Der Bundestag hat auf Grundlage von Entwürfen des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) von Ende 2018–Ende 2019 12 Gesetze beschlossen, die den Bereich der ambulanten oder stationären Krankenversorgung betreffen; in diesen Gesetzen sind noch weitere Aufträge für den Gemeinsamer Bundesausschuss (G‑BA) und die gemeinsame Selbstverwaltung enthalten, untergesetzliche Vorschriften zu schaffen oder zu ändern. Für 2020 sind bisher weitere 4 Gesetzesvorhaben geplant bzw. verwirklicht worden, so u. a. die geplante Reform des Notfalldienstes. Fast alle diese Gesetze sind sog. „Omnibusgesetze“, d. h. es werden auch Änderungen von gesetzlichen Regelungen in diesen Gesetzen beschlossen, bei denen kein inhaltlicher Zusammenhang mit dem eigentlichen Gesetzesvorhaben auch nur ansatzweise erkennbar ist.
Ein für Urologen wichtiges Beispiel für Omnibusgesetze ist das Terminservice- und Versorgungsgesetz vom 10.05.2019.1 Vom Titel und vom wesentlichen Inhalt ist es ein Gesetz, das die Terminvergabe für Versicherte beschleunigen sollte, allerdings wurde durch das Gesetz auch dem § 27a Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) der Abs. 4 hinzugefügt. In diesem Absatz wird festgelegt, dass die Kryokonservierung und die in diesem Zusammenhang notwendigen medizinischen Maßnahmen von Samenzellen oder Keimzellgewebe unter bestimmten Voraussetzungen (Behandlung mit einer notwendigen, keimzellschädigenden Therapie) Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) werden. Dies hat auf den Inhalt der Beratung vor Kryokonservierung einen nicht unerheblichen Einfluss. Hierbei wurde die bisherige Rechtsprechung des Bundessozialgericht (BSG)2 in das Gegenteil verkehrt.
Bei der geplanten weiteren Folge der Gesetze trat die unerwartete Pandemie ein, die wiederrum erhebliche Änderungen der Gesetze zur Folge hatte. Der letzte Stand ist das „Zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“.3 Nachdem der Bundestag dem Gesetz am 14.05.2020 zugestimmt hat, liegt auch die Zustimmung des Bundesrates vom 15.05.2020 vor. Es ist davon auszugehen, dass das Gesetz in Kürze in Kraft treten wird. Der Beitrag hat die Rechtslage bis 15.05.2020 inklusive des eben angesprochenen Gesetzes erfasst.
Ziel des MDK-Reformgesetzes4 ist es u. a., die Unabhängigkeit des Medizinischen Dienstes (MD) von den Krankenkassen (KK) zu stärken. Im Rahmen des Omnibus wurden dann noch die Strukturprüfungen bezüglich des jeweiligen OPS bundeseinheitlich geregelt, den Auftrag an die Selbstverwaltung gegeben, den AOP-Katalog zu erweitern, die Prüfung der Schlussrechnungen und das Verfahren bei „auffälligen“ Rechnungen neu zu regeln und dazu bundeseinheitliche Statistiken zu erheben. Die anderen im MDK-Reformgesetz enthaltenen Änderungen werden hier im Folgenden nicht erläutert. Durch das COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz5 sowie durch das „Zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ wurden Regelungen aus MDK-Reformgesetz schon wieder modifiziert, um die Krankenhäuser wirtschaftlich und organisatorisch zu entlasten.
Stärkung der Unabhängigkeit des MD
Der MD ist jetzt bundesweit jeweils eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Der „Aufsichtsrat“ des MD ist jetzt ein Verwaltungsrat (§ 279 SGB V). Dieser besteht aus 23 Mitgliedern:
16 Mitglieder werden von den KKen benannt (69 %),
7 Mitglieder werden von der für die Sozialversicherung zuständigen obersten Verwaltungsbehörde des Landes benannt davon sind:
5 Mitglieder: Selbsthilfeverbände, Verbraucherschutzverbände,
1 Mitglied: Landespflegekammer/maßgebliche Verbände der Pflegeberufe,
1 Mitglied: Ländesärztekammer.
Da die Mitglieder der Landespflege- und der Landesärztekammer nicht stimmberechtigt sind, ergibt sich für die KK-Vertreter eine Mehrheit von 76,2 %. Die Kosten des MD werden von den KKen getragen. Soweit zur Unabhängigkeit, selbst unter der Beachtung der Tatsache, dass die Mitglieder des Verwaltungsrates nicht bei der KK bzw. deren Verbände oder dem MD selbst angestellt sein dürfen. Gleichzeitig – dies sei am Rande angemerkt – wurde eine 50 %ige Frauenquote für den Verwaltungsrat verbindlich vorgeschrieben, das Geschlecht divers fand keine Berücksichtigung.
Der Verwaltungsrat hat folgende Aufgaben: Beschießen einer Satzung (Zwei-Drittel-Mehrheit), Haushaltsplan (Zwei-Drittel-Mehrheit), Betriebs- und Rechnungsprüfung, Aufstellen der Richtlinien für die Erfüllung der Aufgaben des MD unter Beachtung der Richtlinien des MD Bund (MDB), Struktur der Nebenstellen, Wahl und Entlastung des Vorstands.
Der MDB setzt sich nach denselben Prinzipien zusammen (§ 282 SGB V) und hat im Wesentlichen organisatorische Aufgaben. Er erlässt vielfältige für den jeweiligen MD verbindliche Vorgaben: Regelungen über die Sicherstellung einer einheitlichen Begutachtung, Vorgaben für die Personalbedarfsermittlung mit aufgabenbezogenen Richtwerten für die verschiedenen Aufgaben, Festlegung der Richtlinien für die Begutachtung von OPS-Strukturmerkmalen. Diese Vorgaben im Bereich der Begutachtung könnten zu einer Harmonisierung der Ergebnisse in den einzelnen MD führen. Je nach Betrachtungsweise kann dies ein Vor- oder auch Nachteil sein.
Die Neuaufstellung des MD und MDB als Körperschaften des öffentlichen Rechts muss gemäß § 328 SGB V bis zum 31.12.2020 bzw. 31.03.2021 abgeschlossen sein.
Prüfgegenstand (§ 275c Abs. 6 SGB V)
Nach der alten Rechtslage vor dem MDK-Reformgesetz war ein Bestandteil der Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) auch die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer bzw. das Nichtunterschreiten der unteren Grenzverweildauer. Gleichzeitig wurden in den Einzelfallprüfungen die Strukturmerkmale der einzelnen OPS geprüft. Hier ist durch § 275c Abs. 6 SGB V eine Änderung eingetreten, die auch wirtschaftlich von Bedeutung ist. Seit 01.01.2020 wird zwischen den Pflegekosten und den weiteren (nicht)ärztlichen Leistungen in der Vergütung differenziert. Dies führt dann wirtschaftlich auch zu einem geringeren Betrag bei der Abrechungsprüfung, denn § 275c Abs. 6 Nr. 1 SGB V sieht vor, dass die tagesbezogenen Pflegeentgelte nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6a KHEntgG durch die Prüfung seitens des MD zu keiner Kürzung führen dürfen. Das bedeutet für die Zukunft, dass die Prüfung der oberen Grenzverweildauer bzw. die Nichtunterschreitung der unteren Grenzverweildauer in der Praxis keinerlei Bedeutung mehr haben wird. Auf der anderen Seite führt die primäre Fehlbelegung, also die unwirtschaftliche stationäre Behandlung im Verhältnis zur ambulanten oder vorstationären Behandlung zum Verlust der tagesbezogenen Pflegeentgelte.
Ferner ist die Prüfung von Strukturmerkmalen, die in der Vergangenheit regelhaft in den Einzelfällen geprüft wurden, nicht Bestandteil der Prüfung des Einzelfalls, weil die Strukturmerkmale abschließend nach § 275d SGB V geprüft werden soll, was sich aus § 275c Abs. 6 Nr. 2 SGB V ergibt.
Ausnahmen bei der Prüfung (§ 25 KHG)
Durch das Zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite bekam § 25 KHG einen neuen Inhalt. Er betrifft die Krankenhäuser, die im Zeitraum vom 01.04.2020 bis einschließlich 30.06.2020 Patienten mit dem Coronavirus SARS-CoV‑2 behandelt haben oder bei denen ein Verdacht der Erkrankung nach Coronavirus SARS-CoV‑2 sollen bei der Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit im Zusammenhang mit Mindestmerkmalen nur eingeschränkt geprüft werden. Hierzu wird vom DIMDI und ab 26.05.2020 vom BfArM eine Liste erstellt, aus welcher sich ergibt, welche OPS-Kodes nicht auf die jeweilige Vollständigkeit der Mindestmerkmale im Rahmen der Abrechnungsprüfung geprüft werden dürfen.
Prüfquote (§ 275c Abs. 2 SGB V)
Durch die Prüfquote soll ein mengenmäßiger Rahmen für die Tätigkeit des MD gegenüber den Krankenhäusern gegeben werden. Sie bezieht sich immer auf das gesamte Krankenhaus und kann für die einzelnen Abteilungen/Kliniken völlig unterschiedlich sein. Das wird von der Struktur des Krankenhauses abhängig sein. So könnte es bei Grundversorgern zu mehr Prüfungen in der Urologie kommen, während bei Maximalversorgern mit vielen hochpreisigen Fällen anderer Disziplinen die Urologie nicht so betroffen sein könnte, denselben Grad der gerechtfertigten Beanstandung vorausgesetzt.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die ursprüngliche 6‑Wochen-Frist des § 275 SGB V a. F. gestrichen wurde; die KK hat 4 Monate (§ 275c Abs. 1 Satz 1 SGB V) nach Erhalt der Schlussrechnung Zeit, den Fall zu prüfen. Innerhalb dieser Zeit kann sie den Fall dem MD melden oder aber in einen Falldialog nach der Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) mit dem Krankenhaus treten. Dieses kann den Dialog innerhalb von 2 Wochen annehmen und sich mit der KK einigen. Ist die KK mit dem Ergebnis zufrieden, wird die Schlussrechnung vom Krankenhaus geändert. Dabei fallen dann keine Strafzahlungen an. Allerdings gehen diese Falldialoge auch nicht in die Prüfquote ein. Diese 4‑Monats-Frist kann zu „Wellenbewegungen“ führen: Damit ist gemeint, dass sich eine KK bis kurz vor Ende eine Quartals überlegt, welche Fälle sie prüfen will und dann erst den Großteil oder alle Fälle anmeldet und das Krankenhaus informiert. Dies führt dann zu einer ungleichmäßigen Belastung im Krankenhaus.
In 2020 betrug zunächst die maximale Prüfquote 12,5 % der Schlussrechnungen der vollstationären Fälle eines Quartals, wobei es nicht auf den Zugang der Schlussrechnung ankommt, sondern das Rechnungsdatum entscheidend ist; Dies wurde durch das „Zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ dahingehend geändert, dass es nach seinem Inkrafttreten auf den Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung bei der KK ankommt (§ 275c Abs. 2 Satz 1 SGB V). Unabhängig von der Frage welche Rechnungen geprüft werden, wurde die Prüfquote durch das COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz für 2020 auf 5 % reduziert, wobei noch unklar ist, ab wann die 5 %-Quote zur Anwendung gelangen soll. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers in der Gesetzesbegründung soll die Quote für sämtliche Behandlungen ab 01.01.2020 gelten. In der Änderung von § 275c Abs. 2 Satz 1 SGB V wird dieses nicht in der erforderlichen Deutlichkeit aufgeführt; daher wird möglicherweise über diese Frage die Gerichte zu entscheiden haben, wobei Art. 4 der Ergänzungsvereinbarung zur Übergangsvereinbarung zur Prüfverfahrensvereinbarung genau den gesetzgeberischen Willen aufgenommen hat. Für das Jahr 2021 wurde durch das Zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite die Prüfquote auf 12,5 % festgesetzt, die ursprünglich für 2020 gelten sollte.
Ab 2022 orientiert sich die Prüfquote an dem prozentualen Anteil der unbeanstandeten Rechnungen im vorvergangenen Quartal. Eine unbeanstandete Rechnung liegt immer dann vor, wenn die Prüfung durch den MD nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrags geführt hat, sodass vergütungsirrelevante Fehler in der Abrechnung keine Bedeutung haben. Im Prinzip läuft das ab 2020 wie auch in den Folgejahren folgendermaßen ab:
Jede KK meldet dem Spitzenverband Bund der KK für jedes Quartal die Anzahl der vollstationären Schlussrechnungen, ferner die Anzahl der eingeleiteten bzw. abgeschlossenen Prüfungen durch den MD sowie die Anzahl der nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrags geführten Prüfungen.
Im Folgemonat teilt der Spitzenverband Bund der KK dem für das Krankenhaus zuständigen MD diese Zahlen mit.
Der MD nimmt die über die Quote gehenden Aufträge der KK nicht an.
In 2022 richtet sich die Prüfquote nach dem Prozentsatz der jeweils im vorangegangenen Quartal, auf Grundlage der MD-Prüfung, unbeanstandeten Prüfergebnisse (§ 275c Abs. 2 SGB V; Tab. 1):
| Unbeanstandete Prüfergebnisse | Prüfquote |
|---|---|
| 60 % bis 100 % | 5 % |
| 40 % bis unter 60 % | 10 % |
| 20 % bis unter 40 % | 15 % |
|
0 % bis unter 20 % oder systematisch überhöhte Abrechnung |
KK hat das Recht nach Erreichen der Prüfquote weitere Fälle zu prüfen. Dieses muss aber unter Angabe der Gründe der für die Krankenhausversorgung zuständigen Landesbehörde vor Beginn der Prüfung angezeigt werden |
Sollte eine KK einen begründeten Verdacht haben, dass das Krankenhaus systematisch überhöht abrechnet, darf es weitere Fälle prüfen (§ 275c Abs. 2 Satz 6 SGB V), ferner hat sie diesen Sachverhalt unter Angabe der Gründe der für die Krankenhausversorgung zuständigen Landesbehörde anzuzeigen. Unklar ist, wann ein Verdacht „begründet“ ist und wann „systematisch“ anfängt. Es könnte z. B. sein, dass grundsätzlich differente Ansichten zu ICQ- oder OPS-Interpretationen dazu führen könnten, dass eine „systematische“ überhöhte Abrechnung von der KK angenommen wird. Dabei dürfte es ausreichen, dass eine Abteilung des Krankenhauses „systematisch überhöhte“ Abrechnungen geltend macht und so ein gesamtes Krankenhaus „infiziert“. Wichtig dabei ist es, dass es nur auf die Meinung der KK ankommt, nicht aber auf die des zuständigen MD oder einer anderen Institution. Auch ist keine Genehmigung durch Dritte vorgesehen.
Eine weitere Besonderheit der Prüfquote stellen die KKen dar, die weniger als 20 Schlussrechnungen in einem Quartal vom Krankenhaus erhalten. Hier darf mindestens 1 Fall geprüft werden, auch wenn dies die Prüfquote überschreitet.
Ablauf Prüfung (§ 275 Abs. 1c/§ 275c SGB V)
Der zeitliche Ablauf der Prüfung sowie die Fristen sind in der „Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V (PrüfvV)“ gemäß § 17c Abs. 2 KHG geregelt. Im Dezember 2019 wurde eine Übergangs-PrüfvV zwischen der DKG und den KKen vereinbart, die bis zur endgültigen Neuvereinbarung, wahrscheinlich 30.06.2020 gilt. Für diese Übergangs-PrüfvV wurde Anfang April noch eine Ergänzungsvereinbarung geschlossen, die im Wesentlichen Verlängerung von Fristen für alle Beteiligten beinhaltet, die zunächst bis zum 31.12.2020 gelten. Die seit Anfang April gültige Ergänzung der PrüfvV unterscheidet zwischen Abrechnungsprüfungen, die ab dem 01.04.2020 eingeleitet werden und Abrechnungsprüfungen, die bis zum 31.03.2020 eingeleitet aber noch nicht abgeschlossen wurden. Für beide Sachverhalte gelten dieselben Fristen, weswegen sie im Folgenden nicht doppelt dargestellt werden. Durch die Fristverlängerungen im außergerichtlichen Prüfverfahren wurde, wenn die Fristen jeweils genutzt werden, gleichzeitig noch eine Entlastung der Sozialgerichtsbarkeit erreicht, weil weniger Fälle in die Klage kommen werden.
Nach Schlussrechnung hat die KK 4 Monate Zeit, ein Prüfverfahren einzuleiten. Leitet sie einen Falldialog ein, hat das Krankenhaus 2 Wochen Zeit, diesen Falldialog anzunehmen und sich mit der KK zu einigen.
Nach Beauftragung des MD meldet dieser es dem Krankenhaus unter der Angabe der Prüfgründe. Nun hat das Krankenhaus 28 Wochen Zeit, die entsprechenden Unterlagen an den MD zu übersenden (oder ggf. eine Inhouseprüfung vorzubereiten). Nach Erhalt des Gutachtens teilt die Krankenkasse das Ergebnis dem Krankenhaus innerhalb von 16 Monaten mit (Tab. 2).
| Frist | Bis zur ersten Ergänzungsvereinbarung (bis 30.03.2020) | Firsten für Abrechnungen, die ab dem 01.04.2020 einleitet werden/wurden und Fristen, die vor dem 31.03.2020 einleitet wurden und noch nicht abgeschlossen sind |
|---|---|---|
| Einleitung des Prüfverfahrens durch KK | 4 Monate | 4 Monate |
| Annahme des Falldialogs durch Krankenhaus | 2 Wochen | 2 Wochen |
| Übersendung der Unterlagen durch das Krankenhaus an den MD | 16 Wochen | 28 Wochen |
| Korrektur der Unterlagen für die MD-Begutachtung durch das Krankenhaus | 5 Monate | 8 Monate |
| Frist für das Krankenhaus zur Rechnungskorrektur nach MDK-Prüfung | 4 Wochen | 8 Wochen |
| Zeitraum zwischen Übermittlung der Prüfanzeige an das Krankenhaus bis zur Entscheidung der Krankenkasse nach MDK-Gutachten | 13 Monate | 16 Monate |
Vor einer eventuellen Klage soll zukünftig ein Erörterungsverfahren durchgeführt werden. Eine Vereinbarung zu diesem Erörterungsverfahren soll zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Deutsche Krankenhausgesellschaft bis zum 30.06.2020 abgeschlossen werden (§ 17c Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 KHG). Bei einer gerichtlichen Überprüfung können dann nur die Einwendungen und Tatsachenvorträge Berücksichtigung finden, die im Erörterungsverfahren erörtert worden sind (§ 17c Abs. 2b KHG). Weder in der PrüfvV noch in den Übergangsregelungen ist dieses Erörterungsverfahren beschrieben, von daher war zunächst unklar, ob dieses Erörterungsverfahren für alle noch laufenden Verfahren aus der Vergangenheit gilt oder nicht.
Diese gesetzlichen Neuerungen haben zu einer Klagewelle vor den Sozialgerichten geführt, da kein seriöser Jurist abschätzen konnte, wie dieses Verfahren aussehen soll oder kann. Somit bestehen erhebliche Risiken für ein Krankenhaus. Diese Risiken vermeidend, „musste“ man noch alte Streitigkeiten vor dem Inkrafttreten rechtshängig machen, damit diese Regelung nicht zur Anwendung kommen konnte. Dieses Vorgehen der Krankenhäuser war absehbar und der Gesetzgeber hat dem mit einer weiteren Änderung des § 17c KHG Rechnung getragen. Am 05.03.2020 hat der Bundestag über das Medizinprodukte-EU-Anpassungsgesetz beraten und der Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses vom 04.03.2020 zugestimmt. Dies lässt auf besonders herausragende Fähigkeiten der Abgeordneten schließen, sich in eine solche Materie über Nacht einzuarbeiten. Der Bundesrat muss aber noch zustimmen – hiervon ist aber auszugehen.
Primär beschäftigt sich das Gesetz mit der durch die EU-Verordnungen notwendig gewordenen Änderungen bei Medizinprodukten, allerdings wird hier u. a. auch der § 17c KHG erneut geändert. Dem § 17c Abs. 2 wird folgender Satz angefügt: „Die Vertragsparteien nach Satz 1 geben das Datum des Inkrafttretens der Vereinbarung nach Satz 5 oder der Festsetzung nach Satz 6 in Verbindung mit Satz 5 unverzüglich nach dem Abschluss der Vereinbarung oder nach der Festsetzung im Bundesanzeiger bekannt.“ Wichtiger jedoch ist die neu eingefügte Präzisierung, für welche Fälle diese neue Vereinbarung mit seinem Erörterungsverfahren gilt. Dieses wurde in einer Einfügung in § 17c Abs. 2b Satz 1 KHG festgelegt: In Abs. 2b Satz 1 werden nach dem Wort „Krankenhausabrechnung“ die Wörter „über die Versorgung von Patientinnen und Patienten, die nach Inkrafttreten der Vereinbarung nach Absatz 2 Satz 5 oder der Festsetzung nach Absatz 2 Satz 6 in Verbindung mit Absatz 2 Satz 5 aufgenommen werden,“ eingefügt. Dies bedeutet, vereinfacht ausgedrückt, dass das Erörterungsverfahren nur für die Patienten gilt, die nach dem Beginn der Gültigkeit einer neuen PrüvV stationär aufgenommen werden. Für zusammengeführte Fälle dürfte das Datum des ersten Aufenthalts gelten.
Rechnungskorrektur der Schlussrechnung (§ 17c Abs. 2a KHG)
Bisher konnten die Krankenhäuser bis zum Ende des auf die Schlussrechnung folgenden Geschäftsjahres die Schlussrechnung einmalig ändern. Dies ist nun grundsätzlich nicht mehr möglich, es sei denn das Ergebnis der MD-Prüfung oder ein rechtskräftiges Urteil sind Grund der Änderung. Allerdings gibt es auch hier die Öffnungsklausel, dass die neue PrüfvV etwas anderes festlegen kann. Bis zum Beginn der Gültigkeit der neuen PrüfvV ist die Rechnungskorrektur nach wie vor noch möglich.
Sanktionszahlungen (§ 275c Abs. 3 SGB V)
Für 2020 und 2021 gibt es keine Sanktionszahlungen. Ab 2022 ist die Höhe der Strafzahlungen von der Höhe der unbeanstandeten Rechnungen abhängig (Tab. 3):
| Unbeanstandete Rechnungen | Aufschlag (Strafzahlung) |
|---|---|
| ≥60 % | Keine Strafzahlung |
| 40 % bis unter 60 % | 25 % des Differenzbetrages aber nicht mehr als 10 % des geminderten Abrechnungsbetrages. In jedem Fall aber mindestens 300 € |
| 0 % bis unter 40 % oder systematisch überhöhte Rechnungen | 50 % des Differenzbetrages aber nicht mehr als 10 % des geminderten Abrechnungsbetrages. In jedem Fall aber mindestens 300 € |
Aufrechnungsverbot (§ 109 Abs. 6 SGB V)
Für ab dem 01.01.2020 aufgenommene Patienten gilt ein Aufrechnungsverbot. Dies bedeutet, dass Leistungen eines Falles nicht mit Kürzungen in einem anderen Fall verrechnet werden dürfen. Ausnahmen sind nur gestattet, wenn die Forderung der KK unstreitig ist oder ein Gericht sie festgestellt hat. Weiterhin besteht die Möglichkeit, in der PrüfvV Abweichendes zu regeln. Bereits in der bisher existierenden PrüfvV (§ 10) als auch in der Übergangsvereinbarung wird die Aufrechnung ausdrücklich vorgesehen. Man wird sehen, ob diese Regelung in der neuen PrüfvV Bestand hat.
„Abkauf“ der Prüfung (Pauschalvereinbarungsverbot nach § 275c Abs. 7 SGB V)
Die Möglichkeit sich als Krankenhaus mit einer KK auf pauschalierte Abschläge zu einigen und im Gegenzug auf Seiten der KK auf Prüfungen der Rechnungen zu verzichten, ist verboten, es sei denn man vergleicht sich im Einzelfall auf Grundlage der neuen PrüfvV, sofern diese einen Vergleich zulässt.
Prüfung von Strukturmerkmalen (§ 275d SGB V)
Das DIMDI wird noch im MDK-Reformgesetz als diejenige Stelle benannt, die die Strukturmerkmale bei den OPS festlegt, allerdings plant das BMG die Fusion des DIMDI mit dem BfArM. Mit der geplanten Eingliederung des DIMDI in das BfArM will das BMG Ressourcen für die Digitalisierung im Gesundheitswesen bündeln und die Organisation verbessern. Trotz der Bedenken des Bundesdatenschutzbeauftragten wird dieser Zusammenschluss weiter vorangetrieben, wie auch im Medizinprodukte-EU-Anpassungsgesetz vom 05.03.2020 zu erkennen ist. Der MDB hat bis zum 28.02.2021 eine Richtlinie, nach der die Begutachtung der Strukturmerkmale das OPS durch den lokalen MD erfolgen soll, zu erlassen (§ 283 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB V). Da diese Richtlinie nicht bekannt ist, sollen an dieser Stelle nicht über weitere Forderungen spekuliert werden. Diese Richtlinie soll dazu dienen, dass bundesweit einheitlich die Strukturmerkmale geprüft werden. Durch die Schaffung von § 275d SGB V soll die Prüfung der Strukturmerkmale aus der Einzelfallprüfung genommen werden. So lange diese Prüfung der Strukturmerkmale noch nicht durchgeführt wird, können die Merkmale in einer Einzelfallprüfung geprüft werden.
Die vom MD für das Jahr 2022 ausgestellte Bescheinigung ist bis zum 31.12.2021 in elektronischer Form an die Landesverbände der KKen und den Ersatzkassen zu übermitteln. Fehlt diese Bescheinigung, können die OPS nicht abgerechnet werden. Liegt die Bescheinigung aus von den Krankenhäusern nicht zu vertretenen Gründen erst nach dem 31.12.2021 vor, dürfen sie die bis zum Vorliegen des Ergebnisses erbrachten Leistungen weiter abrechnen. Problematisch ist hierbei, dass die Strukturprüfungen grundsätzlich anhand eines OPS-Katalogs erfolgen, der im Jahr der Leistungserbringung und Abrechnung nicht mehr gültig ist.
Können Krankenhäuser eines oder mehrere Strukturmerkmale (z. B. Personal) für länger als einen Monat unterjährig nicht einhalten, ist dieses den KKen unverzüglich mitzuteilen. Dann darf auch nicht mehr abgerechnet werden.
Ambulantes Operieren im Krankenhaus (§ 115b SGB V)
Bis zum 30.06.2020 sollen der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen ein Verfahren für die Erteilung eines Gutachtenauftrags einleiten, das den AOP-Katalog nach § 115b SGB V nach wissenschaftlichen Grundsätzen sowohl im Umfang als auch in der Vergütung neu erfasst. Aufgrund dieses Gutachtens soll der AOP-Katalog bis zum 31.01.2022 neu gefasst werden. Die ambulanten Operationen werden ferner aus der Prüfung durch den MD ausdrücklich herausgenommen.
Schlichtungsausschuss Bund
Der Schlichtungsausschuss auf Bundesebene nach § 17c Abs. 3 KHG führte in der Vergangenheit ein gewisses Schattendasein. Dies wird durch die Neugestaltung des § 19 KHG erheblich geändert. Der Schlichtungsausschuss auf Bundesebene dient zur Klärung strittiger Kodier- und Abrechnungsfragen. Seine Aufgabe ist es, Kodier-und Abrechnungsfragen von grundsätzlicher Bedeutung verbindlich für alle Beteiligten zu klären.
Wichtig ist, dass nicht nur die gesetzlichen und privaten KK oder die Krankenhausgesellschaften den Schlichtungsausschuss anrufen können, vielmehr sind nunmehr neben den Krankenkassen die Krankenhausgesellschaften auf Landes- und Bundesebene, die Krankenhäuser, der MD, die Fachgesellschaften, die mit der Kodierung von Krankenhausleistungen befasst sind, sowie das BMG berechtigt, den Schlichtungsausschuss auf Bundesebene an zu rufen. Die Entscheidung des Schlichtungsausschusses auf Bundesebene ist für die zugelassenen Krankenhäuser, die Krankenkassen und den MD verbindlich. Die Verbindlichkeit tritt grundsätzlich am 1. Tag des übernächsten Monats, nachdem die Entscheidung veröffentlicht wurde, in Kraft. Sie soll dem Grunde nach nur für die Zukunft gelten, sie erfasst aber nach § 19 Abs. 4 KHG auch noch derzeitig offene Prüfverfahren. Im Umkehrschluss bedeutet dieses, dass abgeschlossene Verfahren aufgrund einer Entscheidung des Schlichtungsausschusses auf Bundesebene für die Vergangenheit nicht wieder aufgemacht werden können; weder die KK können für die Vergangenheit eine neue Prüfung einleiten und eventuelle Verrechnungen vornehmen, noch können die Krankenhäuser Nachberechnungen vornehmen.
Bis Ende des diesen Jahres soll im Übrigen der Schlichtungsausschuss über strittige Kodierempfehlungen zwischen dem SEG4 (Sozialmedizinische Expertengruppe der MD-Gemeinschaft „Vergütung und Abrechnung“) und dem Fachausschuss für ordnungsgemäße Kodierungsabrechnung der Deutschen Gesellschaft für Medizincontrolling verbindlich entscheiden.
Die Inhalte dieses Artikels geben eine Interpretation der gesetzlichen Regeln wieder. Die Autoren können nicht gewährleisten, dass die Regelungen tatsächlich genau so umgesetzt werden, wie beschrieben. Daher übernehmen sie keine Haftung für Darstellungen, die sich als unrichtig herausstellen – schließlich gilt: „Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand“ (alte römische Juristenwahrheit).
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
I. Schroeder-Printzen und J. Schroeder-Printzen geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
Footnotes
BT-Drucks.19/6337 (Gesetzesentwurf) sowie BT-Drucks 19/8351 (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss)), BGBl I 2019, 646
Urteil vom 17.02.2010 – B 1 KR 10/09 R, Gesundheitsrecht 2010, 546–548
BT-Drucks. 19/18967 (Gesetzesentwurf) sowie BT-Drucks. 19/19216 (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss)), dem der BT und der BR gefolgt sind.
BT-Drucks.19/13397 (Gesetzesentwurf) sowie BT-Drucks. 19/14871 (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss)); BGBl I 2019, 2789
BT-Drucks.19/18106 sowie BT-Drucks. 19/18168 und BT-Drucks. 19/18156 (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss)) BGBl I, 2020, 580
