Medizinisch gesicherte Erkenntnisse "Corona" ist derzeit in aller Munde und beherrschendes Thema in den Medien. Doch trotz oder gerade wegen der Vielzahl der sich teils widersprechenden Nachrichten sind viele Zusammenhänge unklar. Daher versuchen wir, die nach aktuellem Stand medizinisch gesicherten Erkenntnisse zusammenzufassen.
Um die Gefahr von Infektionskrankheiten besser einschätzen zu können, muss man verstehen, wie der menschliche Körper mit Erregern umgeht. Darüber hinaus ist von Bedeutung, die Ausbreitung innerhalb der Bevölkerung zu verfolgen.
Abwehr von Erregern
Neben Bakterien gehören Viren zu den klassischen Erregern für Infektionskrankheiten, insbesondere auch für Erkältungs- und Atemwegserkrankungen. In ihren biologischen Eigenschaften unterscheiden sie sich jedoch deutlich von Bakterien (Tab. 1). Im menschlichen Körper gibt es mehrere Abwehr-Mechanismen. Die unspezifische Abwehr ist immer präsent und bildet eine erste Barriere gegen eindringende Keime und Partikel. Sie finden sich an allen Eingangsstellen des Körpers. Dazu gehören die Zilien des Atemtraktes oder Sekrete wie Speichel und Tränenflüssigkeit. Doch dies genügt bei einem Erstkontakt mit den neuen Erregern nicht, um den Körper gänzlich vor einer Infektion schützen. Daher können alle Schutzmaßnahmen helfen, die das Eindringen der Erreger über die Schleimhäute verhindern.
Virus | Bakterien | |
"Dem Leben nahe stehend" | Lebewesen | |
Aufbau | Partikel (keine Zellen) aus Erbmaterial und Kapsid | Zellen mit Zellmembran, aber ohne Zellkern oder Organellen |
Erbmaterial | DNA oder RNA | DNA und RNA |
Umhüllung | Mit oder ohne Hülle | Membran und (meist) Zellwand |
Stoffwechsel | Kein eigener Stoffwechsel | Stoffwechsel |
Vermehrung durch … | Eindringen über Bindestellen, Nutzung und Zerstörung der Wirtszellen | Eigenständige Teilung |
Größe | variabel, z.B. SARS-CoV-2 ca. 125 nm (etwa mehr als 1/100 mm) | Sehr variabel, z.B. S. aureus ca. 1µm (ca. 1/10 mm) |
Typische Krankheiten | Influenza, Norovirengastroenteritis, AIDS, Masern, FSME, SARS, MERS | Meningokokken-Meningitis, Salmonellen, Scharlach |
Medikamente | (teilweise) Virostatika | Antibiotika |
Wissenschaftler am Massachusetts Institute of Technology (USA) haben herausgefunden, dass beim Niesen virenhaltige Tröpfchenwolken mit einer Geschwindigkeit von bis zu 150 km/h explosionsartig in die Luft geschleudert werden. Die Tröpfchen sind unterschiedlich groß und können mehrere Meter weit fliegen. Sie können direkt auf Menschen treffen oder sich auf Oberflächen ablagern. Erste Studien haben gezeigt, dass das neue Coronavirus dort bis zu mehreren Tagen überlebensfähig ist. Hier wird die Bedeutung der zwei Hauptmaßnahmen deutlich: Zum einen sollte durch gute Niesetikette (Taschentuch oder Ellenbeuge) eine Flugwolke vermieden werden, zum anderen kann Abstand helfen, nicht von den Tröpfchen direkt getroffen zu werden und diese einzuatmen. Andererseits sind die Hände die Hauptvehikel, die Erreger auf Oberflächen und Gegenständen aufnehmen und durch unbedachtes Berühren auf die Schleimhäute tragen, von wo die Erreger in den Körper eindringen können. SARS-CoV-2 zählen zu den behüllten Viren, d.h. sie sind von einem Lipidmantel umgeben. Wenn diese Lipidhülle z.B. durch gründliches Waschen mit Seife oder Desinfektionsmittel zerstört wird, sind die Viren nicht mehr lebensfähig. Daher ist das strikte Einhalten der Händehygiene-Regeln äußerst wichtig. Da noch keine genauen Zahlen vorliegen, wird nicht ausgeschlossen, dass je nach Oberfläche das SARS-CoV-2-Virus mehrere Stunden bis Tage außerhalb des Körpers überlebt. Im Vergleich dazu kann das HI-Virus nur wenige Minuten auf Oberflächen überstehen.
Das Schlüssel-Schloss-Prinzip
Wenn sie erst einmal im Körper sind, dringen die Viruspartikel mit Hilfe bestimmter Oberflächenmoleküle nach einem Schlüssel-Schloss-Prinzip in die Zielzellen ein. So tragen Hepatitis-Viren bestimmte Strukturen, die genau auf menschliche Leberzellen passen und so in sie eindringen können. Erkältungs-, Grippe- und Corona-Viren finden in der Regel über Zellen des Atemtrakts ihren Weg in den Körper. Im Fall der Coronaviren sind es die namensgebenden "Krönchen", die an die Zielzellen andocken.. Hier erklärt sich auch, warum Raucher, Asthma- oder COPD-Patienten besonders gefährdet sind: Ihr Atemtrakt ist bereits vorgeschädigt und anfälliger für die Erreger.
Die Viren vermehren sich in den befallenen Zellen und zerstören diese dabei. Je mehr neue Viren entstehen und Zellen zerstört werden, desto deutlicher merkt der Mensch die Symptome. Diese entstehen zum Teil durch die zerstörten Zellen, zum anderen aber auch durch weitere unspezifische Abwehrmaßnahmen des Körpers (Entzündungsreaktion), wie Fieber. Manche Medikamente unterdrücken diese Entzündungsreaktion und schwächen dadurch die Infektabwehr. Zu den bekanntesten dieser Medikamente gehören die Glukokortikoide (Kortison), das bei ungewollten Immunreaktionen wie Asthma, Lupus erythematodes oder rheumatischen Erkrankungen eingesetzt wird.
Die Zeit vom Eindringen der Erreger bis zum Ausbruch von Krankheitszeichen nennt man Inkubationszeit. Dabei kann der Betroffene schon Erreger weitergeben, bevor er merkt bzw. vermutet, dass er infiziert ist. Die Inkubationszeit ist abhängig vom Erreger, kann aber auch individuell unterschiedlich sein. So werden bei der aktuellen COVID-19-Erkrankung Inkubationszeiten von ein bis 14 Tagen berichtet, wobei die meisten Patienten nach etwa fünf Tagen die ersten Symptome zeigen. Der "Kampf" des Körpers wird durch die Symptome deutlich. Parallel zur unspezifischen Abwehr beginnt der Körper bereits damit, die spezifische Abwehr aufzubauen. Sie ist hocheffizient, benötigt aber Zeit, bis sie bereit ist. Je stärker das körpereigene Immunsystem ist, desto schneller ist die spezifische Abwehr bereit und desto milder ist der Krankheitsverlauf und kürzer die Dauer der Erkrankung. Bei Patienten nach Transplantation wird das Immunsystem absichtlich geschwächt, damit es nicht zur Abstoßung des neuen Organs kommt.
Hilfe von außen
Die spezifische Abwehr besteht aus T-Lymphozyten und im Blut zirkulierenden Antikörpern, die die Erreger erkennen und eliminieren. Sie passen wiederum wie Schlüssel und Schloss auf die "Krönchen" der SARS-CoV-2 Viren. Die Symptome verschwinden, der Patient genest, was bei den meisten COVID-19 Patienten nach etwa zwölf Tagen der Fall ist. Bei Menschen, deren Immunabwehr jedoch geschwächt ist, dauert es länger, bis die spezifische Immun-abwehr anläuft und es werden immer mehr Wirtszellen zerstört. Im Falle der aktuellen Coronaviren bedeutet dies, dass immer mehr Lungengewebe geschädigt ist, was sich in Form einer schweren, atypischen Pneumonie äußert, die im CT ein typisches Bild zeigt. Daher kann ein längerer Krankheitsverlauf auf Komplikationen und die Gefahr von Lungenversagen hindeuten.
Für bestimmte Krankheiten (z.B. Tetanus), können Antikörper direkt verabreicht werden, eine sogenannte passive Immunisierung. Damit hat der Patient einen Sofortschutz, ohne dass er eine Infektion durchmachen musste. Allerdings besteht kein dauerhafter Schutz (nur etwa drei Monate), da die körpereigene Abwehr nicht stimuliert wurde. Aktuell arbeitet die Medizinische Hochschule Hannover daran, aus Plasmaspenden von genesenen Patienten Antikörper zu filtrieren, um sie schwerkranken COVID-19 Patienten zu transfundieren. Um sicher zu gehen, dass dabei aber nicht auch das Virus übertragen wird, müssen die Patienten bereits seit mindestens vier Wochen wieder gesund sein. Ein effektiver Langzeitschutz kann nur durch eine aktive Impfung (Immunisierung) erreicht werden. Dabei werden abgetötete oder abgeschwächte Erreger geimpft, die zur Stimulierung der körpereignen Abwehr führen, ohne dass man daran erkrankt. Derzeit werden bereits mehrere Impfstoffe im Labor getestet, seit Anfang April laufen erste klinische Studien.
Der Faktor Zeit
Je langsamer sich also die Krankheit ausbreitet, desto mehr Zeit haben Ärzte und Forscher für die Entwicklung von Therapien und Impfstoffen. In diesem Zusammenhang wird immer wieder die Reproduktionszahl erwähnt. Dieser Begriff der Epidemiologie gibt die Zahl der Zweitinfektionen an, die von einem Fall ausgehen. Zu Beginn des Ausbruchs in Deutschland lag diese Zahl bei etwa drei. Das bedeutet, dass von einem Infizierten drei weitere Menschen angesteckt werden, was zu einem exponentiellen Anstieg von Krankheitsfällen in kürzester Zeit führt. Das heißt, dass zwei Drittel der Fälle vermieden werden müssten, um den Ausbruch unter Kontrolle zu bekommen. Die Reproduktionszahl stellt jedoch einen Mittelwert aus allen Bevölkerungsteilen dar (Stand 08.04.2020).
Dabei sind jedoch nicht alle Menschen gleich beteiligt. Je mehr Kontakte ein Mensch hat, desto mehr Übertragungsmöglichkeiten gibt es. So sind zum Beispiel in einer Klasse mit 25 Schülern theoretisch von einem Fall ausgehend 24 Neuinfektionen möglich, die wiederum in die Familien oder in Freizeit und Sportgruppen getragen werden können. Von dort sind wiederum viele weitere Übertragungen an Freunde oder Arbeitskollegen möglich. Insbesondere bei jüngeren Kindern ist die Einhaltung der Händehygiene und Atemetikette nicht immer gewährleistet. Hier setzen die Schutzmaßnahmen der Schulschließungen und des Social Distancing an, um die Ausbreitung zu verlangsamen.
Pflege einfach machen.
Menschen können Krankheiten übertragen, bevor sie wissen, dass sie infiziert sind. Deshalb: Schutzmaßnahmen wie Händehygiene, Atemetikette und Abstand immer einhalten.
Symptome treten erst durch die Abwehrreaktion des Körpers auf, wenn Zellen durch die Viren zerstört werden und die Infektion schon fortgeschritten ist. Die Dauer und Ausprägung der Symptome hängt vom Immunsystem des Erkrankten ab. Die Gabe von Antikörpern bietet einen Sofortschutz, während die aktive Immunisierung einen Langzeitschutz bietet.
Solange kein effektiver Schutz oder Therapie vor einer SARS-CoV2-Infektion besteht, sind Schutzmaßnahmen, die die Ausbreitung reduzieren und verlangsamen, der wichtigste Schutz vor der Krankheit. Sie schützen auch vor anderen Krankheiten mit gleichem Übertragungsweg, z.B. Influenza.