati-ca). Das Meiden von ungekochtem Fisch und roher Wasserkresse verhindert die Infektion zuverlässig. Therapeutisch hat Praziquantel bei den kleinen Leberegeln eine gute Wirksamkeit, lediglich bei der Faszioliasis muss stattdessen mit Triclabendazol, das sonst nur in der Veterinärmedizin Verwendung findet, behandelt werden.

Der Nachweis von Trematodeneiern im Stuhl gelingt auch gelegentlich bei der weltweit vorkommenden, in der Reisemedizin ebenfalls bedeutungslosen Lungenegelinfektion (Paragonismusarten), bei der Wurmeier aber häufiger im Sputum nachzuweisen sind. Auch bei der Paragonimiasis, der durch Vermeiden von Verzehr roher Krustazeen vorgebeugt werden kann, ist Praziquantel das Medikament der Wahl.

▪. Wurmerkrankungen ohne Nachweismöglichkeit von Eiern

Eine gefährliche, lebensbedrohliche Erkrankung wird durch den Fuchsbandwurm (Echinococcus multilocularis hervorgerufen. Diese alveoläre Echinokokkose ist in Zentraleuropa, Russland, China und Nordamerika anzutreffen. Sie wird kaum je auf Reisen erworben, sondern betrifft eher die einheimische Bevölkerung, z. B. auf der Schwäbischen Alb. Bildgebende und serologische Untersuchungsmethoden führen zur Diagnose, der dann häufig eine operative Therapie, kombiniert mit oft lebenslanger Gabe von Albendazol oder Mebendazol, folgt.

Die prognostisch günstigere zystische Echinokokkose (Echinococcus granulosus) ist weltweit verbreitet, auch sie spielt in der Reisemedizin keine Rolle. Die operative Entfernung der Echinokokkuszysten unter Albendazol- oder Mebendazolgabe führt oft zur endgültigen Heilung.

Durch Verzehr rohen Fleisches kann es zum Krankheitsbild der Trichinose (Trichinella spiralis) kommen. Auch diese Krankheit, die mit Fieber, Diarrhö, Muskelschmerzen und hoher Eosinophilie einhergeht, wird kaum je bei Touristen gefunden. Serologische Untersuchungen und Muskelbiopsien sichern die Diagnose.

Wurminfektionen führen bei Reisenden sehr selten je zu ernsten Krankheiten. Entdeckt werden sie meist durch Stuhluntersuchungen bei einer auffälligen Eosinophilie nach einer Reise.

Weiterführende Literatur

  1. Cameron M.L., Durack D.T. Helminthic Infections - Neurocysticercosis and Echinococcosis. In: Scheld W.M., editor. Infections of the Central Nervous System. Lippincott-Raven; Philadelphia: 1997. p. 845. [Google Scholar]
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  3. Löscher T., Burchard G.-D., Kretschmer H., Meier-Brook C. Wurminfektionen des Darmes und Wurmlarveninfektionen. In: Knobloch J., editor. Tropen- und Reisemedizin. Fischer; Jena: 1996. p. 350. [Google Scholar]
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4.13. Leishmaniosen

HELMUT SCHERBAUM

Leishmaniosen sind Krankheitsbilder, die durch Infektionen der Haut, Schleimhäute und innerer Organe mit Protozoen der Gattung Leishmania hervorgerufen werden (Tab. 4-18). Die meisten importierten Erkrankungen werden in den Urlaubsgebieten des Mittelmeerraums als kutane (Orientbeule) oder als viszerale Leishmaniose (Kala Azar) erworben.

Tabelle 4-18.

Häufigste Leishmaniosen, Vorkommen, Reservoir und Krankheitsbilder.

Erregerspezies geographische Verbreitung Reservoir klinische Manifestationen
Europa, Asien, Afrika („Alte Welt“)

L. tropica Balkan (einschließlich Griechenland), Türkei, Irak, Iran bis Nordindien, Küstenregionen Nordafrikas Mensch KL, LR, (VL)
L. major Naher und Mittlerer Osten, Zentralasien, Nordafrika und Sahelzone Wüstennager (Gerbils), Ratten KL, (MKL), (DKL)*
L. infantum Mittelmeerraum, Zentralasien, westliches China Hunde, wilde Kaniden KL, VL, (MKL), (DKL)*
L. donovani Indien, China, Ostafrika Mensch VL, KL, PKL, (MKL), (DKL)*
L. aethiopica Äthiopien, Kenia, Tansania, Sudan Klippschliefer KL, DKL

Amerika („Neue Welt“)

L.-brasiliensis-Gruppe
L. brasiliensis Mittel- und Südamerika Nagetiere KL, MKL, (LR), (DKL)*, (VL)*
L. guyanensis Guyana, Brasilien (nördliches Amazonasbecken) Opossum, Faultier KL, MKL
L. panamensis
L.-mexicana-Gruppe
Mittelamerika, Kolumbien Nagetiere, Faultier KL, MKL, (DKL)*
L. mexicana Mittelamerika, Kolumbien, Venezuela Nagetiere KL, (DKL), (VL)*
L. amazonensis Amazonasbecken Nagetiere KL, MKL, (DKL), (VL)
L. peruviana Andenregion von Peru, Nord-Argentinien Hunde KL
L. chagasi Mittel- und Südamerika Hunde VL, KL

In Klammern: seltenere Manifestationen;

KL= Kutane Leishmaniose; MKL= Mukokutane Leishmaniose; VL = Viszerale Leishmaniose; LR= Leishmaniasis recidivans; DKL= Diffuse kutane Leishmaniose; PKDL= Post-Kala-Azar dermales Leishmanoid.

*

Auftreten unter Immunsuppression.

Bei den Leishmaniosen findet je nach Erregerspezies eine Übertragung zwischen Tier und Mensch (im Sinne einer Zoonose) oder zwischen Mensch und Mensch durch Schmetterlingsmücken (Phlebotomen) statt. Auch innerhalb des Tierreservoirs, bei dem Hunde, wilde Kaniden (Schakale, Füchse) und Nagetiere, in Lateinamerika auch Ameisenbären und Faultiere die häufigsten Tierwirte darstellen, werden Leishmanien übertragen. In sehr seltenen Fällen wurden Infektionen des Menschen auch im Rahmen von Bluttransfusionen, Organtransplantationen, als Laborunfälle, durch den gemeinsamen Gebrauch von Injektionsbesteck sowie durch eine prä- und perinatale Übertragung beobachtet.

▪. Vom Lebensraum winziger Überträgermücken …

Die 1-2 mm großen behaarten Schmetterlingsmücken (eng.: sandflies) der Gattung Phlebotomus in der Alten Welt und Lutzomyia in der Neuen Welt benötigen ein besonderes Mikroklima, das häufig nur in umschriebenen Zonen von Endemiegebieten während bestimmter Jahreszeiten gegeben ist. Die Insekten sind Bodenbrüter und halten sich während des Tages bevorzugt an schattigen, kühlen Orten mit relativ großer Feuchtigkeit und reichlich organischem Material auf. Zu den bevorzugten Schlupfwinkeln zählen Erdlöcher, Termitenhügel, Felsspalten, Ställe, Speicher, Latrinen, Ablagen von Küchenabfällen, vermoderndes Laub in Wäldern etc. Diese Plätze verlassen die Mücken meist nach Sonnenuntergang oder kurz vor Sonnenaufgang zur Nahrungsaufnahme. Einige Unterarten stechen jedoch auch während des Tages, z.B. in dunklen Wohn- und Schlafräumen oder in dichten Waldregionen.

▪. … zum Makrophagenbefall und der Immunantwort im Menschen

Während der Blutmahlzeit werden Leishmanien im sogenannten amastigoten Stadium von den Mücken aufgenommen. Nach Formenwechsel und Vermehrung der Parasiten im Darm der Vektoren wandern die infektiösen Einzeller in den Mundbereich der Insekten. Je nach Phlebotomen- und Leishmanienart ist dieser Entwicklungszyklus in der Mücke nach 5-26 Tagen abgeschlossen, so dass bei einem späteren Saugakt eine Übertragung begeißelter, promastigoter Formen auf den Säugetierwirt möglich ist.

Im Körper des Menschen dringen die Erreger in Makrophagen der Haut ein, wo sie sich erneut in amastigote Formen umwandeln und durch Zweiteilung vermehren. Nach Platzen der infizierten Wirtszellen werden die Parasiten von anderen Phagozyten aufgenommen. Meist können die Erreger durch lokale zelluläre Abwehr an der Eintrittsstelle zerstört werden, wonach sich wahrscheinlich anhaltende Immunität gegen Reinfektionen entwickelt. Eine lokale Infektion der Haut kann jedoch so lange weiterbestehen, bis eine ausreichende Körperabwehr aufgebaut werden konnte.

Abhängig von der Erregerart, der Infektionsdosis und der Immunantwort kann es jedoch zu einer Ausbreitung innerhalb von Hautregionen, zum Befall von Schleimhäuten (kutane bzw. mukokutane Leishmaniose) oder der Makrophagen von Organsystemen, wie z.B. der Milz, des Knochenmarks und der Leber (viszerale Leishmaniose) kommen.

Der klinische Verlauf der Leishmaniosen wird von der zellvermittelten Immunantwort mit Aktivierung der jeweiligen CD4-Helferzellpopulationen und der Produktion assoziierter Zytokine bestimmt.

Häufig kommt es zu einer Verschiebung vom TH1- zum TH2-Typ der Helferzellen mit überwiegender Produktion der TH2-assoziierten Zytokine IL-4, IL-10 und TNF-α, die wiederum eine Disseminierung wie bei der Kala-Azar oder diffusen kutanen Leishmaniose begünstigen. Wird eine ausreichende Produktion von Gamma-Interferon durch TH1-Zellen gewährleistet, werden leichtere Krankheitsverläufe mit Selbstheilung beobachtet. Im Verlauf der Infektion entwickelt sich eine Immunität, wobei ein Persistieren von Erregern angenommen wird. Bei Immunsuppression, wie z.B. bei HIV-Infektionen, kann es zu Reaktivierungen klinisch inapparenter Leishmaniosen kommen.

▪. Leishmaniosen - ein wachsendes Public Health-Problem

Bei weltweit ca. 12 Millionen Infizierten kommen nach Schätzungen der WHO jährlich 1-1,5 Millionen Neuerkrankungen an kutaner/mukokutaner und 500 000 bis 1 Million an viszeraler Leishmaniose hinzu. Die Endemiegebiete erstrecken sich mit Ausnahme von Australien über alle Kontinente und betreffen insgesamt 88 Staaten. Mehr als die Hälfte aller kutanen/mukokutanen Leishmaniosen beschränken sich auf die Länder Afghanistan, Algerien, Brasilien, Iran, Irak, Saudi-Arabien, Sudan und Syrien, hingegen die Hälfte aller viszeralen Erkrankungen auf die Staaten Indien und Sudan. Die Ausbreitung der Leishmaniosen in bisher nicht-endemische Regionen wird durch eine Vielzahl sozio-ökonomischer und ökologischer Faktoren im Zusammenhang mit Kriegen und Migrationen, einer ungeplanten Errichtung neuer Siedlungen, Waldrodungen, dem Bau von Bewässerungssystemen und neuen landwirtschaftlichen Nutzflächen begünstigt. Es wird befürchtet, dass sich infolge der globalen Erwärmung auch in Europa die Endemiezone von den Mittelmeerländern über Deutschland hinaus nach Norden auszudehnen beginnt. Des Weiteren stellen Immundefizienzen einen Risikofaktor dar; so ist die Zahl HIV-assoziierter Leishmaniosen in der letzten Zeit deutlich angestiegen.

Bei fehlender Meldepflicht in Deutschland sind Informationen zur Häufigkeit importierter Leishmaniosen sehr lückenhaft. In der im Jahr 2000 gegründeten Referenz- und Meldestelle in Berlin (Adresse s. Anhang), in der Ärzte auch Informationen zur Diagnose und Therapie erhalten, wurden innerhalb von zwei Jahren 43 Fälle kutaner/mukokutaner und 27 Fälle viszeraler Leishmaniosen ausgewertet. Fast die Hälfte der Erkrankungen (und 78% der viszeralen Krankheitsbilder) wurden in vielbesuchten Urlaubsregionen des Mittelmeerraums erworben.

Nach einer Erhebung in den USA wurden vor Diagnosestellung bis zu sieben verschiedene Ärzte konsultiert, und es vergingen durchschnittlich 112 Tage (2 Wochen bis 3 Jahre), bis eine wirksame Behandlung eingeleitet wurde.

▪. Klinische Manifestationen - abhängig von der Erregerspezies und der Immunantwort

Abhängig von der Immunlage und der Leishmanien-Spezies kann es neben subklinischen Verlaufsformen zu einer unterschiedlichen Beteiligung der Haut, der Schleimhäute und sonstiger Organsysteme mit Entwicklung folgender Hauptmanifestationen kommen:

  • Kutane Leishmaniose (KL),

  • Mukokutane Leishmaniose (MKL),

  • Leishmaniasis recidivans (LR),

  • Diffuse kutane Leishmaniose (DKL),

  • Viszerale Leishmaniose oder Kala Azar (VL).

Kutane und mukokutane Leishmaniosen - teilweise entstellende Krankheitsbilder

Eine Leishmaniose der Haut kann eine Woche bis mehrere Monate nach einem infektiösen Sandmückenstich in Erscheinung treten. Von reisemedizinischer Relevanz sind trockene oder nässende Ulzerationen, die sich langsam aus nodulären Veränderungen entwickeln und in der Regel spontan abheilen. Die Anzahl dieser kutanen Läsionen wird durch die infektiösen Mückenstiche bestimmt.

Unter den amerikanischen Hautleishmaniosen werden häufiger ausgedehnte Ulzerationen mit Blutungsneigung und chronisch-progredienten Verlaufsformen beobachtet (s. Farbtafeln Abb. IV.4-33). Ein Schleimhautbefall kann sich sekundär oder als Mischform gleichzeitig auftretender kutaner und mukokutaner Manifestationen (s. Farbtafeln Abb. IV.4-34) entwickeln; bei Personen mit Immunschwäche können auch primäre Schleimhaut-Leishmaniosen entstehen.

Die Krankheitsbilder kutaner und mukokutaner Leishmaniosen sind in Tabelle 4-19 angeführt. Die geographische Verbreitung dieser Erkrankungen aus Abbildung 4-32 zu ersehen.

Tabelle 4-19.

Häufige Manifestationen kutaner und mukokutaner Leishmaniosen.

Krankheitsbild lokalisierte kutane Leishmaniosen der Alten Welt Leishmaniasis recidivans diffuse kutane Leishmaniose kutane mukokutane
Leishmaniosen der Neuen Welt
Synonyme „Orientbeule”, „Aleppo-, Delhibeule”, „Bagdad Sore” chronisch lupoide Leishmaniose disseminierte energische, leproide, ke-loide Leishmaniose regionsspezifische Bezeichnungen s.u. Espundia, Bouba
Häufige Manifestationen und Verlaufsformen aus einer erythematösen, an Größe zunehmenden Papel (nodöses Stadium) können sich unterschiedliche Läsionen entwickeln: bei defizienter Immunantwort und anhaltender Erregeraussaat: Manifestationen können kutanen Leishmaniosen der Alten Welt ähneln.
zoonotische, vorwiegend ländliche Form anthroponotische, vorwiegend urbane Form
  • nässendes Ulkus im Zentrum einer erhabenen Läsion („Vulkan-Typ") mit Krustenbildung

  • z.T. deutliche Entzündungs-Reaktionen

  • bakterielle Superinfektionen mit Lymph-adenopathie sind möglich

  • oft multiple, auch kontierende Läsionen

  • trockenes, flaches Ulkus mit Schorfbildung

  • häufig ist das Gesicht betroffen

  • selten multiple Läsionen.

□ in 5-10% der Fälle re-zidivieren-des Auftreten gelblichbrauner z.T. kontierender Papeln oder Ulzera in den Randzonen abheilender Läsionen
  • flächige Ausbreitung rötlich-glänzender Knoten oder Plaques

  • nicht-ulzerie-rende Läsionen, anfangs meist im Gesicht, später auch am Rumpf und den Extremitäten

  • Schleimhäute meist nicht betroffen

  • meist beeinträchtigter Allgemeinzustand

  • häufigeres Auftreten multipler ulzerieren-der Läsionen

  • oft ausgedehnte sezernieren-de Ulzera mit Blutungsneigung und Krustenbildung

  • Beteiligung der Lymphgefäße

  • in 40% der Fälle sekundärer Schleimhautbefall (bei der Hälfte innerhalb von 2 Jahren, bei 10% nach >10 Jahren)

  • Granulombil-dung im Bereich des vorderen Na-senseptums, Knorpeldestruktion

  • Verbreiterung der gesamten Nase („Tapirnase")

  • Koryza, Epistaxis

  • Schwellung der Oberlippe, evtl. Ausbreitung auf Nasopharynx und Larynx

  • bakterielle Superinfektionen mit Lymphadeno-pathie

□ narbige Abheilung (6 Monate bis >1 Jahr) □ narbige Abheilung, z.T. nach >1 Jahr □ keine Spontanheilung
  • oft verzögerte Spontanheilungen.

  • bei Infektionen mit Erregern der L.-brasi-liensis-Cruppe: gehäuft chronisch pro-grediente Verläufe

□ keine Spontanheilungen
selten: noduläre, plaque-, warzenförmige oder ekzematöse Läsionen in Regionen Lateinamerikas charakteristische Manifestationen:
Häufige verursachende Erreger □ L. major (auch L. infan-tum und L. aethiopica) □ L. tropica □ L. tropica
  • L. aethiopica, L. amazonensis (selten: L. mexicana)

  • bei Immun-suppression auch L. brasiliensis, L. panamensis, L. major, L. infantum, L. donovani

  • L. peruviana: (Uta) - Ulzera im Gesicht mit radiärer Narbenbildung

  • L. guyanensis: (Pian-bois, Bush yaws) Hautulzera im Verlauf von Lymphbahnen

  • L. mexicana: (Chiclero-Ulkus) Papeln und Ulze-rationen, gehäuft am Ohr mit Knorpeldestruktion

  • L. panamensis: (Ulcero de beju-co) flache Ulzera entlang Lymphbahnen

  • L. brasiliensis, seltener L. guyanensis, L. panamensis

  • bei Immun-suppression auch andere Erregerspezies

Abbildung 4-32.

Abbildung 4-32

Geographische Verbreitung der kutanen und mukokutanen Leishmaniose.

Differenzialdiagnosen:

  • Kutane Leishmaniosen:
    • Nodöse Formen: Furunkel, Karbunkel, Basaliom, Lupus erythematodes, Myiasis
    • Ulzeröse Formen: Hautdiphtherie, tropisches Ulkus, Ulcus phagedaenicum, Pyodermien (Impetigo, Ekthyma, Furunkel), Syphilis, Frambösie, Blastomykose, Acne vulgaris, Keloide, Basalzellkarzinome
    • Disseminierte Formen: Lepromatöse Lepra, Erythema nodosum, Morbus Besnier-Boeck-Schaumann
    • Leishmaniasis recidivans: Lupus vulgaris, Infektionen mit Mycobacterium marinum, Sarkoidose.
  • Mukokutane Leishmaniosen: Parakokzidioidomykose, Syphilis, Frambösie, Lepra, Rhinosklerom, Karzinome.

Viszerale Leishmaniose: Fieber, Hepatosplenomegalie und eine Panzytopenie sind charakteristisch

Der weitaus größte Teil der Infektionen mit Leishmania infantum und Leishmania chagasi verläuft asymptomatisch, während Leishmania-donovani-Infektionen relativ häufig zu schweren Erkrankungen führen (Verbreitung s. Abb. 4-35 ). Die Inkubationszeit der viszeralen Leishmaniosen beträgt in der Regel 2 bis 8 Monate, kann aber im Extremfall zwischen 10 Tagen bis mehreren Jahren variieren. Reaktivierungen latenter Infektionen sind bei Immunsuppression keine Seltenheit. Bei HIV-assoziierten Infektionen können typische Zeichen einer viszeralen Leishmaniose wie Fieber und eine Hepatosplenomegalie fehlen, jedoch noduläre und ulzerative Läsionen an der Haut sowie im Bereich des Gastrointestinaltraktes auftreten.

Abbildung 4-35.

Abbildung 4-35

Geographische Verbreitung der viszeralen Leishmaniose.

Nach einem schleichenden Krankheitsbeginn mit subfebrilen Temperaturen sowie Kopf- und Gliederschmerzen kommt es im weiteren Verlauf oft zu intermittierendem Fieber und profusen Schweißausbrüchen. Daneben werden auch Verläufe mit abrupt einsetzendem hohem Fieber beobachtet. Bereits in einem frühen Stadium besteht eine deutlich vergrößerte Milz, die zu Schmerzen im linken Oberbauch führen kann. Häufig ist auch eine Hepatomegalie anzutreffen, wobei relevante Leberfunktionsstörungen eher selten auftreten. Neben Durchfällen und Husten kommt es mit zunehmender Krankheitsdauer zu Gewichtsverlust und hochgradigem Schwächegefühl als Folge einer generalisierten Muskeldystrophie.

Als ein charakteristisches Zeichen der viszeralen Leishmaniose entwickelt sich eine Panzytopenie. Das blass-graue Hautkolorit vieler Patienten aufgrund einer Anämie hat in Indien zu der Bezeichnung „Kala-Azar” (schwarzes Fieber) geführt, die weltweit als Synonym für eine viszerale Leishmaniose benützt wird. Eine zunehmende Leukopenie und eine spezifische Immunsuppression kann das Auftreten schwerer Sekundärinfektionen begünstigen. Bei fehlender Behandlung können diese Komplikationen sowie Hämorrhagien aufgrund einer Thrombozytopenie nicht selten innerhalb weniger Monate zum Tode führen.

Als ein Post-Kala-Azar dermales Leishmanoid (PKDL) wird das Auftreten hypopigmentierter und erythematöser sowie knotiger Hautveränderungen bezeichnet, die sich gelegentlich noch Jahre nach einer viszeralen Leishmaniose, zuweilen auch unter einer Behandlung manifestieren können. Dieses Krankheitsbild, das zu Verwechslungen mit einer lepromatösen Lepra führen kann, wurde gelegentlich bei Migranten aus Indien und Ostafrika beobachtet, ist aus reisemedizinischer Sicht ansonsten jedoch ohne größere Bedeutung.

Differenzialdiagnosen der viszeralen Leishmaniose:

Malaria (einschließlich des tropischen Splenomegalie-Syndroms), Typhus abdominalis und Paratyphus, Amöbenleberabszess, Sepsis, bakterielle Endokarditis, Fleckfieber, Rückfallfieber, Brucellose, Miliartuberkulose, Bilharziose, Mononukleose, Schlafkrankheit, Chagas-Krankheit, Lymphome.

Sonstige Befunde: Charakteristisch für eine viszerale Leishmaniose sind eine normochrome normozytäre Anämie (im Wesentlichen durch einen Hypersplenismus und eine Knochenmarksdepression bedingt) sowie eine Leukopenie. Das Differenzialblutbild zeigt meist eine Neutro-penie bzw. eine relative Lymphozytose bei oft fehlenden eosinophilen Zellen (bei Post-Kala-Azar-Haut-Leishmanoid besteht dagegen oft eine Eosinophilie); daneben fällt häufig eine mäßiggradige Thrombopenie auf. Die Blutsenkungsgeschwindigkeit ist extrem beschleunigt, und bei einem Teil der Patienten findet man leicht erhöhte Lebertransaminasen, ein erniedrigtes Serumalbumin und eine erhöhte Gammaglobulinfraktion in der Elektrophorese.

▪. Diagnostik der Leishmaniosen

Stets ist die Erhebung reise- und personenbezogener Informationen wichtig (Zeitpunkt, Dauer eines Aufenthaltes in Endemiegebieten [inkl. Migration], berufliche oder Freizeitaktivitäten, Immunsuppression etc.).

Wertvolle diagnostische Hinweise können das klinische Erscheinungsbild und der Krankheitsverlauf geben.

Eine Leishmaniose-Diagnostik sollte bei Personen veranlasst werden, die aus Endemiegebieten stammen oder sich dort in den letzten Wochen bis Monaten (ggf. mehreren Jahren) aufgehalten haben:

  • bei länger als zwei Wochen bestehenden Haut- oder Schleimhautläsionen (Ausschluss einer kutanen bzw. mukokutanen Leishmaniose),

  • bei Fieber, (Hepato-) Splenomegalie, Anämie, Leukopenie und/oder Thrombozytopenie (Ausschluss einer viszeralen Leishmaniose).

Auch bei charakteristisch erscheinenden Manifestationen muss die Diagnose einer Leishmaniose mittels einer gezielten Diagnostik ggf. durch Überweisung des Patienten in eine tropenmedizinische Einrichtung gesichert werden. Hierfür stehen in ausgewiesenen Labors folgende Untersuchungsmethoden zur Verfügung:

  • parasitologische Verfahren
    • mikroskopischer Nachweis intrazellulärer Amastigoten in Aspiraten,
    • Identifizierung begeißelter Promastigoten bei Kultivierung in geeignetem Nährmedium,
    • Fluoreszenzmikroskopischer Erreger-Nachweis im EDTA-Blut (Buffy Coat-Schicht)
  • histologische Untersuchungsmethoden
    • Mikroskopische Untersuchung gefärbter Gewebeschnitte,
    • Molekularbiologische Methoden,
    • Nachweis von Leishmanien-spezifischer DNS mittels PCR-Verfahren; ermöglicht auch Speziesdifferenzierung
  • immundiagnostische Untersuchungen
    • direkter Agglutinationstest (DAT), Immunfluoreszenztest (IFT), ELISA-Verfahren,
    • in Entwicklung: Tests mit Rekombinanten-Antigenen.

PraktischesVorgehen in der Diagnostik:

  • bei V.a. eine kutane und mukokutane Leishmaniose:
    • Empfohlen wird die Entnahme von Probenmaterial aus dem Rand von Haut- oder Schleimhautläsionen (s. Farbtafel Abb. IV.4-36) (z. B. aus dem Randwall von Ulzera, im Ulkusgrund oder in sekundärinfizierten Läsionen sind meist keine Erreger nachzuweisen). Für die Probengewinnung eignen sich:
    • Inzisions-, Kürettage- und Abklatschpräparate sowie Aspirate, Biopsien z.B. mit 4-mm-Einwegstanze.
    • Nach Dreiteilung des Biopsats ist der Erregernachweis im gefärbten Ausstrich, im histologischen Präparat und in der Kultur anzustreben. Für die Versendung der Proben sollte (vor allem für die Kultivierung) die Art des Transportmediums beim jeweiligen Labor erfragt werden.
    • Der Nachweis von Leishmanien gelingt bei mukokutanen Formen meist nur mittels Kulturverfahren oder durch eine PCR-Diagnostik, die eine besonders hohe Sensitivität besitzt. Die Immundiagnostik ist bei kutanen und mukokutanen Leishmaniosen dagegen wenig zuverlässig, da oft keine Serumantikörper in messbarer Konzentration induziert werden.
  • bei V.a. eine viszerale Leishmaniose (siehe auch Leitlinien der DTG):
    • Bei erheblichem Verdacht sollte bevorzugt im Knochenmark-Aspirat eine Erregeridentifizierung erfolgen (s. Farbtafel Abb. IV.4-37). Auch können ggf. Punktate aus der Milz, der Leber oder aus Lymphknoten entnommen werden. Die Sensitivität von Untersuchungen gefärbter Ausstriche liegt bei ca. 70-85%, von Kulturverfahren zwischen 80 und 95%. Bei negativem Ergebnis ist eine zusätzliche PCR-Diagnostik zu empfehlen, die als empfindlichste Methode gilt. Bei Patienten mit Immunschwäche sollte eine fluoreszenzmikroskopische Untersuchung von EDTA-Blut (Sensitivität bis 70%) eingeleitet werden.
    • Bei geringem Verdacht sind immundiagnostische Untersuchungen mittels DAT, IFT oder ELISA geeignet. Die Sensitivität der serologischen Diagnostik liegt bei über 90%, bei HIV-Infizierten bei ca. 50%. Dagegen ist die Spezifität dieser Testverfahren eingeschränkt. So werden falsch positive Ergebnisse bei Schistosomiasis, Malaria, Trypanosomiasis, Tuberkulose und Lepra sowie bei (zurückliegenden) asymptomatischen Infektionen und therapierten Erkrankungen gefunden.
    • Um bei Diagnosestellung einer viszeralen Leishmaniose die Schwere des Organbefalls und mögliche Begleitinfektionen erfassen zu können, sind folgende zusätzliche Untersuchungen zu empfehlen:
    • großes Blutbild, plasmatische Gerinnung, Transaminasen und Bilirubin, Eiweißelektrophorese, Abdomensonographie, Rö-Thorax (Ausschluss einer zusätzlichen Tbc) und HIV-Test.

▪. Therapie der Leishmaniosen - am besten die Hilfe tropenmedizinischer Einrichtungen hinzuziehen

Kutane Leishmaniosen

Bei Hautleishmaniosen der Alten Welt kann das Abwarten der Spontanheilung angezeigt sein; das Risiko entstellender Narbenbildungen ist jedoch stets zu bedenken. Im Falle einer funktionell bzw. kosmetisch relevanten Lokalisisation von Läsionen haben sich verschiedene Formen der Behandlung bewährt:

  • periläsionale Infiltrationen 5-wertiger Antimonpräparate (s.u.) ggf. mit Zusatz eines Lokalanästhetikums (2-mal wöchentlich),

  • lokale Anwendungen von Aminosidinsulphat (Paromomycin) 15% mit 12% Methylbenzethoniumchlorid oder in 10% Harnstoff auf Salbengrundlage,

  • kosmetisch dermatologische Verfahren wie Kryotherapie, Diathermie oder Exzision (nicht systematisch evaluierte Verfahren, mit einer Narbenbildung ist zu rechnen),

  • eine systemische Therapie mit Fluconazol (200 mg pro Tag über 6 Wochen), bei diffusen Verläufen in Kombination mit Interferon-β.

Bei amerikanischen Hautleishmaniosen ist stets eine Erregerdifferenzierung einzuleiten. Nur bei gesicherten Infektionen mit L. mexicana und L. peruviana, die nicht zu einem sekundären Befall der Schleimhäute neigen, sollte eine lokale Behandlung (s.o.) stattfinden:

  • bei Infektionen mit L. mexicana hat sich auch eine Fluconazol-Therapie als wirksam erwiesen. Bei diffusem Krankheitsbild bzw. bei Rezidiven ist eine zusätzliche Therapie mit Interferon-β zu erwägen.

  • Für Infektionen mit L. brasiliensis und L. panamensis ist bei Hautbefall eine Therapie mit 5-wertigen Antimonpräparaten (20 mg SbV/kg KG/Tag) über 20 Tage zu empfehlen.

  • Bei mukokutanen Manifestationen sollte die Dauer der Antimontherapie 1 Monat und länger betragen. Im Falle eines eingeschränkten Ansprechens dieser Therapie und der relativ häufigen Rezidive ist eine zusätzliche Behandlung mit Interferon-β oder eine Therapie mit Amphotericin B in Betracht zu ziehen.

Viszerale Leishmaniose (s. auch Leitlinien der DTG)

Eine gute Wirksamkeit besitzt das im Dezember 2004 für die Therapie der Kala Azar in Deutschland zugelassene Miltefosin (Impavidol®), das als oral zu verabreichendes Präparat auch eine ambulante Behandlung möglich macht. In Indien konnten Heilungsraten von über 95% erzielt werden und auch bei zwei Drittel der Patienten mit HIV-Coinfektion war eine Therapie mit diesem Medikament wirksam. Gastrointestinale Nebenwirkungen können zu Beginn der Behandlung auftreten, sind bei einer Dosierung von 2,5 mg/kg KG/Tag über 4 Wochen jedoch selten. Wegen einer möglichen Teratogenität sollte die Substanz nicht während der Schwangerschaft eingenommen werden. Genauere Informationen zur Anwendung dieses Medikamentes sind den aktuellen Leitlinien der DTG zu entnehmen.

Die Ergebnisse bisheriger Studien weisen auch auf eine gute Wirkung gegenüber Hautleishmaniosen und mit Schleimhautbefall einhergehenden Erkrankungen hin.

Bei Verwendung von liposomalem Amphotericin B, das sich als sehr wirksames Medikament erwiesen hat, ist eine Behandlung mittels Infusion (20-30 mg/kg KG verteilt auf mindestens 5 Einzelinfusionen über einen Zeitraum von 10-21 Tagen) erforderlich. Zu einer Steigerung seiner Wirksamkeit führt der Lipidanteil dieser Substanz, der den Transport an den intrazellulären Ort der Infektion erleichtert und die Phagozytose durch Makrophagen begünstigt. Unter der Therapie ist eine Überwachung der Nierenwerte und der Elektrolyte erforderlich.

Über lange Zeit hat sich als Standardtherapie der viszeralen Leishmaniose die Anwendung 5-wertiger Antimonpräparate bewährt. Verfügbar sind zwei Antimonverbindungen, die in ihrer Wirksamkeit und Toxizität entsprechend ihrem Antimonanteil gleichwertig sind:

  • Natriumstiboglukonat (Pentostam®) mit einem Antimonanteil von 100 mg Sb/ml (langsam) intravenös oder intramuskulär

  • Megluminantimonat (Glucantime®) mit einem Antimonanteil von 85 mg Sb/ml nur intramuskulär

Bei einer täglichen Dosis von 20 mg SbV/kg KG beträgt die Gesamtdauer der Therapie ca. 4 Wochen.

Angesichts der potentiellen Toxizität ist eine Überwachung des Blutbildes, der Amylase- und Lipase-Werte sowie des EKGs dringend angezeigt. Eine zunehmende Resistenzentwicklung gegen Antimonpräparate wird vor allem in Indien beobachtet.

▪. Vorbeugung

Ein besonderes Infektionsrisiko besteht in den Endemiegebieten naturgemäß während der Zeit mit der höchsten Durchseuchungsrate der Schmetterlingsmücken, die z.B. in den Mittelmeerländern im Spätsommer liegt. Stiche dieser Insekten können vor allem durch folgende Maßnahmen vermieden werden (s. auch Kap.II.8.2):

  • Nächtigen unter freiem Himmel sowie Camping vermeiden (besonders in der Nähe von Erdlöchern wildlebender Nagetiere),

  • Tragen langärmeliger Hemden und langer Hosen,

  • Auftragen von Insektenvertreibungs-mitteln auf unbedeckte Haut (wichtig: Knöchel und Handrücken),

  • Benutzen engmaschiger Moskitonetze (handelsübliche Netze mit einer Maschenbreite von 1 mm bieten keinen sicheren Schutz); das Imprägnieren erweist sich zusätzlich als vorteilhaft,

  • Sprühen von Insektiziden in Schlafräumen.

Das besondere Risiko von immunsupprimierten Reisenden, an einer viszeralen Leishmaniose zu erkranken, ist hinsichtlich der Prophylaxe-Empfehlungen zu beachten.

▪. Zum Schluss: der Spanienurlaub mit dem Vierbeiner

Jeder Reisende, der seinen Hund zu einem Urlaub ans Mittelmeer mitnehmen möchte, sollte bedenken, dass z.B. in Spanien, in Südfrankreich und in Portugal ca. 4-10% (in Nordportugal bis zu einem Drittel) aller Hunde mit Leishmanien infiziert sind. Trotz der Verwendung von Anti-Phlebotomen-Sprays und mit Deltamethrin imprägnierten Halsbändern besteht für die mitgenommenen Tiere ein nicht geringes Risiko, an einer nicht selten tödlich verlaufenden Leishmaniose zu erkranken. Also am besten: das „Haus”tier zu Hause lassen.

Da es für die Leishmanien-Übertragung vom Hund zum Menschen des Vorhandenseins von Schmetterlingsmücken bedarf, ist das Risiko, sich durch direkten Kontakt mit erkrankten Hautpartien eines infizierten Hundes zu infizieren, zu vernachlässigen.

Weiterführende Literatur

  1. Berman J. Current treatment approaches to leish-maniasis. Current Opinion in Infectious Diseases. 2003;16:397–401. doi: 10.1097/00001432-200310000-00005. [DOI] [PubMed] [Google Scholar]
  2. Desjeux P. The increase in risk factors for leish-maniasis worldwide. Transactions of the Royal Society of Tropical Medicine and Hygiene. 2001;95:239–243. doi: 10.1016/s0035-9203(01)90223-8. [DOI] [PubMed] [Google Scholar]
  3. DTG Leitlinie 2000: Diagnostik und Therapie der viszeralen Leishmaniose. www.uni-duesseldorf.de/WWW/AWMF/ll/trop004.htm
  4. Enk C.D. Kutane Leishmaniose. Der Hautarzt. 2003;54:506–512. doi: 10.1007/s00105-003-0530-5. [DOI] [PubMed] [Google Scholar]
  5. Harms-Zwingenberger, G. und U. Bienzle: Leishmaniosen. In W. Lang und T. Löscher (Hrsg.) Tropenmedizin in Klinik und Praxis, Stuttgart 2000.
  6. Robert Koch Institut, Berlin: Leishmaniose: nach Deutschland importierte Erkrankungen. Epidemiologisches Bulletin 33, August 2003.
  7. Schönian G. Zur Diagnostik der Leishma-nia-Infektionen. J Lab Med. 2004;28:498–505. [Google Scholar]

Informationen im Internet

  1. Leishmaniose-Melde- und Referenzstelle am Institut für Tropenmedizin in Berlin. www.chari-te.de/tropenmedizin/

4.14. Selten (oder nie) importierte Krankheiten

HARALD KRETSCHMER, REINHARD KRIPPNER, JOHANNES SCHÄFER, AUGUST STICH, GUNTHER VON LAER

In diesem Kapitel wird kurz auf Infektionskrankheiten eingegangen, deren Bedeutung in der Reisemedizin nur sehr begrenzt ist, die aber weltweit eine hohe Krankheitslast darstellen (z.B. Tuberkulose, Lepra, Cholera) oder in speziellen Gebieten eine hohe Sterblichkeit haben (z. B. Gelbfieber, Tollwut, Schlafkrankheit) oder die wegen ihrer Gefährlichkeit trotz ihrer Seltenheit an vorderster Stelle in die differenzialdiagnostischen Überlegungen einbezogen werden müssen (z.B. Virale Hämorrhagische Fieber). Aufgenommen in dieses Kapitel sind auch die Pocken, weil Reisende terroristische Anschläge befürchten oder gelegentlich auch heute noch davon überzeugt werden müssen, dass diese Erkrankung seit fast drei Jahrzehnten ausgerottet ist.

4.14.1. Gelbfieber

Gelbfieber ist eine akute, durch ein Flavivirus hervorgerufene und durch Mücken übertragene Erkrankung (Arbovirose). Reservoir des Dschungel-Gelbfiebers sind Affen. Das urbane Gelbfieber kann durch einen Vektor (Aedes aegypti) auch von Mensch zu Mensch übertragen werden. Die Letalität der Erkrankung ist hoch und liegt bei etwa 30%.

▪. Gelbfieber - Gesundheitsbedrohung in Südamerika und (West-)Afrika

Derzeit stellt Gelbfieber eine nur relativ geringe Gesundheitsbedrohung für die einheimische Bevölkerung Westafrikas, gelegentlich auch Kenias sowie Südamerikas dar. Zwischen 300 und 3000 Erkrankungen jährlich wurden in den vergangenen 10 Jahren an die Weltgesundheitsorganisation gemeldet. Ausbrüche der Krankheit gab es in den Jahren 2003-2005 im Sudan, in fünf westafrikanischen Ländern und in Venezuela sowie in Brasilien. Für die einheimische Bevölkerung muss aber zur Verhinderung größerer Ausbrüche der Erkrankung eine möglichst gute Überwachung der epidemiologischen Situation erfolgen. Insbesondere muss die Ausbreitung der Überträgermücke des Gelbfiebervirus unter Kontrolle gehalten werden. Schutz vor Mückenstichen und Impfung sind besonders während der Gelbfieberepidemien wirksame Mittel zu deren Eindämmung. Asien ist gelbfieberfrei.

Folgende Leitsymptome lassen ein Gelbfieber vermuten:

  • hohes Fieber,

  • Myalgien,

  • relative Bradykardie,

  • Ikterus,

  • Hämorrhagien,

  • Proteinurie.

Der Tod tritt unter den Zeichen der Leberund Niereninsuffizienz ein. Eine spezifische Therapie gibt es nicht.

▪. Bedeutung des Gelbfiebers in der Reisemedizin

Die Gelbfieberschutzimpfung ist die wichtigste verpflichtend vorgeschriebene Reiseimpfung. In der Regel gelangen deshalb nur geimpfte Reisende in die meisten gelbfieberendemischen Gebiete. Wegen des fast hundertprozentigen Schutzes durch die Impfung und wegen nur sehr seltener gravierender Nebenwirkungen wird zu Recht relativ freizügig gegen Gelbfieber geimpft. Deshalb sind Infektionen von Touristen mit dem Gelbfiebervirus eine absolute Rarität. Mit Gelbfiebererkrankung muss also bei Reisenden in der Regel nicht gerechnet werden. Auch bei Migranten, z.B. Asylbewerbern aus gelbfieberendemischen Gebieten, muss wegen der kurzen Inkubationszeit (3-6 Tage) höchstens bis zum zehnten Tag nach Verlassen des gefährdeten Gebietes diese Krankheit in differenzialdiagnostische Überlegungen eingeschlossen werden.

Fazit: Zurzeit spielt Gelbfieber dank der für viele Länder verpflichtend vorgeschriebenen Schutzimpfung in der Reisemedizin keine Rolle.

Weiterführende Literatur

  1. Mandell G.L., Bennett J.E., Dolin R. Principles and Practice of Infectious Diseases. 6th ed. Churchill Livingstone; Edinburgh: 2005. [Google Scholar]
  2. Robert Koch Institut (RKI) Gelbfieber. Epidem. Bulletin. 2003;48:402. [Google Scholar]
  3. WHO Yellow Fever Vaccine. Weekly Epid Rec. 2003;78:349–358. [Google Scholar]

Informationen im Internet

  1. Konsensuskonferenz Impfungen. www.dtg.mwn.de/impfen/konsens97/konsens4.htm

4.14.2. Tollwut

Tollwut ist eine Erkrankung, die durch ein neurotropes Virus verursacht wird, das durch einen Biss infizierter Säugetiere übertragen wird.

Weltweit sind für über 90% der menschlichen Tollwutfälle domestizierte Hunde und Katzen verantwortlich. Gelegentlich werden Menschen auch durch Bisse wildlebender Säugetiere infiziert, in seltenen Fällen durch Inhalation von virenhaltigen Aerosolen in Höhlen, in denen Fledermäuse leben.

Die Inkubationszeit der stets tödlich verlaufenden Tollwuterkrankung beträgt zwischen 4 Tagen und vielen Jahren, in 75% der Fälle dauert sie zwischen 20 und 90 Tage.

Die weltweite jährliche Tollwutmortalitätsrate wird auf 50000 geschätzt; fast alle Todesfälle treten in warmen Klimazonen auf, die meisten davon in Indien, nur 0,1% in gemäßigten Klimazonen.

▪. Bedeutung der Tollwut in der Reisemedizin

Das Infektionsrisiko für Reisende in Tollwutendemiegebieten lässt sich nur schwer abschätzen. Es ist bei Langzeitaufenthalten, z.B. in Regionen mit einer hohen Zahl streunender Hunde und unzureichenden Strategien der Bekämpfung, sowie bei bestimmten Reiseaktivitäten (z.B. „Busch-trekking”, Fahrradtouren) sicherlich erhöht. Als Länder mit hoher Tollwut-Inzidenz gelten alle Länder des tropischen Afrika sowie Indien, Sri Lanka, Bangladesh, Nepal, Thailand und Vietnam.

Prinzipiell stehen zwei Strategien der Tollwutprophylaxe zur Verfügung, die prä- und postexpositionelle Impfung (s. Kap. II.8.1.9).

Die vollständige präexpositionelle Impfung führt in der Regel zu adäquaten Titern neutralisierender Antikörper. Deshalb ist bei geimpften Personen nach einem Biss keine passive Immunisierung mit Anti-Tollwut-Immunglobulin erforderlich. In diesem Fall muss lediglich mit zwei Impfdosen aktiv am Tag 0 und 3 nachgeimpft werden.

Dies ist von Bedeutung, da Anti-Tollwut-Immunglobulin in vielen endemischen Gebieten nicht erhältlich oder von zweifelhafter Qualität sein kann.

Vorsicht geboten ist auch bei bestimmten aktiven Tollwutimpfstoffen, die leider in vielen Ländern noch im Umlauf sind und mit schweren Nebenwirkungen und Folgeerkrankungen (wie der Impfenzephalomyelitis) einhergehen können. Dies betrifft Impfstoffe vom Typ Semple (zum Teil in Afrika und Asien in Gebrauch) und „suckling mouse brain”-(Fuenzalida)Impfstoffe in Mittel- und Südamerika.

Fazit: Die Indikation zur präexpositionellen Impfung bei Reisenden muss sich am zu erwartenden Risiko orientieren. Dies schließt Überlegungen mit ein, wie schnell im Fall eines Bisses sichere Aktivund Passivimpfstoffe verfügbar sind.

Tabelle 4-20 gibt einen Überblick über das Vorgehen nach Biss eines tollwutverdächtigen Tieres.

Tabelle 4-20.

Vorgehen nach Biss eines tollwutverdächtigen Tieres.

  • Wundreinigung:
    • Erste Hilfe: Intensive Reinigung der Wunde mit Seife oder einem Deter-gens unter laufendem Wasser für mindestens fünf Minuten; Entfernung von Fremdkörpern und Spülen mit Wasser; großzügige Anwendung eines viriziden Mittels (Alkohol, Polyvidon-Jod).
    • Exploration der Wunde; Débridement, Spülung tiefer Wunden mit Kochsalz, Wunde offen lassen; Tetanusprophylaxe; antibiotische Behandlung
  • Es liegt keine präexpositionelle Impfung vor→postexpositionelle Impfung!

  • Es liegt eine vollständige präexpositionelle Impfung vor→Auffrischimpfung!!

Bei längeren Aufenthalten im Gastland kann eine Impfung der Haustiere das Tollwutrisiko für den Menschen deutlich reduzieren.

Weiterführende Literatur

  1. Schönfeld, C. et al.: Konsensuspapier zur Tollwutimpfung für Reisende, MMW-Fortschr. Med. Orginalien Nr. IV/2003 (145. Jg.), 125-129.
  2. Warrell M.J., Warrell D.A. Rhabdoviruses: Rabies and Rabies-Related Viruses. In: Weatherall D.J., Ledingham J.G.G., Warrell D.A., editors. Vol. 1. Oxford University Press; Oxford: 1996. (Oxford Textbook of Medicine). [Google Scholar]

Informationen im Internet

  1. Konsensuskonferenz Impfungen. www.dtg.mwn.de/impfen/konsens97/konsens4.htm

4.14.3. Hochkontagiöse Virale Hämorrhagische Fieber

Der Oberbegriff „Virale Hämorrhagische Fieber” (VHF) umfasst eine heterogene Gruppe von Erkrankungen, die sich im Vollbild durch eine hämorrhagische Diathese und teilweise hohe Letalität auszeichnen (Tab. 4-21 ). Die VHF waren lange Zeit der Inbegriff der Bedrohung durch Krankheitserreger. Die SARS-Epidemie und die Angst vor dem Bioterrorismus haben aber gerade in den letzten Jahren gezeigt, wie vulnerabel hochtechnisierte Gesundheitssysteme auch gegenüber anderen infektiösen Risiken sind. In den letzten 10 Jahren wurde in Europa nur eine kleine Zahl von VHF gemeldet.

Tabelle 4-21.

Virale Hämorrhagische Fieber (VHF).

Familie Erreger Krankheitsbild
Filoviren
  • Ebola-Virus

  • Marburg-Virus

  • Ebola-HF

  • Marburg-HF

Bunyaviren
  • CCHF-Virus

  • Rift-Valley-Virus

  • Hantaan-Virus

  • Seoul-Virus

  • Puumala-Virus

  • Dobrava-/Belgrad-Virus

  • Krim-Kongo-HF

  • Rift-Valley-Fieber

  • Hanta-HF mit renalem

  • Syndrom (HFRS)

Sin-Nombre-Virus u.a. Hantavirus-Pulmonary Syndrome (HPS)
Arenaviren
  • Lassa-Virus

  • Junin-Virus

  • Machupo-Virus

  • Cuarito-Virus

  • Sabia-Virus

  • Lassa-Fieber

  • Argentinisches HF

  • Bolivianisches HF

  • Venezuelanisches HF

  • Brasilianisches HF

Flaviviren
  • Gelbfieber-Virus

  • Dengue-Virus

  • OHF-Virus

  • KFD-Virus

  • Gelbfieber

  • Dengue-Fieber

  • Omsk-HF

  • Kyasanur Forest Disease

Togaviren Chikungunya-Virus Chikungunya-Fieber

Von den ca. 15 Krankheitsbildern sind 4 hochkontagiös (s.u.), bei diesen sind nosokomiale Ausbrüche mit teilweise hoher Letalität beschrieben. Bei den anderen hämorrhagischen Fiebern (z.B. Dengue-Fieber, Gelbfieber, Hantavirusinfektionen etc.) besteht bei den üblichen pflegerischen und ärztlichen Maßnahmen keine Gefahr der Ansteckung.

Schon das Vorliegen eines begründeten Verdachts auf ein hochkontagiöses VHF muss dem Gesundheitsamt gemeldet werden und erfordert die sofortige Isolierung des Patienten und weitere Maßnahmen (z.B. Gefahrguttransport für diagnostische Proben, Sonderentsorgung der Abfälle etc.). Dies ist mit einem erheblichen personellen, materiellen und finanziellen Aufwand verbunden. Es muss deshalb sorgfältig geprüft werden, ob tatsächlich ein begründeter Verdacht besteht.

Es muss eine detaillierte Anamnese (inkl. Reiseroute, Aufenthaltsorte, Reise- und Lebensbedingungen, möglicher Kontakt mit Erkrankten oder Tieren, Umgang mit infektiösem Material) erhoben werden.

Die Krankheitsbilder sind initial meist uncharakteristisch mit hohem Fieber, ausgeprägtem Krankheitsgefühl und progre dienter Verschlechterung. Andere Ursachen, insbesondere eine Malaria, müssen unbedingt ausgeschlossen werden (s. Tab. 4-22 )!

Tabelle 4-22.

Vorgehen bei Verdacht auf Virale Hämorrhagische Fieber (VHF).

„Begründeter Verdacht auf hochkontagiöse VHF“ nur bei Vorliegen folgender Kriterien:
  • passende Klinik,

  • Aufenthalt in einem Endemiegebiet mit Expositionsrisiko (in der Regel Subsahara-Afrika),

  • passende Inkubationszeit (max. 3 Wochen)

Differenzialdiagnose bei Verdacht auf VHF:
komplizierte Malaria s. Kap. IV.4.1
Rickettsien-Infektion s. Kap. IV.4.14.11
Meningokokken-Meningitis s. Kap. IV.4.10.1
Leptospirose s. Kap. IV.4.14.10
Rückfallfieber s. Kap. IV.14.9
Typhus s. Kap. IV.4.3
Shigellose s. Kap. IV.4.4
Gramnegative Sepsis
schwere Hepatitis s. Kap. IV.4.6

Lassa-Fieber

Verbreitung: West-Afrika: Nigeria, Sierra Leone, Guinea, Liberia, Ghana, Elfenbeinküste, Burkina Faso.

Klinik: Initial Pharyngitis, Husten, retrosternale Schmerzen.

Natürliches Reservoir: Nagetiere (Ratten).

Übertragung: Durch Lebensmittel oder Gegenstände, die mit infektiösem Urin, Kot oder Speichel von Ratten kontaminiert sind.

Inkubationszeit: 3-17 Tage.

Marburg- und Ebola-Fieber

Verbreitung: Afrika: Uganda, Kenia, Zimbabwe, Angola, DR Kongo, Sudan, Südafrika.

Klinik: Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen, Konjunktivitis, Pharyngitis und Nausea. Bei einigen Patienten schuppendes, nicht juckendes, papulöses Exanthem.

Natürliches Reservoir: Unbekannt, Affen sind wahrscheinlich nur Überträger.

Übertragung: Enger Kontakt; Blut, Sekrete, Urin, Gewebe infizierter Erkrankter; aerogene Übertragung wahrscheinlich.

Inkubationszeit: 4-10 Tage (2-21 Tage).

Krim-Kongo-Fieber

Verbreitung: Asien, Afrika, Südost-Europa, Mittlerer Osten.

Klinik: Schüttelfrost, starke Kopf-, Muskel- und Gelenkschmerzen. Ausgeprägtes Krankheitsgefühl. Relativ früh thorakale und abdominale Petechien sowie Konjunktivitis.

Natürliches Reservoir: Hyaloma-Zecken, domestizierte Tiere, wie Kühe, Schafe, Ziegen und Kamele.

Übertragung: Kontakt mit infektiösem tierischem Blut (Inhalation!), nosokomiale Infektionen.

Inkubationszeit: 2-5 Tage (bei Übertragung durch Zecken), 5-9 Tage (bei nosokomialen Infektionen.

Vorgehen bei begründetem Verdacht auf hochkontagiöse VHF:

  • Strenge Isolation (Schutz des Personals und der Mitpatienten) mit Anzug, Handschuhen, Maske, Brille.

  • Information des örtlichen Gesundheitsamtes und des regionalen Kompetenz-Zentrums (im Zweifelsfall Rücksprache mit Landesgesundheitsamt).

  • Diagnostik und Transport von Untersuchungsmaterial in Absprache mit Bernhard-Nocht-Institut, Hamburg.

  • Weiteres Vorgehen und eventuelle Verlegung nur in Absprache mit regionalem Kompetenz-/Behandlungs-zentrum (s.u.).

Fazit: Hochkontagiöse Hämorrhagische Fieber wurden bisher nur in kleiner Zahl nach Europa importiert. Sie spielen deshalb in der reisemedizinischen Beratung eine nur untergeordnete Rolle. Sollte nach Rückkehr eines Reisenden aus Endemiegebieten der begründete Verdacht auf ein VHF bestehen, müssen umgehend strikte seuchenhygienische Maßnahmen getroffen werden.

Ansprechpartner in Deutschland bei Verdacht auf VHF

  • Robert-Koch-Institut (RKI)

    Nordufer 20

    13353 Berlin

    Hotline: 01888/7543430 (Mo-Fr 9-17 Uhr)

  • Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin

    Bernhard-Nocht-Straße 74

    20359 Hamburg

    Ärzte-Hotline für Verdachtsfälle:

    Tel. 040/428180

  • Medizinische Klinik mit Schwerpunkt

    Infektiologie, Campus Virchow-Klinikum

    Augustenburger Platz 1

    13353 Berlin

    Tel.: 030/45055 3051

    Fax: 030/45055 3906

  • Städtisches Klinikum „St. Georg”

    2. Klinik für Innere Medizin

    Delitzscher Str. 141

    04129 Leipzig

    Tel.: 0341/9094005 oder 0177/7618244

    Fax: 0341/9092630

  • Städtisches Krankenhaus München-Schwabing

    Kölner Platz 1

    80804 München

    Tel.: 089/30682620

    Fax: 089/30683868

  • Kompetenzzentrum Gesundheitsamt Frankfurt

    Braubachstr. 14-16

    60311 Frankfurt

    Tel: 069/21236252

    (Mo-Fr während Dienstzeiten)

    Fax: 0 69/212314 98

  • Universitätsklinikum

    Theodor-Stern-Kai 7

    60596 Frankfurt

    Tel.: 069/63017410

    Fax: 069/63017471

Ansprechpartner in der Schweiz bei Verdacht auf VHF

  • Institut für Klinische Mikrobiologie und Immunologie

  • Frohbergstr. 3

  • 9001 St. Gallen

  • Tel.: 0041/71/4943703

  • 0041/71/4941111 (Dienstarzt)

  • Fax: 0041/71/4943705

Weiterführende Literatur

  1. Cook G., Zumla A. Manson's Tropical Diseases. 21st ed. Saunders; London: 2003. [Google Scholar]
  2. Hugonnet S. Schutzmaßnahmen bei Patienten mit Verdacht auf virales hämorrhagisches Fieber; Empfehlungen für die Schweiz. Swiss-Naso. 2003;9,3:18–24. www.swiss-naso.ch [Google Scholar]

Informationen im Internet

  1. Weltgesundheitsorganisation (WHO): www.who.org
  2. Centres for Disease Control (CDC) Atlanta: Emergency Preparedness & Response. www.bt.cdc.gov
  3. Promed (Global electronic reporting system for outbreaks) www.promedmail.org
  4. Robert Koch Institut Steckbriefe seltener und “importierter” Virusinfektionen. www.rki.de/INFEKT/STECKBRF/STBR_HOM.HTM

4.14.4. Pocken

Am 26. Oktober 1977 wurde in Somalia die weltweit letzte natürlich erworbene Pockenerkrankung diagnostiziert - später gab es lediglich noch eine tödlich verlaufende Laborinfektion in Birmingham/England.

▪. Pocken - erste weltweit ausgerottete Infektionskrankheit

1979 wurde die Erde von der Weltgesundheitsorganisation nach einer konsequenten, weltweiten Impfkampagne für pockenfrei erklärt. Damit war eine schwere, oft tödlich verlaufende Erkrankung durch eine gemeinsame Anstrengung der Völkergemeinschaft ausgerottet. Weitere Erkrankungen sollen in den nächsten Jahren folgen: Zunächst die Viruskrankheiten Poliomyelitis und Masern, dann aber auch die Parasitosen Chagas- und Medinawurm-Krankheit. Leider wird durch diese gewiss großen Erfolge in der Krankheitsbekämpfung die gesamte Krankheitslast auf der Erde nicht abnehmen; andere Krankheiten - oft Folge zunehmender Armut und kriegsbedingten Elends - treten an ihre Stelle.

Das Pockenvirus wird zurzeit noch in je einem zivilen Labor in den USA und in Russland aufbewahrt. Immer wieder wird der Verdacht geäußert, dass das Pockenvirus auch in militärischen Labors noch vorhanden sei. Eine vorsätzlich ausgelöste Epidemie durch das als biologische Waffe missbrauchte Virus träfe dann auf eine ungeimpfte, also ungeschützte Weltbevölkerung. Aus Furcht vor möglichen terroristischen Anschlägen wurden in den letzten Jahren in den USA erneut Massenimpfungen durchgeführt.

Die endgültige Vernichtung des Pockenvirus ist von der Weltgesundheitsversammlung auf unbestimmte Zeit vertagt worden.

Fazit: Die Pocken sind seit mehr als 20 Jahren weltweit ausgerottet, eine Pockenimpfung ist im Reiseverkehr schon seit fast zwei Jahrzehnten nicht mehr nötig und möglich. Ob in der Zukunft die Affenpocken (oder andere Varianten) eine Rolle spielen werden, steht dahin.

Weiterführende (medizingeschichtliche) Literatur

  1. Fenner F., Henderson D.A., Arita J., Jezek Z., Ladnyi J.D. Smallpox and its Eradication. WHO; Genf: 1988. [Google Scholar]
  2. Hopkins D.R. Princes and Peasants - Smallpox in History. The University of Chicago Press; Chicago: 1983. [Google Scholar]

Informationen im Internet

  1. Centers for Disease Control and Prevention Smallpox Fact Sheet 2003. www.bt.cdc.gov./agent/smallpox/vaccination/facts.asp

4.14.5. Tuberkulose

Tuberkulose ist eine chronische, im Wesentlichen durch Mycobacterium tuberculosis hervorgerufene Erkrankung, die durch die Entwicklung von Granulomen in den betroffenen Geweben charakterisiert ist. Ohne Behandlung verläuft die Tuberkulose häufig tödlich. Die Übertragung erfolgt vorwiegend durch Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch.

▪. Tuberkulose - Gesundheitskatastrophe in den armen Ländern

Die „älteste” Infektionskrankheit der Menschheit, die nie in dramatischen Epidemien auftritt, wurde im Zeitalter starken Bevölkerungswachstums und des Ausbruches der AIDS-Pandemie zum globalen Notfall. Ein Drittel der Erdbevölkerung ist mit dem Tuberkulosebakterium infiziert. Weltweite Flüchtlingsbewegungen und das Auftreten multiresistenter Bakterienstämme verschlimmern das Problem. 95% der jährlich acht Millionen Neuerkrankungen an Tuberkulose und 99% der jährlich bis zu drei Millionen Todesfälle ereignen sich in den sogenannten Entwicklungsländern. In sozial gut gestellten Bevölkerungsgruppen der Industrienationen dagegen nehmen tuberkulosebedingte Morbidität und Mortalität stetig weiter ab. Bei der Hälfte der in Mitteleuropa auftretenden Erkrankungen handelt es sich um eine offene Lungentuberkulose, die andere Hälfte entfällt auf geschlossene pulmonale sowie auf extrapulmonale Tuberkulosen.

▪. Bedeutung der Tuberkulose in der Reisemedizin

Nur ein geringer Prozentsatz der Infektionen mit Mycobacterium tuberculosis bei Mitteleuropäern ereignet sich bei Reisen. Lediglich bei Langzeitaufenthalten und bei Tätigkeit im Gesundheitswesen in hochendemischen Ländern besteht ein nennenswertes Infektionsrisiko für Tuberkulose (s. Cobelens et al.). Anekdotische Berichte gibt es über Infektionen mit Tuberkulose in Flugzeugen durch unerkannt offen-tuberkulöse Mitreisende. Bei der weitaus größeren Zahl der Tuberkuloseerkrankungen handelt es sich um Reaktivierungen der Infektion im Alter, um Koinfektionen bei HIV-/AIDS-Patienten, um Tuberkulosen bei Einwanderern, Asylbewerbern (s. Kap. V.3.), Flüchtlingen und bei sozial Benachteiligten und Marginalisierten wie Obdachlosen, Drogenabhängigen, Gefangenen etc. Die Inkubationszeit beträgt zwischen einem Monat und mehreren Jahren. Bei besonderer Gefährdung ist für Säuglinge und Kinder die BCG-Impfung zu erwägen.

Je nach Symptomatik müssen unbedingt bakteriologische Untersuchungen (Sputum, Magensaft, Urin, Stuhl, Blut, Liquor cerebrospinalis, gegebenenfalls auch Gewebeproben), Röntgenuntersuchungen (s. Kap. IV.3.4) und Labortests die physikalische Untersuchung ergänzen. Da es sich um eine ubiquitäre Erkrankung handelt, soll hier auf die allgemein zugängliche medizinische Literatur verwiesen werden. Eine konsequente, streng überwachte Kombinationstherapie (INH, Rifampicin, Pyrazinamid, Ethambutol u.a.) über mindestens 6 Monate führt in den weitaus meisten Fällen zur Heilung der Erkrankung.

Fazit: Die Bedeutung der Tuberkulose in der Reisemedizin ist gering; ein nennenswertes Infektionsrisiko besteht lediglich bei Langzeitaufenthalten. Weltweit jedoch stellt die Erkrankung jetzt und in Zukunft eines der größten Krankheitsprobleme dar. Deshalb muss bei Einwanderern, Asylbewerbern und Flüchtlingen bei Vorliegen von respiratorischen Symptomen an Tuberkulose gedacht werden.

Weiterführende Literatur

  1. Cobelens F.G. Risk of infection with Mycobacterium tuberculosis in travellers to areas of high tuberculosis endemicity. Lancet. 2000;356:461–465. doi: 10.1016/S0140-6736(00)02554-X. [DOI] [PubMed] [Google Scholar]
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4.14.6. Lepra

Lepra ist eine chronische, durch Mycobacterium leprae hervorgerufene Erkrankung. Sie äußert sich vor allem durch Hauterscheinungen und das Bild einer peripheren Neuropathie. Die Übertragung erfolgt wahrscheinlich durch Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch.

▪. Weltweit dramatischer Rückgang des „Aussatzes”

In den letzten zwei Jahrzehnten ist die Zahl der registrierten Lepra-Patienten dramatisch zurückgegangen, von ca. 6 Millionen 1985 auf unter 500000 im Jahr 2003. Allerdings ist die Zahl der jährlich neu diagnostizierten Fälle über diesen Zeitraum mit jährlich über 500000 Fällen weitgehend konstant geblieben (2003: 513000).

Durch den großen Erfolg der von der Weltgesundheitsorganisation seit fast 25 Jahren propagierten medikamentösen Kombinationstherapie konnten vielen Millionen Menschen schwerste Behinderungen erspart werden. Dennoch ist bis zur Elimination der Lepra als Problem der öffentlichen Gesundheit noch ein beschwerlicher Weg zurückzulegen. Heute sind von Lepra vor allem geographisch und/oder sozial isolierte Volksteile, Flüchtlinge, Obdachlose und ärmste Bevölkerungsgruppen in Indien, Brasilien und einigen westafrikanischen Ländern betroffen.

▪. Bedeutung der Lepra in der Reisemedizin

Aus den genannten Gründen spielt die früher weltweit verbreitete Lepra in Europa heute keine Rolle mehr. Auch in der Reisemedizin muss nicht mit ihr gerechnet werden. Nur weniger als fünf Lepraerkrankungen werden jährlich in mitteleuropäischen Ländern diagnostiziert, davon die meisten bei Einwanderern, Asylbewerbern und Flüchtlingen (s. Kap. V.3), kaum je einmal bei einem Reisenden. So kann in einem Reisemedizin-Lehrbuch auf die Beschreibung der Erkrankung verzichtet werden. Sollten bei Patienten, die lange Zeit im Ausland lebten, Hautveränderungen mit anästhetischen Bezirken (Test mit Wattebausch) oder eine polyneuritische Symptomatik auftreten, muss auch der Verdacht auf das Vorliegen einer Lepra aufkommen. Solche Patienten müssen in die Hände eines erfahrenen Tropenmediziners, Infektiologen oder Dermatologen weitergeleitet werden. Durch eine frühe Diagnosestellung mit anschließender 6- bis 24-monatiger Kombinationstherapie (Medikamente: Rifampicin, Dapson, Clofazimin) kann schwersten Komplikationen an fast allen Organsystemen sowie unterschiedlichsten körperlichen Behinderungen vorgebeugt werden.

Fazit: Die Bedeutung der Lepra in der Reisemedizin ist gering. Weltweit wird die Erkrankung in den nächsten Jahren weiter zurückgedrängt werden.

Weiterführende Literatur

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4.14.7. Cholera

Der Erreger der Cholera, Vibrio cholerae, ist ein gramnegatives, kommaförmiges, begeißeltes Stäbchen, das vor allem über kontaminiertes Wasser aufgenommen wird. Ohne rasche Flüssigkeitssubstitution verläuft die Cholera häufig tödlich.

▪. Cholera - eine weltweite Geißel

Vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis 1992 überzogen sieben Pandemien die Erde, die mit Ausnahme der siebten Pandemie (Ausgangspunkt Sulawesi/Indonesien) alle ihren Ursprung auf dem Indischen Subkontinent hatten. Die siebte Pandemie, verursacht durch den Biotyp El Tor, erreichte 1991 auch Lateinamerika, nachdem dieser Kontinent mehr als 100 Jahre cholerafrei war.

Fäkal kontaminiertes Wasser stellt in epidemischen Situationen eine wichtige Infektionsquelle dar. Mit Abwasser gegossenes Gemüse, rohe oder nicht ausreichend gekochte Meeresfrüchte und die Verarbeitung von Lebensmitteln durch infizierte Personen sind für die Übertragung durch die Nahrung von Bedeutung. Cholera tritt insbesondere dort auf, wo Trinkwasserversorgung, Abwasserbeseitigung und Lebensmittelhygiene mangelhaft sind und Überbevölkerung die Ausbreitung fördert. Bürgerkrieg, Zusammenbruch der Gesundheitsversorgung und Flüchtlingsströme sind weitere begünstigende Faktoren.

Jährlich erkranken Hunderttausende an Cholera (1994 über 380000 gemeldete Erkrankungen in 94 Ländern), wobei die Zahl abhängig von ablaufenden Epidemien erheblich schwankt.

Betroffen sind in Endemiegebieten vor allem Kinder zwischen zwei und neun Jahren. Die Blutgruppe 0 stellt einen Risikofaktor für einen schwereren Verlauf dar. Eine erworbene Immunität scheint der Grund für die Abnahme der Erkrankungshäufigkeit bei Erwachsenen zu sein.

Eine leicht verlaufende Cholera lässt sich nicht von Durchfall anderer Genese unterscheiden. Die Inkubationszeit beträgt ein bis sechs Tage.

Symptome einer mittelschweren bis schweren Choleraerkrankung sind:

  • plötzlicher massiver Durchfall ohne Tenesmen („reiswasserartig”, wenig riechend),

  • kein Fieber, gelegentlich geringe Temperaturerhöhung,

  • häufig Erbrechen einige Stunden nach Beginn des Durchfalls,

  • Flüssigkeitsverlust bei Cholera gravis 0,5-1 l/Stunde,

  • verminderter Hautturgor: Waschfrauenhände, eingesunkene Augen,

  • Unruhe, schwache Stimme, Apathie bei erhaltener Orientierung, ausgeprägtes Durstgefühl,

  • schmerzhafte Muskelkrämpfe,

  • Tachykardie, Hypotonie, Schock, Oligurie.

Die Diagnose wird zunächst klinisch gestellt, die Behandlung muss umgehend eingeleitet werden. Sie besteht in oralem Flüssigkeitsersatz mittels ORS (oral rehydration solution, s. Kap. II.5.5 und IV.4.4) bei milder bis mäßiger Dehydratation. Bei mittelschwerem und schwerem Verlauf muss die Rehydratation intravenös erfolgen. Erregerausscheidung und Durchfalldauer werden durch antibiotische Therapie verkürzt. Mittel der Wahl ist Doxycyclin, alternativ: Co-trimoxazol oder Ciprofloxacin.

Die Letalität wird entscheidend durch eine frühzeitig einsetzende und wirksame Rehydratation bestimmt. 1995 lag sie zwischen 1% in Lateinamerika und 4,3% in Afrika. Unter sehr ungünstigen Bedingungen, wie z.B. in Flüchtlingslagern im Osten des Kongo, wurden Todesraten bis zu 22% berichtet.

Zur Vorbeugung der Cholera gelten die gleichen Empfehlungen wie für andere Durchfallerkrankungen („peel it, boil it, cook it or forget it”). Der früher verwendete parenterale Impfstoff wird wegen unzureichender Schutzwirkung bereits seit längerem nicht mehr empfohlen. Gelegentlich verlangen jedoch noch einzelne Länder entgegen den WHO-Empfehlungen den Impfnachweis bei Einreise. Neue orale, sowohl inaktivierte als auch attenuierte Lebendimpfstoffe zeigen Schutzraten zwischen 65 und 85%.

▪. Bedeutung der Cholera in der Reisemedizin

Die Inzidenz bei Reisenden wird auf drei Erkrankungen pro eine Million Reisender pro Monat geschätzt. Auch bei Annahme einer gewissen Dunkelziffer nicht diagnostizierter, leicht verlaufender Erkrankungen ist die Zahl der nach Mitteleuropa importierten Choleraerkrankungen sehr klein.

Fazit: Cholera spielt in der Reisemedizin nur eine sehr untergeordnete Rolle.

Weiterführende Literatur

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4.14.8. Pest

Pest ist eine in Afrika, Amerika und Asien vorkommende, durch Yersinia pestis hervorgerufene und durch Flöhe übertragene Erkrankung von Ratten und anderen Nagern, die nur akzidentell auf den Menschen übertragen wird, sich dann aber epidemisch ausbreiten kann.

▪. Pest - der Schwarze Tod

Die Zahlen der weltweit gemeldeten Pesterkrankungen stiegen in den 80er und 90er Jahren stetig an, liegen aber auf einem recht niedrigen Niveau. Insgesamt ca. 300 Erkrankungen werden der Weltgesundheitsorganisation jährlich gemeldet. Die Todesrate der Erkrankungen liegt bei etwa 10%.

Pestepidemien sind Folge schlechter hygienischer Lebensumstände, also bedingt durch die vielerorts sich verstärkende Armut. Hauptbetroffene Länder sind Madagaskar, Tansania, Vietnam, Myanmar, Indien und Peru. Auch in den USA treten jährlich etwa 15 Pestfälle auf, die sich wegen des hohen Hygienestandards jedoch nie zu einer größeren Epidemie ausweiten können. Langen pestfreien Zeiten können plötzliche Ausbrüche der Pest unter Nagetieren und Menschen folgen. Es gibt drei verschieden schwere Verläufe, nämlich die Beulenpest, die septikämische Pest und die Lungenpest.

Durch den Biss eines Rattenflohs wird der Mensch infiziert und entwickelt nach einer Inkubationszeit von 1-12 Tagen die Beulenpest (syn.: Bubonenpest), die mit hohem Fieber beginnt und unter anderem in eine Pestpneumonie übergehen kann. Dieser Patient kann dann andere Menschen auch direkt durch Tröpfcheninfektion infizieren. Die potenten Endotoxine, die unter anderem die Gefäßendothelien schädigen, und die schnelle Vermehrung der Erreger sind die gefährlichsten pathogenen Mechanismen: Über ein Einschmelzen der lokalen Lymphknoten („Bubonen”) bzw. Blutungen an inneren Organen, insbesondere der Lunge, kann sich unbehandelt in kurzer Zeit ein letales Krankheitsgeschehen entwickeln. Die übliche antibiotische Therapie mit Tetracyclinen wirkt unmittelbar, wirksam sind auch Streptomycin, Chloramphenicol und Sulfonamide. In epidemischen Situationen oder bei Exposition kann die prophylaktische Einnahme von Tetracyclinen sinnvoll sein, z.B. für Familienangehörige von Pestkranken oder medizinisches Personal.

▪. Bedeutung der Pest in der Reisemedizin

Nur ganz vereinzelt sind Erkrankungen von Reisenden an Pest berichtet worden. Auch von dem größeren Pestausbruch in Indien im Jahr 1994 waren weder Touristen noch in Indien lebende und arbeitende Angehörige reicher Länder betroffen. Es muss also bei Kranken mit Fieber, Lymphknotenschwellungen und pneumonischen Infiltraten sowie entsprechender Reiseanamnese nicht primär mit dem Vorliegen von Pest gerechnet werden.

Fazit: Eine nennenswerte Bedrohung von Touristen und im Ausland Tätigen durch Pest besteht nicht.

Weiterführende Literatur

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4.14.9. Rückfallfieber

Das Rückfallfieber wird durch Bakterien ausgelöst: das durch Läuse übertragene Rückfallfieber der Kriegs- und Notzeiten durch Borrelia recurrentis und das endemische Zeckenrückfallfieber durch andere Borrelien, z.B. Borrelia duttoni.

▪. Rückfallfieber - Erkrankung und reales Risiko

Rückfallfieber kommt mit Ausnahme von Australien weltweit vor.

Nach Infektion durch infizierte Läuse oder Zecken und einer Inkubationszeit von 2-18 Tagen kommt es zu einem akuten Krankheitsbeginn mit hohem Fieber, das einige Tage anhält, sich normalisiert und in unterschiedlichen Schüben wiederholt („recurrentis”). Allgemeinsymptome wie Kopf-, Rücken- und Gliederschmerzen, Bauchschmerzen, Photophobie und Verwirrtheit können einzeln oder in Kombination dazugehören. Bei ca. einem Drittel der Patienten treten Blutungen, Hämaturie, Ekchymosen oder Petechien auf, die Laborwerte sind organspezifisch und im Sinne eines bakteriellen Infektes auffällig. Differenzialdiagnostisch sind hochkontagiöse Virale Hämorrhagische Fieber (s. Kap. IV.4.14.3) auszuschließen. Pathophysiologisch sind besonders die Organe Leber, Milz und Nieren betroffen von Schwellung, Entzündungszeichen und Gewebsnekrosen. Auch zerebrale, kardiale und andere Manifestationen können im Vordergrund stehen. Der Nachweis von Borrelien im Blut gelingt mit denselben Methoden wie bei der Malariadiagnostik (gefärbter dicker und dünner Blutausstrich). Die Therapie besteht in der Gabe von Tetracyclinen, Penicillin oder Erythromycin. Bei der antibiotischen Therapie kann es zu einer schweren Jarisch-Herxheimer-Reaktion kommen.

▪. Bedeutung des Rückfallfiebers in der Reisemedizin

Durch Reisestile, die eine Exposition mit Ektoparasiten unwahrscheinlich machen, kann das Auftreten von Rückfallfieber vermieden werden. Wird bei einer hochfieberhaften Erkrankung frühzeitig auch an diese Infektionskrankheit gedacht, werden dann die richtigen anamnestischen Fragen gestellt und wird adäquat antibiotisch behandelt, so ist die Letalität gering (1-3%).

Fazit: Das Rückfallfieber gehört in der Reisemedizin heute zu den Raritäten.

Weiterführende Literatur

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4.14.10. Leptospirose

Die Leptospirose ist eine weltweit vorkommende Zoonose, die durch Leptospira interrogans hervorgerufen und durch Kontakt mit infiziertem Urin, Wasser oder Boden auf den Menschen übertragen wird. Leptospira interrogans kann in verschiedene Serovare unterteilt werden.

▪. Leptospirose - in den Tropen weiter verbreitet als in gemäßigten Klimazonen

Nagetiere, aber auch einige Haustierarten sind das Hauptreservoir der Leptospirose. Die Leptospiren penetrieren die unverletzte Haut oder Schleimhaut.

Das Krankheitsbild der Leptospirose ist sehr variabel in seinem Schweregrad; es gibt asymptomatische Verläufe ebenso wie schwerste, hochfieberhafte und tödlich endende Erkrankungen. Die Inkubationszeit beträgt zwei Tage bis drei Wochen. Bei schweren Verläufen beherrschen Ikterus, Blutungen, Nierenversagen und lymphozytäre Meningitis das klinische Bild (L. icterohaemorrhagiae). Differenzialdiagnostisch ist an hochkontagiöse Virale Hämorrhagische Fieber (s. Kap. IV 4.14.3) und an Meningitiden (s. Kap. IV 4.10) zu denken. Penicilline und Tetracycline sind in der Therapie die Antibiotika der Wahl.

▪. Bedeutung der Leptospirose in der Reisemedizin

In den gemäßigten Klimazonen ist die Leptospirose eine überwiegend beruflich erworbene Erkrankung (Kanalarbeiter, Veterinäre etc.). Sie wird z.B. in Deutschland nur etwa 20-mal jährlich diagnostiziert.

Fazit: Durch Reisende aus warmen Klimazonen importierte Leptospirosen stellen in Europa eine große Seltenheit dar.

Weiterführende Literatur

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4.14.11. Rickettsiosen

Rickettsiosen sind durch Rickettsien verursachte und durch Arthropoden (Läuse, Zecken, Milben) übertragene fieberhafte Erkrankungen, die meist mit einem Exanthem einhergehen („Fleckfieber”).

▪. Primärläsion an der Stelle des Arthropodenbisses

Aus der recht großen Zahl der Rickettsiosen seien hier nur drei genannt.

Das Zeckenbissfieber (Fièvre boutonneuse) beginnt mit einer 5-10 mm großen, schwärzlich verfärbten Läsion an der Stelle des Bisses (Eschar), die für die Diagnosestellung entscheidend wichtig ist (s. Farbtafel Abb. IV.4-38). Fieber tritt obligat auf, das Exanthem kann sehr diskret sein oder gar fehlen. Auch beim Tsutsugamushi-Fieber und dem Rocky Mountain Spotted-Fieber treten Primärläsionen auf; das Exanthem ist meist deutlich erkennbar. Weitere häufige Symptome sind Kopfund Rückenschmerzen, Myalgien und Hepatosplenomegalie. Schwere Verläufe mit Enzephalitis und Blutungsneigung sind möglich (Differenzialdiagnose VHF s. Kap. IV.4.14.3). Neben der Reiseanamnese und dem typischen klinischen Bild hilft die Antikörperbestimmung im Serum bei der Diagnosestellung. Tetracycline sind Therapeutika der ersten Wahl; auch Makrolide sind wirksam.

▪. Bedeutung der Rickettsiosen in der Reisemedizin

Gelegentlich wird das Zeckenbissfieber als Reisekrankheit aus dem Mittelmeergebiet, aus Afrika oder Indien nach Europa importiert. Sehr selten sieht man in Europa das Tsutsugamushi-Fieber (Scrub-Typhus) aus Süd- und Ostasien sowie das Rocky Mountain Spotted Fieber aus Nord- und Südamerika. Alle anderen Rickettsiosearten, einschließlich des epidemischen Fleckfiebers, sind in der Reisemedizin Raritäten.

Fazit: Von allen Rickettsiosen wird in der Reisemedizin am häufigsten das Zeckenbissfieber mit seiner typischen Primärläsion (Eschar) gesehen.

Weiterführende Literatur

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4.14.12. Schlafkrankheit (Afrikanische Trypanosomiasis)

Die Afrikanische Schlafkrankheit oder Humane Afrikanische Trypanosomiasis (HAT) wird durch Trypanosomen verursacht, die von Tsetsefliegen auf den Menschen übertragen werden. Sie führt unbehandelt immer zum Tod.

▪. Wo und wie kann man sich infizieren?

Die HAT ist auf das subsaharische Afrika beschränkt, wo sie in etwa 400 aktiven Herden vorkommt (Abb. 4-39 ). Sie ist eine Erkrankung der ländlichen Gebiete und besonders in den Regionen zum Gesundheitsproblem geworden, wo Krieg und wirtschaftlicher Niedergang zu einem Zusammenbruch der politischen und medizinischen Infrastrukturen geführt haben. In den Ländern Zentralafrikas kam es in den letzten Jahrzehnten zu einer dramatischen Zunahme von Fällen, die das Ausmaß einer humanitären Katastrophe erreicht haben. 500000 Menschen sind nach

Abbildung 4-39.

Abbildung 4-39

Verbreitung der Schlafkrankheit.

Schätzung der WHO inzwischen infiziert. Besonders stark betroffen sind die Demokratische Republik Kongo, Angola, Sudan und Uganda, weshalb bei Migranten aus diesen Ländern auch an Schlafkrankheit gedacht werden muss. Für die Reisemedizin spielt die ostafrikanische Form der Erkrankung eine gewisse Rolle, die ein ausgedehntes Tierreservoir in Paarhufern, besonders Buschböcken, aufweist und deshalb auf Besucher von Nationalparks übertragen werden kann.

▪. Die typischen Stadien der Schlafkrankheit (Tab. 4-23)

Tabelle 4-23.

Stadien und Therapie der Schlafkrankheit.

Westafrikanische Schlafkrankheit (Trypanosoma brucei gambiense) Ostafrikanische Schlafkrankheit (Trypanosoma brucei rhodesiense)
allgemeine Bewertung
  • chronisch verlaufende Erkrankung, oft schleichende Entwicklung der Symptome

  • Tod oft erst nach vielen Monaten

  • akut, oft foudroyant verlaufend

  • Tod oft in den ersten Wochen der Erkrankung


Stadium I (hämolymphatischer Befall); Erregernachweis in Blut und/oder Lymphe, Liquorbefund unauffällig □ Pentamidin: 4 mg/kg KG i.v. oder i.m. jeden 2. Tag, insgesamt 7 bis 10 Injektionen □ Suramin: Testdosis, danach 20 mg/kg KG (max. 1 g) an den Tagen 3, 5,12,19 und 26

Stadium II (enzephalitisches Stadium); Liquorbefund: > 5 Zellen/μl
  • Melarsoprol: 2,2 mg/kg KG i.v. über 10 Tage

  • alternativ Eflornithin (DFMO): 100 mg/kg KG alle 6 Stunden als Kurzinfusion über 14 Tage

  • Melarsoprol: kein etabliertes Dosierungsschema

  • evt. Kombination mit Nifurtimox

Bereits fünf bis sieben Tage nach dem Stich einer infizierten Tsetsefliege entwickelt sich eine lokale Reaktion, der Trypanosomenschanker. Dieser besteht für mehrere Wochen und ist ein guter diagnostischer Indikator einer stattgehabten Infektion. Allerdings fehlt er in einem gewissen Prozentsatz der Fälle, besonders bei der westafrikanischen Form.

Wenn sich die Trypanosomen im Organismus vermehren, kommt es zu heftigen Fieberschüben, verbunden mit Hepatosplenomegalie und Lymphknotenschwellung (Stadium I), die im nuchalen Halsdreieck besonders ausgeprägt sein kann (Winterbottom-Zeichen). Bei der ostafrikanischen Form, die für europäische Reisende die größere Rolle spielt, verläuft dieses frühe Krankheitsstadium bereits sehr heftig und kann durch eine myokardiale Beteiligung innerhalb weniger Wochen zum Tode führen.

Wochen bei der ostafrikanischen und Monate bis Jahre bei der westafrikanischen Schlafkrankheit vergehen, bis die Erreger die Blut-Hirn-Schranke durchdrungen und das Zentralnervensystem erreicht haben (Stadium II). Dieses späte Stadium ist gekennzeichnet durch eine zunehmende Wesensveränderung der Patienten, Kopfschmerzen, Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus und schließlich eine fortschreitende mentale Einengung. Die Patienten hören auf, mit ihrer Umgebung in Kontakt zu treten, und verfallen immer wieder in einen stupurösen Zustand („Schlaf”krankheit). Der Tod tritt als Folge von fortschreitender Kachexie oder interkurrierenden Infekten ein.

Der entscheidende Schritt bei der Diagnostik der Schlafkrankheit ist, rechtzeitig den klinischen Verdacht zu stellen. HAT ist eine Differenzialdiagnose bei Patienten mit dem Symptom Fieber nach Tropenaufenthalt (und wiederholt negativen Befunden bei der Malariadiagnostik!), wenn sie aus endemischen Regionen der Schlafkrankheit stammen. Meist können sich die Patienten an den Angriff aggressiver Tsetsefliegen erinnern.

Die Suche nach Hauteffloreszenzen muss sehr sorgfältig durchgeführt werden, um Trypanosomenschanker zu entdecken. Diese befinden sich oft an den Waden oder im Nackenbereich.

Die definitive Diagnose der Schlafkrankheit erfolgt über den Nachweis der Erreger. Oft sind die Trypanosomen bereits im Blutausstrich und „Dicken Tropfen” nachweisbar (s. Farbtafeln Abb. IV.4-40). Diese Verfahren sind aus der Malariadiagnostik bekannt und werden in analoger Weise durchgeführt. Manchmal liegt die Zahl der Trypanosomen aber unter der Nachweisgrenze, da ihre Parasitämie im Gegensatz zu der von Plasmodien nicht ansteigt, sondern über lange Zeiträume auf niedrigem Niveau undulieren kann. In diesen Fällen gelingt die Darstellung der Erreger über spezielle Konzentrationsverfahren. Nach jetzigem Kenntnisstand sind molekularbiologische Nachweistechniken (PCR-Diagnostik) diesen klassischen parasitologischen Methoden nicht überlegen.

Eine serologische Untersuchung auf Trypanosomiasis-Antikörper mag in Einzelfällen hilfreich sein, ist aber durch die Häufigkeit falsch positiver Befunde in ihrer Aussagekraft begrenzt und ersetzt nicht den direkten Erregernachweis.

In den fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung lassen sich die Trypanosomen auch über Lymphknotenpunktion oder im Liquor cerebrospinalis darstellen.

Die Therapiemaßnahmen für die westund die ostafrikanische Form der Schlafkrankheit sind in Tabelle 4-23 zusammengefasst.

Eine medikamentöse Prophylaxe, wie beispielsweise für die Malaria, wird zum Schutz vor der Schlafkrankheit nicht empfohlen. Die einzige Option besteht in der Vermeidung von Stichen der Tsetsefliege, z.B. durch entsprechende langärmlige, dichtgewebte Kleidung und die großzügige Anwendung von Repellenzien.

▪. Bedeutung der Schlafkrankheit in der Reisemedizin

Grundsätzlich ist zu sagen, dass selbst mitten in den Schlafkrankheitsherden die Durchseuchung von Tsetsefliegen sehr gering ist, so dass der einzelne Tourist während seines Aufenthalts, auch wenn er von Tsetsefliegen attackiert wird, nur ein minimales individuelles Risiko trägt.

Fazit: Für die Reisemedizin spielt die Schlafkrankheit eine sehr untergeordnete Rolle. Nur sehr selten wird sie bei Touristen, vor allem aus Ostafrika, beobachtet.

Weiterführende Literatur

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4.14.13. Chagas-Krankheit (Amerikanische Trypanosomiasis)

Die Chagas-Krankheit wird in Zentral- und Südamerika durch das Protozoon Trypanosoma cruzi verursacht und durch Raubwanzen übertragen.

▪. Chagas-Krankheit - Krankheit der Armut

Die Chagas-Krankheit ist eine typische Krankheit der Armut: Schlechte Wohnverhältnisse ermöglichen eine Infestation mit Raubwanzen. Die Weltgesundheitsorganisation hat sich die Ausrottung der Chagas-Krankheit zum Ziel gesetzt. Wichtige Schritte auf dem Weg dahin sind bereits getan, insbesondere durch Maßnahmen zur Eliminierung der Überträgerwanze aus menschlichen Behausungen. Die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen ist deutlich rückläufig und beträgt zurzeit noch etwa 150000.

Die ersten Krankheitssymptome werden häufig übersehen:

  • lokale Schwellungen,

  • einseitiges Lidödem,

  • regionale LK-Vergrößerungen.

Fieber, Leukozytose und verschiedene Organ- und Allgemeinsymptome im Rahmen der Parasitämie prägen nach mehr als vier Wochen das klinische Bild. In der chronischen Phase sind Zeichen einer Kardiomyopathie (Herzdilatation, Rhythmusstörungen und Insuffizienz) sowie Symptome durch andere Megaorgane (Ösophagus, Magen, Kolon) vorherrschend. Die Diagnose gelingt anfangs noch durch direkten Parasitennachweis im peripheren Blut (Dicker Tropfen), später können Anreicherungsmethoden (z. B. „Xenodiagnose”) und serologische Untersuchungen hilfreich sein. Die Inkubationszeit beträgt zwei Tage bis etwa sechs Wochen, bei asymptomatischer akuter Phase bis zu Jahren.

Zur Therapie stehen Nifurtimox oder Benznidazol zur Verfügung.

Auch wenn eines Tages keine Neuerkrankungen mehr auftreten, werden die Folgen der chronischen Chagas-Krankheit (dilatative Kardiomyopathie, Mega-Ösophagus und -Kolon, Schädigungen des Nervensystems) noch über Jahrzehnte Menschenleben fordern.

▪. Bedeutung der Chagas-Krankheit in der Reisemedizin

Da Reisende meistens in Häusern und Hotels mit ausreichendem Wohnstandard untergebracht sind, findet in aller Regel ein Kontakt mit Raubwanzen nicht statt. Der konsequente Einsatz von Moskitonetzen beim Schlafen in einfachen Behausungen schützt vor der Chagas-Krankheit wie vor anderen insektenübertragenen Krankheiten.

Fazit: Touristen und beruflich in Zentralund Südamerika tätige Europäer sind durch die Chagas-Krankheit so gut wie nie bedroht.

Weiterführende Literatur

  1. Moncayo A. Progress towards interruption of Transmission of Chagas diesease. Memorias do Instituto Oswaldo Cruz. 1999;94:401–404. doi: 10.1590/s0074-02761999000700079. [DOI] [PubMed] [Google Scholar]
  2. Schofield C.J., Dujardin J.-P. Chagas Disease Vector Control in Central America. Parasitology Today. 1997;13:141–144. doi: 10.1016/s0169-4758(97)89811-0. [DOI] [PubMed] [Google Scholar]
  3. WHO International Travel and Health. Geneva 2005. www.who.int/topics/en/

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