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. 2009 Feb 5:439–533. [Article in German] doi: 10.1016/B978-343723200-8.50020-2

Infektionserkrankungen

Ralf Bialek, Andreas Groll, Ulrich Heininger, Volker Schuster; Unter Mitarbeit von Freerk Prenzel; Mit Beiträgen von
Editors: Wieland Kiess, Andreas Merkenschlager, Roland Pfäffle, Werner Siekmeyer, Michael Beck, Frank Berthold, Ralf Bialek, Uta Bierbach, Michael Borte, Ulrich Brandl, Reiner Buchhorn, Guido Bürk, Stefan Burdach, Martin Burdelski, Marcus Dahlheim, Uta Dirksen, Jörg Dötsch, Walter Dorsch, Stefan Eber, Andreas Eicken, Lars Fischer, Jürgen Föll, Reiner Frank, Franz Joseph Freisleder, Hans Peter Gildein, Ulrich Göbel, Norbert Graf, Bodo Grimbacher, Andreas Groll, Ulrich Hagenah, Ulrich Heininger, Alexander Hemprich, Barbara Hero, Beate Herpertz-Dahlmann, Egbert Herting, Gabriele Hessling, Olaf Hiort, Ulrich Hofmann, Hans-Iko Huppertz, Heribert Jürgens, Thomas Michael Kapellen, Matthias Kappler, Thomas Klingebiel, Gerhard Kluger, Ina Knerr, Dieter Körholz, Ewa Koscielniak, Christof Kramm, Martina Krauss-Haas, Joachim Kreuder, Anne Krümpel, Manfred Kudernatsch, Christiane Lex, Hermann Lindemann, Ulrike Lükewille, Esther M Maier, Karl Mantel, Christine Mauz-Körholz, Otto Mehls, Andreas Merkenschlager, Ulrich Merz, Ania Carolina Muntau, Heidrun Müller, Thomas Müller, Wolfgang Müller-Felber, Erika von Mutius, Petra Nickel, Thomas Nicolai, Tim Niehues, Gerhard Niemann, Charlotte M Niemeyer, Michele Noterdaeme, Ulrike Nowak-Göttl, Christina Ortmann, Karl P Paul, Thomas Paul, Roland Pfäffle, Christian Plank, Christian F Poets, Raymund Pothmann, Torsten Prietzel, Klemens Raile, Vera Raile, Wolfgang Rascher, Paul Reinhold, Ellen Renner, Annette Richter-Unruh, Joachim Roesler, Holger Römpler, Bernhard Roth, Andreas Schaper, Dieter Schlamp, Achim A Schmaltz, Heinrich Schmidt, Eckhard Schönau, Torsten Schöneberg, Martin Schöning, Dietmar Schranz, Ingram Schulze-Neick, Volker Schuster, Dietrich von Schweinitz, Nicolaus Schwerk, Konrad Seller, Oliver Semler, Werner Siekmeyer, Thorsten Simon, Stephan Springer, Ina Sterker, Michael Sticherling, Rainer Strotmann, Anke Süß, Edelhard Thoms, Holm Uhlig, Kurt Ullrich, Hans Versmold, Katharina Vezyroglou, Isolde Wachter, Bettina Westhoff, Regina Wieland, Alexander Wild, Helmut Willgerodt, Magdalena Wojan, Johannes Wolff, Elke Wühl
PMCID: PMC7156013

18.1. Bakterielle Infektionskrankheiten

Ulrich Heininger, Volker Schuster

ANLIEGEN DES KAPITELS.

Vor der Einführung von Antibiotika führten schwere bakterielle Infektionen wie Sepsis, Diphtherie, urogenitale Infektionen und eitrige Meningitis fast zwangsläufig zum Tod. Durch wirksame Antibiotika ist es heute möglich, die meisten bakteriellen Infektionen erfolgreich zu behandeln. Andere bakterielle Infektionskrankheiten sind durch Impfungen fast verschwunden (Diphtherie, Tetanus, invasive Haemophilus-influenzae-Infektionen). Diese Erfolge werden leider durch zu häufigen und unsachgemäßen Antibiotikaeinsatz (z.B. schnelle Resistenzentwicklung bei Staphylokokken und Pneumokokken, unnötige Antibiotikagaben in der Tierzucht) und z. T. zu niedrige Durchimpfungsraten teilweise wieder in Frage gestellt.

Dieses Kapitel führt die einzelnen bakteriellen Erreger bzw. Krankheiten in alphabetischer Form auf, am Anfang erfolgt die Unterteilung in Anaerobier und Aerobier. Neben einer kurzen Erläuterung der klinischen Manifestationen und Krankheitsbilder wird kurz auf sinnvolle diagnostische Nachweisverfahren eingegangen. Die Angaben zur antibiotischen Therapie und Prophylaxe entsprechen den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI). Weiterhin werden alle zur Verfügung stehenden und von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlenen Impfungen aufgeführt. Wo anwendbar werden auch weitere wirksame Prophylaxemaßnahmen (Hygiene, Isolierung) und Meldepflicht (Infektionsschutzgesetz) erläutert.

Allgemeiner Teil

1. Anaerobier-Infektionen

1.1. Klinischer Kontext

Anaerobier können zu vielfältigen Krankheitsbildern führen, u.a.:

  • Neugeborenensepsis (in 5% Infektion durch Anaerobier, meist durch Bacteroides fragilis)

  • chronische Sinusitis, Otitis media, Mastoiditis, sekundäre Hirnabszesse, Peritonsillarabszess, Aspirationspneumonie (u.a. Bacteroides fragilis, anaerobe und mikroaerophile Streptokokken)

  • Angina Plaut-Vincenti, Noma (Spirochäten und Fusobakterien)

  • intraabdominelle und perirektale Abszesse, Peritonitis, Wundinfektionen, Osteomyelitis (Bacteroides fragilis u.a.).

  • Discitis, Spondylitis (u.a. Fusobakterien und Peptostreptokokken).

Anaerobier kommen ubiquitär im Erdboden vor und sind u.a. Teil der normalen Schleimhautbesiedlung (Mundhöhle, Intestinaltrakt). In den meisten Fällen sind Anaerobier-Infektionen endogen bedingt, d.h. die Erreger entstammen der patienteneigenen Schleimhautflora. Anaerobier sind an bis zu 4% der Bakteriämien im Kindesalter (v.a. Bacteroides fragilis) beteiligt.

1.2. Diagnostische Hinweise

Entscheidend für die Diagnose ist neben der klinischen Symptomatik der Erregernachweis.

Wichtig ist die richtige Entnahme von geeignetem Patientenmaterial (Blut, Abszesseiter, Liquor, Aszites, Knochenmark, Gelenkspunktat, Gewebebioptate, Punktionsurin) unter anaeroben Bedingungen.

1.3. Management und Therapie

Eine antibiotische Therapie ist im Frühstadium der Infektion (vor Abszedierung oder Nekrosebildung) am effektivsten.

Wirksame Antibiotika gegen Anaerobier sind v.a. Metronidazol (außer Propionibakterien, Actinomyzeten), Clindamycin (Bacteroides fragilis bis zu 20% resistent), Aminopenicilline mit β-Laktamase-Inhibitor (z.B. Amoxicillin/Clavulansäure), Imipenem oder Meropenem, Chloramphenicol, Penicillinen und Cephalosporinen. Die Wahl des Antibiotikums richtet sich nach dem Antibiogramm und der Lokalisation der Infektion. Da häufig eine Mischinfektion vorliegt, sollte eine Kombination mit einem Cephalosporin der Gruppe 3 (z.B. Cefotaxim) erfolgen:

  • Sinusitis (z.B. Clindamycin + Cefotaxim)

  • Aspirationspneumonie (z.B. Clindamycin + Cefotaxim; Aminopenicillin mit β-Laktamase-Inhibitor; Imipenem)

  • Peritonitis, Hirnabszess oder Osteomyelitis (z.B. Metronidazol + Cefotaxim).

Abszesse müssen i.d.R. chirurgisch entlastet, nekrotisches Material muss operativ entfernt werden.

Patienten mit Anaerobier-Infektionen müssen nicht isoliert werden (Ausnahme: Infektionen mit Clostridium difficile; s.u.).

2. Aerobier-Infektionen

Die häufigsten Infektionskrankheiten sind Aerobier-Infektionen.

Spezieller Teil

In diesem Abschnitt werden bakterielle Infektionen alphabetisch abgehandelt.

1. Aktinomykosen

1.1. Klinischer Kontext

Die Infektion mit Aktinomyzeten führt zu chronischen Abszessen und Phlegmonen mit zentraler Einschmelzung in verschiedenen Organsystemen.

Formen:

  • zervikofazial (50–95%)

  • thorakal

  • abdominell

  • generalisierend

  • kutan (selten).

Die Prognose ist bei adäquater Therapie günstig.

Häufigste Erreger von Aktinomykosen sind Actinomyces israelii und A. gerencseriae, grampositive fadenförmige Bakterien, die in infiziertem Gewebe sog. Actinomyces-Drusen ausbilden. Die meisten Aktinomykosen sind endogene Infektionen, die nicht übertragbar sind. Infektionen im Kindesalter sind selten.

1.2. Diagnostische Hinweise

Entscheidend ist der Erregernachweis u.a. in Eiter, Fistel- oder Bronchialsekret.

1.3. Management und Therapie

Therapie der Wahl bei der zervikofazialen Form ist die Kombination Amoxicillin 100 (-150) mg/kg KG/d i.v. in 3 ED + Clavulansäure 10 mg/kg KG/d initial i.v., später p.o. für mindestens 2 Wochen. Eine längere Therapiedauer ist nur selten erforderlich.

Bei Penicillinallergie können alternativ Clindamycin + Tetrazykline oder Metronidazol + Tetrazykline oder Cefoxitin versucht werden. Bei schweren thorakalen und abdominellen Verläufen wird die Kombination Amoxicillin/Clavulansäure um Clindamycin oder Metronidazol und ggf. Imipenem oder Meropenem erweitert. Größere Abszesse sollten chirurgisch gespalten und entleert werden. Die Isolierung von Patienten ist nicht erforderlich.

2. Bacillus anthracis (Milzbrand)

2.1. Klinischer Kontext

Bacillus anthracis ist ein grampositives, sporenbildendes, stäbchenförmiges Bakterium. Die Sporen sind hochresistent und können mehrere Jahrzehnte überleben. Bakterien im Vermehrungsstadium bilden ein Toxin, das für die klinische Symptomatik verantwortlich ist.

Die Übertragung erfolgt meist durch direkten Kontakt mit infizierten Tieren, deren Ausscheidungen sowie mit Tierprodukten (Felle, Wolle etc). In Deutschland kommt der Milzbrand meist als Berufskrankheit (u.a. Bauern, Tierärzte) vor.

Je nach Eintrittspforte unterscheidet man:

  • Hautmilzbrand (häufigste Form)

  • Lungenmilzbrand

  • Darmmilzbrand.

Charakteristisch sind lokale Ulzera mit Krustenbildung mit regionaler Lymphadenopathie und ggf. foudroyanter septischer Streuung; meist Abheilung der Milzbrandkarbunkel, jedoch septische Streuung durchaus möglich! Der Lungenmilzbrand manifestiert sich v.a. als hämorrhagische Pneumonie und Mediastinitis. Die Letalität ist hoch.

Die Inkubationszeit beträgt 1 bis 7 (−60) Tage beim Lungen- und Darmmilzbrand, und 1 bis 12 Tage beim Hautmilzbrand.

2.2. Diagnostische Hinweise

Entscheidend ist der klinische Verdacht. Bewiesen wird die Diagnose durch den Erregernachweis (mikroskopisch, kulturell, PCR, ggf. Tierversuch).

2.3. Management und Therapie

Kranke und Verdachtsfälle müssen isoliert werden. Beim Umgang mit infektiösem Material müssen Handschuhe, Mund-Nasen-Schutz und Schutzkittel getragenen werden. Exponierte Personen (Cave Bioterrorismus!) sollten eine Antibiotika-Prophylaxe (Ciprofloxacin bei Personen > 18 Jahre, Doxycyclin bei Kindern ab 8 Jahren oder Amoxicillin) über 60 Tage für Lungenmilzbrand erhalten, bei Exposition zu einem Patienten mit ausschließlicher Haut- und Darmbeteiligung ist eine Prophylaxedauer von 7 bis 10 Tagen anscheinend ausreichend.

Die Therapie aller Milzbrandformen erfolgt mit Ciprofloxacin (bei schweren Formen immer i.v.) oder später mit Penicillin (bei nachgewiesener Sensibilität).

Krankheitsverdacht, Erkrankung und Tod sowie Erregernachweis sind namentlich meldepflichtig.

Weitere Information sind beim Robert-Koch-Institut abzufragen: http://www.rki.de.

3. Bacillus-cereus-Infektionen

3.1. Klinischer Kontext

B. cereus ist ein grampositives, aerobes (fakultativ anaerobes), Sporen, β-Laktamase und Enterotoxin bildendes Bakterium. Das Bakterium bzw. seine Sporen befinden sich in zahlreichen Lebensmitteln (z.B. Fleisch, Reis, Gemüse, Kartoffeln). Bei unzureichender Garzeit bzw. falscher Lagerung kommt es zur Vermehrung der Keime und Bildung des hitzestabilen Enterotoxins. Alternativ können sich die Bakterien nach Aufnahme durch den Wirt vermehren und Toxin produzieren. Dementsprechend beträgt die Inkubationszeit 1 bis 6 Stunden bzw. 8 bis 16 Stunden. Erkrankungen durch B. cereus sind selten bzw. werden selten diagnostiziert.

B.-cereus-Infektionen durch Lebensmittelintoxikation führen entweder nach Aufnahme von Speisen, die das hitzestabile bakterielle Enterotoxin enthalten, zu Übelkeit und Erbrechen, oder - nach Wachstum von B. cereus und Freisetzen des Enterotoxins - nach Aufnahme von infizierten Gerichten zu wässriger Diarrhö und Abdominalkrämpfen. Schon nach 1 bis 2 Tagen klingt die Intoxikation wieder ab.

Ferner können bei immunsupprimierten Patienten gastrointestinale und systemische Infektionen sowie Weichteilinfektionen (v.a. postoperative Wundinfektionen) auftreten. Schließlich werden bedrohliche ZNS- und Fremdkörperinfektion sowie Pneumonien oder Sepsis bei Neugeborenen, Patienten mit Implantaten und Leukämiepatienten beobachtet.

3.2. Diagnostische Hinweise

Die Erreger können in sichergestellten Nahrungsmitteln, Stuhl und Erbrochenem des Patienten kulturell nachgewiesen werden. Das Untersuchungsmaterial sollte gekühlt ins Labor geschickt werden. Der Nachweis von mehr als 105 Keimen/g Untersuchungsmaterial gilt als beweisend. Bei invasiven Infektionen können die Bakterien aus Blut oder Liquor cerebrospinalis isoliert werden.

3.3. Management und Therapie

Unkomplizierte Krankheitsformen werden rein symptomatisch, d.h. durch ausreichende Flüssigkeitszufuhr, behandelt. Systemische Infektionen werden i.v. antibiotisch behandelt. Mittel der ersten Wahl sind Vancomycin oder ein Carbapenem, alternativ kommen Aminoglykoside, Clindamycin, Chloramphenicol oder Erythromycin zum Einsatz. Die Behandlungsdauer richtet sich nach dem klinischen Ansprechen. Bei immunsupprimierten Patienten empfiehlt sich eine Kombinationsbehandlung über mindestens 14 Tage. Prophylaktisch sind ausreichendes Erhitzen und kühle Lagerung von gefährdeten Lebensmitteln empfehlenswert.

B.-cereus-Infektionen sind nur dann meldepflichtig, wenn zwei oder mehr zusammenhängende Krankheitsfälle auftreten. Die Patienten müssen nicht isoliert werden.

4. Bartonellosen

4.1. Klinischer Kontext

Infektionen durch Bartonella henselae (in seltenen Fällen durch Bartonella clarridgeiae) verlaufen beim immunkompetenten Wirt asymptomatisch oder führen zum Krankheitsbild der Katzenkratzkrankheit: Am Ort des Erregereintritts entwickelt sich zunächst ein Bläschen oder eine Pustel, die später in eine Papel übergeht und verkrustet und anschließend monatelang persistieren kann. Später tritt im entsprechenden lymphatischen Zuflussgebiet eine regionäre Lymphadenitis auf. Die vergrößerten Lymphknoten können dabei einen Durchmesser von mehr als 5 cm entwickeln. Eine Einschmelzung tritt in ca. 15% auf. Fieber und allgemeine Krankheitssymptome treten bei weniger als 50% der Patienten auf. Der Verlauf ist meist gutartig und dauert maximal 2 bis 4 Monate.

Zu den insgesamt seltenen Komplikationen gehören u.a.:

  • okuloglanduläres Syndrom (Parinaud-Syndrom)

  • ZNS-Beteiligung (u.a. Enzephalitis, Neuroretinitis, periphere Fazialisparese etc.)

  • Endo- und Myokarditis

  • Osteomyelitis, Milz- und Leberbeteiligung.

Bei immunsupprimierten Patienten kommt es gehäuft zu schweren, disseminierten Verläufen mit Abszessen, Granulomen, Bakteriämien, chronischer Lymphadenopathie und Endokarditiden. Weiterhin können Vasoproliferationen im Bereich der Haut und der inneren Organe (bazilläre Angiomatose) auftreten. Zystische Vasoproliferationen im Bereich der Leber werden als Peliosis hepatis bezeichnet.

Zu den in Europa weiterhin vorkommenden Bartonellenspezies gehört Bartonella quintana, welcher das Wolhynische Fieber (Fünftagefieber) verursacht und v.a. bei immunsupprimierten Patienten eine bazilläre Angiomatose, eine Peliosis der Leber sowie rezidivierende Bakteriämien und Lymphadenopathien verursachen kann. Bartonella quintana wird durch Kot von Kleiderläusen übertragen. Die Inkubationszeit beträgt 3 bis 5 Wochen.

Bartonella henselae (und Bartonella quintana), kleine gramnegative Bakterien, kommen weltweit vor. Die Übertragung erfolgt durch Biss- und Kratzwunden von infizierten Katzen und durch Katzenflöhe. Hauskatzen sind in ca 13%, verwilderte Katzen in bis zu 90% bakteriämisch. Vor allem junge Katzen sind z.T. über Monate infektiös. Die Seroprävalenz für Bartonella henselae liegt in Deutschland bei ca. 30%. Die Inkubationszeit der Katzenkratzkrankheit beträgt bis zum Auftreten der Hautläsion 3 bis 10 Tage und 15 bis 50 Tage bis zur Lymphadenitis.

4.2. Diagnostische Hinweise

Anhand der Anamnese und des klinischen Verlaufs kann die Diagnose der Katzenkratzkrankheit vermutet werden. Gesichert wird die Diagnose aller Bartonellosen durch den Nachweis von Bartonellaspezies-spezifischen Antikörpern oder durch den Erregernachweis mittels PCR.

4.3. Management und Therapie

Die unkomplizierte Katzenkratzkrankheit heilt ohne weitere Maßnahmen spontan und komplett aus. Bei immunsupprimierten Patienten mit disseminierten und komplizierten Infektionen wird eine Therapie mit Azithromycin oder Doxycyclin (nur Kinder ab 8 Jahren), ggf. in Kombination mit Rifampicin, für mindestens 2 bis 3 Monate empfohlen. Prophylaktische Maßnahmen sind nicht erforderlich. Immunsupprimierte Patienten sollten aber den Kontakt besonders zu jungen Katzen vermeiden.

5. Bordetella pertussis (Pertussis)

5.1. Klinischer Kontext

Bordetella pertussis, ein gramnegatives Stäbchenbakterium, ist der Erreger des Keuchhustens. Ein geringerer Teil der Erkrankungen wird durch das verwandte Bakterium Bordetella parapertussis hervorgerufen, wobei die Symptomatik von geringerer Ausprägung und kürzerer Dauer ist. Die Übertragung der Bordetellen erfolgt durch Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch, die Inkubationszeit beträgt meist 7 bis 14 Tage, gelegentlich auch länger. Die Infektiosität beginnt im Stadium catarrhale und lässt im Stadium convulsivum allmählich nach. Ein chronischer Trägerstatus ist nicht bekannt.

Pertussis ist sehr ansteckend (Kontagiosität ca. 85–90%). In Bevölkerungen mit unzureichender Durchimpfungsrate erkranken vor allem Kleinkinder an Pertussis, wohingegen in Ländern mit hohen Durchimpfungsraten im Säuglings- und Kleinkindalter in den vergangenen Jahren eine Zunahme der Krankheitsfälle bei Jugendlichen und Erwachsenen beobachtet wurde.

Die Infektion hinterlässt keine anhaltende Immunität, Reinfektionen sind möglich. Es besteht keine Kreuzimmunität zwischen B. pertussis und B. parapertussis. Die Krankheit verläuft typischerweise in drei Stadien:

  • das Stadium catarrhale mit unspezifischen respiratorischen Symptomen wie Rhinitis und Husten (Dauer 1–2 Wochen)

  • gefolgt vom Stadium convulsivum mit den charakteristischen Hustenanfällen und anschließendem inspiratorischem Einziehen, Hervorwürgen von zähem Schleim und oftmals Erbrechen (Dauer 1–6 Wochen). Die Hustenanfälle können in kurzen Abständen auftreten und durch physische und emotionale Belastung ausgelöst werden.

  • Im Stadium decrementi klingt die Symptomatik ab (Dauer 1–4 Wochen).

In den ersten Lebensmonaten führt die Infektion oftmals zu lebensbedrohlichen Apnoen, die Hustenanfälle können fehlen. Reinfektionen (z.B. bei Jugendlichen) äußern sich oft nur durch einen hartnäckigen, trockenen Husten. Ferner sind in Abhängigkeit von der spezifischen Immunitätslage atypische und asymptomatische Infektionen bekannt.

Neben den Apnoen im Säuglingsalter treten Pneumonien, zerebrale Krampfanfälle und Enzephalopathie als Komplikationen in allen Altersstufen auf. Die Sterblichkeit beträgt im Säuglingsalter etwa 1%.

Inline graphic Pertussis kann bei Säuglingen - vermutlich hypoxisch bedingt - zu plötzlichem Tod führen (Fehldiagnose: SIDS)!

5.2. Diagnostische Hinweise

In typischen Fällen kann die Diagnose allein aufgrund der charakteristischen Symptome gestellt werden. In allen anderen Fällen ist eine spezifische Diagnostik durch Erregernachweis (Kultur oder PCR aus Nasopharyngealsekret) oder serologische Untersuchungen (ELISA) anzustreben.

Der Erregernachweis gelingt am ehesten im Frühstadium der Erkrankung. Bei Primärinfektionen sind spezifische Antikörper im Serum frühestens zu Beginn des Stadium convulsivum nachweisbar, bei Reinfektionen früher. Beweisend für die Infektion ist ein signifikanter Titeranstieg oder -abfall im Serumpaar, wobei aber je nach verwendetem Test Kreuzreaktionen zwischen B.-pertussis- und B.-parapertussis-Infektionen beachtet werden müssen. Lediglich Antikörper gegen Pertussis-Toxin sind spezifisch für B.-pertussis-Infektionen. Erstinfektionen bei ungeimpften Personen führen zu typischen Blutbildveränderungen (Leukozytose mit Lymphozytose).

Differentialdiagnostisch können eine Vielzahl von Erregern das Krankheitsbild des Keuchhustens partiell imitieren (z.B. Mycoplasma pneumoniae, Chlamydia trachomatis, Chlamydia pneumoniae, Moraxella catarrhalis, RSV und Adenoviren).

5.3. Management und Therapie

Die frühe antibiotische Behandlung kann die Symptome abschwächen und die Krankheitsdauer bei B.-pertussis- oder B.-parapertussis-Infektionen verkürzen sowie die Ansteckungsfähigkeit durch Erregerelimination aus dem Nasopharynx nach spätestens 5 Tagen beenden. Medikament der ersten Wahl ist weiterhin Erythromycin (40–50 mg/kg KG/d in 2–3 Dosen p.o. über 14 Tage). Alternativ kommen neuere Makrolide wie Clarithromycin (15 mg/kg KG/d in 2 Dosen p.o. über 14 Tage) oder Azithromycin (10 mg/kg KG am 1. Tag, 5 mg/kg KG an weiteren 4 Behandlungstagen) in Betracht. Andere Antibiotika mit nachgewiesener In-vitro-Aktivität gegen Bordetellen wie z.B. Amoxicillin oder Co-trimoxazol sollten mangels nachgewiesener klinischer Wirksamkeit eher nicht verwendet werden.

Die zusätzliche Gabe von inhalativen Betamimetika und Kortikosteroiden hat in unkontrollierten Fallserien Behandlungserfolge gezeigt und sollte mangels ausreichender Evidenz nur in Sonderfällen versucht werden. Immunglobuline mit nachgewiesener Wirksamkeit stehen nicht zur Verfügung.

5.4. Prophylaxe

Zur Prophylaxe der Pertussis werden azelluläre Impfstoffe in monovalenter Form, insbesondere aber in unterschiedlichen, dem Alter des Impflings angepassten Kombinationen mit anderen Impfantigenen verwendet. Im ersten Lebensjahr werden gemäß STIKO-Empfehlungen beginnend im Alter von 2 Monaten 3 Dosen im Abstand von jeweils mindestens 4 Wochen in Kombination mit Diphtherie- und Tetanustoxoid, IPV, Hepatitis B und Hib (DTaP-IPV-HepB/Hib) verabreicht. Die 4. Dosis folgt im Alter von 11 bis 14 Monaten (frühestens 6 Monate nach der 3. Dosis), die 5. im Alter von 9 bis 17 Jahren. Fehlende Impfungen sollen bis zum Erwachsenenalter nachgeholt werden; auch kann bei stattgefundener Exposition eine begonnene Grundimmunisierung unter Beachtung des Mindestabstands von 4 Wochen zur letzten Dosis fortgeführt bzw. eine fehlende Auffrischung im Sinne einer „Inkubationsimpfung” nachgeholt werden.

Bei bislang unzureichend geimpften Personen kann nach Exposition eine Chemoprophylaxe (gleiche Dosierung und Dauer wie bei Therapie) erfolgen; im Säuglingsalter ist sie dringend anzuraten.

Personal in Pädiatrie, der Schwangerenbetreuung und Geburtshilfe sowie in Gemeinschaftseinrichtungen für das Vorschulalter sollten gemäß STIKO eine einmalige Auffrischimpfung gegen Pertussis erhalten.

Weder Erkrankung noch Tod oder Erregernachweis sind meldepflichtig. Die Patienten sollten bis zum 5. antibiotischen Behandlungstag isoliert werden.

6. Borreliose („Lyme-Borreliose”)

6.1. Klinischer Kontext

Die Borreliose wird durch das Bakterium Borrelia burgdorferi verursacht. Die Übertragung auf den Menschen erfolgt durch den Stich infizierter Schildzecken (Ixodes ricinus). Nach etwa 10 bis 12 Stunden Saugdauer wandern die Borrelien aus dem Darm der Zecken auf dem Blutweg in den Zeckenspeichel und anschließend in den Wirt.

Mit Ausnahme von Afrika und Australien sind praktisch alle zivilisierten Regionen der Erde als Infektionsgebiete für die Borreliose anzusehen. Die Durchseuchung der Zecken zeigt gewisse regionale Unterschiede und beträgt in Europa bei den Zeckenlarven etwa 1%, bei den jugendlichen Zecken (Nymphen) etwa 10% und bei den erwachsenen Zecken etwa 15 bis 35%. In Einzelfällen wurden Übertragungen durch Bluttransfusionen, Mückenstiche und intrauterine Infektion bei mütterlicher Borreliose berichtet.

Eine Infektion mit B. burgdorferi hinterlässt keine dauerhafte Immunität, Reinfektionen wurden beobachtet. Die Krankheitszeichen der Borreliose lassen sich in drei Stadien einteilen:

  • Frühes, lokalisiertes Stadium:
    • Die klassische Erstmanifestation der Borreliose ist das sog. Erythema migrans. Dabei handelt es sich um eine Rötung, die einige Tage bis Wochen nach dem Zeckenstich an der ursprünglichen Stichstelle beginnt, sich zentrifugal ausbreitet, dabei meist keine Beschwerden verursacht und binnen einiger Tage zentral abblasst und sich wieder zurückbildet. In seltenen Fällen können multiple Erytheme auftreten. Seltener, aber ebenfalls pathognomonisch ist das Borrelien-Lymphozytom (Lymphadenosis cutis benigna). Dabei handelt es sich um eine bläulich-livide, meist erbsgroße Schwellung im Bereich der Ohrläppchen, der Mamillen oder des Skrotums, wenn der ursprüngliche Zeckenstich in unmittelbarer Nähe stattgefunden hat. Auch diese Läsion verschwindet spontan, obgleich die Regression viele Wochen dauern kann.
  • Frühe, systemische Manifestationen:
    • Ebenfalls Tage bis Wochen nach einem Zeckenstich können unspezifische Symptome wie Meningismus, Arthralgien, Fieber oder Myalgien sowie Appetitmangel oder Kopfschmerzen in Erscheinung treten. Ohne typische weitere Symptome einer Borreliose werden diese meist nicht im ursächlichen Zusammenhang zu vorausgegangenen Zeckenstichen gesehen. Wochen bis Monate später kann sich die Borrelien-Infektion mit ZNS-Manifestationen bemerkbar machen. Während dies im Erwachsenenalter meist der typische Morbus Bannwarth, eine Meningo-Poliradikuloneuritis ist, findet man im Kindesalter Symptome einer nicht-eitrigen Meningitis mit oder ohne gleichzeitige Hirnnervenparesen. Mit Abstand am häufigsten handelt es sich dabei um eine ein- oder beidseitige periphere Fazialisparese. Im Kindesalter ist etwa jede dritte Fazialisparese auf eine Borreliose zurückzuführen. Gelegentlich manifestiert sich die Infektion am Auge (Chorioretinitis, Uveitis und Optikusneuritis) oder am Herzen (Herzrhythmusstörungen durch atrioventrikuläre Reizleitungsstörung).
  • Generalisierte Spätmanifestationen:
    • Die häufigste Spätmanifestation ist die Lyme-Arthritis. Sie befällt meist ein oder mehrere große Gelenke (vor allem Knie), und verläuft häufig chronisch rezidivierend. Darüber hinaus sind chronische ZNS-Infektionen beschrieben. Dabei handelt es sich um Krankheitsbilder, die an eine multiple Sklerose denken lassen oder mit psychiatrischen Erkrankungen verwechselt werden können.
6.2. Diagnostische Hinweise

Die Diagnose einer Borreliose erfolgt aus der Kombination von typischer klinischer Symptomatik und ggf. mikrobiologischer Diagnostik. Die Frühmanifestationen der Haut (Erythema migrans, Lymphozytom) werden allein aufgrund der typischen Symptomatik diagnostiziert; Antikörperuntersuchungen helfen nicht weiter, da sie häufig noch negativ sind. Bei Symptomen einer Neuroborreliose sollte auch bei fehlenden Zeichen einer Meningitis aus diagnostischen Gründen eine Lumbalpunktion erfolgen. Meist ergibt sich das Bild einer lymphozytären Meningitis mit erhöhtem Liquor-Eiweißgehalt und normaler Liquorglukose.

Diagnostischer Goldstandard ist der Nachweis spezifischer IgM- und IgG-Antikörper gegen B. burgdorferi in Blut, Liquor oder Gelenkpunktat mittels Enzymimmunoassays. Bei der Neuroborreliose findet man im Serum und meistens auch im Liquor IgG-Antikörper gegen B. burgdorferi, bisweilen auch positive IgM-Antikörper. Bei der Lyme-Arthritis ist typischerweise das IgG im Serum ebenfalls positiv, IgM dagegen negativ. Da Antikörper gegen andere Infektionserreger gelegentlich mit B. burgdorferi kreuzreagieren, ist ein Immunoblot zur Bestätigung erforderlich.

Die Anzucht des Erregers aus Liquor oder Gelenkpunktat ist grundsätzlich möglich, jedoch technisch sehr anspruchsvoll und wird deshalb nur in Sonderfällen vorgenommen. Der Nachweis von Erreger-DNA durch PCR ist ebenfalls Sonderfällen vorbehalten.

Inline graphic Serologische Kontrollen sind wegen der oftmals langen Persistenz von IgM-Antikörpern zur Verlaufsbeurteilung wenig hilfreich!

Im Blut finden sich meistens nur geringe Entzündungszeichen.

6.3. Management und Therapie

Jede diagnostizierte Borreliose, ob klinisch oder durch Laboruntersuchung bestätigt, wird antibiotisch behandelt.

Dies dient der Erregerelimination und beugt dem Übergang der Erkrankung in Spätstadien vor. Während bei Kindern ab dem Alter von 8 Jahren wie bei Erwachsenen die lokalisierten Frühsymptome mit Doxycyclin (2 mg/kg KG/d p.o. über mindestens 10 Tage, doppelte Dosis am ersten Behandlungstag) behandelt werden, ist für Kinder jünger als 8 Jahre Amoxicillin (50 mg/kg KG/d über mindestens 10 Tage) das Medikament der ersten Wahl. Bei Penicillinallergie kann auf Makrolide ausgewichen werden.

Beim Borrelien-Lymphozytom beträgt die Behandlungsdauer 30 Tage. Alle anderen Organmanifestationen werden vorzugsweise i.v., z.B. mit Ceftriaxon (50 mg/kg KG alle 24 h, max. 2 g über 14 Tage) oder Cefotaxim (200 mg/kg KG in 3 ED, max. 6 g über 14 Tage) therapiert.

Die Lyme-Arthritis wird vorzugsweise i.v. mit Ceftriaxon oder Cefotaxim (jeweils 14 Tage), alternativ mit einem der o.g. Medikamente über 1 Monat p.o. behandelt werden. Steroide haben keinen Stellenwert bei der Behandlung der Lyme-Arthritis. Bei rezidivierenden Verläufen sind wiederholte Antibiotikatherapiezyklen erforderlich.

Die Prognose der Borreliose ist gut, Therapieerfolge sollten allein aufgrund der klinischen Symptomatik bewertet werden.

6.4. Prophylaxe

In der warmen Jahreszeit ist nach Aufenthalt im Freien das allabendliche Absuchen des Körpers nach evtl. saugenden Zecken eine sinnvolle Präventionsmaßnahme. Bei Aufenthalt im Freien kann durch adäquate Kleidung (hell, langärmelig und -beinig, geschlossenes Schuhwerk u.a.) versucht werden, das Auflesen von Zecken zu verhindern. Dies ist aber gerade im Kindesalter nicht sehr praktikabel.

Eine saugende Zecke wird mit Hilfe einer spitz zulaufenden Pinzette entfernt, wobei ein Quetschen der Zecke (und damit das Auspressen von infektiösem Magen- und Darminhalt in den Wirt) vermieden werden sollte. Ebenso sind irritierende Maßnahmen (Aufträufeln von Öl, Klebestoffen u.Ä.) zu vermeiden, da dies Erbrechen bei der Zecke hervorrufen kann und damit ebenfalls das Infektionsrisiko erhöht. Oft bleibt ein Teil des Zeckenkopfes im Wirt zurück. Nach lokaler Desinfektion mit Alkohol führt dies aber nur selten zu Problemen (Granulationen, Entzündung).

Eine prophylaktische Behandlung mit Antibiotika nach Zeckenstich ist nicht sinnvoll!

Zum einen ist die Wirksamkeit nicht eindeutig belegt, zum anderen müsste in Unkenntnis des individuellen Infektionsrisikos wohl eine Vielzahl von Patienten behandelt werden, um einen Erkrankungsfall zu verhindern.

Erste effektive Impfstoffe gegen Borreliose wurden in den USA entwickelt, wegen zu geringer Akzeptanz und Zweifeln an deren Sicherheit mittlerweile aber wieder vom Markt genommen. Sie waren wegen der antigenen Unterschiede der verschiedenen Borrelienstämme nicht für den Einsatz in Europa geeignet. In absehbarer Zukunft ist mit Impfstoffen gegen die in Europa prävalenten Erreger nicht zu rechnen.

Infektionen durch B. burgdorferi sind nicht meldepflichtig. Die Patienten müssen nicht isoliert werden.

7. Brucellose

7.1. Klinischer Kontext

Eine Brucelleninfektion manifestiert sich akut (ca. 50%) oder schleichend-chronisch meist unspezifisch mit:

  • Fieber (als septische Kontinua, undulierend, intermittierend oder remittierend)

  • Krankheitsgefühl

  • Müdigkeit

  • Gewichtsverlust

  • Myalgien

  • Arthralgien

  • Nachtschweiß.

Circa 30% der Patienten entwickeln eine Lymphadenopathie und Hepatosplenomegalie. In bis zu 30% sind bestimmte weitere Organe betroffen, nicht selten ist dies einziger Hinweis für eine zugrunde liegende Brucelleninfektion:

  • eitrige Arthritiden

  • Spondylitis

  • Osteomyelitis

  • Meningoenzephalitis

  • Hirnabszess, Endokarditis

  • Pyelonephritis

  • selten auch Endokarditis und andere seltene Organmanifestationen.

In der Schwangerschaft ist das Risiko für eine Fehlgeburt erhöht.

Die Brucellose ist eine Anthropozoonose. Erregerreservoir sind v.a. Ziegen, Schafe und Schweine (v.a. Mittelmeerraum, Afrika, Asien und Südamerika). Die Infektion des Menschen erfolgt hierzulande v.a. über kontaminierte Lebensmittel (z.B. Ziegenkäse, nichtpasteurisierte Rohmilch) oder direkten Kontakt zu infizierten Tieren im Ausland. Brucellen sind gramnegative, fakultativ intrazelluläre Bakterien. Man unterscheidet Brucella melitensis (Maltafieber), B. abortus (Morbus Bang) sowie B. suis und B. canis.

Die Inkubationszeit liegt im Mittel bei 2 bis 3 Wochen.

7.2. Diagnostische Hinweise

Die Diagnose einer Brucellose ist häufig schwierig zu stellen: Sie gründet sich auf Anamnese, Klinik, Exposition und den Erregernachweis (wiederholte Blutkulturen) bzw. den Nachweis von Brucellen-spezifischen Antikörpern.

Differentialdiagnostisch sollte bei Kindern mit Fieber unklarer Genese immer auch an eine Brucellose gedacht werden.

7.3. Management und Therapie

Aufgrund der intrazellulären Persistenz von Brucellen ist eine lange antibiotische Therapie über mindestens 6 Wochen erforderlich. Folgende Therapieregime werden empfohlen:

  • Kinder8 Jahre: Co-trimoxazol (Kombination Trimethoprim 10 mg/kg KG/d und Sulfamethoxazol 50 mg/kg KG/d) in 2 ED p.o. plus Rifampicin 20 mg/kg KG/d in 2 ED p.o. für 6 Wochen. Für die ersten 5 Tage kann statt Rifampicin alternativ Gentamicin 5 mg/kg KG/d in 2 ED i.m. oder i.v. verabreicht werden. Zur Prävention einer megaloblastären Anämie sollte Folinsäure 5–10 mg/d p.o. gegeben werden.

  • Kinder 8–12 Jahre: Doxycyclin 2–4 mg/kg KG/d p.o. oder i.v. in 1 ED + Rifampicin (oder alternativ Gentamicin über 3 Wochen) für 6 Wochen

  • Jugendliche und Erwachsene: Doxycyclin 100–200 mg/d p.o. oder i.v. in 1–2 ED) + Rifampicin (oder alternativ Gentamicin über 3 Wochen) für 6 Wochen

  • Schwangere erhalten Rifampicin 900 mg/d p.o. für 6 Wochen.

  • Bei bestimmten Komplikationen (Endokarditis, Arthritis) erfolgt eine Kombinationstherapie (Doxycyclin, Ciprofloxacin [nur Patienten ≥ 18 Jahre] oder Co-trimoxazol) mit Gentamicin oder Rifampicin) über 6 bis 9 Monate. Zur Verhinderung einer Herxheimer-Reaktion zu Beginn der Therapie können Kortikosteroide verabreicht werden.

Der direkte oder indirekte Erregernachweis ist namentlich meldepflichtig. Nach durchgemachter Brucelleninfektion besteht eine lebenslange Immunität.

7.4. Prophylaxe

Zu den wichtigsten expositionsprophylaktischen Maßnahmen gehören:

  • Vermeidung des Kontakts mit infizierten Tieren

  • Sanierung der Nutztierbestände

  • Pasteurisierung von Milch und Milchprodukten.

Zur Prophylaxe nach Exposition wird die Kombination Doxycyclin/Rifampicin oder Co-trimoxazol/Rifampicin über 3 Wochen empfohlen.

8. Campylobacter-Infektionen

8.1. Klinischer Kontext

Campylobacter jejuni verursacht Enteritiden, die von Diarrhöen anderer Genese klinisch nicht zu unterscheiden sind. Seltene Komplikationen sind v.a. Meningitis, Guillain-Barré-Syndrom, Sepsis, Pneumonie und reaktive Arthritis (HLA-B27-assoziiert).

Campylobacter fetus kann bei Neugeborenen zu einem septischen Krankheitsbild mit Endo- oder Perikarditis und Meningitis führen.

Bei Patienten mit Antikörpermangel oder HIV-Infektion können Campylobacter-Infektionen protrahiert und schwer verlaufen.

Campylobacter sind bewegliche, gramnegative gebogene oder spiralige Bakterien. C. jejuni stellen mit Salmonellen die häufigsten bakteriellen Erreger der akuten infektiösen Enteritis dar. Die Übertragung erfolgt überwiegend fäkal-oral (kontaminierte Lebensmittel), seltener durch direkten Kontakt mit infizierten Tieren (Hunde, Katzen, Geflügel). Die Inkubationszeit beträgt 2 bis 7 Tage.

8.2. Diagnostische Hinweise

Aus frischen Stuhlproben, bei septischen Verläufen auch aus Blutkulturen, kann Campylobacter angezüchtet oder mittels PCR nachgewiesen werden.

8.3. Management und Therapie

Wie bei anderen infektiösen Enteritiden ist auch bei der Campylobacter-Enteritis meist eine rein symptomatische Therapie durch Rehydratation (oral, parenteral) ausreichend.

Nur in Ausnahmefällen (Säuglinge < 4 Monate, septischer Verlauf, Patienten mit Immundefekt) erfolgt eine antibiotische Therapie für mindestens 5 bis 7 Tage mit Erythromycin 40–50 mg/kg KG/d in 2–3 ED p.o.

Inline graphic Schnelle Resistenzentwicklung!

Alternativen sind:

  • Gentamicin 5 mg/kg KG/d i.v.

  • Imipenem 50 mg/kg KG/d i.v.

  • bei älteren Kindern und Erwachsenen ggf. Tetrazykline und Gyrasehemmer.

Bei Meningitis ist eine Therapie mit Chloramphenicol 50 mg/kg KG/d i.v. indiziert.

Bei schweren Infektionen durch C. fetus, insbesondere bei Neugeborenen, erfolgt eine antibiotische Therapie mit Gentamicin oder einem anderen geeigneten Antibiotikum (Antibiogramm) für 3 Wochen.

8.4. Prophylaxe

Zu den wichtigsten prophylaktischen Maßnahmen gehören:

  • Händedesinfektion

  • ausreichendes Garen von Fleisch und Fisch

  • Vermeidung von nichtpasteurisierten Milchprodukten oder kontaminiertem Wasser.

Stationär betreute Kinder werden während der akuten Krankheitsphase „enterisch” (Einzel-/Kohortenpflege, Schutzkittel, Schutzhandschuhe) isoliert. Nach Abklingen des Durchfalls können Gemeinschaftseinrichtungen wieder besucht werden. Eine Impfung existiert nicht.

Der direkte und indirekte Nachweis von darmpathogenen Campylobacter species ist bei Vorliegen einer akuten Infektion namentlich meldepflichtig.

Weitere Informationen können beim Robert-Koch-Institut abgefragt werden: http://www.rki.de.

9. Chlamydieninfektionen

9.1. Klinischer Kontext

Chlamydien verursachen beim Menschen folgende Krankheitsbilder:

  • Chlamydia pneumoniae: Infektionen der oberen und unteren Atemwege

  • Chlamydia trachomatis: Trachom, Konjunktivitis („Schwimmbadkonjunktivitis”), respiratorische und urogenitale Infektionen, Lymphogranuloma venerum

  • Chlamydia psittaci: Ornithose.

Chlamydien sind obligat intrazelluläre, gramnegative Bakterien. Sie kommen ubiquitär vor. Die Übertragung erfolgt aerogen (C. pneumoniae, C. trachomatis und C. psittaci), sexuell (C. trachomatis) oder als Schmierinfektion (C. trachomatis).

9.2. Diagnostische Hinweise

Beweisend für eine floride Infektion ist der Erregernachweis (v.a. Chlamydien-Antigen oder -Genom) in infektiösen Körperflüssigkeiten (z.B. Nasopharyngealsekret, Konjunktivalabstrich, Sputum, Urethralabstrich) oder der serologische Nachweis von Chlamydien-spezifischen Antikörpern im Serum (spezifische IgM-Antikörper und/oder 4-facher Titeranstieg der IgG-Antikörper).

9.3. Management und Therapie
  • Die Chlamydien-Pneumonie (C. pneumoniae oder trachomatis) wird mit Makroliden p.o. behandelt (v.a. Erythromycin, Clarithromycin, Roxithromycin oder Azithromycin). Therapiedauer: mit Azithromycin 3 Tage, ansonsten für 14 Tage. Bei Patienten ab 8 Jahren können auch Tetrazykline (z.B. Doxycyclin: 2,5–4 mg/kg KG/d in 1 ED) p.o. für 14 Tage gegeben werden.

  • Die Chlamydien-Konjunktivitis wird mit Erythromycin 40–50 mg/kg KG/d in 3 ED p.o. für 10 bis 14 Tage oder alternativ mit Azithromycin 10 mg/kg KG p.o. einmal pro Woche für 3 Wochen behandelt.

  • Urogenitale Infektionen werden wie die Pneumonie behandelt, bei Jugendlichen (> 16 Jahre) kann auch Azithromycin 1 × 1000 mg p.o. oder bei Erwachsenen Ciprofloxacin 1 × 500 mg p.o. als ED gegeben werden.

  • Lymphogranuloma venereum und Ornithose werden mit Erythromycin (40–50 mg/kg KG/d in 3 ED p.o.) oder Tetrazyklinen (z.B. Doxycyclin: 2,5–4 mg/kg KG/d in 1 ED) p.o. für mindestens 3 Wochen behandelt.

Inline graphic Urogenitale Chlamydieninfektionen bei Kindern können auf sexuellen Missbrauch hindeuten.

Bei infizierten sexuell aktiven Jugendlichen und Erwachsenen sollte der Sexualpartner mituntersucht und bei positivem Befund mitbehandelt werden. Bei Infektionen in den ersten Lebensmonaten sollten die Mutter (und deren Sexualpartner) ebenfalls untersucht und ggf. behandelt werden.

Mit C. psittaci infizierte Vögel sind vom Tierarzt einzuschläfern. Beim Desinfizieren der Käfige und der näheren Umgebung müssen Atemschutzmasken getragen werden.

Der direkte und indirekte Nachweis von Chlamydia psittaci im Labor ist namentlich meldepflichtig.

Weitere Informationen können beim Robert-Koch-Institut abgefragt werden.

10. Clostridien-Infektionen

Clostridien sind grampositive anaerobe Stäbchenbakterien, die ubiquitär im Erdboden, im Wasser und physiologischerweise im Darmtrakt von Mensch (bei Kindern bis zu 50%) und Tier vorkommen. Die von ihnen produzierten Exotoxine können u.a. schwere, lebensbedrohliche Erkrankungen (z.B. Tetanus, Gasbrand) auslösen.

10.1. Pseudomembranöse Enterokolitis (Antibiotika-assoziierte Kolitis)
10.1.1. Klinischer Kontext

In den allermeisten Fällen tritt eine pseudomembranöse Enterokolitis (leichte Verläufe bis hin zu schwersten Krankheitsbildern mit Tenesmen, blutigen Durchfällen, toxischem Megakolon und Darmperforation) während oder im Anschluss einer antibiotischen Therapie (v.a. Clindamycin, Cephalosporine und Aminopenicilline) auf.

Das Krankheitsbild wird durch die Exotoxine von Clostridium difficile ausgelöst. Sie spielen v.a. auf pädia- trischen Intensivstationen, onkologischen Stationen und in Transplantationseinheiten eine wichtige Rolle. Im ersten Lebensjahr sind asymptomatische Besiedelungen des Darms mit C. difficile häufig.

10.1.2. Diagnostische Hinweise

Die Diagnose einer C.-difficile-assoziierten Enterokolitis beruht auf der klinischen Symptomatik und zwingend auf dem Nachweis von C.-difficile-Toxin. Der alleinige Nachweis von C.-difficile im Stuhl reicht zur Diagnosestellung nicht aus.

10.1.3. Management und Therapie

Alle nicht unbedingt erforderlichen Antibiotika müssen schnellstmöglich abgesetzt werden.

Mittel der ersten Wahl zur Behandlung ist Metronidazol 30 mg/kg KG/d in 3 ED p.o. (oder bei schweren Verläufen ggf. i.v.).

Mittel der zweiten Wahl ist Vancomycin 40 mg/kg KG/d in 3 bis 4 ED p.o. Die Therapiedauer beträgt 10 bis 14 Tage. Bei toxischem Megakolon und/oder Ileus kann auch eine Kombination von Metronidazol und Vancomycin i.v. verabreicht werden. Ein operatives Vorgehen ist bei toxischem Megakolon und Darmperforation indiziert.

Die weitere symptomatische Therapie umfasst v.a.:

  • Rehydration

  • Elektrolytausgleich

  • ggfs. Transfusion

  • Antipyrese und

  • Analgesie.

10.1.4. Prophylaxe

Zu den wichtigsten prophylaktischen Maßnahmen gehört der rationelle und möglichst sparsame Einsatz von Antibiotika v.a. über einen längeren Zeitraum (v.a. Clindamycin, Cefuroxim und Cefotaxim), eine „enterische” Isolation (s.o.) und andere notwendige hygienische Maßnahmen (Händedesinfektion, Tragen von Einmalhandschuhen bei jedem direktem Kontakt mit dem Patienten, Umgebungsdesinfektion, Schulung des Personals).

10.2. Botulismus
10.2.1. Klinischer Kontext

Botulismus tritt insgesamt selten auf. Clostridium botulinum bildet das hochpotente Botulinumtoxin, welches als das stärkste biologische Gift gilt. Das von C. botulinum gebildete Neurotoxin führt zur akuten Schädigung von motorischen und autonomen Nerven und so u.a. zu absteigenden schlaffen Lähmungen.

Folgende Krankheitsbilder werden unterschieden:

  • Säuglingsbotulismus: Häufigste Form des Botulismus. Charakteristisch sind chronische Obstipation, Trinkschwäche, Schluckstörung, schwaches Schreien, Augenmuskellähmungen, zunehmend generalisierte Muskelhypotonie. Die Infektionsquelle ist in den meisten Fällen unklar. In bis zu 10% der Fälle ist die Ursache mit C.-botulinum-Sporen kontaminierter Honig. Die Inkubationszeit schwankt zwischen 3 und 30 Tagen.

  • Nahrungsmittelbotulismus (Allantiasis): Nach direkter Ingestion von Botulinustoxinen (v.a. unzureichend erhitzte und „verdorbene” Gemüse- oder Fleischkonserven) kann sich ein Krankheitsbild mit zunächst gastrointestinalen (Durchfall, Obstipation) und später neurologischen Symptomen (Augenmuskellähmungen, absteigende symmetrische Muskellähmung, Bulbärsymptomatik bis zur Atemlähmung) entwickeln. Inkubationszeit (2–23 bis 36 Stunden.

  • Wundbotulismus: Diese Form tritt bei Kontamination von tiefen Wunden mit C. botulinum auf.

10.2.2. Diagnostische Hinweise

Entscheidend ist die Verdachtsdiagnose, die sich auf Anamnese und Untersuchungsbefund (neurologischer Status) gründet. Sie kann gesichert werden durch den Nachweis von Botulinustoxin oder die kulturelle Anzucht von C. botulinum (z.B. Nahrungsmittelreste, Stuhl, Wundsekret).

10.2.3. Management und Therapie

Im Vordergrund steht eine frühzeitige Überwachung der Vitalparameter und ggf. Intubation und maschinelle Beatmung. Die intensivmedizinische Betreuung (Analgosedierung, Behandlung des Ileus, Beatmung, Vermeidung von iatrogenen Schäden wie Dekubitus, Trachealstenose und nosokomialer Infektionen) kann u.U. für Wochen bis Monate erforderlich sein. In bis zu 15% tritt ein SIADH (Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion) auf. Falls eine antibiotische Therapie erforderlich ist (Pneumonie, Harnwegsinfekt), sollten keine Aminoglykoside oder β-Laktam-Antibiotika gegeben werden.

Bei begründetem klinischem Verdacht auf Nahrungsmittel- oder Wundbotulismus sollte frühestmöglich Botulinus-Antitoxin (polyvalentes Immunserum vom Pferd zur i.v. Applikation, Chiron Behring) verabreicht werden.

In bis zu 20% kommt es hierbei zu schweren Nebenwirkungen (Anaphylaxie, Serumkrankheit). Kinder und Erwachsene erhalten die gleiche Initialdosis von 500 ml: Zunächst werden unter Beobachtung der Kreislaufsituation 250 ml langsam infundiert, anschließend weitere 250 ml als Dauertropfinfusion. Gegebenenfalls können nach 4 bis 6 Stunden weitere 250 ml gegeben werden. Bei schweren Intoxikationen wird die intralumbale Gabe von 20 ml Botulinus-Antitoxin empfohlen (siehe Empfehlungen des Herstellers).

Beim Wundbotulismus muss immer eine chirurgische Wundversorgung erfolgen. Zusätzlich erfolgt eine Therapie mit Penicillin G 500000 IE/kg KG/d i.v. für 10 bis 14 Tage.

Beim Säuglingsbotulismus ist die Gabe von Botulinus-Antitoxin unwirksam und risikoreich (Gefahr der Sensibilisierung). Auch Antibiotika sollten beim Säuglingsbotulismus nicht gegeben werden (möglicherweise Gefahr der vermehrten Toxinfreisetzung). Die Therapie ist rein symptomatisch (maschinelle Beatmung, intensivmedizinische Betreuung). Wichtigste prophylaktische Maßnahme: Säuglinge dürfen keinen Honig erhalten! In den USA wude vor kurzem ein neues humanes Botulismus-Immunglobulin hergestellt, welches sich als sehr wirksam und sicher bei der Behandlung des Säuglingsbotulismus erwies (Arnon et al. 2006).

Verdacht, Erkrankung und Tod sowie Erreger- und Toxin-Nachweis sind namentlich meldepflichtig.

10.3. Nahrungsmittelintoxikation durch C.-perfringens-Enterotoxine
10.3.1. Klinischer Kontext

Durch unzureichende Zubereitung und falsche Lagerung können sich Enterotoxin-bildende C.-perfringens-Bakterienstämme in kontaminierten Lebensmitteln (z.B. Fleisch, Fisch) vermehren. Die Inkubationszeit beträgt 6 bis 24 Stunden.

Toxine von C. perfringens Typ A führen zu einem meist benignen gastroenteritis-ähnlichen Krankheitsbild mit Bauchkrämpfen und Durchfall, das innerhalb von 2 Tagen abklingt.

10.3.2. Diagnostische Hinweise

Erreger und Toxin können in Mageninhalt, Erbrochenem und Stuhl nachgewiesen werden.

10.3.3. Management und Therapie

Die symptomatische Therapie entspricht dem Vorgehen bei Gastroenteritiden anderer Ätiologie. Eine Infektion von Mensch zu Mensch ist nicht bekannt. Daher ist auch keine Isolierung von betroffenen Patienten erforderlich.

Verdacht und Erkrankung sind meldepflichtig.

10.4. Gasbrand
10.4.1. Klinischer Kontext

C. perfringens und andere Clostridien (C. septicum, C. novyi, C. histolyticum) können bei Besiedelung von tiefen Wunden zu einer gangränösen Infektion führen. Klinisch kommt es zu akutem Wundschmerz und einer knisternden Schwellung des Wundgebietes, gefolgt von Nekrosen des Muskel- und Weichteilgewebes. Zusätzlich können systemische Komplikationen (Hämolyse, Multiorganversagen) auftreten. Gefährdet sind v.a. immunsupprimierte und neutropenische Patienten. Die Inkubationszeit beträgt 3 bis 5 Tage, in seltenen Fällen nur wenige Stunden.

10.4.2. Management und Therapie

Unbehandelt führt die Erkrankung in bis zu 100% zum Tod.

Wichtigste therapeutische Maßnahmen sind:

  • die großzügige komplette chirurgische Resektion betroffener Gewebe (u.U. ist eine Amputation notwendig)

  • intensivmedizinische Betreuung

  • hoch dosierte antibiotische Therapie mit Penicillin G (500000 IE/kg KG/d i.v. in 4 ED) (Alternativen: Clindamycin, Metronidazol, Teicoplanin, Meropenem).

Wenn möglich, sollte eine hyperbare Sauerstofftherapie, die wahrscheinlich in Verbindung mit der antibiotischen Therapie einen synergistischen Effekt besitzt, versucht werden (Stephens 1996).

Patienten mit Gasbrand sollten in strenger Kontaktisolierung betreut werden.

10.5. Tetanus (Wundstarrkrampf)
10.5.1. Klinischer Kontext

Tetanus kommt weltweit vor. In Europa und Nordamerika ist das Krankheitsbild aufgrund hoher Durchimpfungsraten und verbesserter Lebensbedingungen selten (in Deutschland ca. 15 Fälle/Jahr). C. tetani kommt ubiquitär im Erdreich vor und lässt sich im Stuhl von Mensch und Tieren nachweisen.

Prinzipiell besteht bei jeder „verunreinigten” Wunde das Risiko für eine Infektion mit C. tetani. Die Inkubationszeit beträgt 3 Tage bis 3 Wochen, beim Neugeborenen-Tetanus 3 bis 10 Tage. Im letzteren Fall erfolgt die Infektion über den Nabel.

Das von C. tetani gebildete Exotoxin Tetanospasmin führt zur Übererregbarkeit der Skelettmuskulatur und des Myokards und erhöht den Sympathikotonus.

Klinisch manifestiert sich die generalisierte Form durch tonische Spasmen der Skelettmuskulatur („Risus sardonicus”, Trismus, Dysphagie, opisthotone Körperhaltung). Eine Beteiligung des sympathischen Nervensystems zeigt sich u.a. in Form von Blutdruckschwankungen, Tachykardien und plötzlichen Schweißausbrüchen. Das Bewusstsein ist voll erhalten.

Der Neugeborenen-Tetanus manifestiert sich meist 3 bis 10 Tage post natum durch Trinkschwierigkeiten, anhaltendes Schreien, tonische Starre und Spasmen der Muskulatur sowie durch Beugehaltung der Extremitäten und Fausthaltung der Hände.

Die Letalität des Neugeborenen-Tetanus schwankt - in Abhängigkeit von den durchgeführten intensivmedizischen Maßnahmen - zwischen < 10% und > 75%.

10.5.2. Diagnostische Hinweise

Die Diagnose wird anhand des „typischen” klinischen Bildes gestellt.

10.5.3. Management und Therapie

Um eine weitere Toxinbildung zu verhindern, muss schnellstmöglich eine chirurgische Wundversorgung (Débridement) erfolgen.

Zur Neutralisierung von noch nicht gebundenem Tetanus-Toxin erfolgt sofort eine einmalige Gabe von Tetanusimmunglobulin (Tetagam®, Tetanobulin®) 3000–6000 IE i.m. Am 2. und 3. Folgetag erfolgt eine Wiederholung mit 3000 IE (bei ausgedehnten Verbrennungen evtl. 2. Dosis nach Abklingen der akuten Erscheinungen). Nach Abklingen der Krankheit sollte eine Grundimmunisierung gegen Tetanus erfolgen bzw. komplettiert werden. Eine antibiotische Therapie mit Penicillin G 100000 IE/kg KG/d in 4 ED i.v. über 10 bis 14 Tage kann durch Abtötung der Keime eine weitere Toxinbildung verhindern. Alternativ kann Metronidazol 30 mg/kg KG/d in 3 ED i.v. oder Doxycyclin (ab 8 Jahren) über 10 bis 14 Tage gegeben werden.

Intensivmedizinische Maßnahmen und symptomatische und supportive Therapie entscheiden über den weiteren Verlauf und die Prognose. Abhängig vom klinischen Zustand gehören u.a. hierzu:

  • Sedierung (z.B. Diazepam, Phenobarbital)

  • Gabe von Muskelrelaxanzien (z.B. Pancuronium)

  • Intubation (ggf. Tracheotomie) und maschinelle Beatmung

  • Analgesie (Morphin)

  • Ausgleich von Wasser- und Elektrolytverlusten

  • parenterale Ernährung

  • Magenablaufsonde

  • Dekubitusprophylaxe

  • Abschirmung der Patienten von Umgebungsreizen (Einzelzimmer)

  • regelmäßiges Absaugen, Physiotherapie.

10.5.4. Prophylaxe

Entsprechend den Impfempfehlungen der STIKO sollte bei allen Säuglingen nach Vollendung des 2. Lebensmonats eine Grundimmunisierung mit Tetanustoxoid erfolgen. Boosterimpfungen in Kombination mit Diphtherietoxoid werden im 6. Lebensjahr und danach in zehnjährigem Abstand lebenslang durchgeführt. Säuglinge ungeimpfter oder unvollständig geimpfter Mütter erhalten bis zum 3. Lebensmonat bei entsprechenden Verletzungen eine passive Immunisierung mit 250 IE Tetanus-Immunglobulin i.m.

Im Verletzungsfall ist gemäß STIKO nach folgendem Schema zu verfahren:

Tab. 18.1-1.

Vorgehensweise nach Verletzung in Abhängigkeit von der bisherigen Tetanus-Impfanamnese.

Saubere, geringfügige Wunden Alle anderen Wunden
Frühere Impfdosen DTaP/Td1 Tetanus-Ig DTaP/Td1 Tetanus-Ig
Unbekannt ja nein ja ja
0–1 ja nein ja ja
2 ja nein ja (ja)2
≥ 3 (ja)3 nein (ja)4 nein
1

Die aktive Impfung sollte immer mit Diphtherie-Tetanus-Pertussis Kombinationsimpfstoff durchgeführt werden (ab Alter 6 Jahre mit Td).

2

Wenn Verletzung länger als 24 h her.

3

Wenn die letzte Impfung > 10 Jahre zurückliegt.

4

Wenn die letzte Impfung > 5 Jahre zurückliegt.

11. Corynebacterium diphtheriae (Diphtherie)

11.1. Klinischer Kontext

Erreger ist das grampositive Stäbchenbakterium Corynebacterium diphtheriae, das durch Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch übertragen wird. Auch symptomfreie Träger können Ansteckungsquelle sein. Komplikationen werden durch das Diphtherietoxin hervorgerufen, Corynebacterium-diphtheriae-Stämme, die kein Toxin bilden, sind dagegen apathogen. Wegen der aktiven Schutzimpfung werden heute nur noch vereinzelt Krankheitsfälle in Deutschland beobachtet. In osteuropäischen Ländern sowie in Asien, Afrika und Südamerika besteht dagegen ein signifikantes Infektionsrisiko.

Die Erkrankung hinterlässt keine bleibende Immunität.

Die Diphtherie ist eine lebensbedrohliche Infektionskrankheit. Nach einer Inkubationszeit von 2 bis 6 Tagen manifestieren sich Pharyngitis und Fieber. 1 bis 2 Tage später bilden sich weißliche Exsudate auf den Tonsillen, die sich rasch auf den gesamten Rachen ausdehnen. Begleitend kommt es oft zu Lymphadenitis colli („Cäsarenhals”) und ausgeprägtem Krankheitsgefühl. Exsudate im Larynx (Kehlkopfdiphtherie) führen zum charakteristischen, bellenden Krupp-Husten. Selten sind Nase, Konjunktiven, Genitale und Haut beteiligt. Systemische Manifestationen werden durch das Diphtherietoxin hervorgerufen und betreffen das ZNS (Gaumensegelparese bzw. Augenmuskellähmungen, periphere Neuritiden und ggf. Lähmung der Atemmuskulatur), Herz (Myokarditis) und Nieren (Nephritis).

11.2. Diagnostische Hinweise

Die Diagnose erfolgt durch Anzucht des Erregers aus Rachen- oder Nasopharyngealabstrichen. Dabei sollten mit einem Tupfer die festhaftenden exsudativen Beläge zunächst entfernt werden und anschließend der Abstrich aus dem Randgebiet entnommen werden.

Inline graphic Dem Labor ist der Diphtherieverdacht mitzuteilen, da die Anzucht Spezialnährböden erfordert.

Im Blut finden sich unspezifische Entzündungszeichen.

11.3. Management und Therapie

Die Therapie muss bei jeglichem Verdacht auf Diphtherie sofort begonnen werden! Wichtigste Maßnahme ist die Gabe von Diphtherie-Antitoxin (vom Pferd). Derzeit gibt es nur ein kroatisches Produkt, welches in Deutschland nicht zugelassen ist. Dieses Präparat ist bei Einrichtungen der Apothekenkammern (z.B. Apotheken von Universitätskliniken) deponiert. Weiterhin erfolgt eine antibiotische Behandlung mit Penicillin (p.o. oder i.v.) in einer Dosierung von 100000 IE/kg KG/d in 3–4 ED über 14 Tage. Alternativ kann auf Erythromycin (50 mg/kg KG/d p.o. oder i.v.) ausgewichen werden. In den ersten 3 bis 4 Wochen ist Bettruhe einzuhalten, alle anstrengenden Maßnahmen sollten auf ein Minimum begrenzt werden.

Patienten mit Verdacht auf oder nachgewiesener Diphtherie sind bis zum Nachweis von drei negativen Abstrichen streng zu isolieren. Kontaktpersonen erhalten eine orale Penicillinprophylaxe (alternativ: Erythromycin) mit 100000 IE/kg KG/d über 7 Tage sowie ggf. eine aktive Diphtherieimpfung. Bei frühzeitiger Behandlung ist die Prognose gut.

Die zuverlässigste Prophylaxe der Diphtherie ist die aktive Schutzimpfung.

Krankheitsverdacht, Erkrankung und Tod sowie der Erregernachweis (falls toxinbildend) sind namentlich meldepflichtig.

12. Coxiella burnetii (Q-Fieber, „Query”-Fieber)

12.1. Klinischer Kontext

Erreger ist Coxiella burnetii, ein Rickettsien-ähnliches, gramnegatives, intrazelluläres Bakterium. Die Krankheit ist weltweit verbreitet und wird aerogen von Tieren (Lochien von Schafen, Rindern, Ziegen und anderen Haustieren) auf Menschen übertragen. Die Erreger sind hochkontagiös!

Meist handelt es sich um eine unspezifische, fieberhafte Krankheit, gelegentlich manifestiert sich die Infektion als Pneumonie, Hepatitis, seltener auch als Meningitis oder Myokarditis.

Chronische Infektionen unter dem Bild einer Endokarditis sowie Osteomyelitiden sind beschrieben.

12.2. Diagnostische Hinweise

Die Diagnose wird serologisch (IgM- und oder IgA-oder IgG-Antikörper) gestellt, die Anzucht darf nur in Sicherheitslaboratorien erfolgen und ist Sonderfällen vorbehalten.

12.3. Management und Therapie

Mittel der ersten Wahl bei akuter Infektion sind Doxycyclin oder Chinolone (z.B. Ciprofloxacin) p.o. über 14 Tage. Bei Kindern sind diese Medikamente nur eingeschränkt zugelassen, was eine entsprechende Aufklärung erfordert.

Chronische Infektionen erfordern eine Langzeitbehandlung und sollten in Absprache mit einem Infektiologen erfolgen.

Der direkte oder indirekte Erregernachweis von Coxiella burnetii ist namentlich meldepflichtig. Die Patienten müssen nicht isoliert werden, jedoch werden Standardhygienemaßnahmen empfohlen.

13. Escherichia-coli-Infektionen

13.1. Klinischer Kontext

E. coli, gramnegative Stäbchenbakterien, sind Teil der physiologischen Darmflora. Bei lokaler oder systemischer Abwehrschwäche können sie zu Infektionserregern werden. Verschiedene Virulenz- und Pathogenitätsfaktoren sind verantwortlich für die unterschiedlichen Krankheitsbilder (extraintestinal, intestinal).

Darmpathogene E. coli sind nach den Salmonellen die zweithäufigste Ursache von bakteriell verursachten Durchfallerkrankungen. Derzeit werden fünf verschiedene Gruppen darmpathogener E.-coli-Stämme unterschieden (Tab. 18.1-2 ). Die Übertragung erfolgt meist fäkal-oral (Mensch zu Mensch, Genuss von kontaminierten Lebensmitteln; EHEC: v.a. Verzehr von rohen oder halbgaren Fleisch- und Milchprodukten sowie ungewaschenem rohem Gemüse oder Obst). Die Inkubationszeit beträgt wenige Tage.

Tab. 18.1-2.

Einteilung darmpathogener Escherichia coli.

Erreger Vorkommen Klinik
enterohämorrhagische E. coli (EHEC) weltweit, in Deutschland häufig wässrige, teilweise blutige Durchfälle (Kinder bis 6 J. besonders gefährdet), hämorrhagische Kolitis Komplikationen: hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) v. a. bei Kleinkindern
enteroaggregative E. coli (EAEC) weltweit, in Deutschland häufig akute und chronische wässrige Durchfälle, periumbilikale Bauchschmerzen
enterotoxinbildende E. coli (ETEC) warme Länder, in Deutschlandselten wässrige Durchfälle mit z. T. erheblichen Flüssikeits- und Elektrolytverlusten, „Reisediarrhö” bei schlechten hygienischen Bedingungen, alle Altersgruppen betroffen
enteropathogene E. coli (EPEC) weltweit v. a. bei schlechten hygienischen Verhältnissen, in Deutschland selten wässrige Durchfälle, v. a. bei Säuglingen und Kleinkindern(< 2 Jahre)
enteroinvasive E. coli (EIEC) weltweit v. a. bei schlechten hygienischen Verhältnissen, in Deutschland selten wässrige und blutige Durchfälle, Dysenterie mit Tenesmen

Intestinale Infektionen: Die klinische Symptomatik ist zum einen durch die Eigenschaften der verschiedenen Erreger, zum anderen von anderen Faktoren (Alter des Patienten, Ernährungszustand, zusätzliche Grunderkrankungen) bestimmt. Wichtigste Komplikationen bei allen Durchfallerkrankungen sind u.U. bedrohliche Flüssigkeits- und Elektrolytverluste. Bis zu 15% der Kinder mit EHEC-Infektionen (meist Serogruppe 0157) entwickeln ein hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS). Bis 30% dieser Formen führen zu einer terminalen Niereninsuffizienz.

E. coli sind die häufigste Ursache von Harnwegsinfektionen und der Sepsis mit gramnegativen Bakterien.

Extraintestinale Infektionen: E.-coli-Infektionen können eine Vielzahl von Organen betreffen und folgende Krankheitsbilder hervorrufen: Harnwegsinfektionen (Zystitis, Pyelonephritis, Urosepsis), Neugeborenensepsis und -meningitis, Hirnabszess, Cholezystitis und Cholangitis, Appendizitis, Peritonitis, Pneumonie, Sepsis, nosokomiale Infektionen.

13.2. Diagnostische Hinweise

Intestinale Infektionen: Kinder mit infektiösem Durchfall werden nicht routinemäßig auf darmpathogene E. coli untersucht. Bei Komplikationen (z.B. HUS, blutiger oder chronischer Durchfall) sollte hingegen immer eine Erregerisolierung (z.B. EHEC bzw. EAEC) bzw. ein Toxinnachweis (Shiga-like Toxin, Verotoxin) angestrebt werden.

Extraintestinale Manifestationen: Bei Harnwegsinfektionen oder septischen Krankheitsverläufen sollte ein Erregernachweis aus dem jeweiligen Untersuchungsmaterial (v.a. Urin, Blut, Liquor) versucht werden.

13.3. Management und Therapie
13.3.1. Intestinale Infektionen

Im Vordergrund steht - wie bei allen anderen infektiösen Durchfallerkrankungen auch - der Ausgleich der z.T. erheblichen Wasser- und Elektrolytverluste. Generell sollten bei infektiösen Durchfallerkrankungen im Kindesalter keine Antidiarrhoika (z.B. Loperamid) verabreicht werden.

Inline graphic Bei EHEC-Infektionen mit und ohne HUS sind Antibiotika kontraindiziert. Kinder mit HUS müssen bei drohender Niereninsuffizienz unverzüglich in ein pädiatrisches Dialysezentrum verlegt werden.

EAEC-Infektionen, die zu chronischen, anhaltenden Diarrhöen führen, sollten nur nach Antibiogramm (hohe Resistenzrate!) behandelt werden. ETEC-Infektionen können durch Therapie mit Co-trimoxazol oder einem Chinolon gemildert und abgekürzt werden.

Bei abwehrschwachen Patienten (Frühgeborene, schwere Grunderkrankungen) sollten Infektionen mit darmpathogenen E. coli immer antibiotisch (nach Antibiogramm) therapiert werden.

Für die Dauer der Erkrankung im Krankenhaus erfolgt eine „enterische” Isolierung (s.o.) mit den entsprechenden Hygienemaßnahmen (Kittelpflege, hygienische Händedesinfektion, Tragen von Schutzhandschuhen, Einzel- bzw. Kohortenpflege).

Muttermilchernährung bietet einen guten Schutz gegen EPEC evtl. auch gegen andere E.-coli-Typen.

Krankheitsverdacht, Erkrankung und Tod durch enteropathisches hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS) sowie der Nachweis von EHEC, EPEC, ETEC und EIEC sind gemäß Infektionsschutzgesetz meldepflichtig. Weiterhin ist jeder Verdacht auf sowie die Erkrankung an „akuter infektiöser Gastroenteritis” meldepflichtig. Weitere Informationen zu EHEC können beim Robert-Koch-Institut abgefragt werden.

13.3.2. Extraintestinale Manifestationen

Die antibiotische Therapie richtet sich hier nach dem Alter des Patienten, dem betroffenen Organ sowie dem Antibiogramm.

  • Die Therapie der Zystitis erfolgt mit Co-trimoxazol 5–6 mg/kg KG p.o. oder einem Oral-Cephalosporin für 3 bis 5 Tage.

  • Die unkomplizierte Pyelonephritis wird im Säuglingsalter mit Ampicillin (100–300 mg/kg KG/d i.v.) + Gentamycin (3–5 mg/kg KG/d; Spiegelkontrollen!) (oder Ceftazidim: 100–150 mg/kg KG/d i.v.)(10–21 Tage), im späteren Alter mit einem Cephalosporin der Gruppe 2 oder 3 (7–10 Tage) (z.B. Cefuroxim: 75–150 mg/kg KG/d i.v. bzw. 20–30 mg/kg KG/d p.o.) behandelt.

  • Die Urosepsis oder die komplizierte Pyelonephritis wird zunächst mit Ampicillin + Gentamycin (oder Ceftazidim), dann nach Antibiogramm behandelt (mindestens 14 Tage) (Dosierung s.o.)

  • Bei rezidivierenden Harnwegsinfektionen ist eine weitere Diagnostik (Sonographie, Miktionszysturethrogramm, Szintigraphie, ggf. i.v. Pyelographie) durchzuführen und ggf. eine prophylaktische Therapie (Co-trimoxazol, Nitrofurantoin, Oralcephalosporine) einzuleiten (s.a. Kap. 31).

14. Haemophilus-influenzae-Typ-b-(Hib-)Infektionen

14.1. Klinischer Kontext

Haemophilus influenzae ist ein gramnegatives Stäbchenbakterium, das bereits in den ersten Lebensjahren den Nasopharynx besiedelt. Die Übertragung erfolgt durch Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch. Man unterscheidet acht Biotypen (Biotyp I prädominiert) sowie unbekaspelte und bekapselte Typen. Die Kapsel besteht aus Polysacchariden, die in sechs unterschiedliche Formen (a bis f) eingeteilt werden, wobei Infektionen mit Kapseltyp b (= Hib) prädominieren.

Vor Einführung der Hib-Schutzimpfung im Jahr 1991 erkrankte in Deutschland etwa jedes 500. Kind in den ersten fünf Lebensjahren an einer invasiven Hib-Infektion. Der Altersgipfel der Hib-Meningitis lag zwischen dem 7. und 12. Lebensmonat, die Epiglottitis betraf in erster Linie Kleinkinder mit einem Altersgipfel von 3 bis 4 Jahren. Seitdem treten jährlich nur noch zehn bis 20 invasive Infektionen auf.

Unbekapselte H.-influenzae-Bakterien verursachen vorwiegend nicht invasive Infektionen der oberen (Otitis, Sinusitis) und unteren (Pneumonien) Luftwege, wohingegen Hib typischerweise invasive Erkrankungen hervorruft. Wenn die Bakterien die Mukosabarriere im Nasopharynx überwinden und in die Blutlaufbahn eindringen, führt dies zu Sepsis, eitriger Meningitis, Epiglottitis, eitrigen Arthritiden oder - bei lokaler Invasivität - zu Phlegmonen.

Die eitrige Meningitis manifestiert sich hochakut mit Fieber, Nackensteifigkeit und schwerem Krankheitsgefühl, die Epiglottitis ebenfalls hochakut mit Fieber, Schluckstörungen, und Speichelfluss. Die Epiglottitis muss von der ungleich häufigeren und weniger gefährlichen subglottischen Laryngotracheitis („Pseudokrupp”) klinisch unterschieden werden. Meningitis wie auch Epiglottitis durch Hib sind lebensbedrohlich, die Meningitis ist zudem durch zahlreiche Spätfolgen (Taubheit, Epilepsie, Entwicklungsretardierung) gekennzeichnet.

14.2. Diagnostische Hinweise

Die Diagnose erfolgt durch den Erregernachweis, Antikörperuntersuchungen sind wissenschaftlichen Fragestellungen vorbehalten. Bei Verdacht auf eine Meningitis wird eine Lumbalpunktion durchgeführt. Neben dem Liquorstatus werden Gramfärbung und kulturelle Anzucht durchgeführt. Ferner sind bei invasiven Infektionen Blutkulturen sinnvoll.

Der Nachweis von Hib-Antigenen in Serum, Liquor und Urin durch Latexagglutinationstests erlaubt eine Schnelldiagnostik.

Bei der Arthritis purulenta erfolgt der Erregernachweis aus dem Gelenkpunktat.

14.3. Management und Therapie

Hib-Infektionen werden grundsätzlich antibiotisch behandelt. Bei lokalen Infektionen geschieht dies vorzugsweise durch orale Gabe von Amoxicillin (50–80 mg/kg KG/d in 2–3 Dosen, ggf. in Kombination mit Clavulansäure, einem β-Laktamase-Inhibitor) über 5–10 Tage. Alternativ stehen verschiedene orale Cephalosporine zur Verfügung. Auch ist eine symptomatische Begleittherapie, insbesondere bei Otitis media (abschwellende Nasentropfen, Analgesie und Antipyrese) angezeigt.

Systemische Hib-Infektionen werden mit Cefotaxim (200 mg/kg KG/d in 3 Dosen bis maximal 3 × 2 g), Ceftriaxon (100 mg/kg KG/d als ED bis maximal 4 g) oder anderen Cephalosporinen der Gruppe 3 i.v. behandelt.

Ferner ist bei Meningitis die Gabe von Dexamethason (0,8 mg/kg KG/d in 2 Dosen für 2 Tage) sinnvoll, wobei die erste Dosis vor der ersten Antibiotikagabe erfolgen soll.

Zur Behandlung der Epiglottitis ist neben der Antibiotikatherapie das rasche Freihalten der Atemwege durch Intubation entscheidend.

Der direkte Erregernachweis aus Liquor oder Blut ist namentlich meldepflichtig. Die Patienten müssen nicht isoliert werden.

14.4. Prophylaxe

Bei Auftreten einer systemischen Hib-Infektion besteht für Kontaktpersonen ein erhöhtes Erkrankungsrisiko. Deshalb empfiehlt die STIKO für alle Haushaltsmitglieder (außer für Schwangere), unabhängig vom Alter, eine Chemoprophylaxe, wenn sich dort ein ungeimpftes oder unzureichend geimpftes Kind (Säuglinge: 3 Dosen eines Hib-Konjugat-Impfstoffs; ab 12 Monate: ≥ 1 Dosis) im Alter von bis zu 4 Jahren oder aber eine Person mit einem relevanten Immundefekt befindet, sowie für ungeimpfte exponierte Kinder bis 4 Jahre in Gemeinschaftseinrichtungen. Sie erfolgt durch Gabe von Rifampicin (20 mg/kg KG/d als ED bis maximal 600 mg über 4 Tage; Säuglinge < 1 Monat: 10 mg/kg KG). Alternativ kann einmalig 250 mg (Kinder unter 12 Jahren: 125 mg) Ceftriaxon i.m. oder i.v. verabreicht werden. Der Indexpatient benötigt keine Chemoprophylaxe, sofern er mit einem Cephalosporin der Gruppe 3 behandelt wurde.

Impfung: Zur Prophylaxe invasiver Hib-Infektionen stehen Impfstoffe einzeln oder in Kombination mit anderen Impfantigenen zur Verfügung. Im ersten Lebensjahr werden gemäß STIKO-Empfehlungen beginnend im Alter von 2 Monaten 3 Dosen im Abstand von jeweils mindestens 4 Wochen in Kombination mit Diphtherie- und Tetanustoxoid, Pertussis, IPV und Hepatitis B (DTaP-IPV-HepB/Hib) verabreicht. Die 4. Dosis folgt im Alter von 11 bis 14 Monaten (frühestens 6 Monate nach der 3. Dosis). Fehlende Impfungen sollen bis zum Alter von 5 Jahren nachgeholt werden.

15. Helicobacter-Infektionen

15.1. Klinischer Kontext

Helicobacter pylori ist ein gramnegatives spiralförmiges Bakterium, das ausschließlich die Magenschleimhaut besiedelt und dort persistieren kann. Es kommt ubiquitär vor. Die Übertragung erfolgt wahrscheinlich oral-oral oder fäkal-oral. Bis zum Erwachsenenalter sind bis zu 50% der Bevölkerung mit H. pylori besiedelt.

Die akute Infektion mit H. pylori kann bei Kindern zu einer Antrumgastritis, selten auch zu einem Ulkus führen. In den meisten Fällen verläuft die Infektion allerdings klinisch stumm. Bei Erwachsenen kann sich aus einer H.-pylori-positiven Gastritis ein MALT-Lymphom entwickeln.

15.2. Diagnostische Hinweise

Die Diagnose kann nichtinvasiv mit einem 13 H-Harnstoff-Atemtest (Sensitivität und Spezifität jeweils > 95%) oder mittels Antigennachweis im Stuhl (Sensitivität 90%, Spezifität > 95%) gestellt werden. Die invasive Gastroskopie mit Entnahme von Gewebeproben (mit anschließender histologischer und mikrobiologischer Aufarbeitung) hat eine Sensitivität und Spezifität von praktisch 100% und ist die Methode der Wahl.

15.3. Management und Therapie

Bei Vorliegen eines positiven 13H-Harnstoff-Atemtests in Verbindung mit entsprechender Klinik erfolgt die Ersttherapie ohne vorherige Gastroskopie. Letztere ist allerdings erforderlich bei Rezidiven und Komplikationen (z.B. Duodenalulkus, Refluxösophagitis).

Mit einer Kombination aus Amoxicillin 70 mg/kg KG/d p. o. in 2 ED (max. 2 × 1 g) p. o. und Clarithromycin 25 mg/kg KG/d in 2 ED (max. 2 × 0,5 g) p. o. (oder alternativ Metronidazol 20 mg/kg KG/d in 2 ED (max. 2 × 0,5 g) p. o.) über 7 Tage und einem Protonenpumpenhemmer (z. B. Omeprazol 1–2 mg/kg KG/d in 2 ED p. o.) über weitere 7 bis 10 Tage lässt sich eine Eradikationsrate von 85% erreichen. Nach 4 bis 6 Monaten sollte ein 13H-Harnstoff-Atemtest zur Therapiekontrolle erfolgen.

Bei Therapieversagen und Rezidiven kann eine Kombinationstherapie mit Wismutsalzen (für 6 Wochen), Azithromycin (über 5 Tage) und Ranitidin (über 6 Wochen) versucht werden. Wirksame und sinnvolle prophylaktische Maßnahmen existieren nicht.

16. Legionellose

16.1. Klinischer Kontext

Legionellen sind gramnegative intrazelluläre Bakterien. Derzeit sind 42 Arten in 64 Serogruppen bekannt. Ca. 90% der Legionellosefälle werden durch Legionella pneumophila verursacht. Die Übertragung erfolgt durch Inhalation infektöser Aerosole (u. a. Warmwasserduschen, Inhalationsgeräte), Aspiration von kontaminiertem Wasser und selten durch Wundinfektionen. Die Inkubationszeit liegt bei 2 bis 10 (Legionärskrankheit) bzw. 1 bis 3 Tagen (Pontiac-Fieber).

Die meisten Infektionen verlaufen klinisch stumm. Zwei Krankheitsbilder sind bekannt, die durch Legionellen hervorgerufen werden und sporadisch sowie epidemisch auftreten:

  • Legionärskrankheit: eine schwere Pneumonie mit Zeichen einer systemischen Infektion. Besonders empfänglich sind Patienten mit eingeschränkter Immunität und anderen Grunderkrankungen. Immunkompetente Kinder erkranken sehr selten.

  • Pontiac-Fieber: manifestiert sich ähnlich wie eine Virusgrippe und ist selbstlimitierend.

16.2. Diagnostische Hinweise

Die Diagnose kann durch Erregernachweis (Immunfluoreszenz, ELISA, RIA, PCR) am besten aus Urin sowie - bei schweren Krankheitsformen - einer bronchoalveolären Lavage (cave: relativgeringe Sensitivität) oder durch den Nachweis von Legionellen-spezifischen Antikörpern (Titeranstieg allerdings meist erst nach Wochen) im Serum gesichert werden.

16.3. Management und Therapie

Therapie der Wahl der Legionärskrankheit im Kindesalter ist Erythromycin 50–60 mg/kg KG/d in 2 ED i. v. für 3 bis 5 Tage, nach Besserung des Allgemeinbefindens p. o. Unkomplizierte Fälle werden 10 bis 14 Tage, schwere Verläufe über 3 Wochen behandelt.

Alternativ kann auch mit anderen Makrolidantibiotika (z. B. Azithromycin 10 mg/kg KG/d) behandelt werden (Plouffe et al. 2003). In Deutschland gibt es diesbezüglich aber noch keine i. v. Zulassung. Bei fehlendem Ansprechen auf eine Makrolidmonotherapie ist die zusätzliche Gabe von Rifampicin (20 mg/kg KG/d als ED i. v. oder p. o.) indiziert. Weiterhin potenziell wirksame Antibiotika sind Co-trimoxazol, Clindamycin, Imipenem, Streptogramine und Ketolide.

Das Pontiac-Fieber bedarf keiner spezifischen Therapie.

Zur Sanierung von kontaminierten Wasserleitungssystemen ist die Hyperchloridierung oder das Erhitzen des Wassers auf > 70°C mit Durchspülen aller Auslässe geeignet. Weiterhin sind routinemäßige Wasseruntersuchungen in gefährdeten Bereichen (u. a. Duschen, Klimaanlagen) erforderlich.

Legionellen werden nicht von Mensch zu Mensch übertragen, daher ist eine Isolierung im Krankenhaus nicht erforderlich.

Der Nachweis von Legionellen-Spezies ist namentlich meldepflichtig.

17. Leptospirose

17.1. Klinischer Kontext

Leptospiren sind gramnegative Bakterien. Die Leptospirose ist die weltweit häufigste Zoonose. In Deutschland werden pro Jahr ca. 30 Fälle gemeldet. Die Übertragung auf den Menschen erfolgt häufig über kontaminiertes Wasser oder Kontakt mit infektiösem Tierurin oder durch Tierbiss. Wichtigstes Erregerreservoir sind Wild- und Haustiere, v. a. Ratten und Mäuse. Die Inkubationszeit liegt meist zwischen 7 und 13 Tagen. Die meisten Infektionen verlaufen klinisch stumm.

Bei den symptomatischen Erkrankungen findet sich überwiegend (90%) die leichtere und anikterische Form, in 10% der Fälle liegt die schwerere ikterische Form (Weil-Krankheit) vor. Beide Manifestationsformen sind charakterisiert durch einen biphasischen Verlauf, beginnend mit einer grippeähnlichen Phase für einige Tage, gefolgt von einer 2. Phase mit unterschiedlich ausgeprägten hepatischen, gastrointestinalen, renalen und neurologischen Symptomen. Eine Restitutio ad integrum nach 2 bis 4 Wochen ist die Regel. Mögliche Todesursachen sind akutes Nierenversagen, Blutungen, Rhythmusstörungen bei Myokarditis, Niereninsuffizienz und zentrale Thrombosen.

17.2. Diagnostische Hinweise

Die Diagnose wird durch Erregeranzucht oder mittels PCR in geeignetem Untersuchungsmaterial (Blut, Liquor oder Urin) oder indirekt durch den Nachweis Leptospiren-spezifischer Antikörper im Serum gesichert.

17.3. Management und Therapie

Eine frühzeitige antibiotische Behandlung verkürzt die Krankheitsdauer. Antibiotikum der Wahl ist Penicillin G 100 000 IE/kg KG/d i. v. in 4 bis 6 ED für 1 bis 2 Wochen. Doxycyclin (nur bei Kindern ab 8 Jahren) ist gleichwertig.

Bei der Weil-Krankheit ist ein adäquates intensivmedizinisches Monitoring sowie die Einleitung notwendiger supportiver Maßnahmen (z. B. Dialyse bei Niereninsuffizienz) erforderlich.

Trinkwasserdesinfektion mit Chlor oder durch Erhitzen verhindert die Übertragung von Leptospiren. Beruflich Exponierte sollten sich entsprechend schützen (z. B. Handschuhe, Brille, Gummistiefel, Schutzkittel). Die Isolierung von Patienten ist nicht erforderlich. Blut und andere Körperflüssigkeiten gelten als potenziell infektiös. Der Nachweis von Leptospira interrogans spp. ist namentlich meldepflichtig.

18. Listeriose

18.1. Klinischer Kontext

Listeria monocytogenes ist der wichtigste Vertreter der Listerien, kleiner grampositiver Bakterien.

Neonatale Listeriose: Man unterscheidet eine Frühinfektion (1.–5. Lebenstag, v. a. septisches Krankheitsbild) von einer Spätinfektion (nach dem 5. Lebenstag, im Mittel 14 Tage, v. a. ZNS-Symptomatik). Die klinischen Symptome ähneln denen bei B-Streptokokken-Infektionen.

Postnatale Listeriose: Eine Listerieninfektion jenseits der Neugeborenenperiode manifestiert sich in Form von meningitischen und septischen Krankheitsbildern. Betroffen sind v. a. Kinder mit eingeschränkter Immunität. Erkrankungen von immunkompetenten Kindern sind die Ausnahme.

18.2. Diagnostische Hinweise

Listerieninfektionen müssen immer in die Differentialdiagnose von Neugeboreneninfektionen sowie bei immunsupprimierten Patienten mit Sepsis und Meningitis einbezogen werden.

Die Diagnose wird gesichert durch den Nachweis von Listeria monocytogenes aus Blut, Liquor, Plazenta oder bei Schwangeren in genitalen Abstrichen.

18.3. Management und Therapie

Die antibiotische Therapie der Wahl ist Ampicillin (300 mg/kg KG/d i. v.) zusammen mit einem (synergistisch wirkenden) Aminoglykosid (z. B. Gentamicin: 3–5 mg/kg KG/d i. v.; Spiegelkontrollen!) für mindestens 2 Wochen (Sepsis) bzw. mindestens 3 Wochen (ZNS-Infektion). Entscheidend für die Prognose ist ein frühzeitiger Therapiebeginn. Alternativen sind u. a. Vancomycin und Co-trimoxazol, v. a. bei älteren Kindern.

Gefährdete Personen (Schwangere, Immunsupprimierte) sollten potenziell infizierte Lebensmittel (z. B. nicht pasteurisierte Milchprodukte, unzureichend gegartes oder zu lange gelagertes Fleisch) meiden. Durch geeignete Hygienemaßnahmen (z. B. Händewaschen und -desinfektion) können nosokomiale Infektionen auf Neugeborenenstationen oder geburtshilflichen Abteilungen vermieden werden.

Der Nachweis von L. monocytogenes in Blut, Liquor etc. und von Abstrichen von Neugeborenen ist namentlich meldepflichtig.

19. Mycobacterium leprae (Lepra)

19.1. Klinischer Kontext

Erreger der Lepra ist Mycobacterium leprae, ein grampositives säurefestes Stäbchen. Die Übertragung erfolgt wahrscheinlich über Tröpfchen von Mensch zu Mensch.

Bei der tuberkuloiden Form entstehen an der Haut unempfindliche Erytheme und Maculae sowie schmerzlose Granulome. Bei der lepromatösen Form ist der Verlauf fortschreitend; an Haut und Schleimhaut, Nerven, Akren und am rendikuloendothelialen System kommt es zu Gewebezerstörung, Ulzeration und Atrophie.

19.2. Diagnostische Hinweise

Die Diagnose wird durch das klinische Erscheinungsbild und mikroskopischen Erregernachweis (Ziehl-Neelsen-Färbung) aus dem Hautabstrich am Rand von Läsionen gestellt. Eine kulturelle Anzüchtung der Erreger dagegen ist nicht möglich.

19.3. Management und Therapie

Die Therapie sollte in Absprache mit einem Infektiologen erfolgen. Bei geringer Keimdichte in der Färbung (bis zu 10 Erreger pro 100 Gesichtsfelder) wird eine Kombinationsbehandlung mit Dapson (1 mg/kg KG/d, maximal 100 mg, in 1 ED) und Rifampicin (10 mg/ kg KG/d, maximal 600 mg, in 1 ED) über 6 Monate empfohlen. Bei höherer Keimdichte wird die Behandlung mit Clofazimin (1 mg/kg KG/d, maximal 50 mg, in 1 ED) ergänzt und auf 12 Monate verlängert.

20. Mykobakterien (Tuberkulose und nichttuberkulöse Mykobakteriosen)

20.1. Klinischer Kontext

Die Tuberkulose wird durch Mycobacterium tuberculosis, seltener auch durch M. bovis, den Erreger der Rindertuberkulose, verursacht. Mykobakterien sind säurefeste Stäbchen, die durch Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch übertragen werden. M. bovis wird durch infizierte Milch gastrointestinal übertragen.

Die Tuberkulose ist weltweit verbreitet und eine der bedeutendsten Infektionskrankheiten. Inzidenz und Prävalenz sind in Deutschland und den meisten anderen europäischen Ländern seit vielen Jahren kontinuierlich rückläufig. Bedeutsam sind in jüngster Zeit importierte Infektionen aus osteuropäischen, afrikanischen und asiatischen Ländern, da dort häufig multiresistente Stämme zirkulieren.

Häufigste Vertreter der MOTT („mycobacteria other than tuberculosis”) ist der Mycobacterium-avium-Komplex mit zahlreichen Subspezies. Die Häufigkeit von Infektionen durch MOTT ist nicht genau bekannt.

Die meisten Erstinfektionen mit Mykobakterien sind asymptomatisch. Alternativ bildet sich nach inhalativer Aufnahme von Mykobakterien im Lungengewebe ein Entzündungsherd mit begleitender Lymphangitis und Lymphknotenschwellungen, der bald verkäst und allmählich verkalkt. Die Bakterien überleben und können Jahre oder Jahrzehnte später endogene Reinfektionen verursachen. Bei Einbruch der Entzündung in die Bronchien spricht man von der offenen (= kontagiösen) Tuberkulose. Durch hämatogene Streuung kann es zu Meningitis (meist bei Säuglingen), Osteomyelitis, Nephritis, und Hauttuberkulose kommen.

Eine weitere, gefürchtete Komplikation ist die Miliartuberkulose, die meist im Frühstadium auftritt und durch Disseminierung der Mykobakterien in zahlreiche Organe zu multiplen Tuberkeln führt. Die Inkubationszeit der Tuberkulose beträgt 2 bis 10 Wochen.

Atypische Mykobakterien führen bei Kindern typischerweise zur Lymphadenitis colli mit sehr hartnäckigem Verlauf. Bei immunsupprimierten Patienten können auch die unteren Atemwege betroffen sein.

20.2. Diagnostische Hinweise

Die Diagnose wird indirekt durch die Tuberkulinprobe und direkt durch kulturellen Erregernachweis bzw. PCR gestellt. Bei der Tuberkulinprobe wird 0,1 ml gereinigtes Tuberkuloprotein PPD RT23 „SSI” (Hersteller: Statens Serum Institut, Kopenhagen) in einer Konzentration von 2 IE intradermal injiziert (= Mendel-Mantoux-Test), was im positiven Fall nach 48–72 h zu einer Induration führt. Goldstandard ist der direkte Erregernachweis (Ziehl-Neelsen-Färbung, Kultur, PCR) aus Sputum bzw. Magensaft am Morgen, der verschlucktes Sputum enthält. Neuere diagnostische Tests zur Messung der zellulären Immunität im Blut (T SPOT-TB®, Quanti FERON-TB Gold®) befinden sich in klinischer Erprobung.

20.3. Management und Therapie

Die Behandlung einer Tuberkulose erfordert die kombinierte Gabe von verschiedenen Tuberkulostatika. Die gebräuchlichsten Medikamente sind in der folgenden Tabelle 18.1-3 aufgeführt.

Tab. 18.1-3.

Charakteristika der Tuberkulostatika.

Medikament Dosierung (mg/kg KG/d) Maximaldosis (mg) Nebenwirkungen
Isoniazid (INH) 5–10 300 Hepatitis, periphere Neuritis
Rifampicin 10–15 600 Hepatitis, Orangefärbung des Urins, Enzyminduktion*
Pyrazinamid 30 1500 Hepatitis, Hyperurikämie+
Ethambutol 25–30 1750 Optikusneuritis
Streptomycin 20 750 Ototoxizität, Nephrotoxizität

+ Behandlung mit Allopurinol (10 mg/kg KG/d).

*

Führt zu verändertem Metabolismus anderer Medikamente (s. Fachinformation).

Anzahl und Auswahl der Tuberkulostatika und die jeweilige Behandlungsdauer sind vom Erkrankungssta- dium abhängig. Es gelten folgende Richtlinien (gemäß DGPI):

  • Prophylaxe nach Tuberkulosekontakt oder Tuberkulinkonversion ohne radiologische Veränderungen: 9 Monate INH bzw. Rifampicin (bei nachgewiesener INH-Resistenz)

  • unkomplizierte Tuberkulose (Tuberkulinkonversion und radiologisch nachweisbarer Primärkomplex): INH + Rifampicin + Pyrazinamid für 2 Monate, dann weitere 4 Monate INH + Rifampicin

  • komplizierte Tuberkulose (Tuberkulinkonversion, radiologisch nachweisbarer Primärkomplex und Einbruch in das Bronchialsystem oder Bronchuskompression): INH + Rifampicin + Pyrazinamid für 2 Monate, dann weitere 7 Monate INH + Rifampicin

  • Miliartuberkulose, tuberkulöse Meningitis, Knochen- oder Gelenktuberkulose: INH + Rifampicin + Pyrazinamid + Streptomycin für 2 Monate, dann weitere 9 Monate INH + Rifampicin.

Der zusätzliche Einsatz von Prednisolon (2 mg/kg KG/d in 2 Dosen) über mindestens 6 Wochen wird bei der Miliartuberkulose und der tuberkulösen Meningitis empfohlen.

Die Kombinationstherapie der klinisch manifesten Tuberkulose ist notwendig, da sich bei Monotherapie rasch Resistenzen bilden können. Bei bereits primär vorliegender Resistenz gegen eines oder mehrere der angeführten Medikamente muss die Initialtherapie mit vier Tuberkulostatika erfolgen. Während der Behandlung ist der Patient in regelmäßigen Abständen (ca. alle 4 Wochen) auf mögliche Nebenwirkungen zu untersuchen.

Die Behandlung der Lymphadenitis colli durch MOTT erfolgt in erster Linie durch chirurgische Resektion. Gelingt dies nicht vollständig, so ist eine Anschlussbehandlung mit Clarithromycin (15–30 mg/kg KG/d in 2 Dosen) oder Azithromycin (10–12 mg/kg KG/d in 1 Dosis) + Rifampicin oder Ethambutol (Dosis s. Tab. 18.1-3) über 6 bis 12 Monate erforderlich. Die Behandlung von Infektionen bei immunsupprimierten Patienten sollte in Absprache mit einem Infektiologen erfolgen.

Die früher als Indikationsimpfung eingesetzte BCG-Impfung wird heute wegen Zweifel an ihrer Sicherheit und Wirksamkeit nicht mehr empfohlen.

Erkrankung und Tod an Tuberkulose sowie der Erregernachweis von Mycobacterium tuberculosis sind namentlich meldepflichtig. Patienten mit offener Lungentuberkulose müssen streng isoliert werden, solche mit nichtoffener sowie MOTT-Infektionen nicht.

21. Mykoplasmen-Infektionen

21.1. Klinischer Kontext

Mykoplasmen sind kleine, zellwandlose, pleomorphe Bakterien. Wichtigste humanpathogene Vertreter sind M. pneumoniae und M. hominis, während zahlreiche weitere Mykoplasmen Bestandteil der normalen Flora des Menschen sind und nur selten Infektionen verursachen.

Die Inkubationszeit beträgt 1 bis 4 Wochen, die Übertragung von Mykoplasmen erfolgt durch Tröpfchen oder Kontaktinfektion von Mensch zu Mensch. Mykoplasmeninfektionen sind weltweit verbreitet. Da die Infektion keine dauerhafte Immunität hinterlässt, können Personen jeden Alters erkranken. Eine relative Häufung findet sich bei Schulkindern, Adoleszenten und jungen Erwachsenen, bei denen etwa ein Drittel aller Pneumonien durch Mykoplasmen verursacht werden. Kleinraumepidemien sind beschrieben.

Die Übertragung von Ureaplasma urealyticum, ebenfalls zellwandlose Bakterien aus dem Genus der Mykoplasmataceae, erfolgt bei Besiedelung des mütterlichen Genitaltrakts perinatal auf das Kind.

Infektionen durch Mycoplasma pneumoniae führen vorwiegend zu Erkrankungen der oberen und insbesondere der unteren Atemwege (Bronchitis, Pneumonie) mit unspezifischen Symptomen wie Fieber, Husten, Hals- und Kopfschmerzen sowie reduziertem Allgemeinbefinden. Die Tachypnoe weist auf eine Pneumonie hin. Ferner können Mykoplasmen Manifestationen am Nervensystem wie z. B. Meningitis, Enzephalitis, transverse Myelitis, Hirnnervenparesen, und Guillain-Barré-Syndrom hervorrufen. Vermutlich werden diese eher durch Autoimmunphänomene als durch die Erreger selbst bedingt.

Als seltene Manifestationen sind hämolytische Anämie, Arthritis, Myokarditis, Pankreatitis u. a. beschrieben. Begleitend kann ein makulopapulöses, konfluierendes, stammbetontes Exanthem erscheinen, das gelegentlich in eine bullöse Dermatitis oder sogar in ein Stevens-Johnson-Syndrom übergehen kann. Immunsupprimierte Patienten erkranken besonders schwer. M. hominis führt bei Erwachsenen (vorwiegend Frauen) zu Entzündungen im Urogenitaltrakt (Pyelonephritis, Salpingitis, Chorioamnionitis, Vaginose u. a.) und wird als Erreger der postpartalen Endometritis und des postpartalen Fiebers diskutiert. Die Übertragung auf das Neugeborene während der Geburt kann zu Meningitis oder Abszessen führen.

Ureaplasma-urealyticum-Infektionen führen gelegentlich zu neonatalen Pneumonien.

21.2. Diagnostische Hinweise

Infektionen durch M. pneumoniae werden in erster Linie serologisch durch Antikörpernachweis mittels ELISA und Immunoblot gesichert. IgM-Antikörper oder signifikante IgG-Antikörperanstiege weisen auf akute Infektionen hin.

Der direkte Nachweis von M. pneumoniae durch Kultur, PCR oder Immunfluoreszenz aus Nasopharyngealsekret ist dagegen wenig sensitiv und nicht allgemein verfügbar. Der Nachweis erregerspezifischer Nukleinsäuren (PCR) kann bei neurologischen Manifestationen aus Liquorproben versucht werden.

Ureaplasma urealyticum wird kulturell oder mittels PCR nachgewiesen.

21.3. Management und Therapie

Auch wenn Mykoplasmen-Infektionen oft ohne spezifische Behandlung abklingen, wird die Gabe von Antibiotika empfohlen, um die Dauer der Erkrankung zu verkürzen bzw. Komplikationen zu vermeiden. Im Allgemeinen genügt die orale Verabreichung, wobei Makrolide wie z. B. Erythromycin (40–50 mg/kg KG/d in 2–3 ED) oder Clarithromycin (15 mg/kg KG/d in 2 ED) bevorzugt werden. Ab dem Alter von 9 Jahren darf alternativ Doxycyclin verabreicht werden (4 mg/kg KG/d in 1 ED am 1. Behandlungstag, danach 2 mg/kg KG alle 24 h). Die Behandlungsdauer beträgt bei Atemwegsinfektionen in Abhängigkeit von der Befundbesserung 10 bis 14 Tage.

Inline graphic IgM-Antikörper können auch bei erfolgreicher Behandlung monatelang im Serum persistieren und eignen sich deshalb nicht für die Verlaufsbeurteilung!

Die Notwendigkeit der antibiotischen Behandlung bei neurologischen Manifestationen ist nicht erwiesen, wird jedoch aus Sicherheitsgründen empfohlen. Dabei sind Antibiotika mit ausreichend hohen Konzentrationen im Liquor wie z. B. Doxycyclin und Chloramphenicol zu verwenden. Dauer (14 Tage oder länger) und Applikationsart (p. o. oder i. v.) sollten in Abhängigkeit von der Schwere der Erkrankung festgelegt. Unter der Annahme einer postinfektiösen Pathogenese können zusätzlich oder alternativ Kortikosteroide, in ausgewählten Fällen (z. B. Guillain-Barré-Syndrom) auch Plasmapherese oder Immunglobuline eingesetzt werden.

M.-hominis-Infektionen können p. o. mit Clindamycin (20–40 mg/kg KG/d p. o. oder i. v. in 3 Dosen) oder Doxycyclin behandelt werden, Ureaplasma-urealyticum-Infektionen mit Erythromycin (40 mg/kg KG/d p. o. oder i. v. in 3–4 Dosen).

Infektionen mit Mykoplasmen oder Ureaplasma sind nicht meldepflichtig. Die Patienten müssen nicht isoliert werden.

22. Neisserien-Infektionen

22.1. Meningokokken-Infektionen
22.1.1. Klinischer Kontext

Auslöser ist Neisseria meningitidis, gramnegative Diplokokken. Sie besitzen eine Polysaccharidkapsel, deren unterschiedliche antigene Eigenschaften eine Unterteilung in verschiedene Serogruppen und -typen erlauben. Innerhalb einer Serogruppe besteht eine gewisse Kreuzimmunität, wohingegen zwischen den verschiedenen Serogruppen keine enge antigene Verwandtschaft besteht.

Die Verteilung der Serogruppen zeigt eine regionale und longitudinale Variabilität. In Europa treten endemisch fast ausschließlich Infektionen der Gruppe B (ca. 70%) und C (ca. 30%) auf, wohingegen Serogruppen A, Y und W135 im Ausland (v. a. in Afrika) erworben werden.

Die Inkubationszeit beträgt 1 bis 4 (−10) Tage, die Übertragung erfolgt durch Tröpfchen von Mensch zu Mensch. Etwa 10% der Bevölkerung sind asymptomatische Träger von Meningokokken im Nasopharynx.

Die jährliche Inzidenz invasiver Infektionen beträgt in Deutschland ca 1:100 000 Einwohner, wobei Säuglinge, Kleinkinder und Jugendliche überproportional häufiger erkranken (Inzidenz bis zu 15). Personen mit terminalen Komplement- oder Properdindefekten, Asplenie bzw. nach Splenektomie, kürzlich vorausgegangenen Virusinfektionen weisen ein erhöhtes Erkrankungsrisiko auf.

Infektionen durch Meningokokken führen in erster Linie zu Bakteriämie, Sepsis und eitriger Meningitis. Darüber hinaus sind septische Arthritis und, jedoch selten im Kindesalter, Pneumonien beschrieben. Eine Bakteriämie kann spontan abklingen oder aber zu einem fulminanten septischen Krankheitsbild, dem Waterhouse-Friderichsen-Syndrom, führen. Die eitrige Meningitis manifestiert sich hochakut mit Fieber, Nackensteifigkeit und schwerem Krankheitsgefühl. Die Sepsis äußert sich durch Hypotonie, Tachykardie und Petechien bis hin zur Purpura fulminans. Mischformen von Meningitis und Sepsis sind häufig.

Gefürchtete Komplikationen einer invasiven Meningokokkeninfektion sind das Multiorganversagen (disseminierte intravasale Gerinnung, Herzinsuffizienz, Schock, Einblutungen in die Nebennierenrinden, Niereninsuffizienz) sowie Haut- und Gewebsnekrosen zumeist an den Extremitäten, die zur Amputation führen können. Mögliche Spätfolgen sind Hydrozephalus und Entwicklungsretardierung.

Ferner sind in Ausnahmefällen lokal begrenzte Infektionen der oberen Atemwege und des Urogenitaltrakts mit den entsprechenden Krankheitszeichen möglich.

22.1.2. Diagnostische Hinweise

Invasive Infektionen führen zu einer meist ausgeprägten Leukozytose mit Linksverschiebung, CRP-Anstieg, manchmal auch einer Thrombozytopenie und Anämie sowie Gerinnungsstörungen. Die Lumbalpunktion ergibt bei Meningitis eine Pleozytose (vorwiegend durch neutrophile Granulozyten), erniedrigte Glukose und Eiweißerhöhung. Bei hyperakutem Verlauf kann eine Liquorpleozytose initial noch fehlen. Durch Blut- und Liquorkultur kann der Erreger angezüchtet und anschließend typisiert werden. Alternativ stehen Antigenschnelltests und PCR zur Verfügung.

22.1.3. Management und Therapie

Die initiale Behandlung sollte mit Cefotaxim (200 mg/kg KG/d in 3 Dosen bis max. 3 × 2 g) oder Ceftriaxon (100 mg/kg KG/d als ED bis max. 4 g) erfolgen, auch bei Personen mit Penicillinallergie. Bei nachgewiesener Sensibilität der Erreger kann alternativ Penicillin G (500 000 IE/kg KG/d i. v. in 4–6 Dosen bis max. 30 Mio. IE/d) verwendet werden. Die Behandlungsdauer für unkomplizierte Verläufe bei Meningitis beträgt 4 Tage, bei Komplikationen sowie septischen Krankheitsbildern dagegen 10 bis 14 Tage.

Ferner ist bei Meningitis die Gabe von Dexamethason (0,8 mg/kg KG/d in 2 Dosen für 2 Tage) sinnvoll, wobei die erste Dosis vor der ersten Antibiotikagabe erfolgen soll.

Bei der Behandlung einer dissiminierten intravasalen Gerinnungsstörung bei Sepsis kommen „Fresh Frozen Plasma”, Heparin, Prostazykline, AT III und rekombinanter Gewebeplasminogen-Aktivator und ggf. Protein-C zum Einsatz.

22.1.4. Prophylaxe

Für enge Kontaktpersonen eines Patienten mit invasiver Meningokokkeninfektion besteht ein stark erhöhtes Erkrankungsrisiko, was eine medikamentöse Prophylaxe rechtfertigt. Gemäß STIKO sind dies, sofern mit dem Primärerkrankten binnen 10 Tagen vor dessen Krankheitsbeginn Kontakt bestand:

  • alle Haushaltsmitglieder

  • Personen, bei denen der begründete Verdacht besteht, dass sie mit oropharyngealen Sekreten des Patienten in Berührung gekommen sind, z. B. Intimpartner, enge Freunde, evtl. Banknachbarn in der Schule und medizinisches Personal (z. B. bei Mundzu-Mund-Beatmung, Intubation und Absaugen des Patienten ohne Mundschutz)

  • Kontaktpersonen in Kindereinrichtungen mit Kindern unter 6 Jahren - bei guter Gruppentrennung nur die betroffene Gruppe

  • enge Kontaktpersonen in sonstigen Gemeinschaftseinrichtungen, z. B. Internaten, Kasernen.

Behandlung der Wahl ist Rifampicin in 4 Dosen zu je 10 mg/kg KG (max. 600 mg) p. o. im Abstand von jeweils 12 Stunden. Bei Säuglingen im 1. Lebensmonat (Empfehlung der DGPI) bzw. bis zum Alter von 3 Monaten (Empfehlung des RKI) beträgt die Einzeldosis 5 mg/kg KG.

Inline graphic Rifampicin führt zu einer Rosafärbung von Urin und anderen Körperflüssigkeiten. Bei schwangeren Frauen ist Rifampicin kontraindiziert.

Als Alternative (zweifelhafte Compliance, Kontaktlinsenträger, Schwangere) kann Ceftriaxon als Einzeldosis zu 125 mg (bis zum Alter von 12 Jahren) bzw. 250 mg (ab dem 12. Geburtstag) i. m. oder i. v. appliziert werden. Bei Erwachsenen kann Ciprofloxacin als Einmalgabe zu 500 mg p. o. verwendet werden.

Wenn der Indexfall mit Penicillin behandelt wurde, sollte er vor Entlassung aus der Klinik ebenfalls eine Chemoprophylaxe erhalten, da Penicillin Meningokokken nicht aus dem Nasopharynx eliminiert.

Zur Primärprophylaxe invasiver Meningokokken-Infektionen stehen Polysaccharid- (Serogruppen A, C, W135 und Y) und Konjugatimpfstoffe (Serogruppe C) zur Verfügung. Die Polysaccharidimpfstofe sind ab dem Alter von 2 Jahren (Einzelimpfung) zugelassen, die Konjugatimpfstoffe dagegen bereits ab dem Alter von 2 Monaten. Das Impfschema bei Säuglingen besteht aus 3 Dosen im Abstand von jeweils mindestens 1 Monat, während bei Kindern älter als 1 Jahr, Jugendlichen und Erwachsenen eine Einzelimpfdosis ausreicht. Die genaue Dauer des Impfschutzes ist bislang nicht bekannt.

Seit Juli 2006 wird die Meningokokken-GR.C-Konjugationsimpfung ab dem 1. Geburtstag allgemein empfohlen (Standardimpfung).

Die Meningokokkenimpfung wird von der STIKO als Indikationsimpfung ferner für folgende Personenkreise empfohlen:

  • gesundheitlich Gefährdete: Personen mit Immundefekt, insbesondere Komplement-/Properdindefekte, Hypogammalobulinämie, Asplenie. Bei Kindern bis zum Alter von 2 Jahren Gabe eines MenC-Konjugatimpfstoffes (3 Dosen) und nach vollendetem 2. Lebensjahr im Abstand von 6 bis 12 Monaten zur letzten Konjugatimpfung Ergänzung durch 4-valenten PS-Impfstoff (1 Dosis). Dadurch wird der Schutz auf Infektionen durch die Gruppen A, W135 und Y erweitert.
    • Kinder ab dem 2. Geburtstag, Jugendliche und Erwachsene erhalten ebenso MenC-Konjugatimpfstoff (1 Dosis), gefolgt von einer Impfung mit 4-valentem PS-Impfstoff nach 6 bis 12 Monaten (1 Dosis).
  • Reisende in epidemische/hyperendemische Länder, besonders bei engem Kontakt zur einheimischen Bevölkerung; Entwicklungshelfer (WHO-Hinweise beachten!)

  • vor Pilgerreisen (Hadj)

  • Schüler/Studenten vor Langzeit-Aufenthalten in Ländern mit empfohlener allgemeiner Impfung für Jugendliche oder selektiver Impfung für Schüler/Studenten

  • gefährdetes Laborpersonal (bei Arbeiten mit N.-meningitidis-Aerosol!).

Krankheitsverdacht, Erkrankung und Tod sowie der Erregernachweis sind meldepflichtig.

Die Patienten sind bis 24 h nach Beginn der antibiotischen Therapie (mit Cephalosporin) zu isolieren.

22.2. Gonokokken-Infektionen
22.2.1. Klinischer Kontext

Die Gonorrhö ist eine häufige Geschlechtskrankheit mit Erkrankungsgipfel im jungen Erwachsenenalter. Erreger sind Neisseriae gonorrhoeae, gramnegative Diplokokken (= Gonokokken), die perinatal bei mütterlicher Infektion im Genitaltrakt auf das Kind bzw. später durch sexuellen Kontakt von Mensch zu Mensch übertragen werden. Die Inkubationszeit beträgt 2 bis 5 Tage.

Im Neugeborenenalter führt die Infektion zur Gonoblennorrhö: Wenige Tage nach Geburt zeigt sich eine meist beidseitige, eitrige Konjunktivitis und Lidschwellung. Es drohen Ulzerationen der Hornhaut und nachfolgend Erblindung. In seltenen Fällen können Hautabszesse, Bakteriämie oder Sepsis und Meningitis auftreten.

Mit Aufnahme sexueller Aktivitäten treten Gonokokkeninfektionen des Genitaltraktes in den Vordergrund: bei Mädchen die Vaginitis, mit eitrig-schleimigem Ausfluss. Als Komplikationen drohen Endometritis, Salpingitis, Adnexitis, Peritonitis sowie Bakteriämie. Die gonorrhoische Urethritis bleibt bei Mädchen klinisch oft stumm.

Bei Jungen äußert sich die Infektion mit Ausfluss aus der Urethra („Tripper”), dem Anus sowie ggf. durch Läsionen in der Mundhöhle.

Inline graphic Bei Infektionen vor der Pubertät besteht dringender Verdacht auf sexuellen Missbrauch!

22.2.2. Diagnostische Hinweise

Die Diagnose wird durch den kulturellen Erregernachweis mittels Abstrich von verdächtigen Läsionen gestellt. Wegen zunehmender Resistenzbildung muss eine Resistenztestung erfolgen. Die PCR ist zwar sehr sensitiv, erlaubt aber keine Resistenzprüfung. Serologische Untersuchungen sind unzuverlässig.

22.2.3. Management und Therapie

Wegen zunehmender Penicillinresistenz wird heute bevorzugt mit Cephalosporinen der Gruppen 2 und 3 behandelt. Die Gonoblennorrhö des Neugeborenen wird mit Ceftriaxon (50 mg/kg KG/d i. v. in einer Dosis pro Tag) oder Cefotaxim (100 mg/kg KG/d i. v. in 2–3 ED) über 7 Tage behandelt, bei disseminierten Infektionen bis zu 14 Tage.

Inline graphic Bei Infektion eines Neugeborenen sollte auch dessen Mutter und deren Partner untersucht und ggf. behandelt werden!

Jenseits des Neugeborenenalters erfolgt die Behandlung der lokal begrenzten Gonorrhö durch einmalige Gabe von Ceftriaxon (bis 45 kg: 125 mg, ab 46 kg: 250 mg i. m. oder i. v.). Bei aufsteigender Infektion bzw. Disseminierung ist Ceftriaxon (50 mg/kg KG/d in einer Dosis bis max. 2 g) oder Cefotaxim (100 mg/kg KG/d i. v. in 2–3 Dosen bis max. 6 g) über 7 bis 14 Tage indiziert.

Hygienische Vorkehrungen und Gebrauch von Kondomen können Infektionen vermeiden. Zur Infektionsprophylaxe beim Neugeborenen stehen Erythromycin-bzw. Tetrazyklinlösungen (0,5–1%) zur Verfügung. Eine Meldung von Gonokokkeninfektionen ist nach dem Infektionsschutzgesetz nicht mehr erforderlich.

23. Pasteurella-Infektionen

23.1. Klinischer Kontext

Pasteurella multocida, ein gramnegatives kokkoides Stäbchen, ist bei Haustieren (Hunde, Katzen) weit verbreitet. Die Übertragung erfolgt überwiegend durch Biss- und Kratzwunden, selten per os oder per inhalationem. Infektionen betreffen v. a. Kinder und ältere Menschen. Die Inkubationszeit beträgt ca. 6–72 h.

Man unterscheidet drei Infektionswege, die zu unterschiedlichen klinischen Manifestationsformen führen:

  • Nach Biss- oder Kratzwunden kommt es in ca. 10 bis 20% zu einer schmerzhaften, z. T. phlegmonösen Wundinfektion. Die Infektion kann sich lokal weiter ausbreiten und so zu weiteren Komplikationen führen (Tendovaginitis, Osteomyelitis, Arthritis).

  • Eine Besiedelung und Infektion der oberen und unteren Luftwege nach engem Kontakt mit Haustieren kann u. a. zu Bronchitis, Pneumonie, Sinusitis und sekundär zu einer septischen Streuung führen.

  • Infektionen des Bauchraums (Peritonitis, Leberabszess) gehen wahrscheinlich vom Darmtrakt aus.

23.2. Diagnostische Hinweise

Bei jeder Infektion nach Biss- oder Kratzverletzung durch Katzen oder Hunde muss an eine Infektion durch Pasteurella multocida gedacht werden.

Der Nachweis von P. multocida in Untersuchungsmaterial (Wundsekret, Eiter, Blut, Liquor, Sputum) sichert die Diagnose.

23.3. Management und Therapie

Bei allen Biss- und Kratzverletzungen muss eine adäquate chirurgische Wundversorgung erfolgen.

Inline graphic Bei der Wahl des Antibiotikums zur Behandlung von Wundinfektionen ist zu berücksichtigen, dass meist mit einer Mischinfektion unter Beteiligung von Anaerobiern zu rechnen ist.

  • Antibiotika der 1. Wahl zur Behandlung von lokalen Infektionen sind nach DGPI-Empfehlung Amoxicillin + Clavulansäure oder Ampicillin + Sulbactam (Therapiedauer 8–10 Tage). Alternativen sind Staphylokokken-wirksame Oral-Cephalosporine (z. B. Cefuroximaxetil) + Metronidazol (Anaerobier!).

  • Bei schweren systemischen Infektionen wie Meningitis oder Sepsis ist eine Therapie mit Cephalosporinen der Gruppe 3 (Cefotaxim: 200 mg/kg KG/d i. v.; Ceftriaxon: 100 mg/kg KG/d i. v.) über 10 bis 14 Tage gut wirksam.

Bei Biss- oder Kratzwunden ist ggf. die prophylaktische Gabe von Amoxicillin + Clavulansäure (60–100 mg/kg KG/d i. v. oder 40–75 mg/kg KG/d p. o.) oder Ampicillin + Sulbactam (100–150 mg/kg KG/d i. v.) für 1 bis 2 Tage sinnvoll. Dies muss im Einzelfall anhand des geschätzten „Infektionsrisikos” entschieden werden.

24. Pneumokokkeninfektionen

24.1. Klinischer Kontext

Streptococcus pneumoniae ist ein grampositives, bekapseltes Bakterium, das auf der Basis antigener Unterschiede der Polysaccharidkapsel in ca. 90 Serotypen eingeteilt werden kann. Die meisten Infektionen werden von den 10 häufigsten Serotypen verursacht.

Pneumokokken besiedeln den Nasopharynx und führen von dort aus zu Infektionen der oberen und unteren Atemwege bzw. durch hämatogene Aussaat. Gewisse Risikofaktoren wie z. B. Adenoidhyperplasie, häufiger Kontakt zu anderen Kindern, Störungen der mukoziliären Clearance, Immundefekte (v. a. humoral), Asplenie und nephrotisches Syndrom prädisponieren für Pneumokokkeninfektionen. Invasive Pneumokokken-Infektionen treten am häufigsten in den ersten 2 Lebensjahren auf (Inzidenz ca. 20:100 000/Jahr), wovon in Deutschland ca. 40% Meningitiden sind.

Infektionen mit Streptococcus pneumoniae („Pneumokokken”) führen zu lokalen und systemischen Krankheitsbildern wie Bakteriämie und Sepsis, Pneumonie, eitrige Meningitis, Otitis media und Sinusitis. Ferner sind Endokarditis, Arthritis und Peritonitis durch Pneumokokken beschrieben.

Pneumokokken sind neben Mykoplasmen die häufigsten Erreger ambulant erworbener bakterieller Pneumonien. Sie beginnen meist akut mit Fieber, Husten und Tachydyspnoe.

Die Letalität der invasiven Pneumokokken-Erkrankungen beträgt im Kindesalter ca 5% (Pneumonie, Sepsis) bis 8% (Meningitis). Residualschäden sind nach der Pneumokokken-Meningitis in 20% der Fälle zu erwarten.

24.2. Diagnostische Hinweise

Im Labor zeigen sich meist eine Leukozytose mit Linksverschiebung sowie eine Erhöhung des CRP. Der direkte Erregernachweis kann durch kulturelle Anzucht aus Nasopharynxsekret, Mittelohrflüssigkeit, Sputum (im Kindesalter schwierig zu gewinnen), Pleurapunktat, Blut sowie Liquor cerebrospinalis erfolgen. Bei invasiven Pneumokokkeninfektionen sowie im Rahmen der begleitenden Bakteriämie (ca. 5%) bei Pneumonien findet man eine positive Blutkultur. Der Nachweis von Pneumokokkenantigenen in Serum, Liquor und Urin durch Latexagglutinationstests erlaubt eine Schnelldiagnostik.

Bei Verdacht auf Pneumonien sollte ein Thorax-Röntgenbild angefertigt werden. Hier findet man meistens eine Lobärpneumonie, bei jüngeren Kindern oft eine Bronchopneumonie.

24.3. Management und Therapie

Nach wie vor ist Penicillin G (100 000 IE/kg KG/d in 3–6 Dosen je nach Krankheitsbild i. v. oder p. o. über 14 Tage) das Antibiotikum der ersten Wahl. Alternativ können Cephalosporine verwendet werden, wohingegen Makrolide wegen der zunehmenden Resistenzentwicklung nur in begründeten Ausnahmefällen eingesetzt werden.

In Regionen mit bekanntermaßen hoher Penicillinresistenz sollten invasive Infektionen in erster Linie mit Ceftriaxon (80–100 mg/kg KG alle 24 h, max. 2–4 g, über 14 Tage) oder Cefotaxim (100–200 mg/kg KG in 3 Dosen, max. 6 g, über 14 Tage) behandelt werden, bei Meningitis sollte ferner bis zum definitiven Nachweis der Antibiotikaempfindlichkeit ein Glykopeptidantibiotikum (Vancomycin oder Teicoplanin) ergänzt werden.

Die antibiotische Therapie führt binnen weniger Tage zu einer deutlichen Besserung des Allgemeinbefindens und Entfieberung. Anderenfalls sollte das Vorliegen einer Komplikation (z. B. Pleuraempyem, Perikarditis, Lungenabszess) bedacht werden.

24.4. Prophylaxe

Für Kontaktpersonen eines Patienten mit invasiver Pneumokokken-Infektion besteht kein erhöhtes Erkrankungsrisiko, eine medikamentöse Prophylaxe ist daher nicht indiziert.

Zur Primärprophylaxe invasiver Pneumokokken-Infektionen stehen 23-valente Polysaccharid- und ein 7-valenter Konjugatimpfstoff (Prevenar®) zur Verfügung. Die Polysaccharidimpfstoffe sind ab dem Alter von 2 Jahren (als Einzelimpfung) zugelassen, der Konjugat-impfstoff ab dem Alter von 2 Monaten bis zum 2. Geburtstag. Das Impfschema umfasst bei Säuglingen bis zum Alter von 6 Monaten 3 Dosen (ab 7 Monaten: 2 Dosen) im Abstand von jeweils mindestens 1 Monat und eine 4. Dosis 6 Monate später. Bei Kindern im 2. Lebensjahr genügen 2 Dosen. Die genaue Dauer des Impfschutzes ist bislang nicht bekannt.

Bei fortbestehender Indikation sollte ab dem Alter von 2 Jahren auch eine Dosis mit Polysaccharidimpfstoff folgen.

Die Pneumokokkenimpfung (7-valenter Konjugat-impfstoff) wird von der STIKO seit Juli 2006 als Standardimpfung für Kinder bis zum Alter von 2 Jahren empfohlen.

Pneumokokken-Infektionen sind nicht meldepflichtig. Die Patienten gelten nicht als infektiös und müssen deshalb nicht isoliert werden.

25. Pseudomonas-Infektionen

25.1. Klinischer Kontext

Pseudomonaden sind gramnegative, bewegliche, fakultativ pathogene Bakterien. Der bekannteste Vertreter ist P. aeruginosa. Ferner gehören Burkholderia cepacia und Stenotrophomonas maltophilia zu den wichtigsten humanpathogenen Vertretern der Gattung Pseudomonas. Man findet sie vorwiegend im feuchten Erdreich und Wasser, in Kliniken oftmals auch im Waschbecken und u. U. auch in „feuchten Kammern” medizinischer Geräte, was zu nosokomialen Infektionen führen kann. Viele Menschen sind intestinal mit Pseudomonaden besiedelt, was bei Immundefizienz zu endogenen Infektionen führen kann.

Infektionen mit Bakterien aus der Gattung Pseudomonas betreffen in erster Linie Patienten mit Störungen des Immunsystems. Sie manifestieren sich als Pneumonie (im Allgemeinen nosokomial erworben), Harnwegsinfektionen, Sepsis sowie Infektionen der Haut (z. B. nach Verbrennung). Besonders gefährdet sind Patienten mit intensivmedizinischer Behandlung (z. B. Beatmung), Neutropenie, AIDS und andere immunkompromittierende Zustände sowie Frühgeborene. Patienten mit zystischer Fibrose (Mukoviszidose) sind aufgrund der pulmonalen Schleimansammlung häufig mit Pseudomonaden besiedelt und erleiden von Zeit zu Zeit akute bis schleichende Verschlechterungen durch infektionsbedingte, zunehmende Schleimsekretion und Obstruktion („pulmonale Exazerbation”).

Bei primär Gesunden können Pseudomonaden Infektionen des äußeren Gehörgangs (Otitis externa) hervorrufen, insbesondere im Sommer nach häufigem Baden.

25.2. Diagnostische Hinweise

Die Diagnose erfolgt durch kuturellen Erregernachweis aus verdächtigem Material (Sputum, Blut, Urin etc.), wobei immer auch eine Resistenzbestimmung erfolgen muss, da verschiedene Stämme sehr unterschiedliche Antibiotikaempfindlichkeit aufweisen können. Für besondere Fragestellungen bzw. Verlaufskontrollen z. B. bei zystischer Fibrose stehen serologische Tests zur Verfügung.

25.3. Management und Therapie

Bei nachgewiesener Empfindlichkeit eignen sich zur Behandlung von P.-aeruginosa-Infektionen:

  • Ceftazidim (100–150 mg/kg KG/d in 2–3 Dosen i. v., max. 6 g/d)

  • Piperacillin (200 mg/kg KG/d in 3 Dosen i. v., max. 8–12 g/d)

  • Cefepim (100–150 mg/kg KG/d in 2–3 Dosen i. v., max. 6 g/d)

  • Meropenem (60–80 mg/kg KG/d in 3 Dosen i. v., max. 6 g/d) oder

  • Imipenem (60 mg/kg KG/d in 3–4 Dosen i. v., max. 4 g/d).

Zusätzlich sollte zur Vermeidung einer raschen Resistenzentwicklung ein Aminoglykosid verabreicht werden, wobei Tobramycin (5–8 mg/kg KG/d in 1–3 Dosen i. v., max. 400 mg/d) und Amikacin (10–20 mg/kg KG in 1–3 Dosen i. v., max. 1,5 g/d) die höchste Wirksamkeit aufweisen.

Inline graphic Die Therapie mit Aminoglykosiden erfordert die Bestimmung von Tal- und Spitzenspiegeln zur Sicherstellung des therapeutischen Erfolgs und Vermeidung von nephro- und ototoxischen Nebenwirkungen!

Antibiotika werden bei Patienten mit zystischer Fibrose im Allgemeinen um 20 bis 30% höher dosiert als bei Nicht-CF-Patienten. Zur Eradikation bei erster Pseudomonas-Infektion oder Keimsuppression bei chronischer Pseudomonas-Infektion ist eine Inhalationstherapie mit Tobramycin (2 × 80 bis 2 × 300 mg/d) über 4 Wochen oder länger wirksam.

Alternativ kann mit Ciprofloxacin (i. v., ggf. auch p. o!) behandelt werden, wobei dieses im Kindesalter nur bei fehlenden Alternativen eingesetzt werden darf. Die Behandlungsdauer hängt von der Schwere der Infektion und dem Ausmaß der Immundefizienz des Patienten ab und beträgt selten weniger als 14 Tage.

Die Otitis externa wird lokal mit antibiotischen Ohrentropfen (z. B. Ciprofloxacin) behandelt.

Infektionen mit B. cepacia werden vorzugsweise mit Meropenem, Ceftazidim, Co-trimoxazol oder Piperacillin (ggf. auch Ciprofloxacin) behandelt, solche durch S. maltophilia je nach Resistenzverhalten mit Co-trimoxazol, Doxycyclin, Ciprofloxacin (oder andere Chinolone), Chloramphenicol oder Polymyxin.

Infektionen mit Pseudomonaden sind gemäß Infektionsschutzgesetz (IFSG) nicht meldepflichtig.

Patienten mit zystischer Fibrose, die mit B. cepacia besiedelt sind, müssen isoliert werden. Patienten mit P.-aeruginosa-Besiedelung mit ähnlichem Resistenzmuster können kohortiert betreut werden, müssen aber von solchen ohne Besiedelung bzw. mit unterschiedlichem Resistenzmuster isoliert werden. Im Bereich der Intensivmedizin und anderer Abteilungen mit gefährdeten Patienten sind strenge Hygienemaßnahmen zur Verhinderung nosokomialer Infektionen erforderlich.

Ein Impfstoff gegen P.-aeruginosa-Infektionen befindet sich in klinischer Erprobung.

26. Salmonellen- und Shigellen-Infektionen

26.1. Klinischer Kontext
26.1.1. Salmonellen

Salmonellen sind gramnegative, bewegliche Bakterien. Durch verschiedene Oberflächeneigenschaften (O- und H-Antigene) lassen sie sich in zahlreiche Serovare einteilen. Die Terminologie unterscheidet ferner Spezies und Subspezies (z. B. Salmonella enterica, subsp. enterica, ser. Typhimurium (Kurzform: Salmonella typhimurium) sowie Serogruppen (z. B. „Salmonellen der Serogruppe B”).

Das Hauptreservoir von Salmonellen sind insbesondere Hühner und deren Eier sowie Rinder und Schweine. Dementsprechend werden einheimische Salmonellen vorwiegend durch unzureichend gegarte bzw. gekochte Nahrungsmittel übertragen. Typhus-Salmonellen - die wesentlich kontagiöser sind - können auch leicht direkt fäkal-oral von Mensch zu Mensch übertragen werden. Salmonelleninfektionen treten besonders häufig in der warmen Jahreszeit auf und infizieren vorwiegend Kleininder und ältere Menschen.

Einheimische Salmonellen führen nach einer Inkubationszeit von meist weniger als 24 Stunden zu einer akuten Enteritis oder Enterokolitis, gelegentlich auch zu Bakteriämien mit möglichen sekundären Organabsiedlungen. Ferner sind asymptomatische Infektionen aber auch das Krankheitsbild des Typhus bzw. Paratyphus bekannt.

Die Enteritis beginnt mit akuten Bauchschmerzen, Durchfall, Erbrechen, Bauchkrämpfen und geringgradigem Fieber. Die Stühle sind häufig blutig tingiert. Nach etwa 1 Woche klingt die Krankheit meist folgenlos ab. Etwa 2 Wochen nach Durchfallbeginn kann sich bei genetisch prädisponierten Personen eine reaktive, nichteitrige Arthritis manifestieren.

Säuglinge und immunkompromittierte Patienten erkranken häufiger an Salmonellen-Bakteriämien, die durch anhaltendes Fieber, Schüttelfrost und Schweißausbrüche und weitere Begleitsymptome gekennzeichnet sind. Nachfolgend können sich zahlreiche Komplikationen wie Osteomyelitiden (v. a. Metaphysen der langen Knochen und Wirbelkörper) und septischen Arthritiden, Meningitiden, und Pneumonien entwickeln.

Typhus-Salmonellen verursachen ein schweres Krankheitsbild, den „Typhus abdominalis”, der mit septisch-meningitischen Symptomen einhergeht und lebensbedrohlich ist. Nach einer Inkubationszeit von 8 bis 20 Tagen beginnt die Erkrankung plötzlich mit Übelkeit, Bauch- und Kopfschmerzen und ansteigendem Fieber. Meist besteht gleichzeitig zunächst eine Obstipation. Das Fieber persisitiert für 1 Woche („Continua”) ohne begleitende Tachykardie („relative Bradykardie”), gefolgt von den charakteristischen Roseolen an Thoraxvorderwand und Abdomen sowie erbsbreiartigen Durchfällen. Meningitis und Darmperforation sind die gefürchtetsten Komplikationen.

Einheimische Salmonellen werden meist nur für kurze Zeit, bei Säuglingen und Kleinkindern manchmal für einige Monate symptomlos ausgeschieden. Im Gegen- satz dazu werden Typhus-Salmonellen von einem Teil der einstmals Infizierten prolongiert ausgeschieden („Dauerausscheider”).

26.1.2. Shigellen

Shigellen sind gramnegative, unbewegliche Bakterien. Man unterscheidet S. sonnei und S. flexneri (in Mitteleuropa vorkommend) von S. dysenteriae (in tropischen Regionen vorkommend). Die Übertragung erfolgt fäkal-oral von Mensch zu Mensch, wobei die meisten Infektionen im Ausland erworben werden.

Shigellen führen zu akuten, schleimig-blutigen Durchfällen. Schwere Komplikationen sind toxisches Megakolon bis hin zur Darmperforation sowie die Ausbildung eines hämolytisch-urämischen Syndroms.

26.2. Diagnostische Hinweise

Die Diagnose von Salmonellen- und Shigellen-Infektionen erfolgt meist durch Erregeranzucht und nachfolgende Resistenzbestimmung aus Stuhl- und/oder Blut. Serologische Methoden haben demgegenüber eine vergleichsweise geringe Bedeutung. Ferner können Salmonella-Antigene durch molekularbiologische Methoden (z. B. PCR) nachgewiesen werden. Die Entzündungszeichen im Blut sind unspezifisch, oft besteht eine Linksverschiebung ohne Leukozytose.

26.3. Management und Therapie

Die Therapie von Enteritiden umfasst in erster Linie den ausreichenden Flüssigkeits- und Elektrolytersatz. Antibiotika sind nur bei komplizierten Infektionen durch einheimische Salmonellen sowie im Säuglingsalter (wegen der Gefahr der Invasivität) gerechtfertigt. Antibiotika können die Dauer der Ausscheidung von Salmonellen verlängern. Bei nachgewiesener Empfindlichkeit sind Ampicillin bzw. Amoxicillin oder Co-trimoxazol Mittel der Wahl und sollten vorwiegend i. v. appliziert werden. Anderenfalls sind Cefotaxim oder Ceftriaxon vorzuziehen, die im Allgemeinen Wirksamkeit aufweisen.

Typhus und Paratyphus sowie Shigellen-Infektionen werden grundsätzlich resistenzgerecht antibiotisch behandelt, Erstere vorzugsweise mit Amoxicillin oder Co-trimoxazol p. o. über 14 Tage, bei schweren Krankheitsbildern i. v. mit Amoxicillin (100–200 mg/kg KG in 3 Dosen, max. 6 g, über 14 Tage) oder Cefotaxim (200 mg/kg KG in 3 Dosen, max. 6 g, über 14 Tage).

Infektionen durch Shigellen werden mit Co-trimoxazol (6 mg/kg KG Trimethoprimanteil in 2 Dosen, max. 320 mg, p. o. bzw. 10–20 mg/kg KG i. v. über 5 Tage), alternativ mit Cefixim (8–12 mg/kg KG p. o. in 2 Dosen, max. 400 mg) oder i. v. mit Ceftriaxon oder Cefotaxim behandelt.

26.4. Prophylaxe

Maßnahmen der persönlichen und Lebensmittelhygiene, insbesondere auch auf Reisen, können das Infektionsrisiko durch Salmonellen und Shigellen reduzieren.

Typhus kann ferner durch eine Schutzimpfung verhindert werden, die Reisenden in Endemiegebiete empfohlen wird. Ein attenuierter Lebendimpfstoff steht ab dem Alter von 1 Jahr zur oralen Anwendung zur Verfügung (3 Kapseln im Abstand von jeweils 48 h, Schutzdauer ca. 1–2 Jahre). Alternativ kann ein Totimpfstoff (Vi-Polysaccharid) als Einmaldosis ab dem Alter von 2 Jahren verwendet werden (Schutzdauer ca. 3 Jahre). Krankheitsverdacht, Erkrankung und Tod an Typhus abdominalis sind namentlich durch den behandelnden Arzt meldepflichtig.

Enteritiden durch Salmonellen oder Shigellen sind im Rahmen der Meldepflicht für Verdacht bzw. manifeste Erkrankung an einer mikrobiell bedingten Lebensmittelvergiftung oder infektiösen Gastroenteritis erfasst, wenn die betroffene Person eine Tätigkeit im Sinne des § 42 IfSG Abs. 1 ausübt (Lebensmittelverkehr, Küche in Gemeinschaftseinrichtungen), oder wenn zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird. Der Nachweis von Salmonellen bzw. Shigellen ist durch das Labor namentlich meldepflichtig.

Erkrankte sind grundsätzlich kontagiös, solange sie Salmonellen bzw. Shigellen ausscheiden. Bei entsprechender Hygiene (nach Toilettengang und vor Speisenzubereitung!) und Stuhlkontinenz ist dies jedoch nur von theoretischer Bedeutung. Der Besuch von Gemeinschaftseinrichtungen kann bei Abklingen der akuten Krankheitszeichen ohne vorherige Stuhlkontrollen im Allgemeinen gestattet werden.

27. Staphylokokken- und Streptokokken-Infektionen

27.1. Klinischer Kontext
27.1.1. Staphylokokken

Staphylococcus aureus besiedelt die Schleimhaut (Nase!) und Haut und wird durch Kontaktinfektionen bzw. Tröpfcheninfektion (Atemwege!) von Mensch zu Mensch übertragen. Die Inkubationszeit ist sehr variabel und im Allgemeinen kurz (wenige Tage). Patienten mit Granulozyten-Funktionsdefekten (z. B. chronische Granulomatose) weisen ein stark erhöhtes Erkrankungsrisiko auf. Koagulase-negative Staphylokokken sind Kommensalen der menschlichen Haut.

Infektionen mit Staphylococcus aureus führen zu lokalen und gelegentlich auch systemischen eitrigen In- fektionen. Sie sind klassische Abszesserreger. Oberflächliche Infektionen der Haut manifestieren sich als Impetigo, manchmal im Rahmen einer Ko-Infektion mit β-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A (GABHS). Oft sind Verletzungen der Haut, z. B. im Rahmen einer Varizelleninfektion, wegbereitend. Ferner sind Abszesse von Haarfollikeln (solitär: Furunkel, konfluierend: Karbunkel), der Schweißdrüsen (Hidradenitis), der Brustdrüse (Mastitis, v. a. bei Neugeborenen), der Talgdrüsen am Auge (Hordeolum) und die eitrige Konjunktivitis meist auf S. aureus zurückzuführen.

Weitere Krankheitsformen sind:

  • Pneumonie (v. a. bei Säuglingen)

  • Osteomyelitis und eitrige Arthritis

  • toxische Epidermolyse der Haut (Lyell-Syndrom, durch exfoliatives Toxin produzierende Stämme ausgelöst und in seiner Maximalform mit Beteiligung der Mukosa auch „staphylococcal scalded skin syndrome”, SSSS, genannt)

  • das septisch verlaufende „toxic shock syndrome”.

Enterotoxin produzierende Stämme führen zum Krankheitsbild der Lebensmittelvergiftung, das akut beginnt, durch Erbrechen, Bauchschmerzen und Durchfälle gekennzeichnet ist und ebenso rasch binnen 24 Stunden wieder sistiert.

Koagulase-negative Staphylokokken (S. epidermidis u. a.) sind Erreger von Fremdkörperinfektionen (v. a. im ZNS bei liquorableitenden Shunts) und Bakteriämien bzw. Sepsis bei immunsupprimierten Patienten.

27.1.2. Streptokokken

Streptokokken sind grampositive, kettenförmig angeordnete Kokken. β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A (GABHS; Synonym: S. pyogenes) können durch unterschiedliche M-Proteine weiter typisiert werden und bilden Hämolysine (Streptolysin) sowie gewebszerstörende Enzyme wie Hyaluronidase und Streptokinase. Manche Stämme exprimieren ein so genanntes Erythrotoxin, das das klassische Scharlachexanthem hervorruft. Aufgrund von Wachstumseigenschaften bzw. Typisierungsverfahren können vergrünende Streptokokken (S. viridans u. a.) sowie Streptokokken der Gruppen B, C, Gu. a. von GABHS abgegrenzt werden.

Streptokokken werden im Allgemeinen durch Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch übertragen. Streptokokken der Gruppe B besiedeln häufig den weiblichen Genitaltrakt und führen so peripartal zu Übertragungen auf Neugeborene. Die Inkubationszeit beträgt meist 2 bis 4 Tage, bei neonatalen Gruppe-B-Infektionen bis zu 2 Wochen („Late-onset”-Infektionen).

β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A (GABHS) verursachen häufig:

  • Infektionen im Bereich der Atemwege (Pharyngitis, Tonsillitis, Otitis media, Sinusitis; gelegentlich auch durch Streptokokken der Gruppen C und G verursacht)

  • Infektionen der Haut und Schleimhaut (Scharlach, Erysipel, Impetigo, perianale Dermatitis, Vaginitis)

  • selten auch tief greifende Weichteilinfektionen (nekrotisierende Fasziitis)

  • Sepsis („streptococcal toxic shock syndrome”)

  • eitrige Meningitis.

Immunologisch bedingte Folgekrankheiten einer GABHS-Infektion sind die Glomerulonephritis, Chorea minor und das rheumatische Fieber. Ferner werden Verhaltensauffälligkeiten wie Zwangshandlungen und Tics als Folge einer GABHS-Infektion diskutiert (PANDAS-Syndrom).

Streptokokken der Gruppe B führen bei Neugeborenen zum Krankheitsbild der Pneumonie bzw. Sepsis mit oder ohne eitrige Meningitis.

Vergrünende Streptokokken führen gelegentlich, v. a. bei immunsupprimierten Patienten, zu invasiven Infektionen bis hin zu Hirnabszessen.

Scharlach. Beim Scharlach handelt es sich um eine Lokalinfektion mit A-Streptokokken, meist Tonsillopharyngitis, seltener Wundinfektionen, die ein durch Bakteriophagen übertragenes Erythrotoxin exprimieren. Dieses ist die Ursache für die Fernwirkungen und Folgekrankheiten. Die Inkubationszeit beträgt 2 bis 5 Tage, dann treten folgende Symptome auf:

  • Fieber, Halsschmerzen und Lymphknotenschwellung, Erbrechen

  • Enanthem: dunkelrote Pharynxschleimhaut

  • Himbeerzunge mit geschwollenen Papillen

  • Exanthem beginnend am Schenkeldreieck mit Ausbreitungstendenz, periorale Blässe

  • in der 2. bis 4. Krankheitswoche Schuppung, im Gesicht kleieförmig, groblamellär an den Extremitäten.

27.2. Diagnostische Hinweise

Die Diagnose erfolgt in erster Linie durch kulturellen Erregernachweis aus verdächtigem Material (Rachen, Nase, Blut etc.), wobei der Nachweis von Staphylokokken immer auch eine Resistenzbestimmung erfordert, da verschiedene Stämme sehr unterschiedliche Antibiotikaempfindlichkeit aufweisen können. Von besonderer Bedeutung sind die so genannten Methicillin-resistenten S.-aureus-(MRSA-)Stämme (s. Therapie).

Für besondere Fragestellungen bzw. Verlaufskontrollen, z. B. bei V. a. rheumatisches Fieber, stehen zum Nachweis einer stattgehabten GABHS- bzw. S.-aureus-Infektion serologische Tests zur Bestimmung von Anti-Streptolysin oder Anti-Streptodornase bzw. Anti-Staphylolysin zur Verfügung. Der Scharlach ist meist eine Blickdiagnose.

27.3. Management und Therapie
27.3.1. Staphylokokken

Infektionen durch Staphylokokken sollten einerseits bei Eiterbildung durch chirurgische Maßnahmen (Inzision, Drainage) und andererseits antibiotisch behandelt werden. Lediglich Lebensmittelvergiftungen durch toxinbildende Staphylokokken werden rein symptomatisch therapiert.

Die meisten S.-aureus-Isolate sind Penicillin-resistent. Sie werden z. B. mit Cephalosporinen der Gruppe 2 (z. B. Cefuroxim oder Loracarbef), Amoxicillin + Clavulansäure oder Clindamycin behandelt. Einfachere Infektionen können p. o. behandelt werden, schwere Manifestationen vorzugsweise i. v. Die Behandlungsdauer ist abhängig vom Ausmaß der Symptome und vom Ansprechen auf die Therapie.

Methicillin-resistente S.-aureus-(MRSA-)Stämme erfordern den Einsatz von Reserveantibiotika wie Vancomycin (40–60 mg/kg KG/d i. v. in 2–3 Dosen) oder Teicoplanin (20–30 mg/kg KG/d in 1 ED), ggf. kombiniert mit Rifampicin (10–15 mg/kg KG bis max. 600 mg p. o. in 1 Dosis).

Die topische Anwendung (z. B. Mupirocin, Bacitracin) ist bei umschriebenen Hautinfektionen bzw. zur Sanierung nasaler Keimträger sinnvoll.

Eine wirksame Prophylaxe kann durch hygienische Maßnahmen (Kontaktisolation) erfolgen.

27.3.2. Streptokokken

GABHS-Infektionen und solche durch Streptokokken der Gruppen C und G werden grundsätzlich antibiotisch behandelt, was zu einer Reduktion von Krankheitsdauer, Komplikationsrate und Kontagiosität führt.

Medikament der 1. Wahl ist Penicillin p. o. über 10 Tage (Phenoxypenicillin-Kalium: 100 000 IE/kg KG/d in 2–3 ED oder Phenoxypenicillin-Benzathin: 50 000 IE/kg KG/d in 2 ED, bis max. 2–3 Mio. IE Tagesdosis). Alternativ können orale Cephalosporine und - v. a. bei Penicillinallergie - Makrolide verwendet werden. Da GABHS gegen Letztere in 10 bis 20% Resistenzen aufweisen, ist eine vorherige Empfindlichkeitstestung ratsam. Für die Behandlung mit Cefuroximaxetil, Loracarbef und Amoxicillin (+ Clavulansäure) ist der Wirksamkeitsnachweis einer 5-tägigen Behandlungsdauer erbracht.

Inline graphic Der Therapieerfolg sollte rein klinisch bewertet werden. Kontrollabstriche sind nicht geeignet, da trotz erfolgreicher Behandlung die Erreger im Pharynx persistieren können (chronisches Trägertum).

Bei schweren Infektionen sollte i. v. Penicillin G (bis zu 250 000 IE/kg KG/d in 4–6 ED) und ggf. auch länger als 10 Tage therapiert werden.

Infektionen durch Streptokokken der Gruppe B bei Neugeborenen werden gemäß Empfehlungen der DGPI i. v. mit Penicillin (300 000 IE/kg KG/d in 4–6 ED) oder Ampicillin (200 mg/kg KG/d in 3 ED) sowie zusätzlich - wegen der synergistischen Wirkung - für mindestens 5 Tage in Kombination mit einem Aminoglykosid (z. B. Gentamycin initial 5 mg/kg KG, dann 3,5 mg/kg KG alle 12 h). Die Behandlungsdauer der Sepsis beträgt insgesamt 7 bis 10 Tage, die der eitrigen Meningitis mindestens 14 Tage.

Inline graphic Die Therapie mit Aminoglykosiden erfordert die Bestimmung von Tal- und Spitzenspiegeln zur Sicherstellung des therapeutischen Erfolgs und Vermeidung von nephro- und ototoxischen Nebenwirkungen!

Die Prophylaxe von Rezidiven eines rheumatischen Fiebers kann täglich mit 2 × 200 000 IE Penicillin p. o. oder 1 × pro Monat mit 1,2 Mio. IE Benzathin-Penicillin G i. m. (Tardocillin®) erfolgen. Die Dauer sollte mindestens 5 Jahre betragen, bei bereits eingetretenem Rezidiv lebenslang. Die Compliance ist problematisch.

Impfstoffe gegen Staphylokokken- oder Streptokokken-Infektionen stehen nicht allgemein zur Verfügung.

Infektionen mit Staphylokokken oder Streptokokken sind nicht meldepflichtig. Patienten mit Streptokokken-Infektionen sind ca. 24 h nach Behandlungsbeginn nicht mehr kontagiös und müssen deshalb nur initial isoliert werden.

Patienten mit Infektion und/oder Besiedelung mit MRSA müssen in medizinischen Einrichtungen strikt isoliert werden, um eine Ausbreitung zu vermeiden. Auch das Personal muss sich entsprechend schützen (Handschuhe, Schürze, Mundschutz). Auf korrekte Händedesinfektion ist streng zu achten.

28. Treponema-pallidum-Infektionen

28.1. Konnatale Lues
28.1.1. Klinischer Kontext

Treponema pallidum, der Erreger der Lues, gehört zur Familie der Spirochäten.

Eine diaplazentare Infektion des Fetus kann zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft und in jedem Lues-Stadium der nicht oder unzureichend behandelten Schwangeren erfolgen.

Weiterhin ist eine direkte Übertragung unter der Geburt möglich. 50 bis 60% der infizierten Kinder sind bei Geburt unauffällig. Bei der „Frühform” der konnatalen Lues treten die meisten klinischen Zeichen innerhalb der ersten 5 Lebenswochen auf. Hierzu zählen u. a.:

  • makulopapulöse und bullöse Hauteffloreszenzen (v. a. Handinnenflächen und Fußsohlen)

  • Fissuren und Rhagaden

  • Schleimhautulzera

  • Petechien

  • Ikterus

  • Rhinitis (Coryza syphilitica)

  • Hepatosplenomegalie

  • Condylomata lata

  • Pseudoparalyse (Periostitis).

Häufig findet sich eine Anämie, Thrombozytopenie, Leukopenie oder Leukozytose. Eine ZNS-Beteiligung kann sich in Form von Meningitis, Hirnnervenparesen, Krampfanfällen und Hydrozephalus manifestieren.

Die spätmanifeste Form der konnatalen Lues tritt erst im Kleinkind- oder späteren Kindesalter auf. Zu den klinischen Symptomen gehören v. a.:

  • interstitielle Keratitis

  • charakteristische Zahnveränderungen („Tonnenzähne”)

  • Veränderungen an den Knochen (u. a. „Sattelnase”, perforierter harter Gaumen)

  • Zeichen einer Neurosyphilis (z. B. Innenohrschwerhörigkeit).

28.1.2. Diagnostische Hinweise

Die Diagnose wird serologisch durch den Nachweis von Treponemen-spezifischen Antikörpern im Serum gestellt (T.-pallidum-Hämagglutinationstest, TPHA; Fluoreszenz-T.-pallidum-Antikörper-Absorptionstest, FTA-ABS; Treponemen-spezifische IgM-Antikörper im ELISA; Veneral-Diseases-Research-Laboratory-Test bzw. Cardiolipin-Mikroflockungstest, VDRL bzw. CMT).

Diaplazentar übertragene maternale IgG-Antikörper erschweren die Serodiagnose beim Neugeborenen.

T. pallidum kann auch in infiziertem Gewebe oder Körperflüssigkeiten nachgewiesen werden (Immunfluoreszenz, PCR).

28.1.3. Management und Therapie

Die antibiotische Therapie erfolgt mit Penicillin G 100 000–200 000 IE/kg KG/d in 2 bis 3 ED i. v. oder einmal täglich mit Procain-Penicillin 50 000 IE/kg KG i. m. für 10 bis 14 Tage, bei immunsupprimierten Kindern auch länger.

Inline graphic Bei ausgeprägter Klinik sollte wegen der Gefahr einer Jarisch-Herxheimer-Reaktion Prednison 2 mg/kg KG i. v. vor der ersten Penicillingabe verabreicht werden.

Infizierte Neugeborenen gelten bis 24 Stunden nach Beginn der antibiotischen Therapie als infektiös und sollten isoliert werden. Während dieser Zeit sollte das Pflegepersonal zum eigenen Schutz Handschuhe tragen.

Bei effektiver Therapie fallen die VDRL/CMT-Titer um mindestens vier Stufen ab. Nach 6 bis 12 Monaten sollte der VDRL/CMT-Test negativ sein, wohingegen der TPHA-Titer als Seronarbe lebenslang persistiert.

Alle behandelten Kinder sollten nach 3, 6 und 12 Monaten serologisch kontrolliert werden, bei Kindern mit initial pathologischem Liquorbefund muss auch der Liquor im Abstand von 6 Monaten für 3 Jahre nachkontrolliert werden.

Die wichtigste Prophylaxe der Lues connata ist die rechtzeitige Erkennung und adäquate antibiotische Chemotherapie der Lues bei der Schwangeren.

Gemäß Infektionsschutzgesetz muss der direkte oder indirekte Erregernachweis nichtnamentlich durch das Labor gemeldet werden.

28.2. Lues
28.2.1. Klinischer Kontext

Treponema pallidum ist der Erreger der Lues. Die Übertragung erfolgt praktisch ausschließlich über sexuellen Kontakt.

Inline graphic Bei erworbener Lues im Kindes- und Adoleszentenalter ist immer auch an sexuellen Missbrauch zu denken.

Die Inkubationszeit beträgt 10 bis 90 Tage.

Die Symptomatik der erworbenen Lues bei Kindern und Jugendlichen unterscheidet sich nicht von der bei Erwachsenen (Stadien I–IV).

28.2.2. Diagnostische Hinweise

Die serologische Diagnostik der erworbenen Lues erfolgt mit den gleichen Methoden wie bei der konnatalen Lues (s. o.).

28.2.3. Management und Therapie

Bei allen Formen der erworbenen Lues ist Penicillin das Antibiotikum der 1. Wahl.

  • Für die Therapie der Frühsyphilis wird Clemizol-Penicillin (Megacillin®) 1 Mio. IE/d p. o. für 2 Wochen empfohlen.

  • Bei der Spätsyphilis wird das o. g. Regime für 3 Wochen durchgeführt.

  • Bei Penicillinallergie erfolgt eine Therapie mit Doxycyclin (Kinder ab 8 Jahren, max. 200 mg/d p. o. für 2 bzw. 4 Wochen), ggf. auch mit Ceftriaxon.

  • Bei Neurosyphilis oder syphilitischer Uveitis wird Penicillin G 6 × 4–5 Mio. IE/d i. v. für 3 Wochen empfohlen.

Wirksame Prophylaxemaßnahme ist die Expositionsprophylaxe (u. a. Verwendung von Kondomen, Behandlung des Partners vor Geschlechtsverkehr).

Gemäß Infektionsschutzgesetz muss der direkte oder indirekte Erregernachweis anonym durch das Labor gemeldet werden.

29. Tularämie

29.1. Klinischer Kontext

Erreger der Tularämie ist das gramnegative Stäbchen Francisella tularensis. Haupterregerreservoir sind Hasen und andere Nagetiere. Die Übertragung der Erreger erfolgt durch Zecken, Kontakt mit infizierten Tieren oder Inhalation von infektiösem Material (potenzielle Gefahr durch Bioterrorismus). In Deutschland ist die Tularämie sehr selten (ca. 1 Fall/Jahr). Die Inkubationszeit beträgt 3 bis 5 Tage. Nach durchgemachter Infektion besteht lebenslange Immunität.

Die Tularämie ist eine akute Infektionskrankheit, die sich je nach Virulenz des Erregers und Eintrittspforte klinisch vorwiegend manifestiert als:

  • lokal ulzerierende Krankheit (ulzeroglanduläre Form)

  • regionale Lymphadenitis (rein glanduläre Form)

  • Krankheit eines Organs (z. B. pulmonale Form)

  • Sepsis mit typhoidem Verlauf.

29.2. Diagnostische Hinweise

Die Diagnose wird durch Erregernachweis (aus Eiter, Lymphknotenmaterial, Blut, Liquor) oder durch den Nachweis von Francisella-tularensis-spezifischen Serumantikörpern (4-facher Titeranstieg nach 6–8 Wochen) gesichert.

29.3. Management und Therapie

Antibiotika der Wahl sind Streptomycin 30 mg/kg KG/d i. m. in 2 ED (max. 2 g), Gentamicin 7,5 mg/kg KG/d i. m. oder i. v. in 3 ED (max. 0,4 g) oder Amikacin 15 mg/kg KG/d i. m. oder i. v. in 1 bis 3 ED (max. 1,5 g) jeweils über 10 Tage. Weiter Alternativen sind Doxycyclin, Chloramphenicol oder Ciprofloxacin (Patienten > 18 Jahre).

Bei schweren Verlaufsformen erfolgt eine Therapie mit Chloramphenicol 50–100 mg/kg KG/d i. v. in 2 ED für mindestens 14 Tage. Eiterherde sind ggf. chirurgisch zu sanieren.

In Endemiegebieten ist auf Zeckenprophylaxe (s. Abs. 5 „Borreliose”) zu achten. Infizierte Tiere dürfen nur mit Handschuhen angefasst werden. Eine Isolierung von infizierten Patienten mit Krankenhaus ist nicht erforderlich. Eine Lebendimpfung wird in den USA hergestellt, ist aber nicht allgemein verfügbar. Der direkte und indirekte Nachweis von Francisella tularensis ist vom Labor namentlich zu melden (Infektionsschutzgesetz).

30. Vibrio cholerae (Cholera)

30.1. Klinischer Kontext

Charakteristisch sind profuse wässrige Durchfälle („Reiswasserstuhl”, bis zu 250 ml/kg KG/24 h) und rezidivierendes Erbrechen. Die Erkrankung kann innerhalb von Stunden zu schwerer Exsikkose mit hypovolämischem Schock, Anurie und Kreislaufversagen führen.

Vibrio cholerae ist ein gramnegatives, kommaförmiges Bakterium. Die Cholera ist endemisch in Teilen Asiens, Afrikas und Südamerikas. Betroffen sind überwiegend Regionen, in denen schlechte hygienische Zustände herrschen. Die Infektion wird fäkal-oral übertragen (v. a. kontaminiertes Wasser, kontaminierte Nahrungsmittel). Die Inkubationszeit beträgt 3 bis 6 Tage.

30.2. Diagnostische Hinweise

Bei endemischem Auftreten kann die Diagnose klinisch gestellt werden. Ansonsten kann der Erregernachweis aus Stuhl versucht werden (selektive Nährböden, pH 9). Vibrionen können im Dunkelfeldmikroskop anhand ihrer kommaförmigen Form erkannt werden.

30.3. Management und Therapie

Entscheidend ist eine schnelle Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution mit Azidoseausgleich und Glukosezufuhr. Bei schweren Fällen muss dies parenteral erfolgen. Bei leichteren Verläufen können auch orale Rehydratationslösungen verwandt werden. Von der WHO wird folgende Zusammensetzung empfohlen: 90 mM Na, 80 mM Cl, 20 mM K, 30 mM HCO, 111 mM Glukose.

Durch frühzeitige antibiotische Chemotherapie mit Doxycyclin (nur Kinder ab 8 Jahren), Co-trimoxazol oder Erythromycin p. o. für 3 Tage kann der Krankheitsverlauf gemildert und verkürzt werden.

Krankheitsverdacht, Erkrankung und Tod sowie der Erregernachweis sind namentlich meldepflichtig.

Zu den wichtigsten prophylaktischen Maßnahmen gehören ausreichende Hygiene und eine hygienisch einwandfreie Wasserversorgung. Patienten sollten, soweit möglich, „enterisch” (s. o.) isoliert werden.

31. Yersinien-Infektionen (Yersiniose)

31.1. Klinischer Kontext

Verantwortliche Erreger sind Yersinia pseudotuberculosis (v. a. mesenteriale Lymphadenitis) und Yersinia enterocolitica (Enteritis, Enterokolitis). Die Übertragung erfolgt überwiegend über kontaminierte Nahrungsmittel (Milchprodukte, Fleisch, Gemüse, Salate). Weiterhin ist eine Übertragung durch kontaminierte Blutkonserven und von Mensch zu Mensch (fäkaloral) möglich. Die Ausscheidung von Yersinien im Stuhl persistiert im Durchschnitt 6 Wochen.

Die Inkubationszeit beträgt 1 bis 14 Tage (Yersinia enterocolitica) bzw. bis zu 20 Tage (Yersinia pseudotuberculosis).

Im europäischen Raum führen Yersinieninfektionen zu zwei typischen Krankheitsbildern mit meist guter Prognose:

  • Enteritis (ähnlich der Salmonellose) oder Enterokolitis

  • Lymphadenitis mesenterialis (in bis zu 10% appendizitische Symptomatik).

Insbesondere bei Patienten mit Thalassämie, Diabetes mellitus, Immundefekt oder unter immunsuppressiver Therapie kann es zu septischen Komplikationen mit Abszessen in Leber und Milz kommen.

Zu den Komplikationen zählen u. a. die reaktive Arthritis (gehäuft bei HLA-B27-positiven Kindern), Erythema nodosum und Uveitis.

31.2. Diagnostische Hinweise

Die klinisch erhobene Verdachtsdiagnose wird durch Erregernachweis (Anzucht, PCR) und/oder indirekt durch Antikörpernachweis (Titeranstieg von Yersinien-spezifischen IgG-Antikörpern, Yersinien-spezifische IgA-Antikörper) gesichert.

31.3. Management und Therapie

Die unkomplizierte Erkrankung wird nicht antibiotisch, sondern rein symptomatisch (Rehydratation, Elektrolytausgleich) behandelt.

Antibiotika sind nur bei septischen Krankheitsbildern und extragastrointestinalen Manifestationen indiziert. Folgende Antibiotika sind wirksam: Cephalosporine der 3. Generation (z. B. Cefotaxim), Co-trimoxazol, Tetrazykline und Aminoglykoside. Patienten > 18 Jahre können auch mit dem Chinolon Ciprofloxacin behandelt werden.

Die reaktive Arthritis wird mit nichtsteroidalen Antirheumatika (z. B. Ibuprofen) behandelt, eine antibiotische Therapie ist nicht indiziert.

Wie bei allen anderen infektiösen Enteritiden ist auch bei der Yersinien-Enteritis eine enterische (s. o.) Isolation erforderlich. Gemaäß Infektionsschutzgesetz ist der direkte und indirekte Nachweis von Yersinia enterocolitica namentlich vom entsprechenden Labor zu melden.

32. Yersinia pestis (Pest)

32.1. Klinischer Kontext

Die Pest ist eine akut verlaufende schwere Infektionskrankheit mit Fieber, abdominellen Beschwerden und ausgeprägtem Krankheitsgefühl. Unbehandelt führt die Krankheit häufig zum Tode. Folgende Verlaufsformen werden unterschieden:

  • Beulenpest (schmerzhafte Lymphknotenschwellungen (Bubo) 3 bis 6 Tage nach Flohstich, häufigste Pestform)

  • Lungenpest (schwerste Pneumonie innerhalb von Stunden bis 2 Tagen)

  • Pestsepsis (schwerstes septisches Krankheitsbild, zweithäufigste Pestform).

Der Erreger, Yersinia pestis, ist ein gramnegatives Stäbchen und kommt weltweit bei Nagetieren (u. a. Ratten) sowie Schweinen, Katzen, Hunden und anderen Tieren vor. Die „akzidentelle” Übertragung auf den Menschen erfolgt meist durch infizierte Flöhe, seltener durch Ingestion von infiziertem Fleisch, Nagetierbisse und im Fall der Lungenpest durch Inhalation von Yersinia-pestis-haltigen Tröpfchen. Endemische Pestherde gibt es v. a. in Südamerika, Afrika, Asien und Russland.

32.2. Diagnostische Hinweise

Klinik und Anamnese (u. a. Aufenthalt in Endemiegebieten) ergeben die Verdachtsdiagnose, die durch den mikroskopischen Erregernachweis in Blut, Buboneninhalt oder Sputum gesichert werden kann. Serologische Verfahren spielen bei der Akutdiagnostik keine Rolle.

32.3. Management und Therapie

Eine antibiotische Therapie muss unverzüglich, d. h. bereits bei Verdacht, direkt nach diagnostischer Asservierung von Blut, Buboneninhalt und/oder Sputum begonnen werden. Die Therapiedauer sollte immer mindestens 10 (−14) Tage betragen.

Mittel der ersten Wahl ist Streptomycin (cave Nebenwirkungen!) 30 mg/kg KG/d i. m. in 2 ED über 10 Tage. Wirksame Alternative bei Kindern ab 8 Jahren sind Doxycyclin 2–4 mg/kg KG/d in 1 ED per os oder Tetracyclin (i. v. oder p. o.). Gentamycin (bis 7,5 mg/kg KG in 2–3 ED i. v.) ist ebenfalls wirksam.

Bei einer Meningitis wird Chloramphenicol gegeben 50 (−100) mg/kg KG/d in 4 Dosen i. v..

Erkrankte und auch Verdachtsfälle müssen isoliert werden (mind. 48 h). Bei Kontakt zu Patienten mit Pestpneumonie und -sepsis wird die prophylaktische Gabe von Ciprofloxacin 2 × 500 mg/d p. o. (zugelassen für Patienten > 18 Jahre), Doxycyclin (max. 200 mg/d p. o.; nur Patienten ab 8 Jahren) oder Co-trimoxazol (2 × 800–1600 mg/d p. o.) empfohlen.

Beim Umgang mit Pestkranken und infektiösem Untersuchungsmaterial sind Schutzkittel, Handschuhe, Mund-Nasen-Schutz und Schutzbrille zu tragen. Im Initialstadium sollten Bubonen wegen der Gefahr einer Streuung nicht chirurgisch inzidiert werden.

Verdacht, Erkrankung und Tod sind meldepflichtig (Infektionsschutzgesetz).

Literatur

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18.2. Virale Erkrankungen

Volker Schuster

ANLIEGEN DES KAPITELS.

Viren sind als obligat intrazelluläre Parasiten bei ihrer Vermehrung immer auf den Stoffwechsel der infizierten Wirtszelle angewiesen. Die meisten der uns zur Verfügung stehenden virostatisch wirkenden Medikamente greifen inhibierend während der Virusvermehrung ein (Nukleosidanaloga, Reverse-Transkriptase-Inhibitoren, Neuraminidase-Hemmer). Eine Therapie der latenten Virusinfektion (z. B. Viren der Herpes-Familie) ist derzeit allerdings ebensowenig möglich wie die Elimination proviraler Retroviren (= cDNA des Virus in DNA der infizierten lymphatischen Zelle integriert). Unter lang andauernder antiviraler Therapie (z. B. bei immunsupprimierten Patienten) können sich durch die Selektion resistenter Virusstämme Probleme ergeben.

Die wichtigsten der zurzeit virostatisch behandelbaren Viruserkrankungen und die hierbei eingesetzten Medikamente werden im Folgenden dargestellt.

1. Adenovirus-Infektionen

1.1. Klinischer Kontext

Adenoviren sind nicht umhüllte DNA-Viren, die ubiquitär vorkommen. Es sind 51 Serotypen bekannt. Die Übertragungswege sind unterschiedlich (fäkal-oral, Schmier- oder Tröpfcheninfektionen). Die höchste Inzidenz für Adenovirus-Infektionen liegt zwischen dem 6. Lebensmonat und dem 5. Lebensjahr. Die Inkubationszeit beträgt 2 bis 10 Tage.

Adenovirus-Infektionen im Kindesalter verlaufen meist (> 50%) asymptomatisch. Die durch Adenoviren hervorgerufenen Krankheitsbilder bei immunkompetenten Kindern sind sehr variabel und v. a. vom Erregertyp abhängig.

Inline graphic Bei Früh- und Neugeborenen sowie bei immun-supprimierten Kindern können Adenovirus-Infektionen generalisieren und schwerste Krankheitsbilder verursachen.

Bakterielle Sekundärinfektionen können Adenovirus-Infektionen erheblich aggravieren.

Typische durch Adenoviren verursachte Krankheitsbilder bei Kindern sind in Tabelle 18.2-1 dargestellt.

Tab. 18.2-1.

Typische durch Adenoviren verursachte Krankheitsbilder.

Krankheitsbild Serotyp Bemerkungen
akute Pharyngotonsillitis 1–3, 5–7 häufigste Ursache der Pharyngotonsillitis in den ersten 3 Lebensjahren!
Pneumonie 1–4, 7 10 % der kindlichen Pneumonien
epidemische Keratokonjunktivitis 8, 19, 37 häufig nosokomiale Infektion
Gastroenteritis 1, 2, 5, 6, 40, 41 z. T. mit Invagination assoziiert
Hepatitis 1, 2, 5 u. a. meist unter Immunsuppression
akute hämorrhagische Zystitis 11, 21 v. a. Immunsupprimierte
Meningoenzephalitis 3, 5–7, 12, 32 meist im Rahmen einer disseminierten Infektion, Immunsupprimierte
disseminierte Adenovirusinfektion 3, 7, 21, 30 meist perinatale Infektion, Immunsupprimierte
1.2. Diagnostische Hinweise

Eine klinisch vermutete Adenovirus-Infektion kann durch den Erregernachweis (Isolation, Virusantigennachweis, PCR) in Patientenmaterial (z. B. Konjunktivalabstrich, Trachealsekret, Blut, Stuhl) gesichert werden.

Serologische Tests haben nur eine geringe Aussagekraft. Ein vierfacher Titeranstieg in der KBR kann als Hinweis für eine floride Infektion gewertet werden.

1.3. Management und Therapie

Im Allgemeinen ist die Prognose günstig. Die Behandlung - falls überhaupt erforderlich - beschränkt sich auf symptomatische Maßnahmen. Eine etablierte antivirale Therapie existiert nicht. Deshalb werden derzeit auch schwere Adenovirus-Infektionen überwiegend symptomatisch behandelt (u. a. Sauerstoffgabe, bronchodilatative Therapie).

Bei immunsupprimierten Patienten mit schwerer Adenovirusinfektion (hämorrhagische Zystitis, Nephritis, Pneumonie, Meningoenzephalitis, Hepatitis, disseminierte Infektion) kann in Einzelfällen eine Therapie mit Cidofovir versucht werden (1 × 5 mg/kg KG/Woche für 3 Wochen, danach „Erhaltungstherapie” 1 × 5 mg/kg KG alle 2 Wochen; Legrand et al. 2001; Ljungman et al. 2003; Muller et al. 2005; Yusuf et al. 2006). In Einzelfällen scheint auch Ribavirin oder die i. v. Gabe von Immunglobulinen wirksam zu sein (z. B. Adenovirus-Pneumonie). In einer Pilotstudie war die Gabe von virusspezifischen T-Zellen (= adoptiver Immuntransfer) bei 5 von 6 Kindern mit systemischer Adenovirus-Infektion nach Stammzelltransplantation wirksam (Feuchtinger et al. 2006). Die lokale Therapie der Konjunctivitis epidemica mit Cidofovir-haltigen Augentropfen (1%) kann die Frequenz der Hornhauttrübung reduzieren. Allerdings ist die Substanz in dieser Konzentration toxisch für Haut und Schleimhäute (Hillenkamp et al. 2002).

1.4. Prophylaxe

Ein Impfstoff gegen Adenovirus-Infektionen steht in Deutschland nicht zur Verfügung.

Zur Vermeidung nosokomialer Infektionen sind strenge Hygienemaßnahmen notwendig (Handschuhe!). Adenoviren lassen sich durch gängige Hände- und Flächendesinfektionsmittel nur mäßig inaktivieren. Die Inaktivierung durch thermische Sterilisationsverfahren ist dagegen effektiv. Patienten mit epidemischer Konjunktivitis dürfen während der floriden Infektion und zusätzlich für mindestens weitere 2 Wochen keinen (öffentlichen) Swimmingpool benutzen. Bei Gastroenteritiden durch Adenoviren ist eine „enterische” Isolation erforderlich. Der Nachweis von Adenoviren im Konjunktivalabstrich ist gemäß Infektionsschutzgesetz meldepflichtig.

2. Coronavirus-Infektionen (inkl. SARS)

2.1. Klinischer Kontext

Coronaviren verursachen bei Kindern und Erwachsenen häufig Infektionen des oberen Respirationstrakts. Bronchitis und Pneumonien sind eher selten. Möglicherweise verursachen bestimmte Coronaviren auch gastrointestinale Erkrankungen. Humane Coronaviren kommen ubiquitär vor. Die Inkubationszeit liegt bei 2 bis 4 Tagen.

2003 trat in China ein vorher unbekanntes schweres akutes respiratorisches Syndrom („severe acute respiratory syndrome”, SARS) auf, das sich epidemisch ausbreitete. Als Erreger konnte ein neues Coronavirus (SARS-Coronavirus [SCV]) identifiziert werden (http://www.rki.de/INFEKT/SARS/ARSUU-CORONA.PDF) (Drosten et al. 2003). Im Gegensatz zu Erwachsenen, bei denen SARS zahlreiche Todesopfer forderte, verläuft die Erkrankung bei Kindern weniger aggressiv (Hon et al. 2003).

2.2. Diagnostische Hinweise

Bei epidemischem Auftreten kann eine Coronavirus-Infektion anhand der Klinik vermutet werden. Ansonsten ist es ggf. möglich, in Speziallabors Coronavirus-spezifische Serumantikörper oder Coronavirus-RNA in Nasen-Rachen-Sekret mittels RT-PCR nachzuweisen.

2.3. Management und Therapie

Eine etablierte antivirale Therapie existiert nicht. Die Behandlung ist rein symptomatisch und richtet sich nach den aktuellen Beschwerden.

Bei SARS-infizierten Affen erwies sich pegyliertes IFN-α als wirksam (Haagmans et al. 2004). Möglicherweise ist dieser Ansatz auch bei Menschen anwendbar. In China wurden SARS teilweise empirisch mit Antibiotika und einer Kombination von Ribavirin und Methylprednisolon behandelt (So et al. 2003). Bisher ist allerdings nicht erwiesen, inwieweit diese Maßnahmen wirklich wirksam sind.

Weitere Informationen zu prophylaktischen Maßnahmen bei SARS beim Robert-Koch-Institut (http://www.rki.de/INFEKT/ARSUU.HTM).

3. Dellwarzen (Mollusca contagiosa)

3.1. Klinischer Kontext

Das verantwortliche Virus gehört zur Gruppe der Pockenviren. Die Übertragung erfolgt von Mensch zu Mensch über kleine Hautdefekte (Kratzeffekte) und durch Schmierinfektion. Die Inkubationszeit beträgt Tage bis Wochen.

Dellwarzen treten bevorzugt bei Kindern und Jugendlichen auf, v. a. bei atopischen oder immundefizienten Personen (Leukämie, zytostatische Therapie etc). Neben kosmetischen Problemen können Dellwarzen (durch Kratzen) zu Juckreiz und lokalen Hautinfektionen führen.

3.2. Diagnostische Hinweise

Die Diagnose kann meist klinisch gestellt werden. In unklaren Fällen kann sie durch eine mikroskopische Untersuchung des Dellwarzeninhalts (typischerweise: ballonartig aufgetriebene, runde bis ovale virushaltige Epithelzellen) gesichert werden.

3.3. Management und Therapie

Dellwarzen bilden sich - v. a. bei immunkompetenten Kindern und Jugendlichen - häufig innerhalb von Wochen bis Monaten spontan und komplett zurück. Bei Persistenz und sekundären Komplikationen sollten Dellwarzen nur von einem diesbezüglich erfahrenen Kinderdermatologen entfernt werden. Folgende Verfahren stehen derzeit zur Verfügung:

  • Chirurgische Entfernung unter Lokalanästhesie

  • Kryotherapie

  • CO2-Laser

  • Lokale Applikation von Tretinoin (Vitamin-A-Säure, 0,05%, z. B. Cordes® VAS Creme, Airol® Creme oder Lsg.), Virostatika (z. B. Verrumal®), Imiquimod (Aldara® 5% Creme)

Bei Sekundärinfektionen der Warzen sollten zunächst antiseptische Maßnahmen erfolgen. Wirksame prophylaktische Maßnahmen sind nicht bekannt.

4. Enterovirusinfektionen

4.1. Klinik

Coxsackie- und ECHO-Viren sind kleine RNA-Viren und gehören zusammen mit Polioviren zum Genus Enterovirus innerhalb der Familie Picornaviridae (für: pico = klein, rna = RNA). Enteroviren kommen ubiquitär vor. Der Mensch ist der einzige empfängliche Wirt. Die Übertragung erfolgt meist fäkal-oral. Die meisten Erkrankungen treten in den Sommermonaten auf. Die Inkubationszeit beträgt meist 3 bis 6 Tage.

Bei Neugeborenen können Enterovirusinfektionen besonders schwer verlaufen (Pneumonie, Myokarditis, Hepatitis, Meningoenzephalitis). Unter Umständen kann das klinische Bild dem einer bakteriellen Sepsis bis hin zum Schock mit disseminierter intravasaler Gerinnung gleichen. Bei Kindern mit schwerem Antikörpermangel können v. a. ECHO-Viren zu chronisch-persistierenden Meningoenzephalitiden mit schlechter Prognose führen.

Infektionen mit nichtpolioviralen Enteroviren (Cox-sackie-, ECHO- und Enterovirustypen 68–71) sind im Kindesalter sehr häufig. In den meisten Fällen (> 95%) verlaufen sie subklinisch. Enterovirusinfektionen manifestieren sich klinisch meist als unspezifische fieberhafte Erkrankungen der oberen Luftwege mit Kopf- und Gliederschmerzen, Pharyngitis, Tonsillitis, Lymphadenopathie und Bronchitis.

Herpangina. Bei der Herpangina handelt es sich um eine Coxsackievirus-A-Infektion, die mit plötzlichem Fieberanstieg, Appetitlosigkeit, Kopf-, Hals- und Muskelschmerzen einhergeht. Im Rachen entstehen vor allem an den vorderen Gaumenbögen 1–2 mm große papulovesikuläre Eruptionen mit hyperämischem Randsaum. Bei der Hand-Fuß-Mund-Erkrankung sind Hand- und Fußsohlen mitbeteiligt.

4.2. Diagnostische Hinweise

Beweisend ist der Erregernachweis (Zellkultur mit Typisierung, RT-PCR) in Liquor, Blut oder Bläscheninhalt.

Der alleinige Virusnachweis ausschließlich im Stuhl stellt möglicherweise nur einen Nebenbefund dar, der mit der vorliegenden Krankheit nichts zu tun hat.) Eine Serodiagnostik ist nur in wenigen Ausnahmefällen sinnvoll.

4.3. Management und Therapie

Bei leichteren Krankheitsverläufen ist die Behandlung rein symptomatisch.

Bei der Herpangina bieten sich Spüllösungen mit Dexpanthenol oder Chlorhexidin an.

Inline graphic Bei Virusmyokarditis sollten Steroide und nicht-steroidale Antiphlogistika möglichst nicht verabreicht werden, da diese Substanzen die Nekrosen im Myokard verstärken können. Bei Myokarditis mit foudroyanter Dynamik ist frühzeitig eine kardiale Unterstützung mit einem künstlichen Herzen oder eine Herztransplantation anzustreben.

Bei schweren und lebensbedrohlichen Enterovirus-infektionen (z. B. chronische Meningoenzephalitiden bei Kindern mit Antikörpermangel, Myokarditiden bei Neugeborenen und Säuglingen, nach Knochenmark- und Lebertransplantationen, Impfpoliomyelitis) ist das Virustatikum Pleconaril wirksam. Leider ist diese Substanz zurzeit nicht erhältlich (fehlende Zulassung in den USA).

5. Epstein-Barr-Virus-(EBV-) Infektionen

5.1. Klinischer Kontext

EBV gehört zur Familie der humanpathogenen Herpesviren. Erregerreservoir für EBV ist nur der Mensch. Abhängig von Lebensstandard und Hygieneverhältnissen infiziert sich in ärmeren Ländern ein Großteil der Bevölkerung bereits im frühen Kleinkindalter, während in Industrieländern eine EBV-Infektion gehäuft erst im Adoleszentenalter („Kusskrankheit”) auftritt. Eine infektiöse Mononukleose tritt nur einmal im Leben auf, Zweitmanifestationen sind extrem selten. Die Übertragung erfolgt meist durch infektiösen Speichel („kissing disease”), selten durch Bluttransfusion oder Organtransplantation.

Die EBV-Infektion führt beim älteren Kind und Jugendlichen („Kusskrankheit”) häufig zum Krankheitsbild der akuten infektiösen Mononukleose mit:

  • hohem Fieber

  • ausgeprägter Lymphadenopathie

  • Angina

  • Pharyngitis

  • Splenomegalie

  • Hepatomegalie

  • Exanthem

  • Ikterus.

Bei kleinen Kindern verläuft die EBV-Infektion häufig asymptomatisch oder subklinisch. Die Prognose der akuten infektiösen Mononukleose ist meist gut.

Zu den Komplikationen gehören u. a.:

  • Dyspnoe („kissing tonsils”)

  • Thrombozytopenie

  • Neutropenie

  • Autoimmunphänomene

  • Hepatitis

  • selten Milzruptur

  • Herzbeteiligung (Myo- und Perikarditis)

  • Exantheme (Ampicillin-induziert, Urtikaria)

  • Mitbeteiligung des ZNS (u. a. Meningoenzephalitis, Guillain-Barré-Syndrom, psychotische Krankheitsbilder).

Bei Immunsuppression (immunsuppressive Therapie, Stammzell- oder Organtransplantation, Immundefekt) führt eine EBV-Primärinfektion oder EBV-Reaktivierung - abhängig vom Ausmaß der Immundefizienz - zu schweren, häufig letalen, lymphoproliferativen Krankheitsbildern bis hin zu malignen B-Zell-Lymphomen.

5.2. Diagnostische Hinweise

Die Diagnose „akute infektiöse Mononukleose” kann meist klinisch gestellt werden. Im Blutausstrich finden sich typischerweise vermehrt aktivierte T-Lymphozyten (sog. Pfeiffer-Zellen, „Reizlymphozyten”). In unklaren Fällen wird eine vermutete EBV-Infektion durch den Nachweis von EBV-spezifischen Serumantikörpern bestätigt.

Bei immundefizienten Patienten mit hohem Risiko für EBV-assoziierte lymphoproliferative Krankheitsbilder ist der EBV-DNA-Nachweis und ggf. die quantitative Bestimmung der Viruslast im Blut (Therapiemonitoring!) mittels Polymerasekettenreaktion (PCR) sinnvoll.

5.3. Management und Therapie

Eine antivirale Therapie für die akute infektiöse Mononukleose existiert nicht. Aciclovir ist unwirksam. Patienten mit unkomplizierter infektiöser Mononukleose werden rein symptomatisch (ggf. nichtsteroidale Antiphlogistika, z. B. Ibuprofen) behandelt. Eine Isolierung von Kindern mit infektiöser Mononukleose ist nicht erforderlich.

Bei Komplikationen (Dyspnoe durch massive Tonsillenhypertrophie, Thrombozytopenie, Anämie) können Steroide (1–2 mg/kg KG/d i. v. oder p. o.) einen günstigen Einfluss haben. Eine Tonsillektomie im Akutstadium einer infektiösen Mononukleose sollte möglichst vermieden werden. Eine antibiotische Therapie ist primär nicht indiziert.

Bei der sehr seltenen Milzruptur ist u. U. eine Milzteilresektion oder Splenektomie erforderlich.

Bei einem lebensbedrohlichen EBV-assoziierten Hämophagozytosesyndrom (VAHS) kann ein Therapieversuch mit Etoposid (VP-16; 150 mg/m2 KOF i. v. 2 × wöchentlich über 2 Wochen, anschließend 1 × wöchentlich), Ciclosporin A oder Steroiden (Dexametason initial 10 mg/m2 KOF/d p. o. oder i. v.) zur Remission führen.

Bei foudroyanter infektiöser Mononukleose (v. a. Knaben mit dem Immundefekt XLP) kann ein Therapieversuch mit Rituximab lebensrettend sein.

Bei dem sehr seltenen Krankheitsbild der chronischaktiven EBV-Infektion (CAEBV) kann in Einzelfällen der therapeutische Einsatz von Interleukin 2, Interferon-α oder -γ oder Virostatika wie Vidarabin oder Ganciclovir vorübergehend erfolgreich sein. Auch eine allogene Stammzelltransplantation ist in Einzelfällen möglicherweise eine Therapieoption. Insgesamt ist die Prognose schlecht (Schuster et al. 2002).

Bei Patienten, die unter immunsuppressiver Therapie (z. B. Methotrexat, Cyclosporin A) EBV-induzierte B-Zell-lymphoproliferative Krankheitsbilder entwickeln, führt eine frühzeitige Dosisreduktion oder das Absetzen des verwendeten immunsuppressiven Medikaments u. U. zu einer Rückbildung der Tumoren.

Die präsymptomatische Therapie mit Ganciclovir kann bei Kindern nach Organtransplantationen (v. a. Lebertransplantation) wahrscheinlich die Häufigkeit von EBV-assoziierten lymphoproliferativen Komplikationen reduzieren. Zum Therapiemonitoring sollte regelmäßig die Viruslast im Blut bestimmt werden. Eine EBV-Negativität des Organempfängers vor Transplantation scheint insgesamt mit einem erhöhten Risiko für EBV-assoziierte lymphoproliferative Krankheitsbilder einherzugehen (Walker et al. 1995).

Eine Immuntherapie (Rituximab, adoptiver Immuntransfer von EBV-spezifischen zytotoxischen T-Lymphozyten) bei schweren lymphoproliferativen Krankheitsverläufen ist auch bei Kindern wirksam und wird in Spezialkliniken durchgeführt.

6. Frühsommermeningoenzephalitis (FSME)

6.1. Klinischer Kontext

Das FSME-Virus gehört zum Genus Flavivirus. Wichtigster Überträger ist die Zecke (Ixodes ricinus). Risikogebiete in Deutschland befinden sich v. a. in Bayern, Baden-Württemberg, Saarland, Hessen und Thüringen (Saale-Holzland-Kreis). In Endemiegebieten sind bis zu 2% der Zecken FSME-infiziert. Das Risiko für eine manifeste FSME-Erkrankung nach Zeckenstich in einem Hochrisikogebiet wird mit 1:600 bis 1:2000 angegeben.

Die Inkubationszeit beträgt in der Regel 10 Tage (3–28 Tage). Nach einer FSME-Infektion besteht lebenslange Immunität.

In 70 bis 90% verläuft eine FSME-Infektion asymptomatisch. Bei 10 bis 30% der Infizierten kommt es nach meist ca. 10 Tagen zu einem grippeähnlichem Krankheitsbild für ca. 3 bis 7 Tage („Sommergrippe”). Bei ca. 10% dieser Personen (Kinder und Jugendliche) tritt nach einem kurzen beschwerdefreien Intervall eine 2. Krankheitsphase (biphasischer Verlauf) mit Fieberanstieg und folgender neurologischer Symptomatik auf:

  • Meningitis (62%)

  • Meningoenzephalitis (38%).

Bei Erwachsenen kann in ca. 10% auch eine Enzephalomyelitis auftreten.

Im Kindes- und Jugendlichenalter verläuft eine FSME-Erkrankung meist gutartiger als bei Erwachsenen.

Nach dem Infektionsschutzgesetz besteht eine Meldepflicht für den direkten und indirekten Nachweis des FSME-Virus.

6.2. Diagnostische Hinweise

Die Diagnose kann bei entsprechender klinischer Symptomatik (DD Neuroborreliose), positiver Zeckenanamnese und bei Aufenthalt in einem Risikogebiet vermutet werden. Gesichert wird sie durch den Nachweis von FSME-spezifischen Antikörpern im Serum. Im Liquor finden sich meist die unspezifischen Befunde einer viralen Menigoenzephalitis (30–500 Leukozyten/mm3, initial vorwiegend Granulozyten, später Lymphozyten; Eiweiß bis 600 mg/dl).

6.3. Management und Therapie

Eine spezifische Therapie existiert nicht. Die symptomatische Behandlung richtet sich nach den Beschwerden.

6.4. Prophylaxe
6.4.1. Expositionsprophylaxe

Nach naturnahem Aufenthalt in Riskogebieten sollte der Körper nach Zecken abgesucht werden. Zecken sollten durch senkrechtes Herausziehen ohne Quetschen und Drehen entfernt werden (z. B. mit Zeckenpinzette).

6.4.2. Impfung

Derzeit stehen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene vier wirksame FSME-Impfstoffe zur Verfügung: FSME-Immun Junior® (vollendetes 1.–16. Lebensjahr), FSME-Immun® (ab dem vollendeten 16. Lebensjahr), Encepur Kinder® (vollendetes 1.–12. Lebensjahr), Encepur Erwachsene® (ab 12. Lebensjahr). In Deutschland wird die FSME-Impfung für Personen empfohlen, die sich in Risikogebieten aufhalten oder durch FSME besonders gefährdet sind (Forstarbeiter, Landwirte etc). Im Kindesalter, v. a. bei Kindern unter 3 Jahren, wird die Indikation für eine FSME-Impfung aufgrund der meist guten Prognose zurückhaltend gestellt.

6.4.3. Passive Immunprophylaxe

Inline graphic Ein FSME-Immunglobulin steht aufgrund seiner Nebenwirkungen nicht mehr zur Verfügung.

7. Herpes-simplex-Virus-(HSV-) Infektionen

7.1. Klinischer Kontext

HSV-1 und HSV-2 gehören zur Gruppe der humanpa-thogenen Herpesviren. Infektionen mit HSV-1 betreffen meist Haut und Schleimhaut in Regionen oberhalb des Nabels. Bevorzugte Lokalisation von Infektionen mit HSV-2 sind Genitale und Hautregionen unterhalb der Gürtellinie. Infektionen des Neugeborenen werden überwiegend durch HSV-2 verursacht. Die Ansteckung erfolgt bei Kindern überwiegend durch infektiösen Speichel (z. B. Gingivostomatitis) und engen Körperkontakt (bei neonataler HSV-Infektion sub partu im Geburtskanal, bei genitalen Manifestationen durch Geschlechtsverkehr). Die Inkubationszeit beträgt 2 bis 12 Tage.

7.1.1. Neonatale Infektionen

Das Risiko einer HSV-Infektion (meist HSV-2) für ein vaginal geborenenes Neugeborenes beträgt im Fall einer primären HSV-Infektion der Mutter ca. 30 bis 50%, bei einer rekurrierenden HSV-Infektion der Mutter < 3%.

Neonatale Infektionen sind immer symptomatisch und verlaufen häufig fatal.

Man unterscheidet drei Formen:

  • lokalisierte Infektion von Haut, Augen und Schleimhäuten

  • Infektion des ZNS

  • disseminierte systemische Infektion mit oder ohne ZNS-Beteiligung.

Klinisch können die Initialsymptome einer neonatalen HSV-Infektion (Hyperexzitabilität, Lethargie, Erbrechen, Apnoen, Zyanose, Ateminsuffizienz etc.) unspezifisch sein und zunächst einer Sepsis ähneln. Etwa zwei Drittel aller symptomatisch erkrankten Neugeborenen zeigen ein bullöses Exanthem. Über 30% der Kinder weisen Herpes-Läsionen in Mund und Rachen auf. Eine Mitbeteiligung des ZNS äußert sich u. a. durch Krampfanfälle, Koma, Opisthotonus. Der Erkrankungsbeginn liegt meist in den ersten 2 Lebenswochen, Spätmanifestationen sind möglich (bis 6. Lebenswoche).

7.1.2. Herpesinfektionen bei Klein-, Schulkindern und Adoleszenten

Die meisten HSV-Infektionen verlaufen asymptomatisch. Die Gingivostomatitis (Stomatitis aphthosa) ist die häufigste klinische Manifestation einer Primärinfektion mit HSV-1 bei Kindern im Alter zwischen 10 Monaten und 3 Jahren. Charakteristisch sind Bläschen und schmerzhafte Aphthen an Wangenschleimhaut, Zahnfleisch, Gaumen, Lippen und perioral.

Bei älteren Kindern und Jugendlichen kann sich eine primäre HSV-Infektion auch als mononukleoseähnliches Krankheitsbild manifestieren. Bei vorbestehender Neurodermitis kann eine primäre HSV-Infektion zu einem Eczema herpeticatum führen. Auch Kinder mit Hautverbrennungen sind diesbezüglich gefährdet. Die HSV-Keratokonjunktivitis geht klinisch einher mit vermehrtem Tränenfluss, Chemosis und Lichtscheu. Gefürchtet ist v. a. die Mitbeteiligung der Hornhaut (Narbenbildung). HSV-1 kann weiterhin ein Erythema exsudativum multiforme auslösen.

Das meist schwere Krankheitsbild der Herpesenzephalitis kann sowohl im Rahmen einer HSV-Primärinfektion als auch einer HSV-Reaktivierung (meist HSV-1) auftreten. Es beginnt häufig mit unspezifischen Symptomen (Fieber, Kopfschmerzen, Krankheitsgefühl), nach 1 bis 7 Tagen kommt es zu einer progressiven neurologischen Symptomatik (fokale oder generalisierte Krampfanfälle, Verhaltensauffälligkeiten, Vigilanzstörungen) bis hin zum Koma. Unbehandelt versterben 70% der Patienten.

Eine primäre HSV-Infektion (meist HSV-2) im Genitalbereich kann zu einer Vulvovaginitis bzw. Balanitis führen.

Inline graphic Bei genitalen HSV-Infektionen im Kleinkindalter muss ein sexueller Missbrauch ausgeschlossen werden!

Nach einer Primärinfektion (Gingivostomatitis, Keratokonjunktivitis, Herpes genitalis) persistiert HSV lebenslang im Wirtsorganismus in latent infizierten sensiblen Spinalganglien. Hier kann das HSV jederzeit reaktiviert werden. Diese Reaktivierung kann sich klinisch in Form eines Herpes labialis (meist HSV-1), einer Keratitis dendritica oder eines rekurrierenden Herpes genitalis (meist HSV-2) manifestieren.

7.1.3. Herpesinfektionen bei eingeschränkter Immunität

Bei Kindern und Jugendlichen mit eingeschränkter zellulärer Immunität (z. B. immunsuppressive Therapie, Stammzell- oder Organtransplantation) können HSV-Primärinfektionen und -Reaktivierungen sehr schwer und disseminiert verlaufen. Häufig sind der Gastrointestinaltrakt (Ösophagitis), der Respirationstrakt (Pneumonie), das ZNS (Enzephalitis) und andere Organe (Leber, Nieren, Milz, Nebennieren) betroffen.

7.2. Diagnostische Hinweise

Die Diagnose einer HSV-Infektion kann bei Auftreten der typischen bläschenförmigen Effloreszenzen im Mund- und Genitalbereich klinisch gestellt werden. In Zweifelsfällen und bei klinischer Indikation wird HSV leicht aus Bläscheninhalt, Schleimhautabstrichen und bioptischem Material isoliert oder mittels PCR nachgewiesen.

Methode der Wahl für die Diagnose einer Herpes-Enzephalitis ist der HSV-Genomnachweis mittels PCR.

Verdächtig für eine Herpes-Enzephalitis bei älteren Kindern ist nicht selten der Nachweis fokaler Veränderungen im Bereich der Temporallappen mittels MRT und EEG. Der serologische Nachweis von spezifischen HSV-Antikörpern im Serum oder Liquor spielt in der Frühdiagnostik von HSV-Infektionen keine Rolle.

7.3. Management und Therapie

Für Herpesinfektionen im Kindes- und Jugendlichenalter steht Aciclovir in verschiedenen Applikationsformen (per os, i. v., topisch) zur Verfügung. Bei Patienten > 18 Jahren kann ein genitaler Herpes gleichwertig auch mit Famciclovir (Primärinfektion: 3 × 250 mg p. o. über 5 Tage; Rezidiv: 2 × 125 mg p. o. über 5 Tage) oder Valaciclovir (2 × 500 mg p. o. über 5 bis 10 Tage) behandelt werden. Bei Aciclovir-resistenten HSV-Stämmen (immunsupprimierte Patienten) kann ein Therapieversuch mit Foscarnet unternommen werden (Tab. 18.2-2 ).

Tab. 18.2-2.

Antivirale Therapie bei Herpesvirus-Infektionen.

Erkrankung Virostatikum (Tagesdosis) Behandlungsdauer (Tage)
Enzephalitis Aciclovir (z. B. Zovirax®) 3 × 15 mg/kg KG*, ** i. v. 21
Neonataler Herpes:
reifes Neugeborenes Aciclovir 3 × 15 (−20) mg/kg KG i. v.* 21
Frühgeborenes (> 32 Gestationswochen) Aciclovir 3 × 15–20 mg/kg KG i. v.* 21
Gingivostomatitis Aciclovir 5 × 15 mg/kg KG p. o. (max. 5 × 200 mg) 7
Herpes labialis ggf. 5 % Aciclovir-Creme, 5 × täglich 5–10
Eczema herpeticatum Aciclovir 3 × 5–10 mg/kg KG*, ** i. v. 7
Mukokutane Infektion bei Aciclovir 5 × 15 mg/kg KG p. o. 7
Immunsuppression
Keratokonjunktivitis Trifluridin-Augentropfen (1 %), -Salbe (2 %) bis 3 Tage nach
Idoxuridin-Augensalbe (0,1 %) vollständiger Abheilung
Aciclovir- oder Vidarabin-Augensalbe (3 %) (Salbe 4-stündlich, Tropfen 2–3-stündlich applizieren)
Herpes genitalis
Erstinfektion, schwere Form Aciclovir 3 × 5 mg/kg KG*, ** i. v. (5)–10
Erstinfektion, Rezidiv Aciclovir 5 × 200 mg p. o. 5–10
Suppressionstherapie bei Aciclovir 2 × 400 oder 4 × 200 mg p. o. 6 Monate bis 2 Jahre
häufigen Rezidiven Famciclovir 2 × 250 mg
Erstepisode oder Rezidive Foscarnet (Foscavir®)*** 3 × 40 mg/kg KG i. v. 2 Wochen
durch Aciclovir-resistente Erhaltungstherapie: 1 × 60–120 mg/kg KG/d i. v.
Stämme bei Immunsuppri- mierten
Prophylaxe bei Organtrans- plantationen Aciclovir 5 × 200 mg p. o. 3 Tage vor bis 6 Wochen nach Transplantation
*

Bei eingeschränkter Nierenfunktion muss die Aciclovir-Dosis reduziert werden.

**

Bei Kindern > 1 Jahr bis 12 Jahre ggf. Dosierung nach Körperoberfläche: 3 × 250–500 mg/m2 KOF/d i. v. (entspricht ca. 3 × 5–10 mg/kg KG/d i. v.).

***

Zugelassen für Patienten > 18 Jahre, Dosierung der Nierenfunktion anpassen.

7.3.1. Mukokutane Infektionen bei Kindern und Jugendlichen

Bei einer ausgeprägten Gingivostomatitis wird die frühzeitige Therapie mit Aciclovir in einer Dosierung von 5 × 15 mg/kg KG/d p. o. für 7 Tage (maximale Tagesdosis 5 × 200 mg) empfohlen (s. Tab. 18.2-2). Zusätzlich erfolgt eine symptomatische Behandlung (z. B. mit Bepanthen- oder Herviros-Lösung).

Auch bei Komplikationen (z. B. Eczema herpeticatum, Herpes-Panaritium), bei schweren Formen der genitalen Herpesvirus-Infektion und bei HSV-Infektionen immunsupprimierter Kinder und Jugendlicher ist Aciclovir das Mittel der Wahl. Es sollte aufgrund der schlechten Bioverfügbarkeit möglichst immer i. v. (3 × 5–10 mg/kg KG/d) verabreicht werden (s. Tab. 18.2-2). Bei der seltenen oralen Therapie ist ausreichend hoch zu dosieren (z. B. bei Kindern < 2 Jahre: 5 × 100 mg; bei Kindern > 2 Jahre: 5 × 200 mg). Die antivirale Therapie sollte möglichst innerhalb von 24 Stunden nach Krankheitsbeginn initiiert werden. Die Wirksamkeit einer topischen Aciclovirbehandlung (Herpes labialis, Herpes-genitalis-Rezidiv) ist letztlich nicht bewiesen.

7.3.2. Herpes-Keratokonjunktivitis

Für eine lokale Therapie stehen mehrere wirksame Substanzen zur Verfügung: Idoxuridin-Augensalbe, Trifluridin-Augentropfen und -salbe, Aciclovir-Augensalbe. Die topische Therapie erfolgt im Allgemeinen bis 3 Tage nach vollständiger Abheilung der Keratitis. Bei Kindern ist die zusätzliche orale Gabe von Aciclovir 20–80 mg/kg KG/d über 10 Tage sinnvoll.

Die Therapie einer Herpes-Keratitis muss in enger Zusammenarbeit mit einem diesbezüglich erfahrenen Ophthalmologen erfolgen!

7.3.3. Neonatale Herpesinfektionen

Aufgrund der guten Verträglichkeit von Aciclovir empfielt die Deutsche Gesellschaft für pädiatrische Infek- tiologie (DGPI) bei einer konnatalen HSV-Infektion des ZNS oder einer disseminierten konnatalen HSV-Infektion Aciclovir in einer Dosierung von 3 × 20 mg/kg KG/d i. v. für die Dauer von 21 Tagen (s. Tab. 18.2-2). Bei einer rein mukokutanen neonatalen HSV-Infektion wird Aciclovir in einer Dosis von 3 × 15 mg/kg KG/d i. v. für die Dauer von 21 Tagen empfohlen. Ob eine anschließende Suppressionstherapie mit Aciclovir (900 mg/m2 KOF/d) Rezidive reduzieren und die Prognose verbessern kann, wird derzeit in Studien untersucht.

Entscheidend ist ein frühzeitiger Therapiebeginn innerhalb der ersten 24 Stunden nach Auftreten der ersten Symptome. Bei jeder unklaren Neugeboreneninfektion mit Bläschenbildung muss immer auch an eine HSV-Infektion gedacht werden und sofort - bis zum Beweis des Gegenteils - wie eine HSV-Infektion mit Aciclovir behandelt werden.

7.3.4. Enzephalitis

Bei jedem Verdacht auf eine Herpes-Enzephalitis muss schnellstmöglich eine Therapie mit Aciclovir begonnen werden.

Die DGPI empfiehlt (aufgrund früherer Therapieversager und Rezidive bei kürzerer Therapiedauer [7–10 Tage] und niedrigerer Dosierung [3 × 10 mg/kg KG/d]) auch wegen der allgemein guten Verträglichkeit des Medikaments, bei einer HSV-Enzephalitis Aciclovir in einer Dosis von 3 × 15 mg/kg KG/d i. v. für 21 Tage zu verabreichen (s. Tab. 18.2-2).

7.4. Prophylaxe

Schwangere mit genitaler HSV-Primärinfektion sollten mit Aciclovir (3 × 400 mg/d p. o.) behandelt werden. Bei Schwangeren mit florider Herpesinfektion im Genitalbereich (Erstinfektion, Rezidiv) am Geburtstermin sollte die Geburt primär durch Kaiserschnitt erfolgen, sofern der Blasensprung nicht länger als 4 bis 6 Stunden zurückliegt.

Eine elektive Sectio caesarea kann das Risiko einer neonatalen HSV-Infektion nur reduzieren, aber nicht vollständig eliminieren.

Mütter mit florider HSV-1-Infektion dürfen nur dann stillen, wenn die Brust frei von frischen HSV-Effloreszenzen ist und andere aktive Läsionen abgedeckt sind. Familienangehörige mit floridem Herpes labialis müssen beim Besuch eines Neugeborenen immer einen Mundschutz tragen und dürfen das Kind nicht küssen. Die labialen Herpesläsionen müssen außerdem vorher mit Aciclovir-Salbe abgedeckt werden. HSV-infizierte, symptomatische, aber auch asymptomatische Neugeborene werden im Krankenhaus für die Dauer der Infektion isoliert.

Eine HSV-Gingivostomatitis bei medizinischem Personal und bei Besuchern verbietet jeglichen Patientenkontakt. Bei Rezidiven (Herpes labialis) muss durch geeignete Maßnahmen (Mundschutz, Händedesinfektion, ggf. Tragen von Handschuhen) eine Virusübertragung auf Patienten ausgeschlossen werden.

Medizinisches Personal mit frischem Herpes labialis darf besonders gefährdete Kinder und Jugendliche (unter immunsuppressiver Therapie, Z. n. Verbrennungen, Kinder mit ausgeprägter Neurodermitis) nicht betreuen.

Kinder mit sehr ausgeprägter Gingivostomatitis sollten vom Kindergarten- oder Schulbesuch fernbleiben. Ein unkomplizierter Herpes labialis dagegen ist keine Kontraindikation für den Kindergarten- oder Schulbesuch.

Eine Langzeit-Chemoprophylaxe mit Aciclovir kann bei immunsupprimierten und transplantierten Patienten die Häufigkeit (und Schwere) von HSV-Infektionen und -Reaktivierungen signifikant senken.

8. Infektionen mit den humanen Herpesviren 6 und 7 (HHV-6, HHV-7)

8.1. Klinischer Kontext

HHV-6 und HHV-7 gehören zur Familie der humanpathogenen Herpesviren. Die Übertragung von HHV-6 und −7 erfolgt überwiegend über infektiösen Speichel. Das mittlere Alter bei symptomatischen HHV-6-Infektionen liegt bei ca. 9 Monaten, bei HHV-7-Infektionen bei 26 Monaten.

HHV-6 und HHV-7 sind die Erreger des Dreitagefiebers (Exanthema subitum). Im Vergleich zu HHV-6 scheint HHV-7 häufiger mit Fieberkrämpfen einherzugehen. Gelegentlich kann eine HHV-6- oder −7-Infektion bei älteren Kindern zu einem Mononukleose-ähnlichen Krankheitsbild führen.

In den meisten Fällen verlaufen HHV-7-Infektionen subklinisch oder gehen mit einem unspezifischen fieberhaften Infekt einher. Die Prognose ist meist exzellent.

Zu den seltenen Komplikationen einer HHV-6-Infektion gehören Meningoenzephalitis, Guillain-Barré-Syndrom, fulminante Hepatitis, Virus-assoziiertes Hämophagozytose-Syndrom sowie Verschlimmerung einer idiopathischen Thrombozytopenie (ITP). Nach Organtransplantation kommt es häufig zu einer Reaktivierung von HHV-6, die möglicherweise zu einer vermehrten Transplantatabstoßung führt.

8.2. Diagnostische Hinweise

Ein Dreitagefieber kann bei typischer Ausprägung klinisch diagnostiziert werden. In unklaren Fällen mit bestehender klinischer Indikation kann die Diagnose einer HHV-6-(oder −7-)Infektion durch den Nachweis von Virus-spezifischen Antikörpern im Serum nachgewiesen werden. Zu beachten ist hierbei, dass Antikörper gegen HHV-7 teilweise auch mit HHV-6 kreuzreagieren können.

Der Liquor von Säuglingen mit Exanthema subitum plus Fieberkrämpfen ist meist normal, nicht selten lässt sich HHV-6-DNA nachweisen. Gelegentlich findet sich im Liquor auch eine leichte Pleozytose mit mononukleären Zellen.

8.3. Management und Therapie

Eine spezifische Therapie existiert nicht. Bei hohem Fieber erfolgt eine symptomatische Fiebersenkung (Flüssigkeit, ggf. nichtsteroidale Antiphlogistika, ggf. Brust- oder Wadenwickel). Besondere hygienische Maßnahmen sind nicht erforderlich.

Bei immunsupprimierten Patienten mit schweren HHV-6-assoziierten Komplikationen (Pneumonie, Enzephalitis) ist ein Therapieversuch mit Foscarnet und/oder Ganciclovir zu erwägen (Chik et al. 2002).

Bei lebensbedrohlichen Verläufen nach Stammzelltransplantation kann ein adoptiver Immuntransfer versucht werden (Yoshihara et al. 2004).

9. Infektionen durch Hepatitisviren

9.1. Hepatitis A
9.1.1. Klinischer Kontext

Das Hepatitis-A-Virus (HAV) ist ein kleines stabiles RNA-Virus und gehört zur Familie der Picorna-Viren. Die Übertragung erfolgt meist fäkal-oral, über kontaminierte Lebensmittel oder Wasser, seltener über infektiöse Blutprodukte oder sexuellen Kontakt. Infizierte Patienten sind 2 Wochen vor bis 1(−2) Wochen nach Krankheitsbeginn (Ikterus) ansteckend. Infizierte Neugeborene können HAV u. U. über Monate ausscheiden. Die Inkubationszeit beträgt im Durchschnitt 28 Tage.

Die meisten Hepatitis-A-Virus-(HAV-)Infektionen im Kindesalter verlaufen subklinisch.

Die klinisch apparente Hepatitis A beginnt akut mit unspezifischen Symptomen wie Fieber, Übelkeit, Erbrechen, Abgeschlagenheit, Durchfall und Bauchschmerzen. Nach einigen Tagen tritt vor allem bei älteren Kindern der typische Ikterus auf, die Allgemeinsymptome bilden sich zeitgleich schnell zurück. Eine fulminante Hepatitis A ist extrem selten, die Letalität beträgt hierbei ca. 40%.

9.1.2. Diagnostische Hinweise

Die Diagnose wird durch den Nachweis von virusspezifischen Antikörpern im Serum (anti-HAV-IgM und -IgG) gesichert.

9.1.3. Management und Therapie

Eine kausale Therapie gibt es nicht. Bettruhe und spezielle Diäten haben keinen Einfluss auf den Krankheitsverlauf und sind daher nicht indiziert. Symptomatische Maßnahmen richten sich ausschließlich nach den jeweiligen Beschwerden. Lebertoxische Medikamente (z. B. Valproat) sind zu vermeiden.

Im seltenen Fall einer fulminanten Hepatitis ist eine Lebertransplantation zu erwägen.

9.1.4. Prophylaxe

Die Hepatitis-A-Impfung (zugelassen ab einem Alter von 12 Monaten) kann eine HAV-Wildvirusinfektion wirksam verhindern. Sie wird allen potenziell gefährdeten immungesunden Personen (u. a. seronegatives Personal in medizinischen Einrichtungen und Kindertagestätten, Reisende in Regionen mit hoher HAV-Prävalenz, Patienten mit chronischer Hepatitis C) empfohlen. Bereits 2 Wochen nach der 1. Impfung sind über 95% der Geimpften geschützt. Diese Impfung schützt auch dann noch, wenn sie - nach Exposition mit HAV-Wildvirus - in der frühen Inkubationszeit, d. h. innerhalb der ersten Woche gegeben wird (sog. Riegelungsimpfung).

Eine postexpositionelle Prophylaxe mit Immunglobulinen (anti-HAV-IgG-Titer mind. 100 IU/ml; Dosierung: 0,02–0,06 ml/kg KG i. m.) wird heute nur noch dann empfohlen, wenn die Riegelungsimpfung (s. o.) nicht möglich ist (Kinder < 12 Monate, Exposition bereits vor > 1 Woche). Die Immunglobuline sollten frühestmöglich nach Exposition verabreicht werden; werden sie erst nach 10(−14) Tagen gegeben, ist keine Wirkung mehr zu erwarten. Eine Immunprophylaxe des Neugeborenen erscheint nur sinnvoll, wenn die Mutter in einem Zeitraum von 3 Wochen vor bis 3 Wochen nach Geburt an einer Hepatitis A erkrankt. Stillen ist erlaubt.

Jede akute Virushepatitis (A-E) ist namentlich bei Verdacht, Erkrankung oder Tod meldepflichtig, außerdem ist der direkte und indirekte Erregernachweis vom Labor namentlich zu melden (Infektionsschutzgesetz).

Zur Vermeidung von Schmierinfektionen gehören allgemeine Hygienemaßnahmen wie gute Körperhygiene, sorgfältiges Händewaschen und die Desinfektion von kontaminierten Gegenständen. Im Krankenhaus sollte der Patient für bis zu 2 Wochen isoliert werden. Eine Behandlung zu Hause ist möglich. Patienten mit Hepatitis A können Gemeinschaftseinrichtungen 2 Wochen nach Beginn der klinischen Symptome (Ikterus) wieder besuchen.

9.2. Hepatitis B
9.2.1. Klinischer Kontext

Das Hepatitis-B-Virus (HBV) gehört zur Familie der Hepadna-Viren. HBV enthält eine zirkuläre, teilweise doppelsträngige DNA sowie drei wichtige Antigene: HBsAg, HBcAg, HBeAg. Aufgrund der hohen Mutationsrate des HBV sind HBV-Mutanten (z. B. Prä-Core-Mutanten, S-Varianten) nicht selten.

Wichtigste Infektionsquelle für Kinder ist die vertikale Infektion sub partu. Die horizontale Übertragung von HBV erfolgt durch Kontakt mit infektiösem Blut oder Blutprodukten sowie, bei sexuell aktiven Jugendlichen und Erwachsenen, durch Geschlechtsverkehr. In Deutschland sind ca. 0,3 bis 0,5% der Bevölkerung Träger des HBsAg. Die Inkubationszeit beträgt etwa 90 Tage (40–180 Tage).

In den meisten Fällen (70–75%) verläuft eine HBV-Infektion asymptomatisch oder subklinisch. Klinisch kann die akute Hepatitis B der Hepatitis A ähneln. Nicht selten treten extrahepatische Manifestationen auf wie z. B.:

  • Arthralgien

  • Exantheme (u. a. Gianotti-Crosti-Syndrom)

  • Myalgien

  • Vaskulitiden

  • Kryoglobulinämie

  • Glomerulonephritiden

  • Myo- oder Perikarditis.

Eine fulminante Hepatitis tritt in 1% der manifesten Hepatitis B auf. Ein Teil dieser Patienten ist gleichzeitig mit dem Hepatitis-D-Virus (HDV) infiziert.

Die chronische Hepatitis B ist durch eine HBsAg-Trägerschaft von > 6 Monaten gekennzeichnet. Die Chronifizierungsrate ist altersabhängig. Sie beträgt bei Neugeborenen bis zu 95%, bei ein- bis fünfjährigen Kindern 25 bis 40% und bei Schulkindern und Erwachsenen ca. 5 bis 10%. Die erste Phase der chronischen Hepatitis B ist charakterisiert durch eine hochreplikative Form (hohe Viruslast, normale oder erhöhte Transaminasen), gefolgt von einer gering replikativen Form (meist normale Transaminasen, Nachweis von anti-HBe).

Histologisch werden die chronisch-aktive, chronischpersistierende und minimale Hepatitis unterschieden. Asymptomatische HBsAg-Träger zeigen keine wesentlichen histologischen Leberveränderungen, aber eine hohe Viruslast im Blut. Im Spontanverlauf kommt es zu einer Serokonversion zu anti-HBs (= Heilung der chronischen Hepatitis) in < 0,3%/Jahr, zu anti-HBe in 8 bis 10%/Jahr bei postpartaler Infektion, in 2,5%/Jahr bei vertikaler Infektion und in ca. 2,5%/Jahr bei Patienten mit onkologischen Erkrankungen. Das Risiko für eine Leberzirrhose nach ca. 20 Jahren liegt bei bis zu 20%.

Es wird geschätzt, dass 0,3 bis 0,4% aller Schwangeren in Deutschland, d. h. etwa 2100 bis 2900 Schwangere/Jahr, HBsAG-Trägerinnen sind. Die Infektionsrate sub partu von Neugeborenen HBsAG-positiver Mütter schwankt zwischen 10% (Mutter anti-HBe-positiv) und über 90% (Mutter zusätzlich HBeAG-positiv).

9.2.2. Diagnostische Hinweise

Die Diagnose und der Verlauf einer HBV-Infektion lassen sich anhand des Erscheinens und Verschwindens der viralen Antigene (HBsAg, HBcAg, HBeAg) und antiviraler Antikörper (anti-HBs, anti-HBc, anti-HBe) überprüfen. Anhand des „Profils” der im Serum nachgewiesenen Virusantigene und -antikörper können Aussagen über den Zeitpunkt der Infektion, Aktivität und mögliche Chronizität der Erkrankung gemacht werden. Wichtigste Marker der aktiven Virusreplikation (und damit Infektiosität) sind HBeAg und HBV-DNA im Blut. Als Verlaufsparameter ist die Bestimmung der Viruslast (quantitative Bestimmung von HBV-DNA mittels PCR) am besten geeignet.

9.2.3. Management und Therapie

Eine effektive kausale Therapie gibt es nicht. Kortikosteroide sind zu vermeiden, da sie u. a. eine Chronifizierung induzieren können.

Gemäß nationalem und internationalem Konsens besteht bei Kindern und Jugendlichen mit chronischer Hepatitis B mit erhöhten Transaminasen eine Indikation für die Therapie mit Interferon-α-2b (Tab. 18.2-3 ), sofern keine Kontraindikationen (Autoimmunerkrankungen, Leberzirrhose, Gravidität, ausgeprägte Leukozytopenie oder Thrombozytopenie) vorliegen.

Tab. 18.2-3.

Spezifische Therapie der chronischen Hepatitis B.

Wirkstoff Dosierung Indikation Behandlungskosten
α-Interferon 2b
  • 5(−6) Mio E/m2 KOF s. c.

  • 3 × pro Woche über 6 Mo- nate (max. 72 Dosen, für Kinder nicht zugelassen)

  • erhöhte Transaminasen

  • >

    50 U/l, Viruslast

  • <

    1000 pg/ml, Infektions- weg nicht vertikal, keine

  • Kontraindikationen (Autoimmunerkrankungen, Leberzirrhose, Schwanger- schaft)

  • ca. f 6000,00/m2 KOF

  • (Medikament) + ca. f 4000 (Labor- und Arztkosten)

alternativ: pegyliertes 1,5 μg/kg KG s. c. 1 ×/Woche (bisher keine Studien, nicht zugelassen für Kinder)
(= Retardform) Interferon- α −2b (Peg Intron®)
Lamivudin (Zeffix®) 3 mg/kg KG/d p. o. (max. 100 mg/d) über 1 Jahr (Präparat seit 1999 für Erwachsenezugelassen) erfolglose frühere Inter- feron-Behandlung oder pro- gressive Lebererkrankung, HbeAg-minus-Varianten mit hoher Virusreplikation, Versuch bei fulminanter Hepatitis B, vor und nach Lebertrans- plantation (bei nachgewie- sener Hepatitis B) ca. 44 €/kg KG pro Jahr

Die Serokonversionsrate zu anti-HBe liegt bei 20 bis 40%, zu anti-HBs nur bei 6 bis 10%. Fast alle Kinder zeigen unter einer Interferon-Therapie Nebenwirkungen, meist sind dies grippeähnliche Symptome. Schwere Nebenwirkungen (Neutropenie, Krampfanfälle, Epistaxis) sind selten und klingen nach Absetzen der Therapie ab.

Eine zweite Interferon-α-2b-Therapie ist meist ohne positiven Effekt. Die Therapie mit retardiertem Interferon (pegyliertes Interferon-α-2b) ist wahrscheinlich ebenso effektiv wie mit normalem Interferon-α-2b; Letztere hat aber den Vorteil, dass sie nur einmal pro Woche verabreicht werden muss. Diesbezügliche Studien bei Kindern sind noch nicht abgeschlossen.

Bei Kindern mit besonders komplizierten Verläufen einer Hepatitis B (hohe Entzündungsaktivität in der Leber, Infektion mit HBeAg-minus-Mutante mit hoher Virusreplikation, fulminante Hepatitis B, vor und nach Lebertransplantation) kann im Rahmen einer Studie oder als individueller Heilversuch eine Behandlung mit Lamivudin (3 mg/kg KG/d [max. 100 mg/d] über 1 Jahr) versucht werden (Tab. 18.2-3). Die Serokonversionsrate zu anti-HBe liegt hier allerdings nur bei 5 bis 23%, zu anti-HBs bei < 5%. Unter einer Lamivudin-Behandlung entwickeln sich nach einem Jahr häufig (ca. 25%) resistente Virusmutanten.

Nach derzeitigem Kenntnisstand bietet die Kombinationstherapie Interferon-α-2b zusammen mit Lamivudin keine entscheidenden Vorteile im Vergleich zur jeweiligen Monotherapie.

Möglicherweise kann die tägliche orale Gabe von Vitamin E eine Progredienz der Hepatitis B verhindern. Diesbezüglich läuft derzeit eine Studie an Kindern (Kontakt: wirth@klinikum-wuppertal.de).

Für die Primärtherapie der chronischen Hepatitis B bei Erwachsenen steht seit kurzem Adefovir (Hepsera®) gleichwertig zur Verfügung. Möglicherweise ist diese Substanz nach entsprechender Prüfung auch bei Kindern einsetzbar.

Aktuelle Informationen zur Therapie der Hepatitis B im Kindesalter sind unter http://www.hepatitis-kinder.de/hepatitis_b.html abrufbar.

9.2.4. Prophylaxe

Hygienische Maßnahmen können perkutane und mukokutane Infektionen verhindern. Beim Umgang mit Blut und anderem infektiösem Material sind Handschuhe und Einmalgeräte zu verwenden. Eine Isolierung von HBs-Ag-positiven Patienten im Krankenhaus ist nicht erforderlich. Infektiöse Schwangere sollten allerdings in einem separaten Kreißsaal entbinden. HBsAg-positives Krankenhauspersonal stellt für Pa- tienten insgesamt ein geringes Risiko dar. HBsAg-positive Kinder dürfen Gemeinschaftseinrichtungen (Kindergarten, Schule) besuchen. Gruppenmitglieder in diesen Einrichtungen sollten - falls noch nicht im Rahmen der Grundimmunisierung bereits geschehenaktiv geimpft werden.

Die Hepatitis-B-Impfung (rekombinantes HBsAg) gehört zu den Standardimpfungen für alle Kinder und für Jugendliche (siehe STIKO-Empfehlungen, www.rki.de).

Weitere Indikationen sind seronegative Risikopersonen, z. B. Angestellte im Gesundheitswesen. Die Impfung schützt nicht gegen eine Infektion mit bestimmten Virusvarianten, bei denen das HBsAG mutiert ist.

Neugeborene HBsAg-positiver Mütter erhalten sofort nach Geburt, spätestens 12 Stunden postnatal simultan die erste Hepatitis-B-Impfung sowie kontralateral 1 ml Hepatitis-B-Immunglobulin i. m. Nach 4 Wochen und 6 Monaten erfolgen die zweite und die dritte Impfung. Geimpfte Neugeborene dürfen gestillt werden. Mutter und Kind müssen nach Geburt nicht isoliert oder voneinander getrennt werden.

Bei empfänglichen Personen (keine vorherige Impfung, fehlende oder erniedrigte anti-HBs-Antikörper) wird nach Kontakt mit virushaltigem Blut oder Sekret (Schleimhäute, Schnitt- oder Stichverletzung, Geschlechtsverkehr) schnellstmöglich (spätestens innerhalb von 12 h) Hepatitis-B-Immunglobulin i. m. verabreicht (= Postexpositionsprophylaxe). Gleichzeitig sollte immer auch aktiv geimpft werden.

Patienten mit chronischer Hepatitis B und fehlender Immunität gegen Hepatitis A sollten unbedingt gegen Hepatitis A geimpft werden.

9.3. Hepatitis C
9.3.1. Klinischer Kontext

Das Hepatitis-C-Virus (HCV) ist ein RNA-Virus aus der Gruppe der Flaviviren. In Mitteleuropa kommen v. a. die Genotypen Ia und Ib (> 75%) vor, gefolgt von den Genotypen 2 und 3. Circa 0,2 bis 0,8% der deutschen Bevölkerung sind seropositiv für HCV. Die Übertragung erfolgt überwiegend durch i. v. Drogenabusus oder Geschlechtsverkehr. Andere Ansteckungsquellen sind eher selten (Dialyse, Haushaltskontakte, Blutprodukte, Immunglobulinpräparate). Die Inkubationszeit beträgt ca. 8 Wochen (2–26 Wochen).

Klinisch kann eine Hepatitis C nicht von einer Hepatitis A oder B unterschieden werden. Die meisten Infektionen im Kindesalter verlaufen asymptomatisch. Symptomatische Infektionen sind meist mild und im Beginn schleichend. Die Chronifizierungsrate liegt bei Erwachsenen bei mindestens 60%, sie ist im Kindesalter möglicherweise niedriger. Circa 20% der erwachsenen Patienten mit chronischer Hepatitis C entwickeln nach 10 bis 20 Jahren eine Leberzirrhose. Bis zu 35% dieser Gruppe entwickelt innerhalb von 5 bis 10 Jahren ein hepatozelluläres Karzinom.

9.3.2. Diagnostische Hinweise

Die Diagnose wird durch den serologischen Nachweis von spezifischen Serum-Antikörpern (anti-HCV) und/oder dem Virusnachweis im Blut oder Leberbioptat (PCR) gestellt.

9.3.3. Management und Therapie

Bei Kindern und Jugendlichen mit gesicherter chronischer Hepatitis C und nachgewiesener Virämie kann die Indikation für eine Kombinationstherapie mit α-Interferon 2b und Ribavirin gestellt werden (Tab. 18.2-4 ). Positive Prädiktoren für einen Therapieerfolg sind v. a. der HCV-Genotyp (Erfolgsaussichten bei Genotyp 2 und 3 in > 80%, bei Genotyp 1 in ca. 40%) und möglicherweise die Virusmenge im Serum. Keine Prädiktoren sind der Übertragungsweg (horizontal vs. vertikal), die Dauer der Infektion und die Höhe der Transaminasen.

Tab. 18.2-4.

Spezifische Therapie der chronischen Hepatitis C.

Wirkstoff Dosierung Behandlungskosten
α -Interferon 2b 3–5 Mio. E/m2 KOF s. c. 3 ×/Woche über 12 Monate (für Kinder nicht zu- gelassen) für ein Jahr: ca. €10 000/m2 KOF
alternativ im Rahmen einer Studie*: Peginterferon α-2b (Peg Intron®) 1,5 μg/kg KG s. c. einmal pro Woche)
plus
Ribavirin (Rebetol®) 15 mg/kg KG/d p. o. für mind.
6 Monate

Eine Therapie gilt als wirksam, wenn 6 Monate nach Therapiebeginn keine Virus-RNA mehr im Blut nachweisbar ist und auch nach Therapieende eine anhaltende Viruselimination fortbesteht. Die Standardtherapie bei Erwachsenen besteht seit kurzem in der Kombination von pegyliertem Interferon-α-2b, das nur einmal pro Woche verabreicht werden muss, und Ribavirin. Hierdurch ergab sich eine Anhebung der Ansprechrate um 10%. Aus diesem Grund wird derzeit eine Studie mit dieser Kombinationstherapie auch an Kindern und Jugendlichen durchgeführt. Für eine diesbezügliche Therapie in Frage kommende Kinder und Jugendliche mit chronischer Hepatitis C sollten nur im Rahmen dieser Studie behandelt werden.

9.3.4. Prophylaxe

Eine Impfung oder Immunprophylaxe existiert nicht. Zu den expositionsprophylaktischen Maßnahmen gehören: strenge Indikationsstellung für Bluttransfusionen und für die Gabe von Blutprodukten, Verwendung von gentechnologisch hergestellten Blutfaktoren. Blutprodukte sollten möglichst von einem seronegativen und HCV-RNA-negativen Spenderpool stammen und virusinaktiviert sein. HCV-infizierte Mütter mit niedriger oder nicht mehr nachweisbarer Viruslast können nach entsprechender Aufklärung ihr Kind stillen, auch wenn nach heutigem Kenntnisstand ein geringes Restrisiko besteht. Bei anti-HCV-positiven immunkompetenten Schwangeren kann die Entbindung vaginal erfolgen. Eine vertikale Infektion erfolgt bei durchschnittlich 4% der Kinder von Müttern mit aktiver HCV-Infektion.

9.4. Hepatitis D

Das Hepatitis-D-Virus (HDV), ein defektes RNA-Virus, ist zu seiner Replikation auf HBV angewiesen. Die Übertragungsmechanismen entsprechen denen des HBV und führen entweder zu einer gleichzeitigen Ko-Infektion oder zu einer Superinfektion von chronischen HBsAg-Trägern. In Deutschland ist im Kindesalter mit einer Durchseuchung von ca. 3% zu rechnen. Das Risiko für eine chronisch-aktive Hepatitis oder eine fulminanten Hepatitis ist höher als bei der alleinigen Hepatitis B.

Die Diagnose einer HDV-Infektion wird durch den Nachweis von anti-HDV-Antikörpern gesichert.

Eine wirksame Therapie oder Immunprophylaxe gibt es nicht.

Die Impfung gegen Hepatitis B schützt auch vor einer Hepatitis D.

Die sonstigen prophylaktischen Maßnahmen sind identisch mit denen bei Hepatitis B.

9.5. Hepatitis E

Das Hepatitis-E-Virus (HEV) ist ein RNA-Virus aus der Gruppe der Caliciviren. Der Übertragungsweg ist ähnlich wie bei Hepatitis A. Epidemien treten v. a. in Südostasien, Mittelamerika und Zentralafrika auf.

Das klinische Bild ähnelt dem der Hepatitis A, der Verlauf ist allerdings häufig schwerer. In Endemieländern (Länder des mittleren und fernen Ostens, v. a. in Regionen mit schlechten hygienischen Verhältnissen) ist die Hepatitis E in der Schwangerschaft aus noch unklaren Gründen mit einer hohen Letalität (20%) assoziiert. Die Übertragung erfolgt wie bei der Hepatitis A auf fäkal-oralem Weg.

Die Verdachtsdiagnose wird durch den Nachweis von virusspezifischen Antikörpern im Serum (anti-HEV-IgM und/oder -IgG) oder den Erregernachweis (HEV-RNA) im Stuhl gesichert.

Eine spezifische Therapie und Immunprophylaxe gibt es nicht. Es gelten dieselben Hygienemaßnahmen wie bei Hepatitis A.

Schwangere sollten nicht in endemische Gebiete reisen.

10. HIV-Infektion
10.1. Klinischer Kontext

Das HIV (für: „human immunodeficiency virus”) gehört zur Gruppe der Retroviren. Es existieren zwei Haupttypen (HIV-1 und HIV-2). In Europa und Nordamerika kommen praktisch nur HIV-1-Varianten vor. Die Zahl der HIV-Infizierten in Deutschland seit 1982 wird auf insgesamt 75000 geschätzt. Seit 1982 bis 2005 sind 31500 Personen an AIDS erkrankt, darunter befanden sich weniger als 150 Kinder. Insgesamt machen vertikale HIV-Infektionen (Mutter-Kind) in Deutschland weniger als 1% aller HIV-Infektionen aus. Im Jahr 2005 infizierten sich < 23 Kinder mit dem HI-Virus (Stand: 1. 3. 2006, Robert-Koch-Institut).

Jugendliche, die sich durch ungeschützten Geschlechtsverkehr oder bei Drogenabusus durch kontaminierte Nadeln infizieren, spielen heute bei Neuerkrankungen zahlenmäßig keine große Rolle mehr.

Das humane Immundefizienz-Virus (HIV) verursacht eine chronische Infektionskrankheit, die durch einen zunehmenden Immundefekt (Abfall der CD4+-T-Zellen) gekennzeichnet ist.

Die klinische Symptomatik bei horizontal HIV-infizierten Jugendlichen (Infektion durch Geschlechtsverkehr oder durch kontaminierte Blutprodukte) entspricht im Wesentlichen dem Bild bei Erwachsenen. Der natürliche Verlauf bei vertikal HIV-infizierten Kindern variiert sehr stark. Ohne Therapie erkranken bereits ca. 30% dieser Kinder in den ersten drei Lebensjahren, meist schon innerhalb des ersten Lebensjahres, an AIDS-definierenden Krankheiten. Sie haben eine schlechte Prognose. Dagegen tritt bei einem großen Teil der Kinder die klinische Verschlechterung erst im Grundschul- oder Schulalter auf. Prädiktive Parameter für eine schlechte Prognose sind u. a. eine hohe Viruslast im Blut und ein schneller Abfall der CD4+-T-Zellen.

10.2. Diagnostische Hinweise

Die Diagnose einer horizontalen HIV-Infektion erfolgt durch den Nachweis HIV-spezifischer Antikörper im Serum (ELISA, Immunoblot). Bei Kindern mit Verdacht auf eine vertikale HIV-Infektion erfolgt die Diagnose durch den Nachweis des Virusgenoms (HIV-RNA oder -DNA) im Blut mit sensitiven molekularbiologischen Methoden (PCR).

10.3. Management und Therapie
10.3.1. Antiretrovirale Therapie

Derzeit ist eine Heilung von AIDS und die Eliminierung des HIV bei Kindern und Erwachsenen noch nicht möglich. Therapieziel sind Lebensverlängerung und Verbesserung der Lebensqualität. Die moderne HIV-Therapie besteht in der möglichst effektiven Unterdrückung der HIV-Replikation. Dies kann durch die regelmäßige Einnahme einer Kombination von mindestens drei antiretroviral wirksamen Substanzen über einen längeren Zeitraum erreicht werden.

Eine Indikation für eine antiretrovirale Therapie besteht nach derzeitiger Richtlinie der Pädiatrischen Arbeitsgemeinschaft AIDS (PAAD) bei mindestens einer der folgenden Voraussetzungen:

  • Alle HIV-infizierten Kinder in einem Krankheitsstadium der klinischen Kategorie B (= mäßig schwere Symptome, CDC-Klassifikation) und C (AIDS-definierende Erkrankungen bei Kindern < 13 Jahren, CDC-Klassifikation). Die Behandlung von Kindern in Kategorie A (u. a. Lymphadenopathie, Hepatosplenomegalie, Dermatitis) ist derzeit noch umstritten.

  • Alle Kinder in den immunologischen Kategorien 2 (CD4+-T-Zellen 15–25% = mäßiger Immundefekt) und 3 (CD4+-T-Zellen < 15% = schwerer Immundefekt) (CDC-Klassifikation 1994) sollten behandelt werden.

  • Virologische Kriterien: Hierzu gehört eine hohe Viruslast bei Säuglingen ab 4 Monaten. Bei Säuglingen bis 4 Monate erscheint eine Therapie unabhängig von der Viruslast möglicherweise sinnvoll, sie ist derzeit allerdings umstritten. Pharmakokinetische Daten sind nicht verfügbar (Wintergerst et al. 2003).

Bislang nicht antiretroviral vorbehandelte Patienten im Alter zwischen 1 Monat und 18 Jahren sollten primär im Rahmen der europäischen PENTA-Studien (Sharland et al. 2004; http://www.ctu.mrc.ac.uk/penta/guidelines.htm) behandelt werden.

Kontakt: MRC HIV Clinical Trials Centre, D.Gibb; Fax: 0044–2076 704 818, E-Mail: diana.gibb@ctu.mrc.ac.uk.

Bei fehlenden Einschlusskriterien für die PENTA-Studien sollte mindestens eine Kombination aus zwei Nukleosidanaloga (NRTI) und einem Protease-Inhibitor (PI) oder einem Nicht-Nukleosid-Reverse-Transkriptase-Hemmer (NNRTI) gegeben werden (Tab. 18.2-5 ).

Tab. 18.2-5.

Antiretrovirale Therapeutika bei Kindern und wichtigste Nebenwirkungen*.

Medikament Tagesdosis Wichtigste Nebenwirkungen
(K) = Kinderformulierung verfügbar
Nukleosidische Reverse-Transkriptase-Hemmer (NRTI)
Abacavir (Ziagen®) 2 × 8 mg/kg KG (K) Hypersensitivitätsreaktion (ca. 3 %)
Didanosin (DDI, Videx®) 1 × 200 mg/m2 KOF (K) Neugeborene 2 × 50 mg/KOF Neuropathie, Pankreatitis
Lamivudin (3TC, Epivir®) 2 × 4 mg/kg KG (K) Neugeborene 2 × 2 mg/kg KG selten Leukozytopenie
Stavudin (d4T, Zerit®) 2 × 1 mg/kg KG (K) periphere Neuropathie, Lipodystrophie, Neuropathie
Zalcitabin (DDC, Hivid®) 2 × 0,15 mg/kg KG periphere Neuropathie, Pankreatitis
Zidovudin (AZT, Retrovir®) 2 × 180 mg/m2 (K) Anämie, Leukozytopenie
Neugeborene 4 × 2 mg/kg KG
Nicht-Nukleosid-Reverse-Transkriptase-Hemmer (NNRTI)
Efavirenz (Sustiva®) 10–15 mg/kg KG Exanthem, Albträume, Aggressivität
Delavirdin** = 2 × 16–20 mg/kg KG Exanthem
Nevirapin (Viramune®) 2 Mo. bis 8 J.: (K) für 2 Wochen 1 × 4 mg/kg KG, danach 2 × 7 mg/kg KG Exanthem, Lebertoxizität
8–16 J.: für 2 Wochen 1 × 4 mg/kg KG, danach 2 × 4 mg/kg KG
> 16 J.: für 2 Wochen 200 mg/d, danach
2 × 200 mg/d
Inhibitoren der HIV-Protease
Amprenavir (Agenerase®) 2 × 20 mg/kg KG (K) als Lösung 2 × 22,5 mg/kg KG gastrointestinale Beschwerden, Cholesterol- und Triglyzeridanstieg
Indinavir (Crixivan®) = 2 × 450 mg/m2 KOF Nierensteine, Erbrechen, Leukozyturie
Nelfinavir (Viracept®) 2 × 55 mg/kg KG (K) Neugeborene ≈ 2 × 75 mg/kg KG Durchfälle, Lipodystrophie, Hypertriglyzeridämie
Ritonavir (Norvir®) 2 × 400 mg/m2 KOF (K) Parästhesien, abdominelle Beschwerden, Triglyzerid- und Cholesterol-Anstieg
Saquinavir (Invirase®) 3 × 33–50 mg/kg KG Diarrhö, Übelkeit
Lopinavir (Kaletra®) 2 × 230–300 mg/m2 KOF (K) Diarrhö, Cholesterol- und Triglyzerid- anstieg

KOF = Körperoberfläche; KG = Körpergewicht

*

Nicht alle Medikamente sind zur Therapie im Kindesalter zugelassen. Evtl. Heilversuche mit nicht zugelassenen Präparaten sind entsprechend dem Arzneimittelrecht anzuzeigen.

**

Bisher nicht in Deutschland zugelassen.

Als NRTI-Kombinationen liegen im Kindesalter die meisten Erfahrungen für Zidovudin + Didanosin, Zidovudin + Lamivudin, Stavudin + Didanosin sowie Stavudin + Lamivudin vor. Bei den Protease-Inhibitoren zeigt Nelfinavir das günstigste Nebenwirkungsprofil und verursacht die geringsten Compliance-Probleme.

Die Therapie wird als effektiv angesehen, wenn die HIV-Viruslast innerhalb von 6 Monaten um wenigstens 1,5 log-Stufen abgefallen ist (Niehues et al. 1999). Als Therapieversagen werden die klinische Progression zur nächsten CDC-Kategorie (von B nach C), eine Enzephalopathie, Gedeihstörungen oder andere Komplikationen der Grunderkrankung oder ein Abfall der CD4+-T Zellen um mehr als 30% vom Ausgangswert innerhalb von 6 Monaten angesehen. Auch ein Anstieg der HIV-Viruslast um mehr als 1 log-Stufe über den Nadir ist ein Hinweis für eine ineffektive Behandlung. Gegebenenfalls ist dann eine Therapieumstellung sinnvoll.

Inline graphic Vor einer Therapieumstellung sollte allerdings immer die Compliance überprüft werden.

Die Betreuung von HIV-infizierten Kindern erfordert sehr viel Erfahrung und Spezialkenntnisse und sollte nur von einem pädiatrischen Infektiologen bzw. Immunologen durchgeführt werden. Bei der Auswahl und Kombination der Medikamente richte man sich unbedingt nach den Empfehlungen der entsprechenden Arbeitsgemeinschaften.

10.4. Prophylaxe

Bei Auftreten von rezidivierenden viralen und bakteriellen Infektionen kann die i. v. Gabe von Immunglobulinen (400 mg/kg KG alle 4 Wochen) versucht werden. Profitieren dürften v. a. symptomatische Kinder, bei denen die antiretrovirale Therapie ausgeschöpft ist und deren CD4+-T-Zellzahl auf < 200/μl abgefallen ist. Hoch dosierte Immunglobuline (1 g/kg KG per infusionem) helfen meist auch bei der HIV-assoziierten Autoimmunthrombozytopenie.

Die früher häufigste opportunistische Infektion, die Pneumocystis-jiroveci-Pneumonie (PCP), lässt sich durch orale Gabe von Co-trimoxazol (Trimethoprim 150 mg/m2 KOF + Sulfamethoxazol 750 mg/m2 KOF p. o. an 3 aufeinander folgenden Tagen pro Woche) zu fast 100% vermeiden.

HIV-infizierte Kinder sollten entsprechend den STIKO-Empfehlungen zeitgerecht mit den empfohlenen Totimpfungen und zusätzlich gegen Pneumo-kokken und Influenza geimpft werden. Bei asymptomatischen Kindern wird auch die MMR-Impfung empfohlen. Die Varizellen-Impfung kann in dieser Gruppe erwogen werden, sofern noch eine ausreichende zelluläre Immunität besteht (CD4+-T-Zellen ≥ 25%).

Transmissionsprophylaxe bei HIV-positiven Müttern. Zur Senkung der vertikalen Transmissionsrate sollten nach den derzeitigen Empfehlungen alle bisher nicht behandelten HIV-positiven Schwangeren ab der vollendeten 32. SSW mit Zidovudin (AZT, 500 mg/d p. o.) behandelt werden. Nach der vollendeten 36. SSW erfolgt die Geburt durch eine elektive Sectio. Unter der Geburt erhält die Mutter Zidovudin per infusionem (2 mg/kg KG über 1 h, anschließend 1 mg/kg KG/h bis zur Geburt). Das Neugeborene wird in den ersten Lebenswochen mit Zidovudin (4 × 1,3 mg/kg KG/d i. v. für 10 Tage oder alternativ mit 4 × 2 mg/kg KG/d p. o. für 2–4 Wochen) behandelt (Deutsch-Österreichische Empfehlungen zur HIV-Therapie in der Schwangerschaft, Robert-Koch-Institut, Stand Juni 2005, Internet: http://www.rki.de/cln_006/nn_334606/DE/Content/InfAZ/H/HIVAIDS/Therapie/Leitlinien/D_A_schwanger_06_05.html#10). Diese Vorgehensweise senkt die in Studien ermittelte Transmissionsrate von ca. 15% ohne Prophylaxe auf unter 1%.

Anschließend ist eine engmaschige Nachsorge dieser Kinder unabdingbar. Bei Kindern HIV-1-positiver Mütter sind zwei negative HIV-1-PCR-Befunde (einmal vor und einmal nach dem 4. Lebensmonat) zum Ausschluss einer HIV-1-Infektion zu fordern. Die erste HIV-PCR sollte möglichst schon im ersten Lebensmonat erfolgen, um bei HIV-Positivität frühestmöglich mit einer Pneumocystis-jiroveci-Prophylaxe und einer antiviralen Therapie beginnen zu können. Auch bei negativen HIV-1-PCR-Befunden soll das Verschwinden der mütterlichen Antikörper bei HIV-1-ex-ponierten Kindern mindestens einmal dokumentiert werden (Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts, Stand Juni 2005).

11. Masern

Durch konsequente Impfprogramme konnten Masern mittlerweile in einigen Ländern fast vollständig eliminiert werden (z. B. in Nord- und Südamerika, England, Schweden und Finnland). Aufgrund mangelnder Durchimpfungsraten treten Masern in Deutschland noch immer in größeren Epidemien auf.

Masernviren gehören zu den Paramyxoviren. Sie werden v. a. als Tröpfcheninfektion übertragen. Die Patienten sind 3–5 Tage vor Ausbruch des Exanthems bis 4 Tage danach infektiös. Die Inkubationszeit bis zum Auftreten der Prodromi beträgt 8–12 Tage. Die Erkrankung beginnt mit hohem Fieber und uncharakteristischen katarrhalischen Symptomen (Prodromalstadium). Gleichzeitig oder 1–2 Tage später treten feine, kalkspritzerartige Stippchen an der Wangenschleimhaut auf (Koplik-Flecken). Nach vorübergehendem Fieberabfall kommt es 3–4 Tage später erneut zu hohem Fieberanstieg und Exanthemausbruch. Das makulopapulöse Exanthem beginnt hinter den Ohren und im Gesicht und breitet sich weiter zentrifugal über den ganzen Körper bis zu den Füßen aus. Nach dem 3. Exanthemtag folgt bei unkomplizierten Verläufen rasche Entfieberung und Abblassen des Exanthems.

Masern sind häufig eine ernste und gefährliche Krankheit. Todesfälle kommen besonders im Säuglingsalter, bei älteren Probanden und besonders bei immundefizienten Patienten vor.

Zu den wichtigsten Komplikationen gehören:

  • bakterielle Sekundärinfektionen

  • akute Masern-Enzephalitis (1:500–1:2000; Letalität 20%, bis 30% Residualschäden)

  • subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE) (> 1:100000)

  • bei immunsupprimierten Patienten: Masern-Einschlusskörperchen-Enzephalitis (MIBE), Riesenzellpneumonie, „weiße” Masern ohne Exanthem.

Es existiert keine etablierte antivirale Therapie. Die Behandlung ist rein symptomatisch.

Bei schweren Krankheitsverläufen (Masernpneumonie, MIBE) kann in Einzelfällen ein Therapieversuch mit Ribavirin i. v. zusammen mit Immunglobulinen unternommen werden. Es gibt hierzu allerdings noch keine kontrollierten Studien. In den Ländern der Dritten Welt wird Vitamin A bei akuten Masern verabreicht (Dosierung: maximal 200000 IE p. o. über 2 Tage). Hierdurch konnte die Letalität gesenkt werden. Bakterielle Zweitinfektionen erfordern den Einsatz von Antibiotika (z. B. Cephalosporine).

Der klinische Verlauf der SSPE ist meist katastrophal, Therapieversuche mit Inosin (z. B. Delimmun®) und intraventrikulärer Gabe von Interferon-α sind bisher enttäuschend.

Die Masernimpfung kann das spätere Auftreten einer subakuten sklerosierenden Panenzephalitis (SSPE) nach derzeitigem Wissensstand zu 100% verhindern.

Alle Kinder (Ausnahme: Patienten mit schwerer Einschränkung der zellulären Immunität) sollen zweimal gegen Masern geimpft werden (STIKO-Standardimpfung). Als Impfstoff der Wahl gilt die MMR- oder die MMRV-Vakzine.

Durch den Lebendimpfstoff kann auch der Ausbruch von Wildmasern wirksam unterdrückt werden, wenn dieser innerhalb der ersten 3 Tage nach Exposition verabreicht wird (Inkubationsimpfung).

Bei abwehrgeschwächten Patienten und chronisch kranken Kindern ist die Prophylaxe von Masern auch mit humanen Immunglobulinen möglich.

Eine Hühnereiweißallergie ist keine Kontraindikation gegen eine MMR-Impfung.

Nach §6 Infektionsschutzgesetz ist der Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie der Tod an Masern namentlich an das zuständige Gesundheitsamt zu melden.

12. Mumps

Nach Tröpcheninfektion beträgt die Inkubationszeit 2 bis 4 Wochen. Infektiosität besteht bereits 5 Tage vor der Parotisschwellung und hält bis 8 Tage nach Abschwellung an. Die Kontagiosität ist hoch, die Manifestationsrate liegt hingegen nur bei etwa 50%. In diesem Fall verläuft die Infektion mit dem Mumps-Virus subklinisch oder unter dem Bild einer grippalen Infektion mit Fieber und leichten katarrhalischen Symptomen.

Folgende klinische Manifestationen treten auf:

  • Parotitis (30–40%, meist bilateral)

  • Pankreatitis

  • seröse Meningitis (3–10%)

  • Mumpsorchitis (bis zu 30% der mumpsinfizierten Adoleszenten und jungen Männer)

  • weitere seltene Manifestationen: Mumpsenzephalitis (50% Dauerschäden!), Uveitis, Myokarditis und Arthritis.

Eine akute Infektion kann durch die Bestimmung Mumps-spezifischer IgM-Antikörper im Serum nachgewiesen werden. Eine spezifische Therapie existiert nicht. Auch eine symptomatische Behandlung ist selten erforderlich. Bei schweren Verläufen (Enzephalitis, Orchitis) sind u. U. Kortikosteroide indiziert.

Bei Patienten mit Mumps-Orchitis kann eine frühzeitige systemische Therapie mit Interferon α-2b für 1 Woche z. T. eine spätere Sterilität verhindern.

Alle Kinder (sowie noch seronegative Adoleszente und Erwachsene) sollten zweimal gegen Mumps geimpft werden. Spezielle Immunglobuline zur passiven Immunisierung stehen nicht zur Verfügung. Gemeinschaftseinrichtungen dürfen 9 Tage nach Beginn der Parotitis wieder besucht werden.

13. Papillomavirus-Infektionen

13.1. Klinischer Kontext

Papillomaviren sind kleine DNA-Viren aus der Familie der Papovaviren. Die Ansteckung erfolgt meist durch direkten Kontakt. Eine Autoinokulation durch Kratzen ist möglich. Larynxpapillome sind selten. Die Übertragung erfolgt in diesem Fall sub partu durch die genitale HPV-Infektion der Mutter. Genitale HPV werden meist durch Geschlechtsverkehr, seltener durch Schmierinfektion übertragen.

Humane Papillomaviren (HPV) verursachen Haut- (gemeine und plantare Warzen, filiforme Warzen, juvenile Warzen) und Schleimhautwarzen (spitze Kondylome [= Condylomata acuminata] oder plane Kondylome [= Condylomata plana]) sowie laryngeale oder orale Papillome. Bestimmte HPV-Typen (HPV 16, 18, 31, 33) sind bei der Entstehung von Zervix-, Penis- und Analkarzinomen wahrscheinlich ursächlich beteiligt.

13.2. Diagnostische Hinweise

Kutane Warzen und Larynxpapillome werden klinisch diagnostiziert.

Inline graphic Bei Nachweis von Warzen im Anogenitalbereich bei Mädchen und Jungen sollte auch an sexuellen Misssbrauch gedacht werden und entsprechende weitere diesbezügliche Untersuchungen veranlasst werden!

Der Nachweis und die Typisierung von Papillomviren in genitalen Warzen erfolgt mittels molekularbiologischer Methoden (u. a. PCR).

13.3. Management und Therapie

Warzen und Papillome zeigen häufig eine spontane Rückbildungstendenz (über 60% innerhalb von 2 Jahren). Eine abwartende Haltung ist daher - abhängig von der klinischen Symptomatik und der Lokalisation der Warzen - in vielen Fällen gerechtfertigt.

Ein gehäuftes Wiederauftreten ist bei eingeschränkter Immunität (Immundefekt, immunsuppressive Therapie, HIV-Infektion) und bei Schwangerschaft bekannt. Hautwarzen können durch Kontaktkryotherapie (10–30 s mit Flüssigstickstoff) oder durch eine keratolytische Lokalbehandlung (Präparationen mit Salizylat und Laktat) behandelt werden (z. B. Verrumal®-Lösung). Filiforme Warzen werden scharf chirurgisch im Hautniveau exzidiert.

Bei periungualen Warzen kommen neben den o. g. Maßnahmen die Anwendung von Silbernitrat oder die Abtragung mit dem CO2-Laser in Betracht.

Larynxpapillome werden, vor allem bei entsprechenden Atembeschwerden, bevorzugt mittels CO2-Laser behandelt. Wegen der hohen Rezidivneigung muss dies meist mehrmals wiederholt werden. Durch zusätzliche Injektionen von Cidofovir in die Papillomläsionen scheint die Rezidivrate geringer auszufallen. Unterstützend kann zur Proliferationshemmung lokal oder systemisch Interferon-α oder -β eingesetzt werden. Während der Pubertät kommt es nicht selten zu einer Spontanregression.

Inline graphic Die Therapie der Condylomata acuminata ist schwierig und sollte immer von einem diesbezüglich Erfahrenen durchgeführt werden!

Empfohlen werden u. a.: lokal Podophyllin (5–20%), Podophyllotoxin 0,5% (z. B. Condylox®), Fluorouracilsalbe (z. B. Efudix®-Salbe, Verrumal®-Lösung), Lokaltherapie mit Elektrokauter, Kryotherapie oder CO2-Laser; Interferon-α (IFN-α), IFN-β und -γ systemisch, intraläsonal oder als Gel perkutan. Imiquimod (Aldara® 5% Creme) hat sich in der Therapie anogenitaler Warzen bewährt, wird aber auch bei therapierefraktären HPV-Infektionen anderer Lokalisationen eingesetzt.

AWMF-Leitlinien zur Therapie von Condylomata acuminata und anderen HPV-assoziierten Krankheitsbildern des Genitale und der Harnröhre siehe unter: http://www.uni-duesseldorf.de/AWMF/ll/std-001.htm.

13.4. Prophylaxe

Bei genitalen Warzen sollten die Patienten und deren Eltern auf das Schmierinfektionsrisiko hingewiesen werden. Bei sexuell aktiven Jugendlichen ist eine diesbezügliche Beratung (Infektionsschutz durch Kondome) sowie ggf. eine Partnerbehandlung notwendig. Bei Schwangeren mit Condylomata acuminata sollten 4 Wochen vor Geburt die Läsionen abgetragen werden. Bei zum Geburtszeitpunkt bestehenden genitalen Kondylomen wird von manchen Autoren die Indikation zur Schnittentbindung diskutiert.

Ein Impfstoff gegen HPV-16/-18 zum Schutz vor HPV-16/-18-induziertem Zervikalkarzinom ist derzeit in der klinischen Erprobung.

14. Parainfluenza-Virusinfektionen

Parainfluenza-Virusinfektionen betreffen praktisch ausschließlich die Atemwege (Infektkrupp, Bronchiolitis, Pneumonie, Rhinitis, Pharyngitis, Otitis media).

Bei immunsupprimierten Patienten können Parainfluenza-Infektionen äußerst schwer (Riesenzellpneumonie!) verlaufen.

Die Übertragung erfolgt aerogen (Niesen, Husten) oder durch Kontakt mit virushaltigem Sekret. Die Inkubationszeit beträgt 2 bis 4 Tage. Eine spezifische Diagnostik (aufwändiger direkter Virusnachweis) ist meist nicht notwendig.

Die Therapie ist rein symptomatisch. Bei immunsupprimierten Kindern mit schwerer Parainfluenza-Virusinfektion (Pneumonie) kann ein Therapieversuch mit Ribavirin unternommen werden. Bezüglich Hygienemaßnahmen gelten die gleichen Empfehlungen wie für RSV-Infektionen. Eine Impfung existiert nicht.

15. Parvovirus B19

15.1. Klinischer Kontext

Parvovirus B19 ist das kleinste humanpathogene Virus. Es repliziert sich vor allem in Erythroblasten. Die Durchseuchungrate im Erwachsenenalter liegt bei ca. 50 bis 70%.

Die Übertragung erfolgt aerogen durch infektiöse Tröpfchen, über kontaminierte Hände, durch infektiöse Blutprodukte sowie diaplazentar (konnatale Infektion). Die Inkubationszeit beträgt 4 bis 14 Tage.

Die Infektiosität ist 4 bis 10 Tage nach Beginn der Inkubation am höchsten. Mit Auftreten des Exanthems besteht praktisch keine Ansteckungsgefahr mehr!

In den meisten Fällen verläuft eine Parvovirus-B19-Infektion klinisch stumm. In bis zu 20% manifestiert sich die Infektion als Ringelröteln. Bei älteren Jugendlichen und Erwachsenen können vaskulitische Exantheme an Händen und Füßen auftreten („glove and sock syndrome”). Zu den Komplikationen gehören Arthralgien und Arthritiden. Selten kann eine Parvovirus-B19-Infektion zu einer schweren Myokarditis führen.

Eine Parvovirus-B19-Primärinfektion in der Schwangerschaft führt in bis zu 10% auch zu einer Infektion des Fetus. Meist ist diese fetale Infektion klinisch stumm, in bis zu 6,5% der Fälle kommt es zum Abort. In < 1% tritt ein Hydrops fetalis auf (v. a. 13.–20. SSW).

Bei Patienten mit hämolytischen Anämien führt eine B19-Primärinfektion u. U. zu einer lebensbedrohlichen aplastischen Krise (Retikulozytopenie!).

15.2. Diagnostische Hinweise

Bei typischem Exanthem kann die Diagnose klinisch gestellt werden. Bei unklaren Fällen kann sie durch den Nachweis von Parvovirus-B19-spezifischen Antikörpern im Serum oder durch den Erregernachweis im Blut (PCR) gesichert werden.

15.3. Management und Therapie

Eine spezifische Therapie existiert nicht. Kinder mit Parvovirus-B19-induzierter schwerer akuter aplastischer Krise oder immunsupprimierte Kinder mit chronischer virusbedingter Anämie müssen ggf. transfundiert werden.

Die i. v. Gabe von Immunglobulinen kann bei immundefizienten Kindern mit Antikörpermangel eine B19-Infektion abmildern. Immunkompetente Kinder mit Exanthem sind bereits nicht mehr ansteckend und brauchen deshalb nicht isoliert zu werden.

Inline graphic Kinder mit B19-Infektion und hämatologischen Grunderkrankungen (u. a. Leukämien, hämolytische Anämien) sind über einen längeren Zeitraum hochinfektiös und müssen isoliert werden.

Bei akut B19-infizierten Schwangeren sollten wöchentliche Ultraschallkontrollen durchgeführt werden. Bei Nachweis eines Hydrops fetalis sowie einer fetalen Anämie (Punktion der Nabelschnurarterie) werden wiederholte intrauterine Erythrozytentransfusionen durchgeführt, um das Leben des Kindes zu retten. Parvoviren sind außerordentlich stabil. Gründliches Händewaschen ist daher äußerst wichtig, um nosokomiale Infektionen zu verhindern.

16. Poliomyelitis

Durch weltweite Impfprogramme ist die Erkrankung heute in den meisten Ländern eradiziert. In Deutschland tritt die Poliomyelitis zurzeit nur noch als „importierte” Form (letzter gemeldeter Fall: 1992) oder als Impfpoliomyelitis (1–3 Fälle pro Jahr; nur nach Impfung mit Sabin-Lebendvakzine) auf. Die Übertragung des Virus erfolgt überwiegend auf fäkal-oralem Weg.

In den meisten Fällen verläuft eine Poliovirus-Infektion asymptomatisch. In 4 bis 8% tritt, v. a. bei Kleinkindern, nach einer Poliovirus-Infektion eine abortive Poliomyelitis („minor illness”) auf. Ein Teil dieser Patienten entwickelt nach einem beschwerdefreien Intervall von ca. 1 Woche eine 2. Krankheitsphase mit zwei möglichen Krankheitsbildern („major illness”): nichtparalytische Poliomyelitis oder paralytische Poliomyelitis.

Die Diagnose wird durch den Nachweis von Poliovirus-Antikörpern im Serum und/oder den direkten Virusnachweis (Isolierung, RT-PCR) aus Stuhl, Rachenspülwasser und Liquor gesichert.

Eine etablierte antivirale Therapie existiert nicht. Die Behandlung ist rein symptomatisch. Bei Schluck- und Atemstörungen ist eine frühzeitige intensivmedizinische Betreuung erforderlich. Bei der paralytischen Form sollten immer geeignete Rehabilitationsmaßnahmen folgen. Patienten mit Poliomyelitis sowie asymptomatische Poliovirusausscheider sind enterisch zu isolieren.

Eine Poliomyelitis kann durch aktive Immunisierung (inaktiviertes trivalentes Poliovirus) zu 100% verhindert werden.

Krankheitsverdacht, Erkrankung und Tod sowie der direkt und indirekte Erregernachweis sind gemäß Infektionsschutzgesetz meldepflichtig.

17. Respiratory-Syncytial-Virus-(RSV-)Infektionen

17.1. Klinischer Kontext

RS-Viren sind RNA-Viren aus der Familie der Paramyxoviren. RSV tritt ubiquitär auf. Der Mensch ist der einzige Wirt. Die größte Morbidität besteht in den ersten 2 Lebensjahren.

Die Übertragung erfolgt aerogen durch infektiöse Tröpfchen sowie durch Schmierinfektionen. RSV-Epidemien treten v. a. zwischen Oktober und Mai auf (siehe hierzu aktuelle Informationen im Internet: www.pid-ari-net). Die Inkubationszeit beträgt 3 bis 6 Tage. Die Virusausscheidung beträgt bei immunkompetenten Kindern 3 bis 8 Tage, bei Frühgeborenen bis 4 Wochen, bei immunsupprimierten Patienten noch länger.

Bei Kindern unter 2 Jahren verläuft die RSV-Primärinfektion in ca. 40% symptomatisch, meist mit den klinischen Zeichen einer Infektion der unteren Atemwege. Am häufigsten manifestiert sich die RSV-Primärinfektion als Pneumonie, etwas seltener als Bronchiolitis. In ca. 5% findet sich eine Krupp-Symptomatik.

Besonders gefährdet durch schwere Krankheitsverläufe sind Frügeborene und Kinder mit schweren Grunderkrankungen (bronchopulmonale Dysplasie, Herzfehler, Immundefizienz).

17.2. Diagnostische Hinweise

Die Diagnose basiert auf der klinischen Symptomatik, dem zeitlichen Hintergrund (Winterhalbjahr? bekannte RSV-Epidemie?), der Altersverteilung (Kind < 2 Jahre) und letztlich dem Virusnachweis in Nasopharyngealsekret (v. a. RSV-Antigen-Schnelltests).

17.3. Managment und Therapie

Die Behandlung ist überwiegend symptomatisch. Im Vordergrund steht die intensivmedizinische Betreuung (ggf. Gabe von Sauerstoff, ggf. pharyngealer CPAP oder Intubation und kontrollierte Beatmung) der meist schwer kranken Kinder.

Symptomatisch können Bronchodilatatoren (race-misches Epinephrin, Adrenalin oder β2-Sympathomimetika) verabreicht werden. Die erste Inhalation sollte unter pulsoximetrischen Kontrollen durchgeführt werden, da in Einzelfällen adverse Effekte auftreten. Der systemische Einsatz von Kortikosteroiden (0,6–6 mg/kg KG/d Prednisolonäquivalent) zusätzlich zu Bronchodilatatoren kann vorteilhaft sein, ist aber derzeit nicht unumstritten.

Nur in wenigen Ausnahmefällen (frühzeitige und eindeutige Diagnosestellung, Früh- und Neugeborene mit hohem Risiko für Komplikationen [z. B. BPD, Herzfehler]) kann eine antivirale Therapie mit Ribavirin (Virazole®) (Inhalation über eine Haube für 3 × 2 h; Konzentration der Lösung: 60 mg/ml) erwogen werden. Bei beatmeten Kindern ist diese Therapie problematisch, da das Medikament im Beatmungssystem ausfällt.

17.4. Prophylaxe

RSV-positive Kinder sollten im Krankenhaus kohortiert und von eigenem Pflegepersonal betreut werden. Weiterhin ist auf strikte Händedesinfektion nach jedem Kontakt mit diesen Kindern zu achten.

Inline graphic Wichtig ist, dass in Familien mit Risikokindern nicht geraucht wird.

Eine passive Immunisierung von durch RSV gefährdeten Kindern ist seit einigen Jahren möglich durch die wiederholte Gabe von Palivizumab (Synagis®, monoklonaler humanisierter Antikörper gegen RSV) in einer Dosierung von 15 mg/kg KG i. m. während der „RSV-Saison” (1. Gabe zu Epidemiebeginn, danach noch 4 × in monatlichen Abständen).

Die Indikation zu dieser Immunprophylaxe sollte sich an den kindlichen Risikofaktoren und anhand der aktuellen lokalen epidemiologischen Daten (Hospitalisierungsrate, Epidemiebeginn und -dauer) orientieren. Entsprechend einer Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (http://www.DGPI.de/home/frame.html) sollen v. a. Kinder unter 24 Lebensmonaten, die wegen bronchopulmonaler Dysplasie bis wenigstens drei Monate vor der RSV-Saison behandelt wurden (z. B. mit Sauerstoff und/oder Pharmakotherapie) diese Prophylaxe bekommen. Weiterhin empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie (http://www.dgkj.de/452.html) die Prophylaxe einer RS-Virus-Infektion mit Palivizumab bei Säuglingen und Kleinkindern (unter 2 Jahren) mit hämodynamisch bedeutsamem Vitium. Darin eingeschlossen sind relevante Linksrechts- und Rechts-links-Shunt-Vitien und Patienten mit pulmonaler Hypertonie oder pulmonalvenöser Stauung.

Die Kosten pro Saison (= 5-malige Gabe von Palivizumab) liegen bei einem 3300 g schweren Kind bei ca. 4500 € (Apothekenpreis).

18. Rhinovirus-Infektionen

18.1. Klinischer Kontext

Rhinoviren gehören zur Familie der Picorna-Viren. Es finden sich jahreszeitliche Häufungen von Rhinovirusinfektionen am Herbstanfang und Winterende. Die Übertragung erfolgt hauptsächlich in Form von Aerosolen (Niesen), daneben durch Schmierinfektion mit virushaltigen Sekreten. Die Inkubationszeit beträgt 2 bis 5 Tage.

Rhinovirus-Infektionen verursachen vorwiegend „Erkältungskrankheiten” („common cold”) mit einer meist nur geringen allgemeinen klinischen Beein- trächtigung. Hauptsymptome sind Schnupfen, Husten und Halsschmerzen. Im Vergleich zu Erwachsenen zeigen Kinder häufiger eine Mitbeteiligung der unteren Atemwege. Im Säuglingsalter sind Rhinoviren nach RSV die häufigsten Erreger von obstruktiven Erkrankungen der unteren Atemwege.

18.2. Diagnostische Hinweise

Die Diagnose kann klinisch vermutet werden. Ähnliche Symptome können allerdings auch durch andere Respirationstraktviren (RSV, Parainfluenza- und Influenzua-Virus) verursacht werden. Eine weitere Labordiagnostik ist meist nicht sinnvoll.

18.3. Management und Therapie

Eine kausale Therapie existiert nicht. Die Behandlung ist rein symptomatisch. Bei ausgeprägten katarrhalischen Beschwerden können physiologische Kochsalzlösung oder abschwellende Nasentropfen (z. B. Xylometazolin) für einige Tage verabreicht werden. Zur Vermeidung der Übertragung während der Pflege ist hygienisches Händewaschen im Allgemeinen ausreichend.

Zinkpräparate haben sich in verschiedenen Studien als unwirksam erwiesen.

19. Röteln

Nach Einführung der Rötelnimpfung sind Röteln-Wildvirus-Infektionen selten geworden.

In 25 bis 50% der Fälle verläuft die Wild-Infektion subklinisch. Bei symptomatischen Verläufen kommt es nach der Inkubationszeit von 2 bis 3 Wochen zu einer meist symmetrischen Schwellung der zervikalen und nuchalen Lymphknoten mit mäßigen Allgemeinerscheinungen wie leichtem Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, Halsschmerzen und Konjunktivitis. Einige Tage später folgt dann ein kleinfleckiges Exanthem, das hinter den Ohren beginnt und sich rasch über den Körper ausbreitet.

Komplikationen: Polyarthralgie/Polyarthritis (ältere Mädchen, junge Frauen), postinfektiöse, thrombozytopenische Purpura, akute Rötelnenzephalitis, progressive Rötelnpanenzephalitis (PRP).

Hauptkomplikation von Röteln bei Schwangeren: Rötelnembryofetopathie.

Die Diagnose einer Rötelninfektion wird durch einen 4-fachen Titeranstieg im Hämagglutinationshemmtest (HHT) (aus 2 Serumproben) oder durch den Nachweis von rötelnspezifischem IgM mittels Enzymimmunassay (ELISA) gesichert.

Es gibt keine spezifische Therapie. Alle Kinder (Mädchen und Jungen!) sollen zweimal gegen Röteln geimpft werden. Hinzu kommt die Überprüfung der Rötelnserologie bei allen Frauen im gebärfähigen Alter. Bei Seronegativen erfolgt eine nochmalige Impfung mit Erfolgskontrolle!

Wenn eine seronegative Schwangere mit Röteln in Kontakt gekommen ist, kann versucht werden, eine Rötelninfektion durch die früzeitige Gabe (innerhalb von max. 72 h nach Exposition) von Immunglobulinen zu verhindern. Diese Maßnahme ist allerdings nicht sicher. Ein spezifisches Röteln-Immunglobulin steht nicht zur Verfügung. Sollte es trotzdem bei der Schwangeren zu einer Röteln-Infektion kommen (Titeanstieg), muss man auch von einer intrauterinen Infektion ausgehen. Aufgrund der schlechten Prognose (Embryofetopathie) ist ggf. ein Schwangerschaftsabbruch zu diskutieren.

Ein Titer von > 1:32 im HHT gilt als sicherer Schutz.

Kinder mit Röteln werden im Krankenhaus bis zum 7. Tag nach Exanthembeginn isoliert. Säuglinge mit konnatalen Röteln müssen bis zum Ende des 1. Lebensjahres als infektiös betrachtet werden. Entsprechend dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) ist der direkte oder indirekte Nachweis des Rubellavirus bei konnatalen Infektionen nichtnamentlich direkt an das Robert-Koch-Institut zu melden:

Nationales Referenzzentrum für Masern, Mumps, Röteln, Robert-Koch-Institut, Nordufer 20, 13353 Berlin, Leitung: Frau PD Dr. A. Mankertz, Tel.: 01888/754–2516; Fax: 01888/7542–598.

20. Rotavirus-Infektionen

Rotaviren sind die häufigste Ursache von akuten Gastroenteritiden bei Säuglingen und Kleinkindern.

In der Mehrzahl der Fälle kommt es hierbei zu einer unterschiedlich ausgeprägten, meist isotonen, selten einer hypertonen Dehydratation. Bei immundefizienten Kindern kann eine Rotavirus-Infektion chronisch und schwer verlaufen. In sehr seltenen Fällen können Rotavirus-Infektionen auch zu einer Enzephalitis und zu Krampfanfällen mit und ohne Fieber führen. Die Übertragung erfolgt fäkal-oral. Rotaviren sind hochinfektiös. Bereits wenige Viruspartikel können zu einer symptomatischen Infektion führen. Die Inkubationszeit beträgt 1 bis 4 Tage.

In der Regel ist eine orale Substitution von Flüssigkeit und Elektrolyten ausreichend. Nur in seltenen Fällen ist eine i. v. Flüssigkeitszufuhr erforderlich. Eine virustatische Therapie existiert nicht.

Antibiotika und Mittel, die die Darmmotilität hemmen, sind nicht indiziert.

  • Probiotika (Lactobacillus GG) können den Verlauf und die Schwere von Rotavirus-Enteritiden günstig beeinflussen. In Deutschland ist seit 2004 eine Lactobacillus-GG-haltige orale Rehydratationslösung (InfectoDiarrstop® LGG) erhältlich. Bei leichtem Durchfall erhalten Säuglinge und Kinder unter 2 Jahren 1–2 × 200 ml dieser Lösung pro Tag für die Dauer von 3 Tagen, Kinder ab 2 Jahre 2–3 × 200 ml dieser Lösung über den Tag verteilt für 3 Tage. Bei mittelschwerem und schwerem Durchfall werden innerhalb der ersten 4 bis 6 Stunden 50–100 ml dieser Lösung verabreicht.

  • Per os verabreichtes humanes Immunglobulin oder bovines Kolostrum mit einem hohen Anteil von Rotavirus-spezifischen Antikörpern können bei Neugeborenen die Dauer und Schwere einer Rotavirus-Enteritis verkürzen.

  • Bei epidemischem Auftreten eines Serotyps mit aktuell hoher Pathogenität kann versucht werden, Frühgeborene durch die tägliche orale (!) Gabe von 4 × 500 mg humanem IgG (Präparat zur i. m. Injektion) vor Erkrankung zu schützen. Neuere Studien über die Wirksamkeit dieser Maßnahmen gibt es allerdings nicht.

Im Krankenhaus sollen erkrankte Kinder isoliert und von separaten Pflegepersonen versorgt werden (enterische Isolation). Eltern, die zur Betreuung ihrer Kinder mit in ein Krankenhaus aufgenommen werden, müssen sich den geltenden Hygienevorschriften mit unterziehen.

In der häuslichen Pflege ist eine gründliche Händehygiene ausreichend. Die zusätzliche Verwendung von Handschuhen ist nur für den Windelwechsel notwendig. Kinder unter 6 Jahren, die an einer infektiösen Gastroenteritis erkrankt oder dessen verdächtig sind, dürfen Gemeinschaftseinrichtungen nicht besuchen. Seit 2006 sind in Deutschland zwei sehr wirksame und verträgliche Rotavirus-Schluckimpfstoffe (RotaTeq®, Rotarix®) zugelassen, die parallel zur Grundimmunisierung im Säuglingsalter verabreicht werden können. Der Nachweis von Rotaviren ist namentlich meldepflichtig, ebenso die Häufung von nosokomialen Rotavirusinfektionen.

21. Tollwut

21.1. Klinischer Kontext

Die Krankheit - eine weltweit verbreitete Zoonose - wird durch neurotrope Viren der Familie der Rhabdoviren verursacht. Das Tollwutvirus wird durch infektiösen Speichel bei Kratz- und Bisswunden von infizierten Tieren (Füchse, Hunde, Fledermäuse, Katzen u. a.) übertragen. Die Inkubationszeit beträgt in der Regel 3 bis 8 Wochen. Sie ist abhängig von der Lokalisation der Bissstelle (cave: Gesicht, Augenregion!) und der inokulierten Virusmenge. Bei Kindern ist die Inkubationszeit kürzer.

Die Symptomatik beginnt meist mit unspezifischen Symptomen am Inokulationsort (lokale Schmerzen u. a.). Später kommen Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Fieber hinzu. Mit fortschreitender Erkrankung treten Erregungszustände, Halluzinationen, Muskelkrämpfe und Tremor auf. Nach wenigen Tagen stellt sich ein paralytisches Stadium mit schlaffen Paresen ein. Tollwutverdächtige Symptome sind Hypersalivation, Hydro- und Aerophobie, Photophobie und aggressive Beißbewegungen.

Ohne intensivmedizinische Maßnahmen dauert die manifeste klinische Symptomatik meist 2 bis 6 Tage an, Todesursachen sind zentrale oder periphere Ateminsuffizienz oder Herzversagen.

Tollwut endet immer letal.

21.2. Diagnostische Hinweise

Die Verdachtsdiagnose einer Tollwutinfektion ergibt sich u. a. aus den Begleitumständen der Infektion (auffälliges Verhalten des beißenden Tieres) und der klinischen Symptomatik. Das Tollwutvirus kann in der Haut (oberhalb des Nackens), im Speichel, im Liquor und (post mortem) im Hirngewebe nachgewiesen werden. Lyssa-spezifische Serumantikörper lassen sich erst ab dem 10. Krankheitstag nachweisen. Bei mit Tollwut infizierten Tieren endet die Krankheit innerhalb 4 bis 8 Tagen tödlich.

21.3. Management und Therapie

Die kontaminierte Wunde sollte sofort und ausgiebig mit Seifenlösung oder Wasser gereinigt („Auswaschen des Erregers”) und mit Alkohol oder einem jodhaltigen Desinfektionsmittel desinfiziert werden. Tiefe Bisswunden können mittels Kathetern gespült werden. Gegebenenfalls muss eine Wundexzision durchgeführt werden. Anschließend erfolgt - bei hohem Erkrankungsrisiko - sofort simultan eine passive und aktive Immunisierung:

  • Tollwut-Immunglobulin (z. B. Berirab®, Tollwutglobulin Mérieux S. 20 IE/kg KG), 50% in und um die Bisswunde infiltrieren, 50% intragluteal injizieren

  • Tollwut-Impfstoff (z. B. Rabivac®, Rabipur®) an den Tagen 0, 7, 14, 30 und 90.

Das beißende Tier sollte - wenn möglich − 10 Tage lang eingesperrt werden. Ein mit Tollwut infiziertes Tier muss nach dieser Zeit typische Tollwutsymptome zeigen und nach einigen Tagen verenden.

Nach §6 Infektionsschutzgesetz (IfSG) besteht eine namentliche Meldepflicht für die Verletzung eines Menschen durch ein tollwutkrankes, -verdächtiges oder -ansteckungsverdächtiges Tier sowie die Berührung eines solchen Tieres oder Tierkörpers.

Entsprechend §7 IfSG ist der direkte oder indirekte Nachweis des Rabiesvirus meldepflichtig.

Konsiliarlaboratorium für Tollwut: Universitätsklinikum Essen, Institut für Virologie, Hufelandstr. 55, 45122 Essen, Ansprechpartner: Herr Dr. R. S. Roß/Herr Prof. Dr. M. Roggendorf, Tel.: 0201/723–3561/-3550, Fax: 0201/723–5929, E-Mail: stefan.ross@uni-essen.de, E-Mail: roggendorf@uni-essen.de.

22. Varicella-Zoster-Virus-(VZV-)Infektionen

22.1. Klinischer Kontext

Das VZV gehört zur Gruppe der humanpathogenen Herpesviren. VZV kommt ubiquitär vor und ist hochkontagiös. Erregerreservoir ist ausschließlich der Mensch. Die Ansteckung mit VZV erfolgt überwiegend durch direkten Kontakt von Mensch zu Mensch, seltener aerogen. Die Infektiosität bei Varizellen beginnt 1 bis 2 Tage vor Auftreten des Exanthems und endet ca. 5 Tage nach Auftreten der ersten frischen Bläschen (immunkompetente Kinder). Der Herpes zoster ist weniger kontagiös als Varizellen.

Die Inkubationszeit bei Varizellen beträgt meist 14 bis 16 Tage, sie kann auf 10 Tage verkürzt oder bis auf 21 Tage verlängert sein. Nach Gabe von VZV-Immunglobulin kann die Inkubationszeit sogar bis zu 28 Tage dauern

Die Primärinfektion mit VZV führt zum typischen klinischen Bild der Windpocken (Varizellen). Häufigste Komplikationen sind:

  • bakterielle Superinfektionen der VZV-Effloreszenzen (v. a. Staphylokokken und Streptokokken)

  • Atemwegserkrankungen (Pneumonie, Bronchitis) und Otitis media

  • neurologische Komplikationen (Meningitis, Zerebellitis, Enzephalitis, zerebrale Insulte).

Die Zerebellitis (Häufigkeit ca. 1:5000) manifestiert sich in Form einer Ataxie am Ende der ersten oder zu Beginn der 2. Krankheitswoche. Die Prognose ist gut. Die Enzephalitis (Häufigkeit ca. 1:40000) hat meist eine schlechte Prognose. Sie geht einher mit Krampfanfällen, Bewusstlosigkeit mit Exitus letalis oder ausgeprägten Defektheilungen.

Nach einer VZV-Primärinfektion persistiert das Virus lebenslang in Spinalzellen des Rückenmarks. Bei bestimmten Bedingungen kann VZV jederzeit reaktiviert werden. Klinisch kann sich dann ein Herpes Zoster (Gürtelrose) manifestieren.

Bei zellulären Immundefekten und Immunsuppression (Organtransplantation, immunsuppressive Therapie, maligne Grunderkrankungen) kommt es bei Kindern häufig zu schweren progressiven Varizellen mit viszeraler Beteiligung wie Pneumonie, Meningoenzephalitis, Hepatitis und Pankreatitis.

22.2. Diagnostische Hinweise

Die Diagnose von Windpocken oder eines Herpes zoster wird bei typischer klinischer Ausprägung klinisch gestellt. VZV kann aus Bläscheninhalt oder virushaltigen Körperflüssigkeiten (Liquor, Blut) mittels Polymerasekettenreaktion oder durch kulturelle Anzucht nachgewiesen werden. Die serologische Untersuchung auf VZV-spezifische Antikörper erfolgt mittels ELISA oder indirekter Immunfluoreszenz.

22.3. Management und Therapie

Zur symptomatischen Therapie werden zinkhaltige Schüttelmixturen lokal angewendet (z. B. Tannosynt Lotio®). Sie reduzieren den Juckreiz und fördern das Austrocknen der Varizellen-Effloreszenzen. Bei starkem Juckreiz kann zusätzlich ein Antihistaminikum verabreicht werden.

Eine Therapie mit Aciclovir ist wirksam, sofern sie innerhalb der ersten 24 Stunden nach Auftreten des Exanthems begonnen wird. Auch die Aciclovirgabe in der späten Inkubationszeit (Tag 6–10 nach Exposition) kann den Ausbruch von Varizellen u. U. unterdrücken bzw. es treten nur noch mitigierte Varizellen auf.

Wirksames Virostatikum bei VZV-Infektionen ist Aciclovir, das aufgrund der geringen Bioverfügbarkeit möglichst immer i. v. verabreicht werden sollte: (30[−45] mg/kg KG/d in 3 ED; max. 2,5 g/d) (Tab. 18.2-6 ). In Ausnahmefällen kann Aciclovir auch per os gegeben werden (60–80 mg/kg KG/dg; max. 5 × 800 mg/d).

Tab. 18.2-6.

Antivirale Therapie bei Infektionen mit dem Varicella-Zoster-Virus (VZV).

Erkrankung Virostatikum (Tagesdosis) Behandlungsdauer
Varizellen bei immunkompetenten virostatische Therapie im
Kindern Allgemeinen nicht indiziert*
Varizellen bei Neugeborenen Aciclovir 3 × 10(−15) mg/kg KG i. v. 5–10 Tage
Herpes Zoster** bei immun-kompetenten Kindern Aciclovir 3 × 5–10 mg/kg KG bzw. 5–7 Tage
3 × 250 mg/m2 i. v.
Varizellen oder Herpes Zoster** bei Aciclovir i. v. 3 × 10–15 mg/kg KG (7 –) 10 Tage***
immunsupprimierten Kindern**** bzw. 3 × 500 mg/m2
*

Eine orale 5- bis 7-tägige Therapie mit Aciclovir (Dosierung 4 × 10–20 mg/kg KG p. o.) ab dem 6.–10. Inkubationstag bzw. innerhalb von 24 h nach Ausbruch des Exanthems kann bei folgendem Personenkreis erwogen werden: seronegative Jugendliche > 13 Jahre, seronegative Kinder mit chronischen Haut- und Atemwegserkrankungen.

**

Bei Patienten ≥ 18 Jahren kann ein Herpes Zoster gleichwertig mit Famciclovir (3 × 250 mg p. o. über 7 Tage) oder Valaciclovir (3 × 1 g p. o. über 7 Tage) behandelt werden.

***

ggf. kann nach 48 h auf eine orale Therapie (4 × 20 mg/kg KG/d) übergegangen werden.

****

Brivudin ist seit kurzem nicht mehr für Kinder zugelassen; in Ausnahmefällen könnte diese Substanz als individueller Heilversuch eingesetzt werden (2–5 mg/kg KG/d).

Indikationen für eine Aciclovir-Therapie sind:

  • Varizellen bei Frühgeborenen in den ersten 6 Lebenswochen

  • neonatale Varizellen mit Exanthembeginn zwischen dem 5. und 12. Lebenstag

  • floride Varizellen bzw. ein Herpes Zoster bei immunsupprimierten Kindern und Jugendlichen

  • immunkompetente Patienten mit Risikofaktoren (z. B. chronische Hautkrankheiten)

  • Komplikationen von Varizellen (Enzephalitis, Pneumonie).

Unkomplizierte Varizellen sowie eine VZV-Zerebellitis werden nicht virostatisch behandelt!

Bei Patienten über 18 Jahren kann ein Herpes Zoster gleichwertig auch mit Famciclovir (3 × 250 mg/d p. o.) oder Valaciclovir (3 × 1 g/d p. o.) über 7 Tage behandelt werden. Bei Nachweis von Aciclovir-resistenten VZV-Isolaten kann ein Therapieversuch mit Foscarnet 3 × 40 mg/kg KG/d i. v. unternommen werden.

Inline graphic Kinder mit Varizellen dürfen keine Salizylate (z. B. Acetylsalicylsäure) wegen des hierdurch erhöhten Risikos für ein Reye-Syndrom erhalten. Bei bakteriellen Superinfektionen der Hauteffloreszenzen ist eine frühzeitige antibiotische Therapie mit einem Staphylokokken-wirksamen Antibiotikum (Cephalosporine, Aminopenicilline mit β-Laktamasehemmer) indiziert.

22.4. Prophylaxe
22.4.1. Passive Immunprophylaxe

VZV-Immunglobulin kann eine VZV-Infektion entweder verhindern oder abmildern, sofern es innerhalb von 24 bis 72 Stunden (max. 96 h) nach Exposition verabreicht wird. Die Gabe erfolgt bevorzugt i. v. (1 ml/kg KG), ansonsten i. m. (0,2–0,5 ml/kg KG, max. 5 ml). Folgender Personenkreis sollte nach Varizellenexposition eine Immunprophylaxe erhalten:

  • seronegative Schwangere

  • Neugeborene, deren Müttern 5 Tage vor bis 2 Tage nach Entbindung an Varizellen erkranken: Immunglobulin-Gabe sofort post natum oder sofort nach Ausbruch des Exanthems bei der Mutter. Weiterhin sind diese passiv immunisierten Kinder für mindestens 10(-12) Tage engmaschig klinisch zu kontrollieren. Bei Auftreten von ersten verdächtigen Effloreszenzen sollte sofort i. v. mit Aciclovir (30–45 mg/kg KG/d in 3 ED) behandelt werden. Bei Varizellen bei der Schwangeren um den errechneten Geburtstermin herum sollte versucht werden, die Geburt um einige Tage über den o. g. „kritischen Zeitraum” herauszuzögern (Tokolyse). Hintergrund ist, dass im letzteren Fall noch maternale VZV-spezifische Antikörper via Plazenta auf den Fetus übergehen und einen gewissen Schutz bieten.

  • Frühgeborene seronegativer Mütter sowie alle sehr unreifen Frügeborenen (< 28 Gestationswochen und/oder < 1000 g KG) innerhalb der ersten 6 Lebenswochen

  • seronegative abwehrgeschwächte Kinder.

22.4.2. Impfung

Von der STIKO wird die Impfung gegen Varizellen als Standardimpfung im Alter von 11 bis 14 Monaten empfohlen. Dies erfolgt am besten in Form der tetravalenten MMRV-Impfung (Proquad®, Priorix-Tetra®), die zweimal verabreicht wird. Zwischen beiden Dosen sollten 4 bis 6 Wochen liegen.

Weiterhin steht die Varizellenimpfung (z. B. Varivax®, Varilrix®) als Indikationsimpfung für folgenden Personenkreis zur Verfügung:

  • 9- bis 17-jährige Jugendliche mit negativer Varizellenanamnese

  • seronegative Frauen mit Kinderwunsch

  • seronegative Patienten vor geplanter immunsup-pressiver Therapie oder Organtransplantation

  • seronegative Patienten unter immunsuppressiver Therapie oder mit Leukämie (Voraussetzung: klinische und hämatologische Remission ≥ 12 Monate, Lymphozyten ≥ 1200/mm3 Blut), Unterbrechung der Erhaltungstherapie vor und nach der Impfung eine Woche)

  • empfängliche Personen mit schwerer Neurodermitis

  • empfängliche Personen mit Kontakt zu den unter Punkt 3 bis 5 Genannten.

Bei immunkompetenten VZV-negativen Personen ist eine Inkubationsimpfung innerhalb von 5 Tagen nach Exposition möglich. Zu beachten ist allerdings, dass in der Inkubation VZV-geimpfte Personen weiterhin den Kontakt zu Risikopatienten meiden sollten.

23. Virusgrippe

23.1. Klinischer Kontext

Influenza-Viren gehören zu den Orthomyxoviren. Von den drei vorkommenden Typen A, B und C ist der Typ A am häufigsten Ursache von schweren Epidemien und Pandemien. Durch genetischen Austausch von ganzen Genomsegmenten („Antigen-Shift”) entstehen neue Influenza-A-Subtypen. Seit 1977 zirkulieren die Influenza-A-Subtypen H3N2 und H1N1 (H, virales Hämagglutinin; N, virale Neuraminidase).

Durch Punktmutationen entstehen nur geringe Veränderungen der Oberflächenantigene („Antigen-Drift”). Die Übertragung erfolgt aerogen durch infektiöse Tröpfchen. Die Kontagiosität ist hoch. Die Inkubationszeit beträgt 2 bis 3 Tage.

Bei älteren Kindern und Erwachsenen führt eine Infektion durch das Influenza-Virus typischerweise zur klassischen Virusgrippe mit hohem Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, Abgeschlagenheit, trockenem Husten, Pharyngitis und Konjunktivitis. Nach einigen Tagen tritt meist Entfieberung ein, gefolgt von einer evtl. mehrwöchigen Rekonvaleszenzphase.

Bei kleinen Kindern ist eine Influenza-Infektion meist nicht von Infektionen durch andere Respirationstraktviren zu unterscheiden, sie manifestiert sich unter dem Bild einer Bronchiolitis, einer obstruktiven Bronchitis, einer Pneumonie, einer akuten subglottischen Laryngotracheobronchitis oder einer unspezifischen Atemweginfektion. Darüber hinaus können bei kleinen Kindern gastrointestinale Symptome (Durchfall, Erbrechen) auftreten. Fieberkrämpfe werden in bis zu 40% beobachtet. Schwere Influenza-Erkrankungen betreffen vorwiegend Kinder mit chronischen Grunderkrankungen (z. B. bronchopulmonale Dysplasie, zystische Fibrose, Asthma, immunsuppressive Therapie).

23.2. Diagnostische Hinweise

Die Verdachtsdiagnose wird durch den Erregernachweis (Antigen-Schnelltests, RT-PCR) in Nasen-Rachen-Sekret gesichert. Die Serologie spielt für die Akutdiagnostik keine Rolle.

23.3. Management und Therapie

Die Behandlung der Influenza bei Kindern ist meist überwiegend symptomatisch. Hierzu gehört die symptomatische Fiebersenkung mit reichlich Flüssigkeit, ggf. auch medikamentös mit Paracetamol oder Ibuprofen. Salizylate sind kontraindiziert.

Für eine virusspezifische Therapie der Virusgrippe stehen derzeit drei Substanzen zur Verfügung: Amantadin (nur bei Influenza A wirksam, z. T. ausgeprägte Nebenwirkungen, schnelle Resistenzbildung) und zwei sog. Neuraminidasehemmer (Zanamivir per inhalationem, Oseltamivir p. o.) (Tab. 18.2-7 ). Alle drei Substanzen sind nur wirksam, wenn sie frühzeitig, d. h. innerhalb von 24 bis 48 Stunden nach Auftreten der ersten Symptome, verabreicht werden. Alle Substanzen (Amantadin: nur Influenza A) können bei einer unkomplizierten Virusgrippe die Krankheitssymptome mildern und die Krankheitsdauer um ca. 1 (- max. 2) Tag(e) abkürzen. Vergleichende Studien (Amantadin vs. Neuraminidasehemmer) existieren noch nicht. Bisher ist es auch nicht erwiesen, ob eine frühzeitige Therapie mit einem dieser Medikamente schwere Komplikationen im Rahmen einer Virusgrippe, wie z. B. Pneumonie, Myokarditis, Myositis, verhindern kann.

Tab. 18.2-7.

Antivirale Substanzen für die Therapie und Prophylaxe der Virusgrippe#

Substanz Amantadin (Infectoflu Sirup®) Zanamivir (Relenza®) Oseltamivir (Tamiflu®)
Wirksamkeit nur Influenza-A-Virus Influenza-A- und -B-Virus Influenza-A- und -B-Virus
Dosierung* Kinder 5–9 J.: 100–150 mg/d ≥ 12 J.: 2 × 10 mg per ≥ 1 J.: ≤ 15 kg KG: 2 × 30 mg p. o.
Kinder > 9 J.: (bzw. ≥ 40 kg KG): 2 × 100 mg p. o. inhalationem 15–23 kg KG: 2 × 45 mg p. o.
> 23–40 kg KG: 2 × 60 mg p. o.
> 40 kg KG: 2 × 75 mg p. o.
Therapiedauer bis 2–3 Tage nach Ver-schwinden der Symptome 5 Tage 5 Tage
Neben-wirkungen Unruhezustände, Übelkeit, Schwindel etc. (dopaminerge Wirkung) Übelkeit, Erbrechen Übelkeit, Erbrechen
Prophylaxe Dosierung s. o. nicht zugelassen Jugendliche = 13 J.: 75 mg/d
Dauer: 10–20 Tage p. o.
Dauer: bis zu 6 Wochen##
*

Bei allen drei Substanzen ist die Dosierung bei eingeschränkter Nierenfunktion zu reduzieren.

#

Indikation für folgenden Personenkreis: Kinder und Jugendliche mit erhöhtem Risiko, die nicht rechtzeitig gegen Grippe geimpft wurden oder die trotz Impfung erkranken (Impfversager).

##
Prophylaxedauer:
  • 7 Tage bei aktueller Exposition zu enger Kontaktperson mit Influenza-Symptomen
  • 10–14 Tage bei spät erfolgter Impfung nach Beginn einer Influenzaepidemie
  • bis zu 6 Wochen, wenn eine Grippeimpfung aufgrund einer Kontraindikation nicht durchgeführt werden konnte
  • bis zu 6 Wochen, wenn die Influenzaepidemie durch ein mutiertes Grippevirus verursacht wurde, welches durch den aktuellen Impfstoff nicht „erfasst” wurde.

Erschwerend für eine Therapieindikation kommt hinzu, dass bei Kindern die Mehrzahl der Respirationstraktinfekte auch in der „Grippesaison” nicht durch Influenza-, sondern andere Viren (RSV, Parainfluenza, Rhinoviren u. a.) hervorgerufen wird. Dies würde bedeuten, dass die meisten Kinder mit der klinischen Diagnose „Virusgrippe” unnötig behandelt würden. Weiterhin sind Komplikationen im Rahmen einer Influenza-Infektion bei Kindern sehr viel seltener und weniger stark ausgeprägt als bei Erwachsenen.

Der therapeutische Einsatz der Neuraminidasehemmer sollte sich daher auf Kinder und Jugendliche mit erhöhtem Risiko beschränken (erhöhte gesundheitliche Gefährdung infolge eines Grundleidens wie z. B. chronische Lungen-, Herz-, Kreislauf-, Leber- und Nierenkrankheiten, Diabetes mellitus und andere Stoffwechselkrankheiten, Immundefizienz), die nicht die empfohlene prophylaktische Grippeimpfung erhalten haben oder die trotz Grippeimpfung erkranken (vermutliche Impfversager) (Deutsche Akademie für Kinderheilkunde und Jugendmedizin).

23.4. Prophylaxe

Wichtigste und wirksamste prophylaktische Maßnahme ist die frühzeitige jährliche Impfung von Risikopersonen. Der Impfschutz beginnt 2 Wochen post vaccinationem.

Bei nicht oder zu zu spät geimpften Risikopersonen während einer Influenza-Epidemie ist eine Chemoprophylaxe mit Amantadin (wirksam gegen Influenza A) oder Oseltamivir möglich (s. Tab. 18.2-7). Die präventive Schutzwirkung liegt bei 50 bis 90%.

Eine Isolierung von Patienten ist für den Zeitraum der intensiven Ansteckung von einer Woche sinnvoll. Die Schließung von Kindergärten oder Schulklassen kann je nach epidemiologischer Situation und Maßgabe der öffentlichen Gesundheitsbehörden erforderlich sein. Zu den sinnvollen prophylaktischen Maßnahmen beim Umgang mit infektiösen Patienten zählen adäquate Händedesinfektion und das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes.

Namentliche Meldepflicht besteht für den direkten Nachweis von Influenzaviren (§ 7 Infektionsschutzgesetz).

24. Zytomegalovirus-(CMV-) Infektionen

24.1. Klinischer Kontext

CMV gehört zur Gruppe der humanpathogenen Herpesviren. In Deutschland sind ca. 50% der erwachsenen Bevölkerung CMV-seropositiv.

CMV wird vertikal übertragen (= konnatale Infektion) sowie horizontal über Speichel, andere infektiöse Körperflüssigkeiten (z. B. Urin, zervikale Sekrete, Muttermilch), Blut und Blutprodukte oder transplantierte Organe. Die Durchseuchungsrate in der Bevölkerung ist abhängig von Alter und Lebensstandard.

Die Inkubationszeit einer CMV-Infektion via infektiöser Körpersekrete liegt bei ca. 4 bis 8 Wochen, bei einer Bluttransfusion bei 3 bis 12 Wochen, nach einer Organtransplantation bei 4 Wochen bis 4 Monate, bei Übertragung durch Muttermilch bei 42 Tagen.

Die klinische Manifestation einer CMV-Infektion ist abhängig von Alter und Immunitätslage des Wirts.

  • Die meisten CMV-Infektionen, vor allem im Kindesalter, sind asymptomatisch. Gelegentlich kann bei Jugendlichen und Adoleszenten ein Mononukleose-ähnliches Krankheitsbild auftreten.

  • Bei Patienten mit eingeschränkter zellulärer Immunität (z. B. nach Knochenmark- oder Organtransplantation bei immunsuppressiver Therapie) führt eine CMV-Infektion gehäuft zu Chorioretinitis, interstitieller Pneumonie und gastrointestinalen Komplikationen (Ösophagitis, Kolitis, Hepatitis).

  • Unreife und dystrophe Frühgeborene, die durch CMV-haltige Blutprodukte oder Muttermilch infiziert wurden, können ein schweres sepsisähnliches Krankheitsbild entwickeln.

  • Die konnatale CMV-Infektion ist die häufigste konnatale Infektion, sie betrifft in Deutschland ca. 0,2 bis 0,4% aller Neugeborenen.

Eine CMV-Primärinfektion in der Schwangerschaft führt bei ca. 3 bis 4% der infizierten Kinder zu schweren klinischen Manifestationen (= konnatale Zytomegalie). Eine rekurrierende maternale Infektion führt dagegen im Allgemeinen nicht zu einer symptomatischen Zytomegalie beim Fetus. Über 90% aller Neugeborenen mit konnataler CMV-Infektion sind bei Geburt asymptomatisch, ca. 5 bis 15% von ihnen entwickeln aber bleibende Spätschäden (Hörverlust, geistige Retardierung etc.).

Neugeborene mit einer konnatalen Zytomegalie fallen auf durch:

  • ausgeprägte intrauterine Wachstumsretardierung

  • Ikterus

  • Hepatosplenomegalie

  • Thrombozytopenie mit Petechien

  • Pneumonie

  • schwerste ZNS-Schädigungen mit Mikrozephalus, intrazerebralen Verkalkungen, Chorioretinitis, späterer Taub- und Blindheit und geistiger Behinderung.

Die Letalität liegt bei bis zu 30%.

24.2. Diagnostische Hinweise

Spezifische und sensitive Parameter für eine aktive CMV-Infektion sind der quantitative Nachweis des CMV-Antigens pp65 und/oder des CMV-Genoms (PCR) im Blut (oder in anderen Körperflüssigkeiten). Beide Methoden erlauben eine Bestimmung der Viruslast und somit auch das Monitoring einer virostatischen Therapie mit Ganciclovir.

Nur in Verbindung mit der klinischen Symptomatik ist der Nachweis von CMV ein verlässlicher Hinweis auf eine CMV-Erkrankung!

Eine konnatale Zytomegalie kann am besten durch den CMV-Nachweis im Urin in der 1.(-3.) Lebenswoche diagnostiziert werden. Auch der frühe Nachweis von CMV-IgM-Antikörpern beim Kind ist ein indirekter Hinweis für eine konnatale CMV-Infektion.

Eine CMV-Primärinfektion bei Kindern und Jugendlichen wird anhand einer Serokonversion dokumentiert.

24.3. Management und Therapie
24.3.1. Konnatale Zytomegalie

Beim Management der symptomatischen konnatalen CMV-Infektion ergeben sich mehrere grundsätzliche Probleme: Ein Großteil der Kinder mit konnataler Zytomegalie zeigt bei Geburt schwere neurologische Auffälligkeiten, die zu diesem Zeitpunkt bereits irreversibel sind. Die CMV-Replikation persistiert auch nach Geburt über mehrere Jahre, mögliche neurologische Komplikationen können sich u. U. erst später in den ersten Lebensjahren manifestieren. In einer kürzlichen Studie (Kimberlin et al. 2003) konnte gezeigt werden, dass eine Ganciclovir-Therapie bei 21 von 25 Kindern (84%) zu einer Verbesserung des Hörvermögens sowie zu einer Stabilisierung der Grunderkrankung führte. Als Nebenwirkung trat in über 60% der behandelten Kinder eine signifikante Neutropenie auf.

Derzeit wird von der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) folgendes Vorgehen empfohlen. Bei einer schweren symptomatischen konnatalen Zytomegalie (insbesondere mit Beteiligung von Augen und ZNS) erfolgt ein Therapieversuch mit Ganciclovir (Cymeven®) (2 × (4-)6 mg/kg KG/d i. v.) für insgesamt 6 Wochen. Zur weiteren Unterdrückung der Virusreplikation ist eine anschließende Erhaltungstherapie zu erwägen (z. B. 1 × 5 mg/kg KG/d i. v. an 3 Tagen der Woche für eine Dauer von bis zu 6–12 Monaten; Tab. 18.2-8 ). Über die Wirksamkeit einer solchen Therapie gibt es derzeit keinerlei gesicherte Erkenntnisse. Aufgrund der Probleme einer längeren i. v. Dauertherapie (Zentralvenenkatheter) wird in Zukunft die Suppressionstherapie möglicherweise auch per os (z. B. 3 × 20–40 mg/kg KG/d p. o.; Spiegelkontrollen erforderlich) möglich sein.

Tab. 18.2-8.

Antivirale Therapieansätze bei Infektionen mit dem Zytomegalievirus (CMV).

Erkrankung Virostatikum (Tagesdosis) Behandlungsdauer
schwere symptomatische konnatale Zytomegalie Induktionstherapie: Ganciclovir (Cymeven®)* 2 × 5 mg/kg KG/d i. v. 6 Wochen
Evtl. Erhaltungstherapie: bis zu 6(−12) Monate
Ganciclovir 1 × 5 mg/kg KG/d i. v. oder 3 × 20–40 mg/kg KG/d p. o.
asymptomatische CMV-Infektionen bei Neugeborenen und älteren Kindern virostatische Therapie nicht indiziert
symptomatische CMV-Infektionen bei Induktionstherapie: Ganciclovir 2–3 Wochen
Immunsuppression (Cymeven®) 2 × 5 mg/kg KG/d i. v.
Erhaltungstherapie: Ganciclovir 1 × 5 mg/kg KG/d i. v. an mind. 5 Tagen der Woche**, ***, **** Wochen–Monate**
Infektionen durch Ganciclovir- resistente CMV-Varianten 1) Foscarnet (Foscavir®) 3 × 40 mg/kg 2 Wochen
KG i. v.
Erhaltungstherapie: ≥ 1 Woche
1 × 60–120 mg/kg KG/d i. v.
2) Cidofovir (Vistide®) 1 × 5 mg/kg KG/Woche i. v. 2 Wochen
Erhaltungstherapie: 1 × 5 mg/kg KG alle 2 Wochen i. v. ≥ 1 Woche
CMV-Prophylaxe bei Nieren- transplantationen Ganciclovir 100 mg/kg KG/d p. o. in 3 ED bis Tag 100 post transplantationem
CMV-Prophylaxe bei Stammzell- transplantation# Ganciclovir 2 × 5 mg/kg KG/d i. v. danach Ganciclovir 1 × 5 mg/kg KG an 5 Tagen/Woche i. v. 5–7 Tage bis Tag 100 post transplantationem
präemptive## Therapie bei Ganciclovir 2 × 5 mg/kg KG/d i. v. 7–14 Tage
Stammzelltransplantation danach Ganciclovir 1 × 5 mg/kg KG an 5 Tagen/Woche i. v. bis Tag 100 post transplantationem
*

Cymeven® und Vistide® sind in Deutschland für Personen < 18 Jahre nicht zugelassen.

**

Dosierung abhängig von Nierenfunktion (GFR) und Ganciclovir-Talspiegel im Serum (angestrebter Wert: 0,5–2 mg/l).

***

Dosierung an Nierenfunktion (GFR), Ganciclovir-Talspiegel im Serum und Virusmenge im Blut angleichen/orientieren.

****

(Firma Chiron, USA); bei Kindern und Jugendlichen liegen diesbezüglich nur sehr wenig Erfahrungen vor.

#

Beginn der Prophylaxe direkt nach Stammzelltransplantation.

##

Beginn der Therapie bei erstem Nachweis von CMV im Blut (pp65-Antigennachweis oder positive CMV-PCR).

Zu den Nebenwirkungen von Ganciclovir gehören v. a. Knochenmarksdepression sowie Leber- und Nierenfunktionsstörungen. Eine Ganciclovir-induzierte Neutropenie kann ggf. mit G-CSF erfolgreich behandelt werden. Aufgrund der besseren biologischen Verfügbarkeit wird in Zukunft möglicherweise anstelle von Ganciclovir die Prodrug Valganciclovir (Valcyte®) eingesetzt.

24.3.2. CMV-Infektionen bei Immunsuppression

Weitere Indikationen für eine Ganciclovir-Behandlung sind symptomatische CMV-Erkrankungen bei immunsupprimierten Patienten, vor allem CMV-Retinitis, Pneumonie, gastrointestinale Infektionen, Meningoenzephalitis.

Nach einer Induktionstherapie von 10 mg/kg KG/d i. v. in 2 ED für die Dauer von 2(-3) Wochen erfolgt zur weiteren Virussuppression eine Erhaltungstherapie von 5 mg/kg KG/d i. v. an mindestens 5 Wochentagen (Tab. 18.2-8). Rezidive nach Absetzen der Therapie sind häufig. Bei Stammzell-transplantierten erwachsenen Patienten mit CMV-Pneumonie scheint die Kombination von Ganciclovir mit CMV-Immunglobulin einer Ganciclovir-Monotherapie überlegen zu sein. Für Kinder gibt es diesbezüglich keine Daten. Bei Infektionen durch Ganciclovir-resistente CMV-Stämme kann ein Therapieversuch mit Foscarnet (Foscavir®) oder Cidofovir (Vistide®) erwogen werden. Diesbezügliche Erfahrungen bei Kindern und Jugendlichen sind jedoch noch sehr begrenzt.

Bei symptomatischer CMV-Erkrankung von Kindern und Jugendlichen mit progressiver HIV-Infektion steht die Immunrekonstitution durch eine hochaktive antiretrovirale Therapie (HAART) der HIV-Infektion im Vordergrund.

24.4. Prophylaxe
24.4.1. Expositionsprophylaxe

Das Risiko für eine Ansteckung mit CMV von seronegativen schwangeren Frauen (z. B. medizinisches Personal, Patienten, Besucher) sowie immunsupprimierten Personen muss durch hygienische Maßnahmen (Händewaschen und -desinfektion) minimiert werden.

Transfusionspflichtige Früh- und Neugeborene sowie immunsupprimierte Patienten sollten leukozytendepletierte Blutprodukte von möglichst CMV-seronegativen Spendern erhalten. CMV-seronegative Transplantatempfänger sollten möglichst nur das Organ eines CMV-negativen Spenders erhalten.

Seropositive Mütter können ihre Kinder stillen. Das hohe Infektionsrisiko durch CMV-positive Muttermilch bei sehr kleinen Frühgeborenen kann durch Pasteurisierung der Muttermilch reduziert werden.

Kinder, die CMV im Urin oder Speichel ausscheiden, müssen nicht vom Kindergarten oder vom Schulbesuch ausgeschlossen werden.

24.4.2. Antivirale Prophylaxe und Frühinterventionstherapie (sog.präemptive Therapie bei erstem CMV-Nachweis) nach Organ- und Stammzelltransplantation

Durch prophylaktische oder frühzeitige Gabe (präemptive Therapie) von Ganciclovir (oder Aciclovir) kann die Inzidenz von symptomatischen CMV-Erkankungen bei Patienten nach Organ- oder Stammzelltransplantationen herabgesetzt werden. Dabei scheint Ganciclovir dem früher meist eingesetzten Aciclovir überlegen zu sein.

Die meisten Erfahrungen wurden mit erwachsenen Patienten gewonnen, bei Kindern und Jugendlichen liegen derzeit nur wenige Daten vor. Die in Tabelle 18.2-8 aufgeführten Behandlungsschemata werden mit Erfolg eingesetzt.

Derzeit sind noch viele Fragen offen: So ist derzeit unklar, ob die Prophylaxe oder die Präemptivtherapie effizienter ist. Bei beiden Strategien können sich Probleme durch Ganciclovir-resistente Viren ergeben. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass bei einer Ganciclovir-Prophylaxe das Risiko einer späten CMV-Erkrankung, d. h. ab Tag 100 nach Transplantation deutlich erhöht ist.

Für die Zukunft erscheint die Prophylaxe und Therapie von CMV-Erkrankungen bei organtransplantierten Patienten mittels adoptivem Immuntransfer, d. h. der Infusion von CMV-spezifischen zytotoxischen CD8+-T-Zellen, vielversprechend

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18.3. Pilzinfektionen

Volker Schuster, Andreas H. Groll

ANLIEGEN DES KAPITELS.

Neben Mykotoxikosen (z. B. durch Aflatoxine) und Hypersensitivitätsreaktionen (z. B. allergische bronchopulmonale Aspergillose [ABPA]) sind Infektionen die häufigsten durch Pilze verursachten Erkrankungen. Pilzinfektionen können schematisch nach ihrem Auftreten in vier Gruppen unterteilt werden

  • opportunistische

  • endemische

  • subkutane

  • kutane.

Klinisch-praktisch ist darüber hinaus die mikrobiologische Klassifizierung der Pilzerreger relevant (Abb. 18.3-1 ), da sie eine wesentliche Orientierungshilfe für die Auswahl antimykotischer Substanzen ist. Die in Deutschland und Europa dominierenden opportunistischen invasiven Pilzinfektionen sind eine wichtige Ursache von Morbidität und Mortalität abwehrgeschwächter Neugeborener, Kinder und Jugendlicher (Tab. 18.3-1 ). Sie sind vor allem in Frühphasen schwierig zu diagnostizieren und stets unmittelbar lebensbedrohlich. Einer raschen, adäquaten Behandlung kommt daher eine zentrale prognostische Bedeutung zu.

Abb. 18.3-1.

Abb. 18.3-1

Klinisch-mikrobiologische Einteilung häufiger und seltener Pilzerreger.

Tab. 18.3-1.

Pädiatrische Populationen mit Risiko für invasive Pilzinfektionen.

  • unreife Neugeborene

  • Kinder mit angeborenen Immundefekten
    • Defekte der Phagozytose
    • Defekte der T-zellulären Immunität
  • Kinder mit erworbenen Immundefekten
    • immunsuppressive Therapie
    • onkologische Erkrankungen
    • Blutstammzell- und Organtransplantation
    • HIV-Infektion
  • Kinder mit akuten, lebensbedrohlichen Erkrankungen und Intensivpflege

  • Kinder und Jugendliche mit chron.-destruktiven pulmonalen Erkrankungen

  • Kinder und Jugendliche mit geograph. Exposition zu endemischen Pilzerregern

1. Opportunistische invasive Pilzinfektionen

1.1. Infektionen durch Candida spp.
1.1.1. Klinischer Kontext
▪. Ätiologie und Epidemiologie

Hefepilze des Genus Candida sind in geringer Anzahl normale Kommensalen von Haut und Schleimhäuten und ubiquitär nachweisbar. Candida albicans ist die am häufigsten isolierte Candida-Art. Weitere pathogene Arten sind Candida parapsilosis, Candida glabrata u. a. Non-albicans Candida-Arten treten in zunehmender Häufigkeit als Erreger invasiver Infektionen auf und können eine verminderte Empfindlichkeit gegenüber derzeitigen Antimykotika aufweisen. Wichtigste Risikogruppen für oberflächliche Candida-Infektionen jenseits der Neugeborenenperiode sind onkologische sowie HIV-Patienten mit Erkrankungsraten zwischen 25 und bis zu 100%.

Bei Kindern mit Hochrisiko-Leukämien und/oder allogener Stammzelltransplantation liegt die Häufigkeit invasiver Candida-Infektionen bei 8 bis 10%. Die mit ihnen assoziierte, unbereinigte Mortalität beträgt mindestens 20% und nahezu 100% bei Patienten mit persistierender Granulozytopenie bzw. hämatogener Dissemination.

Inline graphic Auch Frühgeborene mit sehr niedrigem Geburtsgewicht haben ein hohes Risiko für invasive Candida-Infektionen.

Invasive Candida-Infektionen treten bei 8 bis 28% aller Kinder mit einem Geburtsgewicht von < 1000 g auf. Invasive Candida-Infektionen unreifer Neugeborener sind meist durch C. albicans oder C. parapsilosis ausgelöst und entstehen im Zusammenhang mit intravasalen Kathetern, Breitspektrumantibiotika, Kortikosteroiden, mukokutaner Kolonisation, parenteraler Hyperalimentation und durch infizierte Liquorableitungen (bei Hydrozephalus).

▪. Klassifikation

Das Spektrum der durch Candida-Arten hervorgerufenen Erkrankungen umfasst oberflächliche und invasive Infektionen (Tab. 18.3-2 ).

Tab. 18.3-2.

Spektrum der durch Candida verursachten Erkrankungen.

oberflächliche Candida- Infektionen
  • Infektionen der Haut und Haut- anhangsgebilde
    • Windeldermatitis, Intertrigo, anogenitale Candidiasis
    • Follikulitis, Paronychie, Onychomykose
  • Infektionen der Schleimhäute
    • oropharyngeale Candidiasis
    • Candida-Laryngitis; Candida- Ösophagitis
    • gastrointestinale Candidiasis
    • Candida-Zystitis
    • vulvovaginale Candidiasis/Candida-Balanitis
  • Sonderform: chronische muko- kutane Candidiasis

invasive Candida- Infektionen
  • isolierte Candida-Fungämie (Candidämie)

  • akute disseminierte Candidiasis mit oder ohne Candidämie

  • chronisch-disseminierte Candidiasis

  • auf einzelne Organe beschränkte, lokalisierte invasive Infektionen
    • ZNS-Beteiligung (z. B. Meningo- enzephalitis, Shunt-Infektion)
    • Herzbeteiligung (Endo-, Myo-, Perikarditis)
    • Andere Organe (z. B. Broncho- pneumonie, Nephritis, Peritonitis, Osteomyelitis).
▪. Klinische Zeichen bei invasiven Candida-Infektionen

Die Klinik der unkomplizierten Candidämie ist durch Fieber und andere unspezifische Infektionssymptome gekennzeichnet; meist besteht eine Assoziation zu einem zentralen Venenkatheter.

Die akute disseminierte Candidiasis wird typischerweise bei granulozytopenen Kindern beobachtet und ist durch eine persistierende Candidämie, hämodynamische Instabilität, zahlreiche kutane und viszerale Läsionen und eine sehr hohe Mortalität gekennzeichnet. Die chronische disseminierte Candidiasis ist ebenfalls überwiegend eine Erkrankung onkologischer Patienten und manifestiert sich klinisch mit persistierendem Fieber (trotz Knochenmarksregeneration), rechtsseitigen subkostalen Schmerzen und erhöhten Serumkonzentrationen der alkalischen Phosphatase. Mittels bildgebender Verfahren zeigen sich zahlreiche Läsionen in Leber, Milz und anderen Organen, die morphologisch großen granulomatösen Herden mit ausgeprägter entzündlicher Gewebsreaktion entsprechen.

Andere Formen invasiver Candida-Infektionen sind vergleichsweise selten und in ihrer Klinik und Bild- gebung durch Lokalisation und Ausmaß der Läsionen bestimmt.

Invasive Candida-Infektionen bei Früh- und Neugeborenen können zunächst wie ein unspezifisches septisches Krankheitsbild (Temperatur- und Kreislauflabilität, Atemstörungen, Krampfanfälle) verlaufen. Komplikationen entstehen durch hämatogene Streuung in ZNS, Niere, Lunge, Leber, Auge, Milz und Knochen.

1.1.2. Diagnostische Hinweise

Die Diagnose oberflächlicher Schleimhautinfektionen kann häufig klinisch vermutet werden.

Ansonsten beruht die Diagnose auf dem direkten Pilznachweis (mikroskopisch, Kultur) in Körperflüssigkeiten (Blut, Katheter- oder Punktionsurin, Liquor, Spülflüssigkeit aus bronchoalveolärer Lavage), Abstrichen (Rachen- oder Genitalabstrich, Nägel) oder bioptischem Material.

Inline graphic Eine negative Blutkultur schließt eine invasive Candidiasis nicht aus.

Moderne bildgebende Verfahren (Dünnschicht-CT, MRT) sind hilfreich bei der Diagnostik von Candida-Infektionen mit Beteiligung bestimmter Organe (v. a. Lunge, Leber, Milz) sowie der Steuerung bioptischer Verfahren. Molekularbiologische Nachweisverfahren (PCR) befinden sich noch im Erprobungsstadium. Die Bestimmung von Serum-Antikörpern gegen Candida spielt - v. a. bei immunsupprimierten Patienten - in der Diagnostik keine große Rolle.

1.1.3. Management und Therapie

Therapieoptionen bei oberflächlichen Candida-Infektionen umfassen topische Polyene und Azole (beschränkt auf oropharyngeale, vulvovaginale und kutane Infektionen; Tab. 18.3-3 . Optionen der systemischen Therapie refraktärer oberflächlicher Infektionen und der Candida-Ösophagitis sind in Tabelle 18.3-3 aufgeführt.

Tab. 18.3-3.

Chemotherapie oberflächlicher Infektionen durch hefeartige Pilzerreger.

Pilzinfektion Management
Candida-Dermatitis topische antimykotische Azole: Miconazol, Sulconazol, Econazol, Oxiconazol,
Tinea versicolor
  • Clotrimazol 2 × tgl. über 2–4 Wochen

  • topische Polyene: Amphotericin B oder Nystatin 2–4 × tgl. über 2–4 Wochen andere topische Substanzen: Ciclopirox 2 × tgl. für 2–4 Wochen refraktäre Infektionen/abwehrgeschwächte Patienten:

  • Fluconazol (6 mg/kg/d p. o. in 1 ED über 2–4 Wochen)

  • Itraconazol (5 mg/kg/d p. o. in 2 ED über 2–4 Wochen)*

oropharyngeale Candidiasis
  • topische Polyene: Nystatin (100–500 000 U) oder Amphotericin B (25–100 mg) 4xtgl. ≥ 2 Wochen topische antimykotische Polyene:

  • Clotrimazol-Lutschtabletten (10 mg) 5 × tgl. ≥ 2 Wochen

  • Miconazol (25–50 mg) 4xtgl. ≥ 2 Wochen refraktäre Infektionen/abwehrgeschwächte Patienten:

  • Fluconazol (6 mg/kg/d p. o. in 1 ED über 2–4 Wochen)

  • Voriconazol (2–11 Jahre: 400 mg der Suspension in 2 ED; ≥ 12 Jahre: 200 mg (< 40 kg) bzw. 400 mg (> 40 kg) in Kapselform in 2 ED)

  • Amphotericin B Deoxycholat (0,5 mg/kg/d i. v. in 1 ED)

  • Itraconazol (5 mg/kg/d p. o. in 2 ED über 2–4 Wochen)*

  • Caspofungin (in klin. Prüfung: 50 mg/m2 KOF (Tag 1 : 70 mg/m2) in 1 ED i. v.; max. ED: 70 mg)

vulvovaginale Candidiasis
  • topische antimykotische Azole: Miconazol, Clotrimazol, Butoconazol, Terconazol, Tioconazol

  • zur Bettzeit für ≤ 7 Tage

  • topische Polyene: Nystatin zur Bettzeit für ≤ 14 Tage

  • systemische antimykotische Azole: Fluconazol 1 × 150 mg bzw. 1 × 50 mg über 3 Tage

  • refraktäre Infektionen/abwehrgeschwächte Patienten:

  • Fluconazol (3–6 mg/kg/d p. o. in 1 ED für ≥ 2 Wochen)

  • Amphotericin B Deoxycholat (0,5 mg/kg/d in 1 ED)

  • Itraconazol (5 mg/kg/d p. o. in 2 ED für ≥ 2 Wochen)*

*

nicht zugelassen für Patienten < 18 Jahre

Validierte Initialtherapien bei unkomplizierter invasiver Candidiasis (Tab. 18.3-4 ) sind:

  • Voriconazol (2–11 Jahre: 14 mg/kg KG i. v. in 2 ED ohne Loading; > 12 Jahre 8 mg/kg in 2 ED (Tag 1: 12 mg/kg in 2 ED)

  • liposomales Amphotericin B (3 mg/kg KG in 1 ED)

  • Amphotericin B Deoxycholat (0,6–1,0 mg/kg KG/d in 1 ED)

  • Fluconazol (8–12 mg/kg KG/d i. v., max. 800 mg/d in 1 ED; wichtig: nur Patienten ohne Azol-Prophylaxe)

  • Caspofungin (in klin. Prüfung: 50 mg/m2 KOF (Tag 1:70 mg/m2) in 1 ED i. v.; max. ED: 70 mg)

  • Kombination aus Fluconazol (12 mg/kg KG/d, max. 800 mg/d i. v.) + Amphotericin B Deoxycholat (0,7 mg/kg KG/d i. v. in 1 ED für die ersten 5 Tage).

Tab. 18.3-4.

Chemotherapie invasiver Infektionen durch opportunistische Hefepilze.

Pilzinfektion Management
Invasive Candidiasis
Ösophagitis
  • Amphotericin B Deoxycholat (0,5 mg/kg/d in 1 ED)

  • Fluconazol (3–6 mg/kg/d p. o./i. v. in 1 ED)

  • Voriconazol (i. v.: 8 mg/kg (> 11 Jahre) bzw. 14 mg/kg/d (2–11 Jahre) in 2 ED; oral: 2–11 Jahre: 400 mg/d. Suspension in 2 ED; ≥ 12: 200 mg (< 40) bzw. 400 mg (> 40 kg) als Kps. in 2 ED)

  • Itraconazol (5,0 mg/kg/d p. o. in 2 ED)*

  • Caspofungin (50 mg/m2 in 1 ED; Tag 1: 70 mg)*

Primärtherapie der Candidämie und der unkomplizierten invasiven Candidiasis
  • Amphotericin B Deoxycholat (0,6–1,0 mg/kg/d in 1 ED)

  • liposomales Amphotericin B (3 mg/kg/d in 1 ED)

  • Fluconazol (8–12 mg/kg/d in 1 ED)

  • Fluconazol (12 mg/kg/d in 1 ED) + Amphotericin B Deoxycholat (0,7 mg/kg in 1 ED für 5 Tage)

  • Voriconazol (8 mg/kg (> 11 Jahre) bzw. 14 mg/kg/d (2–11 Jahre) i. v. in 2 ED)

  • Caspofungin (50 mg/m2 in 1 ED i. v.; max. ED: 70 mg)*

Akute disseminierte Candidiasis mit hämodynamischer Instabilität und/oder persistierender Fungämie und/oder Invasion strategischer Gewebe („schwere Infektionen“) Amphotericin B Deoxycholat (1,0–1,5 mg/kg/d in 1 ED) + Fluzytosin (100 mg/kg/d in 3–4 ED)
„Second-line“-Therapie bei • refraktären Infektionen therapielimitierender Toxizität
  • liposomales Amphotericin B (3–5 mg/kg/d in 1 ED)

  • Amphotericin B Lipid Complex (5 mg/kg/d in 1 ED)

  • Voriconazol (8 mg/kg (> 11 Jahre) bzw. 14 mg/kg/d (2–11 Jahre) i. v. in 2 ED)

  • Caspofungin (50 mg/m2 in 1 ED i. v.; max. ED: 70 mg]*

*

auf pharmakokinetischen Daten beruhende pädiatrische Dosierung, nicht zugelassen für Patienten < 18 Jahre.

Optionen bei Unverträglichkeit der genannten Therapien bzw. bei refraktären Infektionen sind liposomales Amphotericin B, Amphotericin B Lipid Complex, Voriconazol und Caspofungin.

Bei akuter disseminierter Candidiasis (Tab. 18.3-4) mit hämodynamischer Instabilität, persistierend positiven Blutkulturen und Hinweisen auf eine Invasion tiefer Gewebe wird nach wie vor von vielen Experten die hoch dosierte Gabe von Amphotericin B Deoxycholat (1,0–1,5 mg/kg KG/d i. v.) + 5-Fluzytosin (Initialdosis: 100 mg/kg KG/d in 3–4 ED) empfohlen.

Therapieoptionen bei unreifen Neugeborenen umfassen konventionelles Amphotericin B (0,6–1,0 mg/kg KG/d i. v. in 1 ED), Fluconazol (6–12 mg/kg KG/d i. v. in 1 ED), liposomales Amphotericin B (3–5 mg/ kg KG/d i. v. in 1 ED) und Amphotericin B Lipid Complex (5 mg/kg KG/d in 1 ED).

Unabhängig ob primäre Eintrittspforte oder sekundäre Infektionslokalisation gelten zentralvenöse Katheter als infektiöser Fokus und sollten deshalb wann immer möglich entfernt werden.

Die Therapiedauer bei unkomplizierter Candidämie beträgt 14 Tage ab der letzten positiven Blutkultur, bei allen anderen Formen invasiver Candida-Infektionen bis zur vollständigen Resolution aller infektionsassoziiierten Befunde.

Bei klinischer Stabilisierung und nachgewiesener Empfindlichkeit des Isolats ist eine orale Konsolidierung mit Fluconazol möglich.

Bei granulozytopenischen Patienten sollten alle Antimykotika in Maximaldosierung eingesetzt und die Gabe von G-CSF bzw. GM-CSF überdacht werden. Falls klinisch erlaubt, sollte eine immunsuppressive Therapie reduziert bzw. abgesetzt werden.

Bei allen Formen der invasiven Candidiasis sollte vor Therapieende eine Fundoskopie zum Ausschluss einer Chorioretinitis erfolgen, bei zuvor granulozytopenischen Patienten ggf. eine Bildgebung (Sonographie, Dünnschicht-CT) der Oberbauchorgane und der Nieren zum Ausschluss einer noch okkulten chronisch-disseminierten Candidiasis.

Einige non-albicans Candida spp. weisen Besonderheiten bezüglich ihrer antimikrobiellen Empfindlichkeit auf, die bei der Substanzauswahl zu berücksichtigen sind: So ist C. krusei generell resistent gegenüber Fluconazol; etwa ein Drittel aller C.-glabrata-Isolate hat eine verminderte Suszeptibilität gegenüber Fluconazol, ein weiteres Drittel ist resistent; C. lusitaniae zeigt eine verminderte Empfindlichkeit gegenüber Amphotericin B.

Derzeit wird für alle invasiven Candida-Isolate eine Resistenztestung gegenüber Fluconazol und 5-Fluzytosin empfohlen. Aufgrund fehlender In-vitro-/In-vivo-Korrelationen sind darüber hinausgehende Testungen nur bei refraktären Infektionen bzw. Durchbruchsinfektionen empfohlen.

1.1.4. Prophylaxe

Wichtigste Elemente der allgemeinen Infektionskontrolle nosokomialer Candida-Infektionen sind Händewaschen und -desinfektion, standardisierte Protokolle für invasive Verfahren, Katheterpflege, Richten von Infusionen und Handling von Verbrauchsmaterialien sowie bei Endemien Maßnahmen wie bei enteritischen Erkrankungen.

Bei Einhaltung der Hygienemaßnahmen ist keine Isolierung der Patienten erforderlich.

Eine wirksame Chemoprophylaxe invasiver Candida-Infektionen mit Fluconazol (8–12 mg/kg KG/d p. o. in 1 ED; max. 400 mg/d) ist für Patienten mit hämatologischen Neoplasien, nach allogener hämatopoetischer Stammzelltransplantation, nach Lebertransplantation und auch für sehr unreife Frühgeborene durch adäquate Studien belegt.

Die empirische antimykotische Therapie bei Granulozytopenie und persistierendem Fieber ist ein Standard der onkologischen Supportivtherapie. In dieser Indikation zugelassene Substanzen sind Amphotericin B Deoxycholat, liposomales Amphotericin B sowie, auf Erwachsene beschränkt, Itraconazol und Caspofungin. Dieser Therapieansatz stellt letztlich eine Prophylaxe bei Patienten mit höchstem Infektionsrisiko bzw. eine Frühtherapie noch okkulter Infektionen dar. Aufgrund unzureichender Datenlage wird im Bereich der Intensivmedizin dieses Konzept derzeit noch kontrovers diskutiert.

1.2. Infektionen durch Aspergillus spp.
1.2.1. Klinischer Kontext
▪. Ätiologie und Epidemiologie

Schimmelpilze des Genus Aspergillus sind ubiquitär verbreitet; sie finden sich bevorzugt im Erdreich in verrottender Vegetation und anderem organischem Debris. Im Krankenhausbereich sind vor allem raumlufttechnische Anlagen, Bauschutt und Wasserhähne bzw. Duschköpfe als potenzielle Habitate von Aspergillus spp. bekannt. Die Ansteckung erfolgt meist durch die Inhalation von Aspergillus-Sporen, seltener über Hautläsionen. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist nicht bekannt. Zu den humanpathogenen Aspergillusarten gehören Aspergillus fumigatus sowie A. flavus, A. niger, A. terreus u. a.

In den letzten Jahren ist weltweit eine Zunahme invasiver Aspergillus-Infektionen zu verzeichnen. Die Infektionsraten sind dabei am höchsten bei Patienten mit akuten Leukämien (bis 24%), nach allogener Blutstammzelltransplantation (bis 12%), nach Leber- (bis 10%) und Lungen bzw. Herz-Lungen-Transplantation (bis 30%) und bei AIDS (bis 12%). Patienten mit septischer Granulomatose haben ein kumulatives Erkrankungsrisiko von 25 bis 40%. Bei intensivmedizinisch behandelten Patienten ohne einen der genannten Risikofaktoren und bei unreifen Neugeborenen werden invasive Aspergillus-Infektionen im Gegensatz zur invasiven Candidiasis nur sporadisch beobachtet. Für Kinder mit hämatologischen Neoplasien bzw. nach allogener Stammzelltransplantation berichten jüngere klinische Fallserien eine Häufigkeit von 4,5 bis 10%. Die Erkrankung ist selten (< 5%) nach autologer Blutstammzelltransplantation und eine Rarität bei Patienten mit soliden Tumoren.

▪. Klassifikation und klinische Zeichen

Die durch Aspergillusarten ausgelösten Erkrankungen umfassen Hypersensitivitätsreaktionen, saprophytäre Kolonisation pathologischer Körperhöhlen und gewebsinvasive Infektionen mit und ohne Dissemination bei Patienten mit Abwehrschwäche.

Die nichtinvasiven Formen der Aspergillose können unterteilt werden in:

  • Hypersensitivitätsreaktionen (z. B. allergische bronchopulmonale Aspergillose [ABPA])

  • saprophytäre Erkrankungen (Aspergillom, saprophytäre bronchopulmonale Aspergillose, saprophytäre Aspergillose der Nasennebenhöhlen)

  • oberflächliche Infektionen (Onychomykose, Otomykose).

Die ABPA ist die häufigste Hypersensitivitätsreaktion und findet sich bei chronischen Lungenerkrankungen (z. B. zystische Fibrose). Saprophytäre Aspergillosen bestehen aus makroskopisch sichtbaren Pilzmyzelen in präformierten Hohlräumen wie Lungenkavernen (Aspergillom), Bronchiektasien und Nasennebenhöhlen typischerweise ohne Invasion des randgebenden Gewebes. Die Klinik ist oft blande, jedoch können lebensbedrohliche Hämoptysen auftreten.

Zu den invasiven Aspergillus-Infektionen gehören:

  • die invasive Aspergillose der oberen (z. B. nekrotisierende Tracheobronchitis) und unteren Luftwege (z. B. invasive pulmonale Aspergillose), der Nasennebenhöhlen oder des Mastoids, von Haut und Weichteilen und des Gastrointestinaltrakts

  • die disseminierte invasive Aspergillose.

Invasive oder disseminierte Aspergillosen kommen fast ausschließlich bei immunsupprimierten Patienten vor (z.B: Granulozytopenie, immunsuppressive Therapie mit Kortikosteroiden, Stammzell- oder Organtransplantation, HIV-Infektion, septische Granulomatose).

Unter den verschiedenen Formen der invasiven Aspergillose ist die invasive pulmonale Aspergillose die mit weitem Abstand häufigste Entität und oft verbunden mit einer Dissemination in andere Organe, insbesondere das ZNS. Gefürchtet bei granulozytopenischen Patienten ist die Arrosion großer Pulmonalarterienäste mit dem Resultat einer in der Regel letalen Massenblutung zum Zeitpunkt der Regeneration der Granulopoese. Tracheobronchiale Formen der invasiven Aspergillose sind vor allem bei fortgeschrittener HIV-Infektion und nach Lungentransplantation im Bereich der bronchialen Anastomose beschrieben. Spezifische Probleme sind Arrosionsblutungen bzw. die Anastomoseninsuffizienz.

Kutane invasive Aspergillus-Infektionen finden sich bevorzugt bei pädiatrischen Patienten im Zusammenhang mit Mazerationen durch Infusionsschienen, Verbandsmaterial, Elektroden und an Einstichstellen peripherer bzw. zentraler intravasaler Katheter. Charakteristisch sind Nekrosen bzw. Ulzerationen im Bereich zuvor mazerierter Hautbezirke. Bei disseminierten Infektionen sind die Symptome uncharakteristisch und durch Lokalisation und Ausmaß der Infektion bestimmt.

▪. Prognose

Die Prognose der invasiven pulmonalen Aspergillose ist meist ungünstig. Die Mortalität kann bis zu 75% betragen. Eine Verzögerung der antimykotischen Chemotherapie, eine ZNS-Beteiligung, Blutungsereignisse sowie persistierende Neutropenie bzw. Immunsuppression sind mit einer besonders schlechten Prognose assoziiert.

1.2.2. Diagnostische Hinweise

Inline graphic Klinik und radiologische Befunde invasiver Aspergillus-Infektionen sind nicht von denen anderer opportunistischer Fadenpilz-Infektionen zu unterscheiden. Deshalb muss der direkte mikrobiologische bzw. histopathologische Nachweis des Erregers aus infektionsverdächtigen Geweben immer angestrebt werden.

Mit Ausnahme von oberflächlichen, diagnostisch zugänglichen Infektionen der Haut und der angrenzenden Weichteile sind alle Formen der invasiven Aspergillose schwierig zu diagnostizieren. Eine detaillierte Bildgebung mittels Dünnschicht-CT oder MRT ist praktisch immer erforderlich, um das Ausmaß der Infektion zu erfassen und ggf. weitere diagnostische oder therapeutische Interventionen einzuleiten.

Abgesehen von A. terreus sind Aspergillus-Arten nur in Ausnahmefällen in Blutkulturen nachweisbar. Die diagnostische Ausbeute von Kultur und Mikroskopie nach bronchoalveolärer Lavage (BAL) liegt zwischen 50 und 60%, bei gezielter offener bzw. endoskopischer Lungenbiopsie ist sie höher.

Das serielle Monitoring von Aspergillus-Galactomannan-Antigen in Serum bzw. respiratorischen Sekreten mittels ELISA zeigte in klinischen Studien eine vielversprechende Sensitivität und Spezifität v. a. bei neutropenischen Patienten. Sensitivität und Spezifität der Aspergillus-PCR sind vergleichbar mit dem Antigen-ELISA.

Eine allergische bronchopulmonale Aspergillose (ABPA) sollte bei jedem Patienten mit chronischer Lungenerkrankung (Asthma bronchiale, zystische Fibrose), rezidivierender pulmonaler Obstruktion und unklaren pulmonalen Infiltraten differential-diagnostisch berücksichtigt werden.

Weitere diagnostische Kriterien für eine ABPA umfassen Eosinophilie, erhöhtes Serum-IgE, erhöhte anti-Aspergillus-IgE-Antikörper, positive kutane Sofort-reaktion auf Aspergillus-Antigene und das Vorliegen einer zentralen Bronchiektasie. Häufig gelingt der Nachweis von Aspergillus spp. im Sputum.

1.2.3. Management und Therapie

Antimykotische Chemotherapie, Rekonstitution der Immunabwehr sowie ggf. chirurgische Interventionen sind die Eckpfeiler der Behandlung invasiver Aspergillus-Infektionen.

Die Initialtherapie der ersten Wahl ist die Gabe von Voriconazol. Liposomales Amphotericin B kann aufgrund neuer Studiendaten (AmbiLoad-Studie) als gleichwertig erachtet werten (Tab. 18.3-5 ).

Tab. 18.3-5.

Chemotherapie invasiver Infektionen durch opportunistische Fadenpilze.

Pilzinfektion Management
Asperg/7/t/s-Infektionen
  • Voriconazol (8 mg/kg [> 11 Jahre] bzw. 14 mg/kg/d [2–11 Jahre] i. v. in 2 ED)

  • liposomales Amphotericin B (3 mg/kg/d in 1 ED)

  • Amphotericin B Lipid Complex (5 mg/kg/d in 1 ED)1

  • Caspofungin (50 mg/m2 in 1 ED i. v.; max. ED: 70 mg)1, 3

  • Itraconazol (5 mg/kg/d p. o. in 2 ED)2, 3

  • Voriconazol (2–11 Jahre: 400 mg d. Suspension in 2 ED; ≥ 12 : 200 mg [< 40] bzw. 400 mg [> 40 kg] in Kapselform in 2 ED)2

  • Posaconazol (800 mg/d in 2 oder 4 ED p. o.)1, 2,4

Füsor/t/m-Infektionen, Scec/ospor/i/m-Infektionen
  • Voriconazol (8 mg/kg [> 11 Jahre] bzw. 14 mg/kg/d [2–11 Jahre] i. v. in 2 ED)

  • liposomales Amphotericin B (3–5 mg/kg/d in 1 ED)

  • Amphotericin B Deoxycholat (1,0–1,5 mg/kg/d in 1 ED)

  • Amphotericin B Lipid Complex (5 mg/kg/d in 1 ED)1

  • Voriconazol (2–11 Jahre: 400 mg d. Suspension in 2 ED; ≥ 12 : 200 mg [< 40] bzw. 400 mg [> 40 kg] in Kapselform in 2 ED)2

  • Posaconazol (800 mg/d in 2 oder 4 ED p. o.)1, 2,4

Infektionen durch Zygomyzeten
  • liposomales Amphotericin B (≥ 5 mg/kg/d in 1 ED)

  • Amphotericin B Lipid Complex (5 mg/kg/d in 1 ED)

  • Posaconazol (800 mg/d in 2 oder 4 ED p. o.)1, 2,4

Infektionen durch pigmentierte Fadenpilze
  • Voriconazol (8 mg/kg [11 Jahre] bzw. 14 mg/kg/d [2–11 Jahre] i. v. in 2 ED)

  • liposomales Amphotericin B (3–5 mg/kg/d in 1 ED)

  • Amphotericin B Deoxycholat (1,0–1,5 mg/kg/d in 1 ED)

  • Amphotericin B Lipid Complex (5 mg/kg/d in 1 ED)1

  • Itraconazol (5 mg/kg/d p. o. in 2 ED)2, 3

  • Voriconazol (2–11 Jahre: 400 mg d. Suspension in 2 ED; ≥ 12: 200 mg [< 40] bzw. 400 mg [> 40 kg] in Kapselform in 2 ED)2

  • Posaconazol (800 mg/d in 2 oder 4 ED p. o.)1, 2,4

1

Unverträglichkeit bzw. Nicht-Ansprechen von Voriconazol bzw. liposomalem Amphotericin B.

2

Option der oralen Konsolidierungs- bzw. Erhaltungstherapie nach Ansprechen auf die Initialtherapie.

3

Auf pharmakokinetischen Daten beruhende pädiatrische Dosierung, nicht zugelassen für Patienten < 18 Jahren.

4

Erwachsenendosierung; nicht zugelassen für Patienten < 18 Jahren.

Optionen bei Unverträglichkeit der genannten Therapien bzw. bei refraktären Infektionen sind liposomales Amphotericin B, Amphotericin B Lipid Complex, Caspofungin, Voriconazol und Posaconazol, orientiert an der Vorbehandlung.

Bei ZNS-Beteiligung wird von vielen Experten die Gabe von Voriconazol (initial immer i. v.) favorisiert. Bei fulminant verlaufenden oder massiven Infektionen ist auch eine initiale Kombination von liposomalem Amphotericin B oder Voriconazol mit Caspofungin mit der Option einer Deeskalation nach Stabilisierung zu überlegen (s. Tab. 18.3-5).

Bei der Substanzauswahl ist die erregerspezifische antimikrobielle Suszeptibilität zu berücksichtigen.

Die Dauer der Therapie hängt vom Ansprechen der Infektion und vom Immunstatus des Patienten ab und kann sich bis zur Resolution aller infektionsassoziierten Befunde über mehrere Monate erstrecken. Bei klinischer Stabilisierung ist eine orale Konsolidierungstherapie mit Voriconazol bzw. Itraconazol oder Posaconazol möglich.

Bei granulozytopenischen Patienten sollten alle Antimykotika in Maximaldosierung eingesetzt und ggf. die Gabe von G-CSF bzw. GM-CSF erwogen werden. Falls irgend möglich, sollte eine immunsuppressive Therapie reduziert bzw. abgesetzt werden.

Chirurgische Interventionen sind ggf. bei Haut- und Weichteilinfektionen, bei Endokarditis, Endophthalmitis und Osteomyelitis sowie bei operablen fokalen Läsionen tiefer Gewebe einschließlich des ZNS indiziert (Tab. 18.3-6 ).

  • Eine allergische bronchopulmonale Aspergillose (ABPA) wird symptomatisch mit Bronchodilatatoren sowie inhalativen bzw. systemischen Kortikosteroiden behandelt. Die gleichzeitige Behandlung mit Itraconazol (5 mg/kg KG/d p. o. in 2 ED) erlaubt meist eine Reduktion der Kortikosteroiddosis. Erfahrungen mit Voriconazol bzw. Posaconazol sind gering.

  • Die Therapie des extrinsischen Asthmas und der extrinsischen allergischen Alveolitis besteht in symptomatischen Maßnahmen bzw. einer Expositionsprophylaxe.

  • Die Behandlung des isolierten Aspergilloms ist abhängig von seinen Symptomen und der Schwere der pulmonalen Grunderkrankung und beinhaltet in individueller Abwägung Physiotherapie, systemische Gabe von Antimykotika und die chirurgische Resektion.

Tab. 18.3-6.

Nichtmedikamentöse Interventionen bei invasiven opportunistischen Pilzinfektionen.

Infektion und Infektionsort Intervention
Hyaline und pigmentierte Schimmelpilze
pulmonale Infektionen
  • Chirurgische Interventionen bei

  • Läsionen in unmittelbarer Nähe zu großen Gefäßen oder Luftwegen

  • relevanter Hämoptyse aus abgrenzbarer Läsion

  • Progression in Perikard, Brustwand, Bauchhöhle

  • residuellen/persistierenden Läsionen vor hämatopoetischer Stammzelltrans plantation oder weiterer intensiver Chemotherapie

Infektionen der Nasennebenhöhlen
  • minimal-invasive chirurgische Interventionen bei granulozytopenen Patienten zur Kultur, Biopsie und Belüftung

  • Débridement bei progressiven, invasiven Prozessen

Infektionen von Haut und Weichteilen Exzision, wenn möglich, oder Débridement und Drainage
Fungämie Ziehen liegender zentralvenöser Katheter
Infektionen anderer Lokalisation individuelle Interventionen soweit klinisch möglich
Opportunistische Hefepilze
Fungämie Ziehen liegender zentralvenöser Katheter
fokale Läsionen
  • Entfernung potenziell infizierten Fremdmaterials

  • Débridement/Drainage

Meningoenzephalitis und Hirndruck entlastende Lumbalpunktionen; ggf. Liquorableitung bzw. Shuntsystem, falls persistierender Hirndruck ohne fokale Läsion (Kryptokokken-Meningo-enzephalitis)
1.2.4. Prophylaxe

Das wesentliche Element der allgemeinen Infektionskontrolle ist die Expositionsprophylaxe gegenüber aerogenen Konidien. Diese beinhaltet eine sorgfältige Instandhaltung raumlufttechnischer und sanitärer Anlagen, den Einsatz von HEPA-Filtern und „Laminar-Air-Flow” bei Hochrisikopatienten und eine Reihe besonderer Maßnahmen bei Bauarbeiten in der Nähe von Hochrisikobereichen (onkologische Stationen). In Patientenzimmern sollte auf Topfpfanzen und Blumensträuße verzichtet werden.

Jüngst abgeschlossene klinische Studien bei Erwachsenen konnten eine präventive Wirksamkeit von Posaconazol (600 mg in 3 ED) gegenüber invasiven Aspergillus-Infektionen in der Induktionstherapie der AML und bei GVHD nach allogener Stammzelltransplantation belegen; Metanalysen weisen auch auf eine präventive Wirksamkeit der Itraconazol-Suspension bei Aufrechterhaltung von Talspiegeln ≥ 0,5 ug/ml der Muttersubstanz.

Die empirische antimykotische Therapie bei Granulozytopenie und persistierendem Fieber ist ein Standard der onkologischen Supportivtherapie. Die empirische Therapie kann vom Konzept her als Prophylaxe bei Patienten mit höchstem Infektionsrisiko bzw. als Frühtherapie noch okkulter Infektionen betrachtet werden. Zugelassene Substanzen sind konventionelles Amphotericin B, liposomales Amphotericin B sowie - auf Erwachsene beschränkt - Itraconazol und Caspofungin. Obwohl konzeptuell einleuchtend, ist jedoch nach wie vor nicht formell belegt, ob diese Form der Intervention eine präventive Wirksamkeit gegenüber opportunistischen Schimmelpilzinfektionen hat (Empfehlungen der GPOH).

1.3. Infektionen durch Cryptococcus neoformans
1.3.1. Klinischer Kontext

Der bekapselte Hefepilz Cryptococcus neoformans ist ubiquitär in Erdboden und Vogelmist anzutreffen. Die Übertragung erfolgt überwiegend aerogen. Neben C. neoformans als Erreger der Kryptokokkose sind C. laurentii und C. albidus als sporadische Ursachen von Fungämien abwehrgeschwächter Patienten beschrieben.

Die meisten Cryptococcus-Infektionen treten bei Patienten mit deutlich eingeschränkter zellulärer Immunität auf (Immundefekte, immunsuppressive Therapie, onkologische Erkrankungen, fortgeschrittene HIV-Infektion, hoch dosierte Kortikosteroidtherapie). Bei Kindern und Jugendlichen sind Erkrankungen durch Kryptokokken insgesamt selten, in ihrer Gefährlichkeit aber nicht zu unterschätzen.

Die häufigste Manifestation der Kryptokokkose ist die Meningoenzephalitis. In Abhängigkeit von Immunstatus und inflammatorischer Reaktion erstreckt sich das klinische Bild von larvierten bis fulminanten Verläufen und umfasst persistierendes Fieber und zumeist diffuse ZNS-Symptome (Kopfschmerzen, Photophobie, Meningismus, Bewusstseinsstörung, Krampfanfälle). Seltenere Manifestationen sind fokale ZNS-Läsionen (Kryptokokkome), pulmonale Infektionen (asymptomatische Rundherde oder diffuse Infiltrate bis hin zum Lungenversagen) sowie primäre Hautinfektionen, Fungämien mit sekundären Hautherden und disseminierte Infektionen, wobei nahezu jedes Organ (u. a. Knochen, Gelenke, Augen) betroffen sein kann.

1.3.2. Diagnostische Hinweise

Klinische Symptomatik, Liquorbefund (meist milde lymphozytäre Pleozytose, Glukose leicht erniedrigt, Eiweiß leicht erhöht) sowie bildgebende Verfahren (kraniales CT) können zur Verdachtsdiagnose führen. Die Diagnose wird bestätigt durch den mikrobiologischen Nachweis von Cryptococcus neoformans im Direktpräparat bzw. in Gewebsschnitten, kulturell (Sabouraud-Agar) oder mittels Antigennachweis (Latex-Agglutination) in Körperflüssigkeiten (u. a. Liquor, Serum) und infektionsverdächtigen Geweben.

1.3.3. Management und Therapie

Standardtherapie der Kryptokokken-Meningoenzephalitis ist die Induktion mit Amphotericin B Deoxycholat (0,7–1,0 mg/kg KG/d i. v. in 1 ED) in Kombination mit 5-Flucytosin (100 mg/kg KG/d i. v. in 3–4 ED) für mindestens 2 Wochen (4–6 Wochen bei anhaltend symptomatischen Patienten), gefolgt von Fluconazol (8–12 mg/kg KG/d i. v. oder p. o. in 1 ED) für 8 bis 10 Wochen nach Ende der Induktion. Alternative bei Unverträglichkeit von konventionellem Amphotericin B ist liposomales Amphotericin B (5 mg/kg KG/d i. v. in 1 ED) und bei Unverträglichkeit jeglicher Amphotericin-B-Präparation die Kombination von Fluconazol und Fluzytosin (s. Tab. 18.3-4).

Auch bei unkompliziertem Verlauf ist bei Meningoenzephalitis eine Nachpunktion 14 Tage nach Therapiebeginn sowie vor relevanten Therapieänderungen angezeigt. Zum Monitoring des Therapieerfolgs eignet sich neben der Kultur insbesondere der Antigennachweis in Liquor und Serum.

Inline graphic Bei erhöhtem Liquordruck (> 25 cmH2O; zuvor Bildgebung z. A. einer Raumforderung!) sind ggf. wiederholte lumbale Liquorpunktionen bzw. die Anlage liquorableitender Systeme indiziert (s. Tab. 18.3-6).

Die Behandlung von extrazerebralen Kryptokokken-Infektionen ist abhängig von Organmanifestation und Immunstatus und umfasst Fluconazol bzw. Amphotericin B für 3 bis 6 Monate, bei schweren Verläufen Amphotericin B + Flucytosin. Neue Triazole (u. a. Voriconazol) sind bislang nicht ausreichend evaluiert. Echinocandine (u. a. Caspofungin) gelten als inaktiv.

1.3.4. Prophylaxe

Bei Patienten mit Abwehrschwäche ist nach erfolgreicher Behandlung eine Erhaltungstherapie mit Fluconazol (8–12 mg/kg KG/d p. o.) für die Dauer der Immundefizienz erforderlich. Uneingeschränkt akzeptierte Verfahren der Expositions- bzw. Chemopro-phylaxe existieren nicht.

1.4. Infektionen durch Zygomyzeten
1.4.1. Klinischer Kontext

Die Klasse der Zygomyzeten ist durch die Ausbildung von gering oder nicht septierten, breiten und polymorphen Hyphen charakterisiert. Zu den hierzulande häufigen Zygomyzeten gehören v. a. Rhizopus spp., gefolgt von Mucor, Rhizomucor und Absidia. Zygomyzeten sind ubiquitäre Saprophyten und können im Erdboden, auf Holz und in Nahrungsmitteln nachgewiesen werden.

Die Übertragung erfolgt aerogen über Inhalation (Respirationstrakt), Ingestion (Gastrointestinaltrakt) bzw. Kontamination (Hautläsionen).

Erkrankungen im Kindesalter sind selten. Zygomykosen gehören zu den seltenen opportunistischen Pilzinfektionen. Im Bereich der Neonatologie ist ihr Vorkommen sporadisch.

Charakteristisch für die Infektion ist die rasche Invasion von Gewebe und Blutgefäßen durch die Hyphen des Erregers mit dem Resultat von Gewebenekrosen, Gefäßthrombosen und Gewebeinfarkten. Die Zygomyzeten sind gefürchtet als Ursache aggressiver, oft fulminant und letztlich letal verlaufender tiefer Gewebsinfektionen bei abwehrgeschwächten Patienten. Folgende Krankheitsentitäten werden unterschieden:

  • rhinozerebrale Mukormykose

  • pulmonale Mukormykose

  • Mukormykose der Haut bzw. Weichteile

  • gastrointestinale Mukormykose

  • disseminierte Mukormykose.

Rhinozerebrale, pulmonale und disseminierte Infektionen sind die wichtigsten Formen der Mukormykose; ein Übergreifen bzw. Streuung in das ZNS ist häufig. Etwa zwei Drittel aller Fälle von rhinozerebraler Mukormykose wird bei diabetischer Ketoazidose beobachtet; Leitsymptome sind Schwellung, Rötung, Schmerzen im Gesichts- bzw. Orbitabereich und braun-blutiges Nasensekret. Die Lunge ist das wichtigste Zielorgan bei granulozytopenen Patienten; führend sind Fieber, respiratorische und infarktartige Symptome. Sehr unreife Frühgeborene haben eine Prädilektion für kutane (charakteristisch: Nekrosen bzw. Ulzerationen im Bereich zuvor mazerierter Hautbezirke) und luminale gastrointestinale Infektionen (Symptome: Ileus und Perforation).

1.4.2. Diagnostische Hinweise

Die Diagnose beruht auf dem direkten mikrobiologischen bzw. histopathologischen Nachweis des Erregers in infektionsverdächtigen Geweben. Blutkulturen sind aufgrund der Größe der Hyphen auch bei disseminierten Infektionen nur in Ausnahmefällen positiv.

Eine detaillierte Bildgebung mittels CT und MRT ist immer erforderlich, um das Ausmaß der Gewebeinfektion zu erfassen und ggf. chirurgische Interventionen einzuleiten.

1.4.3. Management und Therapie

Hauptpfeiler der Behandlung von Mukormykosen ist das Débridement chirurgisch angehbarer Läsionen und die hoch dosierte Gabe von liposomalem Amphotericin B bzw. Amphotericin B Lipid Complex (> 5 mg/ kg und Tag) meist über mehrere Wochen bis zur Resolution aller klinischen und bildgebenden Befunde. Eine mögliche Alternative in der Salvage- bzw. Erhaltungstherapie ist Posaconazol (nicht zugelassen; Erwachsenendosierung: 800 mg in 2 bzw. 4 ED per os) (s. Tab. 18.3-5).

Wesentlich für eine erfolgversprechende Behandlung der Mukormykose ist weiterhin der Korrekturversuch des zu Grunde liegenden immunologischen Defekts. Hierzu gehört u. a. die Gabe von G-CSF bzw. GM-CSF bei granulozytopenischen Patienten und - falls möglich-die Reduktion bzw. das Absetzen von Kortikosteroiden und anderen immunsuppressiv wirkenden Medikamenten.

Eine effektive Expositions- oder Chemoprophylaxe der Mukormykose existiert nicht.

1.5. Infektionen durch weitere seltene opportunistische Pilzerreger

Eine große Zahl zuvor seltener opportunistischer Pilze wird zunehmend als Ursache lebensbedrohlicher invasiver Infektionen vor allem bei granulozytopenischen Patienten beobachtet. Sie umfassen hefeartige Pilze (z. B. Trichosporon asahii, Blastoschizomyces capitatus), hyaline Fadenpilze (z. B. Fusarium spp., Paecilomyces spp., Pseudallescheria boydii und Scedosporium prolificans) und pigmentierte Fadenpilze (z. B. Bipolaris, Exophiala und Alternaria spp.). Infektionen durch seltene hefeartige Pilze folgen in ihrem Muster von Fungämie und hämatogener Dissemination invasiven Candida-Infektionen. Infektionen durch seltene hyaline und pigmentierte opportunistische Schimmelpilze sind aufgrund ihres aerogenen Infektionswegs klinisch und bildgebend nicht von invasiven Aspergillus-Infektionen unterscheidbar. Ihre Diagnose beruht auf dem kulturellen Erregernachweis.

Infektionen durch seltene opportunistische Pilze sind mit einer hohen Mortalität assoziiert. Viele dieser Pilze, u. a. Trichosporon asahii, Paecilomyces lilacinus, Fusarium spp., Pseudallescheria boydii und Scedosporium prolificans, weisen eine verminderte Empfindlichkeit gegenüber Amphotericin B auf und bedürfen einer Therapie mit Triazolen (z. B. Voriconazol oder Posaconazol). Im Einzelfall wird die Konsultation ausgewiesener Experten angeraten.

2. Subkutane Pilzinfektionen

Erreger subkutaner Pilzinfektionen wachsen im Boden und in absterbenden Pflanzen. Durch Verletzungen der Haut gelangen sie in das Subkutangewebe und verursachen lokalisierte, chronisch-granulierende Erkrankungen. Mit Ausnahme der ubiquitären Sporotrichose treten sie vor allem in Subtropen und Tropen auf. Neben der Sporotrichose umfassen die subkutanen Pilzinfektionen:

  • die Chromoblastomykose

  • die Maduramykose (Myzetom)

  • die Lobomykose und die Rhinosporidiose

  • die subkutanen Phaeohyphomykosen.

Sporotrichose. Die Sporotrichose wird durch Sporothrix schenkii, einen dimorphen Pilz mit weltweiter Verbreitung verursacht.

Die häufigste Manifestation ist die einer nichtlebensbedrohlichen, ulzerierenden Infektion von Haut und Unterhaut einer oberen Extremität mit regionaler Lymphadenopathie. Osteoartikuläre, pulmonale, meningeale und disseminierte Formen sind selten und werden vor allem bei abwehrgeschwächten Patienten beobachtet.

Eintrittspforte sind üblicherweise banale Hautverletzungen, jedoch ist auch eine zoonotische Ausbreitung über Kratzverletzungen durch infizierte Katzen beschrieben.

Die Diagnose beruht auf dem kulturellen Nachweis des Erregers aus infektionsverdächtigem Gewebe bzw. Körperflüssigkeiten, wobei aufgrund der schwierigen Differenzierung der Nachweis der dimorphen Wachstumseigenschaften von Bedeutung ist.

Therapie der Wahl der lymphokutanen Sporotrichose und der osteoartikulären Sporotrichose ist Itraconazol (5 mg/kg KG/d p. o. in 1 ED) über einen Zeitraum von 3 bis 6 bzw. bis zu 12 Monaten. Neuere Untersuchungen belegen auch eine gute therapeutische Wirksamkeit von Terbinafin (250 mg/d p. o. in 1 ED; nur für Jugendliche und Erwachsene zugelassen) bei lymphokutaner Sporotrichose. Komplizierte und lebensbedrohliche pulmonale sowie meningeale und disseminierte Infektionen werden initial mit Amphotericin B Deoxycholat (0,5–1,5 mg/kg KG/d i. v. in 1 ED) behandelt, bei nichtlebensbedrohlichen pulmonalen Verlaufsformen kann mit Itraconazol behandelt werden. Die Erfahrungen mit Voriconazol bzw. Posaconazol sind sehr begrenzt.

3. Pilzinfektionen von Haut und Hautanhangsgebilden

3.1. Dermatophytosen
3.1.1. Klinischer Kontext

Dermatophyten infizieren keratinhaltige Gewebe wie das Stratum corneum der Epidermis sowie Nägel und Haare. Sie umfassen drei Gattungen: Trichophyton, Microsporum und Epidermophyton. Die durch Dermatophyten ausgelösten Infektionen werden klassi- scherweise als Tinea („Haut- oder Ringflechte”) bezeichnet, gefolgt von der lateinischen Bezeichnung des betroffenen Körperteils.

Dermatophytosen werden direkt durch Kontakt von Mensch zu Mensch, von Tier zu Mensch oder indirekt über unbelebte Gegenstände übertragen. Endemien in Kindergärten bzw. Schulen sind häufig. Die initiale Infektion resultiert aus dem Kontakt mit infizierten, desquamierten Schuppen bzw. Haar. Die Invasion wird eingeleitet durch das Auskeimen von Sporen bzw. Arthrokonidien im keratinhaltigen Gewebe.

Klassische Überträger bei Tinea corporis und Tinea facialis sind Haustiere.

Dermatophytosen sind bei weitem die häufigsten Pilzinfektionen des Menschen. Während Tinea capitis, Tinea pedis, Tinea corporis und Tinea facialis nicht selten bei Kindern vorkommen, sind Onychomykosen in dieser Altersgruppe ungewöhnlich.

Typisch für Dermatophytosen der Haut sind zentral abheilende Läsionen mit entzündlichem, schuppendem Randwall. Daneben finden sich auch pleomorphe Läsionen, die klinisch nicht von einer Kontaktdermatitis, Psoriasis, Pityriasis rosea, einer kutanen Arzneimittelreaktionen und Effloreszenzen anderer Ätiologie zu unterscheiden sind.

Bei abwehreschwächten Patienten sind auch Infektionen beschrieben, die die nichtkeratinhaltige Dermis mit einbeziehen und schmerzhafte noduläre oder ulzerative Läsionen hervorrufen.

Die Tinea capitis wird leicht von Kind zu Kind übertragen, Die Manifestationen der Tinea capitis sind vielfältig und umfassen nichtinflammatorische und inflammatorische Verlaufsformen mit unterschiedlichen Formen der Alopezie.

3.1.2. Diagnostische Hinweise

Als Untersuchungsmaterial dienen Geschabsel bzw. Nägel und erkrankte Haare. Der Nachweis von Pilzen erfolgt mikroskopisch durch Anfertigung eines KOH-Präparats. Die Identifizierung beruht auf der kulturellen Anzucht und der mikroskopischen Beurteilung von Hyphen und Reproduktionsstrukturen. Tinea capitis durch M. audouinii, M. canis und T. schoenleinii zeigt eine charakteristische blaugrüne Fluoreszenz bei Bestrahlung mit langwelligem UV-Licht (WoodLampe).

3.1.3. Management und Therapie

Zur Behandlung von Tinea pedis, corporis bzw. facialis steht eine große Auswahl topischer Azole (z. B. Clotrimazol, Bifonazol) und Allylamine (z. B. Terbinafin) zur Verfügung, die ein- bis zweimal täglich auf die betroffenen Hautareale appliziert werden. Die Behandlung sollte konsequent für 7 bis 14 Tage über die Ausheilung hinaus fortgesetzt werden, um Rezidive zu vermeiden. Patienten, die nicht auf die konventionelle topische Therapie ansprechen, können systemisch mit Fluconazol, Itraconazol, Terbinafin oder Griseofulvin behandelt werden (Tab. 18.3-8 ).

Tab. 18.3-8.

Chemotherapie von Infektionen durch Dermatophyten.

Pilzinfektion Management
Tinea capitis
  • Fluconazol (6 mg/kg/d p. o. in 1 ED über 4 Wochen)

  • Itraconazol (5 mg/kg/d p. o. in 2 ED über 4 Wochen)*

  • Terbinafin (< 20 kg: 62,5 mg; 20–40 kg: 125 mg; > 40 kg: 250 mg/d p. o. in 1 ED über 4 Wochen) *

  • Griseofulvin (mikronisiert; 10–15 mg/kg/d p. o. in 2 ED über 6 bis 8 Wochen)

Tinea unguinum • Itraconazol (5 mg/kg/d p. o. in 2 ED über 3–4 Monate)* Terbinafin (< 20 kg: 62,5 mg; 20–40 kg: 125 mg und > 40 kg: 250 mg/d p. o. in 1 ED über 6 Wochen [Fingernagel] bzw. 12 Wochen [Fussnagel])*
Tinea corporis Tinea facialis Tinea pedis
  • Topische antimykotische Azole: Miconazol, Clotrimazol, Econazol, Ketoconazol,

  • Sulconazol, Oxiconazole u. a. 2 × tgl. für 2–4 Wochen

  • Topische Allyl/Benzylamine, Thiocarbamate: Terbinafin, Naftifin, Butenafin,

  • Tolnaftat 1 bis 2 × tgl. für 2–4 Wochen

  • Andere topische Substanzen: Ciclopirox 2 × tgl. für 2–4 Wochen

  • Refraktäre Infektionen/abwehrgeschwächte Patienten:
    • Fluconazol (6 mg/kg/d p. o. in 1 ED über 2–4 Wochen)
    • Itraconazol (5 mg/kg/d p. o. in 2 ED über 2–4 Wochen)*
    • Terbinafin (< 20 kg: 62,5 mg; 20–40 kg: 125 mg und > 40 kg: 250 mg/d p. o. in 1 ED über 2–4 Wochen)*
    • Griseofulvin (mikronisiert; 10–15 mg/kg/d p. o. in 2 ED über 2–4 Wochen)
*

Nicht zugelassen für Patienten < 18 Jahren.

Griseofulvin und die topische Anwendung von Seleniumsulfit-Shampoo ist die traditionelle Therapie der Tinea capitis. Neuere, möglicherweise besser verträgliche und besser wirksame Optionen ist die systemische Gabe von Fluconazol, Itraconazol und Terbinafin. Kontaminierte Kämme und Haarbürsten müssen desinfiziert werden. Für alle nichtinfizierten Haushaltsmitglieder wird die Anwendung von Seleniumsulfit-Shampoo zwei- bis dreimal in der Woche für die Dauer der Therapie des Erkrankten empfohlen (s. Tab. 18.3-8).

Onychomykosen sprechen überwiegend nicht auf eine topische Therapie an. Therapie der Wahl ist die langständige systemische Therapie mit Itraconazol oder Terbinafin (s. Tab. 18.3-8).

3.1.4. Prophylaxe

Die Prävention aller Dermatophytosen beschränkt sich auf die Vermeidung direkter Kontakte mit Erkrankten sowie für Tinea pedis auf regelmäßige Bodendesinfektionen von Duschen und Garderoben.

3.2. Tinea (Pityriasis) versicolor

Malassezia furfur und Malassezia pachydermatidis sind die Erreger der häufig vorkommenden Tinea versicolor, einer oberflächlichen Pilzinfektion der Haut, die sich im typischen Fall als hypopigmentierte Flecken des oberen Körperstamms, der oberen Extremitäten und des Halses manifestiert. Betroffen sind überwiegend Jugendliche und junge Erwachsene. Ursache der Pityriasis ist eine intrakutane Hyperproliferation der zur normalen Hautflora gehörigen lipophilen Hefepilze.

Die Anwendung von langwelligen UV-Strahlen mit der Wood-Lampe (gelbe Fluoreszenz) ist diagnostisch hilfreich. Hautgeschabsel zeigen mikroskopisch typische Cluster von Blastokonidien und Hyphen. Eine Kultur ist meist nicht erforderlich.

Die Behandlung besteht neben dem Vermeiden von fetthaltigen Cremes und Lotionen in der Anwendung topischer Azole bzw. Polyene. Neuere Alternativen sind Fluconazol und Itraconazol (Tab. 18.3-3).

Malasezzia spp. werden darüber hinaus ätiologisch mit der seborrhoischen Dermatitis und pathologisch schuppendem Haar in Zusammenhang gebracht; bei Patienten mit Abwehrschwäche und Frühgeborenen sind invasive Infektionen mit Fungämie beschrieben.

3.3. Candida-assoziierte Windeldermatitis

Postpartal findet eine rasche Kolonisation mukokutaner Oberflächen durch Candida albicans statt. Während eine oropharyngeale Candidiasis bei etwa 3% reifer Neugeborener zu beobachten ist, ist die häufig mit C. albicans assoziierte Windeldermatitis eine nahezu endemische Erscheinung der ersten Lebensmonate. Die Windeldermatitis wird durch Feuchtigkeit, Luftausschluss, Stuhlkontakt und den niedrigen pH des Urins begünstigt. Das klassische Erscheinungsbild ist das Erythem mit schuppendem Rand und papulopustulösen Satellitenläsionen. Gelegentlich kann eine gleichzeitige Dermatophytose vorliegen.

Die Behandlung besteht in der Korrektur begünstigender physiologischer Faktoren, der lokalen topischen Therapie mit Azol- bzw. Polyen-haltigen Dermatika und unterstützend der Reduktion der intestinalen Hefepilzbesiedelung durch nichtresorbierbare Polyene (z. B. Nystatin).

3.4. Kongenitale kutane Candidiasis

Die kongenitale kutane Candidiasis manifestiert sich innerhalb der ersten 24 Lebensstunden als disseminierte milienähnliche, stecknadelkopfgroße Pusteln auf gerötetem Grund, die in eine Erythrodermie übergehen können und mit einer Fruchtwasserinfektion durch zumeist C. albicans assoziiert sind.

In aller Regel ist eine systemische Therapie wie bei invasiver Candidiasis (s. d.) angezeigt.

3.5. Andere oberflächliche Pilzinfektione

Die Tinea nigra ist eine in den Tropen vorkommende exogene Hautinfektion durch Exophiala werneckii mit Ausbildung bräunlich-schwarzer makulöser Effloreszenzen, die in der Regel topisch mit Azolen oder Allylaminen (z. B. Terbinafin) behandelt werden kann.

Die weiße (Trichosporon asahii) und schwarze Piedra (Piedraia hortae) sind asymptomatische oberflächliche Pilzinfektionen des Haarschafts. Sie sind charakterisiert durch weißliche bzw. schwarze krustenartigen Verbackungen ohne Alopezie, aber mit Haarbruch. Die Behandlung besteht in der Anwendung von Ketokonazol-haltigem Shampoo bzw. Abschneiden oder Rasur der betroffenen Areale.

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18.4. Parasitäre Erkrankungen

Ralf Bialek, Volker Schuster

ANLIEGEN DES KAPITELS.

Parasitismus ist die vermutlich erfolgreichste Lebensform. Etwa 50% aller Lebewesen leben zumindest zeitweise parasitär, aber nahezu alle Lebewesen leben mit Parasiten. Daher ist es nicht verwunderlich, dass auch der Mensch zahlreiche Parasiten beherbergt, die ihm mehr oder weniger Schaden zufügen können. Als Parasitosen des Menschen werden in der Medizin vor allem Infektionen mit Würmern (Helminthen), Arthropoden (Gliederfüßlern) und Einzellern verstanden. Die Bereitstellung von sauberem Trinkwasser, die Benutzung von Toiletten sowie das Tragen von Schuhen machen Parasitosen hierzulande zu einer Rarität. Globalisierung, Ferntourismus von Familien in entlegene Gebiete sowie Immigration führen dazu, dass auch ausschließlich in Deutschland tätige Pädiater Parasitosen differentialdiagnostisch erwägen müssen. In Einzelfällen ist eine schnelle Diagnostik unabdingbar, um erforderliche, ggf. lebensrettende Therapien nicht zu verzögern.

1. Intestinale Parasitosen

1.1. Klinischer Kontext

Intestinale Parasitosen kommen weltweit vor. Da sie meist fäkal-oral übertragen werden, ist ihre Prävalenz in Ländern mit geringem Hygienestandard höher als in Industriestaaten. Typische Infektionsquellen sind kontaminierte Nahrungsmittel und „unsauberes” Trinkwasser. Protozoen bilden umweltresistente Zysten aus, die überwiegend bereits bei Ausscheidung infektiös sind und es monatelang sowohl im Wasser als auch auf oder in Nahrungsmitteln bleiben können.

Viele humanpathogene Einzeller verbringen ihren gesamten Lebenszyklus im menschlichen Darm, so dass eine Infektion über Jahre bestehen und der „Befallene” Ausscheider und damit Infektionsquelle bleiben kann. Diese können weitgehend asymptomatisch verlaufen, aber auch akute oder chronische abdominelle Beschwerden, akute und chronische wässerige bis breiige Diarrhöen, verbunden mit Blähungen bei der Giardiasis, oder blutige schleimige Diarrhöen bei der intestinalen Amöbiasis verursachen. Die asymptomatische intestinale Amöbiasis kann auch erst Jahre nach Infektion zu einer invasiven Erkrankung mit blutigen Durchfällen (Amöbenruhr) oder einem Leberabszess führen. Unbehandelt verläuft diese extraintestinale Amöbiasis überwiegend letal. Alle anderen humanpathogenen Darmprotozoen werden nicht invasiv.

Bei der Giardiasis (Lambliasis) kann die chronische Infektion des Dünndarms zu Malabsorption z. B. von Spurenelementen und entsprechenden Störungen führen, selten sogar zum Wachsstumsstillstand bei Kindern.

Intestinale Infektionen mit Cryptosporidium parvum, Cyclospora cayetanensis und Isospora belli (intestinale Kokzidiosen) sind beim Immungesunden selbstlimitierende Durchfallerkrankungen. Bei Störungen der zellulären Immunität können Kryptosporidien und Isospora belli anhaltende, lebensbedrohliche Diarrhöen verursachen, aber auch die Gallengänge retrograd besiedeln und zu einer biliären Leberzirrhose führen.

Die vom Träger intestinaler Helminthen ausgeschiedenen Parasitenstadien benötigen Stunden bis Wochen an der Luft, um zu infektiösen Stadien zu reifen. Selten bei der Hakenwurminfektion mit Ancylostoma duodenale, aber immer bei der Strongyloidiasis (Zwergfadenwurminfektion) und der Hymenolepiasis (Zwergbandwurminfektion) sind die ausgeschiedenen Larven resp. Eier infektiös, so dass Autoinfektionen möglich sind. Die bei der Oxyuriasis (Madenwurminfektion) perianal abgelegten Eier werden innerhalb von Stunden infektiös, so dass Autoinfektionen durch Ingestion möglich und sogar regelhaft sind. Die Entwicklungszeit von der Infektion bis zur Ausscheidung infektiöser Stadien beträgt bei den humanpathogenen Helminthen 4 bis 8 Wochen und wird als Präpatenzzeit bezeichnet.

  • Bei Infektionen mit Gurkenkernbandwürmern (Dipylidiasis), Madenwürmern, Zwergbandwürmern, Bandwürmern (Taeniasis) und Peitschenwürmern (Trichuriasis) entwickeln sich die Parasiten ausschließlich im Darm.

  • Larven der Haken- und Zwergfadenwürmer durchdringen die intakte menschliche Haut und gelangen über Lymphe und Blut zunächst in die Lunge, wo sie über Trachea und Pharynx in den Darm gelangen, in dem sie ihre Entwicklung komplettieren.

  • Bei der Spulwurminfektion (Askariasis) schlüpfen aus den oral aufgenommenen Eiern Larven, die den Darm verlassen, um in der Lunge wie oben beschrieben heranzureifen und sekundär wieder in den eigentlichen Lebensraum, den Darm zu gelangen. Während der extraintestinalen Reifung können Husten, selten Fieber, allergische Reaktionen und radiologisch nachweisbare, wandernde eosinophile Lungeninfiltrate (Löffler-Infiltrate) auftreten sowie eine Eosinophilie im peripheren Blut.

Der Darmbefall mit Würmern verläuft überwiegend asymptomatisch oder verursacht unspezifische Symptome wie rezidivierende Bauchschmerzen, selten Obstipation oder Durchfall. Bei der Madenwurminfektion steht meist ein perianaler Pruritus im Vordergrund, der durch sein überwiegend nächtliches Auftreten zu unspezifischen Symptomen wie Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Konzentrationsstörungen führen kann. Aber auch bei der Dipylidiasis ist perianaler Juckreiz mit allen sekundären Symptomen möglich. Bei ausgeprägtem Befall kann die Hakenwurminfektion zur Anämie führen. Die Strongyloidiasis kann bei Immunsuppression als Hyperinfektionssyndrom verlaufen. Die im Darm aus den abgelegten Eiern entstandenen Larven werden nicht ausgeschieden, sondern wandern durch die Darmwand in alle Organe. Bei verzögerter Diagnostik und Therapie sind letale Verläufe möglich.

Mit seltenen Ausnahmen ist die Prognose intestinaler Helmintheninfektionen gut. Aufgrund der Lebensspanne adulter Spul-, Haken- und Peitschenwürmer sind Infektionen mit diesen Erregern nach längstens 5 Jahren selbstlimitierend. Der Befall mit Rinder- und Schweinebandwürmern kann über Jahre persistieren und dann zu schleimigen Diarrhöen und abdominellen Beschwerden führen. Lässt sich eine Autoinfektion vermeiden, sind auch Madenwurminfektionen und Hymenolepiasis selbstlimitierend.

1.2. Klassifikation
1.2.1. Intestinale Protozoeninfektionen
  • Entamoeba histolytica, Erreger der Amöbiasis, und Dientamöba fragilis sind Amöben.

  • Giardia lamblia (Lamblia intestinalis), Erreger der Giardlasis oder Lambliasis zählt zu den Flagellaten (Geißeltierchen).

  • Erreger der intestinalen Kokzidiosen sind Cryptosporidium hominis und C. parvum, früher als humaner und boviner Typ von C. parvum bezeichnet, sowie mehrere molekularbiologisch differenzierte Kryptosporidienarten als Ätiologie der Kryptosporidiose, Cyclospora cayetanensis als Erreger der Cyclosporiasis und Isospora belli, Verursacher der Isosporiasis. Die drei genannten gehören zum Stamm der Apicomplexa und vermehren sich intrazellulär im Darmepithel.

1.2.2. Intestinale Helmintheninfektionen
  • Zu den Fadenwürmern (Nematoden) zählen Ancylostoma duodenale und Necator americanus (Hakenwurminfektionen; Ankylostomiasis), Ascaris lumbricoides (Spulwurminfektion, Askariasis), Enterobius vermicularis (Madenwurminfektion, Oxyuriasis oder Enterobiasis), Strongyloides stercoralis (Zwergfadenwurminfektion, Strongyloidiasis) und Trichuris trichiura (Peitschenwurminfektion, Trichuriasis).

  • Die als Taeniasis bezeichnete Bandwurminfektion wird vom Schweine- (Taenia saginata) oder vom Rinderbandwurm (T. solium) verursacht.

  • Hymenolepis nana (Zwergbandwurm; Hymenolepiasis) gehört auch zu den Bandwürmern.

  • Dipylidium caninum (Dipylidiasis) ist ein Bandwurm von Hund und Katze, dessen Eier nach Ausscheidung von Katzen- und Hundeflöhen aufgenommen werden, in denen sie zu infektiösen Finnen heranreifen. Durch Verschlucken der Flöhe schließt sich der Zyklus. Durch akzidentelles Verschlucken von Hunde- und Katzenflöhen, vorwiegend bei Kleinkindern, wird der Mensch zum Endwirt, in dessen Darm der erwachsene Bandwurm sich entwickelt.

1.3. Diagnostische Hinweise

Die Diagnose intestinaler Parasitosen gelingt über den Nachweis von Parasitenstadien in jodgefärbten, angereicherten Stuhlproben. Eine sichere Differenzierung der stets apathogenen E. dispar und der potenziell pathogenen E. histolytica ist nur molekularbiologisch möglich.

Die Ausscheidung von Parasitenstadien ist intermittierend, so dass der fehlende Nachweis in einer Stuhlprobe eine intestinale Parasitose nicht ausschließt. Es sollten mindestens drei Proben von verschiedenen Tagen untersucht werden.

Inline graphic Eine klopfschmerzhafte Leber bei Fieber mit deutlicher Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes ist bei entsprechender Reiseanamnese bis zum Ausschluss verdächtig auf einen Amöbenleberabszess, der einen tropenmedizinischen Notfall darstellt.

Die Lebersonographie kann bereits eine echoinhomogene, meist rundliche Struktur in der Leber erkennen lassen. Der Nachweis spezifischer Antikörper gelingt in dieser Krankheitsphase zu fast 100%, während die parasitologische Stuhldiagnostik negativ bleiben kann.

Amöbenruhr, Giardiasis und Kryptosporidiose können auch mittels Enzymimmuntests oder Immunfluoreszenzverfahren zum Antigennachweis aus Stuhlproben diagnostiziert werden. Der Nachweis spezifischer Antikörper im Serum hat nur bei der extraintestinalen Amöbiasis diagnostische Bedeutung. Die ausgeschiedenen Oozysten von Kryptosporidien und C. cayetanensis benötigen eine modifizierte Ziehl-Neelsen-Färbung oder Immunfluoreszenzverfahren zur mikroskopischen Darstellung, da sie nicht mit Jod angefärbt werden. Auch Trophozoiten von Dientamöba fragilis werden nicht mit Jod angefärbt, so dass eine Färbung mit Eisen-Hämatoxylin oder eine Kultur zum Nachweis erforderlich ist. Die von Madenwürmern perianal abgelegten Eier werden nicht im Stuhl detektiert. Morgens auf die perianale Haut aufgeklebte durchsichtige Klebestreifen, die anschließend auf einen Objektträger aufgeklebt werden, erlauben den mikroskopischen Ei-Nachweis. Bei der Strongyloidiasis werden nur wenige Larven pro Tag ausgeschieden, die mittels Anreicherungsverfahren nicht detektiert werden. Werden Stuhlproben auf Nährmedien inkubiert, können die aus der Probe in den Agar einwandernden Larven mit der Lupe entdeckt werden.

1.4. Management und Therapie
1.4.1. Ziele und Prinzipien

Die antiparasitäre Therapie zielt auf eine erfolgreiche Elimination der Parasiten ab, so dass verursachte Symptome sistieren, mögliche später auftretende Organschädigungen vermieden und Ausscheider, d. h. potenzielle Überträger, eradiziert werden.

Mit Ausnahme der extraintestinalen Amöbiasis, der Amöbenruhr, des Hyperinfektionssyndroms bei der Strongyloidiasis des Immungeschwächten sowie der akuten und chronischen Diarrhö durch intestinale Protozoen ist eine medikamentöse Therapie weder unverzüglich noch unbedingt erforderlich.

Die Mehrzahl der intestinalen Parasitosen kann bei konsequenter Trennung von Trink- und Abwasser, Benutzung von Toiletten und beim Tragen fester Schuhe nicht übertragen werden. Ausnahmen sind die intrafamiliär häufig bis obligatorisch übertragenen Madenwurminfektionen und die Giardiasis.

Bei der Therapie intestinaler Helminthiasen sind die Lebenszyklen zu berücksichtigen, um durch zeitgerechte und ggf. wiederholte Gabe von Antiparasitika Autoinfektionen mit neuerlichem Beginn des Parasitenzyklus zu unterbinden.

1.4.2. Spezifische Therapie und prophylaktische Maßnahmen
▪. Amöbiasis
  • Intestinaler Befall (meist asymptomatisch)
    • Paromomycin (Humatin®) 15–25 mg/kg KG/d p. o. in 3 ED für 6–10 Tage
    • alternativ: Diloxanidfuroat (Furamide®; in Deutschland nicht zugelassen, über Auslandsapotheke erhältlich) 3 × 7 mg/kg KG/d p. o. für 10 Tage
  • Amöbenruhr und Amöbenleberabszess
    • Metronidazol (z. B. Clont®) 3 × 10 mg/kg KG/d i. v. oder p. o. über 10 Tage
    • alternativ: Tinidazol (Fasigyn®) 20–30 mg/kg KG/d p. o. für 5 Tage
    • Tinidazol ist in Deutschland nicht mehr als Fertigarzneimittel erhältlich, kann jedoch als Fasigyn® aus der Schweiz und anderen Ländern importiert werden.

Bei der invasiven Amöbiasis muss anschließend immer auch eine Therapie mit Paromomycin (Humatin®) (oder Diloxanidfuroat) zur Elimination der Darmlumenformen als Rezidivprophylaxe durchgeführt werden.

▪. Askariasis (Spulwurmbefall), Ancylostomiasis (Hakenwurmbefall), Trichuriasis (Peitschenwurmbefall)

Für die Therapie stehen die beiden folgenden Substanzen zur Verfügung:

  • Pyrantel (Helmex®) 1 × 10 mg/kg KG p. o. (max. 1 g)

  • Mebendazol (Vermox®) 2 × 100 mg/d p. o. für 3 Tage

▪. Bandwurmbefall
  • Rinder- und Schweinebandwurmbefall (Taeniasis)

  • Dipylidiasis (Gurkenkernbandwurmbefall)

  • Fischbandwurmbefall (Diphyllobothriasis).

Alle o. g. Infektionen werden mit Niclosamid (Yomesan®) einmalig mit 500 mg (= 1 Tbl., Kinder unter 2 Jahren), 1000 mg (Kinder 2.–6. Lebensjahr) bzw. mit 2 g (Kinder > 6. Lebensjahr) behandelt.

Zusätzlich sollte insbesondere bei der Infektion mit einem Schweinebandwurm vor Gabe des Medikaments und danach ein orales Laxans, wie z. B. Lactulose, in üblicher Dosierung gegeben werden, um den „Abgang” des abgestorbenen meterlangen Bandwurms zu erleichtern sowie einer Darmobstruktion und einer bei Taenia solium möglichen Regurgitation von infektiösen Eiern mit nachfolgender Zystizerkose (s. Kap. 18.4.3) vorzubeugen!

Alternativ kann Praziquantel (z. B. Cesol®) 10 mg/kg KG p. o. einmalig verabreicht werden.

Nach 2 Wochen ist der Stuhl auf Proglottiden zu kontrollieren. Bei Vorliegen einer megaloblastären Anämie (in ca. 1% der Fälle bei Fischbandwurmbefall) erfolgt eine zusätzliche Substitution mit Vitamin B12.

Zur Prophylaxe gehören v. a. hygienische Maßnahmen:

  • kein Verzehr von rohem oder ungenügend erhitztem Fisch oder Fleischwaren

  • Vernichtung von abgegangenen Bandwürmern (keine Entsorgung in der Toilette)

  • keine Düngung von Gemüse und Erdfrüchten mit menschlichen Fäkalien.

▪. Cyclosporiasis, Isosporiasis

Es handelt sich typischerweise um eine selbstlimitierende Kokzidien-Infektion, die nur bei anhaltenden Beschwerden oder bei Immunsupprimierten therapiert wird: Co-trimoxazol 30 mg/kg KG (5 mg Trimethoprim/25 mg Sulfamethoxazol)/d p. o. bis zu max. 120 mg/kg KG (bei Immunsuppression)/d p. o. für 7 bis 10 Tage.

▪. Dientamöbiasis

Studien zur Effektivität von Antiparasitika dieser selten diagnostizierten Parasitose liegen nicht vor. Es kann ein Therapieversuch mit Metronidazol (z. B. Clont®) 3 × 10 mg/kg KG/d p. o. für 7 bis 10 Tage unternommen werden. Alternativ käme Tinidazol (Fasigyn®; Dosierung wie unter Giardiasis) in Frage.

▪. Giardiasis (Lambliasis)

Mittel der Wahl ist Tinidazol (Fasigyn®) 30 mg/kg KG/d p. o. für 1 bis 3 Tage. Alternativ kann Metronidazol (z. B. Clont®, Flagyl®) 15 mg/kg KG/d p. o. in 2 ED für 10 Tage eingesetzt werden (geringere Wirksamkeit, schlechtere Compliance).

Gelegentlich ist eine wiederholte Therapie erforderlich und ggf. eine Mitbehandlung der Haushaltsmitglieder, da wegen der Umweltresistenz der ausgeschiedenen Zysten intrafamiliäre Übertragungen möglich sind.

Bei anhaltender Infektion trotz wiederholter Therapie mit einem der o. a. Medikamente ist auch eine Imidazol-Resistenz möglich, so dass andere, in Deutschland bisher nicht oder nicht mehr zugelassene Medikamente versucht werden können: Nitazoxanid oder Furazolidon (über Auslandsapotheke erhältlich) 5 mg/kg KG/d (max. 400 mg) p. o. in 4 Einzeldosen für 10 Tage.

▪. Hymenolepiasis (Zwergbandwurmbefall)

Mittel der Wahl ist Praziquantel (Cesol®) 15–25 mg/kg KG p. o. einmalig.

Eine Autoinfektion ist nicht selten. Daher sollte nach 14 bis 21 Tagen die Therapie wiederholt werden.

Alternativ kommt eine Behandlung mit Niclosamid (Yomesan®) p. o. für 7 Tage in Frage, am 1. Tag empfohlene altersabhängige Dosis, dann 6 Tage lang halbe Dosis.

▪. Kryptosporidiose

Bei Immungesunden ist diese Durchfallerkrankung selbstlimitierend. Bei immundefizienten Patienten (Immundefekt, HIV-Infektion) können persistierende und lebensbedrohliche Infektionen auftreten. Eine etablierte kausale Therapie existiert nicht (s. Kap. 22). Therapieversuche mit Paromomycin (Humatin®) 25–100 mg/kg KG/d oral oder Azithromycin (10 mg/kg KG oral am 1. Tag, dann 5 mg/kg KG/d oral für insgesamt 10 Tage) oder Nitazoxanid für 3 Tage waren in kontrollierten Studien nicht wirksamer als Plazebo (Hewitt et al. 2000).

Eine symptomatische Therapie ist durch die Gabe von Rinderkolostrum (erhältlich als Nahrungsergänzungsmittel), Loperamid (Imodium®), Tinctura opii oder Octreoid (Sandostatin®) in einigen Fällen zumindest vorübergehend hilfreich.

Die Verbesserung des Immunstatus ist wesentlich, damit die Symptomatik sistiert. Ungeklärt ist, ob damit auch die Erreger eradiziert werden, wahrscheinlicher ist eine intrazelluläre Persistenz der Kryptosporidien, so dass es bei reduzierter Immunität erneut zur Symptomatik kommen kann.

Zur Prophylaxe gehören hygienische Maßnahmen (Händewaschen, Tragen von Einmalhandschuhen) und Erhitzen von Wasser auf über 60 °C für mind. 30 min.

Meldepflichtig gemäß Infektionsschutzgesetz ist der direkte und indirekte Nachweis einer Infektion mit Cryptosporidium parvum.

▪. Madenwurmbefall (Oxyuriasis, Enterobiasis)

Effektive Medikamente sind Pyrantel (Helmex®, 10 mg/kg KG, max. 1 g), Pyrvinium (z. B. Pyrcon®, 5 mg/kg KG) oder Mebendazol (z. B. Vermox® 100 mg) jeweils oral und als Einmaldosis.

Da die Substanzen ausschließlich auf adulte Würmer wirken, aber Autoinfektionen mit perianal abgelegten Eiern häufig sind, wird eine Wiederholung der Dosis mindestens einmal nach 14 Tagen, besser zweimal auch nach 28 Tagen für eine erfolgreiche Eradikation empfohlen. Bei hartnäckigen Fällen ist eine Therapie mit Wiederholungen nach 14 und 28 Tagen aller Haushaltsmitglieder erforderlich, da intrafamiliäre Übertragungen häufig sind.

Die Nacht- und Bettwäsche ist am Morgen nach jeder Dosis zu wechseln, ohne diese auszuschütteln, um eine Anreicherung der umweltresistenten Eier im Hausstaub zu vermeiden. Die Wäsche kann bei 40°C mit üblichen Waschmitteln gewaschen werden. Führt die Familientherapie nicht zum anhaltenden Erfolg, werden alle Haushaltsmitglieder mit Mebendazol 100 mg oral einmal wöchentlich für 8 Wochen therapiert. Wird unverändert eine Oxyuriasis labortechnisch nachgewiesen, ist eine Therapie mit Albendazol (Eskazole®) 15 mg/kg KG (max. 400 mg) p. o. einmal monatlich für 6 Monate zu versuchen. Albendazol ist in Deutschland als Eskazole® zur Therapie der Echinokokkose zugelassen in der kleinsten Packungsgröße von 60 Tabletten zu ∼€ 600,-. In der Schweiz ist Albendazol als Zentel® in Saft- und Tablettenform zur Therapie diverser intestinaler Nematodeninfektionen ab dem 2. Lebensjahr zugelassen und als Einzeldosis beziehbar.

Bei hartnäckigen Infektionen bei Mädchen sollte an eine vaginale Enterobiasis gedacht werden, die wegen der fehlenden enteralen Resorption nicht mit Pyrantel, Pyrvinium und Mebendazol therapiert werden kann. In diesem Fall sollte nach erweiterter Aufklärung Albendazol (Zentel®) 400 mg (Kinder 1–2 Jahre: 200 mg) p. o. an den Tagen 1, 14 und 28 gegeben werden. Haustiere tragen keine humanpathogenen Enterobius-Arten. Sie sind daher nicht Infektionsquelle und müssen nicht behandelt werden!

▪. Strongyloidiasis (Zwergfadenwurmbefall)

Am besten wirksam ist die Therapie mit der einmaligen Gabe von Ivermectin (Stromectol®) 200 μg/kg KG (max. 12 mg) p. o.; Ivermectin ist in Deutschland nicht zugelassen (Bestellung über Auslandsapotheke).

Alternativ kommen Albendazol (Eskazole®) 2 × 7,5 mg/kg KG/d p. o. (max. 2 × 400 mg) für 3 bis 7 Tage oder Mebendazol (Vermox®) 3 × 200 mg p. o. über 3 Tage in Frage. Die Therapie sollte nach 2 bis 3 Wochen wiederholt werden. In vergleichenden Studien waren die beiden Letztgenannten weniger gut wirksam als Ivermectin.

1.4.3. Therapieerfolg und Verlaufskontrollen

Die Normalisierungstendenz der laborchemischen Entzündungswerte innerhalb von 2 bis 3 Tagen und Rückgang der Beschwerden sind bei der invasiven Amöbiasis Zeichen der erfolgreichen Therapie. Der sonografisch nachgewiesene Leberabszess weist eine über Monate dauernde Verkleinerungstendenz auf. Spezifische Antikörper können über Monate bis Jahre im Serum nachweisbar bleiben.

Der Therapieerfolg intestinaler Parasitosen sollte anhand von Stuhluntersuchungen 6 Wochen nach Therapieende kontrolliert werden.

Da die mikroskopische Differenzierung lebender und toter Parasitenstadien nicht routinemäßig durchgeführt wird, kann eine zu frühe Kontrolle - mit Nachweis verzögert ausgeschiedener Protozoen z. B. - ein Therapieversagen vortäuschen.

1.5. Anderes (weitere seltene intestinale Parasitosen)

Das zu den Ziliaten (Wimperntierchen) zählenden Balantidium coli ist ein Darmkommensale des Hausschweins, das nach oraler Aufnahme mit kontaminierter Nahrung zu einer meist asymptomatischen selbstlimitierenden Infektion beim Menschen führt. Die in Einzelfällen auftretende Kolitis, die mit blutiger Diarrhö einhergeht, wird mit Metronidazol (z. B. Clont®) therapiert.

Die zu den Protisten zählenden Blastocystis hominis gelten als fakultativ pathogen. Sie werden bei bis zu 5% der Untersuchten auch ohne Reiseanamnese gefunden. Bei anhaltenden abdominellen Beschwerden und alleinigem, wiederholten Nachweis wird ein Behandlungsversuch mit Paromomycin (Humatin®) empfohlen.

Die taxonomische Stellung der zu den Mikrosporidien zählenden Septata intestinalis und Enterocytozoon bieneusi ist nicht eindeutig, derzeit werden sie aufgrund von Gensequenzen den Pilzen zugeordnet. Die Mikrosporidiose kann beim Immunsupprimierten zu persistierenden Diarrhöen mit ausgeprägtem Gewichtsverlust führen. Der Nachweis im Stuhl gelingt nur mit Spezialfärbungen oder PCR sowie anhand der Elektronenmikroskopie in Darmbiopsien. Therapeutisch wurden Albendazol, Nitazoxanid und Fumagillin (Molina et al. 2002) mit unterschiedlicher Effektivität eingesetzt.

Die ebenfalls in Stuhlproben nachweisbaren Entamoeba coli, E. dispar, E. hartmanni, Endolimax nana, Jodamöba bütschlii sowie die Flagellaten Chilomastix mesnili und Trichomonas hominis gelten als apathogen, werden gelegentlich unter der Diagnose: „Nachweis apathogener Amöben” subsummiert und bedürfen keiner Therapie!

1.6. Zukunftsperspektiven

Resistenzentwicklungen gegen gängige Antiparasitika sind in der Veterinärmedizin hinreichend bekannt, in der Humanmedizin zu erwarten, oft vermutet, aber kaum untersucht. Neue Wirkstoffe sind wenn, dann eher aus der Veterinärmedizin zu erwarten.

2. Protozoeninfektionen

2.1. Leishmaniasis
2.1.1. Klinischer Kontext

Die durch Flagellaten der Gattung Leishmania verursachte Protozoonose ist rund um das Mittelmeer, in arabischen Ländern, auf dem indischen Subkontinent, südlich der Sahara in Ostafrika sowie in Mittel- und Südamerika endemisch. Die begeißelten Einzeller werden durch Schmetterlingsmücken (Phlebotomen), auch Sandmücken oder -fliegen genannt, übertragen. Erregerreservoir sind Hunde und Nagetiere.

Nach einer Inkubationszeit von Wochen bis Monaten entsteht an der Eintrittsstelle eine Papel, die im Weiteren meist ulzeriert, verschorft, aber nicht abheilt. Meist finden sich einzelne oder nur wenige Hauteffloreszenzen. Neben dieser kutanen Leishmaniasis kann die Erkrankung auch die Schleimhäute betreffen (mukokutane Leishmaniasis insbesondere in Südamerika) oder in Knochenmark, Lymphknoten, Milz- und Leber disseminieren und die so genannte viszerale Leishmaniasis (Kala-Azar) verursachen. Letztere ist durch anhaltendes Fieber und laborchemisch durch eine Hypergammaglobulinämie und Panzytopenie charakterisiert. Die Leukopenie begünstigt bakterielle, septische Erkrankungen und die Thrombopenie Blutungen. Wenngleich nur wenige Infizierte eine Erkrankung entwickeln, die sich auch erst Jahre nach In fektion manifestieren kann, verläuft die Kala-Azar unbehandelt innerhalb von Monaten fast immer letal. Die kutane Leishmaniasis weist eine innerhalb von 9 bis 18 Monaten auftretende Spontanheilung auf, während die mukokutane Form unbehandelt persistiert.

2.1.2. Klassifikation

Verschiedene Leishmanienarten sind in der so genannten „Alten Welt” für die kutane Leishmaniasis verantwortlich wie L. tropica, L. infantum, L. major, während die viszerale Form durch Arten des L.-donovani-Komplexes hervorgerufen wird. In Mittel- und Südamerika sind ebenfalls verschiedene Arten für die kutane Erkrankung verantwortlich wie L. mexicana, L. amazonensis, während die Arten des L.-braziliensis-Komplexes wie L. braziliense, L. panamensis kutane und mukokutane Erkrankungen verursachen. L. chagasi aus dem L. donovani-Komplex verursacht die viszerale Leishmaniasis in Mittel- und Südamerika.

2.1.3. Diagnostische Hinweise

Eine sich über Wochen entwickelnde, initial papulöse, dann ulzerierende Hautläsion ohne Abheilungstendenz ist verdächtig auf eine kutane Leishmaniasis.

Die Diagnose wird über den histologischen Erregernachweis in der Hautbiopsie, ggf. unterstützt durch Kultur und PCR gestellt. Typischerweise sind in der Immunfluoreszenz spezifische Antikörper im Serum nachweisbar.

Differentialdiagnostisch kommen Mykobakteriosen und Mykosen in Betracht.

2.1.4. Management und Therapie
  • Kutane Leishmaniasis der „Alten Welt”: In den meisten Fällen kommt es zu einer Spontanheilung. Ansonsten erfolgt eine Lokaltherapie mit Paromomycin 12%, Urea 15% in Vaseline alba oder intraläsionale Injektionen von Antimonpräparaten (schmerzhaft! Pentostam und Glucantime über die internationale Apotheke) oder von Interferon-γ. In Einzelfällen auch Kryotherapie.

  • Kutane Leishmaniasis der „Neuen Welt”: Meist ist bei L. mexicana die o. a. Lokaltherapie ausreichend. In schweren Fällen erfolgt eine systemische Therapie wie bei Kala-Azar.

  • Mukokutane Leishmaniasis: Therapie wie bei Kala-Azar.

  • Viszerale Leishmaniasis (Kala-Azar): Mittel der ersten Wahl ist liposomales Amphotericin B (Ambisome®) (2-)3(-4) mg/kg KG/d i. v. an den Tagen 1–5 und 10, bei viszeraler Leishmaniasis aus der „Neuen Welt” 10 Tage lang durchgehend. Alternativ kann ab 3 Lebensjahren eine orale Therapie mit Miltefosin (Impavido®) mit 1,5–2,5 mg/kg KG/d verteilt auf 1–3 Einzeldosen (max. 150 mg/d) über 28 Tage durchgeführt werden. Die Kosten der beiden Therapien sind ähnlich hoch. Eine weitere, aber schlechtere Alternative, aufgrund toxischer Nebenwirkungen mit ggf. letalen Verläufen, sind Antimonpräparate: täglich 20 mg fünfwertiges Antimon/kg KG als i. v. oder i. m. Injektion (Pentostam, Glucantime) für 28 bis 30 Tage.

Die Behandlung einer viszeralen Leishmaniasis sollte immer stationär in einer spezialisierten tropenmedizinischen oder infektionspädiatrischen Einrichtung durchgeführt werden.

Therapieerfolg und Verlaufskontrollen: Abheilung kutaner und mukokutaner Läsionen über Wochen, schnelle Besserung der klinischen Symptomatik bei viszeraler Leishmaniasis mit Normalisierung der laborchemischen Entzündungszeichen innerhalb von Tagen, der übrigen Laborparameter innerhalb von Wochen; Kontrolle der Antikörper gegen Leishmanien mittels Immunfluoreszenztest nach 6 bis 12 Monaten; Rezidive sind bei möglicher lebenslanger latenter Infektion möglich, insbesondere bei Immunsuppression, Cortisontherapie oder HIV-Infektion.

2.1.5. Prophylaxe

Zu den Schutzmaßnahmen vor Kontakt mit Phlebotomen gehört das Tragen langer Hosen und langärmliger Hemden. Impfstoffe gegen Leishmanien sind noch nicht verfügbar.

2.2. Malaria
2.2.1. Klinischer Kontext

Die Malaria ist unverändert in vielen subtropischen und tropischen Ländern aller Kontinente endemisch. Übertragen durch dämmerungs- und nachtaktive Anophelesmücken kommt es zu einer initialen Vermehrung der Plasmodien in der Leber (Gewebsschizogonie), dann zu einem Befall der Erythrozyten, was nach einigen Zyklen zur Erkrankung, der Malaria, führt.

Bei der durch Plasmodium malariae verursachten Malaria quartana tritt alle 72 Stunden Fieber auf, bei der durch P. ovale und P. vivax verursachten Malaria tertiana wird Fieber alle 48 Stunden beobachtet, während es bei der durch Plasmodium falciparum verursachten Malaria tropica selten zu einer Rhythmisierung des Fiebers kommt.

Die Inkubationszeit beträgt bei der Malaria tropica minimal 5 bis 7 Tage, bei anderen Formen mindestens 10 bis 14 Tage, kann jedoch bei der Malaria tropica bis zu einem Jahr, bei den anderen Formen bis zu mehreren Jahren betragen.

Neben Fieber sind weitere unspezifische Symptome wie Kopf-, Nacken- und Gliederschmerzen, nicht selten auch abdominelle Beschwerden bis hin zu Durchfällen typisch für die Malaria, so dass diese klinisch weder diagnostiziert noch ausgeschlossen werden kann.

Inline graphic Im Gegensatz zur gutartig verlaufenden Malaria quartana und tertiana kann die Malaria tropica bei verzögerter Therapie tödlich verlaufen.

Durch die Sequestrierung (Endotheladhärenz) der parasitierten Erythrozyten wird die Mikrozirkulation in verschiedenen Organen (insbesondere Lunge, Gehirn, Nieren) behindert mit Mikrohämorrhagien in den postkapillären Venolen.

2.2.2. Klassifikation

Entscheidend für die Therapie ist die Unterscheidung in Malaria tertiana, quartana sowie unkomplizierte und komplizierte Malaria tropica aus Gebieten mit oder ohne bekannte Resistenzen von P. falciparum gegen Chloroquin und andere Antimalariamittel.

Eine Malaria tropica ist als lebensbedrohlich anzusehen, das Kind umgehend intensivmedizinisch zu betreuen und eine supportive Therapie zu starten, wenn mindestens einer der folgenden Befunde vorliegt:

  • Bewusstseinstrübung

  • zerebraler Krampfanfall

  • respiratorische Insuffizienz, unregelmäßige Atmung, Hypoxie

  • Hypoglykämie (Blutglukosekonzentration < 40 mg/dl)

  • Schocksymptomatik

  • klinische Zeichen einer Dehydratation

  • Spontanblutungen

  • Azidose (Basendefizit > 8 mmol/l), Hyperkaliämie (< 5,5 mmol/l)

  • sichtbarer Ikterus.

Eine Malaria tropica ist als bedrohlich anzusehen und der Patient daher engmaschig zu überwachen bei Vorliegen mindestens einer der folgenden Befunde:

  • schwere Anämie (Hb < 10 g/dl)

  • Niereninsuffizienz (Kreatinin > 2,5 mg/dl)

  • Transaminasenerhöhung über das 3fache der Norm

  • Ikterus (Bilirubin > 3 mg/dl bzw. > 50 μmol/l)

  • Hyperparasitämie (> 5% der Erythrozyten von Plasmodien befallen

  • oder > 100 000 Plasmodien/μl

  • (bekannte) Sichelzellanämie.

In allen genannten Fällen, die die Malaria tropica als lebensbedrohlich oder bedrohlich ansehen lassen, ist die Malaria als kompliziert einzustufen!

2.2.3. Diagnostische Hinweise

Der mikroskopische Nachweis von Plasmodien im peripheren Blut mittels Anreicherungsmethode wie Dicker Tropfen und Fluoreszenz-Mikrohämatokritanreicherung (QBC®) mit Differenzierung der Parasitenspezies im Blutausstrich ggf. mittels PCR-Verfahren sichert die Diagnose. Anämie, Thrombozytopenie, erhöhte CRP- und LDH-Konzentrationen, verminderte Haptoglobinkonzentration als Ausdruck der Hämolyse können auf eine Malaria hinweisen, kommen jedoch z. T. auch bei den differentialdiagnostisch zu erwägenden Krankheiten nach Tropenaufenthalt (Dengue, Typhus, Amöbiasis etc.) vor.

2.2.4. Management und Therapie
  • Malaria tertiana, quartana und tropica aus Gebieten ohne Chloroquinresistenz:
    • Chloroquin (z. B. Resochin®) insgesamt 25 mg/kg KG (10 Tbl. à 155 mg Chloroquin-Base) aufgeteilt in 10 mg/kg KG initial (max. 4 Tbl.), dann jeweils 5 mg/kg KG (max. 2 Tbl.) nach 6, 24 und 48 h. Zur Eradikation der persistierenden Leberformen (sog. Hypnozoiten), die es ausschließlich bei der Malaria tertiana gibt, erfolgt die Gabe von 0,5 mg/kg KG/d Primaquin (max. 30 mg/d) p. o. für 14 Tage nach Ausschluss eines Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-(G6PD-)Mangels (Gefahr der hämolytischen Anämie durch Primaquin). Bei Versagen dieser Rezidivprophylaxe wird eine Verlängerung der Applikation von 14 auf 21 Tage empfohlen. Bei G6PD-Mangel wird eine einmal wöchentliche Gabe von 0,75 mg/kg KG (max. 45 mg) für 8 Wochen von der WHO empfohlen. Primaquin ist in Deutschland nicht zugelassen und sollte wegen möglicher Hämolyse bei relativem G6PD-Mangel nicht bei Kindern < 1 Jahr und während der Schwangerschaft eingesetzt werden.
  • In Süd- und Südostasien wurden chloroquinresistente P. vivax beobachtet. Bei Versagen der Chloroquintherapie wird Mefloquin (Lariam®) in einer Dosierung wie bei der Malaria tropica empfohlen.

  • Die unkomplizierte Malaria tropica aus Gebieten mit Chloroquinresistenz wird stationär als Eintagestherapie behandelt mit einer Gesamtdosis von 25 mg/kg KG Mefloquin (Lariam®) p. o., initial 15 mg/kg KG, gefolgt von 10 mg/kg KG im Abstand von 6–24 h. Alternativ und mindestens genau so gut wirksam bei > 10 kg KG ist Atovaquon-Proguanil in fixer Kombination (Malarone®). Dosierung: 250 mg Atovaquon/100 mg Proguanil (1 Tbl.) pro 10 kg KG/d p. o. oral für 3 Tage, also > 10–20 kg KG: 1 Tbl. Malarone, > 20–30 kg KG: 2 Tbl., > 30–40 kg KG: 3 und bei > 40 kg KG 4 Tbl. Malarone pro Tag für drei Tage.

  • Eine weitere ab 12 Jahre und ab 35 kg KG zugelassene Therapie, die insbesondere bei Import der Malaria tropica aus Regionen Thailands mit bekannter Mefloquinresistenz in Betracht kommt, ist die feste Kombination aus Lumefantrin und Artemether (Riamet®, pro Tbl. 120 mg Lumefantrin und 20 mg Artemether). Es wird in der Dosierung von 4 Tabletten (480/80 mg) im Abstand von 8 h am 1. Tag und 2 × 4 Tbl. am 2. und 3. Therapietag angewandt (insgesamt 24 Tbl.).

  • Bei Kontraindikationen zu Mefloquin wird aufgrund von Studiendaten in Endemiegebieten bei Kindern nachstehender Alters- und Gewichtsgruppen von den Fachgesellschaften die Anwendung folgender Medikamente nach erweiterter Aufklärung empfohlen. Atovaquon-Proguanil (62,5 mg/25 mg pro Tabl., Malarone® Junior): bei ≥ 5–8 kg KG: 2 Tabl./d für 3 Tage und bei 9 bis < 11 kg KG: 3 Tabl./d für 3 Tage oder Artemether-Lumefantrin (20 mg/120 mg pro Tabl.): bei 5 bis < 15 kg KG: 1 Tabl./Dosis, bei 15–24 kg KG: 2 Tabl./Dosis, bei 25 bis < 35 kg KG: 3 Tabl./Dosis und bei Personen ≥ 35 kg Körpergewicht werden insgesamt 6 Dosen im Abstand von zunächst 8, an den Tagen 2 und 3 von 12 Stunden gegeben.

  • Komplizierte Malaria tropica: Therapiert wird mit Chinin i. v. in der Dosierung von 3 × 10 mg/kg KG/d für 7 bis 10 Tage. Die initiale („loading dose”) Dosis sollte 20 mg/kg KG über 4 h betragen, dann bei Kindern < 2 Jahren alle 12 h und bei Kindern ≥ 2 Jahren alle 8 h 10 mg/kg KG/d (max. 600 mg) Chininlösung i. v. Die „loading dose” entfällt, wenn zuvor Mefloquin eingenommen wurde.

Die QTc-Zeit ist zu beachten, und bei Anstieg > 25% ist die Chinindosis auf die Hälfte zu reduzieren. Bei Zeichen des Multiorganversagens ist die Chinindosis um 30 bis 50% zu reduzieren. Da der Cinchonismus („Chininvergiftung”) (Nausea, Tinnitus, Taubheit, Sehstörungen, Dysphorie) insbesondere bei hohen Chininkonzentrationen beobachtet wird, sollte die i. v. Gabe so schnell wie möglich auf eine orale Therapie in identischer Dosierung umgestellt werden. Da Chinin Hypoglykämien verursachen kann, wird Glukose 5% zur Verdünnung eingesetzt. Dennoch sind Blutzuckerkontrollen erforderlich. Zur Vorbeugung von Rezidiven bei möglicher Chininresistenz in Südostasien, seltener in Afrika, wird zusätzlich Doxycyclin 3 mg/kg KG/d (max. 200 mg) i. v. oder p. o. gegeben, bei Kindern < 8 Jahren Clinda-mycin 2 × 10 mg/kg KG/d i. v. oder p. o. für 7 Tage. Chininum hydrochloricum wird in Deutschland nicht mehr kommerziell als Lösung hergestellt und muss daher von Krankenhausapotheken in Zentren/Tropeninstituten bevorratet werden. Eine Injektionslösung aus mehreren Chininderivaten kann als Quinimax® aus Frankreich importiert werden, jedoch sind die Dosierungsempfehlungen der Packungsbeilage zu beachten!

Inline graphic Bei der komplizierten Malaria tropica ist eine intensivmedizinische Überwachung obligat.

Therapieerfolg und Verlaufskontrollen: Die Parasitenkonzentration sollte bei der Malaria tropica initial alle 12 bis 24 Stunden kontrolliert werden, um eine mögliche Resistenz frühzeitig zu verifizieren. Häufig kommt es nach 24 Stunden noch zu einem Anstieg der Konzentration, da die mehrzelligen Schizonten im peripheren Blut ihre Nachkommen trotz Therapiestart freisetzen, so dass mehr Trophozoiten als initial vorhanden sein können. Nach spätestens 48 Stunden muss die Zahl der Parasiten deutlich abfallen (mehr als 50% Reduktion) und sich der klinische Befund insbesondere bei unkomplizierter Malaria tropica deutlich gebessert haben, sonst ist eine Resistenz wahrscheinlich, so dass eine Therapiealternative erwogen werden muss.

Bei komplizierter Malaria tropica kommen bei Chininresistenz nur noch in Deutschland nicht zugelassene Medikamente in Betracht, insbesondere Arte-misininderivate, die sogar als Suppositorien bei komatösen Kindern in afrikanischen und asiatischen Ländern erfolgreich eingesetzt wurden. Eine Rücksprache mit einem Tropeninstitut wird in diesen Fällen unbedingt angeraten.

2.2.5. Prophylaxe

Der Malariaprophylaxe kommt überragende Bedeutung zu. Sie besteht aus der Aufklärung der Reisenden, der Expositions- und der Chemoprophylaxe. Da Letztere gebietsabhängig und den aktuellen epidemiologischen Veränderungen ständig anzupassen ist, wird auf die aktualisierten Informationsseiten der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit (DTG) (www.dtg.org.de), der WHO (www.who.int/ith/) und der Centers for Disease Control (CDC; www.cdc.gov/travel/) verwiesen.

2.2.6. Zukunftsperspektiven

Verschiedene Impfstoffe sind in Klinische-Phase-1-bis-3-Studien, jedoch ist die Einführung eines wirksamen Impfstoffs in den nächsten 10 Jahren eher fraglich.

2.3. Toxoplasmose
2.3.1. Klinischer Kontext

Die von einer erstmalig infizierten Katze ausgeschiedenen umweltresistenten Oozysten des Einzellers Toxoplasma gondii können über Intestinal- und vermutlich auch Atemwegstrakt vom Menschen aufgenommen werden. Auch bei der Ingestion von Erregerzysten in unzureichend gekochtem oder rohem Fleisch (Tartar) von Allesfressern wie Schweinen kann es zur Infektion des Menschen kommen. Die Einzeller invadieren Zellen, um sich darin ungeschlechtlich zu vermehren (Schizogonie). Bei Dissemination über das Blut bilden sie bevorzugt in Muskulatur und Gehirn Zysten aus. Diese bestehen aus stoffwechselarmen so genannten Bradyzoiten, die lebenslang persistieren und bei reduzierter Immunitätslage Ausgangspunkt für lokale oder generalisierte, aktive Infektionen mit Toxoplasmen sein können.

  • Bei postnataler Infektion verläuft die Toxoplasmose typischerweise inapparent oder mit den Zeichen einer selbstlimitierenden Atemwegsinfektion, einer zervikalen Lymphadenitis mit Begleitaffektion der Leber (mononukleoseähnliches Krankheitsbild). Eine Therapie ist meist nicht erforderlich, von einer spontanen Heilung, aber lebenslangen Persistenz des Erregers ist auszugehen.

  • Bei intrauteriner Infektion kann es zu einer letalen Infektion, zu Embryopathie, intrazerebralen Verkalkungen und insbesondere zur Chorioretinitis kommen, die sich häufig erst im Schulkind- oder Jugendalter manifestiert.

  • In seltenen Fällen kommt es auch bei der postnatalen Infektion des Immungesunden zum Hirnoder Augenbefall.

  • Bei Immunsuppression kann eine latente Toxoplasmose exazerbieren und sich als Enzephalitis (insbesondere bei HIV-Infektion) oder generalisierte fieberhafte Infektion mit pulmonaler Beteiligung (bei Transplantierten) manifestieren. Unbehandelt verlaufen diese Erkrankungsformen beim Immunsupprimierten tödlich.

2.3.2. Klassifikation

Infektion mit dem Einzeller Toxoplasma gondii, der bei Ersterkrankung der Schwangeren diaplazentar (konnatale Toxoplasmose) oder durch Inhalation oder Ingestion von Oozysten sowie durch Ingestion von zystenhaltigem Fleisch (postnatale Infektion) übertragen werden kann.

2.3.3. Diagnostische Hinweise

Der mikroskopische oder kulturelle Erregernachweis in oder aus betroffenen Gewebeproben (Lymphknoten-, Hirn-, Muskelbiopsie) oder Körperflüssigkeiten (BAL, Glaskörperflüssigkeit, Liquor, Blut) sichert die Diagnose, gelingt jedoch sehr selten. Der Nachweis spezifischer IgM-Antikörper sowie Antikörpertiteranstiege können helfen, den Zeitpunkt der Erstinfektion zu bestimmen. Zur Diagnose einer intrauterinen Exposition wird zudem die Avidität der spezifischen Antikörper bestimmt.

2.3.4. Management und Therapie
▪. Ziele und Prinzipien

Bei postnataler Infektion des Immungesunden ist von einer spontanen Ausheilung auszugehen. Bei Chorioretinitis und Enzephalitis wird durch eine antiparasitäre Therapie versucht, die Erkrankungsaktivität zu reduzieren und die Organschädigung zu begrenzen. Begleitend wird durch eine Steroidtherapie versucht, die Entzündungsreaktion zu reduzieren. Beim Immunsupprimierten ist die antiparasitäre Therapie erforderlich, um letalen Verläufen vorzubeugen. Bei konnataler Infektion soll das Ausmaß des Organbefalls reduziert werden. Eine Erregerelimination ist aber vermutlich in keinem Fall zu erzielen.

▪. Therapiestrategien
  • Bei schwerer postnataler Infektion (Toxoplasmose-Enzephalitis, disseminierte Toxoplasmose): Pyrimethamin (Daraprim®) 2 mg/kg KG/d p. o. (max. 100 mg) aufgeteilt in 2 Dosen für 3 Tage als „loading dose”, dann 1 mg/kg KG/d p. o. (max. 50 mg) kombiniert mit Sulfadiazin (Sulfadiazin-Heyl®) 4 × 25–50 mg/kg KG/d p. o. (max. 4 × 1,5 g), kombiniert mit Folsäure (z. B. DreisaFol®) mind. 2 × 5 mg/Woche bis zu 3 × 15 mg/Woche zur Reduktion der Pyrimethamin-bedingten Myelotoxizität. Alternativ, insbesondere bei Sulfonamidallergie oder -unverträglichkeit kann Sulfadiazin durch Clindamycin 4 × 5–7,5 mg/kg KG/d (max. 4 × 600 mg/d) i. v. oder p. o. ersetzt werden.

  • Bei konnataler Toxoplasmose empfiehlt die DGPI eine Therapie mit Pyrimethamin 2 mg/kg KG/d an den ersten beiden Behandlungstagen, dann 1 mg/kg KG in Kombination mit 2 × 25–50 mg Sulfadiazin/kg KG/d p. o. sowie 2 × 5 mg Folsäure pro Woche. Die Therapie sollte kontinuierlich für mindestens 6, besser 12 Monate durchgeführt werden, begleitet von einer regelmäßigen Kontrolle des Blutbildes und der Transaminasen, initial einmal pro Woche, dann vierwöchentlich.

  • Bei ausgeprägten Nebenwirkungen im Sinne einer Myelotoxizität sind Behandlungspausen erforderlich, die in einigen Regimes eingeschlossen werden, d. h nach einem Therapiezyklus von 4 Wochen wird eine vierwöchige Therapiepause eingelegt oder es wird mit Spiramycin (z. B. Selectomycin®) therapiert. In Deutschland nicht mehr zugelassen ist Fansidar®, eine Kombination aus Pyrimethamin und Sulfad-oxin. Aufgrund der langen Halbwertszeit des Sulfad-oxins wird die Therapie nur einmal wöchentlich durchgeführt. In Studien mit historischen Vergleichen war dieses Therapieschema dem der DGPI nicht unterlegen.

▪. Therapieerfolg und Verlaufskontrollen

Bis heute gibt es keine Plazebo-kontrollierte Studie, die den Nutzen einer postnatalen antiparasitären Therapie belegt, die nicht zu einer Eradikation des Parasiten führt. Augenschädigungen können sich erst im Schulkind- und Jugendalter manifestieren und Reaktivierungen sind trotz Therapie möglich.

Nach dem Infektionsschutzgesetz ist der direkte oder indirekte Nachweis von T. gondii nichtnamentlich meldepflichtig.

2.4. Anderes

Eine Infektion mit Trichomonaden kann auch im Kindes- und Jugendalter eine Vulvovaginitis verursachen, bei der neben vaginalem Ausfluss insbesondere der Pruritus im Vordergrund der Symptomatik steht. Eine ebenfalls mögliche Urethritis verursacht bei Kindern beiderlei Geschlechts eine Dys- und Pollakisurie, evtl. eine Enuresis.

Die birnenförmigen Flagellaten werden im nativen Vaginal-, Urethralabstrich oder Urin mikroskopisch nachgewiesen.

Eine Therapie mit Metronidazol (z. B. Clont®) 3 × 5 mg/kg KG/d p. o. für 5 bis 7 Tage oder eine Einmaltherapie mit Tinidazol (30 mg/kg KG) nach erweiterter Aufklärung bei Kindern im Alter von < 6 Jahren, 1 g bei Kindern von 6–12 Jahren und mit 2 g bei Patienten älter als 12 Jahre ist typischerweise kurativ.

3. Extraintestinale Helmintheninfektionen

Extraintestinale Helminthiasen werden typischerweise durch Entwicklungsstadien von Würmern wie z. B. Larven verursacht, die sich im Menschen nicht weiterentwickeln können. Der Mensch ist akzidenteller Zwischenwirt bzw. Fehlwirt. Die klinische Symptomatik ist abhängig von der Lokalisation der häufig wandernden Larven, die ebenso wie ihre Exkremente und Sekrete eine entzündliche Reaktion hervorrufen können. Adulte, extraintestinale Würmer finden sich nur bei Wurminfektionen, die in tropischen und subtropischen Regionen endemisch sind und von dort importiert werden.

3.1. Echinokokkose

Nach Ingestion bilden sich aus den Eiern des Hundebandwurms (Echinococcus granulosus) Oncosphären, die die Darmwand durchwandern können und - wie im Zwischenwirt üblich - zu einer Zyste heranwachsen, in der multiple Tochterzysten mit Kopfanlagen zu finden sind. Diese zystische Echinokokkose ist überwiegend in der Leber, aber unabhängig davon auch in anderen Organen wie Lunge, Darm, im Peritonealraum, im Gehirn, aber auch im Knochen zu finden. Innerhalb von Jahren nimmt sie an Größe zu und wird meist eher zufällig in der Bildgebung (Sonografie) gefunden.

Eier des Fuchsbandwurms (E. multilocularis) können ebenfalls im Mensch wachsen. An einer Zyste mit Kopfanlage entsteht außen eine Tochterzyste, an der wieder Tochterzysten mit Kopfanlagen gedeihen können, so dass diese alveoläre Echinokokkose ein infiltrierendes Wachstum zeigt. Die Erkrankung ist immer in der Leber lokalisiert und gelegentlich davon ausgehend auch in anderen Organen.

Inline graphic Bei Ruptur einer Zyste und Entleerung in die Bauchhöhle kann es zu einer letalen anaphylak-tischen Re aktion kommen.

Die über Jahre gewachsenen Zysten verursachen selten und dann eher unspezifische Symptome wie abdominelle oder Leberschmerzen.

Aufgrund des unterschiedlichen Wachstums der beiden Echinokokkosen sind auch Therapie und Prognose different.

Die zystische Echinokokkose kann anhand sonografischer Charakteristika in aktive, intermediäre und inaktive Zysten unterschieden werden. Aktive Zysten werden zunächst mit Albendazol (Eskazole®; 15 mg/kg KG/d p.o aufgeteilt in 2 Dosen, max. 2 × 400 mg/d) für 3 Monate behandelt. Wenn es nicht zu einer Regression kommt, sind weitere Optionen eine operative Therapie, aber auch eine sonografisch gesteuerte Punktion mit Aspiration des Zysteninhalts und Instillation von Alkohol oder Kochsalzlösung, Inkubation für 30–60 min mit nachfolgender Reaspiration, das so genannte PAIR-Verfahren (für: puncture, aspiration, instillation, reaspiration). Die Prognose der Erkrankung wird als gut angesehen.

Die Prognose der alveolären Echinokokkose ist dagegen schlecht: Unbehandelt sterben > 80% der Patienten innerhalb von 5 Jahren. Sofern möglich, sollte unter Albendazol-Therapie eine Resektion der befallenen Leberteile (Leberteilresektion) durchgeführt werden. Nur wenn der parasitäre Tumor in toto entfernt werden konnte, ist eine befristete medikamentöse Therapie möglich, andernfalls ist wie bei allen inoperablen Fällen von alveolärer Echinokokkose eine lebenslange Therapie mit Albendazol erforderlich.

Zwecks Diagnostik und Therapie sollten die in Deutschland etablierten Zentren kontaktiert werden: bei zystischer Echinokokkose Herr Dr. T. Junghanns, Tropeninstitut der Universität Heidelberg, Tel.: 0 62 21–56 29 05, und bei alveolärer Echinokokkose Herr Prof. P. Kern, Universitätsklinikum Ulm, E-Mail: echinoreg@medizin.uni-ulm.de.

Nach § 7 Abs. 3 Infektionsschutzgesetz (IfSG) sind der direkte oder indirekte Erregernachweis bei Echino- kokkosen durch das untersuchende Laboratorium nichtnamentlich an das Robert-Koch-Institut zu melden.

3.2. Larva migrans cutanea

Larven von Hunde- und Katzenhakenwürmern, aber auch von anderen Nematoden können die intakte menschliche Haut penetrieren, jedoch fehlt es ihnen an „Werkzeugen” tiefer einzudringen. Sie irren daher in der Haut umher. Sekrete und Exkremente verursachen eine allergische Reaktion, die zu Juckreiz sowie der „Spur” mit erythematösen und serpiginösen Hauteffloreszenzen führen (Hautmaulwurf).

Nach klinisch gestellter Diagnose wird eine lokale Therapie mit 10% Tiabendazol- oder Albendazol-Salbe zweimal täglich aufgetragen, durchgeführt, was innerhalb von einer Woche zum Verschwinden der Symptome führt. Bei hartnäckigem, massivem Befall von Regionen, in denen topische Applikation nicht zur ausreichenden Penetration der Wirkstoffe führt (Fußsohle), ist die zusätzliche orale Gabe von einmalig Ivermectin (Stromectol®, über Auslandsapotheke in den Niederlanden und in Frankreich erhältlich) 200 μg/kg KG als Einzeldosis p. o. (max. 12 mg) Erfolg versprechend.

3.3. Larva migrans visceralis (Toxokariasis)

Aus den versehentlich oral aufgenommenen Eiern von Hunde- und Katzenspulwürmern schlüpfen im oberen Dünndarm Larven, die durch die Darmwand und dann im Körper wandern. Da der Mensch Fehlwirt ist, entwickeln sie sich nicht zu adulten Würmern. Je nach Lokalisation (Peritonealhöhle, Auge, Gehirn) können Symptome auftreten. Der Nachweis einer Eosinophilie und Antikörper, deren Spezifität im Western Blot zu verifizieren ist, sichern die Diagnose.

Empfohlen wird in diesen Fällen eine Therapie mit Albendazol (Eskazole®) 10–15 mg/kg KG/d p. o. aufgeteilt in zwei Dosen für mindestens 3 Wochen. Albendazol in Saftform (Zentel®) kann über die Auslandsapotheke aus der Schweiz importiert werden. Je nach Lokalisation und Entzündungsreaktion ist eine begleitende Cortisongabe erforderlich.

3.4. Filariasis

Unter diesem Begriff werden extraintestinale, durch Mücken oder Bremsen übertragene Nematodeninfektionen verstanden. Sie sind in tropischen und subtropischen Gebieten endemisch und kommen daher ausschließlich als importierte Infektion in Deutschland vor.

Symptome, die bei entsprechender Reiseanamnese an eine Filariasis denken lassen, sind:

  • anhaltender oder intermittierender Pruritus

  • temporäre, z. T. schmerzhafte Hautschwellungen

  • subkutane Knoten

  • temporäre Augenschwellungen

  • Erkennen eines Wurms im Auge.

Laborchemisch fällt eine Eosinophilie auf. Diagnostik und Therapie der Filariasis sollten in Absprache mit einem Tropeninstitut durchgeführt werden.

Bei der zoonotischen Filariasis entsteht eine persistie-rende Papel durch die Larve oder den adulten Wurm einer tierpathogenen Filarienart, wie Dirofilaria repens oder D. tenuis, die von Mücken akzidentell auf den Menschen übertragen wurde. Die zur Diagnostik erforderliche Exstirpation ist auch gleichzeitig eine ausreichende kurative Therapie.

3.5. Schistosomiasis (Bilharziose)

Bei Kontakt mit Binnengewässern in tropischen und subtropischen Regionen kann es zu einer Infektion mit humanpathogenen Schistosomen kommen, deren Zerkarien (Gabelschwanzlarven) die intakte Haut penetrieren. Diese Penetration kann zur allergischen Hautreaktion führen, die ggf. symptomatisch mit juckreizstillenden topischen Substanzen, Steroiden oder Antihistaminika therapiert werden kann. In Europa ist eine ähnliche Hautreaktion auf Zerkarien von Vogelschistosomen (z. B. Trichobilharzia) bekannt, die als Badedermatitis bezeichnet und ebenfalls ausschließlich symptomatisch therapiert wird.

Zwei bis sechs Wochen nach Infektion mit humanpathogenen Schistosomen kann es zu einer fieberhaften Erkrankung kommen (Katayama-Fieber), die ggf. symptomatisch mit Antihistaminika und Steroiden zu therapieren ist. Eosinophilie und ggf. Nachweis spezifischer Antikörper sowie Reiseanamnese weisen auf diese Erkrankung hin. Die akute und chronische Schistosomiasis kann mit Hämaturie und blutigen Stühlen verbunden sein, bleibt aber häufig asymptomatisch, so dass nur der Nachweis spezifischer Antikörper bei entsprechender Exposition zur Diagnose führt.

Die orale Einnahme von Praziquantel (z. B. Biltricide®) in einer Dosierung von 40 mg/kg KG/d p. o. für 1 bis 3 Tage ist in > 90% kurativ, was durch Kontrollen zu verifizieren ist. Andernfalls sollte die Therapie wiederholt werden.

3.6. Trichinose

Typischerweise als Gruppenerkrankung auftretend wird die Trichinose in Deutschland nach Verzehr von unzureichend kontrolliertem rohem Fleisch (z. B. auch Wildschwein) beobachtet. Wenige Tage nach Ingestion der im Fleisch als Finnen vorliegenden Erreger setzt das Weibchen Larven frei, die die Darmwand penetrieren und im Blut zirkulieren, bevor sie in die Muskulatur wandern, wo sie langfristig zu Verkalkungen führen. Die Larvenwanderung führt zu einer ausgeprägten fieberhaften allergischen Reaktion, die unbehandelt letal verlaufen kann.

Neben der symptomatischen Therapie mit Steroiden (z. B. Prednison 0,5–1 mg/kg KG/d während der ersten 5 Behandlungstage in absteigender Dosierung) wird Albendazol (Eskazole®; als Saftform: Zentel® [Import aus der Schweiz]) in der Dosierung von 15 mg/kg KG/d p. o. verteilt auf zwei Dosen (max. 2 × 400 mg) für 2 Wochen gegeben.

3.7. Zystizerkose

Infektiöse Eier des Schweinebandwurms können Larven freisetzen, die den Darm penetrieren und wie beim Zwischenwirt dann akzidentell im Menschen Zysten bilden. Diese finden sich bevorzugt in der Muskulatur und im Gehirn, so dass die Symptomatik abhängig von der Lokalisation der Zyste ist.

Die Diagnose wird radiologisch in Verbindung mit Nachweis spezifischer Antikörper, ggf. auch histologisch durch Biopsie gestellt.

Therapeutisch wird Albendazol (Eskazole®) 15 mg/kg KG/d p. o. verteilt auf 2 Dosen (max. 2 × 400 mg) für 7 Tage oder Praziquantel 50 mg/kg KG/d p. o. in drei Dosen für 15 Tage eingesetzt. Zur Prophylaxe von hyperergischen Reaktionen ist die zusätzliche Gabe von Steroiden zu erwägen. Bei Auftreten von Krampfanfällen ist eine antikonvulsive Therapie erforderlich. Gegebenenfalls ist auch ein neurochirurgischer Eingriff (Liquorshuntanlage bei Hydrozephalus) notwendig. Die Indikation zur antiparasitären Therapie ist u. a. vom Aktivitätsgrad der Zyste abhängig und eine Einzelfallentscheidung.

4. Epizoonosen

4.1. Klinischer Kontext

Hauterkrankungen, die durch auf oder in der Haut kurz- oder langfristig lebende tierische (Ekto-)Parasiten verursacht werden, bezeichnet man als Dermatozoonosen oder Epizoonosen. Ektoparasiten sind Protozoen, Würmer und insbesondere weltweit verbreitete Gliederfüßler (Arthropoden). Die Mehrzahl der letzteren Gruppe ist auf Blut von Säugetieren als Nahrungsquelle und zur Fortsetzung des Entwicklungszyklus angewiesen. Während einige, wie die Kopflaus oder die Krätzemilbe, ihren gesamten Lebenszyklus auf oder in der Haut durchlaufen, ist der Mensch für viele andere Arthropoden ein eher zufälliger, stadienspezifischer und zeitlich begrenzter Wirt oder sogar ein Fehlwirt.

Die klinische Symptomatik wird überwiegend durch eine allergische Reaktion auf Körperflüssigkeiten, Exkremente und Eier der Arthropoden verursacht.

Entsprechend ist eine antiallergische, juckreizstillende Therapie wesentlich, während eine Eradikation durch Antiparasitika nur bei wenigen Arten erforderlich ist. Fehlender Juckreiz schließt einen Befall mit Ektoparasiten, wie Läusen beispielsweise, aber nicht aus.

Krätzmilbenbefall (Skabies) und Befall mit anderen Milben. Die 0,1–0,8 mm großen Milben gehören zusammen mit den Zecken zur Ordnung Acarina der spinnenartigen Organismen (Arachnida). Die mehr als 100 000 Arten sind ubiquitäre Parasiten von anderen Arthropoden, Weich- und Wirbeltieren sowie Pflanzen. Wurmartige, elongierte 0,3 mm lange Milben der Gattung Demodex parasitieren in Talgdrüsen und Haaren im Gesicht des Menschen.

Die 0,3 × 0,4 mm große Krätzmilbe Sarcoptes scabiei ist weltweit verbreitet, parasitiert auf vielen Säugetieren, weist aber eine ausgeprägte Wirtspezifität auf, die zur Unterscheidung von Varietäten (Subtypen) führt. Die begatteten Weibchen bohren parallel zur Oberfläche Gänge in das Stratum corneum, um dort Eier abzulegen, aus denen nach 2 Tagen sechsbeinige Larven schlüpfen. Diese bohren senkrechte Gänge zur Hautoberfläche, wo sie sich zu achtbeinigen Nymphen und über verschiedene Stadien innerhalb von 13 Tagen zu männlichen und weiblichen Adulten entwickeln. Nach der Begattung bohrt sich das Weibchen täglich 0,5–5 mm weiter in die Haut, um in ihrem bis zu 8 Wochen langen Leben 40 bis 50 Eier abzulegen. Ein Infizierter beherbergt durchschnittlich nur 10 bis 12 erwachsene weibliche Milben.

Hingegen werden bei der seltenen Form der Skabies norvegica des Immunsupprimierten Tausende von Milben gefunden. Bei Temperaturen > 21°C und 40–80% Luftfeuchtigkeit überleben Krätzemilben bis zu 36 Stunden außerhalb ihres menschlichen Wirts. Bei < 20°C sind sie quasi unbeweglich. Die Infektion wird durch direkten Körperkontakt, seltener durch Gebrauchsgegenstände wie Handtücher und Bettzeug übertragen.

Trombikulose/Trombidiose. Die erwachsene Ernteoder Herbstmilbe (Trombicula autumnalis) ernährt sich von Pflanzenmaterial, aber ihr Larvenstadium benötigt eine Blutmahlzeit an einem warmblütigen Tier. Bevorzugt werden Körperstellen mit eng anliegender Kleidung oder Regionen wie Kniekehlen und Knöchel befallen, in denen die Haut dünn und gefaltet ist, was das Festhalten der Milben erleichtert. Nach spätestens 4 Tagen fällt die gesättigte Larve ab, um im Boden zu reifen.

Infektionen mit Vogelmilben (Gamasidiose), Getreide-, Krämerkrätze, Pseudoskabies (Tierkrätze). Der vorübergehende Kontakt mit Milben, deren Wirte Nagetiere, Vögel oder Pflanzen sind, kann innerhalb von Stunden allergische Reaktionen mit starkem Pruritus hervorrufen. In seltenen Fällen (Getreidekrätze) können schwere Allgemeinerscheinungen wie Fieber, Tachykardie, Ödeme, Proteinurie und Asthma auftreten.

Pedikulose (Lausbefall). Läuse sind flügellose Insekten. Der Kopflausbefall wird durch die bis zu 3 mm große Pediculus (humanus) capitis verursacht. Die bis zu 5 mm große Kleiderlaus (Pediculus (humanus) vestimentorum) ist in Deutschland selten. Die 0,8–1,2 mm große Filzlaus (Pediculus pubis bzw. Pthirius pubis) ist eine sexuell übertragene Ektoparasitose im Genitalbereich, die selten auch bei Kindern in den Augenbrauen beobachtet wird. Die Läuse haben in ihrem Lebensraum am Menschen ihr Temperaturoptimum, das sie nur selten, z. B. zur Nahrungsaufnahme (Blutsaugen), verlassen.

Floh- und Wanzenstiche. Die 1,5–5 mm großen flügellosen Flöhe und die überwiegend nachtaktiven 5–8 mm großen Bettwanzen (Cimex lectularis; Cimikose) sind temporäre blutsaugende Ektoparasiten. Zwar dient die Blutmahlzeit als Nahrung und bei den Flöhen auch der Eiproduktion, aber erwachsene Tiere können auch monatelang ohne Blutmahlzeit überleben. Die abgelegten Eier fallen vom Wirt, entwickeln sich im Boden. Dank der kräftigen Hinterbeine gelingt es dann den adulten Flöhen auf einen neuen Wirt zu springen.

Tungiasis. Der auf dem Boden lebende Sandfloh Tunga penetrans springt auf Warmblüter. Das begattete Weibchen gräbt sich in die Haut ein, bevorzugt in die weiche Haut unter den Nägeln, saugt Blut und schwillt zu einem bis zu 1 cm großen Hohlraum an, aus dem die Eier über eine kleine Hautöffnung nach außen abgegeben werden. Danach stirbt der Floh ab.

Myiasis. Die erwachsene Dasselfliege fängt stechende Insekten wie z. B. Mücken und klemmt ihnen die Fliegeneier unter den Thorax. Beim Saugakt der Stechmücke schlüpfen aufgrund des Wärmereizes die Fliegenmaden aus den Eiern, um sich in die Haut des Warmblüters einzugraben oder den Stichkanal als Eintrittspforte zu nutzen. Die Made entwickelt sich und fällt nach etwa 6 Wochen vom Wirt, um sich im Boden zu verpuppen. Wenngleich Dasselfliegen auch in Europa vorkommen, werden in die Haut eingewanderte Maden der Dassel- und Tumbufliegen nur aus tropischen und suptropischen Regionen Amerikas und Afrikas importiert.

4.2. Diagnostische Hinweise

Bei fast allen Ektoparasitosen wird ein unterschiedlich starker Juckreiz angegeben. Das Auftreten von Ektoparasitosen in Gemeinschaftseinrichtungen sollte bei der Pedikulose Anlass zur gezielten Suche mit einem Nissen- und Läusekamm (bevorzugt aus Metall, z. B. Niska® der Fa. Mückenhaupt und Erben) sein, denn nur etwa 20% der Befallenen berichten über Juckreiz. Am Haar unmittelbar oberhalb der Kopfhaut sitzende, nicht abstreifbare weißliche 0,8 mm große, als Verhärtung tastbare Strukturen sind verdächtig auf Nissen. Bei länger bestehendem Befall wachsen diese entleerten Nissen mit dem Haar und sind dann weiter von der Kopfhaut entfernt sichtbar.

Bei der Skabies finden sich bis zu 3 cm lange Gänge in der Hornschicht, an deren Ende die Milben als schwärzliche Punkte unter der Auflichtlupe erscheinen. Bei gepflegter Skabies mit nur vereinzelten Papeln ggf. histologischer Nachweis der Milben.

Reiseanamnese, Jahreszeit, der Kontakt zu Tieren, auch Haustieren, Pflanzenkontakt zur Erntezeit, das Auftreten von gruppierten papulösen Exanthemen ggf. mit Schorfbildung können Hinweise auf eine Ektoparasitose geben. Wanzen- und Flohstiche treten meist gruppiert auf. Bei der Tungiasis treten Druckschmerzen durch den bis erbsengroßen intrakutanen Floh auf, während Fliegenmaden intermittierend sehr starke Schmerzen und ein entzündliches Infiltrat verursachen.

4.3. Management und Therapie
4.3.1. Ziele und Prinzipien

Der bei den meisten Ektoparasitosen im Vordergrund stehende Juckreiz ist behandlungsbedürftig, u. a. auch, um Sekundärinfektionen vorzubeugen. Bei Skabies und Pedikulose ist zusätzlich die Abtötung und damit Elimination der Ektoparasiten wichtig, um eine Weiterverbreitung zu verhindern. Bei Tungiasis und Myiasis stellt die physikalische Parasitenextraktion die kausale Therapie dar.

4.3.2. Therapiestrategien

Als Insektizide werden eingesetzt:

  • chlorierte Kohlenwasserstoffe (Lindan), die neuro-toxisch sind

  • Pyrethrum-Extrakte

  • synthetische Pyrethroide, die über den schnellen Schluss des Natriumkanals die Repolarisation der Nervenmembran verhindern und somit neurotoxisch sind

  • zur Therapie der Pedikulose auch organische Phosphorsäureester wie Malathion, die die Acetylcholinesterase hemmen

  • als Antiskabiosum auch Benzylbenzoat und Crotamiton, deren Wirkmechanismen unbekannt sind

  • Teebaumölextrakte zeigen eine gewisse Wirksamkeit, die auf anwesende Terpene zurückgeführt wird. Da die Konzentrationen in Naturprodukten äußerst variabel ist, kann eine Anwendung bisher nicht empfohlen werden.

  • Ivermectin wirkt auf GABA-Rezeptoren von Organismen, jedoch kommen die Rezeptoren beim Menschen ausschließlich im ZNS vor und oral appliziertes Ivermectin penetriert nicht ins ZNS. Ivermectin wird bei der Scabies norvegica erfolgreich eingesetzt.

▪. Skabies

Mittel der Wahl ist Permethrin (Infectoscab®), das bereits bei Frühgeborenen eingesetzt werden kann.

  • Die 5%ige Creme wird nach dem Duschen/Baden auf die getrocknete Haut aufgetragen, um sie bei Früh- und Neugeborenen für 6 Stunden, bei Säuglingen und Kleinkinder 8 und älteren Patienten mindestens 8 Stunden zu belassen. Die einmalige Anwendung ist typischerweise kurativ, wenn Maßnahmen zur Reinfektionsprophylaxe ergriffen werden.

  • Crotamiton (z. B. Crotamitex®; 10% in Gel, Lotio oder Salbe) wird im Früh- und Neugeborenenalter einmal, sonst mehrmals pro Tag dünn aufgetragen für insgesamt 3 bis 5 Tage.

  • Benzylbenzoat (Antiscabiosum 10% für Kinder®) kann erst ab dem Säuglingsalter eingesetzt werden. Es soll 3 Tage hintereinander einmal täglich aufgetragen werden, gefolgt von einem Vollbad am 4. Tag.

  • Auch Lindan (Delitex®, Infectopedicul Lindan Gel®, Jakutin®) darf erst ab dem Säuglingsalter eingesetzt werden. Aufgrund der potenziellen Toxizität sind an Tag 1 und 3 die untere und an den Tagen 2 und 4 die obere Körperhälfte einzureiben, gefolgt von Abwaschen mit lauwarmem Wasser nach 3 Stunden Inkubation.

  • Die Kombination aus Allethrin und Piperoxylbutoxid (z. B. Jakutin®N) ist ab Schulkindalter ebenfalls bei einmaliger Anwendung meist erfolgreich, kann aber zu Hautreizungen führen.

Inline graphic Sämtliche antiscabiösen Medikamente sollten nicht im Augen- und Schleimhautbereich angewandt werden.

Unabhängig vom Therapeutikum ist eine mindestens ein-, häufiger zweiwöchige Therapie mit pflegenden Externa unter Zusatz von Polidocanol oder topischen Steroiden (1%ige Hydrocortison-haltige Creme) erforderlich, da der Juckreiz persistiert, bis die in der Hornschicht liegenden Milbenbestandteile „herausgewachsen” sind.

Prophylaktische Maßnahmen: Nach der Anwendung eines Antiscabiosums sind Bett- und Körperwäsche zu wechseln und zu waschen sowie Teppiche und Polster intensiv abzusaugen. Milben können sich außerhalb des Körpers von abgefallenen Hautschuppen ernähren, so dass diese Infektionsquellen gezielt eliminiert werden müssen. Nicht waschbare Textilien und Gegenstände können durch chemische Reinigung oder durch Lüften für eine Woche entwest werden. Eine Entwesung ist auch durch Tiefkühlung (- 25°C) über mindestens 12 Stunden möglich.

▪. Kopflausbefall

Die korrekte einmalige Anwendung einer 0,5%igen Permethrinlösung (Infectopedicul®) ist in 94% der Fälle bereits kurativ.

Eine Wiederzulassung zu Gemeinschaftseinrichtungen ist nach Kontrolle und Abwesenheit adulter Läuse bereits am Folgetag möglich. Nach 6 bis 8 Tagen wird eine Zweitbehandlung durchgeführt.

Nissen alleine sind nach Angaben des Robert-Koch-Instituts keine Kontraindikation zum Besuch von Gemeinschaftseinrichtungen. Weder Nissen noch gerade geschlüpfte Larven sind infektiös, da sie den Kopf nicht verlassen. Die Zweitbehandlung soll Larven, die aus überlebenden Eiern geschlüpft sind, eliminieren. Wesentlich für den Behandlungserfolg ist die korrekte, d. h. strikt nach Anleitung durchgeführte Therapie.

Ebenfalls eingesetzt werden Pyrethrum-Extrakte (z. B. Goldgeist® forte), die wie Permethrin zweimalig appliziert werden sollten, sowie Lindan-haltige Substanzen, die ebenfalls zweimalig anzuwenden, aber nebenwirkungsreicher sind. Da Läuse außerhalb ihres Lebensraumes innerhalb von 24 Stunden inaktiv werden und nach spätestens 55 Stunden ohne Nahrung, also Blut, sterben, ist eine „Entwesung” von Gegenständen oder Räumen eigentlich nicht erforderlich, wenngleich es in Therapieanleitungen noch immer empfohlen wird.

▪. Myiasis, Tungiasis, Zeckenbefall

Das Auflegen einer Speckschwarte führt zum Sauerstoffabschluss und Absterben der Fliegenmade. Die alternativ einsetzbare Vaseline verflüssigt sich aufgrund der Körpertemperatur meist zu schnell und ist daher weniger effektiv. Nach dem Ableben lässt sich die Made ausdrücken, selten ist eine Inzision zur Extraktion erforderlich.

Auch bei der Tungiasis lässt sich der Floh üblicherweise durch manuellen Druck extrahieren, was ggf. durch eine kleine Hautinzision erleichtert wird. Zecken sollten mit einer Pinzette so nah wie möglich an der Insertionsstelle gefasst und herausgezogen werden. Eine Drehbewegung ist nicht erforderlich. Eventuell verbleibende Kopf- oder Mundwerkzeugteile stellen keine Gefahr dar und „wachsen” heraus.

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Internetadressen

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  4. Robert-Koch Institut: www.rki.de

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