Abstract
Das „acute respiratory distress syndrome“ (ARDS) ist ein intensivmedizinisches Syndrom, das bei gleichbleibend erhöhter Prävalenz weiterhin eine hohe Mortalität und Morbidität bedingt. Seit der initialen Beschreibung im Jahr 1968 sind inzwischen die Pathophysiologie mit Inflammation nach potenziellen Triggern, die Diagnostik zugrunde liegender Krankheitsentitäten, die Wertigkeit von differenzierter invasiver Beatmung und intensivmedizinischen Prozeduren und die Prognose deutlich besser erforscht und verstanden. Die Berliner ARDS-Definition aus dem Jahr 2012 mit dem Ziel der bettseitigen Identifikation von Patienten mit ARDS trägt diesen Tatsachen Rechnung. Vermeidung von invasiver Beatmung, wenn möglich, lungenprotektive Beatmung, wenn invasive Beatmung notwendig ist mit adäquatem PEEP (positiver endexspiratorischer Druck), und Reduktion von Baro- und Atelektrauma sowie Volumenmanagement und Lagerungstherapie bleiben die wichtigsten apparativen Therapien. Kausale Therapien sind weiterhin, abgesehen von der Behandlung zugrunde liegender Infektionen, nicht vorhanden. Für die Überlebenden eines ARDS ergeben sich sehr häufig relevante Langzeitfolgen.
Schlüsselwörter: Lungenversagen, Invasive Beatmung , Lungenprotektive Beatmung , Volumenmanagement , Lagerungstherapie
Abstract
Acute respiratory distress syndrome (ARDS) is an intensive medical care syndrome, which has a persistently high prevalence as well as high mortality and morbidity. Since the initial description of the syndrome in 1968, the pathophysiology with inflammation after potential triggers, the diagnostics of underlying diseases and causes, the importance of differentiated invasive ventilation and intensive medical care procedures and prognosis are far better researched and understood. The 2012 Berlin ARDS definition takes these advances into account with the aim of bedside identification of patients with ARDS. Avoiding invasive mechanical ventilation when possible, lung protective invasive ventilation when it becomes necessary with adequate positive end-expiratory pressure (PEEP) and reducing barotrauma and atelectatic trauma, managing patient fluid load and positioning treatment remain the most important mechanistic procedures. Causal treatment, apart from treatment of underlying infections, is still not available. Survivors of ARDS very often face relevant long-term sequelae.
Keywords: Lung failure, Invasive mechanical ventilation, Lung protective ventilation, Volume management, Positioning therapy
Das „acute respiratory distress syndrome“ (ARDS) ist seit der ersten relevanten Veröffentlichung durch Ashbaugh et al. 1967 im Fokus des Interesses (intensiv)medizinischer Forschung [1]. Damals beschrieben die Autoren aus einer Gruppe von 272 Patienten, die respiratorische Unterstützung erhielten, eine Gruppe von 12 Patienten mit akuter respiratorischer Insuffizienz, Tachypnoe, refraktärer Hypoxämie, erniedrigter Compliance der Lunge und bilateralen pulmonalen Infiltraten. Die Mortalität betrug 58 %. In der pathologischen Aufarbeitung fanden sich Lungen mit deutlich erhöhtem Gewicht, Atelektasen, interstitielles und alveoläres Ödem sowie hyaline Membranen. Unser Verständnis des Syndroms, seiner Behandlung und potenzieller lebensrettender Therapie, sowie der invasiven Beatmung als ein „Motor“ der Lungenschädigung in der Entstehung des ARDS ist stark gewachsen [2]. Mehr als 50 Jahre später ist ARDS als potenzielle Endstrecke infektiöser und nichtinfektiöser Schädigungen der Lunge weiterhin ein Krankheitsbild mit hoher akuter Mortalität und Morbidität [3].
Die moderne Intensivmedizin ermöglicht zunehmend ein Überleben dieses Krankheitsbildes, indem das Versagen der Lunge durch differenzierte Verfahren der (invasiven) Beatmung, adjunktive Therapien und – im Extremfall – durch Lungenersatzverfahren wie die extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) überbrückt wird. Auf diese Weise kann ausreichend Zeit für eine Heilung oder Besserung des Lungenschadens gewonnen werden. Sowohl die Entstehung als auch die Behandlung dieses Krankheitsbildes sind außerordentlich komplex, weshalb es Ziel dieser Übersicht ist, auf dem Boden eines grundlegenden Verständnisses für das Krankheitsbild die aktuellen Strategien zur optimalen Versorgung darzustellen.
Definition
Das „acute respiratory distress syndrome“ wurde bei Erwachsenen erstmals 1967 als klinischer Symptomkomplex aus Tachypnoe, Hypoxämie und reduzierter Compliance der Lunge im Rahmen einer Fallserie von 12 Patienten beschrieben [1]. Auch die aktuell gültige Definition des ARDS nach den „Berlin-Kriterien“ aus dem Jahr 2012 ist eine Beschreibung eines klinischen Symptomkomplexes, da aufgrund der vielfältigen Ätiologie ARDS-typische Veränderungen nur anhand der Histologie nachgewiesen werden können [3, 4]. Dieser Symptomkomplex wird aktuell folgendermaßen definiert:
Lungenversagen innerhalb 1 Woche nach akutem Ereignis durch einen typischen Auslöser,
bilaterale Verschattungen in der Röntgenaufnahme oder der Computertomographie (CT) des Thorax, die nicht in Gänze durch Ergüsse, Atelektasen oder Raumforderungen zu erklären sind,
Lungenversagen, das nicht in Gänze durch eine Herzinsuffizienz oder eine Volumenüberladung zu erklären ist,
- akutes Auftreten der respiratorischen Insuffizienz mit paO2/FiO2 <300 (P/F-Ratio oder Horrowitz-Index) bei einem PEEP (positiver endexspiratorischer Druck) von mindestens 5 mbar:
- mildes ARDS: paO2 (arterieller Sauerstoffpartialdruck)/FiO2 (inspiratorische Sauerstofffraktion) 201–300,
- moderates ARDS: paO2/FiO2 101–200,
- schweres ARDS: paO2/FiO2 <101.
Ein Auftreten dieses klinischen Bildes ist als Folge einer großen Vielfalt von Erkrankungen beschrieben worden. Als häufigste Ursachen sind bakterielle und virale Pneumonien, die extrapulmonale Sepsis, Aspirationen und Traumata zu nennen. Eine Vielzahl weiterer Krankheitsbilder kann ebenfalls ein ARDS auslösen: die akute Pankreatitis, die Transfusion von Blutprodukten im Sinne eines TRALI („transfusion related acute lung injury“), Medikamentennebenwirkungen, Ertrinkungsunfälle, der hämorrhagische Schock, Reperfusionsschäden sowie die Inhalation toxischer Dämpfe. Unter Letztere fallen auch die als „vaping induced lung injury“ bekannt gewordenen Fälle von ARDS nach Nutzung cannabishaltiger Präparate in Verdampfern. In einer Publikation des Center for Disease Control aus dem August 2019 werden 215 Fälle von ARDS sicher mit der Nutzung von Verdampfern in Verbindung gebracht [5].
Epidemiologie
Die erste systematische Untersuchung zur Häufigkeit des ARDS wurde im Jahr 2005 von Rubenfeld et al. publiziert [6]. Demnach lag die Inzidenz im Zeitraum April 1999 bis Juli 2000 bei 79 Fällen/100.000 Personen pro Jahr, die Krankenhausmortalität lag bei 38,5 %. Allerdings betrachtete diese Untersuchung mit dem King County in Washington, USA, nur eine sehr kleine geografische Region.
Die 4‑wöchige LUNG-SAFE-Studie, deren Daten im Winter 2014 in 50 Ländern erhoben wurden, zeigte bei 10,4 % der auf den teilnehmenden Intensivstationen aufgenommenen Patienten ein ARDS entsprechend der Berlin-Definition [6]. Die korrekte Diagnose wurde beim leichten ARDS nur in 51,3 % der Fälle gestellt, wogegen beim schweren ARDS 78,5 % der Patienten die entsprechende Diagnose erhielten. Im Falle einer invasiven Beatmung wurden nur in weniger als zwei Drittel der Behandlungen die Empfehlungen zum maximalen Tidalvolumen von 8 ml/kg Körpergewicht eingehalten; lediglich 17,4 % der Patienten wurden mit einem PEEP über 12 cm H2O beatmet. Auch die die Mortalität reduzierende Bauchlagerung wurde nur in 16,3 % der indizierten Situationen eingesetzt. Konnte die Diagnose eines schweren ARDS korrekt gestellt werden, wurden die etablierten therapeutischen Standards häufiger umgesetzt.
Alkoholabusus, Nikotinabusus und Luftschadstoffe erhöhen das Risiko für ein ARDS
Als Patientenkollektive mit erhöhtem Risiko für ein ARDS wurden bislang identifiziert: Patienten mit Alkoholabusus, Nikotinabusus – allerdings lediglich bei Patienten, deren ARDS nicht durch eine akute Erkrankung der Lunge bedingt war – sowie Patienten, die Luftschadstoffen ausgesetzt waren, wobei von einer Vielzahl untersuchter Schadstoffe lediglich Ozon als relevanter Faktor identifiziert wurde [8–10]. Als patienteneigene Risikofaktoren konnten in der LUNG-SAFE-Studie das Alter sowie in weiteren Studien eine Hypalbuminämie identifiziert werden [11]. Die Relevanz des Diabetes mellitus als möglicher Schutzfaktor entsprechend den kleineren Studien konnte in der LUNG-SAFE-Studie nicht gezeigt werden [12].
„Genome-wide association studies“ sind im Gegensatz zur Situation bei vielen anderen Krankheitsbildern bislang nicht in der Lage gewesen, spezifische genetische Profile mit dem Risiko der Entwicklung eines ARDS in Verbindung zu bringen. Dies dürfte der Definition des ARDS als klinisches Syndrom oder auch als Symptomkomplex geschuldet sein, sodass die Ausrichtung künftiger Studien darauf abzielt, das Risiko der Entwicklung eines ARDS für ein spezifisches Krankheitsbild zu untersuchen. Dagegen zeigten Analysen auf der Basis von Kandidatengenen oder Pathway-Analysen erste Erfolge: Die Konzentration von Angiotensin II im Plasma wurde als Marker einer erhöhten Permeabilität der Lunge identifiziert. Daraufhin erfolgte die Untersuchung des codierenden Genlocus, der in dieser Analyse mit dem Risiko eines ARDS assoziiert werden konnte [13].
Pathophysiologie
Die Entstehung eines ARDS ist durch die zahlreichen beteiligten Zellarten hochkomplex, wobei die erhöhte Permeabilität der alveolokapillären Membran eine zentrale Rolle in der Pathophysiologie spielt. Diese führt zum Übertritt von Flüssigkeit, Proteinen, neutrophilen Granulozyten und Erythrozyten in die Alveolen [14]. Dieser massive Flüssigkeitsübertritt führt zu einem ausgeprägten Ventilations-Perfusions-Mismatch mit funktionellem Rechts-links-Shunt und Oxygenierungsstörung. Darüber hinaus entwickeln die Patienten sowohl durch eine erhöhte Totraumventilation als auch durch die – prognostisch günstige – protektive Beatmungsstrategie mit niedrigen Tidalvolumina eine Hyperkapnie.
Das klassische histopathologische Bild „diffuse alveolar damage“ findet sich in der ersten Woche der sog. exsudativen Phase des ARDS [15]. Das pathognomonische Kennzeichen ist neben dem Ödem des Lungeninterstitiums sowie dem Übertritt proteinhaltiger Flüssigkeit in die Alveolen, die Ansammlung eosinophil anfärbbaren Materials innerhalb der Lungenbläschen, die sog. hyalinen Membranen. Aus diesem Grund wird das ARDS auch als „hyaline membrane syndrome“ bezeichnet. Darüber hinaus kommt es zur Einwanderung neutrophiler Granulozyten, zur alveolären Hämorrhagie sowie zur Ablagerung von Fibrin. In den folgenden 3 Wochen, der sog. „repair and proliferative phase“, kommt es zur Proliferation von Alveolarzellen Typ II sowie bei einem Teil der Patienten nach 2 bis 3 Wochen zur sog. „fibrotic or chronic phase“ mit interstitieller Fibrose.
Das ARDS wird auch als „hyaline membrane syndrome“ bezeichnet
Dieses klassische Bild der „diffuse alveolar damage“ scheint jedoch nur bei einem Teil der Patienten mit der Diagnose eines ARDS vorzuliegen: Thille et al. konnten bei 356 Patienten mit ARDS nach den Berlin-Kriterien, die einer Autopsie unterzogen wurden, nur bei 45 % das Bild der „diffuse alveolar damage“ identifizieren [16]. Der zeitliche Verlauf und die Schwere des ARDS spielen dabei eine entscheidende Rolle. Patienten mit leichtem ARDS wiesen nur zu 12 % das typische histologische Bild auf, während dieses bei Patienten, die mindestens seit 72 h an einem schweren ARDS litten, in 69 % der Fälle vorlag. Darüber hinaus zeigte sich in dieser Studie, dass die Einführung der Beatmung mit niedrigen Tidalvolumina zu einer Reduktion von „diffuse alveolar damage“ geführt hat. Dies dürfte prognostische Relevanz haben, da das Vorliegen einer „diffuse alveolar damage“ in chirurgischen Lungenbiopsien, die bei Patienten mit schwerem ARDS entnommen wurden, mit einer höheren Mortalität – Odds-Ratio von 1,81 – in Verbindung gebracht werden konnte [17].
Diagnostisches Workup
Die Identifikation einer dem ARDS zugrunde liegenden Erkrankung ist entscheidend, um durch deren gezielte Behandlung den Progress der Erkrankung zu verhindern. Dennoch sind den existierenden Leitlinien zum Management des ARDS keine klaren Empfehlungen zur Diagnostik zu entnehmen. Die folgenden Vorschläge stellen den Standard dar, der von den Autoren bei Patienten mit schwerem ARDS umgesetzt wird.
Anamnese, Vorgeschichte und Bildgebung
Zunächst muss die Relevanz der sorgfältigen Anamnese und der Vorbefunde hervorgehoben werden. Vorerkrankungen und andere anamnestische Hinweise, wie z. B. die Reiseanamnese, können die Suche nach der Ursache eines ARDS erleichtern und machen oft eine spezifische Diagnostik erforderlich. Als Beispiele seien hier nur eine Immunsupression oder eine Reise in ein Endemiegebiet eines Erregers respiratorischer Erkrankungen wie der Coccidiomykose genannt.
Bei schwerem ARDS kann eine CT von Thorax und Abdomen sowohl Hinweise auf intrathorakale Komplikationen, wie z. B. auf einen Lungenabszess oder ein Pleuraempyem, als auch auf Differenzialdiagnosen wie einen extrapulmonalen Infektfokus geben. Eine Echokardiographie liefert einerseits eine klarere Abgrenzung zu einer kardialen Ursache bilateraler Infiltrate, andererseits führt ein ARDS oft zu einer ausgeprägten, prognostisch ungünstigen Belastung des rechten Herzens, deren Erkennung frühzeitig erfolgen sollte.
Infektiologische Diagnostik
Da die Pneumonie die häufigste Ursache eines ARDS darstellt, ist die Suche nach möglichen Erregern einer pulmonalen Infektion obligat und sollte sich sowohl an den Umständen der Infektion (ambulant vs. nosokomial) als auch an einer möglichen Immunsuppression orientieren [18]. Bakterielle Infektionen sind häufig, jedoch zeigte eine aktuelle Arbeit bei Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie bei 36 % der Patienten einen viralen Erregernachweis [19].
Die Suche nach möglichen Erregern einer pulmonalen Infektion ist obligat
Als Standard gelten daher die Durchführung kultureller Diagnostik aus respiratorischem Material und Blut sowie PCR(Polymerasekettenreaktion)-Diagnostik aus respiratorischem Material. Typische bakterielle, virale, fungale und ggf. parasitäre Erreger (Tab. 1) sollten im diagnostischen Algorithmus enthalten sein.
Pathogen/Erreger | |
---|---|
Bakterien | Streptococcus pneumoniae |
Haemophilus influenza | |
Enterobacteriaceae | |
Staphylococcus aureus | |
Legionella pneumophila | |
Chlamydia pneumoniae | |
Myoplasma pneumoniae | |
Pseudomonas aeruginosaa | |
Acinetobacter baumaniia | |
Stenotrophomonas maltophiliaa | |
Viren | Influenza A and B |
Rhinovirus | |
RSV | |
Parainfluenza | |
Metapneumovirus | |
Coronavirus | |
Enterovirus | |
Adenovirus | |
Bocavirus | |
Polyomavirus | |
Herpes-simplex-Virusa | |
Cytomegalovirusa | |
Fungi | Pneumocystis jiroveciib |
Aspergillus fumigatusb,c | |
Parasiten | Toxoplasma gondiib |
RSV „respiratory syncytial virus“
aOrganismen, die nosokomiale Infektionen verursachen, können verantwortlich sein für ein ARDS bei zuvor bereits mechanisch beatmeten Patienten
bBei immunsupprimierten Patienten
cBei Patienten mit ARDS und Influenza A oder B als koexistente Superinfektion
Somit sehen wir die Durchführung einer bronchoalveolären Lavage (BAL) bei allen Patienten mit schwerem ARDS als zwingend notwendig an. Aus diesem Material erfolgen dann eine „Respi Finder“-PCR, die von mehreren Anbietern vertrieben wird und Panels von 18 bis 23 Erregern respiratorischer Erkrankungen erfasst, sowie die Bestimmung des Aspergillus-Antigens und eine PCR-basierte Pilzdiagnostik. Bei jedem Nachweis eines Erregers aus respiratorischem Material ist jedoch abzuwägen, ob eine auslösende Infektion oder eine Kolonisation vorliegt. Dies gilt umso mehr für Nachweise in der PCR, die eine niedrigere Detektionsschwelle aufweist.
Autoimmunerkrankungen
Da auch Autoimmunerkrankungen mit Beteiligung der Lungen ein ARDS auslösen können, ist ein diesbezügliches Screening zu erwägen. Als Standard haben die Autoren die Bestimmung der Rheumafaktoren, der antinukleären, der antineutrophilen zytoplasmatischen und der Antikörper gegen die glomeruläre Basalmembran sowie von C3 und C4 etabliert. Außerdem erfolgt die Durchführung einer immunzytologischen Untersuchung der BAL.
Lungenbiopsie
Mit der Verbesserung der mikrobiologischen und viralen Diagnostik sowie moderner Bildgebungsverfahren ist die Notwendigkeit der Lungenbiopsie zur Diagnostik bei ARDS in den Hintergrund getreten. Trotzdem kann eine (offene) Lungenbiopsie notwendig und sinnvoll sein:
Erfassung einer potenziell kurablen Ätiologie in der frühen ARDS-Phase, wenn Befunde von weniger invasiver Diagnostik persistierend nicht wegweisend bleiben, und
im Verlauf des ARDS zur Erfassung einer Fibroproliferation zur Entscheidungsfindung einer evtl. Steroidtherapie in Abwesenheit einer begleitenden anhaltenden Infektion.
Eine Fallserie von 100 chirurgischen Lungenbiopsien für ARDS-Verläufe ohne Besserungstendenz bei nicht wegweisender BAL erbrachte in 53 % der Fälle einen Fibrosenachweis [20].
Noch einmal sei an dieser Stelle betont, dass keine etablierten Standards zum diagnostischen Workflow existieren.
Therapie
Die optimale Akutversorgung beim ARDS war und ist Gegenstand zahlreicher Studien. Das Hauptaugenmerk liegt dabei v. a. auf den Modalitäten der Beatmungsmedizin, adjunktiver medikamentöser Therapien, interventionellen Eingriffen und Verwendung zusätzlicher maschineller Unterstützungen. Im Kontext dieser wissenschaftlichen Untersuchungen waren die wesentlichen Erkenntnisse v. a. bezogen auf die Verbesserung von kurzem und mittelfristigem Überleben.
Die Therapie des ARDS sollte adaptiert an den Schweregrad des Lungenversagens erfolgen
Die Therapie des ARDS (Abb. 1) sollte adaptiert an den Schweregrad des Lungenversagens erfolgen. Dementsprechend gibt es bei Patienten mit leichtgradigem ARDS Therapieoptionen mit weniger invasiven und weniger komplexen Therapieansätzen, während Patienten mit höherem Schweregrad – mittelschwerem und schwerem ARDS – Indikationen für invasivere und komplexere Therapien aufzeigen.
Alle nachfolgenden Untersuchungen befassen sich primär mit dem akuten Überleben des Ereignisses der kritischen Erkrankung. Langzeitdaten sind in diesen Studien nicht durchweg vorhanden und aufgrund der Methodik von randomisierten, kontrollierten Studien, falls vorhanden, nicht auf ein „allgemeines“ Patientenkollektiv zu übertragen. Wissenschaftlich auswertbare größere Register existieren nicht.
„High-flow nasal cannula oxygenation“ und nichtinvasive Ventilation
Vor allem im Bereich des leichten und beginnend mittelschweren ARDS haben sich Maßnahmen zur Optimierung der Oxygenierung des Patienten über die alleinige Sauerstofftherapie hinaus – HFNC („high-flow nasal cannula oxygenation“) und NIV (nichtinvasive Ventilation) – in den letzten Jahren zunehmend etabliert. Die Evidenz dieser Therapien ist dabei heterogen und das Studienbild nicht einheitlich. Während die NIV als bekanntes und mit hoher Evidenz hinterlegtes Beatmungsverfahren in der COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) einen klar definierten Stellenwert bei hyperkapnischem Atemversagen hat, ist bei primär hypoxämischem Atemversagen im Rahmen des ARDS der Stellenwert weniger gut bewiesen. Die aktuellsten Studien verglichen NIV mit herkömmlicher Sauerstofftherapie sowie der neuen Generation der HFNC. Letzteres ermöglicht die Applikation von angewärmtem und angefeuchtetem Sauerstoff über ein Naseninterface mit hohem inspiratorischem Fluss von bis zu 80 l/min und hoher inspiratorischer Sauerstoffkonzentration bis zu einem FiO2 von 1,0. In Zusammenschau führen diese HFNC-Systeme zu verbesserter Sekretclearance und Reduktion von Bronchokonstriktion, Reduktion des Totraums und der nasalen Fluss-Resistance. Sie applizieren einen leichten PEEP und ermöglichen hierdurch eine Reduktion von Atelektasen und Rekrutierung von Lungenparenchym. Atemarbeit, Dehnungsstress und „ventilator induced lung injury“ (VILI) sowie diaphragmale Dysfunktion können somit reduziert werden [21].
Standardtherapie ist weiterhin die lungenprotektive invasive Beatmung
Die Studie von Frat et al. aus dem Jahr 2015 ist die hochrangigst publizierte Untersuchung [22]. Der an 310 Patienten untersuchte Endpunkt Intubationshäufigkeit war zwischen den 3 Gruppen der Studie – O2-Therapie, NIV-Therapie und HFNC – nicht unterschiedlich. Es zeigte sich jedoch ein statistisch signifikanter Vorteil der HFNC-Therapie in Bezug auf die 90-Tage-Mortalität mit einer Hazard Ratio (HR) zwischen 1,01 und 3,99 verglichen mit O2-Therapie alleinig und zwischen 1,31 und 4,78 verglichen mit NIV. Eine Cochrane Library-Analyse zeigte keine Überlegenheit der HFNC-Therapie im Vergleich zu anderen nichtinvasiven Oxygenierungsmaßnahmen auf der Intensivstation [23]. Somit bleibt diese Therapie aktuell für leichte Verläufe eines ARDS eine Behandlungsalternative, die Standardtherapie ist allerdings weiterhin die lungenprotektive invasive Beatmung.
Invasive mechanische Beatmung
Invasive Beatmung führt durch biomechanische und biochemische Schädigungen potenziell zur Schädigung von Lungengewebe [2]. Das Ziel der invasiven mechanischen Beatmung (IMV) ist daher, möglichst wenig zusätzlichen Schaden zu generieren, Atelektrauma und Barotrauma zu minimieren und gleichzeitig die Zeit bis zur Erholung des Lungenschadens zu überbrücken. Die Grundlagen der differenzierten Beatmung beim ARDS sind dabei niedrige Tidalvolumina, optimierte Einstellung des PEEP und (Bauch‑)Lagerungstherapien. Zusätzlich finden neuromuskuläre Blockade und pulmonale Vasodilatatoren häufig Verwendung.
Tidalvolumina und Beatmungsmodus
Im Jahr 2000 konnte das Acute Respiratory Distress Syndrome Network zeigen, dass eine invasive mechanische Beatmung mit ≤6 ml pro Kilogramm ideales Körpergewicht (IBW) einer Beatmung mit höherem Tidalvolumen von ≥12 ml pro Kilogramm IBW überlegen ist und zu einer Reduktion der 30-Tage-Mortalität führte [24] Seit dieser Landmark-Studie ist die Verwendung von dieser Beatmungsstrategie der empfohlene Standard bei jeder Form des ARDS. Bei dieser Einstellung der Beatmung ist eine permissive Hyperkapnie (pH) zwischen 7,2 und 7,25 zu tolerieren, außer bei Verschlechterung der rechtsventrikulären systolischen Funktion.
Eine invasive mechanische Beatmung mit ≤6 ml pro Kilogramm IBW ist der empfohlene Standard
Ein Therapiesansatz mit Verwendung von noch geringeren Tidalvolumina und Druckniveaus unter Verwendung von Hochfrequenz-oszillierender Beatmung (HFOV) zur Rekrutierung von Lungenarealen war nicht prognoseverbessernd. Die 2 großen RCT (randomisierte kontrollierte Studie) zur HFOV im Jahr 2013 erbrachten sogar den Nachweis einer erhöhten Sterblichkeit bei Verwendung von HFOV [25, 26].
Werden adäquate Beatmungsgrenzwerte für Drücke, Volumen und Flow angewendet, sind druck- vs. volumenkontrollierte Beatmungskonzepte gleichwertig [27].
Zusammenfassend muss das Ziel der IMV immer sein, möglichst wenig „mechanische Energie/mechanische Kraft“ in die Lunge abzugeben. Aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen diskutieren genau dieses: die Erfassung der Energiemenge („mechanical power“), der die schon geschädigte Lunge durch die notwendige Therapie ausgesetzt wird [28].
Optimierung der Beatmungsmechanik
Eine aktuelle Analyse zur Beatmungsmethodik von Amata konnte das Verhältnis aus Tidalvolumen und statischer Compliance („driving pressure“ [dP]) als wichtigen Faktor für das kurzfristige Überleben der Patienten hervorheben [29]. Dies spiegelt nach der „Normierung“ der IMV auf die anatomisch zu erwartende Lungengröße mit der Verwendung von Tidalvolumina von 6 ml/kg IBW den nächsten Schritt in der Beatmungseinstellung wider, nämlich die „Normierung“ auf funktionelle Eigenschaften der erkrankten Lunge. Der Quotient aus Tidalvolumen zu statischer Compliance lässt sich dabei grundlegend durch 2 Methoden verbessern:
Reduktion der applizierten Volumina z. B. durch Anpassung von Drücken, Flow und Atemfrequenzen und
Erhöhung der Compliance der Lunge z. B. durch Lagerungstherapien, PEEP-Anpassung oder negative Bilanzierung des Patienten mit Entzug von Flüssigkeit aus der „überwässerten“ Lunge.
Die Messung des Ösophagusdrucks als Korrelat von Drücken in der Lunge wurde eingesetzt, um einen idealen PEEP zu finden. Dies scheint jedoch nach der aktuellen EP-Vent 2-Studie keinen kurzfristigen Überlebensvorteil zu bringen [30]. In Summe bleibt also, dass der PEEP zwar an die für eine ausreichende Oxygenierung notwendige FiO2 angepasst werden soll, hierbei aber die Verwendung solcher invasiver Messmethoden einer Verwendung von PEEP‑FiO2-Tabellen aktuell nicht überlegen ist.
Ebenso scheinen Versuche, die Compliance der Lunge durch Rekrutierungsmanöver derart zu verändern, dass möglichst viele Lungenareale für die Ventilation zur Verfügung stehen, sogar einen negativen Effekt auf das Überleben zu haben [31]. Trotz berechtigter methodischer Kritik an dieser Studie scheint also Barotrauma möglicherweise relevanter zu sein als Atelektrauma.
Im Jahr 2006 konnte die Arbeitsgruppe um das NHLBI (National Heart, Lung, and Blood Institute) zeigen, das eine restriktive Flüssigkeitstherapie funktionelle Parameter der Patienten verbessern kann, jedoch keinen Einfluss auf die Sterblichkeitsrate hatte [32]. Auch hier scheint neben einer Vielzahl von Faktoren, schließlich die Verbesserung der Lungencompliance eine Rolle zu spielen.
Lagerungstherapien
Lagerungstherapien mit Bauch- oder 130° Seitenlage des Patienten werden seit vielen Jahren verwendet. Studien belegten dabei sowohl eine Verbesserung von Markern der Oxygenierung als auch eine Reduktion von VILI [33, 34]. Eine daraus resultierende Verbesserung der Sterblichkeit konnte schließlich Guerin im Jahr 2013 in seiner Studie, in der jeweils 230 Patienten mit bzw. ohne Bauchlage bei mittelschwerem und schwerem ARDS behandelt wurden, nachweisen. Es resultierte in dieser exzellent gemachten Studie eine 16 %ige absolute Risikoreduktion für die 28-Tage-Mortalität. Somit besteht eine klare Empfehlung für die Bauchlagerung (16 h pro Tag, mindestens 1‑mal Rückenlage pro Tag) bei Patienten mit ARDS und einem Horrowitz-Index <150 bei einem FiO2 > 0,6. Diese Lagerungstherapie sollte entsprechend auch so lange durchgeführt werden, bis sich die Parameter der Beatmung normalisieren (Horrowitz-Index ≥150 bei einem FiO2 ≤ 0,6 und einem PEEP ≤ 10 cm H2O) [35].
Medikamentös adjunktive Therapie
Neuromuskuläre Blockade (NMB)
Die Verwendung von Medikamenten zur neuromuskulären Blockade (NMB) ist in den letzten 15 Jahren Gegenstand mehrerer Studien gewesen. Eine hochrangig publizierte initiale Untersuchung von Papazian im Jahr 2010 erbrachte einen signifikanten Überlebensvorteil in den ersten 90 Tagen bei Verwendung von Cisatracurium über 48 h zur neuromuskulären Blockade in der initialen Behandlung des ARDS [36]. Eine größere Studie des National Heart, Lung, and Blood Institute PETAL Clinical Trials Network (ROSE Trial) konnte diesen Effekt nicht mehr nachweisen [37]. Diese letztere, aktuelle Studie ist eine der wenigen Studien, die ebenfalls eine Langzeitbetrachtung von Überleben und Lebensqualität aufweist, jedoch hier in einem entsprechend dem Design dieser randomisierten, kontrollierten Studie sehr stark selektierten Patientenkollektiv.
Inhalative Stickstoffmonoxidtherapie
Es existieren viele kleine Studien zur Verwendung von inhalativem NO (Stickstoffmonoxid) in der ARDS-Therapie. Eine aktuelle Metaanalyse dazu weist allerdings darauf hin, dass eine solche Therapie keinen Überlebensvorteil bietet [38]. Diesem Thema widmet sich ein gesonderter Beitrag in diesem Leitthemenheft.
Steroidtherapie
Die Modulation der pulmonalen Inflammation bei ARDS durch Steroide hat keinen klaren Stellenwert und ist weiterhin strittig. Die Studienlage ist nicht schlüssig und teilweise widersprüchlich [39]. Während es klar definierte Krankheitsbilder gibt, in denen Steroidtherapie bei ARDS günstig ist, z. B. bei Pneumocystis-jerovecii-Infektion, kann die gleiche Therapie bei anderen Patienten, z. B. bei Influenza A H1N1, die Mortalität potenziell steigern [40]. Somit bleibt die Verwendung von Steroiden bei ARDS eine individuell zu erwägende Therapie und ist nicht Teil des Behandlungsstandards. Hier kann die chirurgische Lungenbiopsie zur Indikationsstellung beitragen (s. oben [19]).
Immunmodulierende Therapie
Klinische Studien zu neuen immunmodulatorischen Therapieansätzen bei ARDS sind konsistent negativ [41]. Es gibt keine zugelassene medikamentöse Therapie für ARDS per se. Auch eine sehr aktuelle multizentrische randomisierte Studie, in der Interferon-β-1a als Therapie für Patienten mit ARDS untersucht wurde, blieb in Bezug auf den kombinierten primären Endpunkt aus Tod und ventilatorfreien Tagen negativ [42]. Die Rationale zu dieser Therapie lag darin, dass Interferon-β-1a eine Erhöhung des extrazellulären Adenosins über eine Aktivierung von CD73 an epithelialen und endothelialen Zellen bewirken kann und dass Adenosin antiinflammatorische Effekte hat und ein Modulator der endothelialen Zellpermeabilität ist, die im ARDS schwer gestört ist. Somit existiert trotz unseres deutlich verbesserten pathophysiologischen Verständnisses weiterhin keine wirksame Therapie, die den bekannten inflammatorischen Prozessen entgegengesetzt werden könnte.
Extrakorporale Membranoxygenierung
Ein Schwerpunkt von wissenschaftlichem Interesse war zuletzt die Verwendung von extrakorporalen Membranoxygenierungen (ECMO-Verfahren) als Lungenersatztherapie bei ARDS. Hier erbrachte die aktuellste und bisher größte randomisierte Studie kein klares Bild eines für alle Patienten sicheren kurzfristigen Überlebensvorteils durch eine solche Therapie [43]. Dennoch hat dieses Verfahren im Rahmen von strukturierten Programmen, die klare Indikationen und Kontraindikationen vorgeben, mittlerweile als Standard in der ARDS-Therapie Einzug gehalten. Es muss jedoch betont werden, dass durch dieses Verfahren lediglich Zeit erkauft wird, um der Lunge eine Heilung zu ermöglichen.
Prognose des „acute respiratory distress syndrome“
ARDS ist ein intensivmedizinisches Krankheitsbild mit relevanter Mortalität und Morbidität. Schätzungsweise 190.000 Patienten sind pro Jahr in den USA betroffen. Hieraus resultieren für die USA mehr als 74.000 Todesfälle pro Jahr und kumulativ mehr als 3,5 Mio. Krankenhaustage pro Jahr [7]. Ähnliche Zahlen finden sich wiederum in der Lung Safe-Studie von Bellani. Auch dort liegt die Krankenhausmortalität über die verschiedenen Schweregrade des ARDS – leicht, mittel und schwer – bei 34 % bzw. 40 % und 46 % [6].
ARDS ist ein intensivmedizinisches Krankheitsbild mit relevanter Mortalität und Morbidität
Die intensivmedizinische Behandlung des ARDS ist häufig langwierig. Die Daten zur Therapie aus der Kohorte der Berlin-Definition des ARDS zeigen, dass die mediane Dauer der invasiven Beatmung bei schwerem ARDS für Überlebende bei 19 Tage lag mit einer IQR („interquartile range“) von 9 bis 48 Tagen [3]. Entsprechend den US-Daten ergeben sich so pro Jahr ca. 100.000 Menschen, die ein ARDS überleben. Die Langzeitfolgen, soweit untersucht, sind dabei ähnlich wie die bei anderen Überlebenden von kritischen Erkrankungen. Sie betreffen v. a. Nerven, Muskeln und das zentrale Nervensystem. Einschränkungen der Lebensqualität sind dabei v. a. abhängig von den verschiedenen Limitationen im Bereich der physischen, emotionalen und neurokognitiven und sozialen Fertigkeiten und weniger von Limitationen der pulmonalen Funktion. „ICU-aquired weakness“ mit „critical illness polyneuropathy and/or myopathy“ ist bei nahezu allen Überlebenden vorhanden. Die Erholung solcher Einschränkungen bedarf oft sehr langwieriger Therapien und ist teilweise auch nach >5 Jahren inkomplett. Kognitive Einschränkungen sind bei Entlassung aus dem Krankenhaus bei 70–100 %, nach 1 Jahr bei 46–80 % und nach 5 Jahren bei 20 % der Patienten vorhanden. Depressionen und posttraumatische Belastungsstörungen sind ebenso sehr prävalent. Interventionen, die diese Langzeitfolgen abmildern, sind nicht hinreichend untersucht, und die Datenlage dazu ist teilweise widersprüchlich. Ebenso ist der Effekt auf Angehörige von ARDS-Überlebenden unklar [44].
Empfehlungen.
Die Diagnostik des ARDS ist multimodal und umfasst Laborchemie, Bildgebung, Bronchoskopie und infektiologische Untersuchungen, um die zugrunde liegenden Auslöser zu erfassen. Essenziell ist es, den Patienten mit ARDS anhand der Berlin-Definition von 2012 als solchen zu identifizieren.
Während nichtinvasive Verfahren, insbesondere „high flow nasal cannula“, zunehmend Verwendung finden, sind die Wertigkeit sowie der Rahmen des Einsatzes – welcher Patient zu welchem Zeitpunkt für welchen Zeitraum – und die Kriterien für einen Therapiewechsel bei Versagen der nichtinvasiven Therapie nicht gut untersucht oder definiert. Daher bleibt die invasive mechanische Beatmung die „Standardtherapie“ des ARDS.
Bei invasiver Beatmung ist die Beatmung möglichst derart einzustellen, dass durch die invasive Beatmung der zusätzliche Schaden in der Lunge minimiert wird. Daher sollen niedrige Tidalvolumina von 6 ml/kg IBW unter Zulassen einer permissiven hyperkapnischen Azidose und niedrige „driving pressures“ verwendet werden. Der PEEP sollte an die zur ausreichenden Oxygenierung notwendige FiO2 angepasst werden. Hierzu können PEEP‑FiO2-Tabellen verwendet werden. Standardmäßige Verwendung von Rekrutierungsmanövern und invasiven Messungen zur Beatmungsoptimierung können nicht empfohlen werden.
Eine volumenrestriktive Therapie bei Patienten mit ARDS nach Stabilisierung einer evtl. Sepsis ist von Vorteil.
Bei Patienten mit mittelschwerem oder schwerem ARDS sollte eine Bauchlagerung von mindestens 16 h täglich bis zu Stabilisierung der Beatmungsparameter erfolgen.
Eine generelle neuromuskuläre Blockade bei mittelschwerem oder schwerem ARDS scheint keinen Vorteil zu bringen
Fazit für die Praxis
ARDS („acute respiratory distress syndrome“) ist ein prävalentes, intensivmedizinisches Syndrom mit hoher Mortalität und Morbidität.
Die aktuelle Berlin-Definition des ARDS von 2012 zielt auf eine vereinfachte, aber valide bettseitige Identifikation von Patienten mit ARDS ab.
Die Identifikation von Patienten mit ARDS hat eine direkte diagnostische und therapeutische Konsequenz mit wissenschaftlich gut untersuchten intensivmedizinischen Behandlungskonzepten. Hierbei ist es jedoch so, dass all diese Behandlungskonzepte mechanistisch sind. Sie versuchen weitere Schäden in Bezug auf die Lunge und in Bezug auf die Entstehung eines Multiorganversagens zu reduzieren.
Eine ursächliche Therapie, z. B. immunmodulierend, ist auch nach neusten Untersuchungen bisher nicht erfolgreich.
Die Prognose des ARDS ist schwierig vorhersagbar und ist ohne adäquates Monitoring und komplexe Therapie weiterhin schlecht. Für Überlebende ergeben sich häufig Langzeitfolgen und persistierende Einschränkungen im Alltag.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
A. Kersten und C. Cornelissen geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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