Abstract
Berichtet wird über einen Fall mit rheumatoider Arthritis und unzureichender Kompensation unter einer Kombinationslangzeittherapie mit Methotrexat und Leflunomid. Nach durchgemachter COVID-19-Infektion erfolgte eine Neueinstellung auf einen Tumornekrosefaktor(TNF)-Blocker. Hierunter zeigte sich bisher keine Reaktivierung der COVID-19-Infektion bei positivem Antikörperstatus SARS-CoV‑2.
Schlüsselwörter: Immunsuppression, Biologikatherapie, Rheumatoide Arthritis, COVID-19-Infektion, Positiver Antikörperstatus SARS-CoV2
Abstract
A case with rheumatoid arthritis and insufficient compensation under disease-modifying combined long-term therapy with methotrexate and leflunomide is reported. After recovery from a COVID-19 infection, a tumor necrosis factor (TNF) inhibitor therapy was initiated. Until now no reactivation of the COVID-19 infection with positive SARS-CoV‑2 antibody status has occurred.
Keywords: Immunsuppression, Biological therapy, Rheumatoid arthritis, COVID-19 infection, Positive antibody status SARS-CoV2
Falldarstellung
Anamnese – Krankheitsverlauf
Bei einem 60-jährigen Patienten wurde im Dezember 2018 eine Rheumafaktor- und Anti-CCP-AK positive, rheumatoide Arthritis erstdiagnostiziert. Bei hochfloridem klinischem Befund, deutlich erhöhten humoralen Entzündungsparametern (BSG 85/mm/1h, CRP 47,3 mg/l) und polyartikulärem Befall in der Arthrosonographie bestand die Notwendigkeit einer initial hohen Prednisolon-Gabe (100 mg i.v. mit anschließender Reduktion). Parallel erfolgte im Sinne der allgemeingültigen Handlungsempfehlungen der rheumatoiden Arthritis [1] die Initiierung einer krankheitsmodulierenden Medikation mit Methotrexat (MTX 15 mg/Woche, s.c.). Im weiteren Verlauf war bei zunächst gutem Ansprechen bis November 2018, dann jedoch eintretendem Wirkverlust eine sukzessive Anpassung der MTX-Dosis bis auf 25 mg s.c. wöchentlich im Januar 2019 bei einem DAS28-CRP von 4,12 notwendig. Dennoch resultierte keine zufriedenstellende Wirksamkeit. Klinisch manifestierten sich rezidivierende entzündlich exsudative Manifestationen an diversen Gelenken, sodass u. a. notwendige Punktionen mit Triamcinolon-Instillationen in beide Kniegelenke und das rechte Handgelenk erfolgten. Parallel dazu mussten mehrfach Prednisolon-Gaben mit 20 mg und anschließender Reduktion durchgeführt werden. Im Zeitraum Mai bis Oktober 2019 wurden die avisierten ambulanten rheumatologischen Kontrolluntersuchungen durch den Patienten nicht durchgeführt. Bei der Vorstellung im November 2019 wurde bei nicht erreichter Remission unter der durchgeführten konventionellen synthetischen „Disease-modifying anti-rheumatic drug“(csDMARD)-Therapie die Hinzunahme von Leflunomid mit 20 mg/Tag beschlossen. Auch unter der kombinierten csDMARD-Medikation resultierte keine zufriedenstellende klinische Beschwerdelinderung. Laborchemisch manifestierte sich eine Hepatopathie (GOT 151 U/l, GPT 223 U/l), röntgenmorphologisch waren erstmals erosive Manifestationen an 2 Metakarpophalangealgelenken nachweisbar.
Therapieumstellung, COVID-19-Infektion
Bei deutlich eingeschränkter Lebensqualität und insgesamt unbefriedigendem Krankheitsverlauf sowie ungünstigen Prognoseindikatoren (hohe Entzündungswerte, anhaltende polyartikuläre Schwellungen, vorhandene Rheumafaktoren und Anti-CCP-Antikörper, radiologisch zunehmende strukturelle Defekte [Erosionen] und schlechtes Ansprechen auf die initiale Therapie) wurde die Indikation für eine Biologikagabe (bDMARD) mit Adalimumab gesehen [2–4]. Ein Tuberkulose- und Hepatitisscreening waren unauffällig, der Patient wurde auf eine Optimierung des Impfschutzes hingewiesen.
Auf die Einstellung mit Adalimumab wurde Ende Februar 2020 aufgrund der drohenden „Severe acute respiratory syndrome coronavirus 2“(SARS-CoV-2)-Pandemie nach Rücksprache mit dem Patienten verzichtet. Stattdessen erfolgte zunächst die Fortsetzung von MTX 25 mg s.c./Woche in Kombination mit 5 mg Prednisolon täglich.
Nach einem 3‑tägigen Italienaufenthalt (Abbruch der Reise wegen COVID-„Shutdown“) bestanden ab dem 12.03.2020 Symptome eines ausgeprägten gastrointestinalen Infektes (Diarrhö, abdominelle Schmerzen, Krämpfe und Fieber). Am 17.03.2020 konnte mittels PCR der Nachweis von SARS-CoV‑2 im Rachenabstrich geführt werden, ebenso bei einem Familienmitglied mit vergleichbarer gastrointestinaler Symptomatik. Ab dem 19.03.2020 kam es zu einer deutlichen klinischen Verschlechterung mit anhaltendem Fieber (bis 39–39,5 °C), Husten, Zephalgien, anhaltende Müdigkeit, Myalgien und der regelmäßiger Notwendigkeit von Paracetamol 2–3 g/Tag (unter hausärztlicher und ambulanter rheumatologischer Überwachung). Im hausärztlichen Labor ergaben sich folgende Werte: BSG 85/mm/1h, CRP 49,5 mg/l, Leukozyten 2800/µl und Lymphozyten 850/µl. Es bestand zu Beginn der Fieberepisode für 1 Tag eine Störung der Geschmacksempfindung, keine Dyspnoe, eine Antibiose erfolgte nicht, eine Röntgenaufnahme des Thorax war unauffällig. Unter der symptomatischen Therapie resultierte langsam eine klinische Besserung und nach 9 Tagen eine vollständige Symptomrückbildung.
Bei der anschließenden rheumatologischen Wiedervorstellung 14 Tage nach klinischer Restitution der COVID-19-Infektion wünschte der Patient bei weiterhin unzureichender antirheumatischer Therapie die avisierte Eskalation mit Adalimumab. Methotrexat wurde auf Wunsch des Patienten und subjektivem Wirkverlust beendet, zumal die Transaminasen weiterhin erhöht imponierten. Laborchemisch konnten IgG/IgA-Antikörper gegen SARS-CoV‑2 (ELISA, Euroimmun: 3,2/4,1 [positiver Befund jeweils ab 1,1]) detektiert werden.
Nach ausführlicher Aufklärung des Patienten, dass keine Erfahrungen hinsichtlich einer Reaktivierung der COVID-19-Infektion bestehen, und explizitem Patientenwunsch, erfolgte die Erstapplikation von Adalimumab 40 mg und am 20.04.2020 die zweite Gabe. In der kurzen Beobachtungszeit zeigten sich bis heute erfreulicherweise keine klinischen Hinweise auf eine Reaktivierung der COVID-19-Infektion, die bDMARD-Therapie wurde nebenwirkungsfrei vertragen.
Diskussion
Die Fragen, ob bei Vorliegen einer entzündlich rheumatischen Erkrankung eine besondere Gefahr besteht, sich mit SARS-CoV‑2 zu infizieren, und im Fall einer Infektion diese auch schwerer verläuft, sind bis heute aufgrund begrenzter Daten nicht sicher zu beantworten. Die DGRh empfiehlt im Zeitalter der Corona-Pandemie die Umsetzung der Empfehlungen des Robert Koch-Instituts (RKI): Abstands- und Hygienemaßnahmen stringent umzusetzen und die antirheumatische Medikation beizubehalten, solange keine Symptome einer COVID-19-Infektion vorliegen. Explizit wird auf die Gefahr hingewiesen, dass eine Therapieunterbrechung mit dem Risiko einhergehen könnte, einen akuten entzündlichen Schub auszulösen und daran gekoppelt höhere Dosierungen von immunsuppressiven Medikamenten eingesetzt werden müssten.
Interessant hierzu ist eine aktuelle und sehr kontrovers diskutierte Pressemitteilung [5] der Universität Erlangen mit der Überschrift „Entzündungshemmende Medikamente schützen vor COVID-19“. Die Daten stammen aus einer 3‑wöchigen interdisziplinären Studie mit rheumatologischen, gastroenterologischen und dermatologischen Patienten*innen sowie 2 Kontrollkollektiven von insgesamt 1000 Probanden*innen. Die Patienten*innen standen alle unter einer Zytokinhemmertherapie und wiesen im Vergleich zu den 2 Kontrollen (ohne Anti-Zytokin-Therapie) keine Antikörper gegen SARS-CoV‑2 auf, während bei 2 % des nichtmedizinisch tätigen und 4 % des medizinisch tätigen Kontrollpersonals Antikörper gegen Corona-Virus detektierbar waren. Parallel dazu zeigten die Patienten*innen seltener Symptome von Atemwegserkrankungen. Ursache des geringen Antikörpernachweises gegen SARS-CoV‑2 in der Gruppe der Patienten*innen mit entzündlich rheumatischen Erkrankungen unter Anti-Zytokin-Therapie könnte sein, dass im Vergleich zu den anderen beiden Gruppen die RKI-Abstands- und Hygieneempfehlungen konsequenter aus Furcht vor einer Ansteckung unter immunsuppressiver Therapie umgesetzt wurden. Es wird aus den Daten der Beobachtungsstudie geschlussfolgert, dass eine Biologikatherapie nicht mit einem erhöhten Risiko einer SARS-CoV-2-Infektion gegenüber den Kontrollen einhergeht und im Fall einer Infektion diese möglicherweise weniger schwer verläuft. Einerseits unterstützen die Studienresultate die DGRh-Empfehlungen, dass PatientenInnen unter einer Anti-Zytokin-Therapie keine besondere Risikogruppe darstellen und die Therapie allein aus Angst vor einer SARS-CoV-2-Infektion nicht abgesetzt werden sollte, um den Preis einer entzündlichen Exazerbation [6]. Andererseits kann die Schlussfolgerung, dass eine Biologikatherapie vor einer SARS-CoV-2-Infektion mit einem schweren Verlauf möglicherweise schützt, aus den Daten nicht abgeleitet werden.
Fazit für die Praxis
Bis heute existieren keine evidenzbasierten Daten für Handlungsempfehlungen bei der Betreuung von Patienten mit rheumatischen Erkrankungen.
Interessant ist im vorliegenden Fall, dass im bisher kurzen Zeitraum durch die eingeleitete bDMARD(biologic disease-modifying antirheumatic drug)-Therapie nach überstandener COVID-19-Infektion mit positivem Antikörperstatus keine Reaktivierung der Infektion eingetreten ist.
Patienten*innen mit entzündlich rheumatischen Erkrankungen sollten entsprechend den Empfehlungen des Robert Koch-Institutes Abstands- und Hygieneempfehlungen konsequent einhalten.
Eine Biologikatherapie ohne zwingende medizinische Indikation sollte zum Schutz vor einer SARS-CoV-2-Infektion nicht durchgeführt werden.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
N. Steinchen, U. Müller-Ladner und U. Lange geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, über die Patienten zu identifizieren sind, liegt von ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern eine schriftliche Einwilligung vor. Die aktuelle Fassung der Deklaration von Helsinki wurde beachtet.
Literatur
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