Trotz der explodierenden Fallzahlen von Patienten mit SARS-CoV-2-Infektionen gibt es wenige Publikationen zu erkrankten Kindern. Sie sprechen für einen überwiegend leichten Verlauf von COVID-19. Vor allem bei Risikogruppen kann es aber nach einigen Tagen auch zu einer akuten Verschlechterung kommen.
Ein Grund für die vergleichsweise magere Datenlage zu Kindern und Jugendlichen mit SARS-CoV-2-Infektion lässt sich an den COVID-19-Statistiken ablesen: Unter über 72.000 COVID-19-Patienten, die bis zum 11. Februar dem Chinese Center for Disease Control and Prevention (CCDC) gemeldet wurden, waren weniger als 2 % unter 18 Jahre alt [1]. Einen ähnlich niedrigen Anteil weist das Robert-Koch-Institut (RKI) für Deutschland aus: 0,8 % der Patienten sind unter 5 und 2,4 % zwischen 5 und 14 Jahre alt (Stand: 18. März). Zumindest unter den COVID-19-Erkrankten sind Kinder also eher rar.
Kinder scheinen ebenso anfällig für eine Infektion mit SARS-CoV-2 zu sein wie Erwachsene.
Die Frage, ob Kinder sich auch seltener eine Infektion mit SARS-CoV-2 zuziehen oder ob sie im Fall einer Infektion nur seltener erkranken, ist noch nicht zweifelsfrei geklärt. Vermutlich sind die Infektionsraten aber ähnlich wie bei Erwachsenen: In einer Studie, in der enge Kontaktpersonen von Patienten mit nachgewiesener Infektion untersucht worden waren, hatten sich die unter Zehnjährigen ebenso häufig infiziert wie der Durchschnitt der Kontakte (7,4 % vs. 7,9 %) [2]. Eine andere Studie aus China zeigt, dass schon Anfang Januar, also zu Beginn der Epidemie, auch vereinzelt Kinder unter den COVID-19-Patienten waren [3]. Es spricht also einiges dafür, dass Kinder ebenso anfällig für eine Infektion mit SARS-CoV-2 sind wie Erwachsene, aber seltener Symptome entwickeln und deswegen auch seltener entdeckt werden.
Jungen nicht signifikant häufiger betroffen
Zum Verlauf der Infektion bei Kindern und Jugendlichen sind einzelne Fallserien veröffentlicht worden, zuletzt die bisher größte mit Daten von 2.143 Kindern und Jugendlichen [4]. Es handelt sich um COVID-19-Patienten, die dem CCDC gemeldet wurden, allerdings war die Diagnose nur bei einem Drittel der Patienten durch einen Labortest gesichert. Das Alter der Patienten lag im Mittel bei sieben Jahren. Unter ihnen waren zwar mehr Jungen (56,6 %), der Unterschied war aber statistisch nicht signifikant. 4,4 % aller Patienten (alle mit PCR-Nachweis des Virus) waren komplett asymptomatisch; ihr Anteil unter den nachgewiesen positiven Patienten erreichte damit 13 %. Die Häufigkeit asymptomatischer Infektionen dürfte allerdings immer noch unterschätzt sein: Die meisten pädiatrischen COVID-19-Patienten ohne verdächtige Symptome wurden und werden wohl gar nicht getestet [5].
Atemnot, ARDS, Organschäden
50,9 % der gemeldeten Fälle hatten einen milden Krankheitsverlauf mit Symptomen eines Infekts der oberen Atemwege wie Fieber, Fatigue, Muskelschmerzen, Husten und/oder Halsweh; bei manchen bestanden auch nur gastrointestinale Symptome wie Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen oder Diarrhö. Mittelschwere Symptome mit Pneumonie, Fieber, trockener Husten, gefolgt von produktivem Husten hatten 38,8 % der Kinder. Bei schweren Verläufen - etwa 5,2 % der Patienten - kam zu den genannten Symptomen nach etwa einer Woche Atemnot bei zentraler Zyanose hinzu, die Sauerstoffsättigung sank unter 92 %. Bei 0,6 % aller Patienten entwickelte sich daraus schnell ein kritischer Zustand mit Atemnotsyndrom, zum Teil begleitet von Schock, Herz- und Niereninsuffizienz oder Gerinnungsstörungen. Tödlich verlief die Krankheit bei einem einzigen Kind, einem 14-Jährigen, zu dem keine weiteren Angaben vorlagen.
Mehr schwere Verläufe bei Säuglingen
Besonders viele schwere Erkrankungen traten in der CDCC-Kohorte bei jüngeren Kindern, vor allem bei Säuglingen auf. Der Anteil schwerer oder kritischer Verläufe betrug 10,6 %, 7,3 %, 4,2 %, 4,1 % beziehungsweise 3,0 % für die Altersgruppen von < 1, 1-5, 6-10, 11-15 beziehungsweise > 16 Jahren. Auf eine Gefährdung von Säuglingen weist auch die Kasuistik eines 55 Tage alten Mädchens aus Hubei hin [6], dessen Erkrankung sich zunächst durch leichte Symptome (Husten) äußerte und ab Tag 7 rapide verschlechterte (Hypoxie, Pneumonie, Myokard- und Leberschäden). Die Wahrscheinlichkeit einer schweren Erkrankung durch SARS-CoV-2 ist bei Kindern insgesamt also deutlich geringer als bei Erwachsenen, es gibt jedoch Kinder mit einer erhöhten Gefährdung, die man besonders im Auge behalten muss. Dazu gehören außer den jüngeren Kindern auch Kinder mit Grunderkrankungen. Das RKI nennt als - altersunabhängige - Risikofaktoren für schwere COVID-19-Verläufe Vorerkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, der Lunge und der Leber sowie Diabetes, Krebs und Immunschwäche.
Über die Ursachen dafür, dass Kinder infolge einer SARS-CoV-2-Infektion offenbar seltener (schwer) erkranken oder sterben, kann bisher nur spekuliert werden. Möglicherweise ist die Bindungsfähigkeit des Rezeptormoleküls Angiotensin-konvertierendes Enzym 2 (ACE2), über das das Virus an die Zellen andockt, bei Kindern noch geringer. Vielleicht hat es damit zu tun, dass Kinder häufig an Atemwegsinfektionen, unter anderem durch zirkulierende humane Coronaviren, leiden und daher höhere Antikörpertiter haben, die eventuell auch einen gewissen Schutz gegen SARS-CoV-2 bieten.
Kinder als "Superüberträger"?
In den letzten Wochen ist auch viel die Rede davon gewesen, welche Gefahren von infizierten Kindern für andere ausgehen und ob Kinder möglicherweise "Superüberträger" von SARS-CoV-2 sind. Dafür sprechen Befunde, wonach sich die Virusinfektion bei Kindern stärker in den oberen als in den unteren Atemwegen abspielt, was die Dauer der Virusausscheidung verlängern könnte. Der häufig asymptomatische Krankheitsverlauf macht es zudem besonders schwierig, die Ansteckungsgefahr nachzuvollziehen, die von infizierten Kindern ausgehen kann. Unklar ist außerdem, ob eventuell auch die Ausscheidung von Viren im Stuhl von Säuglingen und Kleinkindern zur Ausbreitung des Virus beitragen kann.
Für COVID-19 gilt damit, was für viele andere Infektionen zutrifft: "Die Infektionskrankheit verhält sich bei Kindern anders als bei Erwachsenen", so die Pädiater und Mitherausgeber von Pediatrics Dr. Andrea Cruz (Houston) und Dr. Steven Zeichner (Charlottesville). Allerdings gebe es noch sehr viel zu lernen: über den Einfluss des Virus auf Kinder ebenso wie den Einfluss von Kindern auf die Virusausbreitung. Dr. Beate Schumacher
Impfungen und COVID-19.
Die in Deutschland meist großzügige Inanspruchnahme von Arztpraxen oder Klinikambulanzen bei banalen Atemwegsinfektionen birgt die Gefahr von Übertragungen von SARS-CoV-2 ebenso wie von anderen Viren. Nach wie vor sind derzeit die bekannten Viruserkrankungen (Influenza, Rhinoviren, RSV, humanes Metapneumovirus, Parainfluenza) weitaus häufiger als SARS-CoV-2-Infektionen. Besuche in der Praxis sollten auf das notwendige Maß beschränkt werden. Bei höheren Erkrankungszahlen müssen alle nicht notwendigen Maßnahmen verschoben werden. Wichtig ist in dieser Phase die Aufrechterhaltung des normalen Impfangebotes, ein rasches Nachholen von ausstehenden oder fehlenden Impfungen, insbesondere der Pertussis- und Masernimpfung, sowie die Durchführung von Indikationsimpfungen (Pneumokokken, Influenza) nach STIKO.
Weiterführende Informationen finden Sie unter: www.bvkj.de/fileadmin/pdf/presse/dakj-dgpi-2020-corona-stand-2103.pdf red
Nach Informationen des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte
Kinder mit COVID-19 in deutschen Krankenhäusern.
Mit dem Anstieg von SARS-CoV-2-Infektionen in Deutschland wird auch bei Kindern und Jugendlichen die absolute Zahl von schweren Verläufen zunehmen. Die Deutsche Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie hat daher eine bundesweite Erfassung der stationär behandelten Patienten dieser Altersgruppen initiiert. Ziel ist es, den Krankheitsverlauf prospektiv zu erfassen und im Sinne eines "Quality Improvement of Clinical Care" kurzfristig allen Behandlern in Deutschland zur Verfügung zu stellen. Das Projekt wird unter anderem von der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) unterstützt.
Die Daten werden online durch zwei passwortgeschützte Erfassungsbögen gesammelt: https://dgpi.de/covid-19-survey-der-dgpi.
Corona-Prävention wird zum Risiko für Säugling.
Die Corona-Pandemie birgt auch ohne die Infektion mit SARS-CoV-2 selbst Gefahren. So kann ein Glas mit Kochsalzlösung - gedacht als Nasenspülung zur Prophylaxe - schnell ein Sicherheitsrisiko werden, wie der nachfolgende Fall zeigt.
Ein 11 Wochen alter Säugling wird notfallmäßig gegen 1 Uhr nachts mit einer vermuteten Kochsalzvergiftung in die Klinik eingeliefert. Was war passiert? Der überwiegend gestillte männliche Säugling sollte um Mitternacht eine Flasche Milch erhalten. Die 15-jährige Schwester nahm hierzu zur Hälfte abgekochtes Wasser und zur anderen Hälfte Wasser aus einem Glas, das am Waschbecken stand. Ganz anders als sonst trank das Kind nur widerwillig ein Viertel des Flascheninhaltes (ca. 50 ml). Das Mädchen rief seine Mutter, der auffiel, dass das Glas am Waschbecken leer war. Die Flüssigkeit sollte als Gurgel- und Nasenspülung gegen Coronaviren dienen. In den 200 ml Wasser war 1 Esslöffel Kochsalz gelöst. Sofort begab sich die armenische Familie mit dem Säugling in die nahegelegene Kinderklinik.
Bereits 0,5-1 g/kg KG Kochsalz kann bei Kindern tödlich wirken.
Hier war der Junge sehr unruhig. Bei regelrechten Vitalwerten fiel auf, dass die Serumwerte von Natrium und Chlorid im oberen Normbereich lagen, unter Flüssigkeitszufuhr aber sanken. Das Kind wurde nach 2 Tagen symptomfrei entlassen. Die Milchflasche hatte den Angaben der Familie zufolge einen halben Esslöffel Kochsalz enthalten. Da das Kind etwa ein Viertel des Inhalts getrunken hatte, war davon auszugehen, dass es insgesamt nicht mehr als ein Achtel Esslöffel Kochsalz zu sich genommen hatte. Ein Esslöffel entspricht einer Dosis von 10 bis 15 g. Bei einem Körpergewicht von 6 kg dürfte das Kind also maximal 0,3 g pro kg Kochsalz getrunken haben.
Patienten mit Atemwegsinfekten, die mit hypertoner Kochsalzlösung gurgeln und ihre Nase spülen, sind womöglich kürzer krank und stecken weniger Menschen an als Patienten mit Standardversorgung, wie eine Studie ergeben hat [1]. Unklar ist, ob das auch für die neuartigen Coronaviren gilt. Keinesfalls darf dadurch jedoch Kinderleben gefährdet werden. Enterale Kochsalzdosen von 0,5-1 g/kg KG können tödlich wirken - besonders bei jungen Kindern.
Literatur
1. Ramalingam S et al. Sci Rep 2019;9:1015
Dr. med. Thomas Hoppen, M.A.
Kinder- und Jugendmedizin Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein gGmbH
Koblenzer Straße 115-155, 56073 Koblenz
E-Mail: thomas.hoppen@gk.de
Literatur
- 1.Zimmermann P et al. Coronavirus Infections in Children Including COVID-19. An Overview of the Epidemiology, Clinical Features, Diagnosis, Treatment and Prevention Options in Children. Pediatr Infect Dis J 2020. doi: 10.1097/INF.0000000000002660 [DOI] [PMC free article] [PubMed]
- 2.Bi Q et al. Epidemiology and Transmission of COVID-19 in Shenzhen China: Analysis of 391 cases and 1,286 of their close contacts. medRxiv Preprint 2020. doi: 10.1101/2020.03.03.20028423 [DOI] [PMC free article] [PubMed]
- 3.Liu W et al. Detection of Covid-19 in Children in Early January 2020 in Wuhan, China. N Engl J Med 2020. doi: 10.1056/NEJMc2003717 [DOI] [PMC free article] [PubMed]
- 4.Dong Y et al. Epidemiological Characteristics of 2143 Pediatric Patients With 2019 Coronavirus Disease in China. Pediatrics 2020. doi: 10.1542/peds.2020-0702
- 5.Cruz A et al. COVID-19 in Children: Initial Characterization of the Pediatric Disease. Pediatrics 2020. doi: 10.1542/peds.2020-0834 [DOI] [PubMed]
- 6.Cui Y et al. A 55-Day-Old Female Infant Infected With 2019 Novel Coronavirus Disease: Presenting With Pneumonia, Liver Injury, and Heart Damage. J Infect Dis 2020. doi: 10.1093/infdis/jiaa113/5807961 [DOI] [PMC free article] [PubMed]