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. 2020 May 4;72(5):18–19. [Article in German] doi: 10.1007/s00058-020-1495-9

Erhöhtes Risiko bei COVID-19: Alter, Vorerkrankung, Demenz

Andrea Jessen 1,
PMCID: PMC7174538  PMID: 32336767

Umgang mit Risikogruppen Es gibt keinen Teil der Bevölkerung, der nicht von Corona betroffen sein kann. Aber einige Gruppen sind stärker gefährdet. Dazu gehören neben Personen mit geschwächter Immunabwehr oder eingeschränkter Lungenfunktion insbesondere aber Menschen mit Demenz. Was sollten Pflegende beim Umgang mit Risikogruppen beachten?

Zu den Risikogruppen einer COVID-19-Infektion zählen Personen mit geschwächter Immunabwehr (z.B. Patienten mit malignen Erkrankungen und Chemotherapie, Patienten unter immunsuppressiver Therapie nach Transplantation) und Patienten unter Kortisontherapie (z.B. bei rheumatischen Erkrankungen, Lupus erythematodes). Auch Menschen mit angeborener oder erworbener Immunschwäche und ältere Menschen sind gefährdet. Im Alter wird das Immunsystem schwächer und häufig liegen internistische Erkrankungen vor. Besonders schwere Verläufe kann es geben bei Patienten mit eingeschränkter Lungenfunktion (z.B. Raucher, Patienten mit Asthma, COPD) und bei Patienten unter einer Glukokortikoidtherapie. Auch Diabetiker und Menschen mit chronischen Lebererkrankungen gehören dazu. Momentan gibt es folgende Erkenntnisse::

Asthma-Patienten: Aktuelle Empfehlungen der Fachgesellschaften raten zu einem Fortführen der individuell angepassten Inhalationstherapie, da es durch abruptes Absetzen zu einer Verschlechterung der Symptomatik kommen kann, was zu vermehrten Arzt- und ggf. Krankenhausaufenthalten führt, die wiederum das Infektionsrisiko erhöhen.

Schmerzpatienten: Meldungen, dass Ibuprofen den Krankheitsverlauf verschlimmern könnte, konnten bisher nicht wissenschaftlich bestätigt werden. Die nationalen Behandlungsrichtlinien empfehlen allerdings Paracetamol als Mittel der (ersten) Wahl bei Fieber oder Schmerzen.

Herz-Kreislauferkrankungen: Jede Infektion ist grundsätzlich eine zusätzliche Anstrengung für Herz und Kreislauf. Zusätzlich kommt es im Rahmen der COVID-19 bei etwa jedem sechsten stationär behandelten Patienten zu Herzrhythmusstörungen und in seltenen Fällen auch zu Herzmuskelschädigungen. Bei Patienten mit Herzinsuffizienz muss die Flüssigkeitsbilanzierung sorgfältig kontrolliert werden, da fiebrige Erkrankung eine erhöhte Flüssigkeitszufuhr erfordern, was unkontrolliert zur Dekompensation führen kann.

Schwangerschaft, Entbindung, Stillen: Derzeit gibt es keinen Anhalt, dass gesunde Schwangere ein höheres Risiko für eine Erkrankung oder schweren Verlauf haben. Ebenso gibt es bisher keine Hinweise auf eine Übertragung des Virus auf das Ungeborene im letzten Schwangerschaftstrimester. Dagegen wird vor Corona-bedingten Kaiserschnitten gewarnt, da diese als Eingriff mit einem allgemein höheren Komplikationsrisiko als die natürliche Entbindung für die Frauen einhergehen. Nach aktueller Datenlage geht man davon aus, dass auch keine Übertragung durch Muttermilch stattfindet.

Umgang mit Menschen mit Demenz

Demenz als solche ist zwar kein erhöhtes Risiko für eine Infektion oder schwerwiegenden Verlauf, jedoch leiden viele Betroffene unter Begleiterkrankungen, können durch Mangelernährung infektanfälliger sein und haben häufig Probleme, die notwendigen Maßnahmen der Händehygiene oder Atemetikette umzusetzen.

Aufgrund ihrer Erkrankung haben Menschen mit Demenz (MmD) außerdem wenig Kompensationsstrategien, um mit veränderten Situationen und Abläufen zurechtzukommen. So können geänderte Besucherregelungen, der Wegfall von Gruppenaktivitäten und gemeinsamen Mahlzeiten, fehlende Ausflüge oder Spaziergänge eine akute Verschlechterung der Demenz-Symptomatik auslösen. Dies kann sich mit zunehmender Verwirrtheit, gesteigerter Unruhe oder aggressivem Verhalten äußern, was wiederum eine vermehrte Belastung der Mitarbeiter mit sich bringt. Aber auch ambulant versorgte Demenzkranke sind durch das Fehlen ihrer Betreuungsperson oder der Schließung von Tageseinrichtungen betroffen. Durch den daraus resultierenden akuten Versorgungsmangel werden Betroffene zum Teil temporär in neuer Umgebung oder von nicht vertrauten Personen versorgt. Doch gerade Vertrautheit, Regelmäßigkeit und Gewohnheit geben den Betroffenen das notwendige Schutzgefühl und Stabilität - eine besondere Herausforderung für die Pflegenden. Zu beachten ist:

Erklärung der Situation: Die aktuelle Pandemiesituation ist für MmD eine abstrakte Information, die sie nicht einordnen können, da insbesondere das Kurzzeitgedächtnis und Verarbeitung neuer Informationen früh verloren gehen. Nachrichten, die nicht emotional behaftet sind und vom Betroffenen nicht selbst durchlebt werden, finden dabei noch weniger Haftung. Hier kann es hilfreich sein, die Situation geduldig mehrfach zu erklären, sofern der Betroffene danach fragt. Dazu sollten einfache und kurze Sätze und nach Möglichkeit auch die gleichen Formulierungen verwendet werden.

Erinnerung: Die Wichtigkeit der Hände- und Hustenhygiene erfordert für Demenzerkrankte häufige, am besten visualisierte Erinnerungshilfen. Je nach Ausmaß der Erkrankung können Hinweisplakate über dem Waschbecken angebracht werden, die an das Händewaschen und die Dauer erinnern. Allerdings geht das Zeitgefühl im Rahmen einer Demenzerkrankung bereits relativ früh verloren, sodass "20 Sekunden" wenig Bedeutung für die Betroffenen haben. Daher sollte in fortgeschrittenen Stadien die betreuende Person die gründliche Händehygiene immer wieder demonstrieren und begleiten.

Eine weitere Möglichkeit wäre, auf den jeweiligen Körperteil, der Aufmerksamkeit benötigt, in diesem Fall also die Hand zu zeigen oder leicht zu berühren. Wenn auch dies nicht mehr genügt, kann die sogenannte Hand-unter-Hand-Strategie angewendet werden, die den Betroffenen weitestgehend in der Ausführung von Handlungen unterstützt, ohne sie vollständig zu übernehmen. Je nach Ressourcen kann auch der Einsatz eines akustischen Signals oder von Melodien getestet werden.

Die Händehygiene kann langfristig trainiert und nach den Beschränkungen beibehalten werden, da sie auch hilft, andere Infektionserkrankungen wie Influenza zu vermeiden. Zudem ist es für MmD einfacher, Gewohnheiten langfristig beizubehalten.

Beobachtung: Die Verschlechterung aufgrund ungewohnter Umstände kann in vielen Fällen zeitverzögert nach einigen Tagen auftreten. Andererseits können Patienten im fortgeschrittenen Stadium einer Demenz ein bestehendes Krankheitsgefühl häufig nicht mehr verbal adäquat ausdrücken. Daher kommen der Patientenbeobachtung und Vitalzeichenkontrolle eine besondere Bedeutung zu. Frühe Zeichen für eine beginnende COVID-19-Erkrankung können rapide Verschlechterung des Verwirrtheitsgrades, Fieber, Husten, Kurzatmigkeit oder ungewöhnliche Abgeschlagenheit sein.

Persönliche Kontakte: Solange eine Kontaktbeschränkung gilt, können je nach individuellen Gegebenheiten Telefon und Videotelefonie zur Kontaktaufnahme mit Familienangehörigen eingesetzt werden. Wann und wo möglich, sollte die Kontaktaufnahme zu den Uhrzeiten der sonstigen Besuche stattfinden. Doch auch hierbei sollten die Hygienegrundlagen beachtet werden: soweit möglich personengebundene Gadgets (Geräte) verwenden, die im Zimmer verbleiben; Geräte regelmäßig desinfizieren.

Bewegungsdrang: Die bestehenden Ausgangseinschränkungen können zu einer gesteigerten Unruhe bei an Demenz Erkrankten führen. Hier können Aktivierungsübungen oder einfache Gymnastikübungen die Unruhe mildern, gegebenenfalls können ähnliche Aktivitäten, die sonst in der Gruppe durchgeführt werden, auch im Zimmer stattfinden. Die Alzheimer Gesellschaft hat Anregungen in ihrer kostenlosen App "Alzheimer & YOU - den Alltag aktiv gestalten" zur Verfügung gestellt (iPhone und Android).

Rituale: Das Gleichmaß der Abläufe mag Gesunden langweilig vorkommen, die Ritualisierung gibt den MmD jedoch Orientierung und Sicherheit. Daher sollten Gewohnheiten wie Mahlzeiten, Schlafengehen nach Möglichkeit zu den üblichen Zeiten stattfinden.

Pflege einfach machen.

Alle Menschen mit einem eingeschränkten Immunsystem oder Lungenfunktion gehören zu den Risikogruppen einer COVID-19 Erkrankung.

Eine besondere Gruppe sind Menschen mit Demenzerkrankungen. Da sie zu den vulnerablen Gruppen gehören, ist die Einhaltung der Händehygiene und Atemetikette besonders wichtig. Aufgrund ihrer Erkrankung sind sie außerdem in besonderem Maße auf Rituale und Gleichmäßigkeit der Abläufe angewiesen.

Veränderungen, auch eine mögliche Infektion, können sich in einer Verschlechterung der Demenz-Symptomatik äußern. Daher ist eine gründliche Patientenbeobachtung wichtig. Als Ausgleich für Spaziergänge können Gymnastikübungen helfen, ebenso wie Videotelefonie mit Angehörigen während der Besuchsverbote.

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