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. 2020 Jun 23;68(6):406–409. [Article in German] doi: 10.1007/s15011-020-3200-3

Schutzschirme für Arztpraxen

KVen arbeiten Details zur finanziellen Hilfe aus

Anna Riehl 1,
PMCID: PMC7287291

EUSKIRCHEN - Nicht nur aus medizinischer Sicht, sondern auch aus wirtschaftlicher ist die Coronapandemie eine Krise für die niedergelassene Ärzteschaft. Um die Versorgung aufrechtzuerhalten und Praxen vor Umsatzeinbußen zu schützen, hat der Gesetzgeber einen Schutzschirm beschlossen. "Der Deutsche Dermatologe" liefert einen Überblick über den Stand der Dinge in den Bundesländern, soweit diese schon klar sind.

Seit Ausbruch der Coronapandemie zeigt sich das veränderte Verhalten der Patienten vor allem in sinkenden Fallzah- len und einem verminderten Leistungsbedarf. Wenn gesetzlich Versicherte, Privatpatienten und Selbstzahler aus Sorge vor einer Infektion ausbleiben, kann dies bei Facharztpraxen die Existenz bedrohen. Um finanzielle Schieflagen abzumildern, haben Praxisinhaber verschiedene Möglichkeiten. Allen voran das Kurzarbeitergeld. Hat die Bundesagentur für Arbeit bis vor kurzem noch pauschal Anträge auf Kurzarbeitergeld für Arztpraxen abgelehnt, ist sie inzwischen nach Intervention der KBV zurückgerudert und hat klargestellt, dass die in Praxen beschäftigten Arbeitnehmer dem Grunde nach Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben. Dazu muss der voraussichtliche Arbeitsausfall bei der örtlichen Arbeitsagentur angezeigt und begründet werden.

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Daneben unterstützt das Corona- Soforthilfeprogramm des Bundes Soloselbständige und kleine Unternehmen, die sich infolge der Coronapandemie in einer existenzbedrohenden Lage befinden mit einer einmaligen, nicht zurückzuzahlenden Soforthilfe. Die Soforthilfe staffelt sich nach der Zahl der Beschäftigten und beträgt für drei Monate für Antragsberechtigte mit bis zu fünf Beschäftigten 9.000 Euro, für Antragsberechtigte mit bis zu zehn Beschäftigten 15.000 Euro und 30.000 Euro bei bis zu 50 Beschäftigten. Anträge können bei den zuständigen Stellen der Länder gestellt werden. Alle Informationen hierzu gibt es auf der Webseite des Bundeswirtschaftsministeriums www.bmwi.de.

Weiterhin können Praxen, die seit mindestens fünf Jahren bestehen, einen KfW-Unternehmerkredit beantragen. Die KfW übernimmt das Haftungsrisiko der Bank für Investitionen und Betriebsmittel bei Zinssätzen von ein bis zwei Prozent. Darüber hinaus hat am 27. März 2020 der Bundesrat dem Gesetz zum Ausgleich finanzieller Belastungen in Gesundheitseinrichtungen infolge von Corona - COVID-19-Krankenhaus- entlastungsgesetz - zugestimmt. Ziel dieses Schutzschirms ist es, eine drohende Praxisschließung abzuwenden und damit gleichzeitig die ambulante Versorgung der Patienten während der Coronakrise zu sichern.

Der Schutzschirm sieht vor, dass trotz reduzierter Leistungsmenge die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung (MGV) im regulären Umfang ausgezahlt wird. Das heißt, dass die Krankenkassen genauso viel Geld für die Versorgung der Patienten bereitstellen müssen wie zu normalen Zeiten. Voraussetzung für die Ausgleichszahlung ist eine Fallzahlminderung in einem Umfang, die die Fortführung der Arztpraxis gefährden würde. Ebenso haben Ärzte Anspruch auf Ausgleichszahlungen für extrabudgetäre Leistungen. Voraussetzung hier ist aber, dass der Gesamtumsatz der Praxis um mindestens zehn Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal sinkt und die Fallzahl zurückgeht.

Nun obliegt es den einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen, sich mit den Details und notwendigen Änderungen im Honorarverteilungsmaßstab (HVM) zu beschäftigen und entsprechende Entscheidungen mit den Krankenkassen auszuhandeln.

Sachsen

In Sachsen existiert für die Mitglieder der KV Sachsen bereits ein Not-HVM. Diesen hat die Vertreterversammlung für die vier Quartale 2020 beschlossen. Im außerbudgetären Bereich leistet die KV Sachsen Ausgleichszahlungen, wenn sich das GKV-Gesamthonorar eines Vertragsarztes um mehr als zehn Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal aufgrund eines Rückgangs der Fallzahl in Folge der Coronapandemie mindert. Der Ausgleichsbetrag bemisst sich an der Honorardifferenz zwischen den im Vorjahresquartal und im aktuellen Quartal erbrachten außerbudgetären Leistungen.

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Im budgetären Bereich werden Ausgleichszahlungen ab einer Höhe von 500 Euro geleistet, wenn sich die aus der MGV zu zahlende Vergütung eines Vertragsarztes aufgrund der Coronapandemie mindert. Auch hier bemessen sich die Ausgleichszahlungen am jeweiligen Vorjahresquartal. Für Praxen ohne Abrechnung im Vorjahresquartal gilt das MGV-bezogene Durchschnittshonorar der Vergleichsgruppe.

Voraussetzung für die Ausgleichszahlungen aus dem Not-HVM ist, dass Ärzte vollumfänglich im Rahmen ihres Versorgungsauftrages und mindestens im bisherigen zeitlichen Umfang für die Versorgung der Patienten zur Verfügung stehen. Der Honorarrückgang darf nicht auf einer Verkürzung der Sprechstundenzeiten der Praxis beruhen. Die Ausnahmen stellt hier nur eine pandemiebedingte Verkürzung der Sprechzeiten dar, zum Beispiel durch eine coronabedingte Quarantäne. Eine entsprechende Coronapandemie-Erklärung ist bei der KV Sachsen einzureichen.

Zudem hat die KV eine tagesaktuelle Mitteilungspflicht für Änderungen der Sprechzeiten eingeführt. Umgesetzt wird der Not-HVM in den Honorarbescheiden für die Quartale 2020, solange die Coronamaßnahmen nicht aufgehoben werden.

Sachsen-Anhalt

Im Rahmen einer Sondervertreterversammlung zum COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz hat die KV Sachsen-Anhalt am 15. April 2020 Sonder- regelungen im HVM ab dem 1. Quartal 2020 getroffen. Demnach haben Praxen, deren GKV-Gesamthonorar um mehr als zehn Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal infolge der Coronapandemie gemindert wird, Anspruch auf Ausgleichszahlungen im Bereich der extrabudgetären Vergütung. Die Ausgleichszahlung erfolgt in Höhe des durch die Krankenkassen bereitgestellten Betrages, mindestens jedoch auf 90 Prozent des Honorars des Vorjahresquartals für die Leistungen. Für Praxen, die im Vergleichszeitraum übernommen und unverändert fortgeführt wurden, wird das Honorar des Vorjahresquartals des Vorgängers berücksichtigt. Praxen, die im Vergleichszeitraum neu gegründet wurden, erhalten als Ausgleichszahlung maximal 50 Prozent des Honorars der betreffenden Leistungen der arztgruppenspezifischen Vergleichspraxen. Der Ausgleich im Rahmen von regionalen Sonderverträgen oder Zuschlägen ist derzeit noch unklar.

Anspruch auf Ausgleichszahlungen innerhalb der MGV haben Praxen, deren aus der MGV zu zahlende Vergütung gemindert wird, aufgrund von verminderter Patienteninanspruchnahme infolge der Coronapandemie. Die Zahlungen werden an der Honorardifferenz zwischen den im Vorjahresquartal und im aktuellen Quartal erbrachten budgetären Leistungen bemessen, soweit das Honorar aus budgetären Leistungen im aktuellen Quartal geringer ausfällt.

Berücksichtigt werden zur Ermittlung des Vergleichswertes extrabudgetäre Honorare für TSVG-Konstellationen und die mit der GOP 88240 gekennzeichneten Leistungen für eigene Patienten. Die mit GOP 88240 gekennzeich- neten Leistungen bei Neupatienten im Rahmen des TSVG werden jedoch nicht berücksichtigt. Für Praxen, die im Vorjahresquartal noch nicht tätig waren, erfolgt eine Zahlung auf maximal 50 Prozent des MGV-bezogenen Durchschnittshonorars der Vergleichsgruppe im Vorjahresquartal. Sofern die Praxis- tätigkeit im Quartal begonnen wird, wird der entsprechende Honoraranspruch taggenau ermittelt. Zahlungen erfolgen ab einer Höhe von 1.000 Euro.

Thüringen

Ebenso hat die KV Thüringen (KVT) bereits eine Ergänzung zum HVM beschlossen. So wurde im HVM ein neuer § 15a eingeführt. Demnach gilt auch hier für eine Ausgleichszahlung, dass die Fallzahl oder das Honorar einer Arztpraxis im Abrechnungsquartal um mehr als zehn Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal gemindert ist. Es ist notwendig, dass Arztpraxen innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Honorarbescheides einen entsprechenden Antrag stellen. Das Antragsverfahren ist laut KVT nötig, um alle Einflussfaktoren berücksichtigen zu können.

Gleichermaßen gilt im extrabudgetären Bereich, dass sich das Gesamthonorar gegenüber dem Vorjahresquartal um mehr als zehn Prozent reduziert hat. Die gesetzliche Ausgleichszahlung soll sicherstellen, dass Leistungen außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung, zum Beispiel Präventionsleistungen, ambulante und belegärztliche Operationen, deren Leistungen infolge der Pandemie nicht erbracht werden konnten, auf bis zu 90 Prozent des Vorjahresquartals ausgeglichen werden können.

Schleswig-Holstein

In Schleswig-Holstein gilt für den Bereich der extrabudgetären Vergütung ein maximaler Schutzschirm von 90 Prozent und für die intrabudgetären Leistungen, insbesondere Punktzahlvolumen, in Höhe von bis zu 100 Prozent bezogen auf den Umsatz des Vorjahrsquartals. Die konkrete Höhe hängt jedoch sowohl von der Aufrechterhaltung einer Tätigkeit der Praxis als auch davon ab, ob eine Infektionssprechstunde angeboten und im eKVSH-Portal dokumentiert wurde. Laut KVSH werden als Tätigkeitstage die Tage gezählt, an denen eine Abrechnung der Praxis, Corona- oder Bereitschaftsdienste oder ein Urlaub mit angezeigter Vertretung erfolgte. Werden bei dieser Zählung alle Arbeitstage im Quartal erreicht, wird der volle Schutzschirm wirksam.

Rheinland-Pfalz

In Rheinland-Pfalz hat die Coronapandemie auf die Höhe der Honorarfonds keinen Einfluss. "Durch den in der KV RLP gültigen HVM führen rückläufige Leistungsmengen bei konstanten Honorarfonds zu höheren Punktwerten und insgesamt zu konstanten Honoraren im Bereich der MGV", heißt es in einem Sondernewsletter der KV. Es würde die gesamte MGV verteilt und trotz möglicher rückgängiger Fallzahlen verbleibt kein unverteiltes Honorar.

In Einzelfällen sind durch den HVM aber auch Verwerfungen möglich, wenn Praxen stärker von der Pandemie betroffen sind als der Durchschnitt innerhalb einer Honorarfachgruppe. Hierzu gibt es im HVM der KV RLP bereits eine Regelung für Härtefälle in Anlage 1 Ziffer 9. Diese besagt, dass der KV-Vorstand auf Antrag der Praxis eine Begrenzung des Honorarverlustes auf 15 Prozent je Fall beschließen kann, wenn der Honorarrückgang nach Anwendung der Verteilungsregelung mehr als 15 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal unter Berücksichtigung der Entwicklung der Fallzahl und des Leistungsbedarfes beträgt. Voraussetzung ist, dass der Honorarverlust nicht auf einen Rückgang des Leistungsumfangs zurückzuführen ist. Die Zahlungen werden aus Rück- lagen finanziert.

Niedersachsen

Bestimmte Prämissen zur Sicherung der Honorare ihrer Mitglieder hat die KV Niedersachsen noch vor dem Rettungsschirm der Bundesregierung festgelegt. "So ging es zunächst darum, die Liquidität der Praxen zu sichern", heißt es aus Hannover. Jetzt gelte es den nächsten Schritt zu machen. "Wir wollen unseren Mitgliedern garantieren, dass die gezahlten Abschläge trotz Lockdown den Praxen dauerhaft verbleiben." Der Vorstand habe der Vertreterversammlung ein Modell zu einer entsprechenden Finanzierung vorgeschlagen, das überdies noch Leistungszulagen insbesondere für die im Zusammenhang mit Corona stehenden Tätigkeiten vorsehe.

Ziel sei es, jeder Praxis ein Honorar zu garantieren, das mindestens der Höhe der Abschläge für das laufende Quartal, 85 Prozent des durchschnittlichen Quartalsumsatzes, entspricht. Das Honorar soll sich aus der Abrechnung von Leistungen der Regelleistungsvergütung, der Abrechnung von extrabudgetären Leistungen, dem Ausgleich der extrabudgetären Leistungen über den Rettungsschirm, dem verlorenen Zuschuss auf die Summe der Abschläge von 85 Prozent und der Leistungszulage über Punktwertzuschläge zusammensetzen. Noch ist in Niedersachsen nicht alles gültig. Der Schutzschirm im HVM muss noch durch die Vertreterversammlung beschlossen und eine Einigung mit den Kassen erzielt werden.

Hessen

In Hessen teilte KV-Vorstandsvorsitzender Frank Dastych per Rundschreiben das weitere Vorgehen mit. Es sei erst einmal die Grundlage des Schutzschirms im HVM umzusetzen. Dies plane die KV Hessen für die Sitzung der Vertreterversammlung Ende Juni. Da bis dahin die Abschlagszahlungen Ende Mai und Ende Juni unverändert fortgeführt werden, könne bis dahin keine Liquiditätsproblematik hinsichtlich der KV-Zahlungen in den Praxen entstehen. Die Restzahlung für das erste Quartal 2020, und damit das erste Quartal, das unter die Pandemieregelung fällt, werde um den 20. Juli 2020 erfolgen.

Ebenso wurden die Mitglieder darauf vorbereitet, dass die KV weitere Informationen der Mitglieder benötigen wird, da die Ausgleichzahlungen um die Leistungen zu mindern seien, die vertragsärztliche Leistungserbringer nach dem Infektionsschutzgesetz oder aufgrund anderer Anspruchsgrundlagen erhalten haben. Auch hier seien jedoch noch die Details zu klären.

Übrige Bundesländer

Auch in Nordrhein, Westfalen-Lippe, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Saarland, Bremen und Bayern ist noch nichts spruchreif. Vieles wird intern noch entwickelt und abgestimmt. Die Vertreterversammlungen der KVen Hamburg und Baden-Württemberg haben bereits den Änderungen im HVM für Vertragsärzte zugestimmte. Beim Redaktionsschluss dieses Heftes waren jedoch noch keine weiteren Details bekannt.


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