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. 2008 Dec 11:465–600. [Article in German] doi: 10.1016/B978-343722442-3.50016-6

Infektionen, Impfungen, Reisemedizin

Angeliki Chrissafidou; Herausgeber:1; Unter Mitarbeit von:3; Mitherausgeberinnen der 1. Auflage:39
Editors: Stefan Gesenhues1, Rainer Ziesché2, Andrea Bartels3, Claudia Bausewein4, Ulrich Billenkamp5, Anne Breetholt6, Angeliki Chrissafidou7, Lothar Domagalski8, Arno Dormann9, Manfred Eissler10, Stephanie Engelhardt11, Ingrid Grunert12, Rolf Haaker13, Martin Hermann14, Gabi Hoffbauer15, Thomas Horstmann16, Martina Huzenlaub17, Martina Keller18, Winfried Keller19, Jutta Kossat20, Herbert Kremer-Zech21, Thomas Ledig22, Katja Maile23, Andreas M Nieß24, Susann Ott25, Helmut Piechowiak26, Thomas Quellmann27, Constanze Richter28, Susanne Roller29, Hagen Sandholzer30, Thomas Schmid31, Eva-Maria Schoewe32, Heike Schönfelder33, Stefan Sell34, Matthias Wahn35, Stephan Wallmeyer36, Oliver Wiß37, Helmut Zappe38, Sabine Schmidt39, Stephanie Engelhardt40
PMCID: PMC7303566

9.1. Differenzialdiagnose Fieber

Definition

Erhöhung der Körpertemperatur infolge einer gestörten Wärmeregulation (Sollwertverstellung durch Pyrogen- oder Toxinwirkung, z. B. von Makrophagen, Tumorzellen, Stoffwechselprodukten, Bakterienbestandteilen); bis 38°C subfebrile Temp., bis 38,5°C mäßiges Fieber, über 39°C hohes Fieber.

9.1.1. Differenzialdiagnose bei Fieber mit Lokalbefund

Bei Kindern s.a. Inline graphic 16.4.1.

Tab. 9.1.

DD bei Fieber

Köperregion mit Lokal-Symptomen Untersuchung auf/Begleitbefund Möliche Ursache Weiterfürende Untersuchung
Kopf Starke Kopfschmerzen Akute Sinusitis, Arteriitis temporalis (Inline graphic18.5.3) BSG ↑↑

Meningismus, neurologische Ausfäle Meningitis, Hirnabszess, Enzephalitis (Inline graphic20.5) Klinikeinweisung zu CCT, Liquordiagn.

Ohren Stechende Ohrenschmerzen, Schwerhöigkeit Otitis media (Inline graphic22.6.3), beginnender Zoster Otoskopie, Druckschmerz am Mastoid

Zäne Schwellung und Schmerzen im Kieferbereich Zahnwurzelabszess, Siala-denitis (Inline graphic22.8.1) Zum Zahnarzt schicken; Drüenausfürungsgang: auf Eiter achten

NNH Spontan-, Druck- und Klopfschmerz Sinusitis (Inline graphic22.5.2) Sono, Diaphanoskopie, evtl. Facharztüerweisung zum HNO-Arzt

Mund/Rachen Tonsillenvergröerung, eitrige Beläe Streptokokken-Angina (Inline graphic22.3.2); Mononukleose (Inline graphic9.4.3);Scharlach (Inline graphic16.7.3) Abstrich auf Bakterien, Serologie

Hals/Nacken LK-Schwellungen Mononukleose (Inline graphic9.4.3), Tonsillitis (Inline graphic22.3.2), Toxo-plasmose (Inline graphic9.6.1), M. Hodgkin (Inline graphic19.4.3), Sei-tenstrangangina (Inline graphic22.7.1), Scharlach, Röeln Sono, großes BB, Serologie, evtl. Biopsie

Thorax RG, Däpfung Dyspnoe, Tachykardie Pneumonie (Inline graphic12.3.3), Lun-genembolie (Inline graphic12.9.2) R-Thorax, ggf. Klinikeinweisung

Leber Druckschmerz, Vergröerung Hepatitis (Inline graphic8.7.1), Cholezystitis (Inline graphic8.9.2) Sono, Serologie

Cholestase Cholangitis (Inline graphic8.9.3), Cholelithiasis (Inline graphic8.9.1) Außer bei Hep. immer Klinikeinweisung

Unterbauch Druckschmerz, keine Diarrhoe Peritonitis (Inline graphic8.1.6), Appen-dizitis (Inline graphic8.5.3), Heus (Inline graphic8.1.6) Klinikeinweisung Chirurgie

Unterbauch Darmgeräsche spälich oder hochgestellt Adnexitis (Inline graphic14.3.3), Heus (Inline graphic8.1.6) Klinikeinweisung Gynäologie

Diarrhoe und Druckschmerz Inf. Gastroenteritis (Inline graphicTab. 9.15) Bakt. Stuhldiagn.

M. Crohn und Colitis ulce-rosa (Inline graphic8.5.2) Haemoccult®, kleines BB, BSG, Koloskopie

Flanken Klopfschmerz, Dysurie Harnwegsinf. (Inline graphic13.3.2), Pyelonephritis (Inline graphic13.3.3) U-Stix, Urikult®, Sono, Klinikeinweisung bei V. a. Urosepsis

Spondylitis (Inline graphic6.1) Rötgen

Gelenke Röung, Schwellung, Druckschmerz Rheumatische Erkr. (Inline graphic18), Eitrige Arthritis (Inline graphic6.5.13), Sarkoidose (Inline graphic12.7.2) Facharztüerweisung oder Klinikeinweisung je nach Lokalbefund oder AZ

Extremitäen Klopfschmerz, Röung, Schwellung Akute Osteomyelitis (Inline graphic6.5.13), Phlegmone, Abs-zess (Inline graphic4.3.4) Facharztüerweisung oder Klinikeinweisung je nach Befund

Haut Flähenhafte Röung, Lymphangitis Erysipel (Inline graphic25.5.2), Phlegmone, Zoster LK-Status; Klinikeinweisung je nach Lokalbefund und AZ

9.1.2. Differenzialdiagnose nach Fieberverlauf

  • Kontinua: Anhaltend hohes Fieber (< 39°C) über Tage und Wo.: Atypische Pneumonien (Inline graphic 12.3.3), Legionellose, (Ornithose Inline graphic 9.3.11, Mykoplasmen und Q-Fieber Inline graphic 9.3.11, viral), Sepsis bei Immunschwäche, Salmonellose (Inline graphic 9.3.1), SLE (Inline graphic 18.5.1), Endokarditis (Inline graphic 10.7.1), Brucellose (Inline graphic 9.3.4), Typhus (Inline graphic 9.3.1). Klinikeinweisung zur Diagn. und Ther.

  • Intermittierend: Deutliche tägl. Fieberschwankungen (> 1°C) mit Fieber > 39°C, zwischendurch Perioden mit niedrigerer Temperatur, vorübergehend auch Abfall auf Normalwerte möglich: Sepsis durch einen streuenden Herd, z. B. Endokarditis (Inline graphic 10.7.1). Klinikeinweisung zur Diagn. und Ther.

  • Biphasisches Fieber: Temperaturanstieg für 1–2 d auf > 39°C (Erregerausbreitung), Abfalls der Temperatur, zweiter meist länger andauernder Temperaturanstieg (Organbefall). Influenza (Inline graphic 9.4.4) u. a. Virusinf. Symptomatische Behandlung, Klinikeinweisung bei schlechtem AZ.

  • Undulierendes Fieber: Über 2–3 d langsam ansteigendes und wieder abfallendes, mäßig hohes (bis 39°C) Fieber im Wechsel mit Perioden normaler Temperatur über mehrere Wochen hinweg. Brucellose (Inline graphic 9.3.4), Tumorfieber, Autoimmunkrankheiten. Klinikeinweisung zur Diagn. und Ther.

  • Rekurrierendes Fieber: In regelmäßigen Abständen auftretendes, mehrere Tage anhaltendes hohes Fieber (> 39°C). Malaria (Diagn.: Reiseanamnese, EDTA-Blut für Plasmodiennachweis, Inline graphic 9.10.8 und Inline graphic 9.10.9).

  • Subfebril: Temperaturerhöhung dem physiologischen Tagesablauf angepasst, nicht über 38°C. Tumorfieber (bes. maligne Lymphome; Inline graphic 19.4.3), Tbc (Inline graphic 12.3.5), Arzneimittelfieber (drug fever; toxische oder allergische Reaktion, v. a. bei Sulfonamiden), Lungenembolie (Inline graphic 12.9.2), Hyperthyreose (Inline graphic 17.6.2), chron. Tonsillitis (Inline graphic 22.3.2), Endokarditis (Inline graphic 10.7.1), RA (Inline graphic 18.3.1), Polymyalgia rheumatica (Inline graphic 18.5.3).

    Abb. 9.1.

    Abb. 9.1

    Fieberverläufe
  • Remittierendes Fieber: Max. Schwankungen ⩽ 1,5°C, Temp. abends höher als morgens. Vorkommen: Pyelonephritis (Inline graphic 13.3.3), Tbc (Inline graphic 12.3.5), Rheumat. Fieber, Sepsis.

Diagnostik

Fieber objektivieren (selbst messen). Ganzkörperstatus; Labor: Je nach Befund, Fieberverlauf und AZ, großes BB, CRP, BSG, Urinstatus, Transaminasen, Blutkulturen (mehrmalig; nur im Fieberanstieg Erfolg versprechend). Evtl. RF, ANA, HIV-Test. Abdomen-Sono, Rö-Thorax. Abhängig von Befunden bzw. längerem Persistieren Klinikeinweisung zur weiterführenden Diagn. Bei psychisch auffälligen Pat. an mögliche Manipulation des Thermometers denken!

9.1.3. Vorgehen nach Fieberdauer

  • Kinder < 1 J.: Bei Trinkschwäche bzw. Verweigerung von mehr als 3 Mahlzeiten ggf. Facharztüberweisung zum Kinderarzt, je nach AZ evtl. Klinikeinweisung in die Kinderklinik („Durstfieber”).

  • Kinder > 1 J.: Abwartendes Offenlassen bei Fieber bis 3 d, so weit kein klarer Lokalbefund vorliegt und der AZ es erlaubt, rein symptomatische Ther. (Inline graphic 16.14.1), dann Facharztüberweisung zum Kinderarzt bei reduziertem AZ.

  • Bislang gesunde Erw.: Bei fehlendem Lokalbefund zunächst abwarten, nach 2–3 d diagn. Klärung anstreben: Ganzkörperstatus, großes BB, BSG, CRP, Transaminasen, Blutkulturen, Urin-Status, Abdomen-Sono. So weit kein klarer Lokalbefund vorliegt und der AZ es erlaubt, rein symptomatische Ther. Bei Fortbestehen des Fiebers ohne wegweisenden Befund über 7 d hinaus i. d.R. Klinikeinweisung.

  • Erw. mit Vorerkr.: Prüfen, ob das Fieber auf eine Aktivierung der Grunderkr. (z. B. Autoimmunerkr., malignes Lymphom) zurückzuführen ist, Behandlung der Grunderkr., ggf. Facharztüberweisung oder Klinikeinweisung bei reduziertem AZ, bei hohem Fieber und Vorliegen eines Immundefekts (HIV-Inf., immunsup-pressive Ther., Z. n. Splenektomie), sowie bei Fortbestehen des Fiebers über 1 Wo. hinaus. Bei Diab. mell. vermehrt BZ-Kontrollen durch den Pat. selbst oder den HA wegen Gefahr der BZ-Entgleisung.

Fieber unbekannter Herkunft, das länger als 2 Wo. besteht: 40% Infektionen, 25% Tumoren, 20% immunologische Erkrankungen, 5–10% seltene Ursachen.

9.2. Impfungen

Inline graphic Die Immunisierung durch Impfungen ist eine der wichtigsten und wirksamsten Maßnahmen zum Schutz vor Infektionskrankheiten. Mit einer hohen Durchimpfungsrate können einzelne Krankheitserreger regional oder sogar weltweit ausgerottet werden. Immunität gegen Erkr. lässt sich passiv durch Immunglo-bulingabe, aktiv durch Impfung oder Kombination beider Methoden erreichen.

9.2.1. Allgemeine Regeln für Impfungen

Inline graphic In Deutschland besteht keine Impfpflicht. Impfempfehlungen werden durch die obersten Gesundheitsbehörden der Länder ausgesprochen. Diese öffentliche Empfehlung hat im Fall von Impfschäden wichtige Bedeutung für die weitere Versorgung (§ 20 IfSG).

  • Passive Immunisierung durch Immunglobuline: Vorteil der sofortigen Schutzwirkung. Nachteil: Schutz ist nur von kurzer Dauer (4 Wo. bis 3 Mon.), es besteht nur humorale Immunität.

  • Aktive Immunisierung: Der Organismus wird mit Antigenen von Krankheitserregern konfrontiert und muss selbst eine Immunität ausbilden. Der Schutz tritt verzögert ein, ist aber von langer Dauer. Jede neue Antigenzufuhr führt zu einer Gedächtnisreaktion mit Verstärkung der Immunität.

  • Totimpfstoffe: Abgetötete Krankheitserreger oder aufbereitete Antigene; keine Impfinfektion möglich, deshalb auch bei Pat. mit Immundefekten applizierbar. I. d.R. Grundimmunisierung durch 3 Inj., meist i. m. (v. a. Adsorbatimpfstoffe).

  • Lebendimpfstoffe: Enthalten attenuierte, aber vermehrungsfähige Krankheitserreger → Risiko für Immunsupprimierte und Schwangere. Zur Ausbildung der Immunität genügt i. d.R. 1 Impfung. Applikation s. c. oder p. o. (je nach Impfstoff).

Informationen zu Impfungen

Hersteller-Informationen: In Packungsbeilagen, Fachinformationen und wissenschaftlichen Basis-Broschüren. Hersteller können auch jederzeit telefonisch kontaktiert werden → Service-Nummern der Arzneimittelhersteller finden sich z. B. in der Roten Liste.

Behördliche Informationen: Das Robert-Koch-Institut unterhält eine Ständige Impfkommission (STIKO), die Impfempfehlungen regelmäßig überarbeitet (letzte Fassung vom Juli 2005). Die Empfehlungen sind im Anhang der „Roten Liste” abgedruckt. Bestellung der Impfempfehlungen der STIKO bei: Robert-Koch-Institut, Kennwort „STIKO-Empfehlungen”, Nordufer 20, 13353 Berlin, unter Fax-Nr. 01888–754-2628 oder unter EpiBull@rki.de. Kosten: Bis zu 3 Exemplare kostenfrei gegen Porto von 1,45.€

Kontraindikationen für Impfungen

  • Akute Infektionserkrankungen: Impfung frühestens 2 Wo. nach Genesung.

  • OP: Bei dringender Ind. kann bei vorangegangener Impfung ein operativer Eingriff jederzeit durchgeführt werden. Bei elektiven OPs wird für Totimpfstoffe ein Abstand von 3 d, für Lebendimpfstoffe ein Abstand von 14 d empfohlen. Dies soll helfen, unerwünschte Impfreaktionen von OP-Komplikationen zu unterscheiden. Impfungen aus dringender bzw. vitaler Ind. (Hep. B, Tollwut) sind unverzüglich durchzuführen. Bislang keine Hinweise auf eine Inkompatibilität zwischen Impfungen und OP. Eine Ausnahme bilden OP in Verbindung mit Immunsuppression, z. B. Transplantationen. Impfungen sind in diesem Fall in Zusammenarbeit mit den behandelnden Ärzte zu planen

  • Grav.: Alle nicht dringend indizierten Impfungen (Inline graphic 9.2.4).

  • Bei Immunsuppression bzw. Immundefekt: Keine Lebendimpfungen. Ausnahme: Varizellen bei Leukämiepatienten. MMR wird bei asympt. HIV-Inf. empfohlen.

  • Allergie gegen Bestandteile eines Impfstoffs (z. B. Hühnereiweiß, Inline graphic 9.2.4).

  • Nach Auftreten von KO bei einer Impfung besteht bis zur Klärung der Ursachen eine KI für denselben Impfstoff.

Keine Kontraindikationen sind:
  • Banale Infektionen mit subfebriler Temperatur.

  • Möglicher Kontakt des Impflings zu Personen mit Infektionskrankheiten.

  • Krampfanfälle in der Familie; Fieberkrämpfe (bei bekannter Disposition Gabe eines Antipyretikums bei der Impfung).

  • Chron. Erkrankungen, nichtprogrediente ZNS-Erkrankungen.

  • Ekzeme u. a. Dermatosen, lokalisierte Hautinfektionen.

  • Behandlung mit Antibiotika, niedrig dosierten Kortikosteroiden (⩽ 10 mg Hydrocortison-Äquivalent) oder lokal angewendeten Steroidpräparaten.

  • Bei Totimpfstoffen: Angeborene oder erworbene Immundefekte; Neugebore-nenikterus; Frühgeburtlichkeit (Frühgeborene sollten unabhängig vom Geburtsgewicht gemäß dem empfohlenen Impfalter geimpft werden).

Aufklärung vor Impfungen

  • Art, Risiken und Behandlungsmöglichkeiten der zu verhütenden Krankheit.

  • Nutzen der Impfung.

  • Art des Impfstoffs, Durchführung der Impfung.

  • NW und Risiken des Impfstoffs.

  • Info. über KO d. Punktion (Blutung, Verletzung von Nerven u. Gefäßen, Inf.).

  • Mögliche Lokalreaktionen (Rötung, Schwellung, Schmerzhaftigkeit).

  • KI für die Impfung.

  • Empfehlungen über Verhaltensmaßnahmen im Anschluss an die Impfung.

  • Beginn und Dauer der Schutzwirkung, Notwendigkeit von Auffrischimpfungen.

  • „Öffentliche Impfungen”: Schriftliche Aufklärung wird empfohlen; zusätzlich muss Möglichkeit zum Gespräch gegeben sein. Aufklärungsmerkblätter (inkl. Fragebogen und Einwilligungserklärung) für Impfungen im Kindesalter sind erhältlich bei: Deutsches Grünes Kreuz, Schuhmarkt 4, 35037 Marburg.

Impfanamnese

  • Allgemeiner Gesundheitszustand?

  • Immunschwäche, -defekt?

  • Durchgemachte Infektionskrankheiten?

  • Frühere Impfungen, Auftreten von Impfreaktionen?

  • Gravidität.

  • Allergien.

Impfabstände

  • Wichtig für einen lang dauernden Impfschutz: Der bei der Grundimmunisierung erforderliche Mindestzeitraum (s. einzelne Impfungen) zwischen vorletzter und letzter Impfung darf nicht unterschritten werden.

  • Es gibt keine unzulässig großen Abstände zwischen Impfungen. Jede Impfung gilt. Auch eine für viele Jahre unterbrochene Grundimmunisierung muss nicht neu begonnen werden.

  • Ist nicht bekannt, wann zuletzt bzw. ob überhaupt eine Impfung stattgefunden hat, ist dies kein Grund, eine Grundimmunisierung nicht zu beginnen oder Impfungen aufzuschieben oder nicht durchzuführen.

  • Serologische Kontrollen zur Überprüfung des Impfschutzes sind i. d.R. nicht angezeigt. Es genügt meist 1 Auffrischimpfung. Spezielles Schema beachten bei Tetanus (Inline graphic 9.2.3), Tollwut (Inline graphic 9.2.3), Hepatitis B (Inline graphic 9.2.3).

  • Durch zusätzliche Impfungen bei bereits bestehendem Impfschutz steigt das Risiko für KO nur bei BCG-Impfung (verstärkte Lokalreaktion) und Pneumokokken-Impfung (systemische, allergische Reaktionen).

  • Lebendimpfstoffe: Können simultan verabreicht werden; werden sie nicht simultan verabreicht, ist ein Mindestabstand von 4 Wo. zu empfehlen. Voraussetzung: Vollständiges Abklingen der Impfreaktion, keine KO.

  • Totimpfstoffe (inaktivierte Krankheitserreger, d.h. deren Antigenbestandteile/Toxoide): Keine Mindestabstände zu anderen Impfungen erforderlich, auch nicht zu solchen mit Lebendimpfstoffen.

  • Bei Wiederholungsimpfungen im Rahmen der Grundimmunisierung sollte für die weiteren Impfungen das gleiche Präparat verwendet werden. Bei schlechter Verträglichkeit bzw. unzureichender Immunantwort nach Abschluss einer Impfserie kann eine Impfung mit dem Präparat eines anderen Herstellers u.U. den gewünschten Impferfolg haben.

  • Kombinationsimpfstoffe helfen, Injektionen und Impftermine einzusparen; manchmal sind sie auch preiswerter als die Summe der jeweiligen Monovakzinen.

Umgang mit Impfstoffen

Vor allem Lebendimpfstoffe sind temperaturlabil und müssen vor Erwärmung und Gefrieren geschützt werden. Alle Impfstoffe sind bei 2–8°C zu lagern, wobei die Temperatur permanent mit einem geeichten Minimax-Thermometer kontrolliert werden muss. Impfstoffe, die falsch gelagert oder eingefroren wurden, sind zu verwerfen. Angebrochene Amp. sofort verbrauchen, v.a. wegen der Gefahr der bakteriellen Kontamination (cave: Spritzenabszess). Für die Injektion eine neue Kanüle verwenden. An der Aufziehkanüle anhaftender Impfstoff kann zu Lokalreaktionen der Haut führen.

Injektionsort (Herstellerangaben beachten!)

  • Subkutan: Am dors. Oberarm oder ventrolat. am Oberschenkel; v.a. Lebendimpfstoffe. Bei Antikoagulation auch i. m. Impfstoffe (Herstellerangaben beachten).

  • Intramuskulär: Die meisten Totimpfstoffe werden i. m. injiziert. Impfstoffmengen bis 1 ml in den M. deltoideus oder M. triceps brachii. Injektion in den M. deltoideus ergibt bessere Immunität als intraglutäale Injektion. So lange der M. deltoideus nicht genügend ausgebildet ist, wird die Injektion in den M. vastus lateralis (anterolateraler Oberschenkel) empfohlen. Hier besteht kaum Gefahr, Nerven oder Gefäße zu verletzen. Bei Mengen > 1 ml wird die intraglutäale Injektion (nach v. Hochstetter) oder die Injektion in den M. vastus lateralis empfohlen.

Impfreaktionen

Häufig auftretende, milde, selbstlimitierende Symptome.

  • Lokalreaktionen: Rötung, Schwellung, Schmerzhaftigkeit im Bereich der Injektionsstelle; klingen innerhalb von 72 h ab. Bei anhaltenden Beschwerden an eine Infektion denken.

  • An den ersten beiden Tagen nach Impfung können subfebrile Temperaturen auftreten. Bei Disposition zu Fieberkrämpfen: Simultane Gabe von Antipyretika.

  • MMR-Impfung: Zwischen 7. und 12. d ist eine leichte masernähnliche Symptomatik mit subfebrilen Temperaturen möglich.

Impfkomplikationen

Inline graphic Bei regelrechter Anwendung der amtlich zugelassenen Impfstoffe extrem selten.

  • Bei Verdacht: Immunstatus und ggf. interkurrente Infektionen zum Zeitpunkt der Impfung abklären → Serum und ggf. mikrobiologische Proben (Serum-Stuhlproben) asservieren.

  • Meldung an das örtliche Gesundheitsamt und die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Herbert-Levin-Platz 1, 10623 Berlin, Tel. (030) 40 04 56–5 00, Fax (030) 40 04 56–5 55.

  • Impfling bzw. Eltern/Sorgeberechtigte auf gesetzliche Regelungen zur Versorgung nach Impfschäden hinweisen (IfSG §§ 60–64, 66). Der Antrag ist beim zuständigen Versorgungsamt zu stellen.

Impfdokumentation

  • Immer doppelte Dokumentation durchführen (in den Impfunterlagen des Impflings und in den Aufzeichnungen des Arztes).

  • Möglichst vorhandene Dokumente (Impfbücher) weiterführen. Falls diese nicht vorliegen, kann eine separate Bescheinigung ausgestellt werden. Zum späteren Nachtrag in Impfbücher ist jeder Arzt berechtigt.

  • Bei Neuausgabe von Impfbüchern WHO-gerechte Formulare bevorzugen („Internationale Bescheinigungen über Impfungen und Impfbuch”, erhältlich beim Deutschen Grünen Kreuz, s. o.).

  • Dokumentiert werden: Tag der Impfung; Art der Impfung; Bezeichnung des Impfstoffs (Handelsname); Chargen-Nummer (sehr wichtig!); impfender Arzt.

Abrechnung von Impfungen

  • Kassenleistung sind alle öffentlich empfohlenen Impfungen. Die Einstufung erfolgt durch die STIKO und kann sich von Bundesland zu Bundesland unterscheiden.

  • Kosten für Indikationsimpfungen aufgrund beruflicher Risiken werden von der gesetzlich benannten Stelle (i. d.R. Arbeitgeber) übernommen.

  • Sonder- und Reiseimpfungen müssen privat abgerechnet werden.

9.2.2. Impftabellarium

Um mit möglichst wenig Injektionen auszukommen, sollten Kombinationsimpfstoffe bevorzugt werden. Wichtige Kombinationsimpfstoffe sind:

Tab. 9.5.

Indikations- und Sonderimpfungen

Ausfürliche Informationen Inline graphic9.2.3
Impfung Personenkreis Impfmodus Wiederimpfung Vorsichtsmaßnahmen
FSME (Tl) Personen mit Naturkontakt in Endemiegebieten** Grundimmunisierung: 0/4 Wo./I J. i. m. Alle 5 J. 1 Dosis Hünereiweiß-Allergie, neurologische Stöungen

Passive Immunisierung Immunglobulin Schutz fü 4 Wo. Schutzquote nur 60%

Hepatitis A (Tl) Exponiertes Personal, z. B. im Medizinbereich, Homosexuelle, Häo-phile, Kontaktpersonen zu HA-Erkrankten Grundimmunisierung nach Angaben des Herstellers, 2 bzw. 3 Injektionen Alle 10 J. 1 Dosis Vortestung auf HA-AK, bei Geburtsjahr vor 1950 oder langem Aufenthalt im Endemiegeb.

Postexpositionsprophylaxe Immunglobulin Schutz fü 3 Mon.

Hepatitis B (Tl) Medizinisches und zahnmedizinisches Personal; Pat. mit häfiger Übertragung von Blutprodukten; Kontaktpersonen Erkrankter
  • Grundimmunisierung: 0/4 Wo./6 Mon. i. m.; bei Risikogruppen: Titerkontrolle

Titer 6 Wo. nach letzter Impfung: Keine bes.

  • Postexpositionell: Aktive und passive Immunisierung

  • < 100 IE/I: Sofort


  • > 100 IE/I: 10 J.


Masern (Ll) Mumps (Ll) Exponierte Personen** Masern-Mumps- Röeln (MMR) Kombinationsstoff 1 Dosis (0,5 ml) s.c. Nicht vorgesehen Grav., Neomycin-Allergie, Hünereiweiß-Allergie; Kl: Immundefizienz

Tollwut***(Tl) Postexpositionell 6 Impfungen an den Tagen: 0–3-7–14-30–90; bei massiver Exposition zusäzlich am Tag 0 Tollwut-Immun-globulin 20 IE/kg KG Keine, da vitale Ind.

Präxpositionell bei Veterinäen, Forstpersonal Grundimmunisierung: 0/1 Wo./4 WO./1 J. Bei erneuter Exposition 3 Injektionen: 0/3/7 d, sonst alle 3 J. Bei gefärdetem Laborpersonal alle 6 Mon. Titerkontrollen; Impfung, wenn < 0,5 IE/ml

Varizellen (Ll)* Seroneg. Personal mit Exposition oder Frauen mit Kinderwunsch, Leukäiepat., chron. Erkr., geplante Immun-suppression 1 Dosis s.c. Bei Immun-suppression nach 6 Mon.; sonst nicht erforderlich Kl: Grav., HIV-Inf., starke Immunsup-pression

Ll = Lebendimpfstoff, Tl = Totimpfstoff.

*

In manchen Bundeslädern öfentlich empfohlen.

**

Ungeimpfte, empfägliche o. gefärdete Erwachsene, z. B. in Gemeinschaftseinrichtungen mit gehäftem Auftreten der Erkrankung.

***

Ausfürliche Informationen (Inline graphic9.2.3) beachten!.

9.2.3. Impfungen nach Alphabet geordnet

Cholera-Impfung

Indikation

Fragwürdig. Reisen in Cholera-Endemiegebiete. Freiwillige Sonderimpfung. Von der WHO nicht mehr empfohlen (unzureichende Schutzwirkung), kann jedoch von nationalen Gesundheitsbehörden bei der Einreise gefordert werden.

Impfstoff

Parenterale Ganzkeimvakzine, Totimpfstoff. Adsorbatimpfstoff.

Impfmodus

2 Injektionen, s. c. im Abstand von 1–4 Wo. (Cholera-Impfstoff Behring®: 1. Inj. 0,5 ml, 2. Inj. 1 ml); Kinder von 1–10 J. die halbe Dosis.

Nebenwirkungen

Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen, schmerzhafte Lokalreaktion. Zahnherde, Nieren-und Gallensteine können aktiviert werden.

Schutzwirkung

Ab 6. d p. v; Schutzquote: 40–80%; Dauer: Mind. 6 Mon.

Wiederimpfung

Im Bedarfsfall nach 6 Mon.

Kontraindikationen

Gravidität, rheumatische Erkr., Antikoagulanzien, neurologische Erkr., chron. Herz-, Leber-, Nierenerkrankungen.

Besonderheiten

Verhütet nicht Inf., jedoch schwere Erkr. Lokale und allg. NW häufig, Provokationsreiz auf latente und chron. Entzündungen. Keine Immunität nach Überstehen einer Cholera!

Passive Immunisierung

Nicht verfügbar.

Diphtherie-Impfung

Diphtherie Inline graphic 9.3.6.

Indikation

Standardimpfung für Kinder und Erw. Auffrischimpfung bei Exposition. Z. n. Diphtherie, da die Erkr. keine zuverlässige Immunität hinterlässt.

Impfstoff

Totimpfstoff, Toxoid, Adsorbatimpfstoff.

Impfmodus

  • Grundimmunisierung ab vollendetem 2. Lebensmon. mit 3 Injektionen (0,5 ml i.m.), Impfschema: 0/4–8 Wo./7–12 Mon. (Inline graphic 9.2.2, Tab. 9.3 , Tab. 9.4 ).

  • Bei Kindern mit Kombinationsimpfstoffen gegen Diphtherie (D), Tetanus (T), Haem. infl. Typ B (HiB), Pertussis (P) und Hep. B. Verfügbare Präparate Inline graphic Tab. 9.2 .

  • Impfstoff für Kinder (z. B. von Behring®) bis zum vollendeten 5. Lj.: 75 IE Toxoid. Vom 5. bis zum vollendeten 6. Lj. mit reduzierter Dosis = 30 IE impfen (0,2 ml des Kinderimpfstoffs). Ab dem 6. Lj. Erw.-Impfstoff „d” mit 5 IE Toxoid (Diphtherie-Adsorbat-Impfstoff Behring® für Erw.) anwenden!

  • Erw. mit Grundimmunisierung: Alle 10 J. 1 Injektion (= 0,5 ml) mit Kombinationsimpfstoff Tetanus-Diphtherie (Td-Impfstoff-Behring®; bei Antikoagulation auch s. c. Gabe möglich). Bei ausreichender Tetanus-Immunität Impfung mit „d”-Diphtherie-Monovakzine.

Tab. 9.3.

Impfkalender Kinder- und Jugendimpfungen

Impfstoff
Vollendeter Lebensmonat
Vollendetes Lebensjahr
Geb. 2 3 4 11–14 15–23 5–6 9–17
DTaP' 1. 2. 3. 4.

Td A A

aP A

Hib* 1. 2.** 3. 4.

HB Np 1. 2.** 3. 4. 6

IPV 1. 2.** 3. 4. A

MMR 1. 2.***

Varizellen 1. 6****

DTaP: Diphtherie, Tetanus, Pertussis azellulä.

Td: Kombinationsimpfstoff Tetanus mit reduziertem Diphtherie-Toxoidgehalt ab > 5 U.

aP: Pertussis azellulä.

Hib: Haemophilus influenzae Typ B.

HB: Hepatitis B.

IPV: Inaktivierte Poliovakzine.

MMR: Masern, Mumps, Röeln.

Np: Postexpositionelle Hep.-B-Prophylaxe bei Neugeborenen HBsAg-pos. Müter (Inline graphic9.2.3).

A: Auffrischimpfung, Abstand zur letzten Impfung mind. 5 J.

G: Grundimmunisierung aller bislang ungeimpften Kinder bzw. Komplettierung eines unvollstädigen Impfschutzes

*

Abstäde zwischen 1. und 2. sowie 2. und 3. Impfung mind. 4 Wo.; Abstand zwischen 3. und 4. Impfung mind. 6 Mon.

**

Bei monovalenter Anwendung bzw. bei Kombinationsimpfstoffen ohne Pertussiskomponente kann diese Dosis entfallen

***

Ein Mon. Mindestabstand zwischen den MMR-Impfungen.

****

Ungeimpfte Kinder ohne pos. Varizellen-Anamnese, 9–13 J. 1 Dosis, Kinder ab 13 J. 2 Dosen im Abstand von 6 Wo.

(öfentlich empfohlene Impfungen der STIKO, Stand 7/2005; Quelle: Epid. Bulletin 30/2005)

Tab. 9.4.

Standardimpfungen fü Erwachsene

Impfung Personenkreis Impfmodus Wiederimpfung Vorsichtsmaßnahmen
Tetanus (Tl) Diphterie (Tl) Alle Erw. Grundimmunisierung mit Diphtherie-Tetanus (Td); Kombinati-onsimpfstoff:0/4Wo./1 J.; 0,5 ml i.m., Tetanus bei Verletzung* Bei Verletzung*; sonst alle 10 J. 1 Dosis Allergische Reaktionen

Polio-Salk (Tl) Alle Erw. 0/8 Wo./6 Mon.bzw. 1 J. 1 Dosis alle 10 J. Keine speziellen

Influenza (Tl) Personen > 60 J. oder mit chron. Erkr. von Herz und Lunge und beruflich Exponierte Im Herbst eine Dosis i. m. Järlich im Herbst. Cave: Erregerwechsel Hünereiweiß-Allergie

Pneumo-kokken (Tl) Wie Influenza; geplante Splenektomie; Asplenie; beruflich Exponierte Jugendliche 2 Injektionen: 0/4 Wo. s.c, Erw. nur 1 Dosis 1 Dosis, Erw. und Jugendliche alle 6J. Zeitabstand zur Wiederimpfung beachten!

Röeln (Ll) Alle seroneg. F mit Kinderwunsch Röeln-Monovakzine 1 Dosis (0,5 ml) s.c. oder Masern-Mumps-Röeln; Kombinationsimpfstoff 1 Dosis (0,5 ml) s.c. Falls Röeln-AK unter 1 : 32 in HAH. Titerkontrolle 4 Wo. p.v. Neomycin-Allergie, Hünereiweiß-Allergie Kl: Grav.**; Immundefi-zienz

Ausfürliche Informationen (Inline graphic9.2.3); Ll = Lebendimpfstoff, Tl = Totimpfstoff.

*

Vorgehen (Inline graphic9.2.3).

**

Bei versehentlicher Impfung ist ein Schwangerschaftsabbruch nicht indiziert.

(öfentlich empfohlene Impfungen der STIKO, Stand 7/2005; Quelle: Epid. Bulletin 30/2005)

Tab. 9.2.

Kombinationsimpfstoffe

Tetanus Diphtherie Pertussis Polio (Salk) HiB Hepatitis A Hepatitis B Komb.-Impfstoffe Präarate, z. B.
× × DT-Impfstoff Behring®, DT-Impfstoff Merieux®, Td-Impfstoff Merieux®, Td-pur®, Td-Rix®

× × × DTP-Impfstoff Me-rieux®, Infanrix® DTPa, Boostrix®

× × × × Infanrix® + Hib

× × × × Quatro-Virelon®, TETRAVAC®

× × × REVAXIS®

× × × × Repevax®

× × × × × PENTAVAC®, Infanrix-IPV + Hib

× × × × × × HEXAVAC®, Infanrix hexa®

× × PROCOMVAX®

× × Twinrix®

Masern Mumps Röeln

× × M-MVax®

× × × MMR Triplovax®, M-M-RVax®, Priorix®

Nebenwirkungen

Am Impftag oder dem darauf folgenden Tag Temperatur ↑ bei 2–3% der Säuglinge. Selten verstärkte Lokalreaktion. „d”-Impfstoff bisher ohne Begleiterscheinungen.

Schutzwirkung

1 Wo. nach der 2. Impfung; Konversionsrate: Über 98%; Schutzquote: Ca. 80%. Keine letalen Verläufe bei Geimpften. Dauer: Primär 5–7 J. Nach Booster im 7. J. wesentlich länger.

Wiederimpfungen

1. Booster vor Schulbeginn, 2. mit ca. 10 J., danach alle 10 J. Bei Expositionsgefahr Auffrischimpfung mit 1 Dosis, wenn Grundimmunisierung mehr als 3 J. zurückliegt. Bei Verletzungen Impfung mit Tetanus-Monovakzine, wenn letzte Td-Impfung < 5–10 J. Bei Verletzung und unvollständiger o. unbekannter Grundimmunisierung Td-Impfstoff plus Tetanus-Immunglobulin.

Kontraindikationen

Keine bes., allg. KI (Inline graphic 9.2.1).

Besonderheiten

Impfung verleiht antitoxiode, aber keine antiinfektiöse Immunität; verhindert kein Keimträgertum.

FSME-Impfung

FSME Inline graphic 9.4.7.

Indikation

Personen in Endemiegebieten (z. B. Donautal, Bayerischer Wald, Oberrhein und Seitentäler, nichtalpine Gebiete in Österreich, ganz Tschechien, Gebiete in Osteuropa, Skandinavien und Sibirien) mit Naturkontakt: Wanderer, Waldarbeiter, Hobbygärtner. Reiseimpfung.

Impfstoff

Impfstoffe mit abgetöteten Viren:

  • Encepur® FSME-Vaccine Behring, inaktiviertes Virus Stamm K23 1,5 μg, zugelassen für Kinder ab vollendetem 12. Lj.

  • Encepur® Kinder für Kinder ab vollendetem 1. Lj bis zum vollendeten 12. Lj.

Impfmodus

Kinder und Erw.: Zweimalige Inj. (0,5 ml) i. m. im Abstand von 1–3 Mon., 3. Impfung nach 9–12 Mon. Schema für Schnellimmunisierung: 0/7/21 Tage.

Nebenwirkungen

Starke Lokalreaktion, Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, Fieber. Selten Meningismus. In Einzelfällen Guillain-Barré-Syndrom.

Schutzwirkung

2 Wo. p.v; Dauer: über 3 J.; Konversionsrate: 98%. Schutzwirkung auch gegen russischen und fernöstlichen Subtyp.

Wiederimpfung

Alle 5 J. KI: Allergie gegen Hühnereiweiß (Inline graphic 9.2.4).

Besonderheiten

Relative Kreuzimmunität zum Gelbfiebervirus. Bei Kindern < 12 J. i. d.R. blander Verlauf der FSME-Erkr. WW: Nach Gabe von FSME-Immunglobulin 4 Wo. Abstand zur FSME-Impfung einhalten.

Passive Immunisierung

Indikation

Bei ängstlichen Pat. aufgrund einer niedrigen Aufwand-Nutzen-Ratio die Ind. zurückhaltend stellen und Pat. zur aktiven FSME-Impfung motivieren. Impfabstand zum Zeckenbiss von 3 Wo. einhalten, um sich die Möglichkeiten der Serodiagn. im Fall einer FSME-Inf. zu bewahren.

Dosis

Nach Zeckenbiss in den ersten 72 h p. i. FSME-Immunoglobulin FSME-Bulin® 0,1 ml/kg KG tief i. m. Vor Einreise in Endemiegebiet FSME-Bulin s® 0,05 ml/kg KG i. m.

Schutzwirkung

Nur in 60–66% für 3–5 Wo.

Nebenwirkungen

Bei richtig durchgeführter Injektion keine.

Gelbfieber-Impfung

Indikation

Sonderimpfung; Reisen in Gelbfiebergebiete (in Afrika zwischen 15° nördlicher und 15° südlicher Breite sowie in Südamerika Amazonasgebiet). Für Einreise in diese Länder meist obligatorisch (bei Impfstelle erfragen), Kinder ≥ 9 Mon. Impfung auch dringend anzuraten.

  • Bei Reisen in Gelbfiebergebiete ohne Impfvorschrift (Impfvorschriften Inline graphic 9.2.3 und Inline graphic Tab. 9.8 ).

  • Angesichts unvorhergesehener Änderungen der Reiseroute oder Zwischenlandungen in Ländern, die eine Gelbfieberimpfung vorschreiben.

Tab. 9.8.

Kurzüersicht: Vorkommen und Prophylaxe von Tropenkrankheiten in ausgewälten Regionen

Reiseziel Malaria Gelbfieber Empfohlene Impfungen Bilharziose Filariosen Leishmaniose
V M K
Europa, Mittelmeerküte (+) +

Afrika

Ägypten (+), A Z HA, T ++ + +

Nordafrika (+), A Z HA, T + + +

Westafrika ++, C E HA, T;HB, R, M ++ OC+, LF (+) (+)

Ostafrika ++, C Z, e HA, T;HB, R, M ++ LF, OC + +

Süafrika, nödl. Teil ++, C Z HA, T +

Süafrika, Kap Z HA, T (+)

Amerika

Karibik Haiti ++, A Z HA, T (+) Haiti: LF

Mexiko, Hochland Z HA, T OC (+) (+)

Mexiko, Pazifikküte ++, A Z HA, T OC (+) (+) (+)

Mittelamerika ++, A Z HA, T OC (+) (+) (+)

Mittelamerika (Panama) ++, c E HA, T; M OC (+) (+)

Venezuela, Küte (+), C e HA, T; M + OC (+) + +

Venezuela, Hinterland ++, c e HA, T; M + +

Brasilien, Amazonas ++, c G, e HA, T; M OC (+) + +

Brasilien, süötl. Kütenregion G, e HA, T; M ++ + + +

Kolumbien, Ecuador ++1), c e HA, T OC (+) (+) (+)

Peru, Bolivien ++1), A Z, e HA, T (+)

Asien

Naher Osten +, A z} HA, T + + +

Jemen ++, B Z HA, T + OC + +

Indien, Pakistan ++, B Z HA, T; HB, J, R LF + +

China (sül. 35. Breitengrad) +, A Z HA, T; HB, J + LF +

Süostasien ++, c Z HA, T; HB, J, R + LF

Asien

Indonesien ++, B Z HA, T LF

Philippinen ++, B Z HA, T +

Australien z

• Malaria: A, B, C = WHO-Klassifikation; Risiko: – kein, (+) gering, + mäig, ++ hoch,]) in den Hochlagen kein Malariarisiko.

• Gelbfieber: e = Impfung empfohlen: E = Impfbescheinigung erforderlich: Z = Impfzertifikat erforderlich bei Einreise aus Gelbfiebergebieten fü Personen äter als 12 Mon. (* in einigen Lädern 6 Mon.), je nach Staat unterschiedliche Regelung.

• Empfohlene Impfungen: HA = Hep. A, T = Typhus. Bei bes. Risiko zusäzlich: HB = Hep. B, J = Japan-Enzephalitis, M = Meningokokken, R = Tollwut.

• Filariosen: OC = Onchozerkose (Flussblindheit), LF = lymphatische Filariose (Elephantiasis). Außer in Westafrika Risiko fü Touristen sehr gering.

• Leishmaniose: V = viszeral, M = mukokutan, K = kutan. FÜ Touristen nur geringes Risiko.

Impfstoff

Lebendimpfstoff. Kühlkette!

Impfmodus

1 Injektion (0,5 ml) i. m. oder s. c., nur durch staatlich autorisierte Impfstellen.

Nebenwirkungen

Bei immundefizienten Personen Gelbfiebersymptomatik.

Schutzwirkung

Ab 10. d nach Erstimpfung, ab 1. d nach Wiederimpfung: Konversionsrate: > 99%; Schutzquote: > 99%; Dauer: 10–15 J. Amtliche Anerkennung: 10 J.

Wiederimpfung

Alle 10 J. bei Bedarf.

Kontraindikationen

Klinisch relevante Hühnereiweißallergie, manifeste Immundefizienz; Gravidität, außer bei Expositionsgefahr. Keine Impfung von Kindern < 9 Mon. Kontaktpersonen von immundefizienten Pat. sollten nicht mit Lebendvakzinen geimpft werden.

Besonderheiten

WW: Abstand zu anderen Lebendimpfungen 4 Wo., nach Immunglobulingabe Abstand von 4 Wo.

Passive Immunisierung

Nicht verfügbar.

Weitere Gelbfieberprophylaxe

Expositionsprophylaxe: Wie bei Malaria (Inline graphic 9.10.7).

Haemophilus-influenzae-Typ-B-Impfung

Indikation

Kinder von 3 Mon.-5 J. Hauptrisikogruppe sind Kinder im Alter von 6–18 Mon. (für sie ist die Impfung öffentlich empfohlen).

Impfstoff

Totimpfstoff als Monovakzine, z. B. HibTITER®, oder Bestandteil von Polyvakzinen (Inline graphic Tab. 9.2).

Impfmodus

Ab vollendetem 2. Lebensmon.: 3 Injektionen (0,5 ml) i. m., im Abstand von 4–6 Wo., 6–12 Mon.; danach Auffrisch-Impfung. Ab dem 12. Lebensmon. nur noch 1 Injektion (Inline graphic 9.2.2, Tab. 9.3).

Nebenwirkungen

Kopfschmerzen, Temperaturerhöhung.

Schutzwirkung

Konversionsrate: Ca. 90%. Dauer: Noch unbekannt. Impfung schützt gegen invasive hämatogene Erregerausbreitung, z. B. in das ZNS, nicht aber gegen Otitis oder Sinusitis. Keimträgertum wird nicht verhindert.

Wiederimpfung

Nicht vorgesehen.

Kontraindikationen

Keine bes., allg. KI (Inline graphic 9.2.1).

Besonderheiten

HiB-Meningitis hinterlässt nicht immer zuverlässige Immunität. Deshalb Impfung 6–8 Wo. nach Erkrankung nachholen.

Passive Immunisierung

Nicht verfügbar.

Chemoprophylaxe der HiB-Meningitis

Erfolgt mit Rifampicin, z. B. Rifa®, Rimactan®.

Indikation

Asymptomatische HiB-Träger jeden Alters können Zweiterkr. verursachen! Deshalb alle Personen (einschließlich Erw., auch geimpfte Personen) im Haushalt des Erkrankten einbeziehen, falls in der Familie mind. ein Kind < 4 J.

Vorgehen

Einnahme von Rifampicin 30–60 Min. vor einer Mahlzeit.

Nebenwirkungen

Rifampicin verursacht eine Orangefärbung von Urin, Schweiß, Tränen und Speichel. In 20% leichte gastrointestinale NW (Übelkeit, Erbrechen, Durchfall).

Kontraindikationen

Gravidität; Leberschäden.

Tab. 9.9.

HiB-Umgebungsprophylaxe

Alter der Kontaktpersonen Rifampicin: Tagesdosis, Einzeldosen, Dauer
< 1 Mon. 10 mg/kg KG/d in 1 Einzeldosis fü 4 d

1 Mon. bis 12 J. 20 mg/kg KG/d in 1 Einzeldosis fü 4 d (> 450 mg/d)

> 12 J. 600 mg/d in 1 Einzeldosis fü 4 d

Schwangere ggf. Ceftriaxon 250 mg i. m.

Hepatitis-A-Impfung

Kostenübernahme indikationsbezogen durch Krankenkassen.

Indikation

Reisende in Gebiete mit hoher Hep.-A-Durchseuchung (Naher Osten, Afrika, Südostasien, Südamerika), Indikationsimpfung für Angehörige von Entwicklungsdiensten, Hep.-A-gefährdetes Personal medizinischer Einrichtungen und Laboratorien, Personal in Kindertagesstätten, Einrichtungen für geistig Behinderte, Abwasserentsorgung, homosexuelle Männer, Hämophile.

Impfstoff

Totimpfstoffe mit oder ohne Aluminiumhydroxid.

  • Havrix® 720 mit 720 Antigeneinheiten bei Kindern ab dem 2. Lj. bis zum vollendeten 15. Lj.

  • Havrix® 1440 mit 1440 Antigeneinheiten ab einem Alter von 15. J.

  • EPAXAL® und HAVpur®: 500 Antigeneinheiten, Kinder ab dem 2. Lj. und Erw.

Impfmodus

2 Injektionen à 1 ml i. m. bevorzugt in den M. deltoideus im Abstand von 6–12 Mon. Bei Impfstoffen der ersten Generation 3 Impfungen.

Nebenwirkungen

Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen, verstärkte Lokalreaktion.

Schutzwirkung

Nach der 2. Impfung; Konversionsrate: 95%. Dauer: Noch nicht gesichert, 5–10 J. werden angenommen.

Die Abreise kann nach Immunglobulingabe sofort erfolgen, sonst möglichst erst nach der 2. Impfung. Eine eingeleitete Grundimmunisierung bei Reisenden (im Ausland, nach der Rückkehr) und bei Kontaktpersonen sollte in jedem Fall vervollständigt werden.

Wiederimpfung

Alle 10 J.

Kontraindikationen

Strenge Indikationsstellung bei Schwangeren.

Besonderheiten

Vor Impfung Anti-HAV-Titer bestimmen, sofern Pat. vor 1950 geboren wurde; bei Antikoagulation ist auch s. c. Gabe möglich.

Passive Immunisierung

Impfstoff

Nichtspezifisches Gammaglobulin (IgG).

Indikation

Wenn aktive Immunisierung nicht möglich ist. PEP bei engem Kontakt zu Erkrankten bzw. Konsum HA-Virus-kontaminierter Nahrungsmittel. Immunglobulingabe bis zu 10 d nach Exposition sinnvoll.

Dosierung

Herstellerinformationen beachten, z. B. Beriglobin®: Pers. ⩽ 20 kg 2 ml i.m.; Pers. > 20 kg 5 ml i. m.

Aktive Immunisierung

Impfmodus

Grundimmunisierung: Bei den neueren Impfstoffen (z. B. Havrix 1440®, VAQTA®) 2 Impfungen in den M. deltoideus. Schema 0/6–12 Mon.

Hepatitis-B-Impfung

Virushepatitiden Inline graphic 8.7.1.

Indikation

Öffentlich empfohlene Standardimpfung bei Kindern ab vollendetem 2. Lebensmon. und Jugendlichen bis zum 17. Lj. Indikationsimpfung bei Personen mit bes. Risiko, sowie als PEP.

  • Präexpositionell: (Indikationsgruppen 1–7).
    • Hep.-B-gefährdetes medizinisches und zahnmedizinisches Personal; andere Personengruppen mit Infektionsrisiko durch Blutkontakt zu Infizierten, z. B. Polizisten, Feuerwehr (1).
    • Dialysepat., Pat. mit häufiger Übertragung von Blut und Blutprodukten, Pat. vor ausgedehnten chirurgischen Eingriffen (2).
    • Pat. mit chron. Lebererkr., die HbsAg-neg. sind (3).
    • Durch Kontakt mit HBsAg-Trägern in Familie und Gemeinschaft (z. B. in Kindergärten, Kinderheimen, Pflegestätten) potenziell gefährdete Personen (4).
    • Pat. in psychiatrischen Anstalten oder Einrichtungen für Zerebralgeschädigte oder Verhaltensgestörte (5).
    • Bes. Risikogruppen, wie z. B. homosexuell aktive Männer, i. v. Drogenabhängige, Prostituierte, länger einsitzende Strafgefangene (6).
    • Reisende in Regionen mit hoher Hep.-B-Prävalenz (Entwicklungsländer) bei längerfristigem Aufenthalt (ab 6 Mon.) oder bei zu erwartenden engen Kontakten zur einheimischen Bevölkerung (7).
  • Postexpositionell: Nach Verletzung mit möglicherweise HBV-kontaminierten Gegenständen (z. B. Injektionsnadel). Neugeborene HBsAg-pos. Mütter.

Inline graphic Schwangere werden entsprechend den Mutterschaftsrichtlinien nach der 32. SSW möglichst nahe dem Geburtstermin auf HBsAg untersucht. Bei pos. Ergebnis wird unmittelbar post partum mit der Hep.-B-Immunisierung des Kindes (Simultanimpfung) begonnen.

Wenn der pos. HBsAg-Status der Mutter erst nachträglich bekannt wird, kann die passive Immunisierung bis 7 Tage post partum nachgeholt werden. Nach abgeschlossener Grundimmunisierung beim Kind serol. Kontrolle (Anti-HBs, HBsAg).

Impfstoff

Totimpfstoff, Adsorbatimpfstoff.

  • Gen H-B Vax®: Für Erw. und Kinder > 10 J., enthält 20 μg HBsAg.

  • Gen H-B Vax-K pro infantibus®: Für Kinder < 10 J., enthält 10 μg HBsAg.

  • Gen H-B Vax-D®: Für Dialysepat., enthält 40 μg HBsAg.

Impfmodus

  • Grundimmunisierung mit 3 Impfungen, Injektion bevorzugt in den M. deltoideus. Schema: 0/4 Wo./6–12 Mon. Titerkontrolle 4 Wo. nach der 3. Dosis.

  • PEP innerhalb von 24 h durchführen (sinnvoll bis 72 h). Gabe von Hep.-B-Im-munglobulin (je nach Präparat i. v. oder i. m., z. B. Hepatect®: 6–12 IE/kg KG i. v.; Neugeborene: 20 IE/kg KG). Simultan an anderer Stelle Applikation der Hep.-B-Vakzine. Anschließend bei fehlender bzw. unvollständiger Grundimmunisierung die weiteren Impfungen entsprechend den Richtlinien nachholen.

Tab. 9.11.

Hepatitis-B-Postexpositionsprophylaxe (PEP)

Vorgeschichte Keine Maßnahmen Anti-HBs-Bestimmung Anti-HBs (IU/1) Hep.-B-Vakzine Hep.-B-Immunglobulin
Anti-HBs nach Grundimmunisierung > 100 IU/1 und letzte Impfung vor ⩽ 5 J. Ja

Innerhalb der letzten 12 Mon. wurde ein Anti-HBs-Wert > 100 IU/1 gemessen Ja

Anti-HBs nach Grundimmunisierung war > 100 IU/1 und letzte Impfung vor 5–10 J. Nein Ja Nein

Nicht oder unvollstädig geimpft, der Impferfolg wurde nie kontrolliert > 100 Nein Nein

Lowresponder (Anti-HBs nach Grundimmunisierung < 100 IU/1) Ja 10 < n < 100 Ja Nein

Letzte Impfung liegt mehr als 10 J. zurük < 10 Ja Ja

Anti-HBs nicht binnen 48 h zu bestimmen Ja Ja

Non-/Lowresponder

Immunologisch Gesunde sprechen in ca. 5% nicht oder nur schlecht auf die Hep.-B-Impfung an (Anti-HBs-Werte < 10 IE/1 1–2 Mon. nach 3. Dosis) – genetische Faktoren scheinen eine Rolle zu spielen. Durch bis zu 3 weitere Impfungen im Abstand von ca. 3 Mon. wird in ca. 70% dieser Fälle eine ausreichende Anti-HBs-Bildung erreicht. Wenn auch dann kein Anti-HBs gebildet wird, handelt es sich um echte Nonresponder, die nicht durch Impfung gegen Hep. B geschützt werden können.

Schutzwirkung

Abhängig vom Titer; nach bisherigen Erfahrungen mind. 10 J.; Konversionsrate: Bei jüngeren Personen ca. 97%; bei Personen zwischen 50 und 60 J. 40–50%.

Wiederimpfung

  • Bei den ersten vier Indikationsgruppen nach Anti-HBs-Serostatus, Auffrischimpfung abhängig vom, nach abgeschlossener Grundimmunisierung erreichten, Anti-HBs-Titer, 1–2 Mon. nach 3. Dosis:
    • Bei Anti-HBs-Werten < 100 IE/l erneute Impfung (eine Dosis) und Kontrolle nach einem Mon.
    • Bei Anti-HBs-Werten ≥ 100 IE/l Auffrischimpfung (eine Dosis) nach 10 J.
  • Bei Immundefizienz regelmäßige Kontrollen alle 3–6 Mon. Bei Fortbestehen des Infektionsrisikos in Indikationsgruppen 5–7 alle 10 J. Auffrischimpfung ohne serol. Kontrolle.

Nebenwirkungen

Lokaler Schmerz, selten Fieber.

Kontraindikationen

Keine bes., allg. KI (Inline graphic 9.2.1).

Besonderheiten

  • Kontrolle des Impferfolgs bei medizinischem Personal unbedingt erforderlich. Bei Antikoagulation s. c. Gabe möglich.

  • Die Impfung gegen Hep. B schützt auch vor einer Hep. D (= Delta), da deren Erreger zur Infektion und Vermehrung die Hilfe des Hep.-B-Virus benötigt.

Passive Immunisierung

Nach Exposition Simultanimpfung.

Kombinationsimpfstoff Hepatitis A und B

Inline graphic Indikations- oder Reiseimpfung.

Impfstoff

Totimpfstoff; Erw.: 20 μg HBsAg − 720 HAV-Antigene; Kinder: 10 μg HBsAg − 360 HAV-Antigene.

Indikation

Kinderimpfstoff vom 2.–15. Lj., Erwachsenenimpfstoff ab 16. Lj.

Impfmodus

Grundimmunisierung: 3 Impfungen, Injektion in den M. deltoideus, z. B. Twinrix®, 1 ml. Schema: 0/4–6 Wo./6–12 Mon.

Nebenwirkungen

Lokaler Schmerz, selten Fieber.

Kontraindikationen

Keine bes., allg. KI (Inline graphic 9.2.1).

Besonderheiten

Wie bei Monovakzinen für Hep. A und Hep. B.

Influenza-Impfung, „Grippeschutzimpfung”

Influenza Inline graphic 9.4.4.

Indikation

Öffentlich empfohlene Impfung für Pers. ab 60. Lj. und Pat. mit chron. Erkr., bes. Herz- und Lungenerkr., bei Erw. und Kindern ab 6 Mon. Auch in der Grav. möglich und sinnvoll. Empfohlen für Beschäftigte im Gesundheitswesen.

Impfstoff

Totimpfstoff, Adsorbatimpfstoff. Wegen der Variabilität der Influenza-Viren wird jedes Jahr ein aktualisierter Impfstoff angeboten.

Impfmodus

Im Herbst mit dem jeweils aktuellen Impfstoff.

  • Erw. und Kinder ab dem 3. Lj.: 1 Dosis i.m., z. B. Influsplit SSW® 0,5 ml.

  • Bislang ungeimpfte Kinder von 3–12 J.: 2 ED à 0,5 ml i. m. im Abstand von 4 Wo.

  • Kinder von 6 Mon.-3 J.: 2-mal ½ Dosis i. m., z. B. Influsplit SSW® 0,25 ml, im Abstand von 4 Wo.

Nebenwirkungen

Gelegentlich verstärkte Lokalreaktion; Kopf- und Gliederschmerzen; nach häufigen Wiederimpfungen selten Vaskulitis.

Schutzwirkung

Ca. 2 Wo. nach der Impfung; Dauer: Über die Wintersaison. Konversionsrate: Ca. 90% (HAHT nach Hirst > 1: 40); Schutzquote: Je nach Antigenkorrespondenz: Schutz vor Erkr. 50–60%; Schutz vor schweren Verläufen 90%.

Wiederimpfung

Jährlich im Herbst vor Beginn der Grippesaison.

Kontraindikationen

Klinisch relevante Hühnereiweißallergie.

Besonderheiten

Schützt nur gegen Erkrankung an Influenza, nicht jedoch vor grippalen Infekten. Bei Antikoagulation ist auch s. c. Gabe möglich.

Passive Immunisierung

Wegen Variabilität des Erregers nicht sinnvoll, ggf. Chemoprophylaxe mit dem Neur-aminidase-Inhibitor Zanamivir, z. B. Relenza® (Inline graphic 9.4.4, Influenza).

Japan-Enzephalitis-Impfung

Indikation

Sonderimpfung; längerer Aufenthalt (> 4 Wo.) während der Übertragungszeit (in den Tropen während der Regenzeit, in gemäßigten Zonen v. a. von Spätsommer bis Frühherbst) in Endemiegebieten (Süd- und Ostasien), Bevölkerung in Endemiegebieten.

Impfstoff

Totimpfstoff; abgetötete Viren.

Impfmodus

3 Impfungen von 1,0 ml s. c. an den Tagen 0/7/30. Kinder < 3 J. mit ½ Dosis. Auffrischimpfung nach 1 J.

Nebenwirkungen

0,5–1% allergische Reaktionen (sofort oder verzögert 2–3 d p. v.); Kopf- und Gliederschmerzen, gastrointestinale Beschwerden.

Schutzwirkung

2 Wo. p. v.; Konversionsrate: > 90%; Dauer: mind. 4 J.

Wiederimpfung

Nach 1–4 J.

Kontraindikationen

Keine bes., allg. KI (Inline graphic 9.2.1).

Besonderheiten

Impfstoff in Deutschland nicht zugelassen, kann aber über eine internationale Apotheke bezogen werden. Impfungen meist nur an Gelbfieber-Impfstellen.

Passive Immunisierung

Nicht verfügbar.

Masern-Impfung

Masern Inline graphic 16.7.1.

Indikation

  • Öffentlich empfohlene Impfung bei Kindern ab vollendetem 2. Lebensmon. und Jugendlichen. Ziel ist die Eradikation der Masern.

  • Öffentlich empfohlen für ungeimpftes medizinisches Personal und Personal in der Kinderbetreuung.

Anamnestische Angaben über durchgemachte Masern ohne serol. Kontrolle nicht verwertbar. Vorgesehene Impfung zum Impftermin in jedem Fall durchführen, da NW bei Impfung nach durchgemachter Infektion oder mehrfachen Impfungen nicht bekannt.

Impfstoff

Lebendimpfstoff, attenuiertes Masernvirus, Kühlkette! Gegen Licht und Wärme sehr empfindlich. Monovakzine, z. B. Masern-Impfstoff Merieux® (Amp. 0,5 ml) und Bestandteil von Kombinationsimpfstoffen (Inline graphic Tab. 9.2).

Impfmodus

Grundimmunisierung bei Kindern und Jugendlichen mit 2 Impfdosen im Abstand von mind. 4 Wo., auch bei Erw. möglichst 2 Impfdosen, z. B. Masern-Vaccinol® 0,5 ml s. c. (oder i. m.). Vorzugsweise mit Kombinationsimpfstoff MMR, dann bei Kindern 3–4 Impfdosen (Inline graphic 9.2.2, Tab. 9.3).

Nebenwirkungen

Bei 3–5% der Geimpften um den 9. d p. v. Temperaturerhöhung, z. T. mit uncharakteristischem Exanthem, „Impfmasern” mit mildem Verlauf.

Schutzwirkung

Sofort! Bis zu 48 h nach Exposition auch Inkubationsimpfung möglich; Konversionsrate: 97–99%; Dauer: Wahrscheinlich lebenslang.

Kontraindikationen

AIDS, Allergie gegen Hühnereiweiß (Inline graphic 9.2.4).

Besonderheiten

Nach Immunglobulin- und Serumgaben 4 Mon. Abstand zur Impfung! Inkubationsimpfung nur bis 48 h nach Exposition sinnvoll. Kinder mit asymptomatischer HIV-Infektion können geimpft werden.

Passive Immunisierung

Wenn aktive Immunisierung nicht möglich, unspezifisches Gammaglobulin (IgG) verabreichen.

Meningokokken-Impfung

Indikation

  • Pat. mit Asplenie, geplanter Splenektomie, Hypogammaglobulinämie, Komplementdefekten.

  • Sonderimpfung für Reisen in Endemiegebiete (Sahelzone, Vorderasien, tropisches Südamerika).

  • Zur Einreise nach Saudi-Arabien ist eine AC oder ACWY-Impfung erforderlich, z. B. für Mekka-Pilger. Gültigkeit: 10 d-3 J. nach der letzten Impfung.

Bei Kindern < 18 Mon. ist der Impferfolg zweifelhaft.

Impfstoff

Totimpfstoff mit Kapselpolysacchariden der Meningokokkentypen A, C, W135 und Y, z. B. Mencevax® ACWY.

Impfmodus

I Dosis 0,5 ml s. c.

Nebenwrikungen

Verstärkte Lokalreaktion, Schwellung regionaler LK, Kopfschmerzen, Temperaturerhöhung.

Schutzwirkung

1 Wo. nach der Impfung; Konversionsrate: Ca. 98%; Dauer: Bei Erw. und Kindern ab dem 6. Lj.: 3–5 J.; bei Kindern < 6 J. nur 2 J. Schutzquote: Ca. 90%.

Inline graphic Die Meningokokken-Impfung schützt nicht gegen Meningokokken vom Typ B, die in Europa und der nördlichen Hemisphäre vorherrschen!

Wiederimpfung

Nur bei Verweilen in Endemiegebieten bzw. erneuter Exposition.

Kontraindikationen

Keine bes., allg. KI (Inline graphic 9.2.1).

Passive Immunisierung

Nicht verfügbar.

Chemoprophylaxe einer Meningokokken-Meningitis

Erfolgt mit Rifampicin, z. B. Rifa®, Rimactan®.

Indikation

Asymptomatische Meningokokken-Träger jeden Alters können Zweiterkr. verursachen! Deshalb alle Personen (einschließlich Erw., auch geimpfte Personen) im Haushalt des Erkrankten einbeziehen, falls in der Familie mind. ein Kind < 4 J.

Vorgehen

Rifampicin 30–60 Min. vor einer Mahlzeit einnehmen.

Nebenwirkungen

Orangefärbung von Urin, Schweiß, Tränen und Speichel. In 20% leichte gastrointestinale NW (Übelkeit, Erbrechen, Durchfall).

Kontraindikationen

Gravidität; Leberschäden.

Tab. 9.12.

Meningokokken-Umgebungsprophylaxe

Alter der Kontaktpersonen Rifampicin: Tagesdosis, Einzeldosen, Dauer
< 1 J., > 3 Mon. 10 mg/kg KG/d in 2 Einzeldosen fü 2 d

1–12 J. 20 mg/kg KG/d in 2 Einzeldosen fü 2 d ü 450 mg/d

> 12 J. 1200 mg/d in 2 Einzeldosen fü 2 d

Schwangere ggf. Ceftriaxon 250 mg i. m.

Mumps-Impfung

Indikation

Öffentlich empfohlene Standardimpfung für Kinder ab vollendetem 2. Lebensmon. und Jugendliche. Erw. ohne Impfung, seroneg. exponierte Personen (z. B. Lehrer). Öffentlich empfohlen für medizinisches Personal und Personal in der Kinderbetreuung.

Anamnestische Angaben über durchgemachte Mumps ohne serol. Kontrolle nicht verwertbar. Vorgesehene Impfung zum Impftermin in jedem Fall durchführen, da NW bei Impfung nach durchgemachter Infektion oder mehrfachen Impfungen nicht bekannt.

Impfstoff

Lebendimpfstoff, attenuiertes Mumpsvirus. Sehr licht- und wärmeempfindlich: Kühlkette! Vorzugsweise als Kombinationsimpfstoff (MMR; Inline graphic Tab. 9.2).

Impfmodus

1 Impfdosis, z. B. Mumpsvax® 0,5 ml s. c. (oder i. m.), vorzugsweise mit Kombinationsimpfstoff MMR, z. B. M-M-R Vax® Bei Kindern 2 Impfdosen (Inline graphic 9.2.2, Tab. 9.3).

Nebenwirkungen

Selten, in der 2. Wo. p. v. Temperaturerhöhung.

Schutzwirkung

2 Wo. p. v.; Konversionsrate: Ca. 97%; Dauer: Wahrscheinlich lebenslang.

Kontraindikationen

Immundefizienz, AIDS, Allergie gegen Hühnereiweiß (Inline graphic 9.2.4).

Besonderheiten

Mumpsimpfung kann bei Kindern mit asymptomatischer HIV-Inf. erfolgen.

Passive Immunisierung

Nutzen von Immunglobulinen nicht erwiesen.

Pertussis-Impfung

Pertussis Inline graphic 16.7.7.

Indikation

Öffentlich empfohlen für Säuglinge ab vollendetem 2. Lebensmon., Kinder und Jugendliche bis zum 18. Lj. Personal in Päd. und Infektionsmedizin sowie in Gemeinschaftseinrichtungen für das Vorschulalter.

Impfstoff

Totimpfstoff; Monovakzine, z. B. Pac Merieux®. Kombinationsimpfstoffe mit Diphtherie, Pertussis, Polio, HiB, Hep. B (Inline graphic 9.2). Wegen besserer Verträglichkeit gereinigten, azellulären Impfstoff bevorzugen.

Impfmodus

Kinder ab vollendetem 2. Lebensmon.: 4 Impfungen, 3 × 0,5 ml i. m. im Abstand von je 4–8 Wo., 0,5 ml i. m. 6–12 Mon. nach der 3. Impfung, Auffrischimpfung ab vollendetem 9.–17. Lj. Erw. 1 Impfung.

Nebenwirkungen

  • Ganzkeimvakzine: Schmerzen lokal. Bei Reflux ins Unterhautfettgewebe Induration, Rötung, Schwellung. Fieber bei ca. 20% am selben oder folgenden Tag, in 0,1% zerebraler Krampfanfall.

  • Azellulärer Impfstoff: Gelegentlich verstärkte Lokalreaktion.

Schutzwirkung

2 Wo. nach der 2. Impfung; Konversionsrate: > 80%; Dauer: Ca. 10 J., Dauer der Immunität nach Erkrankung 15–20 J.

Wiederimpfung

Alle 10 J. Die Immunität ist nicht dauerhaft; trotz vollständiger Grundimmunisierung als Kind kann der Erw. später wieder an Pertussis erkranken, der hier atypisch als hartnäckige Bronchitis verläuft.

Kontraindikationen

  • Ganzkeimvakzine: HIV-pos. Kinder. Progressive neurologische Erkr., Epilepsie → nur gesunde Kinder impfen.

  • Azellulärer Impfstoff: Unverträglichkeit von Ganzkeim- oder azellulärem Pertus-sisimpfstoff, progressive neurologische Erkr. (bisher keine Erfahrung).

Passive Immunisierung

Nutzen von Immunglobulinen nicht gesichert.

Chemoprophylaxe

Bei ungeimpften Kindern mit Kontakt zu Erkrankten: Erythromycin 50 mg/kg KG/d für 2 Wo., z. B. Paediathrocin®-Saft, o. Roxithromycin, Clarithromycin o. Azithromy-cin in Standarddosierung für 2 Wo.

Pneumokokken-Impfung

Indikationen

Personen mit erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge einer Grundkrankheit oder ungeimpftes Personal in Einrichtungen der Pädiatrie.

  • Immundefekte: Asplenie, Hypogammaglobulinämie, Komplementdefekt, HIV-Inf., Sichelzellenanämie, Leukosen, nach KMT.

  • Chron. Erkrankungen von Herz, Kreislauf, Atemwegen, Niere.

  • Diabetes mellitus.

  • Liquorfistel.

  • Vor Einleitung einer immunsuppressiven Ther.

  • Frühgeborene (< 38. SSW); niedriges Geburtsgewicht (< 2500 g).

  • Kinder mit Gedeihstörungen oder neurologischen Erkr.

Impfstoff

  • Konjugat-Impfstoff: Die 7 häufigsten Kapselpolysaccharidtypen konjugiert mit einem Trägerprotein; Totimpfstoff, z. B. Prevenar® Geeignet für Kinder ab 2 Mon. bis zum vollendeten 2. Lj. Immunisierung:
    • Sgl. und KK < 6 Lebensmon.: 4 Impfungen à 0,5 ml i. m.; 3 Injektionen im Abstand von je 1 Mon.; 4. Dosis im 2. Lj.
    • Ungeimpfte Kinder von 7–11 Mon.: 3 Impfungen à 0,5 ml i. m., 2 Injektionen im Abstand von 1 Mon., 3. Dosis im 2. Lj.
    • Ungeimpfte Kinder von 12–23 Mon.: 2 Impfungen à 0,5 ml i.m; 2 Injektionen im Abstand von 1 Mon.
    • Impfungen bei Kindern ab 2 J. mit 23-valentem Polysaccharid-Impfstoff durchführen.
  • Polysaccharid-Impfstoff: Kapselpolysaccharide der 23 häufigsten Pneumok.-Subtypen (von insgesamt > 90), Totimpfstoff; z. B. Pneumopur®, Pneumovax®23. Geeignet für Kinder ab dem vollendeten 2. Lj., Jugendliche und Erw. Immunisierung: Kinder ab vollendetem 2. Lj. und Erw.: 1 × 0,5 ml s. c. oder i. m.

Nebenwirkungen

Stärkere Lokalreaktion, Schwellung regionaler LK, Fieber, Abgeschlagenheit. Bei i. c. Injektion können schwere Lokalreaktionen auftreten.

Kontraindikationen

Schwere Pneumokokken-Inf. oder -Impfung während der letzten 5 J.

Schutzwirkung

2 Wo. p. v.; Konversionsrate: > 90%; Dauer: 3–5 J.; Schutzquote: 75–80%.

Wiederimpfung

Bei fortbestehender Ind. Erw. alle 6 J., Kinder < 10 J. alle 3 J. Kinder, die mit Kon-jugatimpfstoff geimpft wurden, erhalten ab dem vollendeten 2. Lj. eine Impfung mit Polysaccharid-Impfstoff (Mindestabstand zur letzten Impfung mit Konjugatimpfstoff 2 Mon.). Bei früherer Wiederimpfung stärkere NW.

Besonderheiten

Notwendige Aktualisierung des Impfstoffs je nach den in Europa und Nordamerika vertretenen Pneumok.-Subtypen.

Passive Immunisierung

Nicht verfügbar.

Polio-Impfung nach Sabin (Schluckimpfung)

Polio Inline graphic 9.4.9.

Indikation

Laut STIKO nur noch Sonderimpfung (Riegelungsimpfung) bei Ausbruch von Polio.

Impfstoff

Lebendimpfstoff, enthält Impfvirustypen I, II und III; Kühlkette!

Impfmodus

Grundimmunisierung: 3 orale Gaben im Abstand von mind. 6 Wo.

Polio-Impfung nach Salk

Polio Inline graphic 9.4.9.

Indikation

Seit Mai 1998 anstelle des Impfstoffs nach Sabin als Standardimpfung gegen Polio für Kinder ab vollendetem 2. Lebensmon. und Erwachsene öffentlich empfohlen.

Impfstoff

Totimpfstoff mit formolabgetöteten Polioviren der Typen I, II und III. Als Monovakzine oder in Kombinationsimpfstoffen (Inline graphic Tab. 9.2).

Impfmodus

Grundimmunisierung mit 2 Injektionen (z. B. IPV-Virelon® C) s. c. oder i. m. im Abstand von 4–6 Wo. sowie dritte Impfinjektion nach ca. 12 Mon. Auffrischimpfung alle 10 J.

Nebenwirkungen

Selten verstärkte Lokalreaktion.

Schutzwirkung

Beginn: 2 Wo. nach der 2. Impfung; Konversionsrate: 94–96%; Dauer: Individuell verschieden. Bei Polioexposition evtl. auch vorzeitige Auffrischimpfung.

Kontraindikationen

Keine, auch nicht symptomatische HIV-Infektion bei Kindern.

Besonderheiten

Da eine lokale Darmimmunität durch die Salk-lmpfung nicht zustande kommt, fehlt dieser Impfung der epidemiologische, seucheneingrenzende Effekt.

Passive Immunisierung

Nicht verfügbar.

Röteln-Impfung

Röteln Inline graphic 16.7.2.

Inline graphic Zur Prävention der Röteln-Embryopathie (bei Inf. bis zur 16. SSW), Fehlbildungsrate ca. 60%.

Indikation

Öffentlich empfohlen für alle Kinder ab vollendetem 12. Lebensmon., alle Jugendlichen bis 18 J., bei denen keine 2 MMR-Impfungen dokumentiert sind; alle seroneg. Frauen im gebärfähigen Alter. Medizinisches Personal und Personal in der Kinderbetreuung.

Impfstoff

Lebendimpfstoff, attenuiertes Rötelnvirus. Kühlkette!

Impfmodus

1 Impfdosis (= 0,5 ml) s. c. oder i. m. Zweimalige Kombinationsimpfung aller Kinder mit MMR-Impfstoff, z. B. M-M-RVax®, im 2. Lj. mit Mindestabstand 4 Wo. Ungeimpfte Jugendliche und Erw. 1 MMR-Dosis. Bei seroneg. Frauen mit Kinderwunsch anschließend serol. Kontrolle.

Nebenwirkungen

Bei 2–5% aller Geimpften um den 9.-14. d p. v. Temperaturerhöhung, rubelliformes Exanthem, Lk-Schwellungen möglich. Postpubertär gehäuft Arthralgien.

Schutzwirkung

4–10 Wo. p. v. Immunität vorhanden, wenn Röteln-Ak-Titer mind. 1 : 32 im Hämagglutinationshemmtest oder Röteln-Ak ≥ 15 IU/ml im quantitativen EIA und Röteln-IgM neg.; Konversionsrate: 99%; Dauer: Noch unklar (erst 20 J. Erfahrung); Schutzquote: 95%.

Wiederimpfung

Wenn Titer < 1 : 32.

Kontraindikationen

Gravidität.

Besonderheiten

Postvakzinale Kontrolle bei der Schwangerenvorsorge. Akzidenteile Impfung in der Gravidität ist kein Grund zum Schwangerschaftsabbruch; es wurde noch nie die Schädigung eines Embryos/Feten beobachtet.

Passive Immunisierung

Indikation

Röteln-Prävention bei seroneg. Schwangeren bis zur 16. SSW. Zuverlässige Unterdrückung einer Infektion nur innerhalb der ersten 4 d nach Röteln-Exposition. Bei Exposition vor der 6. SSW erneute Immunglobulingabe nach 4–5 Wo.

Impfstoff

Es gibt keine Präparate mit spezifischem Röteln-Immunglobulin. Zur PEP bei seroneg. Schwangeren Human-Immunglobulin mit ausreichender Röteln-AK-Konz. verwenden, z. B. Gamma-Venin®, Efdobulin Immuno®, Sandoglobulin®. Dos. nach Angaben des Herstellers.

Schutzwirkung

Präventiv > 80%, postexpositionell ca. 60%.

Tetanus-Impfung

Indikation

Bundesweit öffentlich empfohlene Standardimpfung aller Kinder und Erwachsenen wegen permanenter Infektionsgefahr.

Impfstoff

Totimpfstoff, Toxoid. Der Standardimpfstoff zur Grundimmunisierung und für den Verletzungsfall enthält 40 IE Tetanus-Toxoid. Impfstoffe mit 2 IE Tetanus-Toxoid, z. B. Tetamun SSW® sind nur zur Auffrischimpfung bei abgeschlossener Grundimmunisierung geeignet.

Impfmodus

Grundimmunisierung bei Kindern ab vollendetem 2. Lebensmon. mit 3 Injektionen, z. B. Tetanol® à 0,5 ml i. m.

Impfschema: 0/4–8 Wo./7–12 Mon. Bei Kindern mit Kombinationsimpfstoff gegen Diphtherie (D), Tetanus (T), Haem. infl. Typ B (HiB), Pertussis (P), Hep. B (Inline graphic Tab. 9.2). Auffrischung im 10. Lj., Wiederholung alle 10 J.

Vorgehen bei Verletzungen
  • Bei nachgewiesener und glaubhafter kompletter Grundimmunisierung:
    • Letzte Impfung vor < 5 J.: Keine Impfung.
    • Letzte Impfung vor 5–10 J.:
      • Bei sauberen geringfügigen Wunden keine Impfung.
      • Bei allen anderen Verletzungen 1 Impfung.
    • Letzte Impfung vor > 10 J.: 1 Impfung. Keine, fragliche oder unvollständige Grundimmunisierung:
    • Bei geringfügigen, sauberen Verletzungen: Beginn oder Vervollständigung der Grundimmunisierung.
    • Bei allen anderen Verletzungen: Impfung + Tetanus-Immunglobulin.
    • Bei 2 Tetanus-Impfungen in der Vorgeschichte und wenn die Verletzung nicht länger als 24 h zurückliegt nur Impfung und kein Tetanus-Immunglobulin.
Durchführung der Simultanimpfung
  • Simultan und kontralateral zur Impfinjektion 250 IE Antitoxin, z. B. Tetagam N® 1 Amp. Bei schweren Blutverlusten, vernachlässigten Wunden oder ausgedehnten Verbrennungen: 500 IE Antitoxin, z. B. Tetagam N® 2 Amp., anschließend Grundimmunisierung vervollständigen. Im Zweifelsfall und bei V. a. Unverträglichkeit Titer bestimmen.

Nebenwirkungen

Stärkere Lokalreaktion, mitunter starke Induration mit Rötung, Schwellung und Überwärmung bei Hyperimmunisierung.

Schutzwirkung

1 Wo. nach 2. Impfung der Grundimmunisierung; Konversionsrate: 99%; Dauer: Mindestens 10 J.

Wiederimpfung

Im 10. Lj., dann alle 10 J. 1 Impfdosis (0,5 ml i. m.), vorzugsweise mit Td-Impfstoff z. B. Td-Vaccinol®, „d”: Diphtherie. Bei Verletzungen Impfung mit Tetanus-Mono-vakzine, wenn letzte Td-Impfung < 10 J. In Zweifelsfällen und bei V. a. Unverträglichkeit Titerbestimmung. Impfschutz, wenn Titer > 0,01 IE Antitoxin/ml. Gehäuft Impf-Unverträglichkeiten, wenn Titer > 4 IE Antitoxin/ml.

Kontraindikationen

Keine bes., allg. KI (Inline graphic 9.2.1). Sehr gut verträglicher Impfstoff.

Besonderheiten

Auch als Kombinationsimpfstoffe DT, DPT und Td (nach dem 7. Lj.). Bei Antikoagulanzienther. kann das Antitoxin Tetagam N® auch s. c. angewendet werden.

Passive Immunisierung

Nach Verletzung ohne ausreichenden Impfschutz Simultanimpfung (s. o.).

Tollwut-Impfung

Tollwut Inline graphic 9.4.8.

Indikation

Postexpositionell; präexpositionell öffentlich empfohlen für Risikogruppen (z. B. Förster, Veterinäre). Reiseimpfung bei Reisen nach Südostasien und Südamerika.

Impfstoff

Totimpfstoff, human diploid cells (HDC) Impfung.

Impfmodus postexpositionell

Sofortiger Beginn der Behandlung! Wunddesinfektion, wenn vertretbar, mit 70% Ethanol, sonst PVP-Jod, z. B. Betaisodona®; bei richtiger Durchführung Reduktion des Infektionsrisikos um 90%. 1 Dosis, z. B. Rabivac®, 1 ml i. m. an den Tagen: 0–3–7–14–30 und 90. Am Tag 0 zusätzlich homologes Tollwut-Hyperimmunglobu-lin, z. B. Berirab® Tollwut Immunglobulin, exakt 20 IE/kg KG i. m., nicht überdosieren! So viel wie möglich vom Immunglobulin um die Verletzungen herum instillieren, den Rest entfernt vom Verletzungsort injizieren.

Empfehlungen der WHO zur Postexpositionsprophylaxe bei Tollwut
  • Expositions-Kategorie 1: Berühren oder Füttern von Tieren; Belecken der intakten Haut, Berühren eines Impfstoffköders bei intakter Haut: Keine Schutzimpfung, Vorsichtsmaßnahme! Bislang ist noch keine Tollwutinf. durch ein solches Ereignis ausgelöst worden.

  • Expositions-Kategorie 2: Knabbern an der intakten Haut; oberflächliche Kratzer, die nicht zum Bluten führten; Belecken der nicht intakten Haut: Aktive Schutzimpfung durchführen.

  • Expositions-Kategorie 3: Jegliche Bissverletzung oder Kratzwunden, die die Haut durchdringen; Kontamination von Schleimhäuten mit Speichel (z. B. Lecken, Spritzer), Kontakt von Hautverletzungen oder Schleimhäuten mit Impfstoffködern: Aktive plus passive Immunisierung.

Impfmodus präexpositionell

4 Impfungen mit 1 ml HDC-Impfstoff zum Zeitpunkt: 0/7 d/28 d/12 Mon. i. m.

Nebenwirkungen

Gelegentlich am Injektionsort Druckgefühl.

Schutzwirkung

Abhängig von der Lokalisation der Wunde. Ungünstige Prognose bei Bisswunden im Gesicht. Beginn: Ab 2.-3. Inj. der Impfserie; Konversionsrate: 98–99,5%; AK bereits 4 d p.v. vorhanden; Dauer: 3–5 J.

Wiederimpfung

Nach 3 J. 1 Dosis. Immunisierung bei Bissverletzungen abhängig vom Zeitpunkt der letzten Impfung: < 1 J. → 0–3 d; 1–5 J. → 0–3–7 d; > 5 J. → entsprechend ungeimpften Personen.

Kontraindikationen

Bei postexpositioneller Impfung keine, da Erkrankung immer tödlich verläuft. Präexpositionelle Impfung: Allg. KI (Inline graphic 9.2.1).

Passive Immunisierung

Nach massiver Exposition Simultanimpfung.

Typhus-Impfung

Typhus Inline graphic 9.3.1.

Indikation

Reisen (Mittelmeer, Orient, Fernreisen). Kinder ab vollendetem 2. Lj. Nur aktive Immunisierung möglich, passive nicht verfügbar.

Lebendimpfstoff, oral

Impfstoff

Lebendimpfstoff. Oralimpfstoff. Kühlkette!

Impfmodus

An Tag 1, 3 und 5 je 1 Kps., z. B. Typhoral L®, 1 h vor der Mahlzeit.

Nebenwirkungen

Gelegentlich Übelkeit, Durchfall, Temperaturerhöhung.

Schutzwirkung

1 Wo. nach der 3. Impfung; schützt nur gegen Salmonella typhi, nicht jedoch gegen Salmonella paratyphi oder Enteritis-Salmonellen. Schutzrate: Ca. 90%; Dauer: 3 J.

Wiederimpfung

Nach 2 J. Vor oder bei massiver Exposition jährlich.

Kontraindikationen

Kinder < 3. Lebensmon., allg. KI (Inline graphic 9.2.1).

Besonderheiten

Antibiotikatherapie und Laxanzieneinnahme gefährden den Impferfolg. Beginn einer Malariaprophylaxe frühestens 3 d nach letzter Einnahme von Typhus-Impfstoff.

Totimpfstoff, parenteral

Impfstoff

Gereinigtes Vi-Kapselpolysaccharid von Salm, typhi. Sehr gute Verträglichkeit.

Impfmodus

1 Dosis, z. B. TyphimVi® 0,5 ml i.m. oder tief s.c.

Nebenwirkungen

Gelegentlich verstärkte Lokalreaktion.

Schutzwirkung

70%, Beginn 3 Wo. p.v.

Wiederimpfung

Nach 3 J.

Kontraindikationen

Keine.

Varizellen-Impfung

Indikation

Öffentlich empfohlene Standardimpfung für Kinder mit vollendetem 11.-14. Lebensmon. Indikationsimpfung für folgende Personengruppen (wenn Varizellen-Ak-EIA < 100 IU, besteht serol. kein sicherer Anhalt für Immunität):

  • Ungeimpfte Jugendliche von 10–17 J. ohne Varizellenanamnese.

  • Seroneg. Frauen mit Kinderwunsch.

  • Seroneg. Personal im Gesundheitsdienst, bes. in pädiatrisch-onkolog. Kliniken.

  • Enge Kontaktpersonen von Immunsupprimierten.

  • Seroneg. Pat. mit atopischem Ekzem; seroneg. Pat. vor Einleitung einer Immunsuppression.

  • Personen mit mäßiger Immunsuppression.

  • Seroneg. Leukämie-Pat. in hämatologischer Remission (Kriterien: Klinische Remission ≥ 12 Mon., Gesamtlymphozytenzahl ≥ 1200/mm3, Unterbrechung der Erhaltungstherapie vor und nach der Impfung für eine Wo.).

Bisher ist nicht geklärt, ob die Impfung gegen eine Zoster-Erkrankung schützt. Zulassung für gesunde Erwachsene und Kinder ab vollendetem 9. Lebensmon.

Impfstoff

Lebendimpfstoff, z. B. Varilrix®, Kühlkette!

Impfmodus

1 × 1,0 ml s. c.

Nebenwirkungen

Bei gesunden Personen gelegentlich lokal Schmerzen oder Spannungsgefühl. Bei immundefekten Personen Fieber, evtl. Impfvarizellen. Bisher keine KO bekannt.

Schutzwirkung

6–8 Wo. p.v.; Konversionsrate: Bei Gesunden ca. 93%; Dauer: Bei Gesunden lebenslang; bei immundefekten Personen z. T. nur kurz; Schutzquote: 80–95% bei Immunsupprimierten.

Wiederimpfung

Erneute Impfung, wenn Varizellen-AK EIA < 100 IU. Bei Immunsuppression nach 3 Mon. serologische Kontrolle.

Kontraindikationen

Schwere Immundefizienz, laufende Chemother. (Leukos < 1200/μ), AIDS; Grav. (versehentliche Impfung in der Grav. kein Grund für Schwangerschaftsabbruch).

Passive Immunisierung

Indikation

Prävention bei seroneg. Schwangeren; Neugeborene bei Varizellen-Exposition; Pat. unter zytostatischer Therapie bei Varizellen-Exposition.

Dosierung

Anwendung je nach Präparat i. v. oder i. m., z. B. Varicellon® 0,2 ml/kg KG i. m.

Aufgrund der epidemiologischen Situation verschiebt sich die Erkrankung immer mehr in das Erwachsenenalter. Dann jedoch verlaufen die Windpocken oft schwer, und das Risiko der Schwangerschaftsinf. steigt. Durch Impfung bleiben später der Stress und die Kosten des Varizellen-Immunglobulins bei Varizellen-Exposition von seroneg. Schwangeren erspart. Bei gut verträglichem Impfstoff findet deshalb die allg. Varizellen-Impfung immer mehr Befürworter. Seroneg. Frauen mit Kinderwunsch sollte die Impfung angeraten werden (keine Kassenleistung).

Impfungen gegen unspezifische Infektionen

Indikation

Immunstimulation bei rezid. Harnwegs- bzw. Atemwegsinf. sowie vaginalen Inf.

Impfstoff

Lyophilisierte Extrakte eines Spektrums der üblicherweise bei den jeweiligen Inf. beteiligten Bakterien. Atemwegsinf.: z. B. Biomunyl®, Bronchobactan®, Broncho-Munal®, Broncho-Vaxom®. Harnwegsinf.: z. B. Uromunal®, Uro-Vaxom®. Vaginalinf.: z. B. Gynatren®.

9.2.4. Impfen in besonderen Situationen

Impfungen und Schwangerschaft

Nach Möglichkeit sollten Impfungen außerhalb der Grav. erfolgen. Wegen einer theoretisch möglichen Gefährdung des Feten (bis auf wenige Ausnahmen) keine Lebendimpfstoffe anwenden.

  • Unbedenkliche Impfungen in der Grav.: Typhus oral, Tollwut (vitale Ind.), Polio-Salk, Tetanus, Hep. A, Hep. B, Diphtherie, Influenza.

  • Impfung nur bei sorgfältiger Risikoabwägung wegen fehlender Erfahrung bei Schwangeren: FSME, Meningokokken, Masern (bei Bedarf passive Immunisierung), Pneumokokken, Mumps, Japan-Enzephalitis, Gelbfieber, wenn Reise in Epidemiegebiet unvermeidlich.

  • Kontraindiziert in der Grav.: Cholera; Varizellen und Röteln: Bei Bedarf passive Immunisierung, versehentliche Impfung während der Grav. keine Ind. für Schwangerschaftsabbruch.

Impfen bei bestimmten Grundkrankheiten

Grundsätzlich keine KI für Standardimpfungen sind: Asthma, Mukoviszidose, Zöliakie, chron. Herz-/Lungenerkr., Down-Syndrom, stabile neurologische Erkr., Unterernährung, hypotrophe Kinder und Frühgeborene, postnataler Ikterus.

  • Diabetes mellitus: Dringlich indizierte Impfungen sind Influenza, Mumps, Pneumok. KI: Cholera (gefäßaktive Endotoxine).

  • Herzfehler (angeboren/erworben): Dringlich indizierte Impfungen sind Influenza, Pneumok., Masern. KI: Cholera, Pertussis in Abhängigkeit vom Gesundheitszustand.

  • Geistig/körperlich Behinderte: Dringlich indizierte Impfungen sind Tetanus, Polio; Hep. A, Hep. B, bei Kindern Auffrischimpfungen von Diphtherie mit „d” Impfstoff.

  • Hirnorganisches Anfallsleiden: Pertussis-Impfung mit azellulärem Impfstoff.

  • Mukoviszidose: Dringlich indizierte Impfungen sind Pertussis, Influenza und Pneumok., Masern. KI: Cholera-Ganzkeimvakzine.

  • Neurodermitis: Während eines Schubes nur passive Immunisierung in dringenden Fällen (z. B. Tetanus), im inaktiven Stadium können alle Impfungen durchgeführt werden, sofern keine Allergie gegen Bestandteile des Impfstoffs besteht.

  • Sichelzellenanämie: Dringlich indizierte Impfungen sind Influenza, Pneumokokken. KI: Cholera-Ganzkeimvakzine.

  • Lungenemphysem, chron. Bronchitis: Dringlich indizierte Impfungen sind Influenza, Pneumok.

  • Autoimmunerkr., Rheumatische Erkr.: Keine Impfung während aktiver Krankheitsphasen oder immunsuppressiver Ther.; in diesen Fällen auf passive Immunisierung ausweichen.

  • KHK, Z. n. apoplektischem Insult: Keine Cholera-Ganzkeimvakzine (gefäßaktives Endotoxin).

  • Antikoagulation/Gerinnungsstörungen: Relative KI für: Cholera-Ganzkeimvakzine und Gelbfieber (Thrombozytenabfall 4–6 d p. v.). Möglichst keine i. m. Injektionen, ggf. auf Impfstoffe ausweichen, die s.c. appliziert werden können.

  • Elektive operative Eingriffe: 2 Wo. Abstand zu Impfungen wegen möglicher Impfreaktionen.

  • Z. n. Splenektomie: Dringlich indizierte Impfung: Pneumok.

  • Immunsuppression: Systemische Glukokortikoide (> 5 mg Prednison-Äquivalent) und Zytostatika. Keine Lebend-, aber alle Totimpfstoffe. Relative Ausnahme: Varizellen.

  • Frühgeburtlichkeit: Frühgeborene sollten, unabhängig vom Geburtsgewicht, gemäß dem empfohlenen Impfalter geimpft werden.

HIV und AIDS

Impfungen induzieren die HI-Virus-Replikation um das 3- bis 5fache. Die HIV-Konz. erreicht 4–6 Wo. p. v. wieder die Ausgangswerte. Bedeutung für die Progression bisher unklar. Impfungen unter antiretroviralem Schutz durchzuführen, ist eine mögliche Vorsichtsmaßnahme.

  • Asymptomatische HIV-Inf.: Keine Lebendimpfstoffe, Ausnahme: Masern, Mumps, Röteln.

  • AIDS: Nur Totimpfstoffe und passive Immunisierung.

  • HIV-pos. Kinder: Wegen übertragener mütterlicher Ak kann erst im Alter von 1 J. endgültig festgestellt werden, ob das Kind tatsächlich infiziert wurde. Empfehlungen der STIKO in dieser Situation: Für alle Impfungen gelten die gleichen Ind. und KI wie für Nichtinfizierte.

Allergische Reaktionen

Inline graphic Eine allergische Reaktion auf eine Impfung kann durch den Impfstoff selbst oder durch Hilfsstoffe im Präparat verursacht sein. Um die Immunität abzuklären, zuerst eine Titerbestimmung der entsprechenden AK durchführen. Wenn kein erhöhter AK-Titer vorliegt allergologische Abklärung auf Hilfsstoffe.

Hühnereiweiß

Impfstoffe gegen folgende Krankheiten enthalten Hühnerprotein (nach abnehmender Konz. geordnet): Gelbfieber, Influenza, Masern, Mumps, FSME, Tollwut. V. a. Hühnereiweißallergie vor Impfung allergologisch abklären.

Einteilung der allergischen Reaktion in 3 Schweregrade.

  • Grad 1: Allg. Unverträglichkeit von Hühnereiern ohne allergische oder anaphylaktische Symptome, neg. Hauttest: Keine Gegenanzeigen für Impfungen, auch nicht gegen Influenza oder Gelbfieber.

  • Grad 2: Im Hauttest nachgewiesene, jedoch klinisch nicht bedeutsame Hühnereiweißallergie: Gelbfieber-Impfung ist relativ kontraindiziert und darf nur in dringlichen Fällen gegeben werden. Impfung gegen Influenza in der Klinik.

  • Grad 3: Pat. mit Sofortreaktion nach Verzehr von Hühnereiweiß mit Urtikaria, Laryngo-/Bronchospasmus, RR-Abfall. Impfung gegen Influenza und Gelbfieber kontraindiziert. Impfung gegen Masern, Mumps, FSME und Tollwut (präexpositionell) in der Klinik.

Neomycin

U. a. in folgenden Impfstoffen enthalten: Masern, Mumps, Röteln, Polio (je nach Hersteller unterschiedlich).

Notfallseren, Informationen

Im hinteren Abschnitt der Roten Liste® (rosa Seiten), befindet sich ein Verzeichnis von Notfalldepots, in denen folgende Seren und Plasmaderivate aufbewahrt werden: Botulismus-Antitoxin vom Pferd, FSME-Immunglobulin, Hep.-B-Immunglobulin, polyvalentes Immunglobulin, Schlangengift-Immunserum polyvalent Europa, Tetanus-Immunglobulin, Tollwut-Immunglobulin, Tollwut-Impfstoff, Varicella-Zoster-Immunglobulin.

Zusätzlich in der Roten Liste®:

  • Verzeichnis von Informations- und Behandlungszentren für Vergiftungen für Deutschland und Europa (Inline graphic Tab. 3.3).

  • Impfempfehlungen; Impfvorschriften für den internationalen Reiseverkehr.

  • Empfehlungen zur Malariaprophylaxe.

9.3. Bakterielle Infektionen

Tab. 9.13.

Häfige bakterielle Infektionen in der Praxis

Krankheitsbild Typische Erreger Therapie
Angina tonsilla-ris (Inline graphic22.3.2) Viren (40%), A-Streptok. (30 o/o) Penicillin-V, Cephalexin (z. B. Oracef®)

Akute Bronchitis (Inline graphic12.3.2) Viren (90%), Mykoplas-men Evtl. Doxycyclin (z. B. Azudoxat®)

Chron. Bronchitis (12.4) Haem. infl., Pneumok., Moraxella Antiobstruktive Ther. (12.6.3), Rauchverbot. Antibiotika nur bei akuter Exazerbation: Amoxicillin/Clavulansäre (Augmenten®), Cephalosporin 2 (z. B. Elobact®), Chi-nolone 4 (z. B. Avalox®)

Sinusitis (Inline graphic22.5.2) Pneumok., Haem. infl., Staph. aureus, Streptok. Schleimhautabschwellende Mittel, Kamillendampf; Amoxicillin/Clavulansäre (Augmenten®), Cephalosporin 2 (z. B. Elobact®), Makrolide (z. B. Zithromax®)

Otitis media (Inline graphic22.6.3) Pneumok., Haem. infl., Moraxella, Staph. aureus Wämebehandlung des Ohres, schleimhautabschwellende Mittel Amoxicillin/Clavulansäre (Augmenten®), Cephalosporin 2 (z. B. Elobact®), Makrolide

Otitis externa (Inline graphic22.6.1) Staph. aureus, Pseudo-monas, Candida Nach Grunderkr. und Err.

Pneumonie (Inline graphic12.3.3) Pneumok. (60%), Myko-plasmen, Haem. infl., Legionellen, Chlamydia pneumoniae Roxithromycin (z. B. Rulid®), Cephalosporin 2 (z. B. Elobact®) je nach AZ Klinikeinweisung

HWI (Inline graphic13.3.2) E. coli, Enterokokken Reichlich trinken; Co-trimoxazol (z. B. Bactrim®), Ciprofloxacin (z. B. Ciprobay®)

Urethritis (Inline graphic13.3) Chlamydien, Ureaplas-men; Gonokokken Roxithromycin (z. B. Rulid®), Ciprofloxacin (z. B. Ciprobay®), Partnerbehandlung

Tab. 9.16.

Übersicht Zoonosen

Leitsymptome Tier Exposition Erreger/Erkrankung
Fieber, Allgemeinsymptome, Pneumonie Schaf, Ziege Aerosole Q-Fieber (Inline graphic9.3.11, Tab. 9.20)

Schaf, Ziege, Rind Milchprodukte, Ausscheidungen Brucellose (Inline graphic9.3.4)

Geflügel, Tauben Aerosole Ornithose (Inline graphic9.3.11, Tab. 9.20)

Fieber, Allgemeinsymptome, Arthralgien Ratte, Nagetier Biss, Kratzer Rattenbissfieber (Inline graphic9.3.11, Tab. 9.20)

Lokalinf., abszedierend oder phlegmonös Hund
Biss
Pasteurellose (Inline graphic9.3.11, Tab. 9.20)
Katze Biss, Kratzer Pasteurellose (Inline graphic9.3.11, Tab. 9.20), Katzenkratzkrankheit (Inline graphic9.3.8)

Schwein, Fisch, Wildtier Hautkontakt zu inf. Fleisch Erysipeloid (Inline graphic9.3.11, Tab. 9.20)

Ratte, Nagetier Biss Rattenbissfieber (Inline graphic9.3.11, Tab. 9.20)
Angaben zur MeldepflichtInline graphic9.11

Tab. 9.17.

Neurotrope Erreger und ihre Diagnostik

Meningitis, lymphozytär

Häufig

Lyme-Borrelien (Inline graphic9.3.3) Serologie

Treponema pallidum (Lues, Inline graphic9.8.2) Serologie

Mumps-Virus (Inline graphic16.7.8) Serologie

Coxsackie-/ECHO-Viren (Inline graphic9.4.5) Serologie

Selten

Adeno-Viren Serologie

Herpes-(HSV-2-)Virus (Inline graphic9.4.1) PCR

FSME (Inline graphic9.4.7) Serologie

Polio-Viren (Inline graphic9.4.9) Serologie

Enzephalitis/Enzephalopathie

HSV-1 (50% aller Fälle! Inline graphic9.4.1) PCR

FSME-Virus (Inline graphic9.4.7) Serologie

Enterovirus Typ 70, 71 Serologie, PCR

Treponema pallidum (Lues, Inline graphic9.8.2) Serologie

Varicella-Zoster-Virus (Inline graphic9.4.2) Serologie

Masern-Virus (Inline graphic16.7.1) Serologie

HIV (Inline graphic9.9.5) Serologie

Enzephalitis/Enzephalopathie
Influenza-Virus (Inline graphic9.4.4) Serologie, PCR
Tollwut-Virus (Rabies; Inline graphic9.4.8) Antigen
Guillain-Barre-Syndrom
EBV (Inline graphic9.4.3) Serologie
Influenza-/Parainfluenza-Virus (Inline graphic9.4.4) Serologie
HBV (Inline graphic8.7.1) Serologie
CMV (Inline graphic9.4.6) Serologie
VZV (Inline graphic9.4.2) Serologie
HSV (Inline graphic9.4.1) Serologie
Schlaffe Lähmungen
Polio-Viren (Inline graphic9.4.9) Serologie
Enterovirus 70, 71 Serologie, PCR
Coxsackie A7, A9, B2-B5 (Inline graphic9.4.5) Serologie
Clostridium botulinum (Toxin → Botulismus Inline graphicTab. 9.14) Serologie
VZV (Inline graphic9.4.2) Serologie

Tab. 9.18.

Erregerbezogene Serologie bzw. PCR

Myokarditis/Perikarditis Diagnostik LK-Schwellung Diagnostik
Coxsackie-Virus Serologie Toxoplasmen Serologie

CMV Serologie EBV Serologie

Influenza-Virus Serologie Röteln-Virus Serologie

EBV Serologie HIV Serologie

Lyme-Borrelien Serologie Treponema pallidum (Lues) Serologie

Arthralgien Diagnostik CMV Serologie

Röteln-Virus Serologie Adenoviren Serologie

Parvo-B19-Virus Serologie Bartonella henselae (Katzenkratzkrankheit) Serologie

Lyme-Borrelien Serologie Pneumonie Diagnostik

Hepatitis-B-(-A-, -C-)Virus Serologie, PCR Influenza-/Parainfluenza-Virus Serologie

EBV Serologie Mykoplasmen Serologie

Coxsackie-Viren Serologie Chlamydien Serologie

Yersinien Serologie Adenoviren Serologie

Div. Auto-Ak Serologie Coxsackie-Viren Serologie

RSV Serologie

9.3.1. Salmonellen

Salmonellen-Gastroenteritis

Erreger

Salmonella (= S.) enteritidis, S. typhimurium und weitere 1600 Serotypen. Erregerreservoir im Tierreich, Inf. durch Verzehr von kontaminierten Lebensmitteln, z. B. Geflügel-, Rind-, Schweinefleisch, Wurst, Eiern. Seit 1993 Vorkommen auch in Gewürzen (Paprika, Peperoni). Übertragung von Mensch zu Mensch durch Schmierinf. möglich, aber selten. Für Erkr. hohe Erregerdosis erforderlich. Erkrankung und Tod meldepflichtig.

Klinik

8–48 h p. i. Übelkeit, Erbrechen, später krampfartige Leibschmerzen und Durchfall: Einige dünne Stühle bis zu massiver wässriger, blutiger oder eitriger Diarrhoe. Dauer: 3 d. In der Hälfte der Fälle Fieber; Dauer > 3 d spricht für septischen Verlauf oder Organinf. Verlaufsformen: Gastroenteritis 75%, Sepsis mit oder ohne Gastroenteritis 10%, septische Lokalherde 5%, z. B. Osteomyelitis, Arthritis, Meningitis. Asymptomatische Ausscheider 1%.

Diagnostik

Erregernachweis in Stuhl und asservierten Nahrungsmitteln. Bei Fieber und/oder blutiger Diarrhoe Blutkulturen.

Therapie

Bei unkomplizierter Erkr. nur ausreichende orale Flüssigkeitszufuhr. Bei Fieber oder blutigem Stuhl Antibiose mit Ciprofloxacin, z. B. Ciprobay® p. o. 2 × 500 mg tägl. (wirkt gegen fast alle bakt. Enteritiserreger). Alternative: Co-trimoxazol, z. B. Bactrim® 2 × 960 mg tägl. Bei schwerem Verlauf Klinikeinweisung, v. a. Kinder und alte Menschen (cave: Exsikkose). Nach Ende der Erkr. Stuhlkontrollen auf Erregerausscheidung. Meist spontane Elimination innerhalb weniger Wo. Bei Erregerausscheidung > 3 Mon. Versuch der medikamentösen Eradikation mit Ofloxacin, z. B. Tarivid® 2 × 500 mg für 10 d.

Inline graphicBei V.a. Lebensmittelinf. durch öffentlich in Verkehr gebrachte Nahrungsmittel den Lebensmittelkontrolldienst (Landratsamt/Kreisgesundheitsamt) verständigen. Beschäftigte im Lebensmittelbereich: Tätigkeitsverbot, bis 3 Stuhlproben an aufeinander folgenden Tagen neg. sind. Bei Salm.-Ausscheidung > 3 Mon. hinaus entschädigt der Staat den Pat. für den Verdienstausfall.

Typhus

Erreger

Salmonella typhi und paratyphi. In Europa selten. Übertragung durch kontaminierte Lebensmittel und Trinkwasser. Verdacht, Erkrankung und Tod sind meldepflichtig.

Klinik

Unbehandelt charakteristischer 4-wöchiger Ablauf.

  • 1.Wo.: Stufenförmig ansteigendes Fieber, Leibschmerzen, Kopfschmerzen, relative Bradykardie.

  • 2.Wo.: Verstopfung, Husten, Splenomegalie, Roseolen am Oberbauch.

  • 3.Wo.: Somnolenz, erbsbreiartige Durchfälle.

  • 4.Wo.: Besserung.

Komplikationen

Darmperforation, Organinf. (Meningitis, Arthritis, Cholezystitis).

Diagnostik

Blutkultur (zu 90% während der 1. Wo. pos.). Ab 2. Wo. Erregernachweis in Stuhl und Urin sowie Serologie (Widal). Großes BB: Leukos normal oder ↓, Eosinopenie.

Therapie

Im Frühstadium ambulante Behandlung mit Ciprofloxacin, z. B. Ciprobay®, p. o. tägl. mind. für 2 Wo. möglich, in späteren Stadien Klinikeinweisung. Impfung bei Fernreisenden (Inline graphic 9.2.3).

9.3.2. Anthrax (Milzbrand)

Erreger

Bacillus anthracis. Zoonose, weltweites Vorkommen, in Europa sehr selten. Inf. durch Berührung von verseuchten Tierkadavern und -häuten von Pflanzenfressern; Inhalation oder Verschlucken von infektiösem Staub. Anthrax-Sporen bleiben über Jahrzehnte infektionstüchtig. In Deutschland seit 2000 keine humane Erkr. Aktuell durch mögliche Verwendung bei Terroranschlägen; ausführliche Informationen zu erforderlichen Maßnahmen beim RKI: http://www.rki.de/INFEKT/BIOTERROR/. Verdacht, Erkrankung und Tod meldepflichtig.

Klinik

Abhängig von Eintrittspforte 3 Milzbrandformen: Haut-, Lungen-, Darmmilzbrand. Zunächst Lokalinf., später Generalisation des Err., Auslösung der Krankheitserscheinungen durch das Anthraxtoxin. Bei generalisierter Inf. immer letaler Verlauf.

  • Hautmilzbrand: Bei 95% nach 2–7 d rasch aufschießende schmerzlose Papel, dann Übergang in ein mit schwärzlichem Schorf bedecktes Geschwür, das von einem ausgedehnten Erythem umgeben ist. Chirurgische Maßnahmen sind kontraindiziert. Durch Toxineinschwemmung hohes Fieber, Hypotonie, Arrhythmie. KO: Sepsis bei 5–20%. Bei Chemother. gute Prognose.

  • Lungenmilzbrand: Nach 2- bis 3-tägigen grippalen Symptomen schlagartig Bronchopneumonie mit hohem Fieber, Hämoptoe, Schock. Prognose bei manifester Pneumonie infaust.

  • Darmmilzbrand (sehr selten): Initial Leibschmerzen, später perakut blutige Diarrhoe, Peritonitis, Schock. Prognose infaust.

Diagnostik

Erregernachweis durch Abstriche von Hautläsionen, Nase, Rachen; aus Blutkulturen, mikroskopisch.

Therapie

Sofortiger Therapiebeginn bei Verdacht bzw. Therapie aller potenziell Exponierten für 8 Wo. mit Ciprofloxacin, z.B Ciprobay 2 × 500 mg/d, oder Doxycyclin 2 × 100 mg/d. Ein Human-Impfstoff ist in Deutschland nicht zugelassen. Bei Anthrax-Erkr. stationäre Behandlung.

9.3.3. Lyme-Borreliose

Erreger

Borrelia burgdorferi (Spirochäte); durch Zecken (10–30% infiziert) auf den Menschen übertragen. Übertragung durch Stechfliegen unwahrscheinlich. Erkrankung und Tod meldepflichtig.

Vorgehen bei Zeckenbiss
  • Frühzeitige Entfernung einer festgesaugten Zecke (Übertragung erst ab 24 h Saugdauer, Risiko proportional zur Dauer). Große vollgesaugte Zecken mit den Fingern herausdrehen; kleine, noch leere Zecken mithilfe einer Pinzette entfernen, wobei der Zeckenkörper nicht gequetscht werden darf, um Inokulation des infektiösen Speichels zu vermeiden. Vom Ersticken mit Öl oder Klebstoff wird abgeraten; durch verlängerten Kontakt und verstärkte Speichelabsonderung der Zecke erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer Inf. Der in der Wunde verbliebene Zeckenkopf ist nicht infektiös und kann mit spitzer Pinzette entfernt werden. Von Chemoprophylaxe nach Zeckenbiss wird abgeraten; Risiko von Unverträglichkeit. Bei unzureichender Compliance Gefahr einer verschleppten Inf. ohne Ak-Bildung.

Klinik

Einteilung des Krankheitsverlaufs in 3 Stadien möglich, allerdings individuell sehr variabel. Frühstadium kann übersprungen werden oder in Spätstadien nur ein einzelnes Symptom vorhanden sein. Hohe Spontanheilungsrate im Frühstadium. Dennoch zur Prävention gefährlicher Spätmanifestationen immer antibiotische Behandlung.

Erythema migrans (Frühstadium)

  • Lokalbefund: An der Bissstelle oft Papel mit Hyperpigmentation. Von dort sich zentrifugal ausbreitendes Erythem (über 7–10 d, aber bis zu 1 Mon. möglich), Kriterium: Durchmesser ≥ 5 cm, später mit zentraler Abblassung. Verlauf über 3–6 Wo. Nur 10–30% der Pat. können sich an Zeckenbiss erinnern.

  • Begleitsymptome: Allgemeinbeschwerden 80%, Müdigkeit 54%, Myalgie 44%, Arthralgie 44%, Kopfschmerzen 42%, Fieber mit Schüttelfrost 40%, Nackensteifigkeit 35%, Appetitlosigkeit 26%, Lymphadenopathie 26%. Selten: Fazialislähmung.

Abb. 9.2.

Abb. 9.2

Abschätzung der Saugdauer bei Zecken

Lyme-Meningitis

  • Begleitsymptome: Kein bzw. leichtes Fieber (37,5–38,5°C); Allgemeinsymptome (40%): Müdigkeit, Übelkeit, Appetitlosigkeit, Gewichtsabnahme; Muskel- und Gelenkschmerzen (20–30%); geringer Meningismus, milder Kopfschmerz. Hirnnervenausfälle (50% d.F.): Zu 80–90% N. facialis betroffen. Selten Nn. oculomotorius, trochlearis und abducens. DD: MS, Inf. des ZNS (Inline graphic 20.5) → Facharztüberweisung.

  • Periphere Neuropathie: Radikulopathie, überwiegend im Bereich des Zeckenbisses. Über Wo. anhaltende, wandernde Schmerzen, v. a. nachts.

Lyme-Arthritis

Chron., intermittierende, mono- oder oligoartikuläre Arthritis der großen Gelenke, v. a. des Knies ohne systemische Symptome. DD: Arthritiden (Inline graphic 18.1).

Neuroborreliose

1,5–15 J. nach Erstinf. Multifokaler Befall des ZNS in wechselnder Ausprägung, Abgrenzung zur MS schwierig. Symptome: Meningitis, Myelitis, Hirnnervenausfälle, Enzephalitis, Mono- und Polyneuritis, Sensibilitätsstörungen, Ataxie, Para- und Tetraparesen, Blasenstörungen, epileptische Anfälle, psychische Auffälligkeiten.

Sonstige Spätstadien

Haut: Acrodermatitis chronica atrophicans (atrophische, gefältelte Haut, wie „Zigarettenpapier”); Herz: Myokarditis, Pankarditis, Arrhythmien.

Diagnostik

Bei verdächtigen Hauterscheinungen (Erythema migrans), unklaren rheumatischen Beschwerden oder neurologischen Störungen (z. B. Fazialisparese) nach Zeckenbiss oder -exposition fragen. In Spätstadien erschwert die Vielfalt möglicher Symptome die Diagnose.

Serologie

  • Borrelien-Ak: Erhöhte Titer treten auch bei klinisch Gesunden auf. Seroprävalenz von Borrelien-Ak in Mitteleuropa: Gesunde Normalbevölkerung 10%, Wald- und Landarbeiter 12,5–30% → Bestimmung von IgG- und IgM-AK (quantitativ). Wenn pos., weitere Differenzierung mit Immunoblot. In Zweifelsfällen trotz neg. EIA Immunoblot anfordern, weil dieser wesentlich größeres Antigenspektrum abdeckt.
    • Erythema migrans: Serokonversion (EIA) zu 35% bei Erstvorstellung, zu 85% ein Mon. nach Diagnosestellung.
    • Lyme-Meningitis: Serologie nahezu immer pos.
    • Lyme-Arthritis: Serologie meist pos., PCR aus Synovialflüssigkeit bei unbehandelten (!) Pat. zu 85% pos.
  • TPHA-Test bei neurologischer Symptomatik zum Ausschluss einer Lues (ebenfalls Spirochäten, daher Kreuzreaktion möglich). Jeder pos. Ak-Befund im ELISA muss durch einen Immunoblot bestätigt werden.

Cave: Bislang ist noch kein serol. Aktivitätsparameter verfügbar. Wegen langsamer Serokonversion muss die Diagnose „Lyme-Borreliose” häufig klin. gestellt werden.

Liquor

  • Lyme-Meningitis: Befund ähnlich wie bei viraler Meningitis. In 80% d. F. Pleozytose (100–1000/3 Zellen) zu über 90% Lymphozyten. Eiweißerhöhung (bis 1 g/dl). Intrathekale Synthese von IgG, IgM, IgA; bevorzugt IgM-Bildung.

  • Neuroborreliose: Lymphozytose (300/3 Zellen), mäßige Eiweißerhöhung (1g/dl), normale Glukose. Entscheidend: Intrathekale AK-Produktion.

PCR

  • Arthritis: Aus Synovialflüssigkeit zu 85% pos.

  • Meningitis: Aus Liquor zu 40–50% pos.

  • Neuroborreliose: Aus Liquor zu 54% pos.

Inline graphic Bei völlig unauffälligem Laborbefund ist eine chron. Lyme-Borreliose unwahrscheinlich.

Tab. 9.19.

Antibiose bei Lyme-Borreliose

Krankheitsstadium Antibiotische Behandlung
Erythema migrans

Erwachsene Doxycyclin 2 × 100 mg p.o. für 3 Wo.

Kinder > 8 J. Amoxicillin 3 × 500 mg p.o. für 3 Wo.

Alternativen Erythromycin 4 × 500 mg p.o. für 3 Wo.
Cefuroximaxetil 3 × 500 mg p. o. für 3 Wo.

Schwangere, Stillzeit Amoxicillin 3 × 500 mg p.o. für 3 Wo.

Kinder 5 8 J. Amoxicillin 20–40 mg/kg KG tägl. p. o. in 3 Dosen

Myokarditis

Milde Symptomatik Doxycyclin 2 × 100 mg p.o. für 3 Wo.
Amoxicillin 3 × 500 mg für p.o. für 3 Wo.

Schwerere Symptomatik Ceftriaxon 1 × 2 g/d i.v. für 2 Wo.

Neuroborreliose

Milde Symptomatik (Fazialisparese) Amoxicillin 3 × 500 mg p.o. für 3–4 Wo.
Doxycyclin 2 × 100 mg p.o. für 3–4 Wo.

Alternativen Ceftriaxon 1 × 2 g/d i.v. für 2–3 Wo.

Schwere Symptomatik (Meningitis, Radikulitis, Enzephalitis, periphere Neuropathie) Ceftriaxon 1 × 2 g/d i.v. für 2–3 Wo.

Alternativen Doxycyclin 2 × 100 mg p. o. oder i.v. für 2–3 Wo.

Lyme-Arthritis

Alle Patienten* Doxycyclin 2 × 100 mg p.o. für 4 Wo.
Amoxicillin 3 × 500 mg p.o. für 4 Wo.
Ceftriaxon 1 × 2 g i.v. für 2–3 Wo.
*

zusätzlich NSAR. Handelsnamen der Antibiotika: Cefuroximaxetil, z. B. Elobact®, Ceftriaxon, z. B. Rocephin®

Cave: Erfolg der Ther. nur klinisch beurteilbar. Wenn trotz lege artis durchgeführter Ther. die Symptome persistieren, muss die Diagnose „Borreliose” verworfen werden. In frühen Stadien oft rascher Abfall des Titers spezifischer Ak, in Spätstadien hingegen Persistenz hoher Ak-Titer bzw. nur sehr langsamer Rückgang. Titer-Kontrolle frühestens 6 Mon. nach Ther. sinnvoll. Keine zuverlässige Immunität nach durchgemachter Borreliose, Reinf. möglich.

Prognose

In Frühstadien: Hohe Spontanheilungsrate. In Spätstadien: Unbehandelt Remissionen der Beschwerden, jedoch nur selten Erregerelimination. Ansprechrate der antibiotischen Ther.: 80–95%. Residualschäden insgesamt: Ca. 5%.

9.3.4. Brucellose

Erreger

B. melitensis (Schafe und Ziegen, am häufigsten), B. abortus (Rind, M. Bang), B. suis (Schwein), B. canis (Hund), B. ovis (Hase), B. neotomae (Ratten). Zoonose, weltweites Vorkommen. Inf. durch direkten Kontakt zu erkrankten Tieren (perkutan) oder Trinken nicht-pasteurisierter Schafs- oder Ziegenmilch (Käse!). Erhöhtes Infektionsrisiko für Veterinäre, Beschäftigte in Landwirtschaft und Fleischverarbeitung. Die meisten Inf. erfolgen im Ausland (z. B. Mittelmeerraum, „Maltafieber”). Erkrankung und Tod meldepflichtig.

Klinik

Vielgestaltig und uncharakteristisch. IKZ 1 Wo. bis mehrere Mon. (!), dann meist schleichender Beginn mit Kopf-, Gelenk- und Gliederschmerzen und chron. Fieber über Wo. bis Mon. (septisch, kontinuierlich oder undulierend). Schwellung von Milz und Lk (50%), Hepatomegalie 25%. KO: Endokarditis, Osteomyelitis, Meningoenzephalitis.

Diagnostik

Gezielte Anamnese (berufliche Exposition, Ernährung, Auslandsreise). Leukozytenzahl normal oder ↓, Granulozytopenie, relative Lymphozytose (80%). Ak-Titeranstieg (Titer ≥ 1 : 100), Erregernachweis in Blutkulturen, Urin, Liquor, evtl. in Biopsien. Cave: Falsch-positive Reaktionen finden sich bei Yersinia-enterocolitica- und Cholerainfektionen bzw. nach Choleraimpfung.

Therapie

Schwierig. Trotz wirksamer antibiotischer Ther. häufig Rezidive. In komplizierten Fällen Klinikeinweisung. Doxycyclin 200 mg/d plus Rifampicin, z. B. Rifa® 600 mg/d, für 6–12 Wo., bei Neurobrucellose o. Endokarditis länger. Alternative: Co-trimoxazol, z. B. Bactrim® 2 × 480 mg/d, plus Rifampicin 600 mg/d. Cave: Resistenzen gegen Rifampicin möglich. BB-Kontrollen.

9.3.5. Listeriose

Erreger

Listeria monocytogenes. Zoonose. Ubiquitäres Vorkommen in der Natur, Inf. durch direkten Kontakt zu infizierten Tieren oder durch Milch und Milchprodukte (bes. Camembert). Wachstum des Err. auch bei +4°C (Kühlschrank); wird durch Pasteurisierung nicht vollständig inaktiviert. Erkrankung und Tod meldepflichtig.

Klinik

Erkr. selten. Manifeste Erkrankungen v. a. bei älteren Personen mit konsumierender Grunderkr. sowie bei NG. Krankheitsbilder:

  • Systemische Inf.: Sepsis, Meningitis, Enzephalitis, selten auch Endokarditis. Oft uncharakteristische, grippeähnliche Symptome. Pathohistologisch 2 Verlaufsformen: Akut-eitrige Entzündung und granulomatöse Verlaufsform mit Abszessbildung, sog. Listeriomen.

  • Schwangeren-Listeriose: Grippaler bis septischer Verlauf vorwiegend im letzten Trimenon. Bei schwerem Verlauf Abort bzw. Gefahr der Frühgeburt.

  • Neugeborenen-Listeriose: Durch intrauterine oder perinatale Inf., Manifestation als septische Neugeborenen-Granulomatose.

Diagnostik

Erregernachweis aus Blutkulturen, Liquor oder Biopsien. Serologie unzuverlässig.

Therapie

Klinikeinweisung zur i. v. Antibiose (Amoxicillin plus Aminoglykosid); Expositionsprophylaxe v. a. für Schwangere indiziert: H-Milch; kein Camembert, Kontakt zu Kühen, Schafen, Schweinen meiden.

9.3.6. Diphtherie

Erreger

Corynebacterium diphtheriae. In Mitteleuropa selten, meist importierte Fälle aus Osteuropa. Übertragung durch Tröpfcheninf. Schleimhautschädigung durch Toxinbildung. IKZ 3–12 d, Manifestation bei 20% der Infizierten. Durch Toxinfernwirkung Myokarditis und Polyneuritis möglich. Verdacht, Erkrankung und Tod meldepflichtig.

Klinik

  • Lokale, benigne Rachendiphtherie (mäßiges Fieber, typischer Lokalbefund): Großflächig entzündetes Tonsillengebiet mit Pseudomembranen (fest haftende weiß-graue Beläge aus nekrotischem Material, beim Ablösen kommt es zur Blutung), süßlicher Foetor ex ore, Schwellung des Rachens und der regionalen Lk, Höhepunkt der Erkr. nach 3–5 d. KO: Larynxdiphtherie mit bellendem Husten und Stridor („echter” Krupp).

  • Andere lokale Manifestationen: Nasendiphtherie (blutiger Schnupfen), Augendiphtherie, Nabeldiphtherie.

  • Toxische, maligne Diphtherie: Myokarditis, Herz-Kreislauf-Versagen, unstillbares Erbrechen, Haut- und Schleimhautblutungen. Bei Abwehrschwäche oder als KO einer lokalen Diphtherie.

Diagnostik

Klinischer Aspekt (liegt Grundimmunisierung > 10 J. zurück, sind schwere Verläufe möglich). Erregernachweis aus Nasen-, Rachenabstrich. Cave: Pseudomembranen vorher ablösen.

Therapie

Klinikeinweisung schon bei Verdacht zur Antibiose (Penicillin-G oder Erythromycin). Bei Kontaktpersonen des Erkrankten Chemoprophylaxe (Penicillin G oder Erythromycin) und Auffrischimpfung schon nach 5 Jahren (Inline graphic 9.2.3).

9.3.7. Chlamydia-trachomatis-Infektionen

Krankheitsbilder

Trachom (Serotypen A-C); unspezifische Genitalinf., Neugeborenen-Pneumonie, Einschlusskörperchen-Konjunktivitis (Serotypen D-K); Lymphogranuloma venereum (Serotypen L1-L13; Inline graphic 9.8.5).

Klinik

Dysurie, Pollakisurie, Urethralsekretion, vaginaler Fluor.

Komplikationen

  • Bei chron. Inf.: Salpingitis (Inline graphic 14.3.3) mit ektopischen Schwangerschaften oder Sterilität, reaktive Arthritis.

  • Sexuelle Übertragung.

  • Neugeborenen-Inf.: Übertragung unter der Geburt führt beim NG zu Einschluss-körperchen-Konjunktivitis oder Pneumonie. Beim reifen NG relativ gutartiger Verlauf, bei Frühgeborenen schlechte Prognose. Deshalb bei Schwangeren konsequentes Chlamy dien-Screening. Die Credé-Prophylaxe gegen Konjunktivitis ist wirkungslos, stattdessen PVP-Jod verwenden. Einschlusskörperchen-Konjunktivitis: Gutartiger Verlauf, spontane Abheilung nach 3–16 Mon., unter Ther. nach 2–3 d.

  • Trachom: Keratokonjunktivitis mit Entropium; v. a. in den Tropen und Subtropen verbreitet, bei langem Verlauf Erblindung.

Diagnostik

Abstriche von Urethra und Zervix für Gensonde oder PCR (s. a. Inline graphic 14.1.2).

Therapie

In unkomplizierten Fällen Einmaldosis von Azithromycin, z. B. Zithromax® 1 × 1 g = 1 × 4 Kps. ä 250 mg. Alternative: Doxycyclin 2 × 100 mg für 7 d. In chron. Fä–llen Ther. mit Doxycyclin für mind. 20 d. Partnerbehandlung!

9.3.8. Katzenkratzkrankheit

Erreger

Rel. häufige Zoonose. Err.: Bartonella henselae. Übertragung durch Katzen 95%, Hunde 4%, 1% ohne Tierkontakt. Inf. auch durch Belecken von Hautläsionen oder Schleimhäuten möglich.

Klinik

  • Hautbefund: Nach 3–10 d Auftreten eines 3–5 mm großen Bläschens oder einer Pustel; später Umwandlung zur Papel, die mehrere d bis Mon. bestehen bleibt. Abheilung ohne Narbenbildung. Bei Einbringen von infektiösem Material in das Auge, konjunktivales Granulom.

  • Lk: 2 Wo. (3–70 d) nach dem Kratzer schmerzhafte Schwellung eines oder mehrerer regionärer Lk. Größe 1–5 cm, selten größer.

  • Begleitsymptome: In 30% d. F. Fieber; in 50% d. F. Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit.

Komplikationen

ZNS-Befall mit Krampfanfällen, fokalen Ausfällen, Neuroretinitis.

Diagnostik

Vorgeschichte, klin. Aspekt, Serologie. Aus Biopsiematerial PCR und Histologie.

Differenzialdiagnose

Malignes Lymphom, Mononukleose, Toxoplasmose.

Therapie

Symptomatisch, kühle Umschläge auf geschwollene Lk. Antibiotika nur bei KO, wirksam sind Makrolide, z. B. Rulid®, oder Ciprofloxacin, z. B. Ciprobay®.

Prognose

Nahezu immer Restitutio ad integrum. Rückbildung der Lk-Schwellung über 2–6 Mon., in 2% d. F. über 1–3 J. Bei Neuroretinitis in seltenen Fällen bleibende leichte Visuseinschränkung.

9.3.9. Enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC)

Erreger

E. coli, toxinbildende Stämme (Verotoxin, SLT = Shiga-like-Toxin), > 160 Serotypen. Inf. durch Genuss unpasteurisierter Milchprodukte, roher/unzureichend gegarter (Rind-)Fleischprodukte. Übertragung von Mensch zu Mensch durch Schmierinf. Direkte Übertragung vom Tier auf den Menschen selten. Niedrige Infektionsdosis (nur 100 Keime erforderlich). Bes. gefährdet sind Kinder < 4 J. IKZ für die Durchfallerkr. 1–3 d, bis zu 8 d.

Klinik

Wässriger Durchfall 80%, wässrig-blutiger Durchfall 20%, kolikartige Bauchschmerzen, bei Kindern häufig Erbrechen, leichtes Fieber. Intestinale KO: Chron. Kolitis bei Erw. (DD Colitis ulcerosa), nekrotisierende Kolitis und Dickdarminvagination mit Ileus bei Sgl.

Extraintestinale KO: Hämolytisch-urämisches Sy. (HUS), v. a. bei Kindern < 6 J., hämolytische Anämie, Thrombopenie, ANV. Verdacht, Erkrankung und Tod von HUS meldepflichtig.

Diagnostik

BB: Fragmentozyten, Thrombopenie; LDH ↑, Krea ↑; Stuhluntersuchung auf EHEC, Toxinnachweis mit EIA oder PCR. Zwingende Ind. nach RKI:

  • Durchfall und mind. eine der folgenden Bedingungen: HUS oder TTP (auch Verdacht), blutig wässrige Stühle, endoskopisch nachgewiesene hämorrhagische Kolitis, nekrotisierende Enterokolitis.

  • Durchfall in der Anamnese (innerhalb der letzten Wo.) und mind. eine der folgenden Bedingungen: Hämolytische Anämie, ANV.

  • Ausbrüche in Gemeinschaftseinrichtungen bzw. bei Gemeinschaftsverpflegung.

Therapie

Abhängig vom Schweregrad. Symptomatische Ther. (Inline graphic 8.1.8); von Antibiotikagabe wird eher abgeraten; falls doch, dann mit Ciprofloxacin, z. B. Ciprobay®. Beim Auftreten von KO Klinikeinweisung.

Prognose

Im Anschluss an die Kolitis bei Kindern < 6 J. in 10–15% d. F. hämolytisch-urämisches Sy. (HUS), zu 50% dialysepflichtig. Dauer der Dialysepflichtigkeit meist 1–2 Wo. Bei HUS 10% Letalität, in 15–30% Proteinurie, terminale Niereninsuff. und/oder Bluthochdruck. HUS am häufigsten bei Kindern von 3 J.; Enteritis häufiger bei Kindern > 10 J.

Inline graphic Umgebungsuntersuchungen sowie Kontrolluntersuchungen bei Rekonvaleszenten: Erregerausscheidung ca. 2–3 Wo., zu 10% auch > 1 Mon. Überwachung und Berufsbeschränkungen ähnlich wie bei Salmonellosen, bis 3 Stuhlproben neg. sind.

Inline graphic Kein Verzehr roher oder unzureichend gegarter Fleischprodukte durch Kinder < 10 J.

9.3.10. ORSA/MRSA

Inline graphic Oxacillin-/Methicillin-resistente Staphylococcus-aureus-Stämme. Meist multiresistent gegen Penicilline, Cephalosporine, Gyrasehemmer u. a. Vor allem in den USA, Japan und südeuropäischen Ländern (30–80%), Deutschland (20%), Niederlande, Skandinavien < 2%. Mehr als 2 Erkr. müssen vom Krankenhaus an das Gesundheitsamt gemeldet werden.

Ätiologie

Nosokomiale Infektion und nicht sachgerechte Breitband-Antibiotikatherapie sowie Beimischung von Glykopeptidantibiotika zum Tierfutter. Ca. 20% der Bevölkerung sind ständig und ca. 60% intermittierend im Bereich der vorderen Nasenhöhle mit Staphylococcus aureus kolonisiert.

Diagnostik

Konventionelle Kultur-Verfahren, molekularbiologische Untersuchungen, z. B. PCR zum Nachweis des Oxacillin-/Methicillin-Resistenz-Gens (mecA). MRSA-Schnell-tests sind in Erprobung.

Therapie

  • Systemische Chemotherapie einer MRSA-Infektion (nicht Kolonisation!): Vancomycin, möglichst in Kombination mit weiteren Staphylokokken-wirksamen Antibiotika, wie z. B. Fosfomycin und Rifampicin, oder alternativ in Kombination mit Clindamycin, Aminoglykosiden oder Trimethoprim/Sulfamethoxazol.

  • Dekolonisation: Lokale antiseptische Maßnahmen von Haut und Schleimhautoberflächen. Utensilien der Körperpflege (Haarbürste, Zahnbürste, Handtuch, Kopfkissen etc.), die mit Haut und Schleimhäuten in Berührung kommen, regelmäßig austauschen.

  • Eine systemische Antibiotikatherapie zur Eradikation einer Kolonisierung wird grundsätzlich abgelehnt.

Wichtigste Maßnahmen zur Vermeidung von ORSA/MRSA-Infektionen:
  • Mikrobiologisches Screening auf ORSA/MRSA-Kolonisation (mind. Nasen-Rachen-Abstrich, zum Erheben des Kolonisationsstatus bei ORSA/MRSA-Nachweis auch Abstriche in Axillen, Stirn-Ansatz der Haare, Leisten, Perineum) und Sanierung von ORSA/MRSA-Trägern.

  • Strenge Isolation von ORSA/MRSA-Infektionen oder -Kolonisationen. Nicht der Patient muss vor seiner Umgebung geschützt werden, sondern seine Umgebung vor ihm!

  • Strenge Anwendung von Hygieneregeln, besonders Händedesinfektion, Benutzung von Einmalhandschuhen, Anlegen von Schutzkittel und Mund-Nasenschutz, Oberflächendesinfektion.

  • Restriktiver Einsatz von Antibiotika.

Weiterführende Informationen: www.rki.de

9.3.11. Sonstige bakterielle Infektionen: Alphabetische Übersicht

9.4. Virale Infektionen

9.4.1. Herpes-simplex-Virus-Infektionen

Erreger

HSV-Typ-1: Extragenitale Haut und Schleimhäute. HSV-Typ-2: Genitale Schleimhäute. Übertragung durch Schmierinf. und direkten Kontakt. 90% aller Erw. sind infiziert, jedoch meist inapparent, 15% scheiden Viren aus. Die Viren persistieren in sensiblen Ganglienzellen. Charakteristisch für die Herpes-Inf. sind endogene Rezidive, hervorgerufen durch Irritation latent infizierter Neurone durch Fieber (Herpes febrilis), UV-Bestrahlung (Herpes solaris), Menstruation, Stress oder weitere Inf., auch ohne Fieber (z. B. Bronchitis).

Klinik

Je nach Manifestationsform: Erstinf. verläuft bei 99% aller Infizierten inapparent. Stomatitis aphthosa (Inline graphic 24.5.4), Herpes labialis (Inline graphic 25.4.1), Herpes genitalis (Inline graphic 14.3), Ekzema herpeticatum, Herpesenzephalitis (Inline graphic 20.5.3).

9.4.2. Varicella-Zoster-Infektionen

Erreger

Varicella-Zoster-Virus (VZV), verursacht bei Erstinf. Windpocken (Varizellen), kann in den Nervenganglien persistieren und im höheren Alter zu endogenen Rezidiven in Form der Gürtelrose (Zoster) führen. Windpocken (Inline graphic 16.7.4); Zoster (Gürtelrose, Inline graphic 25.4.2).

9.4.3. Infektiöse Mononukleose

Synonym

Pfeiffer-Drüsenfieber.

Erreger

Epstein-Barr-Virus (EBV). Häufung im Frühjahr, vorwiegend Jugendliche. Übertragung durch Speichel: „kissing disease”. In 60% klinisch inapparenter Verlauf.

Klinik

IKZ 7 d-3 Wo. Prodromi: Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen (1–3 d). Akutstadium: Fieber (38–39 °C), Halsschmerzen, zervikale Lk-Schwellungen (85%), Splenomegalie (70%), Pharyngotonsillitis mit Pseudomembranen (40%). Gelegentlich auch Hepatomegalie (20%) mit Ikterus (10%) oder Exanthem (5%). Dauer ca. 2 Wo. Rekonvaleszenz: In den nächsten 2 Wo. Rückgang des Fiebers. Bei Kindern sind Pharyngotonsillitis (95%), Hepatomegalie (40%) und Ikterus (20%) häufiger. DD: Zytomegalie.

Diagnostik

Bei frischer Inf.: Typische Klinik. Labor: Im Diff.-BB: 10 000–25 000 Leukos/μl mit 70% monozytoiden Zellen („Pfeiffer-Zellen”), Paul-Bunnell-Test auf heterophile Ak pos. (z. B. Clearview Monosticon®-Teststreifen, Fa. Unipath-Difco) bei Erw. und Kindern ≥ 5 J., oft Transaminasen ↑. EBV-Serologie: VCA-IgG, VCA-IgM, Anti-EBNA, Anti-CMV nur dann, wenn o. g. Kriterien nicht ausreichen oder V. a. chron. oder reaktivierte Inf. Ggf. zusätzlich Abdomen-Sono: Splenomegalie, evtl. Hepatomegalie, vergrößerte intraabdominale Lk?

Therapie

Ambulant, Klinikeinweisung nur bei KO. Bettruhe bis zur Entfieberung, anschließend körperliche Schonung bis zur Rückbildung der Splenomegalie (1–2 Mon.). Mundpflege z. B. mit Hexetidin, z. B. Hexoral®, Antitussiva, Antipyretika (kein ASS wegen Thrombozytenfunktionsstörung). Antibiotika nur bei bakt. Superinf., Cefuroxim, z. B. Elobact®, oder Roxithromycin, z. B. Rulid®.

Cave: Kein Ampicillin oder Amoxicillin wegen Provokation eines Exanthems. Keine kräftige Milzpalpation wegen der Gefahr der Milzruptur.

Komplikationen

Milzruptur, Stauungsikterus. Selten Atemwegsobstruktion, Pneumonie, hämolytische Anämie, Meningoenzephalitis, Fazialisparese, Myokarditis. Bei Immunschwäche oder Immunsuppression chron. oder reaktivierte EBV-Inf. mit Fieber, generalisierter Lymphadenopathie, Hepatosplenomegalie und PNP. Bei AIDS häufig orale Haarzellleukoplakie (Inline graphic Tab. 9.28 ). Bei Afrikanern: Burkitt-Lymphom. Assoziation des EBV mit Nasopharynx-Ca (Hinweis: EBV-VCA-IgA ↑↑).

Tab. 9.28.

Häufige Komplikationen bei AIDS

Symptome bei AIDS Mögliche Ursache
Abgeschlagenheit, Fieber, Gewichtsverlust
  • Sepsis: Pneumok., Salmonellen, A-Streptok.

  • Beginnende opportunistische Inf., malignes Lymphom


Retrosternale Schmerzen Ösophagitis durch Candida, CMV, Herpes, Kaposi-Sarkom des Ösophagus oder Magens

Dyspnoe, Husten, Fieber Pneumonie durch Pneumocystis carinii, Bakterien, CMV, Tbc

Übelkeit und Erbrechen Arzneimittel-NW, Kaposi-Sarkom, Lymphom des Magens

Diarrhoe Durch Kryptosporidien, Isospora species, Lamblien, Amöben, Salmonellen, Yersinien, enteropathogene Coli-Stämme, Arzneimittel-NW

Bauchschmerzen, Koliken, Obstipation CMV-Enteritis, abdom. Inf. mit Mycobacterium avium, medikamentenin-duzierte Pankreatitis, Kaposi-Sarkom des Darms, maligne Lymphome des Darms. Perforation, Appendizitis

Neurologische Ausfälle und Fieber ZNS-Toxoplasmose, ZNS-Lymphom. Meningitis durch Bakterien, Krypto-kokken

Hirnorganischer Abbau HIV-Enzephalopathie

Auge, Sehstörungen
  • Retinitis: Zytomegalie, Toxoplasmose, Herpes

  • NW einer Ethambutol-Ther.: Ablatio retinae


Haut
  • Erytheme, Exantheme: Arzneimittel-NW, Mykosen

  • Bläschen, Pusteln: Herpes simplex, Zoster, Mykosen

  • Papeln, Knoten, Tumoren: Kaposi-Sarkom, Mollusca contagiosa, kutane Lymphome, Mykobakteriosen, bazilläre Angiomatose

  • Juckreiz: Internistische Ursachen (Inline graphic 25.1.2), Arzneimittelreaktion


Mundhöhle
  • Beläge: Soor, orale Haarzellleukoplakie

  • Zungenbrennen: Soor, Zytomegalie, Herpes


Anal-genitale Schmerzen Analvenenthrombose, Herpes, Soor, Gonorrhoe, Lues

X-linked lymphoproliferatives Sy.: Sehr selten; genetisch disponierte männliche Pat. entwickeln bei EBV-Inf. eine aplastische Anämie, Immunschwäche und maligne Lymphome. Prognose ohne Stammzellentransplantation infaust, Untersuchung von Geschwistern auf den Gendefekt.

Prognose

Gut, nur selten KO.

9.4.4. Influenza

Erreger

Influenza-Virus; genetisch sehr variabel, meist Gruppe A, seltener Gruppe B oder C. Übertragung durch Tröpfcheninf., gehäuft Herbst und Winter. Erhöhte Gefährdung für ältere Personen und Sgl. Ind. und Durchführung der Schutzimpfung Inline graphic 9.2.3. Krankheit und Tod meldepflichtig.

Differenzialdiagnose

Inf. durch eine Vielzahl anderer Viren, die unkomplizierte Atemwegsinf. verursachen („grippaler Inf.”) z. B. Parainfluenzaviren.

Klinik

Nach kurzer IKZ (1–5 d) ohne Prodromi hohes Fieber mit Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, Halsschmerzen, trockenem Husten, Tracheobronchitis, Gastroenteritis (20%). Bei Fieber länger als 3–4 d, produktivem Husten und Anstieg der Leukos V. a. bakt. Superinf.

Komplikationen

Hämorrhagische oder eitrige Bronchopneumonie, Otitis media, Myokarditis, Perikarditis mit Erguss, Meningoenzephalitis, Guillain-Barré-Sy.

Diagnostik

Klinischer Verlauf; in den ersten 3 Krankheitstagen Virus-Antigennachweis aus Rachenspülwasser oder Nasopharynxabstrich. Retrospektiv durch Serologie.

Therapie

Symptomatisch: Bettruhe, Antipyretika, Antitussiva, Antibiotika bei Superinf. (Amoxicillin, Roxithromycin, z. B. Rulid®). Bei Erw. in reduziertem AZ und/oder epidemischem Auftreten zusätzlich Chemoprophylaxe oder Therapie.

  • Ther.: Am 1. oder 2. d nach Symptombeginn Zanamivir, z. B. Relenza®, 2 × 10 mg/d inhalativ für 5 d oder Oseltamivir, z. B. Tamiflu®, 2 × 75 mg/d für 5 d. NW: Selten.

  • Chemoprophylaxe: Zanamivir, z. B. Relenza®, 1 × 10 mg/d inhalativ für 4 Wo. NW: Selten. KI: Keine speziellen. Für Kinder < 12 J. und Pat. mit schweren chron. Erkrankungen nicht evaluiert.

9.4.5. Coxsackie-Virus-Infektionen

Erreger

Ubiquitäres Vorkommen, verschiedene Serotypen. Übertragung durch Schmierinf., Kinder erkranken häufiger als Erw. 2 Gruppen: Gruppe A verursacht Herpangina, Hand-Mund-Fuß-Krankheit; Gruppe B die Bornholm-Erkr. Die Mehrzahl der Infektionen verläuft asymptomatisch.

Herpangina (vesikuläre Pharyngitis)

Klinik

Nach einer IKZ von 2–14 d helle, meist schmerzhafte Bläschen am vorderen Gaumenbogen, die nach ca. 24 h aufplatzen → runde Ulzera mit gerötetem Rand. Dazu Fieber, Halsschmerzen, Schluckbeschwerden, gelegentlich Erbrechen. Immer gutartiger Verlauf.

Diagnostik

Klinischer Aspekt.

Therapie

Mundpflege, flüssige Nahrung.

Hand-Mund-Fuß-Krankheit

Klinik

Gehäuft im Frühjahr und Herbst bei Kindern und Jugendlichen. An Handflächen, Fußsohlen und in der Mundhöhle zunächst klare, innerhalb von 1–2 d ulzerierende Bläschen mit geringfügigen Beschwerden. IKZ 2–14 d, Tröpfcheninf., fäkal-oral.

Diagnostik

Klinischer Aspekt.

Therapie

Meist nicht erforderlich. Immer Spontanheilung.

Bornholm-Erkrankung (Myalgia epidemical)

Klinik

Akuter Beginn mit Fieber, heftigen Schmerzen im unteren Brustbereich und Oberbauch („Teufelsgriff”), intermittierend allg. Myalgien. I. d.R. gutartiger Verlauf.

Komplikationen

Meningoenzephalitis mit starken Kopfschmerzen, Nackensteife und reversiblen Paresen (polioähnliches Krankheitsbild). Selten: Perikarditis, Myokarditis. Bei Inf. des NG schweres Krankheitsbild mit Enzephalitis und Myokarditis.

Diagnostik

Klinikeinweisung Ak-Nachweis. Ausschluss anderer Erkr. DD: Akute Pankreatitis, Hepatitis, Ulkuskrankheit, SLE, Trichinose.

Therapie

Symptomatisch mit ASS oder NSAR. Spontane Ausheilung nach 1–2 Wo.

9.4.6. Zytomegalievirus-Infektionen

Erreger

Zytomegalrus (CMV), ubiquitäres Vorkommen. Übertragung durch Schmierinf.; Erstinf. verläuft meist inapparent, gelegentlich unter dem Krankheitsbild einer Mononukleose (Inline graphic 9.4.3). Durchseuchung der erwachsenen Bevölkerung 50%.

Klinik

  • Intrauterine Inf.: In der Frühschwangerschaft Abort, in der Spätschwangerschaft Blutungsneigung, Hepatosplenomegalie, Ikterus, Mikrozephalie, Optikusschäden.

  • Reaktivierte Inf. bei Immunschwäche (Immunsuppression oder AIDS): Manifestation als Hepatitis, ulzeröse Enteritis, Pneumonie oder Enzephalitis möglich.

Komplikationen

Bes. bei AIDS-Retinitis mit schleichender Erblindung (Inline graphic 9.9.5).

Diagnostik

Immunschwäche in der Anamnese. Serologie: CMV-IgM-Nachweis.

Therapie

Bei immunkompetenten Pat. i. d.R. keine Therapie erforderlich. Bei seronegativen Schwangeren postexpositionelle Gabe von CMV-Immunglobulin. Bei immunsupprimierten Pat. mit manifester Erkrankung: Ganciclovir, z. B. Cymeven® (Cave: Nephrou. myelotoxisch), und CMV-Immunglobulin. Bei CMV-Retinitis bei AIDS-Patienten auch Valganciclovir, z. B. Valcyte® (Inline graphic 9.9.5).

9.4.7. Frühsommer-Meningoenzephalitis

Synonym

FSME; Zentraleuropäische Enzephalitis (CEE).

Erreger

FSME-Virus, Vorkommen endemisch in Deutschland (ca. 200 Erkr./J.), Österreich, Osteuropa, Nordasien. Übertragung durch Zecken; Übertragungsrisiko 1 : 500 bis 1 : 10 000 je Zeckenbiss in Endemiegebieten. Erkrankung und Tod meldepflichtig.

Klinik

Biphasischer Verlauf. IKZ 3 d-3 Wo., dann leichte grippale oder GIT-Beschwerden („Sommergrippe”). Nach beschwerdefreiem Intervall (ca. 8 d) bei 10% erneuter hoher Fieberanstieg mit uncharakteristischen neurologischen Störungen: Meningismus, Kopfschmerzen, Erbrechen, Schwindel, Bewusstseinsstörungen, Lähmungen, delirante Psychosen.

Diagnostik

Klinikeinweisung bei Verdacht. Liquor: Lymphozytose; intrathekale Ak-Produktion: Vor allem IgM und IgG. FSME-Ak-Nachweis im Serum: IgM und IgG.

Therapie

Rein symptomatisch. Schutzimpfung (Inline graphic 9.2.3). Vorgehen bei Zeckenbiss Inline graphic 9.3.3.

Prognose

Letalität der neurol. Erkr. 10%. In 90% Vollremission innerhalb 10–14 d. Neurol. Residuen in 3–10%, Rückbildung innerhalb mehrerer Mon., nur selten Dauerschäden.

Prophylaxe

Haut vollständig bedecken (auch Unterschenkel und Arme). Impfung.

9.4.8. Tollwut

Synonym

Rabies.

Erreger

Tollwutvirus (TWV). Inf. durch Inokulation von virushaltigem Speichel infizierter Tiere (meist Hunde) in Hautläsionen durch Biss oder Belecken. IKZ 10 d-3 Mon., am kürzesten bei Verletzungen im Gesicht. Verdacht, Erkrankung und Tod meldepflichtig.

Klinik

  • Prodromalstadium: Fieber, Kopfschmerzen, Übelkeit, Schmerzen oder Parästhesien an der Bissstelle.

  • Exzitationsstadium: Angst, Halluzinationen, motorische Unruhe, Speichelfluss, Hydrophobie, Schwitzen.

  • Paralysestadium: Lähmungen, Aphasie, Koma, Tod.

Die meisten Tollwuterkr. werden aus Dritte-Welt-Ländern importiert. Die manifeste Tollwuterkr. verläuft immer tödlich.

Diagnostik

Nachweis von TWV-Antigen in Speichel, Kornealabstrich, Liquor.

Therapie

Postexpositionsprophylaxe (PEP) durch Impfung (Inline graphic 9.2.3); Rücksprache mit dem Tollwutbeauftragten des Gesundheitsamts.

9.4.9. Poliomyelitis

Synonym

Kinderlähmung.

Erreger

3 Poliovirustypen; Übertragung durch Schmierinf., selten Tröpfcheninf. IKZ 1–2 Wo., zu 95% inapparente Inf., in 5% nur „grippaler Inf.”. Erkr. in jedem Lebensalter möglich. Verdacht, Erkrankung und Tod meldepflichtig.

Klinik

Verlauf in mehreren Stadien: Initial grippale Symptome, dann 1–3 d Latenzstadium mit Rückgang der Beschwerden. In 0,1% der Fälle Übergang in die paralytische Polio mit Meningismus und asymmetrischen Lähmungen unterschiedlicher Muskelgruppen.

Diagnostik

Klinikeinweisung. Typischer Verlauf, Erregernachweis aus Rachenspülwasser oder Stuhl.

Therapie

Nur symptomatische Ther. möglich, umso wichtiger ist daher ausreichende Immunität durch Schutzimpfungen (Inline graphic 9.2.3).

Prognose

Letalität bei paralytischer Polio 20%. Besserung der Paresen bis 2 J. p.i. möglich, meist jedoch Residuen.

Inline graphic Es gibt weitere Enteroviren (z. B. ECHO), die ein mildes polioähnliches Krankheitsbild auslösen können.

Tab. 9.21.

Sonstige virale Infektionen

Erreger, IKZ Krankheitsbilder; Prädilektionsgruppen; Vorkommen Klinik Diagnostik Therapie
Respiratory Syncytial Virus (RSV)*, 1–3 d Obstruktive Bronchioli-tis, Pneumonie; Kleinkinder Fieber, Dyspnoe, Myalgien; KO: Bakt. Superinf. Klinikeinweisung, Antigen-nachweis im Rachenabstrich Stationär: Ribavi-rin-(Virazole®-)ln-halation

Parvovirus B-19*, 6–16 d Erythema infectiosum: Kinder, Erw.
Girlandenartige, ringförmige Ery-theme, flüchtige Arthralgien
Klinischer Aspekt, Serologie, BB Keine Ther., da gutartiger Verlauf; cave: Gravidität
Aplastische Anämie: Anämie Bluttransfusionen

Hämatologische Vorerkr.

Hydrops fetalis, intrauterine Inf. Hydrops fetalis, hochgradige Anämie Austauschtransfusion

Das Robert-Koch-Institut (RKI) hält auf seiner Internet-Seite (http://www.rki.de/) Informationen über seltene Viruskrankheiten bereit.

Angaben zur Meldepflicht Inline graphic9.11

*

Ubiquitäres Vorkommen, hohe Durchseuchung, Inf. meist klinisch inapparent Masern (Inline graphic16.7.1), Röteln (Inline graphic16.7.2), Mumps (Inline graphic16.7.8)

9.4.10. Schweres respiratorisches Syndrom (SARS)

Erreger

SARS-Coronavirus, aus dem Tierreich stammend. Übertragung durch bereits Erkrankte durch Tröpfcheninfektion. IKZ 2–10 d. Erste Fälle 2003 in Südchina (Guangdong), später in Vietnam und Hongkong sowie anderen Ländern. Verdacht, Erkrankung und Tod meldepflichtig.

Klinik

Schwere grippale Symptome, nach einigen Tagen, auch bei jungen Menschen, Pneumonie, z.T. mit Übergang in Schocklunge. BB meist Thrombozytopenie, Lymphozytopenie. CRP erhöht. Gelegentlich auch GOT und LDH erhöht.

Definitionen WHO
Verdachtsfall von SARS
  • Erkrankungsbeginn nach dem 1. Februar 2003 und febrile Temperaturen > 38 °C. Cave: Gelegentlich kein Fieber bei älteren Menschen.

  • Eines oder mehrere respiratorische Symptome, z. B. Husten, Atemnot, Kurzatmigkeit und Vorliegen mindestens einer der folgenden Expositionen:
    • Enger Kontakt innerhalb von 10 Tagen vor Beginn der Symptome mit einem wahrscheinlichen Fall für SARS.
    • Aufenthalt innerhalb von 10 Tagen vor Beginn der Symptome in einer Region, aus der Häufungen von SARS berichtet werden.
Wahrscheinlicher Fall von SARS

Erfüllen der Kriterien für den SARS-Verdachtsfall und mindestens einer der folgenden Bedingungen:

  • Röntgenbefund weist auf eine Pneumonie oder auf ein akutes Atemnotsyndrom (ARDS) hin.

  • Feststellung einer ungeklärten Atemwegserkrankung mit Todesfolge sowie Autopsiebefund mit Hinweis auf ein ARDS ohne feststellbare Ursache.

Empfehlungen zum Vorgehen

Bei Verdacht Röntgenaufnahme der Lunge mit Befundung am gleichen Tag. Bei positivem Befund (Pneumonie, ARDS) sofortige stationäre Einweisung in Krankenhaus mit Möglichkeit zu strenger Isolierung. Krankenhaus und Krankentransport vorab informieren. Bis zum Transport muss eine weitestmögliche Isolierung erfolgen. Weiterführende Informationen: www.rki.de.

9.4.11. Vogelgrippe

Synonym

Aviäre Influenza.

Erreger

Influenza-Virus A/H5(N1). Seit 2003 in Südostasien bekannte Übertragung von Vögeln aus Landwirtschaft und Wildbeständen auf den Menschen nach intensivem Kontakt mit erkrankten Tieren oder deren Kot. Übertragung durch Inhalation virushaltiger Staubteilchen und durch Genuss roher Geflügelgerichte. Vereinzelte Übertragung vom Kranken auf andere Personen durch engen Kontakt wird vermutet. Verdacht, Erkrankung und Tod meldepflichtig.

Klinik

2 bis 5 d p.i. Grippe-ähnliche Symptomatik mit Fieber, Kopf- u. Halsschmerzen, Husten u. Lungenentzündung. In 50% Durchfall, Übelkeit, Bauchschmerzen. KO häufig Lungenversagen. Letalität bisher ca. 50%.

Diagnostik

Klinisches Bild
  • Erkrankung bei Vorliegen der folgenden Kriterien: Akuter Krankheitsbeginn, Fieber > 38 °C, Husten und/oder Dyspnoe (Atemnot) oder:

  • Tod durch unklare akute respiratorische Erkrankung.

Epidemiologische Exposition

Mind. eine der drei folgenden Expositionen innerhalb von 7 d vor Erkrankungsbeginn:

  • Aufenthalt in einem zoonotisch betroffenen Gebiet und direktem Kontakt mit lebenden oder toten Tieren (nur Geflügel, Wildvögel, Schweine) oder:

  • Tätigkeit auf einer Geflügel- oder Schweinefarm, auf der innerhalb der letzten 6 Wo. infizierte oder infektionsverdächtige Tiere eingestallt waren oder:

  • direkter Kontakt zu einem Pat. oder seinen Sekreten mit klinischem Bild und labordiagnostisch nachgewiesener Infektion oder Laborexposition.

Labordiagnostischer Nachweis

Mittels Virusisolierung und Subtypisierung, Nukleinsäure-Nachweis, z. B. spezifische H5(N1)-PCR und Antigennachweis mit monoklonalen H5- oder H7-AK mittels Immunfluoreszenztest (IFT).

Vorgehen

Bei Verdacht auf Vogelgrippe soll die Entnahme von Nasen-Rachen-Abstrichen für den labordiagnostischen Nachweis von Influenza A/H5(N1)-Viren erfolgen. Dabei muss Infektionsschutz für Praxispersonal (Mund-Nasen-Schutz, Handschuhe etc.) gesichert sein. Bis zum Vorliegen des Untersuchungsergebnisses muss der Patient über Hygienemaßnahmen (Händedesinfektion, Mundschutz, Vermeiden von Menschenansammlungen) aufgeklärt werden. Bei wahrscheinlichem Fall Einweisung ins Krankenhaus. Vorher Krankenhaus und Krankentransport über Verdacht informieren.

Therapie

Ggf. Therapie mit Neuramidase-Hemmern, z. B. Oseltamivir, Tamiflu®. Die optimale Behandlungsdauer und -dosis ist unklar. Postexponentielle Prophylaxe mit Tamiflu® 1 × 75 mg/d für 7–10 d.

Weiterführende Informationen: www.rki.de.

9.5. Mykosen

9.5.1. Allgemeines

  • Einteilung der Pilzarten: Sprosspilze (hefeartiges Wachstum) und Hyphenpilze (fädiges Wachstum). Bei vielen pathogenen Pilzen Dimorphismus: Im Gewebe hefeähnliches, in Kultur hyphenartiges Wachstum.

  • Hautmykosen kommen auch bei immunkompetenten Personen vor. Pilzerkr. der Schleimhäute und innerer Organe treten meist als opportunistische Inf. bei Immunschwäche unterschiedlichster Genese auf, wie z. B. Diab. mell., hämatologische Erkr., Z. n. Radiatio, Zytostatika oder Glukokortikoidsteroidther., AIDS.

  • Infektionsquellen: Bei Candida-Spezies endogen aus dem Darm des Pat.; bei allen anderen Pilzen durch die ubiquitär vorhandenen Sporen, bei Dermatophyten Auskeimen in feuchtem Hautmilieu, bei Err. von Systemmykosen Sporeninhalation.

  • Systemmykosen: Primär auftretende Systemmykosen (z. B. Kokzidioidomykose) in Europa extrem selten, Einschleppung v. a. aus Nord- oder Südamerika möglich. Klinik: Uncharakteristische Symptome; selten akuter Beginn, meist schleichender Verlauf mit Fieber, Nachtschweiß, Abgeschlagenheit, Gewichtsverlust, unspezifischen Organssymptomen. Diagn.: Kultureller und serol. Nachweis schwierig. Vorgehen: Bei Verdacht Klinikeinweisung. Die antimyk. Chemother. (Amphotericin B allein oder in Kombination) kann nur i. v. durchgeführt werden; ↑ NW.

9.5.2. Candidosen (Soor)

Haut-/Schleimhaut-Candidose

Klinik

Je nach Lokalisation Glossitis, Ösophagitis, Intertrigo, Balanitis (Inline graphic 13.7.2), Vulvitis mit weißlichem geruchlosem Fluor (Inline graphic 14.3), Urethritis (Inline graphic 13.3) mit Dysurie, Paronychie oder Nagelveränderungen. Bei Schleimhautbefall Juckreiz, weißliche, abwischbare Beläge. Die Schleimhaut unter den Belägen ist gerötet, kann bluten und ulzerieren. Bei Hautbefall flache kleine Bläschen und Pusteln, manchmal weißer Belag und Schuppung.

Diagnostik

Klinischer Aspekt, mikroskopisches Nativpräparat (Inline graphic 32.1.5) aus Abstrichen von Haut-/Schleimhautläsionen. Ggf. Einsendung zum kulturellen Nachweis. Bei V. a. Ösophagitis (retrosternales Brennen) Facharztüberweisung zur Gastroskopie.

Therapie

Lokalbehandlung mit Nystatin, z. B. Moronal®, oder Amphotericin B, z. B. Ampho-Moronal®-Creme, Suspension etc., aber auch bei Hautbefall Clotrimazol, z. B. Canesten® bis zur Rückbildung der Beschwerden. Bei Immunschwäche (Inline graphic 9.5.1) zusätzlich systemische Ther. mit Fluconazol, z. B. Diflucan®: Erw. 100 mg/d p. o., Kinder > 1 J.: 3–6 mg/kg KG/d.

Darmcandidose

Inline graphic Starke Vermehrung bei Schädigung der normalen Darmflora durch antibakt. Ther. Krankheitswert erst bei Diarrhoe und Keimzahl > 106/ml. Vorkommen: Bei antibiotisch vorbehandelten Pat. oder schwerer Immunschwäche.

Klinik

Meist asymptomatisch, gelegentlich leichte Diarrhoe, Blähungen.

Diagnostik

Stuhluntersuchung auf pathogene Keime mit Zusatzfrage Candidose.

Therapie

Wenn möglich Antibiotika absetzen, symptomatische Ther. der Diarrhoe. Orale Gabe von Nystatin, z. B. Moronal®, 3 × 2 Drgs./d oder Amphotericin B, z. B. Ampho-Moronal® 2 × 100 mg/d, jeweils für 2 Wo. Bei Immunschwäche zusätzlich systemische Ther. mit Fluconazol, z. B. Diflucan® 100 mg/d. Der Nutzen einer speziellen Diät oder einer Darmsäuerung ist nicht erwiesen.

Candidasepsis

Uncharakteristisches Sepsisbild bei Immunschwäche (Inline graphic 9.9.5, Tab. 9.28), Klinikeinweisung bei Verdacht.

9.5.3. Dermatophytosen

Erkr. durch Fadenpilze, die Haut (Flechten = Tineae), Nägel (Onychomykosen) und Haare (Trichophytosen) befallen können. Tineae sind meist Mischinf. aus Epidermophyton- und Trichophytonarten. Hautbefall (Inline graphic 25.6)

9.5.4. Systemische Mykosen

Tab. 9.22.

Übersicht systemische Mykosen

Erreger Vorkommen; Risikofaktoren Krankheitsbilder Nachweis
Aspergillus sp. (Schimmelpilz) Ubiquitär, z. B. Blumenerde; Abwehrschwäche Otomykose, Lungenbefall: Diffus oder Aspergillome. Seltener Endokarditis, Endophthalmitis Kultur aus Sputum, BAL, Nasenabstrich, Biopsien. Histologie. Serologie

Mucor (Schimmelpilz) Ubiquitär; Abwehrschwäche Otomykose, Sinusitis, Enzephalitis, Hirnsinusthrombose Kultur aus Abszessaspiraten, Liquor. Histologie. Serologie

Candida albicans (Inline graphic9.5.2) Bestandteil der Darmflora; Abwehrschwä-che, nosokomial Haut- und Schleimhautbefall (Soor); Sepsis Direktpräparat; Kultur aus Abstrichen, Biop-sien, Blutkulturen

Coccidioides immitis Südwest-USA, Mittel-und Südamerika; sehr selten; obligat pathogen In 60% grippeähnlicher Verlauf; in 40% Pneumonie, Pleuritis, Arthralgien; in 0,5% Sepsis Präparat und Kultur aus Sputum, BAL; Serologie

Cryptococcus neoformansInline graphic9.9.5

Histoplasma capsulatum USA; Vogelkot, Fledermauskot; sehr selten; obligat pathogen Primärinf.: Tbc-ähnliche Lungenerkr. Bei AIDS Befall von Leber, Milz, Lk, KM Mikroskopische Präpa-rate, Kultur aus Sputum, Eiter, Biopsien

Blastomyces dermatidis Nordamerika; sehr selten; obligat pathogen Hautbefall mit Papillomato-se, Mikroabszesse mit Fiste-lung; Befall von Leber, Milz, Lk, Knochen Mikroskopische Präpa-rate, Kultur aus Sputum, Eiter, Biopsien

Blastomyces brasiliensis Südamerika; sehr selten, obligat pathogen Ulzerierende Stomatitis mit Zahnausfall; sekundärer Befall von Haut, Lk, Milz, Leber; Pneumonie Mikroskopische Präpa-rate, Kultur aus Sputum, Eiter, Biopsien

9.6. Protozoeninfektionen

9.6.1. Toxoplasmose

Erreger

Toxoplasma gondii, weltweite Verbreitung, hohe Durchseuchung (50–70%). Hauptwirt: Katzen, Mensch als (Fehl-)Zwischenwirt. Übertragung durch Verzehr zystenhaltigen rohen Fleisches von Schwein, Schaf, Ziege sowie durch Katzenkot und kontaminierten Erdboden, aber auch Genuss von ungewaschenem Salat u. Gemüse. Meist klinisch stumme Primärinf. Obligat intrazelluläre Lebensweise des Erregers, Persistenz v. a. im ZNS. Nachlassende Immunität führt zur reaktivierten Toxoplasmose. Konnatale Erkrankung und Tod meldepflichtig.

Klinik

  • Postnatale Inf.: Bei Immunkompetenten meist inapparent. In seltenen Fällen fieberhafte Erkr. mit zervikal betonter, generalisierter, nicht dolenter Lk-Schwellung. Gelegentlich Hepatosplenomegalie. KO (v. a. Enzephalitis) sehr selten, in diesen Fällen besteht V. a. Immunschwäche (dann meist Reaktivierung einer inapparent verlaufenen Erstinf.). Persistenz der Lk-Schwellungen für mehrere Wo., sonst sehr gute Prognose.

  • Enzephalitis bei Immunsupprimierten: Durch reaktivierte Inf. 50–70% aller HIV-pos. Pat. sind infiziert, 40% davon erkranken im Stadium AIDS an einer ZNS-Toxoplasmose. Leitsymptome: Fokale neurologische Ausfälle und hirnorganisches Psychosyndrom mit oder ohne Fieber.

Diagnostik

Serologisch mit polyvalentem Toxo-Ak-Suchtest bzw. von IgG und IgM qualitativ. Wenn IgM pos., weitere Beurteilung durch quantitative Bestimmung von IgG und IgM mit Verlaufskontrolle nach 2–3 Wo. Reaktivierte Inf. bei AIDS oft serologisch stumm, bes. Hirntoxoplasmose. Bei V. a. Enzephalitis Klinikeinweisung.

Pränatale/konnatale Toxoplasmose

Bes. Bedeutung, weil sie zu einer schweren kindlichen Schädigung führen kann. Bei Primärinf. der Schwangeren in 50% d. F. Inf. der Frucht. 50–80% der Schwangeren sind seroneg. und damit gefährdet. Die Primärinf. verläuft bei 75% der Schwangeren inapparent. Das Schädigungsausmaß hängt vom Zeitpunkt der Inf. ab und ist im 1. Trimenon am größten. Bei der Geburt haben nur 6–10% der Kinder klinische Symptome, die klassische Trias „Hydrozephalus, Retinochorioiditis, zerebrale Kalzifikationen” tritt nur in 2% auf. Am häufigsten ist die Geburt von subklinisch infizierten Kindern. In der Neugeborenenperiode ggf. Fieber, Konvulsionen oder prolongierter Ikterus. Am häufigsten ist der latente Verlauf, wobei sich die Schädigung erst im Kindes- und Jugendalter manifestiert: Retinochorioiditis, Schielen, Taubheit, psychomotorische Retardierung, Epilepsie.

Serologisch lässt sich der Infektionsstatus von Mutter und Kind zuverlässig beurteilen. Noch keine obligate Untersuchung im Rahmen der Schwangerenvorsorge.

Vorgehen bei einer akuten Toxoplasmose in der Schwangerschaft
  • Einleiten der antiparasitären Chemother. durch Gynäkologen.

  • Bis zum Ende der 15. SSW nur mit Spiramycin; danach auf Pyrimethamin + Sulfadiazin umstellen.

    Tab. 9.23.
    Serologie nach Stufenplan
    (möglichst durch Gynäkologen nach Absprache mit der Schwangeren)
    IgG IgM Infektionsstatus Maßnahmen
    1 Negativ * Infektionsgefährdet Kontrollen alle 2 Mon.

    2 Positiv Negativ Inaktive Inf. Keine weiteren Maßnahmen

    3 Negativ Positiv Siehe Zeilen 5–8 Quantitative AK-Bestimmung**

    4 Positiv Positiv

    5 IgG niedrig IgM niedrig Inaktive (latente) Inf. Kontrolle in 2–3 Wo.

    6 IgG hoch IgM niedrig Abklingende Inf.

    7
    IgG hoch
    IgM hoch
    Aktive Inf.
    Therapie; Kontrolle in 2–3 Wo.; Speziallabor*** zur weiteren Differenzierung
    8 IgG niedrig IgM hoch Primärinf.
    *
    Eine alleinige Bestimmung von IgG wird als Screeninguntersuchung aus Kosten-Nutzen-Gründen als ausreichend angesehen, größere Sicherheit bietet aber die gleichzeitige Bestimmung von IgG und IgM; falls angeboten, Untersuchung mit einem polyvalenten (= IgG-/IgM-/IgA-)Test
    **
    Ergebnisse und Bewertung methodenabhängig
    ***
    Speziallabor für Toxoplasmose: IgG-Avidität, IgM-ISAGA (= Immunosorbent Agglutinationsassay)
  • Ab der 16. SSW Kombinationsther. Pyrimethamin + Sulfadiazin, Therapiezyklen von 4 Wo. mit behandlungsfreien Intervallen von 4 Wo. Zur Prävention einer Depression der Hämatopoese supportive Gabe von Folinsäure. Bei Unverträglichkeit von Sulfonamiden Ther. mit Spiramycin.

Reduktion der intrauterinen Infektionsrate durch Spiramycin um 60%, durch Pyrimethamin + Sulfadiazin um 90%. Die Ther. führt nicht zur Eradikation der Toxoplasmen, sondern induziert den Übergang in die Latenz und reduziert das Schädigungsausmaß. Sofern sonographisch kein V.a. intrauterine Schädigung, besteht keine Ind. zur Abruptio. Ab der 16. SSW und wenn bisher keine Ther. erfolgt ist, kann durch Fruchtwasser-PCR geklärt werden, ob es zu einer fet. Inf. gekommen ist.

Präventivmaßnahmen bei seronegativen Schwangeren
  • Katzenkontakt vermeiden bzw. das Katzenklo tägl. von einer nichtschwangeren Person mit heißem Wasser gut reinigen lassen.

  • Gemüse und Obst gut waschen.

  • Hände nach Gartenarbeiten, Zubereitung von Fleisch und vor jedem Essen gründlich mit Seife waschen.

  • Nur ausreichend erhitztes Fleisch (> 70 °C) essen.

9.6.2. Lambliasis (Giardiasis)

Erreger

Giardia lamblia (Syn. Lamblia intestinalis), weltweite Verbreitung, in warmen Ländern häufiger. Inf. durch fäkal verunreinigtes Trinkwasser und Lebensmittel. Asymptomatische Träger sind häufig. Erkrankung und Tod meldepflichtig.

Klinik

IKZ 4 d-4 Wo. Symptome nur bei starkem Befall: Akute oder chron. wässrige Diarrhoe, Bauchschmerzen, Malabsorptionssyndrom. Gutartiger Verlauf, keine KO.

Diagnostik

Antigennachweis oder mikroskopischer Nachweis im Stuhl; bei neg. Stuhl Untersuchung von Duodenalsaft oder -biopsie.

Therapie

Metronidazol, z. B. Clont® 3 × 250 mg/d p. o. für 7 d, alternativ Tinidazol, z. B. Simplotan® 2 g p. o. als ED. Kontrolluntersuchung nach 2 Mon., da Rezidive möglich.

9.6.3. Sonstige Protozoeninfektionen

Malaria Inline graphic 9.10.8, Pneumocystis carinii Inline graphic 9.9.5, Trichomoniasis Inline graphic 9.8.3.

9.7. Wurmerkrankungen

Präpatenz: Zeitraum zwischen Inf. und erstem Auftreten von Geschlechtsprodukten (Eier oder Larven) im Stuhl, Blut, Urin.

9.7.1. Madenwurm-Infektion

Erreger

Enterobius vermicularis (Oxyuren), Größe 10–12 mm. Häufigste Wurmerkr. des Menschen in Mitteleuropa. Sitz der Würmer im Ileum und Kolon, die Eier werden von den Würmern außen (!) am After abgelegt. Übertragungswege:

  • Durch Kratzen am After digital-orale Reinf.

  • Schmierinf.

  • Inhalation von infektiösem Staub (z. B. aus Bettwäsche).

  • Aufnahme der Eier mit kontaminiertem Gemüse. Präpatenz 5–8 Wo.

Klinik

Oft heftiges Afterjucken mit Schlafstörungen; bei weibl. Pat. Vulvovaginitis und Salpingitis möglich.

Diagnostik

Nachweis der Eier im Analabstrich: Morgens wird ein Klebestreifen auf den After aufgedrückt, anschließend auf einen Objektträger geklebt und mikroskopiert (s.a. Inline graphic 32.1.5).

Therapie

  • Pyrvinium, z. B. Molevac® 1 Drg. bzw. 5 ml/10 kg KG als Einmaldosis.

  • Alternativ: Mebendazol, z. B. Vermox® 100 mg (nicht in den ersten 6 Mon. der Grav.) als Einmaldosis.

  • Alternativ: Pyrantelembonat, z. B. Helmex®. Erw.: 10 mg/kg KG, max. 1 g. Kinder: < 12 kg KG ½ Messl., 12–22 kg KG 1 Messl., 22–41 kg KG 2 Messl., 41–75 kg KG 3 Messl. Suspension.

  • KI: Alter < 6 Mon. Wiederholung nach 14 d. Strenge Ind. bei Kindern < 1 J.

  • Untersuchung und Mitbehandlung von Kontaktpersonen.

  • Nach dem Stuhlgang Hände mit Seife und Nagelbürste reinigen. Bett- und Leibwäsche 8 d lang tägl. wechseln und auskochen, tägl. den Fußboden saugen.

  • Kontrolluntersuchungen nach 2, 4 und 6 Wo.

9.7.2. Spulwurm-Infektion (Ascariasis)

Erreger

Ascaris lumbricoides, Größe 10–40 cm. Einziger Wirt ist der Mensch. Sitz der adulten Würmer im Dünndarm. Übertragungsweg: Kontamination von Gemüse durch Fäkaldüngung, nach oraler Aufnahme der Eier Wanderung der Larve im Körper: Dünndarm → Portalvenen → Leber → Herz → Lunge → Alveolen → Trachea → Pharynx → Darm. In Mitteleuropa relativ häufig, Durchseuchung in der Dritten Welt 50–90%. Präpatenz 7 Wo.-3 Mon.

Klinik

Ca. 1 Wo. p.i. oft leichtes Fieber, Husten mit blutig tingiertem Sputum (flüchtiges Lungeninfiltrat). Darmbefall zu 85% asymptomatisch; abhängig von der Befallsstärke uncharakteristische Abdominalbeschwerden, Appetitlosigkeit, Malabsorption. KO (selten): Einwanderung in Gallengänge bzw. Pankreasgang, Ileus durch Wurmknäuel.

Diagnostik

Mikroskopischer Nachweis der Eier im Stuhl, ggf. nach Anreicherung. Großes BB: Eosinophilie.

Therapie

Mebendazol, z. B. Vermox® 2 × 100 mg p. o. für 3 d (nicht in den ersten 6 Mon. der Grav.). In diesen Fällen Einmaldosis Pyrantel, z. B. Helmex®, Erw.: 10 mg/kg KG, Kinder: 6–12 J. 500 mg, 2–6 J. 250 mg, ½–2 J. 125 mg. KI: Kinder < 6 Mon.

9.7.3. Bandwurm-Infektion (Zestoden)

Erreger

Inf. durch Aufnahme von Finnen (Größe 3–10 mm) in rohem Fleisch von Zwischenwirten, z. B. Hackfleisch. Sitz der adulten Würmer im Dünndarm, Größe mehrere Meter, Ausscheidung von Wurmgliedern (= Proglottiden). Benennung der Wurmspezies nach dem Zwischenwirt:

  • Rinderbandwurm (Taenia saginata), häufig, Rinderbefall in Mitteleuropa 1–2%, Präpatenz 11 Wo.

  • Schweinbandwurm (Taenia solium), selten, Präpatenz 5–11 Wo.; auch die Eier sind für den Menschen infektiös (Zystizerkose).

  • Fischbandwurm (Diphyllobotrium latum), selten, Präpatenz 20 d.

Klinik

Darmbefall meist symptomlos, gelegentlich uncharakteristische Abdominalbeschwerden, gelegentlich Appetitverlust, Gewichtsverlust. Zystizerkose: Nach Aufnahme von Eiern des Schweinebandwurms Invasion der Larven mit Finnenbildung in der Muskulatur (meist symptomlos) oder in anderen Organen. KO: Neurozystizerkose bei Befall des ZNS mit fokalen Ausfällen, Krampfanfällen, Erblindung.

Diagnostik

  • Makroskopisch: Gelbweiße Wurmglieder im Stuhl, anfangs eigenbeweglich. Cave: Infektionsgefahr mit Zystizerkose bei Schweinebandwurm!

  • Mikroskopisch: Nachweis der Wurmeier im Stuhl. Diff.-BB: Meist keine Eosinophilie.

Therapie

Einmaldosis Praziquantel, z. B. Cesol® Tbl. à 150 mg, 5–10 mg/kg KG p. o., Kinder < 2 J. 0,5 g, 2–6 J. 1,0 g. Alternativ: Niclosamid, z. B. Yomesan® Tbl. à 0,5 g, 2 g p. o. als ED. Wirkung nur auf adulte Würmer. Strenge Hygiene bei Behandlung von T. solium wegen Gefahr der Autoinf. Bei V.a. Zystizerkose Klinikeinweisung.

Prognose

Sehr gut. Bei Neurozystizerkose abhängig von der Lokalisation.

9.7.4. Echinokokkus-Infektion

Echinococcus granulosus (Hundebandwurm)

Erreger

Sitz der adulten Würmer (Größe 4 mm) im Dünndarm von Hunden. Natürlicher Zwischenwirt: Weidetiere. Bei oraler Aufnahme von Eiern Invasion der Larven mit Finnenbildung in Leber (60%), Lunge (20%) u.a. Organen. Langsam verdrängendes Wachstum in Form von Zysten (Größe bis 20 cm und mehr) durch Tochterfinnen. Vorkommen weltweit, in Mitteleuropa meist importierte Fälle. Erkrankung und Tod meldepflichtig.

Klinik

Beschwerden durch Raumforderung der Zysten, je nach Lokalisation: Oberbauchschmerzen, tastbarer Oberbauchtumor, Cholestase. Bei Lungenbefall Atelektasen, Hämoptysen, bei ZNS-Befall (selten) fokal-neurologische Ausfälle, Krampfanfälle.

Komplikationen

Selten; lokale oder hämatogene Metastasierung nach Punktion oder Ruptur der Zysten. Bei Zystenruptur oft anaphylaktischer Schock.

Diagnostik

Abdomen-Sono, CT, Serologie (pos. bei Leberbefall 90%, bei Lungenbefall 60%). Nur selten Eosinophilie. Diagn. Punktion der Zysten ist streng kontraindiziert.

Therapie

Klinikeinweisung zur operativen Entfernung der Zyste(n). Postop. Chemother. mit Albendazol, z. B. Eskazole® 10–15 mg/kg KG/d (Standarddosis 2 × 400 mg/d) für 1 Mon. Alternativ: Mebendazol, z. B. Vermox® 3 × 1 g/d bzw. 40–50 mg/kg KG/d für 3 Mon. In inoperablen Fällen unbefristet, da die Chemother. nur parasitostatisch wirkt.

Prognose

In operablen Fällen sehr gut; in inoperablen Fällen eher ungünstig, abhängig von der Lokalisation.

Prophylaxe

Hunde und Katzen regelmäßig entwurmen und nur mit gekochtem Fleisch füttern.

Echinococcus alveolaris (Fuchsbandwurm)

Erreger

Sitz der adulten Würmer (Größe 2 mm) im Dünndarm von Fuchs, Hund, Katze; natürlicher Zwischenwirt = Feldmaus. Nach oraler Aufnahme der Eier Invasion der Larven mit Finnenbildung in der Leber. Durch infiltrativ-destruierendes Wachstum Organzerstörung und Übergriff auch auf andere Abdominalorgane. Langsames Wachstum über viele J., Manifestationsgipfel: 40. Lj. Endemiegebiete in Süddeutschland und Österreich, sehr seltene Erkr.

Klinik

Uncharakteristische Oberbauchbeschwerden, Cholestasezeichen.

Diagnostik

Abdomen-Sono, CT, Serologie. Nur selten Eosinophilie. Wenn sich der Verdacht erhärtet Klinikeinweisung.

Therapie

Entfernung des Parasiten durch Radikal-OP (oft nicht möglich, evtl. Palliativmaßnahmen, z. B. Stent = selbstexpandierende Endoprothese). Anschließend Chemother. mit Albendazol, z. B. Eskazole® 10–15 mg/kg KG, oder Mebendazol, z. B. Vermox forte® 40–50 mg/kg KG. Einnahmedauer: Bei kurativer OP 2 J., sonst lebenslang. Überwachung der Pat. für mind. 10 J. Chemother. wirkt nur parasitostatisch.

Prognose

5JÜR bei adäquater Ther. 90% (abhängig von der Lokalisation).

Prophylaxe

Hunde/Katzen regelmäßig entwurmen und nur mit gekochtem Fleisch füttern. Handschuhe beim Umgang mit (toten) Füchsen. Erhöhtes Risiko für Beerensammler und Jäger epidemiologisch nicht gesichert.

9.7.5. Trichinose

Erreger

Trichinella spiralis, weltweites Vorkommen. Inf. durch Verzehr von trichinenhaltigem ungenügend erhitztem Fleisch, meist vom Schwein (geräucherter Schinken!); evtl. auch Bären oder andere Wildtiere betroffen. Adulte Würmer im Darm, Invasion der Larven in die Muskulatur, dort Verkapselung als Trichinen. Oft Kleinepidemien. Erkrankung und Tod meldepflichtig.

Klinik

Je nach Befallsstärke asymptomatisch bis lebensbedrohlich. Nach 1–7 d Durchfälle, ab dem 7. d Fieber (meist Kontinua), Muskelschmerzen, evtl. Doppelbilder, Gesichtsschwellung, Lidödeme.

Diagnostik

Großes BB: Leukozytose, Eosinophilie. CK-Erhöhung. Serologie. Klinikeinweisung bei Verdacht. Umgebungsuntersuchung.

Therapie

Stationär. Mebendazol, z. B. Vermox® für 14 d, ggf. plus Prednison.

Prognose

Bei adäquater Behandlung gut.

9.8. Sexuell übertragbare Krankheiten

Meldepflicht Inline graphic 9.11.

9.8.1. Gonorrhoe

Synonym

Tripper.

Erreger

Neisseria gonorrhoeae (Gonokokken), häufigste Geschlechtskrankheit. Übertragung fast ausschließlich durch Geschlechtsverkehr, intrazelluläres Wachstum.

Klinik

Beim M nach 2–5 d Urethritis mit Rötung, Dysurie und eitrigem Ausfluss. KO: Harnröhrenstriktur. Bei F Befall von Zervix, seltener der Urethra, meist blande Symptomatik. Bei Zervizitis reichlich grün-gelber Ausfluss. Bei aufsteigender Inf. Zeichen der Adnexitis (Inline graphic 14.3.3). Atypische Lokalisationen bei entsprechenden Sexualpraktiken: Proktitis, Pharyngitis. Bei Neugeborenen Konjunktivitis (Credé-Prophylaxe bzw. PVP Jod → auch Aktivität gegen Chlamydien).

Komplikationen

Chron. Inf. mit lokaler Ausbreitung (Prostatitis, Epididymitis, Peritonitis) oder septischer Ausbreitung (Monarthritis des Kniegelenks). Sterilität.

Diagnostik

Mikroskopisch aus Abstrichen von Urethra und Zervix, jeweils ein Gram- und Methylenblau-Präparat (Abstriche auf Objektträger aufbringen, lufttrocknen, hitzefixieren und verschicken; s.a. Inline graphic 32.1.7). Kulturelle Untersuchung empfehlenswert zur Resistenztestung. Cave: Empfindlicher Err., der bei unsachgemäßem Transport rasch abstirbt (Versand z. B. in Port-a-cul®-Röhrchen, Fa. Becton-Dickinson). Gleichzeitig auch Material für Untersuchung auf Chlamydien einschicken, häufig Simultaninf.

Therapie

Einmaldosis von Cephalosporin 2. u. 3. Generation, wie Ceftriaxon, z. B. Rocephin® 500 mg i. m., wegen häufiger Chlamydien-Simultaninf. im Anschluss Doxycyclin 200 mg/d für 7 d p.o. oder Roxithromycin, z. B. Rulid® 2 × 150 mg/d für 7 d p. o.; nach 1 Wo. Therapiekontrolle (Kultur); Partnerbehandlung. Bes. in Südostasien treten häufig multiresistente Stämme auf; bislang keine Resistenz gegen Ceftriaxon.

Inline graphic An die Möglichkeit einer Doppelinf. denken: Nichtgonorrhoische Urethritis (NGU), HIV, Lues (vor und 6 Wo. nach Ther. serol. Luesdiagn.!). Bei allen sexuell übertragbaren Krankheiten stets gleichzeitige Partnerbehandlung!

9.8.2. Syphilis (Lues)

Erreger

Treponema pallidum. Übertragung durch Geschlechtsverkehr oder Blutkontakt. Erkrankung und Tod meldepflichtig.

Klinik

Verlauf in mehreren Stadien.

  • Primärstadium: Nach 2–12 Wo. Primäraffekt: Schmerzloses Ulcus durum an der Eintrittsstelle des Err. (Penis, Zervix; je nach Sexualpraktik auch extragenitale Läsionen), vergrößerte Leistenlymphknoten. Abheilung nach ca. 5 Wo.

  • Sekundärstadium (verläuft oft auch symptomarm): 6–8 Wo. nach dem Primärstadium vielfältige Hauterscheinungen (Eruptionsstadium): Roseolenartiges Exanthem (generalisiert), makulopapulöses Exanthem (Stamm), nässende Effloreszenzen sind hoch infektiös, Condylomata lata (intertriginös), kleinflächige Alopezie; Schleimhaut: Plaques muqueuses; generalisierte Lk-Schwellung. Abklingen nach 4 Wo.; intermittierender Verlauf über J. ist möglich. In ca. 30% d. Fälle spontane Heilung.

  • Tertiärstadium: Organmanifestationen nach Mon. bis J.
    • Haut: Gruppen von derben, braunroten Knoten, subkutane Knoten (Gummen).
    • Knochenzerstörungen (z. B. Sattelnase).
    • Mesaortitis luica mit KO: Koronarstenose, thorakales Aortenaneurysma.
  • Neurolues: Chron. Enzephalitis mit intellektuellem Abbau bis zur Demenz, bei Befall der Rückenmark-Hinterstränge Tabes dorsalis mit Ataxie, Hyporeflexie, Schmerzattacken.

  • Lues connata bei intrauteriner Inf. ab dem 5. Mon., Manifestation durch Abort, Hepatosplenomegalie, Ikterus, Osteochondritis, Osteomyelitis, Pneumonie, variable Hauterscheinungen. Auch chron.-symptomarmer Verlauf ist möglich.

Diagnostik

Serologische Untersuchungen:

  • TPHA (Treponema-Pallidum-Hämagglutinations-Assay): AK-Such- und Ausschlusstest, bleibt lebenslang pos.

  • FTA-ABS (Fluoreszenz-Treponema-AK-Absorptions-Test): Spez. Bestätigungstest.

  • VDRL-Reaktion (Veneral Disease Research Laboratory-Test) bzw. Cardiolipin-Test zur Beurteilung der Krankheitsaktivität, wird in 4–6 Wo. p. i. positiv und i. d.R. wenige Mon. nach erfolgreicher Ther. wieder negativ.

  • Lues-IgM: Bestimmung bei V. a. Primärinf. bzw. akute Krankheitsphase. Positives Ergebnis bedeutet immer Therapiebedürftigkeit.

Verlaufskontrolle durch Bestimmung von VDRL oder Lues-IgM in 3-monatigen Abständen. Bei sanierender Behandlung kommt es zum Titerrückgang um mind. 3 Stufen binnen 3–12 Mon.; nach 12 Mon. sollte kein Lues-IgM mehr vorhanden sein. Fehlender Rückgang bzw. erneuter Anstieg bedeuten Misserfolg der Ther. bzw. Reinf. Bei unklaren Allgemeinbeschwerden mit neurologischen Störungen oder Gelenkbeschwerden gleichzeitig Borrelien-Serologie.

Tab. 9.25.

Anforderung und Beurteilung der Lues-Serologie nach Stufenplan

Anforderung bzw. Nachforderung bei der Erstuntersuchung entsprechend Stufenplan, d. h. bei pos. Test die nächste Untersuchung: TPHA R FTA-ABS R VDRL + Lues-IgM
TPHA FTA-ABS VDRL IgM Interpretation
1 Neg. Kein Anhalt für Inf., ggf. erneut in 2–3 Wo. *

2 Pos. Neg. Unspezifische Reaktion, ggf. erneut in 2–3 Wo. *

3 Pos. Pos. Neg. Neg. IgG-Serumnarbe, keine Ther. *

4 ≥ 1 : 20 Pos. Neg. Pos. Primärinf. bzw. akute Inf. → Ther.

5 ≥ 1 : 80 Pos. ≥ 1 : 4 Pos. Abhängig von Vorgeschichte: Therapiebedürftige Lues oder Restbefund

6 ≥ 1 : 80 ** Pos. ≥ 1 : 16 Neg. Abhängig von Vorgeschichte: Therapiebedürftige Lues oder Restbefund; bei chron. Inf. kann die IgM-Bildung supprimiert sein **
*

Bei verdächtigem Primäraffekt DD von Ulcus molle, Herpes genitalis

**

Bei chron. Inf. oft sehr hohe TPHA-Titer von ≥ [B3] 1 : 5096. Zur Abklärung einer Neurolues Liquor auf Eiweiß, Zellstatus, intrathekale Ig-Synthese (Reiber-Diagramm), intrathekale Synthese von Lues-IgG untersuchen

Therapie

Ambulant, Klinikeinweisung bei Neurosyphilis und Lues connata.

  • Primär- u. Sekundärstadium: Benzathinpenicillin G, z. B. Tardocillin® Einmaldosis 2,4 Mio. E i. m., je 1,2 Mio. E in jede Gesäßhälfte. Bei Penicillinunverträglichkeit Doxycyclin 2 × 100 mg/d für 2 Wo. oder Roxithromycin, z. B. Rulid® 300 mg/d für 2 Wo.

  • Späte oder unbekannte Stadien: Benzathinpenicillin G, z. B. Tardocillin® 2,4 Mio. E i. m. an den Tagen 1,8 u. 15. Bei Penicillinunverträglichkeit Doxycyclin 2 × 100 mg/d o. Roxithromycin, z. B. Rulid® 300 mg/d für 4 Wo.

  • Bei Neurosyphilis oder gleichzeitiger HIV-Infektion stationäre Einweisung. Penicillin Mittel der Wahl.

Während der Antibiose in 60–90% Jarisch-Herxheimer-Reaktion mit Fieber, Schüttelfrost und Abgeschlagenheit. Gutartiger Verlauf, ggf. Gabe von Antipyretika. Serologische Kontrollen nach 3, 6 u. 12 Mon. durchführen! Partnerbehandlung anregen! Schwangerenvorsorge (Inline graphic 15.1).

9.8.3. Trichomoniasis

Erreger

Trichomonas vaginalis, sexuelle Übertragung (Inline graphic auch 14.3.2).

Klinik

Bei starker Vermehrung Urethritis und Kolpitis mit schaumigem Fluor. IKZ 4–28 d.

Diagnostik

Rasche Untersuchung von Vaginal- und Urethralabstrichen mit Phasenkontrastmikroskop; Err. fällt durch seine Beweglichkeit auf.

Therapie

Einmaldosis Tinidazol, z. B. Simplotan® 2 g, oder Metronidazol, z. B. Clont® 2 × 250 mg p. o. für 6 d. Eine relative Metronidazol-Resistenz ist möglich, dann Behandlung mit Metronidazol 2 g/d plus Lokalbehandlung mit Clotrimazol, z. B. Canesten® für 5 d. Cave: Im ersten Trimenon der Gravidität nur Lokalbehandlung mit Natamycin, z. B. Pimafucin® Vaginalcreme für 10 d. Partnerbehandlung.

9.8.4. Ulcus molle

Erreger

Haemophilus ducreyi. In Europa selten, in den Tropen häufig.

Klinik

Nach 2–5 d meist multiple, druckschmerzhafte Genitalulzera und vergrößerte, schmerzhafte inguinale Lk (Bubonen). KO: Fistelung. Doppelinf. mit Lues oder Lymphogranuloma venereum kommen vor.

Diagnostik

Facharztüberweisung zum Gynäkologen oder Urologen.

9.8.5. Lymphogranuloma venereum

Synonym

Lymphogranuloma inguinale.

Erreger

Chlamydia trachomatis, Serotyp L. In Europa selten. Übertragung durch Geschlechtsverkehr, je nach Sexualpraktiken auch extragenitale Läsionen möglich. Andere Chlamydieninf. Inline graphic Tab. 9.20 .

Tab. 9.20.

Sonstige bakterielle Infektionen

Krankheit, Erreger, Häufigkeit IKZ; Übertragung; Prädilektionsgrup-pen; geogr. Vorkommen Klinik Diagnostik Therapie: 1. Wahl, Alternative
Aktinomy-kose, Actino-myces israe-lii, selten Mehrere Wo.; endogene Inf.; kariöse Zähne; ubiquitär Im Halsbereich blaurote Infiltrate, Fistelung und Vernarbungen Blickdiagn.; Erregernachweis in Eiter und Biop-sien Klinikeinweisung. Chirurgische Drainage und Augmentan® p. o. für 4 Wo.

Campylo-bacteriose, C. jejuni C. fetus, selten 2-10 d; Geflügel, Rohmilch, Abwehrschwäche; ubiquitär Blutig-schleimige Diarrhoe. KO: Sepsis, Meningitis Klinikeinweisung; akzidenteller Nachweis in Blutkulturen Ciprofloxacin 2 × 500 mg/d; Erythromycin 4 × 500 mg/d

Chlamydia pneumoniae Tröpfcheninf.; weltweit Hartnäckige Tra-cheitis und Bronchitis; häufig milder Verlauf Spezifisches IgM; hoher Wert oder signifikanter Anstieg von spezifischem IgG Doxycyclin 200 mg/d, Roxithromycin 300 mg/d für 2 Wo.

Erysipeloid (Schweinerotlauf), Erysipelothrix rhusiopa-thiae, selten Hautkontakt mit verseuchtem Fleisch von Schwein, Pferd, Wildtieren, Fisch; Betroffene: Metzger, Köche; weltweit Von Inokulationsstelle ausgehend nach 1–4 d Erysipeloid (livides Ödem) Anamnese und Klinik; kulturell aus Gewebesaft oder Biopsien Penicillin-V3 × 1,5 Mio. E/d oder Ciprofloxacin, jeweils 10 d

Mykoplasmen-Erkrankungen

M. pneumo-niae, häufig Wenige Tage; Tröpfcheninf.; ubiquitär Atypische Pneumonic KO: Käl-teagglutininämie Ausschluss-diagn., Serologie Doxycyclin 200 mg/d, Roxithromycin 300 mg/d mind. 2 Wo.

Ureaplasma urealyticum, M. hominis, häufig Wenige Tage; sexuell; ubiquitär Unspezifische Urogenitalinf. Salpingitis, Pro-statitis Abstriche, Exprimaturin

Leptospirose, Leptospira interrogans, rel. häufig 5-14 d; Zoonose; perkutan durch: Abwasser, fäkal gedüngten Boden; Landwirte, Kanalarbeiter; ubiquitär 2-phasiger Verlauf: hohes Fieber, starke Wadenund Kopfschmerzen. Später hä-morrhagisches Fieber, hämor-rhag. Pneumonie, Ikterus, Nieren-versagen Klinikeinweisung bei Verdacht. Serologie. Mikroskopie von Trache-alsekret Penicillin G 10 Mio. E/d; Cephalosporin 3. Generation hochdosiert für 4 10 d

Nocardiose, Nocardia sp., sehr selten Mehrere Wo.; Inhalation von infektiösem Staub; Abwehrschwäche; ubiquitär
  • Bronchopneu-monie mit Abszedierung (DD Tbc)

  • Sepsis mit Hirnabszessen

DD zur Tbc; Klinikeinweisung Rö-Tho-rax, Kultur aus Sputum, Punktaten Co-trimoxazol 4 × 960 mg/d für 3–6 Mon.

Ornithose, Chlamydia psittaci; relativ häufig 1-4 Wo.; Aerosol von Geflügel, Tauben; Vogelzüchter weltweit Grippaler Inf., 20% schwere atypische Pneu-monie; hohes Fieber, Kopfschmerzen, trockener Reizhusten, Hepatosple-nomegalie Rö-Thorax, Serologie, Abdomensono Doxycyclin 200 mg/d; Roxithromycin 300 mg/d; Ciprofloxacin 2 × 0,5 g/d, jeweils für 3 Wo.

Pasteurellose, Pasteurel-la multocida; häufig 2 h–3 d; Biss von Katze, Hund, Wildtier; weltweit Akute phlegmo-nöse oder absze-dierende Wun-dinf.; Lymphangitis, Sepsis Anamnese und Klinik; Kultur Rasche Wundversorgung; Penicillin-V 3 × 1,5 Mio. E, Ciprofloxacin. PEP 4 d, Erkr. 10 d

Pest, Yersinia pestis, extremselten 2-6 d; Beulenpest: Flöhe, Lungenpest: Tröpfcheninf.; Auslandsreisen; Südostasien, Südwest-USA
  • Beulenpest: Lymphadenitis mit Abszedierung

  • Lungenpest: Bronchopneu-monie

Klinischer Aspekt, Kultur und Mikroskopie aus Punktaten Klinikeinweisung. Tetra-cyclin + Streptomycin, Chemoprophylaxe: Doxycyclin 2 × 100 mg/d

Q-Fieber, Coxiella bur-netii, rel. häufig 14–30 d; Inhalation von Sekretstaub befallener Tiere, v. a. Schafen; ubiquitär Hohes Fieber, starker Kopfschmerz, Myalgien, relative Bradykar-die, atypische Pneu-monie. KO: Endokarditis Serologie Klinikeinweisung. Doxycyclin 200 mg/d für 2–3 Wo., Ci-profloxacin; Prognose bei Endokarditis ungünstig

Rattenbiss-fieber

Streptobacil-lus monili-formis selten 10 d; von der Ratte durch Biss oder Kratzer; durch Rattenspeichel kontaminierte Lebensmittel Nach Abheilung der Verletzung: Fieber, Kopfschmerzen, Übelkeit, wandernde Arthritis, masernähnli-ches Exanthem. KO: Endokarditis Anamnese und Klinik; Kultur. In 25% falsch pos. Luessuchreaktion Rasche Wundversorgung; Penicillin-V 3 × 1,5 Mio. E; Doxycyclin, Cipro-floxacin. PEP 4 d, Erkr. 3 Wo.

Spirillum minus; selten 1–4 Wo.; Rattenbiss Nach Abheilung der Verletzung rekurrie-rendes Fieber über 1– 2 Mon., Kopfschmerzen, erneute Ulzeration der Bisswunde, makuläres Exanthem. KO: Endokarditis Anamnese und Klinik; Mikroskopie von Wundmaterial. In 50% falsch pos. Luessuchreaktion Rasche Wundversorgung; Penicillin-V 3 × 1,5 Mio. E, Doxycyclin, Roxithromycin. PEP 4 d, Erkr. 3 Wo.

Rückfallfieber, Borrelia recurrentis, B. duttoni, extrem selten 4-12 d; Läuse (Zecken), schlechte Hygiene; Flüchtlinge Osteuropa, Sibirien Alle 2–15 d hohes Fieber für 2–3 d, Kopf-, Gliederschmerzen, Leber- und Milzvergrößerung DD zu Malaria. Klinikeinweisung, Dunkelfeldmikroskopie Doxycyclin 200 mg/d, Entlausung mit Lindan (Inline graphic25.7.2 und 30.2.3)

Tetanus, Clostridium tetani, sehr selten 4–14 d; Inokulation von Schmutz bei Verletzungen aller Art; ungeimpfte Personen; ubiquitär Krampfartige, tonische Muskelkontraktionen, Risus sardoni-cus Klinikeinweisung, klin. Aspekt, serol. Toxinnachweis Antitoxin, symptomatische Intensiv-ther., Impfung (Inline graphic9.2.3)

Tularämie (Hasenpest), Francisella tularensis, sehr selten 3–5 (21) d; Zecken, kontaminierte Lebensmittel; Osteuropa, Nordamerika Hautulkus, regionale Lk-Schwellung, hohes Fieber bis zu 1 Mon., oft Pneumonie Klinikeinweisung, Serologie, Kultur aus Sputum, Wundsekret Gentamicin evtl. plus Doxycyclin für 10 d

Vibrio vulni-ficus, selten; seit 1994 auch an deutschen Küsten 1-7 d; Inokulation in Wunden beim Waten durch kontaminiertes Meerwasser (Temperatur > 20 °C); Verzehr kontaminierter Muscheln Nekrotisierende Wun-dinf.; primäre Sepsis; bullöse Hautnekrose. Ungünstige Prognose Klinikeinweisung bei Verdacht Klinikeinweisung Ciprofloxacin i. v., Abtragung von Ne-krosen, evtl. Schockther.

Handelsnamen: Azithromycin: Z. B. Zithromax®, Co-trimoxazol: Z. B. Bactrim®, Gentamicin: Z. B. Refobacin®, Lindan: Z. B. Jacutin®, Ciprofloxacin: Z. B. Ciprobay®

Klinik

Nach 3–21 d zuerst Papel, dann schmerzloses Geschwür am Genitale, Schwellung der inguinalen Lk (Bubonen) mit Abszedierung.

Komplikationen

Proktitis, genitale Elephantiasis.

Diagnostik

Facharztüberweisung zum Gynäkologen oder Urologen.

9.8.6. Condylomata acuminata

Synonym

Feigwarzen.

Erreger

Humane Papillomaviren (HPV), mehrere Serotypen (i. d.R. 6,11); gehäuft bei Promiskuität und bei HIV-Positiven.

Klinik

IKZ 1–8 Mon., dann an Penis, Vulva, Zervix oder in der Analregion vereinzelt bis beetförmig angeordnete spitze Wärzchen, evtl. blumenkohlähnliche Gebilde bei massivem Befall. Auch Befall der Mundhöhle möglich.

Diagnostik

Klinischer Aspekt.

Differenzialdiagnose

Ca, Lues.

Therapie

Je nach Ausmaß lokale Behandlung mit Podophyllinlösung, Vereisung oder chirurgische Entfernung (Exzision, Kürettage) und histologische Klärung der Dignität.

Besonderheiten

Zusammen mit den Kondylom-verursachenden Viren sind Mischinf. mit weiteren HPV-Typen (z. B. 16, 18, sog. High-risk-Typen) möglich, die zu malignen Veränderungen führen können (z. B. Zervix-Ca).

9.9. HIV und AIDS

9.9.1. Epidemiologie und Übertragungswege

Erreger

HIV (human immunodeficiency virus); Retrovirus, das durch Befall der T-Helfer-Zellen (= CD4-Zellen) langfristig zur erworbenen Immunschwäche AIDS (= acquired immunodeficiency syndrome) führt. Weltweit vorherrschend ist Virustyp HIV-1, in Westafrika daneben auch relevanter Anteil von HIV-2 Inf. (langsamerer Krankheitsverlauf als bei HIV-1). Doppelinfektionen mit HIV-1 und HIV-2 können vorkommen. Erkrankung und Tod meldepflichtig, nicht namentlich.

Epidemiologie

Anteil unter den HIV-Infizierten in Europa: Homosexuelle Kontakte 50%, i. v. Drogenmissbrauch 10%, heterosexuelle Kontakte ca. 20%, Anzahl zunehmend, Pat. aus Endemiegebieten der Dritten Welt 20%, Transmission Mutter-Kind < 1%. Prävalenz des HIV in Deutschland 1 : 2000, regional sehr unterschiedlich; gehäuft in Ballungsräumen (53% der Inf.). Durch konsequente HIV-Überwachung aller Blutprodukte seit 1985 sind iatrogene Inf. eine Rarität.

Übertragungswege

  • Intime Sexualkontakte, Promiskuität, „unsafe sex”.

  • I.v. Drogenmissbrauch mit Nadeltausch („needle sharing”).

  • Von der Mutter auf das Kind während Grav., Geburt und beim Stillen.

  • Parenteral durch infiz. Blut, Blutprodukte, Pleuraerguss, Aszites, Spenderorgane.

Inf. durch einen einzigen Intimkontakt sind dokumentiert, i. d.R. ist für eine Inf. jedoch regelmäßiger Sexualkontakt mit Infizierten über mehrere Mon. erforderlich. Keine Übertragung durch Stechinsekten, soziale Kontakte, Anhusten, Küssen, gemeinsam benutztes Geschirr, Trinkgefäß oder Essbesteck nachgewiesen. Infektiosität: Vergleichsweise niedrig, hängt vom Krankheitsstadium des HIV-Infizierten ab. Bes. hohe Viruskonz. bei akuter HIV-Inf. und im Stadium AIDS. Natürlicher Verlauf: 3–6 Wo. nach Inf. in 40% d. F. fieberhaftes, Mononukleoseähnliches Krankheitsbild (akute HIV-Inf.). Anschließend abhängig von inokulierter Virusmenge und Wirtsfaktoren, langer asymptomatischer Verlauf. Nach initial hoher Virämie (= Virusload) Gleichgewichtszustand (= Setpoint) aus Virusreplikation und -elimination auf niedrigerem Niveau. Progression zum Stadium AIDS umso rascher, je höher der Setpoint. Ohne Behandlung befinden sich 50% der Infizierten 10 J. bzw. 65% 15 J.p.i. im Stadium AIDS.

9.9.2. Labordiagnostik

Testmethoden

HIV-Suchtest = HIV-Ak-Bestimmung: Bestimmt Ak gegen HIV-1 und HIV-2. Suchtest: ELISA. Bestätigung einer Inf. durch Immunoblot (Western Blot), um seltene falsch-positive Befunde auszuschließen, z. B. in Schwangerschaft, bei anderen Inf., Autoimmunkrankheiten und nach Transfusionen und Transplantationen. Auftreten der Ak i. d.R. 3 Mon. p. i., selten spätere Serokonversion. Zum definitiven Ausschluss einer HIV-Inf.: Weitere Tests nach 3 und 6 Mon. Bei medizinischer Ind. über die Krankenkassen abrechenbar, Begründung auf dem Krankenschein z. B. chron. Diarrhoe, atypische Pneumonie, unklare Lk-Schwellungen, chron. Fieber. Bei HIV-Angst des Pat. wegen Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe, Abrechnung privat oder auf kostenlosen Test beim Gesundheitsamt verweisen.

HIV-RNA: Suchtest auf Virus-RNA im Blut ohne Bestimmung der Kopienzahl; Methode meist PCR (= Polymerase Chain Reaction). Ind.: Bei neg. HIV-Ak und dringendem V. a. akute HIV-Inf., bei Neugeborenen HIV-pos. Mütter. Virusload: Bestimmung der Anzahl von HIV-RNA Kopien pro ml Plasma. Methoden: Quantitative PCR (Q-PCR), branched-chain-DNA-Methode (b-DNA) und die „nucleic acid sequence based amplification” (NASBA). Nachweisgrenze 400–500 Kopien/ml, bei ultrasensitiven Tests 20 Kopien/ml. Die Höhe der Virämie korreliert direkt mit der Geschwindigkeit der Progression zum Stadium AIDS. Ind.: Marker für Indikationsstellung und Kontrolle der antiretroviralen Ther.

Inline graphic Für Verlaufskontrollen ist wichtig, dass Messmethode und möglichst auch Labor beibehalten werden.

Indikation für einen HIV-Test

  • Unklares, über längere Zeit bestehendes Fieber.

  • Unklarer Gewichtsverlust, chron. Diarrhoe, Demenz oder Thrombozytopenie, v. a. bei jüngeren Pat.

  • Infektionserkr., deren Inzidenz bei HIV-Infizierten erhöht ist: Tbc, rezid. bakt. Pneumonien, akute Hepatitis B oder C.

  • Hauterkrankung in ungewöhnlicher Ausprägung:
    • Kaposi-Sarkom: Hellrote, livide oder braunrote Infiltrate mit gelbem Hof, die im Verlauf der Hautspaltlinien angeordnet sind; treten auch in der Mundschleimhaut und im Genitalbereich auf.
    • Orale Haarzellleukoplakie: Nicht abstreifbare weiße Beläge an den seitlichen Zungenrändern.
    • Seborrhoisches Ekzem: Bevorzugt in talgdrüsenreichen Arealen fettige, groblamelläre Schuppung auf scharf begrenzten Erythemen.
    • Rezid. Herpes zoster (Inline graphic 25.4.2) bei jungen Erw. mit Neigung zur Generalisation.
    • Persistierender Herpes genitalis (Inline graphic 9.4.1): Nicht heilende, schmerzhafte Ulzera im Genital- und Analbereich.
    • Condylomata acuminata (Inline graphic 9.8.6) im Analbereich oder an atyp. Lokalisation.
    • Soor (weiße oder gelbliche abstreifbare Beläge an Mundschleimhaut und Zunge) ohne entsprechende Grunderkr. (z. B. Diab. mell.), v.a. bei jüngeren Pat.
  • Maligne Lymphome.

  • Expositionsverdacht (z. B. durch Nadelstichverletzung).

  • Präventiv bei Bordellbesuchern, Prostituierten, Sextouristen (Krankenkasse zahlt nicht).

  • HIV-Angst: AIDS-Phobie (nur einmalig).

Beratung vor dem HIV-Test

Die Mitteilung, HIV-pos. zu sein, ist für jeden Betroffenen ein Schock. Deshalb schon vor der Testdurchführung Abklärung folgender Punkte:

  • Motiv für die Durchführung des Tests.

  • Was tun bei pos. Testergebnis?

  • Soziales Umfeld.

  • Psychische Belastbarkeit, Verhalten in der Wartezeit (Erkennen einer möglichen Suizidalität).

  • Über die Möglichkeit aufklären, ggf. frühzeitig mit der antiretroviralen Therapie und der Prophylaxe opportunistischer Infektionen zu beginnen.

  • Abgrenzung zur AIDS-Hypochondrie (v. a. heterosexuelle Pat. ohne Zugehörigkeit zu Risikogruppen), meist assoziiert mit anderen hypochondrischen Befürchtungen (z. B. Kanzerophobie), schuldbeladenes Verhältnis zur Sexualität. Vorgehen: Von weiteren HIV-Tests abraten, ggf. zu Psychotherapie motivieren.

Inline graphic Bei Ablehnung des Tests und gleichzeitiger AIDS-Angst darauf hinweisen, dass durch die Ungewissheit die Angst immer bestehen bleibt und dass es Vorteile durch Kenntnis eines pos. Ak-Status gibt: Lebensverlängerung durch antiretrovirale Therapie und Prophylaxe opportunistischer Infektionen; außerdem Schutz des Sexualpartners möglich.

Inline graphic Grundsätzlich und ausschließlich persönliche Mitteilung des Testergebnisses, egal, ob pos. oder neg.

Beratung bei positivem HIV-Test

Inline graphic Grundsätzlich muss der pos. Suchtest durch Immunoblot-Test bestätigt sein. Bei definitiv HIV-pos. Diagn. stützt sich das weitere Vorgehen auf ein ungestörtes Vertrauensverhältnis zwischen HA und Pat. Es dürfen keine unberechtigten Hoffnungen geweckt werden, aber es muss das Gefühl vermittelt werden, dass der HA dem Pat. zur Seite steht, wenn Symptome „kontrolliert” werden müssen. Im Vordergrund der Therapie steht die Erhaltung der Lebensqualität.

Therapeutische Optionen
  • Aufklärung über Krankheitsverlauf (Inline graphic 9.9.3): HIV-pos. bedeutet nicht AIDS; i. d.R. langsame Progression; 35% Langzeitüberlebende (auch nach 15 J. noch kein AIDS); keine Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit im asymptomatischen Stadium.

  • Aufklärung über Verbesserung der Prognose durch antiretrovirale Ther. und Prophylaxe opportunistischer Inf. (Inline graphic 9.9.6): Durch die neue antiretrovirale Kombinationsther. kann der Virusload über längere Zeit unter der Nachweisgrenze gehalten werden → Krankheitsprogression lässt sich bremsen; opportunistische Inf. treten seltener auf.

  • Besprechen der weiterführenden Diagnostik und der Kontrolluntersuchungen.

  • Bei Wunsch des Pat. psychother. Betreuung anbieten. Cave: Für manche Betroffenen ist die beste Betreuung im asymptomatischen Stadium gar keine Betreuung; man sollte vermeiden, ständig an die Infektion zu erinnern.

Psychosoziale Hilfe
  • Hinweis auf Selbsthilfegruppen (Inline graphic 35.2).

  • Berufliche Einschränkungen: Offiziell keine, außer bei Übernahme ins Beamtenverhältnis auf Lebenszeit. Bei Ärzten: Von operativer Tätigkeit abraten (Übertragungen durch HIV-pos. Operateure sind dokumentiert).

Gesunde Lebensführung und Hygiene
  • Körperliche Überanstrengung vermeiden (z. B. Leistungssport), keine Kampfsportarten wegen des Risikos blutender Verletzungen, sonst Breitensport uneingeschränkt möglich.

  • Ausgewogene Ernährung; spezielle Diät bringt keine Vorteile.

  • Zur Vermeidung opportunistischer Infektionen Lebensmittelhygiene beachten: Rohes Fleisch, rohe Milch und Blattsalate meiden.

  • Bei neg. Toxoplasmose-IgG Kontakt zu Katzen vermeiden.

  • Prävention der sexuellen HIV-Übertragung durch Kondome („safer sex”), ggf. Umstellung der Sexualgewohnheiten.

Partnerbenachrichtigung

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die Bundesärztekammer empfehlen: Der Arzt darf gefährdete Personen (z. B. wenn der infizierte Pat. seinem Partner die Inf. zu verschweigen gedenkt) in diesen Fällen warnen. Eine Verpflichtung zur Warnung des Partners des HIV-infizierten Pat. besteht dann, wenn auch der Partner des Infizierten bei dem Arzt in Behandlung ist. Diese Auffassung wurde vom OLG Frankfurt/Main am 05.10.1999 (AZ: 8U 7/99) bestätigt.

Kontrazeption

Bei HIV-diskordanten Partnern sollten Kondome verwendet werden, um das HIV-Übertragungsrisiko zu minimieren. Unter antiretroviraler Therapie werden orale Kontrazeptiva schneller metabolisiert, außerdem Gefahr von WW. Daher auch Kondome bevorzugen, wenn der Partner ebenfalls infiziert ist.

HIV-positive Kinder

Prophylaxe von „Kinderkrankheiten” in der Umgebung von HIV-Positiven (Inline graphic 9.9.6); Impfungen bei HIV-pos. Kindern (Inline graphic 9.9.6).

Zusätzlich zur medizinischen Betreuung der Kinder darauf hinweisen, dass die Eltern durch AIDS pflegebedürftig werden bzw. versterben.

Kindergarten und Schulbesuch: Kein erhöhtes Infektionsrisiko durch übliche soziale Kontakte, daher keine Informationspflicht gegenüber Dritten. Die Bescheinigung über die Freiheit von Infektionskrankheiten nach IfSG kann ausgefüllt werden. Dennoch ist eine Information der Kindergarten- bzw. Schulleitung am ehesten durch die Eltern sinnvoll, um einer Gefährdung durch „Kinderkrankheiten” begegnen zu können.

9.9.3. Stadieneinteilung und Verlauf

Klinische Stadieneinteilung (Kategorien A-C der CDC-Klassifikation)

Kategorie A

Akute HIV-Inf. (mononucleosis-like-illness): Nach einer IKZ von 3–6 Wo. akute, Mononukleose-ähnliche Erkr. mit Fieber, Gliederschmerzen, makulösem Exanthem am oberen Stamm (70% d. F.), Lk-Schwellungen, Angina, Splenomegalie. Leuko-, Lympho-, oft auch Thrombopenie. Immer spontane Rückbildung der Symptome.

Diagn.: Ausschluss einer Mononukleose, HIV-AK meist noch neg. (Serokonversion erfolgt nach 1–3 Mon.), zellulärer Immunstatus. Bei Verdacht HIV-PCR quantitativ. Wegen unspezifischer und variabler Symptomatik wird die Diagn. ohne V. a. HIV-Exposition meist nicht gestellt.

Generalisierte Lymphadenopathie (= Lymphadenopathie-Syndrom, LAS): Persisitierende Lk-Schwellungen an mind. zwei extragenitalen Stellen für > 3 Mon. HIV-AK meist pos.

Asymptomatische HIV-Inf.: Pat. ist klinisch gesund und infektiös. CD4-Zellen meist > 500/μl (Anzahl der CD4-Zellen orientiert über das Ausmaß des Immundefekts).

Kategorie B

AIDS-related Complex: Auftreten von Erkr., die keine AIDS-definierenden Erkr. laut Kategorie C sind, aber auf eine Störung der zellulären Immunität hinweisen: Mund-Soor, chron. vulvovaginale Candidiasis, Fieber > 38,5 °C, Diarrhoe > 4 Wo., rezid. Herpes simplex oder Herpes zoster mehrerer Dermatome, periphere Neuropathie, bazilläre Angiomatose, idiopathische thrombozytopenische Purpura.

Kategorie C

AIDS: Auftreten einer oder mehrerer AIDS-definierender Erkr.: Pneumocystis-cariniix-Pneumonie (PcP); Toxoplasma-Enzephalitis; ösophageale Candida-Inf. oder Befall von Bronchien, Trachea oder Lungen; chron. Herpes-simplex-Ulzera oder Herpes-Bronchitis, -Pneumonie oder -Ösophagitis; CMV-Retinitis; generalisierte CMV-Inf. (nicht von Leber oder Milz); rezid. Salm.-Septikämien; rezid. Pneumonien innerhalb eines J.; extrapulmonale Kryptokokkeninf.; chron. intestinale Kryptosporidien-inf.; chron. intestinale Inf. mit Isospora belli; disseminierte oder extrapulmonale Histoplasmose; Tbc; Inf. mit Mycobacterium-avium-Complex (MAI) oder M. kansasii, disseminiert oder extrapulmonal; Kaposi-Sarkom; Non-Hodgkin-Lymphome; invasives Zervix-Ca; HIV-Enzephalopathie; progressive multifokale Leukenzephalopathie; Wasting-Syndrom (chron. Diarrhoe, ungewollter Gewichtsverlust > 10% des KG).

CDC-Klassifikation von 1993

Einteilung nach klinischen Gesichtspunkten und Anzahl der CD4-Zellen/γl.

Tab. 9.26.

CDC-Klassifikation (1993)

Laborkategorie CD4-Zellen/μl
Klinische Kategorie
A (asymptomatisch oder akute HIV-Inf.) B (Symptome, kein AIDS) C (Symptome, AIDS)
1:500 A1 B1 C1

2: 200–499 A2 B2 C2

3: < 200 A3 B3 C3

HIV-Infektion bei Kindern

Bei Neugeborenen HIV-pos. Mütter wegen diaplazentarer Übertragung Nachweis von IgG-HIV-Ak; Persistenz dieser Leihantikörper bis zum 18. Lebensmon. Erst nach diesem Alter ist ein pos. HIV-Ak-Test beweisend für eine Inf. Frühnachweis einer Inf. mittels PCR und p24-Ag möglich. Bei neg. Ergebnis Wiederholung der PCR nach 6 Wo.

Prognose

Unbehandelt in 33% rasche Progression zum Stadium AIDS innerhalb von 2 J.; bei den übrigen 66% langer asymptomatischer Verlauf, mittl. Überlebenszeit 8 J. Verlaufskontrolle anhand von altersbezogenen Werten der CD4-Zellen. Im Stadium AIDS treten die gleichen opportunistischen Inf. wie bei Erw. auf, neurologische Erkr. sind häufiger, Kaposi-Sarkome sehr selten. Betreuung von HIV-pos. Kindern durch ein pädiatrisches Zentrum mit entsprechender Erfahrung.

Prognose der HIV-Infektion

Individuell variabel. Unbehandelt bei älteren Pat. schnellere Progression zum Stadium AIDS als bei jüngeren. Nach 10 J. bei 50% der Pat. AIDS, 20% symptomfrei. Nach 15 J. bei 65% der Pat. AIDS, 8% symptomfrei. Verlangsamung der Progression durch eine spezielle Ernährung oder Lebensweise ist nicht belegt. Überlebenszeit im Stadium AIDS bei intensiver Betreuung 2–3 J. Durch antiretrovirale Ther. starker Rückgang der Inzidenz opportunistischer Inf.

9.9.4. Diagnostik bei HIV-Positiven

Erstuntersuchung

  • Detaillierte Anamnese, vollständige klinische Untersuchung; dabei bes. beachten: Inspektion der gesamten Haut, des Mund-Rachen-Raums sowie der Analund Genitalregion auf verdächtige Effloreszenzen (Inline graphic 9.9.2); generalisierte Lk-Schwellungen, Neurostatus, Visus. Körpergewicht dokumentieren.

  • Labor:
    • HIV-Parameter: HIV-Ak, CD4- und CD8-Lymphozyten, Virusload (quantitative PCR).
    • Klinische Chemie: BSG, großes BB, Eiweiß, Immunglobuline quantitativ, LDH, Transaminasen, Krea, Gerinnungsstatus.
    • Weitere Infektionsserologie: CMV, Hep. A, B, C, Toxoplasmose, Lues.

Folgeuntersuchungen

  • Bestimmung der CD4-Lymphozyten (= T-Helfer-Zellen) und Virusload im Rahmen der antiretroviralen Ther. (Inline graphic 9.9.6) sowie bei jeder Verschlechterung des Gesundheitszustands.

  • Bei asymptomatischen Pat. ohne antiretrovirale Behandlung im ersten halben J. monatlich, um einen Trend zu erkennen und um rechtzeitig die Ind. für antiretrovirale Ther. (Inline graphic 9.9.6) und Prophylaxe opportunistischer Inf. zu stellen (Inline graphic 9.9.6).
    • Wenn im ersten halben J. stabile Werte, CD4 > 350/μl und Virusload < 30 000/ml ohne antiretrovirale Ther. vorliegen, Kontrollen alle 3 Mon.
    • Wenn CD4 < 350 bzw. Virusload > 30 000/ml im Rahmen des Monitorings bei antiretroviraler Ther.
    • Resistenzbestimmung vor Aufnahme einer Behandlung.

9.9.5. Häufige Krankheitsbilder bei AIDS

Tab. 9.27.

Häufige AIDS-Krankheiten in Relation zur CD4-Zahl

CD4-Zellen/μ Häufige AIDS-Manifestationen
200 Frühe Manifestationen von Kaposi-Sarkom, Non-Hodgkin-Lymphom oder Tbc

< 200 PcP, Candida-Inf., rezid. bakt. Pneumonien, bazilläre Angiomatose

< 100 Toxoplasmose-Enzephalitis, Kryptokokken-Meningoenzephalitis, Salmonellen-Sep-tikämie, nekrotisierende Herpes-Inf.

< 50 Disseminierte CMV- und MAI-Inf., Kryptokokken-Meningitis, Kryptosporidien-Inf., invasive Aspergillose

CD4-Zellen beim Gesunden: > 1000/μl

Durch die Einführung hochwirksamer antiretroviraler Therapieregime lässt sich das Auftreten vieler AIDS-definierender Erkr. verhindern bzw. hinauszögern. Bei Verbesserung der Immunität unter antiretroviraler Ther. kommt es zu deren Remission.

Nichttuberkulöse Mykobakterien

Erreger

Meist Mycobacterium avium (MAI-Stämme), selten M. kansasii oder M. xenopi. Gegen den ubiquitär vorkommenden Err. keine Expositionsprophylaxe möglich. Erkrankungsrisiko hoch, wenn CD4 < 100/μl.

Klinik

Subfebrile, später febrile Temperaturen, Fieberschübe, Abgeschlagenheit und Gewichtsverlust. Zusätzlich oft Diarrhoe, abdom. Schmerzen, Hepatosplenomegalie und Eiweißverlustsyndrom.

Diagnostik

Vergrößerte abdom. Lk, Panzytopenie; Erregernachweis aus Blutkulturen oder aus Gewebeproben, PCR auf MAI. Bevor die Diagnose einer atypischen Mykobakteriose gestellt wird, zunächst andere infrage kommende Erkr. ausschließen (z. B. Tbc, Lymphom).

Therapie

M. avium ist gegen fast alle verfügbaren Medikamente resistent. Am besten wirkt die Kombination Clarithromycin, z. B. Klacid® 1000 mg/d, plus Ethambutol, z. B. Myambutol® 1200 mg/d, sowie Clarithromycin plus Rifabutin, z. B. Mycobutin® 300 mg/d. Antibiotische Eradikation des Err. nicht möglich, im günstigsten Fall zeitweilige Symptombesserung. Remission möglich, wenn durch antiretrovirale Ther. ein CD4-Anstieg auf > 100/μl erreicht werden kann.

Prognose

Protrahierter Verlauf, insgesamt ungünstig.

Bazilläre Angiomatose

Erreger

Bartonella henselae, gramneg. Bakterium, verursacht bei Immunkompetenten die Katzenkratzkrankheit. In 2/3 d.F. sind auch hier Verletzungen durch Katzen der Auslöser (Inline graphic 9.3.8).

Klinik

Lokal aggregierte oder disseminiert stehende rötliche, gelegentlich blaulivide oder hautfarbene Knoten oder Papeln. Bis ca. 5 cm groß, mitunter auch exanthematische Ausbreitung hunderter kleinster Läsionen ohne bevorzugte Lokalisation. Konsistenz gummiartig, prall-elastisch.

Effloreszenzen: Beginn als winzige, blaurote Papeln, die ab einer bestimmten Größe ulzerieren können und sich dann mit einer Kruste überziehen. Abheilung meist als Restitutio ad integrum. Manchmal bleiben eine Hyperpigmentierung oder Induration. Bei Rückbildung größerer Knoten können sich atrophische, unter das Hautniveau eingesunkene Narben bilden. Häufig Befall von Schleimhäuten und inneren Organen.

Allgemeinsymptome: Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit, Erbrechen, Diarrhoe, Nachtschweiß, Fieber, Schüttelfrost, krampfartige abdom. Schmerzen.

Differenzialdiagnose

Kaposi-Sarkom.

Diagnostik

Nachweis von Bakterien durch Biopsie von angiomatösen Neubildungen der Haut; histologisch in der HE- und Warthin-Starry-Färbung bzw. durch PCR. Serologie unzuverlässig.

Therapie

Gutes Ansprechen auf Roxithromycin, z. B. Rulid®; Azithromycin, z. B. Zithromax®; Doxycyclin; Co-trimoxazol, z. B. Bactrim®; Ciprofloxacin, z. B. Ciprobay®. Therapiedauer mind. 2 Mon.

Prognose

Unbehandelt letaler Verlauf möglich.

CMV-Retinitis

Inline graphic 25% der AIDS-Pat. sind betroffen. Übertragung durch Muttermilch und Schleimhautkontakt. Meist inapparenter Verlauf, Reaktivierung der latenten Inf. bei Immunschwäche. Erkrankungsrisiko hoch, wenn CD4 < 100/μl.

Klinik

Verschwommenes Sehen, Visusverlust, Gesichtsfeldausfälle, ungewöhnliche Sinneseindrücke wie Sehen von leuchtenden Punkten, Schneetreiben u. a. Das Auge ist schmerzlos und nicht gerötet.

Diagnostik

Ophthalmoskopie (s.a. Inline graphic 23.2.5), Labordiagn. unergiebig. Facharztüberweisung an HIV-Schwerpunktpraxis, ggf. Klinikeinweisung.

Therapie

Ganciclovir, z. B. Cymeven® 2 × 5 mg/kg KG/d i. v., oder Valganciclovir, z. B. Valcyte® 2 × 900 mg/d oral, alternativ Foscarnet, z. B. Foscavir® 2 × 90 mg/kg KG/d i. v. für 3 Wo. bis zur Vernarbung der Retinaläsion. Alternativ intraokulare Injektion oder Implantation eines Depots der genannten Medikamente. Anschließend lebenslange permanente Suppressionsbehandlung mit den genannten Medikamenten. Frühzeitig Anlage eines zentralvenösen Zugangs (Port) und Schulung der Pat. oder Angehörigen in der Handhabung der i. v. Ther. Wirksamkeit oraler Präparate bislang umstritten. Cave: NW der Medikamente bei system. Ther. beachten.

Prognose

Führt unbehandelt zur Erblindung. Bei Absetzen der Virostatika Rezidiv. Auch bei konsequenter Suppressionsbehandlung kommt es nach durchschnittlich 2 Mon. zu Rezidiven, die sich meist durch erneute Akutther. beherrschen lassen. Durch Vernarbung der Retinaläsionen besteht ein erhöhtes Risiko für eine Ablatio retinae.

  • Aufgrund der lebenslangen Behandlungsdauer und häufigen Infusionen möglichst anstreben, den Pat. selbst in Zusammenarbeit mit einer HIV-Schwerpunktpraxis zu behandeln, um ihm den erheblichen Verlust an Lebensqualität durch Wartezeiten, Fahrzeiten oder Klinikaufenthalte zu ersparen. Krankenkassen sind nach Rücksprache i. d.R. kooperativ.

  • Vor Beginn der Behandlung Informationen über Umgang mit Portsystemen beschaffen (z. B. Fortbildung, Schulung).

  • Unter Ther. wöchentl. BB-Kontrollen, da Ganciclovir myelotoxisch ist.

HIV-Enzephalopathie

Inline graphic Häufigste neurologische KO der HIV-Inf. Ursache ist ein direkter Befall von Gehirnzellen durch das HI-Virus.

Klinik

Schleichender Verlauf mit allmählichem Verlust der geistigen Fähigkeiten. Erstsymptom meist Konzentrationsschwäche, seltener Demenz, Stuhl- und Urininkontinenz, Psychosen und Krampfanfälle sowie fokale neurologische Ausfälle.

Diagnostik

Ausschluss einer reaktiven Depression, von opportunistischen Inf. (DD: Toxoplasmose, bakt. Meningitis, Kryptokokken) und malignen Lymphomen. Facharztüberweisung zum Neurologen, evtl. Psychiater, CCT.

Therapie

Bei frühzeitiger Ther. mit einer AZT- (z. B. Retrovir®) bzw. D4T- (z. B. Zerit®) haltigen antiretroviralen Kombination klinische Besserung (Inline graphic 9.9.6).

Prognose

Progression individuell verschieden. Oft Defektzustände.

Kaposi-Sarkom

Definition

Maligner Tumor des Gefäßendothels. Kommt aus unbekannten Gründen v. a. bei homosexuellen AIDS-Pat. vor; Assoziation mit dem humanen Herpes Virus 8 (HHV 8). Multifokale Systemerkr., keine Metastasierung von Tumorzellen.

Klinik

Erscheinungsbild und zeitlicher Verlauf extrem variabel, von stationär/benigne bis rasch progredient/tödlich. Außer Haut und Schleimhäuten können auch Lk und innere Organe (Lunge, GIT) betroffen sein. Durch Hautbeteiligung wird die Grunderkr. offensichtlich (große psychische Belastung).

Komplikationen

Befall von Lunge (30–40%) und inneren Organen.

Diagnostik

„Blickdiagnose”. Hautläsionen: Initial rosafarbener Fleck, Infiltrat oder Knoten von 5–20 mm Durchmesser mit langsamem Wachstum, mit dem Glasspatel nicht wegdrückbar. Typischerweise Ausrichtung entlang Hautspaltlinien. Im weiteren Verlauf Intensivierung der Farbe (typ. gelbfarbener Hof) über rot und braun zu violett. Einzelläsionen können zu großflächigen Plaques konfluieren. Durch Rhagaden und Tumornekrosen sind Blutungen und bakt. Superinf. möglich. Facharztüberweisung an erfahrenen Dermatologen oder in die Hautklinik einweisen.

Therapie

Rein palliativ. Zurückhaltend bei unproblematischer anatomischer Lokalisation, sonst antiretrovirale Ther. einleiten bzw. umstellen; bei den meisten Pat. bilden sich die Tumoren dann zurück. Falls dies ohne Erfolg bleibt:

  • Lokalbehandlung bei kleinen exponierten Läsionen, z. B. Radiatio bei Läsionen an Nasenspitze, Augenlid, Penis. Bei Läsionen im Gesicht Infiltration mit Vincristin. Exzisionen sind nicht indiziert (rasches Rezidiv).

  • Systemisch: Im Frühstadium, wenn CD4-Zellen > 200/ml α2a-Interferon-Behandlung möglich.

  • Zytostatisch: Bei rasch progredientem Verlauf, klinisch relevantem Befall innerer Organe, generalisiertem Lymphödem.

Prognose

Individuell sehr unterschiedlich.

Kryptokokkose

Erreger

Der Err., ein Hefepilz, kommt weltweit und ubiquitär vor. Übertragung durch Inhalation von Staub aus eingetrocknetem Vogelkot (Tauben u. a. Vögel). Zunächst asymptomatische Inf. der Lunge, von dort aus hämatogene Streuung, bevorzugt ins ZNS. Erhöhtes Risiko, wenn CD4 < 100/μl.

Klinik

Schleichend progredient verlaufende Meningoenzephalitis: Verlangsamung, Persönlichkeits- und Verhaltensänderung. Im fortgeschrittenen Stadium Fieber und Kopfschmerzen, häufig mit Übelkeit und Erbrechen. Meningitische Zeichen nur in 25%.

Komplikationen

Foudroyanter Verlauf mit Sepsis.

Diagnostik

Nachweis von Kryptokokken-Antigen im Serum und Liquor. Pilzkultur aus Liquor.

Therapie

Stationär i. v. Dreifachther. (Fluconazol, Amphotericin B, Flucytosin) für mind. 6 Wo., kulturelle Kontrolle. Wenn Liquor kulturell neg., Fortführung der Ther. für weitere 4 Wo. Anschließend Rezidivprophylaxe mit Fluconazol, z. B. Diflucan® 1 × 200 mg/d.

Prognose

Nach erfolgreicher Behandlung innerhalb eines J. Rezidive möglich.

Prävention

Kryptokokken-Antigen i. S. bestimmen, wenn CD4 < 100/μl. Wenn bei klinisch gesunden Pat. pos. (Kontrolle!), Behandlung mit Fluconazol 400 mg/d für zunächst 4 Wo.

Kryptosporidiose

Erreger

Auch in Europa sehr verbreitete Protozoen ohne bes. Wirtsspezifität. Übertragung von Haustieren auf den Menschen, meist durch Tierkot. Kryptosporidien-Zysten sind resistent gegen die meisten Desinfektionsmittel, chloriertes Trinkwasser und Umwelteinflüsse. Bei AIDS-Pat. ist Trinkwasser Hauptinfektionsweg, auch Übertragung fäkal-oral von Mensch zu Mensch.

Klinik

IKZ 1–2 Wo., dann rasch zunehmende wässrige Diarrhoe mit bis zu 30 Stühlen/d ohne Fieber (cave: Exsikkose), selten subfebrile Temperaturen; zusätzlich oft Übelkeit, Erbrechen, Tenesmen.

Komplikationen

Befall des Gallengangsystems mit Cholezystitis.

Diagnostik

Klinikeinweisung. Der mikroskopische Erregernachweis ist schwierig.

Therapie

Nur symptomatische Ther. möglich: Substitution von Flüssigkeit und E'lyten. Anhebung der CD4-Zellzahl durch antiretrovirale Ther. (Inline graphic 9.9.6) versuchen. Prophylaxe: Medikamentös nicht möglich. Pat. mit CD4 < 200/ml sollten ihr Trinkwasser abkochen und auf Einhaltung der Hygieneregeln achten.

Prognose

Bei CD4-Zellen > 200/ml Elimination des Err. innerhalb 2–3 Wo., bei niedrigerer CD4-Zellzahl chron. Persistenz mit häufigen Rezidiven.

Pneumocystis-carinii-Pneumonie (PcP)

Inline graphic Nach wie vor häufigste AIDS-definierende Erkr. Err. kommt weltweit und ubiquitär vor. Durch zunehmendes Know-how und Prophylaxe (Inline graphic 9.9.6) heute meist frühzeitig diagnostizier- und behandelbar.

Klinik

Typische Trias: Fieber, trockener Husten, zunehmende Belastungsdyspnoe. Abgeschlagenheit, Leistungsminderung und Gewichtsverlust. Akute Verläufe innerhalb einer Wo. möglich, meist aber über eine bis mehrere Wo. zunehmende Beschwerden. Auskultation unauffällig, evtl. verschärftes Atemgeräusch.

Komplikationen

Respiratorische Insuffizienz, Pneumothorax.

Diagnostik

Nachweis durch Rö-Thorax (milchglasartige bilaterale Infiltrate), mikroskopischer Erregernachweis aus Reizsputum oder Bronchiallavage. Bei Verdacht Klinikeinweisung oder Facharztüberweisung in HIV-Schwerpunktpraxis.

Therapie

Nur bei leichten Formen ambulant. Behandlungsdauer 3 Wo. Co-trimoxazol Mittel 1. Wahl, z. B. Bactrim®. Alternativ: Pentamidin, z. B. Pentacarinat®-Infusion. Klinikeinweisung, wenn pO2 < 70 mmHg. Wichtig ist die Prophylaxe der PcP (ohne antiretrovirale Ther. bei CD4-Zellen < 200/μl, mit antiretroviraler Ther. bei CD4-Zellen < 100/μl) sowie bei Auftreten einer weiteren opportunistischen Inf. (Inline graphic Tab. 9.31 ).

Tab. 9.31.

Prophylaxe opportunistischer Infektionen

Erkrankung Prophylaxe Substanz Dosierung
Pneumocystis-carinii-Pneumo-nie CD4-Zellen 5 200/μl, vor und nach erster Episode Co-trimoxazol (z. B. Bactrim®), bei Überempfindlichkeit: Pentamidininha-lation 1 × 1 Tbl. à 480 mg/d oder 3 × 1 Tbl. à 960 mg/Wo.; Pentamidininhalation: Zunächst 200 mg/d für 4 d, dann 1 × 300 mg/Mon.

Toxoplasmen-Enzephalitis (Inline graphic9.6.1) Vor erster Episode (falls Toxo-Ak pos. und CD4 5 200/μl) Co-trimoxazol (z. B. Bactrim®) 1 × 1 Tbl. ä 480 mg/d oder 3 × 1 Tbl. ä 960 mg/Wo.

Rezidivprophylaxe nach erster Episode Pyrimethamin (z. B. Dar-aprim®) + Folinsäure (z. B. Lederfolat®) 2 × 1–3 × 1 Tbl. ä 25 mg/d; 1 × 3 Tbl. ä 5 mg an 2 d/Wo.

Alternative bei Unverträglichkeit Clindamycin (z. B. Sobe-lin®) + Co-trimoxazol (z. B. Bactrim®) 4 × 2Kps. à 300 mg/d;1 × 1Tbl. à 480 mg/d

Soor Nur nach Rezidiverkr. Fluconazol (z. B. Diflucan®) 1 × 1 Tbl. ä 100 mg/d

CMV-Retinitis Erst nach erster Episode Ganciclovir (z. B. Cymeven®) 5 mg/kg KG /d i. v. oder 6 mg/kg KG i. v. an 5 d/Wo.

Alternative Cidofovir (Vistide®)

Kryptokokken-Meningitis Erst nach erster Episode Fluconazol (z. B. Diflucan®) 1 × 1 Tbl. ä 200 mg/d

Aspergillus-lnf. Erst nach erster Episode Itraconazol (z. B. Sempera®) 2 × 1 Tbl. ä 200 mg/d

Mycobacteri-um-avium-lnf. Erst nach erster Episode Clarithromycin (z. B. Kla-cid®) + Ethambutol (z. B. Myambutol®) 2 × 1 Tbl.a 500 mg/d; 2 × 2 Tbl. à 400 mg/d

Prognose

Ohne Prophylaxe Rezidiv, sonst günstig.

9.9.6. Therapie

Antiretrovirale Therapie

Die hochaktive antiretrovirale Therapie (highly active antiretroviral therapy = HAART) vermag Virusload unter die Nachweisgrenze der quantitativen PCR zu bringen und eine Remission der Immunschwäche mit Anstieg der CD4-Zellen zur erreichen. Der Pool an HIV-infizierten Zellen wird auch bei lang dauernder Ther. nicht eliminiert, da weiterhin eine HIV-Replikation auf sehr niedrigem Level stattfindet (Resistenzentwicklung!), es sehr langlebige Zellen gibt, in denen HIV überdauert. Die Lebensqualität kann durch gravierende NW der HAART beeinträchtigt werden. Die meisten Behandler sind daher vom Konzept „hit hard and early” abgerückt und favorisieren einen späteren Behandlungsbeginn bei Symptomfreiheit, um dem Pat. eine optimale Lebensqualität zu ermöglichen.

Behandlungsziele der HIV-Ther. sind:

  • Verlängerte Lebenserwartung.

  • Erhaltung bzw. Verbesserung der Lebensqualität durch Vermeiden HIV-assoziierter Erkr.; damit auch verminderte Behandlungskosten für opportunistische Inf. und verlängerte Berufstätigkeit des Pat.

Tab. 9.29.

Indikationen für eine HAART

Gesicherte, dringende Behandlungsindikation
  • AIDS- oder HIV-assoziierte Symptome (A- oder B-Symptome nach CDC 1993) bzw. mit Immun-thrombozytopenie

  • Pat. mit Viruslast > 30 000 Kopien/ml Plasma

  • Pat. mit CD4-Zellen < 350/μl

  • Pat. mit relevanter Zunahme der Viruslast (z. B. mehr als 1 log)

  • Pat. mit relevanter Abnahme der CD4-Zellen (z. B. mehr als 25%).

Fakultative Indikationen
  • Pat. mit Viruslast zwischen 10 000 und 30 000 Kopien/ml

  • Pat. mit 350–500 CD4-Zellen/μl

  • Pat. mit akuter Serokonversion*.

*

Bei zeitlich befristeter ther. Intervention scheint sich das immunologische Gleichgewicht auf einem günstigeren Level einzupendeln. Durch die Befristung (6 Mon.) sollen Lipodystrophie und Resistenzentwicklung vermieden werden; optimale Therapiedauer und Kombinationen sind noch Gegenstand von Studien.

Auswahl von Medikamenten für HAART

Kombination aus nukleosidischen Reverse-Transskriptase-Inhibitoren (NRTI), z. B. von AZT oder D4T (beide liquorgängig), plus Protease-Inhibitor (PI). Doppel-PI (2 PI) haben eine günstigere Pharmakokinetik, z. B. keine Nüchterneinnahme erforderlich, und ↓ NW-Rate. Bei KI gegen PI: Kombination aus 2 NRTI und einem nichtnukleosidischen Reverse-Transskriptase-Inhibitor (NNRTI) möglich.

Erprobte Kombinationen:

  • 2 NRTI und 1 PI: AZT/3TC und NFV oder IDV oder SQV; z. B. Combivir® (AZT/3TC) und Viracept® (NFV = Nelfinavir); 11 Tbl./d.

  • 2 NRTI und 2 PI: AZT/3TC und SQV/RTV oder IDV/RTV; z. B. Combivir® (AZT/3TC) und Crixivan® (IDV = Indinavir) plus Norvir® (RTV = Ritonavir); 8 Tbl./d.

  • 2 NRTI und 1 NNRTI: AZT/3TC und EFV oder NVP; z. B. Combivir® (AZT/3TC) und Sustiva® (EFV = Efavirenz); 5 Tbl./d; z. B. Combivir® (AZT/3TC) und Viramune® (NVP = Nevirapin); 4 Tbl./d.

  • 3 NRTI: AZT/3TC und ABC; z. B. Combivir® (AZT/3TC) und Ziagen® (ABC = Abacavir); 4 Tbl./d.

NRTI Combivir® (AZT/3TC = Zidovudin/Lamivudin) können durch Zerit® (D4T = Stavudin) plus Epivir® (3TC = Lamivudin) ersetzt werden.

Cave folgende Kombinationen (antagonistische Wirkung, ↑ NW oder Kreuzresistenz):

AZT ↔ D4T; DDC ↔ DDI; DDC ↔ D4T; DDC ↔ 3TC; EFV ↔ NVP; EFV ↔ DLV; DLV ↔ NVP.

Inline graphic Indikationsstellung und Durchführung von HAART durch ein erfahrenes Zentrum!

Kombinationstherapien

Tab. 9.30.

Dosierung und Einnahmeschema der antiretroviralen Medikamente

Medikamente Tagesdosis Tbl. à 6–8 Uhr 14–15 Uhr 19–20 Uhr 22–23 Uhr
Nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren = NRTI

Combivir® (AZT + 3TC) 900 mg 450 mg 1 1

AZT = Zidovudin (Retrovir®) 500 mg 250 mg 1 1

3TC = Lamivudin (Epivir®) 300 mg 150 mg 1 1

D4T = Stavudin (Zerit®) 80 mg 40 mg 1 1

DDI = Didanosin (Videx®) 400 mg 100 mg 2* 2*

DDC = Zalcitabin (Hivid®) 2,25 mg 0,75 mg 1 1 1

ABC = Abacavir (Ziagen®) 600 mg 300 mg 1 1

Protease-Inhibitoren = Pl

DV = Indinavir (Crixivan®) solo 2,4 g 400 mg 2* 2* 2*

Indinavir (Crixivan®) + Ritonavir 1,6 g 400 mg 2 2

SQV = Saquinavir (Fortovase®) solo 3,6 g 200 mg 6** 6** 6**

Saquinavir (Fortovase®) + Ritonavir 1,6 g 200 mg 4 4

NFV =Nelfinavir (Viracept®) 2,25 g 250 mg 3** 3** 3**

APV =Amprenavir (Agenerase®) 2,4 g 150 mg 8** 8**

RTV =Ritonavir (Norvir®) solo 1,2 g 200 mg 3 3

Ritonavir (Norvir®) +weiterer PI 200 mg 100 mg 1 1

LPV + RTV = Lopinavir + Ritonavir (Kaletra®) 1 g 166 mg 3** 3**

Nicht-nukleosidische Reverse-Trans kriptase-lnh bitoren =*JNRTI

DLV = Delavirdin (Rescriptor®) 1,2 g 100 mg 4 4 4

EFV = Efavirenz (Sustiva®) 600 mg 200 mg 3

NVP =Nevirapin (Viramune®) 400 mg 200 mg 1 1

Combivir® und Kaletra® sind Kombinationspräparate

*

Einnahme nur nüchtern, d. h. mind. 1 h vor bzw. 2 h nach einer Mahlzeit

**

Einnahme nur zusammen mit den Mahlzeiten

  • Bei bislang nicht therapierten Pat. vor Beginn von HAART HIV-Resistenztestung.

  • Dosisangaben in der Tabelle für normale Erw. mit 70 kg KG. Anpassung an KG oder Krea! KI, NW und WW der Medikamente Inline graphic 9.9.7.

  • Einnahme der Medikamente gleichzeitig beginnen. Bei sukzessiver Einnahme und zu langer „Aufbauphase” Gefahr der Resistenzentwicklung.

  • Bei Therapieversagen mind. zwei Medikamente ändern. Wirksamkeit der HAART steht und fällt mit Pat.-Compliance; bei unzureichender Einnahme rasche Resistenzentwicklung. Pat. über Wirkungsweise der Medikamente, Progression der Erkr. sowie über etwaige NW und WW genau aufklären.

  • Kontrolluntersuchungen: Bestimmung des Virusload vor Beginn der Therapie mittels quantitativer PCR, anschließend nach 4 und 8 Wo. Weitere Kontrollen je nach Krankheitsstadium alle 4–12 Wo. Zusätzlich kleines BB, Krea, GPT.

  • Dauer: Unbegrenzt, sofern keine Resistenzentwicklung oder Unverträglichkeiten auftreten. Unterbrechung bei Auftreten bzw. Ther. opportunistischer Inf. wegen unkalkulierbarer WW. In welchen Situationen nach Verbesserung der Immunitätslage „strukturierte Therapiepausen” sinnvoll sind, ist unklar.

Lipodystrophie

Das größte Risiko haben nach derzeitigem Kenntnisstand die Kombinationen PINNRTI.

  • Abnahme des subkutanen Fettgewebes von Gesicht, Extremitäten, Gesäß. Zunahme im/am Nacken („Stiernacken”), intraabdominal mit Zunahme des Bauchumfangs; irreversibel.

  • Gestörte Glukosetoleranz, periphere Insulinresistenz, diabetische Stoffwechsellage; manifester Diab. mell. bei 1–7%.

  • Hyperlipidämie mit Erhöhung von Triglyzeriden, Chol., Anstieg des LDL/HDL-Quotienten → Lipidkonstellation mit erhöhtem Risiko für vorzeitige Arteriosklerose; i. d.R. reversibel.

Tritt bei ca. 50% der behandelten Pat. 10–15 Mon. nach Therapiebeginn auf. Die Fettstoffwechselstörungen und die Hyperglykämie sind schon Tage bis Wochen nach Beginn der antiretroviralen Ther. nachweisbar. Bei Abbruch bzw. Umstellung der Ther. bilden sich die metabolischen Störungen meist zurück, die lipodystrophischen Veränderungen sind irreversibel. Für viele Pat. sind die dysmorphischen Veränderungen eine große Belastung und veranlassen sie zum Abbruch der antiretroviralen Ther.

Prophylaxe opportunistischer Infektionen

Prophylaxe bei Exposition gegenüber Kinderkrankheiten

Impfungen Inline graphic 9.2.3, Impfungen bei HIV-Positiven Inline graphic 9.2.4.

  • Varicella-Zoster: Nach Kontakt mit an Windpocken oder Zoster Erkrankten 1 ml/kg KG Varicella-Immunserum i. v., z. B. Varitect®. Bis 96 h postexpositionell sinnvoll. Alternativ: Aciclovir, z. B. Zovirax® 4 × 20 mg/kg KG p. o. frühzeitig bei Erkrankung.

  • Masern: „Normales” Immunglobulin 400 mg/kg KG i. v., z. B. Sandoglobin® innerhalb von 6 d post expositionem.

  • Pertussis: Bei Kindern mit Kontakt zu Erkrankten Erythromycin 50 mg/kg KG/d in 2 Dosen 14 d, z. B. als Paediathrocin®-Saft. Erw.: Roxithromycin, z. B. Rulid® 2 × 150 mg.

Kinderwunsch und Schwangerschaft

Durch ansteigenden Anteil der Frauen an den HIV-Infizierten (21% in Deutschland) gewinnen Gravidität und Kinderwunsch größere Bedeutung. Gravidität und Geburt beeinflussen die Progression der Erkr. nicht. Bei Kinderwunsch zuvor Beratung über Motivation, medizinische Möglichkeiten und Risiken. Die juristische Bewertung medizinischer Assistenz bei solchen Vorgängen ist unklar. KI sind fortgeschrittene Stadien der HIV-Inf. entsprechend B3 oder C nach der CDC-Klassifikation.

Frau HIV-positiv, Mann HIV-negativ

Möglichkeit der Selbstinsemination. Zum Ovulationszeitpunkt ein spermizidfreies Kondom nach dem Geschlechtsverkehr umgekehrt in die Vagina einführen oder Ejakulat nach Masturbation mit einer Spritze vaginal applizieren.

Mann HIV-positiv, Frau HIV-negativ

Die HI-Viren befinden sich im Seminalplasma, die Spermien selbst sind nicht infiziert. Durch Dichtegradientenzentrifugation kann das HIV abgetrennt werden, nach neg. Kontroll-PCR kann der Spermienpool zur assistierten Reproduktion verwendet werden. Diese Verfahren müssen entsprechend den Richtlinien der Bundesärztekammer durchgeführt werden.

Schwangerschaft

HIV-Übertragung auf das Kind meist intrapartal, aber auch intrauterin oder durch Stillen möglich. Transmissionsminderung durch antiretrovirale Ther. ab der 15. SSW, elektiven Kaiserschnitt, neonatale Prophylaxe, Stillverzicht: Das Transmissionsrisiko sinkt von 20% auf < 2%. Evtl. HIV-positive Mütter motivieren, die Milch abzupumpen und pasteurisiert dem Kind zu geben.

Wegen des unbekannten teratogenen Risikos möglichst keine antiretrovirale Ther. vor der 15. SSW bzw. diese unterbrechen. Immer häufiger werden Frauen unter antiretroviraler Ther. schwanger, bei denen die Teratogenität selbst der Einzelsubstanzen noch nicht im Tierversuch abgeklärt wurde. Außer Zidovudin hat keines der Medikamente die Zulassung bei Grav. Deshalb wird in den aktuellen Deutsch-Österreichischen Empfehlungen trotz erwiesener Resistenzentwicklung in dieser Situation die Zidovudin-Monotherapie empfohlen.

Behandlung aus mütterlicher Indikation
  • Bisher nicht therapierte Patientin mit Therapieindikation:
    • Therapieind.: CD4-Zahl 250–400/μl, Viruslast 10 000–20 000 Kopien/ml.
    • Therapiestart: Falls möglich, frühestens ab der 15. SSW mit initialer Resistenztestung.
    • Therapieempfehlung: Für die Zeit der Grav. Zidovudin (z. B. Retrovir®) – Didanosin (z. B. Videx®) oder Zidovudin – Zalcitabin (z. B. Hivid®) oder Stavudin (z. B. Zerit®) – Didanosin.
    • Ziel: Risikoadaptierte Ther. mit möglichst wenigen antiretroviralen Substanzen zum Schutz des Kindes mit ausreichender Suppression der Virusreplikation bei der Mutter.
    • Bei der Kombinationsther. möglichst keine Protease-Inhibitoren (PI) verwenden (teratogenes Risiko). Wegen erwiesener Teratogenität (zerebrale Fehlbildungen) auf Efavirenz (z. B. Sustiva®) ganz verzichten.
    • Sectio am wehenlosen Uterus in der 37. SSW unter i. v. Zidovudin-Ther.
    • Neugeborene 4 Wo. lang mit Zidovudin-Sirup 4 × 2 mg/kg KG/d oder für 10 d i. v. behandeln; Beginn spätestens 6 h post partum.
  • Geplante Grav. bei laufender antiretroviraler Ther.: Mit einem mit der HIV-Ther. vertrauten Zentrum abklären, ob eine Therapiepause bis zur 15. SSW in Betracht kommt.

Behandlung aus kindlicher Indikation
  • Schwangerenvorsorge: Auch HIV-pos. Schwangeren wird die übliche Schwangerenvorsorge entsprechend den aktuell gültigen Mutterschaftsrichtlinien empfohlen. Danach soll der Schwangeren nach ausführlicher Aufklärung ein HIV-Test angeboten werden; HIV-Beratung, HIV-Test und Ergebnis werden nicht im Mutterpass dokumentiert.

  • Für Notfälle einen an den Geburtshelfer/die Hebamme gerichteten verschlossenen Briefumschlag im Mutterpass aufbewahren, der das Ergebnis des HIV-Tests enthält.

  • Unauffälliger Schwangerschaftsverlauf, niedriges HIV-1–Transmissionsrisiko, keine Therapieindikation seitens der Mutter:
    • Ggf. Zidovudin-Monother. (2 × 250 mg/d) ab der 32. SSW.
    • Alternativ: Zidovudin + Didanosin, Zidovudin + Zalcitabin oder Stavudin + Didanosin.
    • Sectio am wehenlosen Uterus in der 37. SSW unter einer peripartalen i. v. Zidovudin-Gabe.
    • Neugeborene 4 Wo. lang mit Zidovudin-Sirup 4 × 2 mg/kg KG/d oder für 10 d i. v. behandeln; Beginn spätestens 6 h post partum.
  • Risikoschwangerschaft, vorzeitige Wehentätigkeit, Zwillinge: Behandlung durch FA mit entsprechender Erfahrung.

  • Keine Ther. in der Grav.: Entbindung durch eine primäre Sectio unter der o. g. i. v. Zidovudin-Ther. Kinder 4 Wo. post partum mit Zidovudin behandeln (s. o.).

9.9.7. Medikamente bei HIV-Patienten

Tab. 9.32.

Nebenwirkungen, Kontraindikationen, Wechselwirkungen

Medikament; Indikation Nebenwirkungen Kontraindikationen Wechselwirkungen
Antiretrovirale Medikamente

Nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhi bitoren = NRTI

AZT = Zidovudin (z. B. RetrovirJ) Anämie, Leukopenie, Thrombopenie, Kopfschmerzen (50%), Übelkeit; Myopathie Hb 5 10 mg/dl; Neutropenie5 750/μl. Schwere Nierenoder Leberinsuff. Ganciclovir, Co-trimoxazol, Pyrimethamin erhöhen KM-Toxizität

3TC = Lamivudin (z. B. Epivir®) Exanthem, Fieber, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Diar-rhoe Pankreatitis in der Anamnese Serumspiegel ↑ durch Co-trimoxazol

DDC = Zalcitabin (z. B. Hivid®) Periphere Neuropathie (30%), Pankreatitis, Kopfschmerzen Periphere Neuropathie. Vorsicht bei Pankreatitis in der Anamnese Vorsicht bei Med., die eine Neuropathie auslösen können

ABC = Abacavir (z. B. Ziagen®) Überempfindlichkeitsreaktion (5°/o): Übelkeit, Diarrhoe, Fieber, Exanthem Überempfindlichkeitsreaktion in der Anamnese Keine speziellen

D4T = Stavudin (z. B. Zerit®) Periphere Neuropathie, Pankreatitis, Kopfschmerzen, Diarrhoe Periphere Neuropathie AZT und D4T wirken antagonistisch. Nicht zusammen mit potenziell neurotoxischen Medikamenten

DDI = Didanosin (z. B. Videx®) Periphere Neuropathie, Pankreatitis, Kopfschmerzen, Diarrhoe Pankreatitis in der Anamnese Vorsicht bei Rifampicin, Rifa-butin, Ganciclovir. Nicht zusammen mit Tetrazyklinen

Nicht-Nukleosidische Reverse-Transkriptase-lnhibitoren = NNRTI

NVP = Nevirapin (z. B. Viramune®) Transaminasen ↑, Ex-anthem (40°/o), Übelkeit Nicht evaluiert Nicht zusammen mit Rifabutin; Wirkung von Kontrazeptiva ↓

DLV = Delavirdin (z. B. Rescriptor®) Transaminasen ↑, Ex-anthem (50°/o), Übelkeit Nicht evaluiert Serumspiegel ↓ durch Rifam-picin, DDI; Serumspiegel ↑ durch SQV

EFV = Efavirenz (z. B. Sustiva®) Kopfschmerzen, Diar-rhoe, Schwindel, Kon-zentrationsschwäche; teratogen Nicht zusammen mit: Astemizol, Cisaprid, Midazolam, Triazolam Serumspiegel ↓ von: IDV, APV, Clarithromycin; Serumsp↑ von SQV

Protease-Inhibitoren*= PI

SQV = Saquinavir (z. B. Fortovase®)** Diarrhoe, Übelkeit, ab-dom. Schmerzen, Transaminasen ↑. Bei Diab. mell. erhöhte Hyperglykämieneigung Nicht zusammen mit: Midazolam, Triazolam, Terfenadin, Astemizol, Cisaprid, Ergotamin-Derivaten, Rifabutin, Rifampicin Serumspiegel ↓ durch Rifam-picin Rifabutin; Serumspiegel ↑ durch RTV, DLV, Ketokonazol, Ranitidin

IDV = Indinavir (z. B. Crixivan®) Nephrolithiasis. Einnahme 2 h vor bzw. 1 h nach Mahlzeiten Nephrolithiasis, Hy-perurikämie Nicht gemeinsam mit β-Blockern, Kalziumantagonisten, Antiarrhythmika ↓

APV = Ampre-navir (z. B. Age-nerase®) Übelkeit, Kopfschmerzen, Exanthem Rifampicin-Ther. Serumspiegel ↓ durch EFV, DDI, NVP, Antazida; Serumspiegel ↓ durch RTV, Rifabutin, DLV, Erythromycin

RTV = Ritonavir (z. B. Norvir®) Diarrhoe, Kopfschmerzen, Transaminasen ↑ WW mit mehr als 200 Medikamenten beachten (→ Fachinfo) Serumspiegel ↑ von vielen Medikamenten (→ Fachinfo). Verbesserte Pharmakokinetik in PI-Kombinationen

NFV = Nelfinavir (z. B. Viracept®) Diarrhoe (20°/o), Kopfschmerzen, Schwindel, Schwächegefühl Ca2+-Antagonisten, β-Blocker, Antiar-rhythmika Serumspiegel ↓ durch Rifam-picin; Wirkung von Kontrazep-tiva ↓

LPV + RTV = Lo-pinavir + Ritonavir (Kaletra®) Übelkeit, Diarrhoe, Kraftlosigkeit Noch nicht evaluiert Noch nicht evaluiert

Andere Virostatika

Aciclovir (z. B. Zovirax®); HSV, VZV Phlebitis an der Injektionsstelle, Übelkeit Vorsicht bei Dehydratation, Grav. und Stillzeit Ausscheidung # bei Gabe von Probenecid

Famciclovir (z. B. Famvir®); HSV Kopfschmerzen, Übelkeit Grav. und Stillzeit Diuretika und NSAR erhöhen den Serumspiegel

Ganciclovir (z. B. Cymeven®); CMV Neutropenie (40°/o), Thrombopenie, Übelkeit Neutropenie < 500/μl, Thrombopenie < 25 000/μl Vorsicht bei: Co-trimoxazol, Amphotericin B, AZT. Krampf-anfälle bei hochdosierter Ther. mit β-Laktamen

Foscarnet (z. B. Foscavir®); CMV Krea ↑ (50°/o), Hypo-kalzämie, Hb ↓. Kopfschmerzen, Übelkeit Niereninsuff. Keine gleichzeitige Gabe von nephrotoxischen Medikamenten

Cidofovir (z. B. Vistide®) Nephrotoxizität, Neutropenie Niereninsuff., Protein-urie, Dehydratation Kombination mit Probenecid erforderlich, auf ausreichende Hydratation achten. Keine gleichzeitige Gabe von ne-phrotoxischen Medikamenten

Ribavirin (z. B. Rebetol®); HCV Kopf- und Gliederschmerzen, hämolytische Anämie (20%); Schwindel, Depression, Verwirrtheit Herzinsuff., Niereninsuff.; psychische Erkr. Hämatotoxizität ↑ von AZT, Ganciclovir, Rifabutin, Rifampicin, Co-trimoxazol

Mittel gegen Pneumocystis und Toxoplasmen

Co-trimoxazol (z. B. Bactrim®) Allergische Hautreaktionen, Neutropenie, Nierenfunktion ↓, Phlebitis Allergie, akute Hep., Niereninsuff. Verstärkt Wirkungvon Cumari-nen und Sulfonylharnstoffen

  • Pentamidin (z. B. Pentacarinat®):

  • Aerosol

Husten (30°/o); cave: Übertragung einer Tbc! Konjunktivitis Asthma bronchiale, Ther. mit b-Blockern Keine gleichzeitige Gabe von b-Blockern

  • Pentamidin (z. B. Pentacarinat®):

  • i. v. Behandlung

RR ↓↓, Hypo- oder Hyperglykämie, Nierenversagen, Leukope-nie Leukopenie, Diab. mell., Leber- oder Niereninsuff., RR-Hy-per- und Hypotonie DDI: Risiko der Pankreatitis; Foscarnet, Amphotericin-B: Nierenfunktion #

Pyrimethamin (z. B. Daraprim®) Anämie, Leukopenie, Thrombopenie, Übelkeit, Diarrhoe Megaloblastäre Anämie. Vorsicht bei G6PD-Mangel, Epilepsie, Asthma bronchiale, Niereninsuff. Folsäure verringert Wirkung gegen Toxoplasma. Beschleunigter Abbau durch enzyminduzierende Medikamente

Antimykotika

Fluconazol (z. B. Diflucan®); Candida, Kryptokok-ken Übelkeit, Diarrhoe Keine speziellen Abbau ↑ unter Rifampicin; Serumspiegel ↑ von Antikonvul-siva

Itraconazol (z. B. Sempera®); u. a. Aspergillus Übelkeit, Kopfschmerzen, Schwindel; tera-togen Gravidität Bei Rifampicin beschleunigter Abbau

Mittel gegen Mykobakterien

INH (z. B. Isozid®); M. tuberculosis Periphere Neuropathie, Transaminas ↑, hä-molytische Anämie, Leukopenie, Thrombo-penie Akute Hep., Makrohä-maturie, Psychosen, Epilepsie, Alkoholabusus Bei tägl. Alkoholkonsum gehäuft Hep. und Krampfanfälle; Serumspiegel von Phenytoin und Carbamazepin ↑

Clarithromycin (z. B. Klacid®); Azithromycin (z. B. Zithromax®); M. avium Übelkeit, Diarrhoe Allergie gegen Makrolide Wirkung ↑ von: Carbamazepin, Theophyllin, Marcumar, Digoxin

Ethambutol (z. B. Myambutol®) Reversible Reduktion von Visus, Farbensehen. Gesichtsfeldausfälle, Harnsäureanstieg Schäden des N. opticus Vorsicht bei Gabe von DDI (gehäuft Pankreatitis)

Rifabutin (z. B. Mycobutin®) Übelkeit, Transaminasen ↑, Leukopenie, Thrombopenie, Anämie; Gliederschmerzen Thrombopenie, schwere Leberschäden, akute Hep. Beschleunigt den Abbau vieler Medikamente durch Enzyminduktion

Sonstige

Ceftriaxon (z. B. Rocephin®) Übelkeit, Diarrhoe Überempfindlichkeit gegen Cephalosporine Alkoholintoleranz

Ciprofloxacin (z. B. Ciprobay®) Übelkeit, Diarrhoe, Schwindel, Halluzinationen, Krampfanfälle Jugendliche 5 14 J., Grav., Stillzeit. Vor-schädigung des ZNS, Epilepsie. Vorsicht bei Dehydratation Antazida beeinträchtigen die Resorption; Verminderte Ausscheidung von Theophyllin

Clindamycin (z. B. Sobelin®) Pseudomembranöse Enterokolitis, Leberenzyme ↑, Leuko- und Thrombopenie Entzündliche Darmkrankheiten in der Anamnese; Leber-, Niereninsuff. Wirkung ↑ von Muskelrela-xanzien

Methadon (z. B. Polamidon®) Atemdepression. ZNS: Sedierung, Verwirrt-heit, Euphorie; Brady-kardie, Synkopen; Obstipation, Harnverhalt, Gallengangsspasmen SV-Arrhythmie, Asthma, Kopfverletzungen, intrakranialer Druck ↑, Leberinsuff. Atemdepression und Hypotension durch Sedativa, Alkohol

Interferon-α-2a (z. B. Roferon-A®); Kaposi-Sarkom, wenn CD4 > 400 Grippale Symptome, Verwirrtheit, Depression, Arrhythmien, RR-Abfall, Übelkeit, Diar-rhoe, Thrombopenie Schwere Leberschädi-gung, Insuff. von: Herz, Knochenmark; Epilepsie; Depression Vorsicht bei gleichzeitiger Gabe von myelotoxischen Substanzen; Wirkungsverstärkung von Tranquilizern
*

Zahlreiche Medikamente dürfen nicht zusammen mit Protease-Inhibitoren verabreicht werden (Inline graphicTab. 9.33)

**

Nur diese Zubereitung mit hoher Bioverfügbarkeit verwenden

9.9.8. Vorgehen bei Kontakt mit HIV-kontaminiertem Material und Postexpositionsprophylaxe (PEP)

Infektionsrisiko

Art des übertragenen Materials: Blut, Samenflüssigkeit und Vaginalsekret haben i. d.R. die höchsten Viruskonz. bei HIV-Infizierten. In anderen Körperflüssigkeiten ist HIV in deutlich niedrigeren Konz. vorhanden. Die höchsten Viruskonz. treten beim Vollbild AIDS und der akuten HIV-Erkr. auf.

Art der Exposition: Berufliche HIV-Übertragungen bisher nur durch Blut oder Viruskonzentrat (Viruskultur) bei Stich- und Schnittverletzungen (Serokonversionsrate bei Nadelstichverletzungen: 0,3%), Kontakt mit einer offenen Wunde oder nicht-intakter (geschädigter) Haut oder Schleimhautexposition.

Erste Hilfe und chronologischer Ablauf

Nach jeder HIV-Exposition unverzüglich (in Sek.!) die folgenden Sofortmaßnahmen in der genannten Reihenfolge einleiten (ggf. kann anschließend an die Sofortmaßnahmen telefonisch weiterer Rat eingeholt werden):

  • Dekontamination der Verletzung:
    • Stichverletzung: Blutung fördern für > 1 Min. (kein Quetschen und Ausdrücken direkt im Einstichbereich, um keine Erregerverschleppung in tiefere Gewebsschichten zu begünstigen). Tupfer mit viruzidem Antiseptikum satt benetzen, über der Stichverletzung fixieren und für > 10 Min. durch fortlaufende Applikation des Antiseptikums feucht halten.
    • Schnittverletzung: Ggf. Blutfluss durch Spreizen der Wunde verstärken (> 1 Min.), danach antiseptische Spülung mit viruzidem Antiseptikum (> 10 Min.).
    • Hautexposition (geschädigte oder entzündlich veränderte Haut): Entfernen des potenziell infektiösen Materials. Danach Abreiben der Hautoberfläche unter großzügiger Einbeziehung des Umfelds um das sichtbar kontaminierte Areal mit einem Hautantiseptikum.
    • Kontamination des Auges: Reichliches Ausspülen mit 5% wässriger PVP-Jod-Lösung. Falls nicht sofort verfügbar: Betaisodona®-Lösung 1:1 mit sterilem Aqua dest. oder notfalls mit Leitungswasser verdünnt. Falls auch nicht verfügbar, mit Wasser spülen.
    • Aufnahme in die Mundhöhle: Sofortiges, möglichst vollständiges Ausspucken des aufgenommenen Materials. Danach mehrfaches kurzes Spülen (ca. 4- bis 5-mal) der Mundhöhle mit Wasser oder mit 80%igem unvergälltem Ethanol.
  • Systemische, medikamentöse HIV-PEP, Beginn innerhalb von 2 h.

  • Unfalldokumentation (D-Arzt).

  • Hepatitis-B- und -C-Serologie, abklären, ob Hep.-B-PEP erforderlich ist.

  • Erster HIV-AK-Test, Wiederholung nach 6 Wo., 3, 6 und 12 Monaten.

Bei Kontakt mit altem, weggeworfenen Spritzenbesteck einschließlich einer Verletzung durch diese (wie häufig bei spielenden Kindern) wird eine PEP nicht empfohlen. Kinder sollten jedoch in jedem Fall dem spezialisierten Arzt mit Impfunterlagen und dem Spritzenbesteck zur weiteren Untersuchung und Antikörperkontrolle vorgestellt werden.

Tab. 9.34.

Indikationen zur HIV-PEP (nach beruflicher Exposition)

Verletzung mit Injektionsnadel oder anderer Hohlraumnadel (Körperflüssigkeit mit hoher Viruskonz.: Blut, Liquor, Punktatmaterial, Organmaterial, Viruskulturmaterial) → Empfehlen

Schnittverletzung, sichtbares Blut → Empfehlen

Oberflächliche Verletzung (z. B. mit chirurgischer Nadel) → Anbieten

Kontakt zu Schleimhaut oder verletzter/geschädigter Haut mit Flüssigkeiten mit hoher Viruskonz. → Anbieten

Kontakt von intakter Haut mit Blut (auch bei hoher Viruskonz.) → Nicht empfehlen

Haut- oder Schleimhautkontakt mit Körperflüssigkeiten wie Urin und Speichel → Nicht empfehlen
Tab. 9.35.

Indikationen zur HIV-PEP (nach sexueller u. a. Exposition)

Ungeschützter vaginaler oder analer Geschlechtsverkehr (z. B. infolge eines geplatzten Kondoms) mit einer HIV-infizierten Person → Empfehlen

Gebrauch HIV-kontaminierten Injektionsbestecks durch mehrere Drogengebrauchende gemeinsam oder nacheinander → Empfehlen

Ungeschützter oraler Geschlechtsverkehr mit der Aufnahme von Sperma des HIVinfizierten Partners in den Mund → Anbieten

Küssen u. a. Sexualpraktiken ohne Sperma-/Blut-Schleimhautkontakte sowie S/M-Praktiken ohne Blut-zu-Blut-Kontakte → Nicht empfehlen

Verletzung an gebrauchtem Spritzenbesteck zur Injektion von Drogen oder Insulin → Nicht empfehlen

Maximaler Schutz wahrscheinlich nur bei Beginn der PEP innerhalb der ersten 2 h (Schutzrate > 90%). Ggf. Überweisung (Taxi) zu entsprechend ausgestatteter Klinik oder HIV-Praxis mit vorheriger telefonischer Ankündigung. Sind seit der Exposition mehr als 24 h verstrichen, sind PEP-Maßnahmen vermutlich sinnlos. Auch bei lege artis durchgeführter PEP sind Serokonversionen beschrieben.

Medikamente für die HIV-PEP

Immer simultan eine Kombination aus 3 Wirkstoffen, i. d.R. 2 NRTI plus PI, z. B. AZT/3TC (Combivir®) 2 × 1 Tbl./d plus LPV/RTV (Kaletra®) 2 × 3 Kps./d, aber auch AZT/3TC (Combivir®) 2 × 1 Tbl./d plus NFV (Viracept®) 3 × 3 Tbl./d; Einnahmedauer 4 Wo.

Prophylaxemodifikation

Eine Modifikation der im Kasten genannten Prophylaxe-Regime dann in Erwägung ziehen, wenn die Index-Person antiretroviral vorbehandelt ist.

Schwangerschaft

Bei Frauen im gebärfähigen Alter ohne sichere Antikonzeption sollte eine indizierte PEP zwar begonnen, sofort jedoch zusätzlich ein Schwangerschaftstest durchgeführt werden. In der Grav. im Regelfall die HIV-PEP ausschließlich mit Zidovudin und Lamivudin durchführen. Für diese Substanzen liegen umfangreichere klinische Erfahrungen vor: Derzeit kann keine Substanz als unbedenklich zur Behandlung wie zur Prophylaxe eingestuft werden. Falls ausnahmsweise eine Dreifachkombination für unbedingt erforderlich gehalten wird, sollte als dritte Substanz am ehesten Nelfinavir verwendet werden.

Nebenwirkungen der antiretroviralen Medikamente

Bei gesunden Menschen und bei kurzer Therapiedauer gering und reversibel. Gastrointestinale Beschwerden, Abgeschlagenheit und Kopfschmerzen sind am häufigsten. Bei Diarrhoe, Übelkeit, Kopfschmerzen ggf. symptomatisch behandeln und PEP fortsetzen. In Studien hat mehr als ein Drittel der Behandelten die Maßnahme wegen subjektiv empfundener NW vorzeitig beendet, deshalb ist entsprechende Aufklärung über NW wichtig.

Spezielle NW und Risiken bei PEP

In Einzelfällen kann sich bei entsprechender Disposition ein Diab. mell. manifestieren, bei bekanntem Diabetes die Stoffwechsellage unter Protease-Inhibitoren entgleisen.

Inline graphic WW von Protease-Inhibitoren mit anderen Medikamenten Inline graphic Tab. 9.33 → nicht gleichzeitig verordnen!

Tab. 9.33.

Wechselwirkungen mit Protease-Inhibitoren

Gruppe Kontraindikation Alternativen
Antibiotika Rifampicin, Rifabutin Clarithromycin, Azithromycin, Ethambutol

Antihistaminika Astemizol, Terfenadin Cetirizin, Loratadin

Sedativa Midazolam, Triazolam Temazepam, Lorazepam

Magen-Darm-Mittel Cisaprid MCP

Lipidsenker Simvastatin, Lovastatin Atorvastatin, Pravastatin, Fluvastatin, Cerivastatin

Orale Kontrazeptiva (unsichere Wirkung) Kondom, Spirale

Antikoagulanzien Cumarine (erhöhte Blutungsneigung) Heparin
Cave: Genaue Übersicht beim RKI mit Vorschlägen für alternative Medikation unter www.rki.de
Laborkontrollen
  • HIV-Ak nach 6 Wo., 3, 6 und 12 Mon.

  • Großes BB, GPT, γ-GT, Krea, Harnsäure.

  • BZ initial, alle 2 Wo. und 2 Wo. nach Ende der PEP.

  • HIV-PCR bei grippalem Krankheitsbild innerhalb von 4 Wo. nach Exposition oder nach Ende der PEP.

Inline graphic Kostenübernahme: Bei beruflicher HIV-Exposition im Sinne eines Unfalls durch die Berufsgenossenschaften. Bei außerberuflicher HIV-Exposition werden die Kosten durch die GKV i. d.R. nicht übernommen; im Einzelfall stichhaltige, nachvollziehbare Begründung!

9.10. Reisemedizin

Die Hausarztpraxis ist meist erste Anlaufstelle für reisemedizinische Fragen.

Aufgaben des Hausarztes

  • Einschätzung der Reisefähigkeit.

  • Beratung über Chemoprophylaxe und allg. Verhaltensmaßnahmen.

  • Durchführung von Impfungen.

  • Untersuchung/Screening des zurückgekehrten Reisenden.

9.10.1. Allgemeine Empfehlungen zur Reisefähigkeit

Vor reisemedizinischen Maßnahmen/Beratungen muss abgeklärt sein

  • Allg. Gesundheitszustand/„Fitness”?

  • Aktuelle, chron., ansteckende Erkrankungen?

  • Dauermedikation? Immunsuppression?

  • Gravidität?

  • Allergien?

  • Impfstatus?

Kontraindikationen für Reisen

Inline graphic Bei der Entscheidung, ob ein Pat. reisefähig ist, bes. für Fernreisen, muss zwischen absoluten KI und relativen KI unterschieden werden. Relative KI für eine Reise bedeutet, dass nach Risikoabschätzung und Beratung durch den Arzt sowie sorgfältiger Vorbereitung der Reise, z. B. medikamentöse und ärztliche Notfallversorgung gewährleistet, Reisefähigkeit bestehen kann.

Absolute KI für (Fern-)Reisen
  • Maligner Hypertonus, dekompensierte Herzinsuff. (NYHA III und IV), symptomatische bzw. therapieresistente Herzrhythmusstörungen (Lown IV), Infarkt innerhalb der letzten 6 Mon.

  • Dekompensierte Niereninsuffizienz.

  • Aktive Leberzirrhose.

  • Schwere bzw. dekompensierte Neurosen oder Psychosen, dekompensiertes Anfallsleiden.

  • Medikamenten-, Drogen- oder Alkoholabhängigkeit.

  • Ausgeprägte Anämie (Hb < 7 g/dl bei F bzw. < 9 g/dl bei M).

  • Akute ansteckende Krankheiten.

  • Aktive Colitis ulcerosa und Morbus Crohn.

  • Akute, nicht ausreichend eingestellte Hypo- und Hyperthyreose.

  • Pneumothorax.

  • Fehlender Druckausgleich bei HNO-Erkrankungen (Flugreise!).

  • AIDS.

  • Risikoschwangerschaft (Inline graphic 9.10.2).

Relative KI für (Fern-)Reisen
  • Herz- und Gefäßleiden.

  • Chron. entzündliche oder degenerativ neurologische Erkrankungen, wie z. B. MS und Myasthenia gravis (Gefahr der Exazerbation).

  • Ulkuskrankheit.

  • Pankreasinsuffizienz.

  • Insulinpflichtiger Diabetes mellitus.

  • Chron. Hepatitis.

  • Asthma bronchiale.

  • Chron. psychische Erkrankungen.

  • Gravidität (Inline graphic 9.10.2).

Flugreisen

Bei Flugreisen können aufgrund von Hypoxie, Druckveränderungen, Lufttrockenheit, Turbulenzen und Bewegungsarmut flugbedingte Gesundheitsprobleme auftreten.

Tab. 9.37.

Flugreisetauglichkeit nach operativen Eingriffen

Operation*/Erkrankung Flugreisetauglichkeit frühestens**
Bauchraum

Diagnostische Laparotomie Nach 3 d

Appendektomie Nach 10 d

Herniotomie Nach 10 d

Magen-Darm-Blutung Nach 2–3 Wo.

Cholezystektomie Nach 6 Wo.

Gastrektomie Nach 6 Wo.

Darmresektion Nach 6 Wo.

Nephrektomie Nach 6 Wo.

Transurethrale Resektion (TUR) Nach 3 Wo.

Stoßwellenlithotripsie (SWL) Nach 8–10 d

Brustraum

Z. B. diagnostische Thorakotomie Nach 1 Wo.

Lobektomie Nach 12 Wo.

Pneumektomie Nach 6–9 Mon.

Rezid. Spontanpneumothorax Nach 6–8 Wo.

Pneumothorax Nach 4–6 Wo.

Gefäßoperationen

Aneurysma-OP Nach 3 Wo.

Bypass-OP Nach 1–2 Wo. gemäß kardiologischer Beurteilung

PTCA Nach 2 Wo.

Schädel

Pneumenzephalus Flugverbot

Tumorexstirpation Nach 6–12 Mon.

Angioplastik Nach 6–12 Mon.

Subarachnoidalblutung Nach 6 Wo. in Begleitung eines Arztes

Schwere Commotio cerebri Entscheidung Neurologe

Stapedektomie Nach 7 d

Keratoplastik Wenige Tage nach Klinikentlassung

Katarakt-OP Nach 1 d

Netzhaut-/Glaskörperblutung Nach 4 Wo.
*

Normaler Heilungsverlauf (keine KO) vorausgesetzt

**

Kann individuell variieren (z. B. Vorerkr., Begleiterkr., Alter!) R evtl. auch später

Flugverbot
  • Nach Herzinfarkt: 5–6 Mon.

  • Nach Magen-Darm-Blutungen: I. d.R. mindestens 3 Wo.

  • Für Pat. mit art. Hypertonus > 200/120 mmHg (während des Fluges sinkt der systolische Druck, der diastolische erhöht sich, deshalb bes. Gefahr bei hohen diastolischen Werten!).

  • Bei dekompensierter Herzinsuff. (NYHA IV) oder Angina pectoris.

  • Bei Anfallsleiden (relativ, falls starke Sedierung und evtl. Begleitung, Flug möglich).

  • Bei HNO-Erkr. mit Druckausgleichsstörungen in der Eustachischen Röhre: Akute Otitis media, Paukenerguss, Tubendysfunktion, akute Erkr. der NNH (Inline graphic 22.5.2). Cave: Barotrauma.

Barotrauma durch gestörten Druckausgleich

Klinik: Stechende Ohrenschmerzen, Schwerhörigkeit, Ohrensausen, gelegentlich Schwindel, evtl. serös-blutige Ergüsse. KO: Trommelfellruptur.

Prophylaxe: Nach Abklingen der akuten HNO-Erkr. kann der Pat. fliegen, jedoch sollten prophylaktisch einige Zeit vor dem Start und bes. ca. 30 Min. vor dem Sinkflug abschwellende Nasentropfen tief in die Nase geträufelt werden (ebenso bei Erkältungen und leichter Sinusitis). Sinnvoll ist auch, Kaugummi mitzuführen: Ständiges Kauen und Schlucken hält die Tube offen. Bei Ohrendruck Valsalva-Manöver: Nase zuhalten und gleichzeitig Luft schlucken. Sgl. und Kleinkindern sollte Flüssigkeit zum Trinken angeboten werden, um durch Schlucken den Druckausgleich herzustellen.

Autoreisen

  • Keine Fahrten unter Zeitdruck (Puls- und Blutdruckerhöhung).

  • Hitzestau im Auto vermeiden, im Sommer keine Fahrten um die Mittagszeit.

  • Nachtfahrten – cave: Risiko für Pat. mit Nachtblindheit, Katarakt (Beratung durch Augenarzt), Epileptiker.

Zur ärztlichen Beratung gehört die Beurteilung der Fahrtauglichkeit: Erkrankungs- und therapiebedingte Einschränkungen (z. B. Medikamenten-NW) sind zu berücksichtigen. Nicht nur aus reisemedizinischer Sicht, sondern auch aus forensischen Gründen muss der Pat. auf Einschränkungen der Fahrtauglichkeit hingewiesen werden. Dazu gehören z. B.:

  • Schwere Herzrhythmusstörungen (Kreislaufschwäche bei ventrikulärer Tachykardie, Synkopen, Entladung eines implantierten automatischen Defibrillators, s. Kasten).

  • Diab. mell. mit Neigung zu Hypoglykämien (gilt für alle Klassen). Insulinpflichtige Diabetiker dürfen nur in Ausnahmefällen Fahrzeuge zur Fahrgastbeförderung oder LKW (Führerscheinklasse II) führen (relevant, falls der Pat. Reisen mit Kleinbussen/Wohnwagen als Selbstfahrer plant!).

  • Medikamente, wie z. B. Psychopharmaka, Hypnotika, Sedativa, Antiepileptika (Inline graphic 20.8).

  • Psychische Erkr., die akut dekompensieren können, z. B. schwere Neurosen, Schizophrenien, chron. progrediente hirnorganische Erkr.

Fahrtüchtigkeit bei Herzrhythmusstörungen
  • Richtlinien für Pat. nach schwerer ventrikulärer Tachykardie oder Kammerflimmern:

  • Bei komplexen ventrikulären Herzrhythmusstörungen, z. B. Tachykardie, Kammerflimmern, nach Auftreten von Synkopen oder bei Z. n. Reanimation besteht für mind. 6 Mon. vollständige Fahruntüchtigkeit. Danach ist regelmäßige Kontrolle der Effektivität einer medikamentösen Behandlung von Rhythmusstörungen mit Durchführung eines 24-h-Langzeit-EKG erforderlich. Danach darf der Pat. wieder selbst fahren, wenn sich bei elektrophysiologischer Testung keine Arrhythmien mehr auslösen lassen und eine stabile medikamentöse Einstellung gesichert ist.

  • Die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klasse 2 oder zum Führen von Fahrzeugen, die der Fahrgastbeförderung gemäß 15 d StVZO dienen, bleibt ausgeschlossen.

9.10.2. Empfehlungen für Schwangere

Allgemeine Verhaltensregeln

Bei komplikationslosem Verlauf einer Grav. bestehen unter Beachtung einiger Vorsichtsmaßnahmen allg. keine Bedenken gegen Reisen:

  • Nikotinexposition vermeiden: Sitzplatz für Nichtraucher reservieren.

  • Thromboserisiko reduzieren. Prophylaxe: Sitzplatz am Gang reservieren; keine „eingezwängten” Haltungen und Sitzpositionen, flexible/bequeme Kleidung; Kompressionsstrümpfe tragen, häufig aufstehen und sich bewegen bzw. entsprechend bei Auto-/Busfahrten öfters Pausen einlegen. Isometrische Übungen, Fuß wippen.

  • Dehydratation vermeiden, da Thromboserisiko erhöht und Obstipationsneigung verstärkt werden.

  • Kinetosen: Reiseübelkeit und -erbrechen kann durch die Grav. verstärkt sein. Prophylaxe und Ther. der Kinetosen (Inline graphic Tab. 9.45 ). Cave: NW der meisten Mittel, z. B. eingeschränkte Fahrtüchtigkeit.

  • Impfungen und Chemoprophylaxe (Inline graphic 9.10.7).

Tab. 9.45.

Medikamentöse Prophylaxe der Kinetosen

Arzneistoff/Präparat Wirkdauer WichtigsteNebenwirkungen Medikation bei
Schwangeren Kindern
  • Meclozin, z. B. Peremesin® Supp., Postadoxin® N Tbl.

Ca. 24 h Müdigkeit, Kopfschmerzen, Alpträume, Dysurie, ↓ Fahrtauglichkeit; Überdos. kann bei Kindern Krämpfe und Erregungszustände auslösen (ja) Strenge Indikationsstellung im 1. Trimenon (nein) Peremesin® nur für Kinder > 121; cave: Exzitation
  • Dimenhydrinat, z. B. Vomex A® Sirup, Drg., Supp.

Ca. 6 h Wie Meclozin; evtl. RR-Abfall; Müdigkeit stärker ausgeprägt als bei Meclozin (ja) Strenge Indikationsstellung im 1. Tri-menon Ab 3 J.
Scopolamin, Scopoderm® TTS (Membranpflaster) Ca. 60– 72 h Wie Dimenhydrinat; Akkom-modationsstörungen Nein Nein, Jugendliche ab 16 J.

Inline graphic Mutterpass und Impfbefreiungszeugnis(se) mitführen (Inline graphic 9.10.7 und Inline graphic Abb. 9.4 ). Für den Notfall kann eine Liste wichtiger Begriffe bezüglich Grav./Geburt in Englisch oder der jeweiligen Sprache des Reiselandes nützlich sein.

Abb. 9.4.

Abb. 9.4

Impfbefreiungszeugnis bei KI für obligatorische Impfungen

Kontraindikationen für Reisen in der Schwangerschaft

Relativ (abhängig von Reiseziel, -art, -dauer)

  • Im ersten Trimenon und 4 Wo. vor der Entbindung.

  • Mehrlingsschwangerschaft.

Absolut

  • V.a. Zervixinsuff., Abortneigung, Blutungsneigung.

  • Rhesusinkompatibilität in vorausgegangenen Schwangerschaften.

  • Reisen in Epidemiegebiete und in Malariagebiete mit Chloroquinresistenz.

  • Reisen in Länder oder Gegenden ohne gute ärztliche und fachärztliche Versorgung.

  • Bekannte KO während früherer Schwangerschaften.

Reisetransportmittel

  • Flugzeug: Die Bestimmungen der einzelnen Fluggesellschaften zur Flugerlaubnis variieren. Bis zur 32. SSW bestehen meist keine Einschränkungen für Schwangere; mit Attest eines Arztes kann eine Erlaubnis bis zur 36. SSW möglich sein. Genaueres muss die Schwangere bei der entsprechenden Gesellschaft erfragen.

  • Kraftfahrzeug: Sicherheitsgurt immer richtig anlegen (Inline graphic Abb. 15.2). Bei längeren Fahrten regelmäßig Pausen einlegen und Füße vertreten (Verbesserung des venösen Rückflusses).

Verhalten am Reiseziel

  • Klimatische Extrembedingungen vermeiden, kein intensives Sonnenbaden (cave: Wärme-/Kreislaufbelastung und störende Pigmentflecken).

  • Kein schneller Aufstieg in große Höhen (ab 2000 m messbarer relativer Sauerstoffmangel, d. h. Höhen > 2000 m ganz meiden); einige Tage zur Akklimatisierung abwarten.

  • Keine Sportarten mit erhöhtem Traumatisierungsrisiko (z. B. Ski alpin, Wasserski, Tauchen, Mannschafts- und Kontaktsportarten) bzw. übermäßige körperliche Belastung vermeiden (Durchblutungssteigerungen in Muskel und Haut verringern plazentare Durchblutung und Sauerstoffversorgung).

9.10.3. Empfehlungen für ältere Menschen

Allgemeine Verhaltensregeln

(s. a. Inline graphic 9.10.6 und Inline graphic 9.10.1, Tab. 9.36 ). Höheres Alter ist per se keine KI für Fernreisen. Jedoch ist das Krankheitsrisiko erhöht und die allg. Belastbarkeit oft eingeschränkt. Dies zeigt auch die Verschiebung der Erkrankungsursachen im Urlaub zugunsten der Erkr. des Herz-Kreislauf-Systems bei Reisenden > 60 J. (Inline graphic Abb. 9.3 ). Bei älteren Menschen besteht ein erhöhtes Risiko für:

  • Herzinfarkt und apoplektischen Insult: Der Reisende muss wissen, dass die Hygienestandards sowie das Niveau der medizinischen Versorgung und des Rettungsdienstes im Urlaubsland häufig nicht ausreichend sind (Abschluss einer Reiserückholversicherung prüfen).

  • Akute Verwirrtheitszustände durch ungewohnte Umgebung bei Zerebralsklerose.

  • Dekompensation einer Herzinsuff. oder zerebraler Durchblutungsstörungen, z. B. durch Hypoxie im Flugzeug oder tropische Temperaturen.

  • Dehydratation bei Kinetosen und Diarrhoe.

Tab. 9.36.

Flugbedingte Gesundheitsprobleme und ihre Prophylaxe

Risiko Vorerkr./Risikofaktoren Prophylaxe Bemerkungen
Hypoxie Lungenerkr., Herz-insuff., Koronar-insuff., Anämie
  • Sitz im Nichtraucherbereich

  • Keine Flüge in Flugzeugen ohne Druckausgleich

  • Keine zu üppigen Mahlzeiten

VC < 50°/o bedeutet hohes Risiko; Sekrete werden in der trockenen Kabinenluft viskoser. Asthmatiker: Notfallmedikation im Handgepäck mitführen

Sichelzellenanämie Evtl. Sauerstoffgabe

Epilepsie
  • Wie Lungenerkrankungen

  • Evtl. Medikation erhöhen

Risiko wird durch Angst erhöht

Risiko Vorerkr./Risikofaktoren Prophylaxe Bemerkungen

Lufttrockenheit Konjunktivitis, Kontaktlinsenträger
  • Augentropfen (Inline graphic 23.1.5)

  • Kontaktlinsen entfernen


Nasenbluten
  • Nasensalbe


Urolithiasis, Dehydrierung
  • Hoher Flüssigkeitskonsum

V.a. Kinder häufig trinken lassen

Druckveränderung Erkältung (Rhinitis, Sinusitis, Pharyngitis, Eustachi-tis)
  • Schleimhautabschwellende Nasentropfen

In schweren Fällen evtl. Flug verschieben

  • Evtl. Antiphlogistika

  • Valsalva-Versuch


Aerodontalgie
  • Eis auflegen

  • Analgetika

Zahnärztliche Sanierung vor dem Flug

Meteorismus Keine blähenden Speisen und kohlensäurehaltigen Getränke

Kolostomie
  • Wie bei Meteorismus

  • Größerer Kolostomiebeutel

Reservebeutel mitnehmen

Abdominale
  • Wie bei Meteorismus


Hernie
  • Vorhandenes Bruchband tragen


Säuglinge Bei Aufstieg und Sinkflugaus der Flasche trinken lassen bzw. stillen (evtl. am Finger saugen lassen) Flugtauglich ab 7. d nach Geburt (ausreichende Entwicklung der Lungen vorausgesetzt)

Taucher Dürfen bis zu 48 h nach Tauchgang nicht fliegen (Risiko Luftembolie, Dekompressions-krankheit, Inline graphic9.10.8)

Turbulenz Neigung zu Kine-tose
  • Sitz bei Flügelansatz und möglichst Nichtraucherbereich wählen

  • Leichte Mahlzeiten

  • Nachtflug bevorzugen

  • Medikamentöse Prophylaxe (Inline graphic Tab. 9.45)

  • Rückenlehne zurückstellen

  • Blick nach vorn richten, Objekt fixieren

  • Genügende Luftzirkulation (Düse an der Decke über dem Sitz regulierbar)


Bewegungsarmut
  • Variköse, nach

  • Phlebothrombose, Gravidität

  • Aufstehen, umhergehen

  • Elastische Stützstrümpfe

  • Evtl. Thombozyten-aggregationshemmer

  • Viel trinken

  • Isometrische Übungen untere Extremität

  • In vorderster Sitzreihe Beine hochlagern

Abb. 9.3.

Abb. 9.3

Häufigkeit von Erkrankungen auf Reisen. Vergleich: Junge Erwachsene/Senioren

Kontraindikationen für Reisen älterer Menschen

  • Absolute und relative KI für (Fern-)Reisen (Inline graphic 9.10.1).

  • Zusätzlich klinisch manifeste Zerebralsklerose und schwere Inkontinenz.

  • Grundsätzlich müssen strengere Maßstäbe bei der Beurteilung der Reisefähigkeit angelegt werden als bei jüngeren Pat.

„Checkliste” zur Reisevorbereitung älterer Reisender
  • Mitzunehmen sind:
    • Alle nötigen Ausweise: Herzschrittmacherausweis, Antikoagulanziennachweis, Diabetikerausweis u. a.
    • Fotokopie des letzten EKG.
    • Alle regelmäßig einzunehmenden Medikamente in ausreichender Menge sowie eine Liste der Dauermedikation mit Generikaangabe.
    • Evtl. Rezept für die wichtigsten Medikamente (Generikaangaben!).
    • Ersatzbrille.
    • Hörgerätezubehör (z. B. Batterien).

Impfungen und Chemoprophylaxe Inline graphic 9.10.7.

9.10.4. Empfehlungen für Kinder und Säuglinge

Reisetransportmittel

Bei Flugreisen sind Sgl. und Kleinkinder wegen häufig vergrößerter Rachen- und Gaumenmandeln anfälliger für mangelhaften Druckausgleich; zudem können sie den Druckausgleich noch nicht bewusst herbeiführen → z. B. während des Sinkfluges nicht schlafen, sondern etwas trinken oder Bonbons lutschen lassen.

Reiseübelkeit bzw. -erbrechen verhindern, weil erhöhte Gefahr der Dehydratation durch Erbrechen (v. a. in heißen Reiseländern). Prophylaxe und Ther. Inline graphic Tab. 9.45. Cave: KI für Kinder bei der medikamentösen Ther. der Kinetosen beachten!

Ernährung am Reiseort

  • Wenn möglich, dem Stillen immer den Vorzug geben bzw. die Mahlzeiten für Sgl./Kleinkinder selbst zubereiten und speziell dafür aus dem Heimatland mitgebrachte Utensilien benutzen, die ausschließlich von den Eltern benutzt und gereinigt werden. Nur abgekochtes Wasser verwenden oder „stilles” Mineralwasser.

  • Evtl. Milchpulver mitführen.

  • Genügend trinken lassen, da Dehydratationsrisiko größer; Kriterien/Tipps für die Eltern: Hautfaltentest, Farbe des Urins, Nässe der Windeln geben Hinweis auf Flüssigkeitshaushalt.

Inline graphic Die Ernährung des Kindes ist auf Fernreisen vor der Abstillphase unproblematischer, da unkomplizierter und geringere Hygieneprobleme. Die Stillende muss allerdings genug trinken!

Verhalten am Reiseort

  • Kleidung: Möglichst aus Baumwolle oder atmungsaktiven modernen Mikrofasern.

  • Sonnenschutz: Mind. LSF 12 bzw. Sonnenschutzmittel/-blocker speziell für Kinder. Langsam an die Sonne adaptieren, dabei konsequent Sonnenhut aufsetzen; generell (auch im Wasser) Haut mit Kleidung bedecken; nicht über die Mittagszeit (d.h. zwischen 11 und 15 Uhr) in die Sonne lassen! Kinder < 1 J. gar nicht der prallen Sonne aussetzen.

  • Verletzungen: Für Kinder typische und normalerweise harmlose Schnittwunden und Abschürfungen sorgfältig desinfizieren (Reiseapotheke Inline graphic Tab. 9.38 ) und Heilung beobachten, da Infektions- und Sepsisgefahr im feuchtheißen Klima größer.

  • Kinder von streunenden Hunden/Tieren fernhalten (cave: Tollwutgefahr).

  • Nicht barfuß gehen lassen, auch nicht am Strand (cave: Parasiten, Skorpione), von Sträuchern und Unterholz fernhalten (cave: Schlangen). Schwimmschuhe (cave: Seeigel).

Tab. 9.38.

Standardausstattung Reiseapotheke

Erkrankung/Symptom Handelspräparate, z. B. Wichtigste NW und KI Bemerkungen
Durchfall Imodium® Tbl. oder lingual, Lopedium® Kps., Elektrolytlösung: Elotrans®, Oralpädon Mundtrockenheit, Verstopfung, „Blähbauch” Nicht bei Kindern 5 2 J. Cave: Ileus. Lingualtbl. praktisch, falls keine Flüssigkeit vorhanden. Bei Fieber und Blut im Stuhl: Arzt aufsuchen!

Fieber und Schmerzen Paracetamol-ratio-pharm® Tbl., Supp., Paracetamol 500 Stada® Tbl., ASS 500 Ratio® Analgetika-Nephro-pathie; Analgetika-Asthma Cave: Bei Pat. mit Nieren-und Leberfunktionsstö-rungen. Bei sehr hohem Fieber ü ber mehrere Tage und starken Schmerzen: Arzt aufsuchen!

Insektenstiche Soventol® Gel, Feni-stil® Gel. Prophylaxe: Autan-S® Hautspray,-Lotion. Ther. und Prophylaxe: Pellit®-Gel Allergische Hautreaktion; Schwangere Nicht für Sgl.; bei Kleinkindern nicht mehrtägig und nicht großflächig anwenden

Sonnenbrand Fenistil Gel®, Divisan®
Hautreizung, allergische Reaktion Prophylaxe ist besser!
Lotion, ASS 500 ratio® Sonnenschutzmittel mit hohem LSF („sun blocker“), Sonne meiden

Übelkeit Metoclopramid: Paspertin® Tr., MCP Hexal® 10 Supp. Extrapyramidale Wirkungen, Angst, Unruhe Nicht bei Kindern 5 2 J. und im 1. Trimenon einer Grav.

Jet-Iag/Schlafstörungen Pflanzliche Schlafmittel: Ivel® Tbl.; Benzodiazepin: Len-dormin® Tbl.; Chloral-durat rot® Kps. Benzodiazepin: Abhängigkeit; bei älteren Pat. paradoxe Reaktionen möglich; Chloraldurat: Nicht bei Pat. mit schweren Herz-, Leber- und Nierenerkr. Nur Schlafmittel, falls keine Zeit für adäquate Adaptation, z. B. kurze Geschäftsreisen; Einnahme verlängert die Synchronisationszeit

Konjunktivitis Augentr.: Berberil® N, Naphazolin® Kein direkter Kontakt mit weichen Linsen. Bei Nachlassen der Wirkung Bindehautschwellung möglich Sonnenbrille tragen!

Verbandmaterial

Schnellverband, elastische Binde/Gaze/Verbandklammern; Sicherheitsnadeln; Desinfektionsmittel,

z. B. Betaisodona Lsg., Kodan Tinktur/Spray

Instrumente/Sonstiges

Fieberthermometer mit bruchsicherer Hülle, kleine Schere, Fremdkörperpinzette

Mittel zur Wasserdesinfektion; Kinetosen Inline graphicTab. 9.45

9.10.5. Empfehlungen für chronisch Kranke

Allgemeine Verhaltensregeln

„Checkliste” Reisevorbereitungen chronisch Kranker
  • Zeitverschiebungen bei regelmäßiger Medikation berücksichtigen; v. a. bei Antidiabetika, Antikoagulanzien, Antiepileptika, Psychopharmaka.

  • Im Handgepäck bzw. griffbereit die Medikamente mitführen, ausreichend für mind. 1 Wo. über die geplante Reisedauer hinaus; bei Haltbarkeitsproblemen ggf. klären, ob Medikamente am Reiseort erhältlich sind. Evtl. Rezept für verschreibungspflichtige Medikamente ausstellen lassen (Generika).

  • Je nach Krankheitsbild evtl. Notfallmedikamente mitnehmen.

  • Notwendige Atteste und Ausweise mitführen: Herzschrittmacherausweis, Diabetikerausweis, Notfallkarte für Pat. mit Herz-Kreislauf-Erkr. und Risikofaktoren für einen Herzinfarkt (wichtige Herzinfarkt-Symptome, Erste-Hilfe-Maß-nahmen und wichtige Telefonnummern für den Notfall, z. B. Reiserückholdienst).

  • Rauchexposition im Flugzeug vermeiden.

  • Versicherungen für evtl. Rücktransport abklären/abschließen.

Asthmatiker

Asthmaanfälle können durch klimatische Faktoren und den Stress der Reise ausgelöst werden: Spray immer griffbereit mitführen.

Inline graphic Dem Pat. evtl. ein Notfall-Set mit den im Status asthmaticus benötigten Medikamenten zusammenstellen bzw. Rezept ausstellen; bei Eignung Reisepartner im Umgang mit diesen Medikamenten schulen.

Diabetiker

  • Stabile Stoffwechseleinstellung; falls diese durch eine zusätzliche Erkr. (z. B. Inf.) gestört ist, sollte auf jeden Fall von einer Reise mit Zeitverschiebungen abgeraten werden. Durch Jet-lag-Sy. (Veränderung der zirkadianen Hormone) und Stress der Reise (evtl. Flugangst, Hektik → erhöhter Noradrenalin-Spiegel) kommt es zur einer zusätzlichen Labilisierung des Stoffwechsels (kontrainsulinäre Hormone ↑). Grundsätzlich sollten nur gut geschulte insulinpflichtige Diabetiker Fernreisen unternehmen; möglichst mit Angehörigen oder Freunden reisen, die Notmaßnahmen (z. B. bei Hypoglykämie) beherrschen.

  • BZ-Selbstkontrolle: An Reisetagen möglichst alle 3 h.

  • Sport/körperliche Aktivitäten: Kein anstrengender und riskanter Sport.

  • Andere Essgewohnheiten berücksichtigen: z. B. wird in den Mittelmeerländern selten vor 21 Uhr zu Abend gegessen → „Mediterrane Hypoglykämie”; außerdem an mögliche Diätprobleme und mangelnde Verfügbarkeit von (Diabetiker-)Nahrungsmitteln im Zielland denken.

  • Längere Autofahrten nur bei Tag und in Begleitung, bzw. möglichst alle 2 h Pause mit Zwischenmahlzeit. Auch im Auto Kohlenhydratvorrat von mind. 100 g mitführen (Fahrtzeit kann durch Steckenbleiben im Stau erheblich verlängert werden!).

  • Bei Schiffsreisen muss ein Antiemetikum griffbereit sein.

  • Flugreisen mit Zeitverschiebung: Bei Zeitverlängerung muss evtl. zusätzlich Insulin gespritzt werden, bei Zeitverkürzung entsprechend weniger (BZ-Kontrolle!).

Inline graphic Faustregel: 1/12 der üblichen Dosis des basalen Verzögerungsinsulins plus oder minus pro Stunde Zeitverschiebung. Ab Ankunft in der neuen Zeitzone: Umstellung der Uhr und übliches Schema wie zu Hause. Beispiel:

  • Stuttgart – Los Angeles = Zeitverlängerung 9 h: plus 9/12.

  • Los Angeles – Stuttgart = Zeitverkürzung 9 h: minus 9/12.

Cave: Größte Hypoglykämiegefahr während der ersten Nächte nach der Zeitverschiebung; aufgrund der höheren Blutzuckerschwankungen, häufiger BZ messen, um Hypoglykämien durch zusätzliche Mahlzeiten und durch evtl. Nachspritzen von Normalinsulin gegenzusteuern.

„Checkliste” Reisevorbereitungen für Diabetiker
  • Kohlenhydratreserven, Insulinvorräte und Injektionsmaterial immer sowohl auf Koffer als auch auf Handgepäck verteilen (Gepäckstücke können erheblich später am Zielort eintreffen oder verloren gehen).

  • Spritzen und Nadeln in ausreichender Menge sowie ärztliche Bescheinigung für den Zoll mitführen (Verwechslung mit Drogenabhängigen vermeiden).

  • Insulinpumpen: Ersatzbatterien mitnehmen, Netzspannung kontrollieren.

  • Blutzuckermessgerät mitnehmen, um BZ tägl. selbst messen zu können.

  • Reiseapotheke: Inline graphic Tab. 9.38. Bes. wichtig sind: Breitbandantibiotikum, Desinfektionsmittel und Verbandmaterial sowie Antidiarrhoikum und Antiemetikum (cave: Ketoazidose und Dehydratation bei Durchfallerkr. und Erbrechen). Empfehlenswert sind auch Instantsuppen und -bouillon als „Durchfallther.”.

  • Verletzungen strikt vermeiden, bes. Pat. mit PNP: z. B. Strandschuhe mitnehmen.

Herzschrittmacherpatienten

  • Vorsorglich die Magnetdetektoren an den Flughäfen meiden und sich persönlich/manuell untersuchen lassen.

  • Ärztliches Attest mitführen, das das Implantat bestätigt/Herzschrittmacherausweis.

  • Vorsicht vor mobilen Funktelefonen („Handys”): Nur schrittmacherfern tragen und benutzen; nicht in der Jackeninnentasche oder Brusttasche tragen (besser: Gürteltasche, Aktenmappe).

Dialysepatienten

Pat. können über die Deutsche Dialysegesellschaft niedergelassener Ärzte e. V. ein Verzeichnis anfordern, das Praxen und Dialysezentren im In- und Ausland enthält, die Plätze für Gast- und Feriendialysen anbieten (Adressen Inline graphic 35.2).

9.10.6. Reisevorbereitungen/Prophylaxen

Allgemeine Verhaltensregeln

Essen und Trinken

Strikte Einhaltung der Regel: „Koch es, brat es, schäl es – oder meide es!”, um sich vor Durchfall u. a. Infektionskrankheiten zu schützen. Viele Reisende wissen nicht, dass es keine Impfungen gegen Reisedurchfall gibt (häufigste Erkr. auf Reisen!); deshalb eindringlich darauf hinweisen, dass nur die strikte Einhaltung der Verhaltensregeln prophylaktisch wirkt. Konkret heißt dies:

  • Wasser: Nur abgekocht verwenden (z. B. für Kaffee oder Tee); besser: Getränke (z. B. Säfte/Wasser/Mineralwasser) aus verschlossenen Flaschen oder Dosen. Cave: Immer darauf achten, dass der Verschluss in Restaurants erst am Tisch geöffnet wird; in anderen Situationen immer selbst öffnen. Keine Eiswürfel in Getränken, keine offenen Fruchtsäfte, kein offenes Eis.

  • Selbstgekauftes Obst und Gemüse sehr gut waschen bzw. selbst schälen.

  • Nur gut gekochte oder gebratene Speisen verzehren, die frisch und noch warm serviert werden.

Inline graphic Besser ist der Verzicht auf rohes Gemüse und Salate, rohe Wurstwaren, unvollständig gekochte/gebratene oder rohe Fische und Meeresfrüchte; generell Speisen meiden, die schon längere Zeit vor dem Verzehr vorbereitet wurden (z. B. Pudding) und/oder durch direkten Handkontakt zubereitet wurden (z. B. „Handgeformtes” wie Fisch-, Gemüse- und Fleischklößchen). Ausnahme: Falls laut Aussage von länger anwesenden Gästen des eigenen Hotels nie oder nur selten Magen-Darm-Probleme aufgetreten sind, können Salate, Gemüse und Essen vom Buffet nach einigen Tagen in allmählich zunehmender Menge gegessen werden.

Persönliche Hygiene

  • Hände vor jedem Essen mit Seife waschen.

  • Möglichst keine Gemeinschaftshandtücher benutzen.

  • Jeden Kontakt mit Blut. Stuhl und Urin vermeiden.

Kleidung

  • An Kopfbedeckung und Sonnenbrille denken (cave: Sonnenstich, Hitzschlag, Konjunktivitis).

  • Möglichst immer Schuhwerk tragen, auch am Strand nicht barfuß gehen (cave: giftige Insekten, Schlangen, Parasiten u. a.).

  • In Gebieten mit Infektionsrisiko durch Mücken, Zecken, Flöhe (Malaria, FSME, Borreliose, Dengue-Fieber, Inline graphic 9.10.8): Haut bedeckt halten, auch an Unterschenkeln und Armen; lange Hosen oder Strümpfe, Socken tragen und ausreichend Repellents und Insektizidspray mitnehmen (Inline graphic Tab. 9.38).

Versicherungsschutz

Eine private Reisekrankenversicherung mit Rückhol-Garantie ist zu empfehlen. Für privat Versicherte: Klären, ob die Versicherung diese Rückhol-Garantie beinhaltet (nicht bei allen Privatkassen vertraglich gesichert!).

Verhalten im Reiseland

  • Kein Baden in Süßwasserseen oder -tümpeln, Flüssen und Kanälen, auch nicht Hände oder Füße darin waschen (cave: Bilharziose, Lambliasis bzw. Reisediarrhoe durch Kontamination mit Fäkalien).

  • Keine invasiven Maßnahmen, die medizinisch nicht dringend notwendig sind und unter unsterilen Kautelen durchgeführt werden: z. B. Akupunktur, „Gesundheitsspritzen”, sonstige Spritzen; keine Ohrdurchstechungen oder Tätowierungen (cave: HIV-, Hep.-B-Inf.).

  • Kein ungeschützter Geschlechtsverkehr: (ausreichend) Qualitätskondome aus Apotheken und Drogerien des Heimatlandes mitnehmen (cave: HIV-, Hep.-B-und -C-Inf. u. a. Geschlechtskrankheiten) oder sexuelle Abstinenz.

  • Aufenthalt in mückensichern Räumen, mit Klimaanlage, Anwendung von Moskitonetzen.

Reiseapotheke

  • Art und Umfang der Reiseapotheke wird bestimmt durch Reiseart, Reisedauer, Zielland, Zahl und Alter der Mitreisenden (Kinder? Senioren?) sowie deren Vorerkr. und/oder spezielle Dispositionen für bestimmte Erkr. Cave: Verschreibung ist keine Kassenleistung.

  • Hinweise zur Verwendung der einzelnen Mittel dem Reisenden möglichst schriftlich mitgeben; nicht auf die Informationen der Beipackzettel verlassen, da diese für Laien oft nicht verständlich sind.

  • Keine wärmeempfindlichen Medikamente für Reisen in warme Länder (z. B. Suppositorien für Kinder), wenn keine Kühlmöglichkeit (z. B. Klimaanlage) zu erwarten ist.

9.10.7. Reiseimpfungen und Chemoprophylaxe

Allgemeines Vorgehen

(s.a. Inline graphic 9.2.1 und Inline graphic 9.10.1).

  • Impfstatus überprüfen: Polio, Diphtherie, Tetanus, bei Kindern zusätzlich HiB, Keuchhusten, Masern, Mumps, Röteln; wenn nötig, Grundimmunisierung (Inline graphic 9.2.3). Cave: Auf Impfdokumente oder Titer verlassen, nicht auf Angaben des Pat./Reisenden!

  • Obligatorische Impfungen für das jeweilige Reiseland erfragen (Tropeninstitute, Adressen Inline graphic 35.1.2) unter Berücksichtigung der Reiseroute; einige Länder verlangen einen Impfnachweis schon für eine Zwischenlandung ohne eigentliche Einreise in das Land (v. a. für Gelbfieber! Bestimmungen wechseln häufig).

  • Empfehlenswerte Impfungen: Abhängig von Gesundheitsstatus, Zielland, Reiseroute und Reiseart sowie Reisetransportmittel.

  • Individuellen Impfplan erstellen und durchführen. Cave: KI für Impfungen und Impfabstände (Inline graphic Tabellen in 9.2.2).

Impfbefreiungszeugnis

Falls obligatorische Impfungen bei Reisenden kontraindiziert sind, muss ein Impfbefreiungszeugnis mit Unterschrift des Arztes und einem Beglaubigungsstempel mitgeführt werden; je nach Reiseland in englischer oder französischer Sprache und evtl. in der Sprache des Ziellandes. Cave: Einreiseländer müssen Impfbefreiungszeugnisse nicht anerkennen!

Obligatorische und empfohlene Reiseimpfungen Inline graphic 9.2.2, Tab. 9.6 , Impfplan bei Reiseimpfungen Inline graphic 9.2.2, Tab. 9.7 .

Tab. 9.6.

Reiseimpfungen

Ausfürliche Info. Inline graphic9.2.3. Grundsäzlich: Tetanus-, Polio-, Diphtherie-Impfschutz prüen, ggf. impfen
Impfung Indikation, Reiseziel Impfmodus Schutz: Beginn; Dauer; Schutzquote Bemerkungen, Vorsichtsmaßnahmen
Cholera (Tl) Läder mit schlechter Hygiene (nur wenn Impfzertifikat bei Einreise/Transit verlangt wird) 2 Injektionen s.c: Tag 0/14 6. d p.v.; 6 Mon.; 40–80% Häfig NW; von WHO nicht mehr empfohlen; 2 Wo. Abstand zur oralen Typhus-Impfung

FSME (Tl) Südeutschland, Österreich, Tschechien, Skandinavien, Osteuropa, Sibirien Grundimmunisierung: 0/4 WO./12 Mon. i. m.oder 2 Wo. nach 2. Impfung; mind. 5 1; 98% Hünereiweiß-Allergie, neurologische Stöungen

Immunglobulin 4 Wo.; 60% Keine

Gelbfieber (Ll) Tropisches Afrika, Süamerika (fü einige Läder obligatorisch) 1 Dosis s. c; Impfung nur in autorisierten Impfstellen 10. d p.v.; 10 J.; > 98% Hünereiweiß-Allergie; wegen evtl. verstäkter NW mölichst 4 Wo. Abstand zu anderen Lebendimpfungen

Hepatitis A (Tl) Läder mit schlechter Hygiene Grundimmunisierung nach Angaben des Herstellers, 2 bzw. 3 Injektionen i. m. 0/4 Wo./I J. 2 Wo. nach 2. Impfung; 10 J.; > 95% Test auf HA-Ak, bei Geburtsjahrgägen vor 1950

oder Immunglobulin 3 Mon.; 80% Mölichst 3 Mon. Abstand zu Lebendimpfungen

Hepatitis B (Tl) Lägere Aufenthalte in Afrika und Fernost Grundimmunisierung: 0/4 W0./6 Mon. i. m. 2 Wo. nach 2. Impfung ca. 10 J., 95% Titerkontrolle bei Risikogruppen (Inline graphic9.2.3)

Japan-Enzephalitis (Tl) Süostasien (> 1 Mon. Aufenthalt in lädlichen Gebieten, nicht fü Нormal-Touristen) Grundimmunisierung: s.c. Tag 0/7/30 2 Wo. p.v.; 1-4J.;>90% Impfung in Gelbfieber-Impfstellen

Meningokokken (Tl) Typ A, C, W, Y Sahelzone, Vorderasien, tropisches Süamerika (Arbeitsaufenthalte, Trekkingreisen) Kinder: Ab 7. Lebens-mon. und Erw.: s.c. 1 Dosis 1 Wo. p.v.; 1–3 J.; 98% Schüzt nicht gegen den in Europa häfigen Typ B

Tollwut (präx-positionell, Tl) Süostasien, Süamerika (> 3 Mon. Aufenthalt, berufl. Exposition) Grundimmunisierung: i. m. 0/2/4 Wo./I J. 2 Wo. nach 3. Impfung; 2–5 J.; 99% Bei Exposition Auffrischung mit 3 Impfungen: i. m. Tag 0/3/7

Typhus (Ll) Läder mit schlechter (Lebens-mittel-) Hygiene Grundimmunisierung: 1 Wo. nach 2 Wo. Abstand zu

p.o. Tag 1/3/5 3. Impfung;1- Polio-Lebendimp-

3 J.; 70% fung; WW mit Antibiotika und Malariamitteln

Typhus (Tl) Grundimmunisierung: i. m. oder s. c. 1 Dosis Erw. und Kinder ab 2. Lj. 1 Wo. p.v.; 3 J.; 70% Keine bes.

Ll = Lebendimpfstoff, Tl = Totimpfstoff, p.v.: post vaccinem.

Tab. 9.7.

Zeitplan fü Reiseimpfungen

Mindestabstäde von Impfungen zum Abreisetermin. Bei Grundimmunisierungen darf der Mindestabstand zwischen 1. und 2. Impfung nicht unterschritten werden.
Woche vor der Abreise 6. 5. 4. 3. 2. 1.
Maßnahme

Diphtherie/Tetanus G1 G2, A

FSME G1 G2, A

Gelbfieber (Ll) ×

Hepatitis-A-Immunglobulin ×

Hepatitis-A-Impfung Gl, A

Hepatitis-B- und Kombinationsimpfung Hep. A/Hep. B Gl G2, A

Japan-Enzephalitis Gl G2

Malaria-Prophylaxe ×

Meningokokken ×

Polio tot (Salk) Gl G2, A

Tollwut Gl G2 A G3

Typhus* ×

Gl: Grundimmunisierung, 1. Dosis; G2: 2. Dosis; G3: 3. Dosis. A: Auffrisch impf ung

*

Bei oralem Lebendimpfstoff Abstand zu Gelbfieber-Impfung und zu Malariaprophylaxe beachten (Inline graphic9.2.3).

Malaria und Malariaprophylaxe

Definition

Weltweit verbreitete Infektionskrankheit durch Protozoen, die durch vier verschiedene Plasmodienarten hervorgerufen wird (Inline graphic Tab. 9.39 , Inline graphic Tab. 9.40 und Inline graphic Abb. 9.5 ). Übertragung durch den Stich der Anopheles-Mücke. Erkrankung und Tod meldepflichtig.

Tab. 9.39.

Malariaformen im Vergleich

Form M. quartana M. tertiana M. tropica
Erreger P. malariae P. vivax P. ovale P. falciparum
IKZ 21-42 d I.A. 10–21 d, bis zu einem J. möglich 7-20 d
Klinik Beginnt allmählich Bis zu 1 Wo. uncharakteristisches Fieber Plötzlicher uncharakteristischer Beginn
Fieberschübe I. d.R. jeden 3. d (im 72-h-Abstand) I. d.R. jeden 2. d (im 48-h-Abstand) Hohes Fieber, unregelmäßig und Kontinua; afebrile Verläufe möglich
Weitere Symptome Hepatosplenomegalie Schüttelfrost, Anämie, Splenomegalie Schüttelfrost, GIT-Be-schwerden, Erbrechen, Anämie, Ikterus, Hepatosplenomegalie
KO Nephropathie Zerebrale, kardiale, renale M., DIC
Prognose/Verlauf Rezidive bis ca. 20 J. p.i., gutartig Gut, Ausheilung nach ca. 2 J. (bis dahin häufig Rezidive möglich) Unbehandelt oft nach wenigen Tagen tödlich, sonst Remission nach max. 12 Mon.
Ther. (Klinikeinweisung immer schon bei Verdacht) Chloroquin Chloroquin Je nach Resistenz Chloro-quin, Chinin, Mefloquin, Pyrimethamin, Halofantrin
Besonderheiten Mischformen durch gleichzeitige Inf. mit mehreren Plasmodien möglich → Überlappung der Fieberschübe

P. = Plasmodium, M. = Malaria (Inline graphic9.10.7)

Tab. 9.40.

Häufig besuchte Reisegebiete und deren Malariarisiko

Insel/Staat Malariarisiko WHO-Kat.
Ägypten Seit 1998 keine Fälle gemeldet

Australien Nein

China In ländlichen Gebieten, südlich 25. Breitengrad ganzjährig Weiter nördlich im Sommer und Herbst geringes Risiko +, C (+), A

Comoren Überall ganzjährig +, C

Dominikanische Republik Geringes Risiko

Indien Ganzjähriges Risiko unterhalb 2000 m +, B

Karibik Keine Malaria in Antigua, Bahamas, Barbados, Bermuda, Cayman-Inseln, Dominica Grenada, Guadeloupe, Jamaica, Kuba, Martinique, Montserrat, Niederländische Antillen, Puerto Rico, Tobago, Trinidad

Kenya Ganzjährig hoch, multiresistente Plasmodienstämme ++, C

Malediven Nein

Marokko Sehr gering im Sommer in wenigen Lokalherden (+), A

Mauritius In ländlichen Gebieten +, A

Mexiko Nur Plasmodium vivax, Risiko im Süden und Tiefland relativ hoch +, A

Nepal Ganzjähriges Risiko in den Grenzgebieten zu Indien +, B

Philippinen Je nach Insel unterschiedlich, auf manchen keine Malaria +, B

Reunion Nein

Seychellen Nein

Südafrika Relativ hohes Risiko in den nördlichen Landesteilen im Sommer +, C

Taiwan Nein

Tansania Ganzjährig hoch, multiresistente Plasmodienstämme ++, C

Thailand Multiresistente Plasmodienstämme in ländlichen Gebieten, in den klassischen Touristengebieten kein Malariarisiko +, C

Tunesien Nein

Türkei In den Touristengebieten kein Malariarisiko, geringes Risiko in den Grenzgebieten zu Syrien (+), A

Vereinigte Arabische Emirate Sehr geringes Risiko in einigen ländlichen Gebieten (+), A

Vietnam Ganzjährig hoch, multiresistente Plasmodienstämme ++, C

Risiko: (+) = gering, + = vorhanden, ++ = hoch. WHO-Kategorien A, B, C (Inline graphicTab. 9.41)

Abb. 9.5.

Abb. 9.5

Malariazonen (WHO-Einteilung nach Resistenzsituation; Kategorien Inline graphicTab. 9.41)

Klinik

Fieber, Gliederschmerzen, wässrige Diarrhoe, bei schweren Fällen (M. tropica) mit hämolytischer Anämie, Ikterus und Hepatosplenomegalie. Eine fieberhafte Erkrankung mit oder ohne Diarrhö, die < 7 d nach Ankunft in einem Malariagebiet auftritt ist mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Malaria (Inkubationszeit). Aber: Kommt der Patient aus einem Malariagebiet, ist bei Symptomen wie Fieber mit oder ohne Diarrhoe bis zum Beweis des Gegenteils von einer Malaria auszugehen. Unklares Fieber nach einem Jahr muss wegen der prinzipiell langen Inkubationszeit ebenso bewertet werden.

Expositionsprophylaxe

Risiko von infektiösen Mückenstichen kann verringert werden durch:

  • Imprägnierte Moskitonetze: z. B. mit Permethrin.

  • Repellentien.

  • Kleidung, die die Haut vollständig bedeckt (auch Unterarme/Unterschenkel/Knöchel), v. a. in den Dämmerungs- und Nachtstunden (Transmission findet hauptsächlich während der Dämmerung statt). Hosen mit Insektenspray einsprühen; Mücken stechen auch durch dünnen Stoff.

Chemoprophylaxe

In Regionen mit hohem Malariarisiko (Zone C) sollte regelmäßig Chemoprophylaxe erfolgen. Bei niedrigem Risiko ist es besser, ein Medikament mitzunehmen, das bei Auftreten von malariaverdächtigen Symptomen genommen wird: Stand-by-Notfalltherapie. Wegen langfristiger Nebenwirkungen keine Chemoprophylaxe bei Europäern, die lange in einem Endemiegebiet leben (> 3 Mo.). Zu den einzelnen Malaria-Medikamenten Inline graphic Tab. 9.44 .

Tab. 9.44.

Einzelne Malaria-Medikamente mit Indikation, Nebenwirkungen und Kontraindikationen

Chloroquin, z. B. Resochin® Ind.: Chemoprophylaxe in Gebieten ohne Chloroquin-Resistenz, auch bei SS u. Kindern sowie als Stand-by-Medikation. NW: Übelkeit, Diarrhoe, v. a. zusammen mit Alkohol, Augenflimmern (wenn längerfristige Einnahme, dann spätestens nach 5 J. augenärztliche Kontrolle), Schwindel. KI: Retinopathie, G6PD-Mangel, Blutbil-dungsstörungen, Therapie mit MAO-Hemmern
Proguanil, z. B. Paludrine® Ind.: Chemoprophylaxe auch bei SS u. Kindern, zur Therapie (Stand-by) nicht geeignet. NW: GIT-Störungen, Stomatitis, vorübergehender Haarausfall. KI: Keine speziellen

Mefloquin, z. B. Lariam® Ind.: Chemoprophylaxe bei hohem Malariarisiko u. häufiger Chloroquin-Resistenz und Stand-by-Medikation, in Südostasien häufig Resistenzen, Kinder ab 5 kg KG, Schwangere erst ab dem 2. Trimenon. NW: Wesentlich geringer in prophylaktischen als in therapeutischen Dosen. Übelkeit, Schwindel, Schlafstörungen, Reaktions-vermögen eingeschränkt, Urtikaria, Erregungsleitungsstörungen, deshalb nicht bei Personen mit HRST und Therapie mit Chinidin-Typ-Medikamenten, neurologischpsychiatrische Störungen (macht schwere Depressionen mit Suizidgefahr). KI: Piloten, Taucher, Epilepsie, neuropsychiatrische Erkrankungen, Psoriasis, Stillzeit*
  • Atovaquon/

  • Proguanil, z. B. Malarone®

Ind.: Chemoprophylaxe für max. 4 Wochen und Stand-by-Medikation, bei Kindern ab 11 kg KG, zu Schwangeren und Stillzeit liegen keine ausreichenden Daten vor. NW: GIT-Störungen, Kopfschmerzen. KI: Schwere Lebererkrankungen, Niereninsuffizienz
  • Doxycyclin, z. B. Doxy v. ct®

Ind.: Chemoprophylaxe in Gebieten mit Chloroquin- u. Mefloquin-Resistenz (Grenzgebiet Thailand/Kambodscha u. Myanmar = Burma), in Deutschland zur Prophylaxe nicht zugelassen. Stand-by-Medikation. NW: Schleimhautschäden im Ösophagus (deshalb mit viel Flüssigkeit einnehmen), GIT-Störungen, Photosensi-bilisierung. Wechselwirkungen mit oralen Antidiabetika, Antikoagulanzien, Theo-phyllin. KI: Gravidität, Kinder 5 8 J., Myasthenia gravis, schwere Lebererkrankungen
Arthemeter/Lumefantrin, z. B. Riamet® Ind.: Nur als alternative Stand-by-Medikation, ist oral zur Behandlung schwerer Infektionen nicht geeignet, keine Chemoprophylaxe. NW: Kopfschmerzen, Schwindel, Schlafstörungen, Palpitationen, GIT-Störungen u. v.a., KI: Vorbestehende QT-Verlängerungen, z. B. auch durch Medikamente. Medikamente, die die Cyto-chrom-P-Oxidase hemmen, Schwangere und Stillzeit*, Kinder 5 12 J.
Halofantrin, z. B. Halfan® Ind.: Nur Therapie (keine Prophylaxe) unter intensiver Uberwachung. Kann zu lebensbedrohlichen HRST führen. Deshalb auch kein Stand-by mehr, obwohl gut wirksam. NW: Übelkeit, Kopfschmerzen, QT-Verlängerungen. KI: Vorbestehende QT-Verlängerungen, bekannte Arrhythmien, Schwangere und Stillzeit*, Kinder 5 9 Mon.
  • Chinin, z. B. Limptar N®

Ind.: Therapie der komplizierten M. tropica immer im Krankenhaus. Keine Che-moprophylaxe. Therapie sollte im Krankenhaus erfolgen. NW: Kopfschmerzen, Sehstörungen, Tinnitus, Arrhythmien, GIT-Störungen, Bronchospasmus. KI: G6PD-Mangel, N.-opticus-Schaden
*

Bisher keine Erfahrungen

Tab. 9.42.

Empfohlene Chemoprophylaxe bei Kindern (Resistenzzonen und Einnahmezeitraum wie bei Erwachsenen)

Medikament Dosierung
Chloroquin, z. B. Resochin® Ab 6 Mon. und 7 kg KG 5 mg/kg KG/Wo.

Proguanil, z. B. Paludrine® < 11 Mon. 25 mg/d, ab 11 Mon. 3 mg/kg KG/d

Mefloquin, z. B. Lariam® Ab 3 Mon. bzw. 5 kg KG 5 mg/kg KG/Wo.

Atovaquon/Proguanil, z. B. Malarone® Ab 11 kg KG 1 Junior Tbl. = ges. 62,5/25 mg pro 10 kg KG/d, max. 4 Wo.

Doxycyclin, z. B. Doxy v. ct® Ab 8 J. 1,5 mg/kg KG/d
Chemoprophylaxe in der Schwangerschaft

Bei einer Schwangerschaft muss prinzipiell immer eine Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen. Proguanil, z. B. Paludrine®, und Chloroquin, z. B. Resochin®, können in Schwangerschaft und Stillzeit eingesetzt werden. Mefloquin, z. B. Lariam®, nicht im 1. Trimenon, also erst ab 2. Trimenon. Außerdem wird bei Nicht-Schwangeren während und bis zu drei Monaten nach Lariam-Einnahme zur Kontrazeption geraten. Zu Atovaquon/Proguanil, z. B. Malarone®, und Arthemeter/Lumefantrin, z. B. Riamer®, liegen keine ausreichenden Daten vor. Doxycyclin ist in Schwangerschaft und Stillzeit kontraindiziert.

Stand-by-Medikation und Notfalltherapie

Die in Tab. 9.43 aufgeführten Medikamente sind für die Stand-by-Notfalltherapie geeignet, wobei die Stand-by-Medikation prinzipiell verschieden von der Prophylaxe sein soll. Die Behandlung soll jedoch, wenn möglich, immer im Krankenhaus erfolgen, insbesondere bei rasanter Verschlechterung des Krankheitsbildes und bei Indikation zur Therapie mit Chinin, z. B. Limptar N®.

Tab. 9.43.

Stand-by-Notfalltherapie bei Malaria

Medikament Alter (J.) kg KG Einnahmeschema, Tabletten Tbl. à
Chloroquin 1. d, 0 h 1. d, 6 h 2. d 3. d Gesamt (Base)

(z. B. Reso-chin®) 25 mg Base/kg KG in 4 Dosen über 3d Erw.; ≥ 14 > 50 4 2 2 2 10 150 mg

10–13 32–50 3 1 1,5 1,5 7 150 mg

7–9 22–31 2 1 1 1 5 150 mg

4–6 16–21 4 2 2 2 10 50 mg

2–3 12–15 3 1 1,5 1,5 7 50 mg

0,5–1 7–11 2 1 1 1 5 50 mg

Mefloquin* 1. d 2. d Gesamt (Base)

(z. B. Lariam®) 25 mg/kg, 1. Dosis ⅔, 2. Dosis ⅓ der Gesamtdosis Erw.; ≥ 13
> 45
4
2
6
250 mg
10–12
32–45
3
1,5
4,5
250 mg
7–9
24–31
2
1
3
250 mg
4–6
17–24
1,5
0,75
2,25
250 mg
2–3
11–16
1
0,5
1,5
250 mg
0,5–1 7–11 0,5 0,5 1 250 mg

Atovaquon + Proguanil** 1. d 2. d 3. d Gesamt (Base)

(z. B. Malaro-ne®) 70 mg/kg KG Erw.; 4_ 12 > 40 4 4 4 12 350 mg

9–11 31–40 3 3 3 9 350 mg

5–9 21–30 2 2 2 6 350 mg

2–5 11–20 1 1 1 3 350 mg

Arthemeter +Lumifantrin***** Start 1. d, 8 h 2. d, ↔ 12 h 3. d, ↔ 12 h Gesamt (Base)

(z. B. Riamet®) Erw.; 4_ 12 >35 4 4 2 × 4 2 × 4 24 140 mg

Doxycyclin*** 1. d, ↔ 12 h bis zum 7. d, ↔ 12 h Gesamt (Base)

2 mg/kg KG alle12 h Erw.; 4_ 12 > 40 2 × 1 2 × 1 14 100 mg

10–11 31–40 2 × 0,75 2 × 0,75 10,5 100 mg

8–9 25–30 2 × 0,5 2 × 0,5 7 100 mg

Chininsulfat**** 1. d, ↔ 8h bis zum 7. d, ↔ 8h Gesamt (Base)
(z. B. Limptar N®) 8 mg/kg KG alle 8 h Erw.; ≥ 14 > 50 3 × 3 3 × 3 63 200 mg
12–13 41–50 3 × 2 3 × 2 42 200 mg
10–11 31–40 3 × 1,5 3 × 1,5 32,5 200 mg
6–9 21–30 3 × 1 3 × 1 21 200 mg

Bei den meisten Mitteln wird die Einnahme nach einer Mahlzeit ausdrücklich empfohlen. Falls innerhalb 1 h erbrochen wird, nochmals Einnahme derselben Dosis. Bei Kleinkindern und Sgl. konsequente Expositionsprophylaxe, Behandlung möglichst nur durch Arzt mit spezieller Erfahrung (Kinderarzt)

↔ Einnahmeintervall am Tag, z. B. 12 h

*

Grav., Stillzeit, Kinder 5 3 Mon.: Keine ausreichenden Erfahrungen

**

Bei Malaria tertiana (P. vivax) kommt es zum Rezidiv, wenn allein mit Malarone behandelt wird

***

Doxyclin therapeutisch nur in Kombination mit Chinin. Nicht bei Kindern 5 8 Jahren

****

Nur in Ausnahmefällen verwenden. Oral nicht zur Behandlung schwerer Infektionen geeignet

*****

Nur zur Behandlung von M. tropica = Plasmodium falciparum geeignet

Auswahl der Medikamente in Abhängigkeit von WHO-Risikoklasse und Abstimmung mit der zuvor verwendeten Chemoprophylaxe Inline graphic Tab. 9.41 .

Tab. 9.41.

Empfohlene Chemoprophylaxe, nach Resistenzzonen der WHO abgeleitet

Zone* Medikament Dosierung Einnahmezeitraum
A Chloroquin, z. B. Resochin® 2 Tbl./Wo. à 150 mg, bei KG > 75 kg 3 Tbl./Wo. à 150 mg; Kinder ab 6 Mon. 5 mg/kg KG/Wo 1 Wo. vor Abreise (2. Einnahme am Abreisetag) bis 4 Wo. nach Reise

B Chloroquin, z. B. Resochin® 2 Tbl./Wo. à 150 mg, bei KG > 75 kg 3 Tbl./Wo. à 150 mg; Kinder ab 6 Mon. 5 mg/kg KG/Wo 1 Wo. vor Abreise (2. Einnahme am Abreisetag) bis 4 Wo. nach Reise

plus Proguanil, z. B. Paludrine® 2 Tbl./d à 100 mg; Kinder 5 11 Mon. 25 mg/d, ≥ 11 Mon. 3 mg/kg KG/d 1 d vor Abreise bis 2 d nach Reise

C** Mefloquin, z. B. Lariam®
1 Tbl./Wo. à 250 mg; Kinder ab 3 Mon. bzw. 4 5 kg KG: 5 mg/kg KG/Wo.
1 Wo. vor Abreise (2. Einnahme am Abreisetag) bis 4 Wo. nach Reise; bei längerfristiger Anwendung besser Zone-B-Med. u. Stand-by-Med. mitnehmen
  • Atovaquon/

  • Proguanil, z. B. Malarone®

1 Tbl./d à 250/100 mg, max. 4 Wo., besser verträglich als Lariam®; Kinder ab 11 kg KG 1 Junior Tabl. à 62,5/25 mg pro 10 kg KG/d 1 d vor Abreise bis 1 Wo. nach Reise

  • Doxycyclin, z. B. Doxy v. ct®

1–2 Tbl./d à 100 mg, je nach KG; nicht fü r Kinder 5 8 J., ab 8 J. 1,5 mg/kg KG/d Bei Resochin- u. Lariam-Resisten-zen in Grenzgebieten Thailand/Kambodscha, Myanmar (Burma) 1 Wo. vor bis 4 Wo. nach Reise
*

Zone A: Gebiete ohne Chloroquin-Resistenz oder ohne Plasmodium falciparum. Zone B: Gebiete mit niedriggradiger Chloroquin-Resistenz, Zone C: Gebiete mit hochgradiger Chloroquin-Resistenz.

**

Die nachfolgenden Medikamente sind prinzipiell gleich wirksam. Die Auswahl richtet sich nach individuellen Gesichtspunkten (siehe auch Anmerkungen unten).

  • Bei Malaria tertiana (P. vivax) und Malaria quartana (P. malariae) ist im Anschluss an die Initialther. mit einem der o. g. Chemotherapeutika wegen Rezidivgefahr eine Behandlung mit Primaquin (Importmedikament) zur Eradikation der extraerythrozytären Stadien erforderlich.

  • Malaria-Schnelltests, z. B. MalaQuick®, sind nur bei pos. Ausfall eine Entscheidungshilfe (auch bei hoher Parasitämie falsch neg. Ergebnisse möglich) und ersetzen nicht die Untersuchung von Blutausstrichen.

Gelbfieberprophylaxe Inline graphic 9.2.3.

9.10.8. Gesundheitsrisiken auf Reisen

Kinetosen

Prophylaxe

  • Leichte, fettarme Mahlzeiten vor und während der Reise, kein Alkohol.

  • Nicht lesen; nach vorn blicken und ein Objekt fixieren.

  • Kauen (Apfel, Kaugummi) soll ebenfalls präventiv wirken.

Jet-Iag (Syndrom der Zeitverschiebung)

  • Durch Zeitverschiebung bei Interkontinentalflügen hervorgerufene Störung des zirkadianen Rhythmus. Dadurch Beeinträchtigung mentaler und physiologischer Funktionen, z. B. Schlaf- und Wachzustand, Gedächtnis- und Konzentrationsleistungen, Hormonausschüttung, Darm- und Blasenfunktion.

  • Für eine Zeitverschiebung ab 2 h werden mind. 24 h benötigt, um den Jet-lag auszugleichen (sog. Resynchronisationszeit).

  • Flüge von Ost nach West (Zeitverlängerung, Verschiebung der Schlafphase) sind weniger beeinträchtigend als Flüge von West nach Ost (Zeitverkürzung, häufig Überspringen der Schlafphase).

Inline graphic Entsprechend der Zeitverschiebung kann Reisenden ein verändertes Einnahmeschema für Medikamente mitgegeben werden, z. B. Diabetikern Inline graphic 9.10.5 und Inline graphic 17.1.4!

Prophylaxe und Therapie

Anpassung des Schlaf-Wach-Rhythmus schon vor der Reise; aus praktischen Gründen meist jedoch nur für 2–3 h möglich.

Risiken durch natürliche Umweltbedingungen

Sonnen- und UV-Lichtexposition

Trotz zunehmender Aufklärung über kurz- und langfristige Risiken intensiver Sonnenlichtexposition (Melanome Inline graphic 25.10.3, Basaliome Inline graphic 25.10.4, vorzeitige Alterung der Haut) wird das Risiko nach wie vor unterschätzt. Zu den vermeidbaren kurzfristigen Folgen intensiver Sonnenstrahlung, die das Allgemeinbefinden am Urlaubsort beeinträchtigen, gehören:

Sonnenallergie

Ätiol.: Sonnenstrahlung in Verbindung mit Duftstoffen, Konservierungsmitteln, Fett und Emulgatoren in Kosmetika und Sonnenschutzmitteln. Klinik: Juckende, evtl. nässende Pusteln oder Quaddeln, vorwiegend an lichtexponierten Hautstellen (Dekollete, Arme, Oberschenkel). Prophylaxe: (Inline graphic 25.9.2) Allergiegetestete, möglichst fettfreie Sonnenschutzmittel. Evtl. weitgehend auf direkte Sonnenexposition verzichten.

Tab. 9.46.

Schlafmanagement am Beispiel einer Reise Frankfurt – New York (6 Zeitzonen)

Hinflug (Tagflug nach Westen)
Tage vor Flug Späte Nachtruhe, später Tagesbeginn
Während Flug Kein oder kurzer Schlaf oder Entspannungstechniken
Tage nach Flug Frühe Nachtruhe, früher Tagesbeginn, sich so viel wie möglich dem Tageslicht oder Sonnenlicht aussetzen, lokalen Tagesrhythmus übernehmen, bei schlechtem Nachtschlaf evtl. kurzwirksames Schlafmittel; besser: Entspannungstechniken wie autogenes Training; bei Schlafdefizit 1–2 kurze Schlafpausen am Tag
Rückflug (Nachtflug nach Osten)
Tage vor Flug Frühe Nachtruhe, früher Tagesbeginn
Während Flug Einige Stunden schlafen oder kurzer Schlaf („Nickerchen“) oder Entspannungstechniken
1. d nach Flug Sich dem Tages- oder Sonnenlicht aussetzen, kein langer Schlaf am Tag (Wecker stellen!), frühe Nachtruhe
2.–5. d nach Flug Eher späte Nachtruhe und später Tagesbeginn, sich möglichst viel dem Tages- und Sonnenlicht aussetzen, lokalen Tagesrhythmus übernehmen, bei schlechtem Nachtschlaf evtl. kurzwirksames Schlafmittel; besser: Entspannungstechniken wie autogenes Training; bei Schlafdefizit 1–2 kurze Schlafpausen am Tag (⩽ 30 Min.)

Sonnenbrand

Prophylaxe durch konsequenten Sonnenschutz mit mind. LSF 12; bei sehr Hellhäutigen sowie in bestimmten Gegenden (Gletscher, Äquatorialgebiet, Australien) und über die Mittagszeit (11.00–15.00 Uhr) höheren LSF, „sun blocker” bzw. strikte Expositionsvermeidung: Langsame und hauttypgerechte Adaptation: Morgens oder nachmittags, nie über die Mittagszeit, helle Haut nie entblößt in die Sonne, Inline graphic 25.9.1.

Phototoxizität

Cave: Doxycyclin, Johanniskrautpräparate.

UV-Konjunktivitis („Schneeblindheit”)

Prophylaxe: Möglichst Gletscherbrille (seitlich geschlossen) tragen, auf modische Brillenformen (z. B. Schmetterlingsbrille) verzichten.

Sonnenstich

Prophylaxe: Immer Kopfbedeckung tragen, gilt v. a. für Kinder und ältere Menschen (cave: Glatze).

Risiken durch Sport und Freizeitaktivitäten

Aufenthalt in großen Höhen/Hochgebirge

Reizschwelle für die Höhenanpassung beim Gesunden liegt bei ca. 2500 m ü.M. Bei zu schnellem Aufstieg über diese Höhe hinaus Gefahr der Akklimatisierungsstörungen (Höhenkrankheit/akute Bergkrankheit). Entscheidend für die Reizschwelle ist die tägl. Schlafhöhe (Übernachtung), nicht die am Tag erreichte Maximalhöhe.

Höhenkrankheit. Klinik: Kopfschmerzen, Schwächegefühl, Müdigkeit am Tag und Schlafstörungen in der Nacht Appetitlosigkeit. Ther.: Abstieg in tiefere Lagen und/oder Aufstiegspause mit nachfolgend langsameren Aufstiegen. Prophylaxe: Guter Trainingszustand vor Antritt der Reise (evtl. Check-up durchführen); keine zu großen Höhenunterschiede tägl. bewältigen, keine Gewalttouren; auf ausreichende Flüssigkeits- und Salzzufuhr achten; größere Touren nur mit erfahrenen Bergführern, die mit einer höhengerechten Aufstiegstaktik vertraut sind.

Akute Bergkrankheit (schwere Form der Höhenkrankheit). Klinik: Höhenlungenödem mit Dyspnoe, RG der Atemwege und rapidem Leistungsabfall (lebensbedrohlich!). Ther.: Sofortiger Abstieg bzw. Abtransport des Pat. in tiefere Lagen, Sauerstoffgabe; medikamentös: Nifedipin p. o. 10–20 mg plus 20 mg in Retardform sofort, danach alle 6 h 20 mg in Retardform.

Tauchen

  • Bestimmung der Tauchfähigkeit: Der Tauchsport verlangt ein hohes Maß an körperlicher und mentaler Fitness; Minimum-Check-up: Herz-Kreislauf-Funktion und Lungenfunktion. Bei älteren Reisenden evtl. Belastungs-EKG. Psychische Belastbarkeit abschätzen! Bei HNO-Erkr. in der Anamnese ist vor einem Tauchurlaub ein fachärztliches Attest durch HNO-Arzt Voraussetzung (wird von Tauchschulen u.U. auch verlangt).

  • Prophylaxe von Tauchunfällen.
    • Aufklärung über Dekompressionskrankheit und Luftembolie.
    • Psychische Stabilität und mentale Fitness: Es kann unter Wasser bei bestimmter Disposition zu (lebensgefährlichen) Panikreaktionen oder euphorischen Überreaktionen kommen.
    • Keine Tauchgänge bei Schleimhautschwellung (Schnupfen, Erkältungen, allergischen Reaktionen); auch keine schleimhautabschwellenden Nasentropfen vor Tauchgängen anwenden. Gefahr: Lässt ihre Wirkung noch während des Tauchgangs nach, ist beim Auftauchen der Überdruckausgleich nicht mehr möglich. Folge: Barotraumen in Ohren und NNH (Inline graphic 22.6.3). Cave: Zusammenhang wird von Laien oft nicht verstanden und deshalb nicht befolgt!
    • Vor und nach Tauchgängen keinen Alkohol trinken, nicht rauchen, keine Medikamente einnehmen.

Inline graphic Abhängig von Dauer und Tiefe der Tauchgänge darf für mind. 24–48 h danach nicht geflogen werden (genaue Zeit wird nach dem letzten Tauchgang berechnet, diese Berechnung zu lernen, ist Bestandteil einer seriösen Tauchausbildung).

Infektiöse Erkrankungen

Bilharziose (Schistosomiasis)

Definition

Durch im menschlichen Venensystem (Endwirt) lebende Pärchenegel (Schistosomen) verursacht. In warmem Süßwasser werden von Wasserschnecken (= Zwischenwirt) die Wimpernlarven (Mirazidien) aufgenommen und als Zerkarien (Infektionslarven) freigesetzt. IKZ bis 3 Mon. Inf. perkutan beim Baden. Vorkommen: Afrika; Naher, Mittlerer und Ferner Osten; Südamerika.

Klinik, Diagnostik, Therapie

Unterschiedlich je nach Subtyp:

Schistosoma haematobium (Afrika, Mittl. Osten): Befällt Venengeflecht des kleinen Beckens. Klinik: Blasenbilharziose mit hämorrhagischer Zystitis. KO: Blasenpapillome, Blasenfisteln. Diagn.: Eier im Urin, bei Primärinf. Serologie. Ther.: Praziquantel, z. B. Biltricide® 3 Dosen à 20 mg/kg KG in 4–6 h Abstand als 1 -Tag-Behandlung; Metrifonat, z. B. Bilanil® 3 Dosen à 10 mg/kg KG p. o. als 1-Tag-Behandlung, Wiederholung nach 14 d (Internationale Apotheke).

Schistosoma mansoni (Afrika, Naher Osten, Südamerika): Befällt Leber und Darm. Klinik: Darmbilharziose mit ruhrähnlicher Kolitis. KO: Perirektale Abszesse, Polypen, Leberzirrhose. Diagn.: Eier im Stuhl oder Rektalbereich, Serologie. Ther.: Praziquantel (s. o.).

Schistosoma japonicum (Ferner Osten): Eiablage im Blutgefäßsystem. Eier dringen durch die Darmwand ins Darmlumen. Klinik und Diagn. wie Schistosoma mansoni. Ther.: Praziquantel (s.o.).

Prophylaxe

In den entsprechenden Gebieten nicht in Süßwasserseen und -tümpeln baden, waten oder sich waschen.

Cholera

Häufige Erkr. in Entwicklungsländern, vorwiegend in Armutsvierteln (Slums). Für Touristen ist das Erkrankungsrisiko extrem niedrig, da kein oder selten Kontakt mit Slumbewohnern oder Aufenthalt in Slums. Nur impfen, falls obligatorisch (Einreise nach Sansibar und Pemba, Tansania). Dosis und Impfschemata Inline graphic 9.2.2 und Inline graphic 9.2.3. Verdacht, Erkrankung und Tod meldepflichtig.

Dengue-Fieber

Synonym

Siebentagefieber; break bone fever.

Erreger

Dengue-Virus, 4 Serotypen. Alle Typen können das prognostisch günstig verlaufende klassische Dengue-Fieber (v. a. jedoch Typ 2) und das hämorrhagische Dengue-Fieber (DHF, schwer verlaufend, hohe Letalität) sowie das Dengue-Schock-Sy. (DSS) hervorrufen. Übertragung durch tagaktive Mücken (v. a. Aedes aegypti), die in der Nähe menschlicher Behausungen in Wasseransammlungen brüten. Nach Stich und Eintritt in die Blutbahn Vermehrung in regionalen Lk; von dort in andere Gewebe, v. a. in die Haut; IKZ 5–8 d. Gesamtletalität bis zu 10%. Vorkommen: Tropische und subtropische Länder Asiens und Afrikas; Zentral- und Südamerika, Südstaaten der USA; endemisch bzw. epidemisch; cave: Selten auch in Südeuropa (Griechenland, Spanien). Erregernachweis in Verbindung mit Erkrankung meldepflichtig.

Klinik

Fieber, Schüttelfrost, retroorbitale Kopfschmerzen, sehr starke Knochen-, Gelenkund Muskelschmerzen; evtl. Geschmacksirritationen (bitterer, metallischer Geschmack); Injektion der Konjunktiven typisch. Diffuses, stammbetontes Erythem am 2.-3. d, danach morbilliformes Exanthem am Rumpf mit zentripetaler Ausbreitung auf Kopf und Extremitäten, verbunden mit einem zweiten Fieberschub. Evtl. petechiale Blutungen und Epistaxis. Abklingen der Symptome nach 5–6 d, jedoch protrahierte Rekonvaleszenz von mehreren Wo.

Therapie

Klinikeinweisung zur Diagnosestellung, ggf. intensivmedizinische Maßnahmen. Cave: ASS wegen vermehrter Blutungsneigung, Ausweichmittel Paracetamol.

Prophylaxe

Expositionsprophylaxe; Haut durch Kleidung und Repellentien schützen. Schlafen in Räumen mit Klimaanlage. Keine Impfung möglich.

Gelbfieber

Erreger

Seltene, durch Arboviren hervorgerufene und die Stechmücke Aedes aegypti sowie Haemagogus-Arten (Moskitos) übertragene Erkr. Jährlich ca. 2500–3000 Erkrankungsfälle mit einer Gesamtletalität von ca. 20–30% (WHO). IKZ 3–6 d. Vorkommen: Norden Südamerikas und Zentralafrika Inline graphic Abb. 9.6 ; Asien ist frei von Gelbfieber! (häufig Falschinformation). Hauptreservoir sind Primaten. Verdacht, Erkrankung und Tod meldepflichtig.

Abb. 9.6.

Abb. 9.6

Gelbfieberverbreitung in Afrika und Südamerika

Klinik

Initialstadium (3 d): Plötzlicher Beginn mit Fieber bis 40°C, Schüttelfrost, starke Kopf- und Gliederschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, evtl. relative Bradykardie. Remissionsstadium: Fieberabfall am 3. oder 4. d, evtl. Ausheilung. Bei schwerem Verlauf Stadium der Organschädigung: Hepatitis mit Ikterus und Erbrechen, Nephritis mit Proteinurie, hämorrhagische Diathese mit profusen Blutungen. KO: Leber-, Nieren-, Multiorganversagen, Meningoenzephalitis.

Diagnostik

Tropenanamnese bei ungeimpften (oder zu spät geimpften) Personen mit typischer Klinik, evtl. IgM-Ak-Nachweis.

Therapie

Klinikeinweisung (Verdachtsdiagnose „Gelbfieber” angeben) zur Diagnosestellung (Ak-Nachweis, evtl. Leberbiopsie), strenge Isolierung in mückengeschützten Räumen, intensivmedizinische Maßnahmen. Cave: Auch ungeimpfte Kontaktpersonen untersuchen und beobachten (inkl. BB, Leberwerte, Urin), um Inf. auszuschließen.

Prophylaxe

Impfung (Inline graphic 9.2.3); auch empfehlenswert für Gebiete, für die die Impfung nicht obligatorisch ist. Cave: Viele Staaten, in denen Gelbfieber nicht vorkommt, verlangen eine Impfbescheinigung bei Einreise aus Infektionsgebieten. Aktuelle Information bei Gelbfieberimpfstellen erfragen. Adressen Inline graphic 35.1.2.

Hepatitis A

Häufige Erkr. in Ländern mit schlechten hygienischen Verhältnissen; Übertragung vorwiegend fäkal-oral, verunreinigte Gewässer, Meerbuchten, aber auch durch Blutprodukte (selten). IKZ 2–6 Wo. Vorkommen: Ubiquitär in Ländern mit schlechten hygienischen Verhältnissen. Inzidenz in Entwicklungsländern bes. hoch (ca. 50–300 Fälle/100 000 Einw.).

Klinik

Im Kindesalter (bis ca. 6 J.) meist anikterisch, oft nur gastrointestinale Symptome. Bei Inf. im Erwachsenenalter lange und schwere Verläufe möglich. Cave: Bei Reisenden über 50 J. ohne Immunität häufiger als in jungen Jahren fulminante Verläufe mit höherer Letalität (ca. 2,7% im Vergleich zu normalerweise nur 0,05%).

Prophylaxe

Aktive HAV-Impfung (z. B. Havrix®) für alle Fernreisenden; aufgrund der guten Verträglichkeit und der fast 100 ïgen Schutzwirkung sollte die aktive Schutzimpfung einer passiven Impfprophylaxe (Globulin i. m.) vorgezogen werden. Impfschemata und Dosis Inline graphic 9.2.3, Inline graphic Tab. 9.10 .

Tab. 9.14.

Lebensmittelvergiftungen

Pathomechanismus: Aufnahme von präormierten, d. h. im Lebensmittel von Bakterien vor der Nahrungsaufnahme gebildeten Toxinen. Zum Zeitpunkt des Verzehrs könen die Bakterien auch tot sein. Hitzestabil/hitzelabil: Bestädigkeit des Toxins gegenüer Kochen bei 100°C.
Salmonellen Inline graphic9.3.1
Erreger, Häfigkeit IKZ; Pathomechanismus Klinik; Krankheitsdauer (KD) Hauptüertragung; Risikofaktoren Nachweis; Therapie
Staphylo-coccus aureus, 30 o/o 1–6 h; hitzestabiles Entero-toxin (keine Vermehrung bei Külung) Plözliche Übelkeit, Erbrechen, Diarrhoe, Bauch kräpfe, Schweißausbrühe, meist ohne Fieber; KD:1–2 d Fleisch- (v. a. Geflüel) und Milchprodukte, Soßen, Puddings, Dressings, Kartoffelsalat; typisch fü Gemeinschaftsverpflegung Err. und Toxin im Lebensmittel; symptomatisch

Bacillus ce-reus, 30% 1–16 h; hitzestabiles Entero-toxin Übelkeit, selten Erbrechen, äsrige Diarrhoe, Bauchkräpfe; KD: 1 d V.a. stundenlang warmgehaltene Reis-und stäkehaltige Lebensmittel, Eierspeisen, zerkleinerte, erhitzte Fleischprodukte Err. und Toxin im Lebensmittel, Err. im Erbrochenen; symptomatisch

Clostridium perfringens, 30 0/o 8–16 h; hitzestabiles Entero-toxin äsrige Diarrhoe, teilweise Erbrechen; KD:1–2 d Fleisch (v.a. fertige Gerichte bei Zimmertemperatur aufbewahrt), Soßen Err. und Toxin im Lebensmittel; symptomatisch

Vibrio pa-rahaemoly-ticus, selten 16–72 h; hitzelabiles Entero-toxin äsrige Diarrhoe Roher Fisch, Meeresfrühte Err. im Lebensmittel; symptomatisch

Clostridium botulinum, sehr selten 1–10 d; hitzelabile Neuroto-xine Erbrechen, Diarrhoe; Kopfschmerzen, Doppelsehen, Obstipation, Schluck-und Atemstöungen, Paralyse; KD: Bis zu 8 Mon. Schinken, Rächerfisch, v.a. hausgemachte Gemüekonserven (cave: bombierte Konserven), unzuläglich erhitzte Fleisch-, Milch- und Gemüespeisen Err. und Toxin im Lebensmittel, Toxin im Patientenserum; Klinikeinweisung obligat
Tab. 9.15.

Übersicht Enteritiserreger

Erreger Inkubationszeit; Hauptübertragung, Risikoländer Klinik Diagnostik: Material; Methode Chemotherapie: 1. Wahl; Alternative
Aeromonas sp., selten 1–2 d; Lebensmittel Wässrig-blutige, manchmal protra-hierte Diarrhoe Stuhl; Kultur Ciprofloxacin*** 2 × 500 mg/d für 7 d

Campylobacter jejuni/coli, häufig 2-5 d; Geflügel, Rohmilch Schmerzhafte, schleimige, häufig blutige Diarrhoe, Fieber Stuhl, Lebensmittel: Anti-gen-EIA, Kultur, Blutkultur, Serologie Erythromycin 4 × 500 mg/d für 7 d; Ciprofloxacin*** 2 × 500 mg/d für 7 d

Enteritis-Salmonellen, häufig (Inline graphic9.3.1) 1-3 d; Geflügel, Hackfleisch Fieber, Erbrechen, Diarrhoe Stuhl, Lebensmittel, Blut: Kultur, Serologie Ciprofloxacin*** 2 × 500 mg/d für 10d*;Co-trimoxazol** 2 × 960 mg/dfüMOd*

EHEC = Enterohämorrhagi-sche E. coli 3–5 d; Rindfleisch, Rohmilch, Schmier-Inf. Wässrige, später blutig-schleimige Diarrhoe Stuhl; Toxin-nachweis mit EIA oder PCR Von Antibiose wird abgeraten

Shigellen, selten 2–7 d; Schmierinf., Lebensmittel. Afrika, Asien Schleimig-blutige Diarrhoe, Tenesmen Stuhl, Kultur Co-trimoxazol** 2 × 960 mg/d für 5 d; Ciprofloxacin*** 2 × 500 mg/d für 5 d

Vibrio cholerae, Vibrio eltor (in Europa sehr selten) 16–72 h; Trinkwasser Profuse, wässrige Diarrhoe Stuhl, Kultur Doxycyclin 2 × 100 mg/d für 5 d; Co-trimoxazol** 2 × 960 mg/d für 5 d*

Yersinia enterocolitica, häufig 2-7 d; ungeklärt Rezid. Bauchschmerzen, Fieber, Diarrhoe, Arthritis, Exantheme Stuhl, Blut: Kultur, Serologie Co-trimoxazol** 2 × 960 mg/d für 7 d; Ciprofloxacin*** 2 × 500 mg/d für 7 d

Virale Erreger

Rotaviren 1–3 d; Schmierinf., Sgl., Kleinkinder Akute Diarrhoe, Erbrechen, Fieber Stuhl, Anti-gen-EIA Symptomatisch

Adenoviren, Typen 40, 41 1–3 d; Schmierinf., Sgl., Kleinkinder Diarrhoe, Erbrechen, Fieber Stuhl, Anti-gen-EIA Symptomatisch

Norwalk-Viren 1–3 d; Schmierinf., Jugendliche und Erw.; Kleinepidemien Diarrhoe, (Erbrechen, Fieber) Stuhl, PCR Symptomatisch

Astro-Viren 1-4 d; Schmierinf. Diarrhoe, (Erbrechen, Fieber) Stuhl, Anti-gen-EIA, PCR Symptomatisch

Protozoen

Giardia lamblia, häufig 5–10 d; Trinkwasser Osteuropa, Nordamerika u. a. Rezid. wässrige, fieberfreie Diarrhoe, Dauer > 3 Wo. Stuhl; Anti-gen-EIA, Mikroskopie Tinidazol**** 1 × 2 g
*

bei unkompliziertem Verlauf nur symptomatische Ther.

**

z. B. Bactrim®

***

z. B. Ciprobay®

****

z. B. Simplotan® (Inline graphic8.1.8). Angaben zur Meldepflicht Inline graphic9.11.

Tab. 9.10.

Schema der Hepatitis-A-Immunprophylaxe fü Reisende (Virushepatitiden Inline graphic8.7.1)

Grundimmunisierung 1. Impfung an Tag 2. Impfung 3. Impfung
≥ 4 Wo. Zeit

  • HA-Monovakzine

0 6-12 Mon. -

  • Kombinationsimpfung HA/HB

0 4-6 Wo. 6-12 Mon.

3 Wo. Zeit

HA-Monovakzine 0 6-12 Mon.

⩽ 3 Wo. Zeit, mit Kontakt zu HA-Erkrankten oder bei Verzehr HAV-kontaminierter Speisen Nur Immunglobulin an Tag 0 (Schutz 3 Mon.) oder Immunglobulin + Impfung an Tag 0 6-12 Mon.

Leishmaniose (Kala-Azar) Inline graphic 9.6.3, Tab. 9.24 ; Pest Inline graphic 9.3.11, Tab. 9.20.

Tab. 9.24.

Protozoeninfektionen

Krankheit, Erreger Vorkommen; Übertragung; IKZ Krankheitsbild Nachweis
Amöbenruhr, Ent-amoeba histolytica Tropische/subtropische Länder; Trinkwasser, Lebensmittel; 4 d–4 Mon. Abdominalschmerzen, blutig-schleimiger Stuhl. KO: Leberabszess Aus Stuhl Antigen-nachweis oder mikroskopisch

Kryptosporidien (Inline graphic9.9.5) Ubiquitär; Zoonose, Schmierinf.; 3–12 d, sehr häufige Durchfallerreger Akute Gastroenteritis. Bei AIDS profuse wässrige Durchfälle Mikroskopisch oder Antigennachweis aus Stuhl

Isospora belli Ubiquitär; Schmierinf.; 3–12 d Bei AIDS profuse wässrige Durchfälle Mikroskopisch aus Stuhlproben

Haut-Leishmaniose, L. tropica Mittelmeerraum, Naher Osten, Nordafrika; Stechfliegen; 2–6 Wo. Schlecht heilende Haut-ulzera Tupfpräparate aus Ulzera, Färbung nach Giemsa

Schleimhaut-Leish-maniose, L. brasiliensis Süd- und Mittelamerika; Stechfliegen; 10 d-6 Mon. Haut- und Schleimhaut-ulzera; Destruktion des Gesichtsschädels

Viszerale Leish-maniose, L. donovani Naher Osten, Indien, Mittelmeerraum; Stechfliegen; 10 d–12 Mon. Schleichende, fieberhafte Erkr., Hepatosplenomegalie Mikroskopisch aus Milz-, Leber-, Lk-, KM-Punktaten. Serologie

Chagas-Krankheit, Trypanosoma cruzi Mittel- und Südamerika; Zoonose, Wanzen; 10–20 d
  • Akutes Stadium: Fieber, Lk-Schwellung, Gesichtsödeme

  • Chron. Stadium: Megaorgane, Herzinsuff.

  • Akutes Stadium: Err. im Blut, ggf. nach Anreicherung

  • Chron. Stadium: Serologie, Biopsien.

Schlafkrankheit, Trypanosoma brucei gambiense, T. brucei rhodesiense
  • Tropisches Afrika; Tse-Tse-Fliege

  • Stadium 1: 1–3 Wo., Stadium 2: 4 Wo.–12 Mon.

  • An Einstichstellen Primäraffekt (Ulkus)

  • Stadium 1: Fieber, general. Lk-Schwellung. Stadium 2: Neurol. Ausfälle, Schläfrigkeit

Serologie. Err.-Nachweis aus Primäraffekt, Blut, Lk-Punktaten, Liquor

Angaben zur Meldepflicht Inline graphic9.11

Unkomplizierte Reisediarrhoe

Inline graphic Betrifft 20–50% aller Fernreisenden.

Erreger

65% bakt. (meist pathogene E.-coli-Stämme), 30% viral, 5% Protozoen.

Klinik

Flüssiger oder wässriger Stuhl, häufig abdom. Krämpfe, Übelkeit, Blähungen; plötzlicher Beginn, milder bis mittelschwerer Verlauf über durchschnittlich 3–4 d; in 10% > 1 Wo.

Therapie

  • Flüssigkeitssubstitution: Orale Rehydratationssalze (z. B. Elotrans®-Pulver); in den Apotheken tropischer Länder ist „oral rehydration salts” (ORS) verfügbar, dieses im angegebenen Volumen abgekochtem Wasser auflösen; auch für Diabetiker geeignet.

  • Gezuckerten Tee trinken, Salzgebäck essen („Cola und Salzstangen”).

  • Bes. durch Exsikkose gefährdet: Kleinkinder und Säuglinge.

  • Reduktion der Stuhlfrequenz durch Motilitätshemmer.
    • Loperamid, z. B. Imodium®: Ab 14 J. 4 mg initial, dann 2 mg nach jedem wässrigen Stuhlgang, max. 16 mg tägl.; Kinder 8–13 J. 2 mg initial, dann 2 mg nach jedem wässrigen Stuhlgang, max. 8 mg tägl.; bei Kindern < 8 J. Imodium®-N Lösung verwenden.
    • Ethacridinlactat 8, z. B. Metifex® 200 mg Drg.: Ab 14. Lj. am 1. und 2. Krankheitstagjeweils 3 × 1 Drg. nach dem Essen, ab dem 3. Krankheitstag 2 × 1 Drg.; in schweren Fällen 3 × 1 Drg. über mehrere Tage; vom 10.-13. Lj.: Tägl. 2 × 1 Drg.

Prophylaxe

Strikte Einhaltung der allg. Verhaltensregeln, bes. Kost und persönliche Hygiene (Inline graphic 9.10.6). Keine Impfung möglich!

Komplizierte Reisediarrhoe

Klinik

Fieber > 3 d und evtl. Blut im Stuhl. Cave: Malaria.

Therapie

  • Flüssigkeitssubstitution und Antibiotikum, z. B. Ciprofloxacin: 2 × 500 mg/d für 3 Tage.

  • Bei Fieber oder blutigem Stuhl möglichst auf Motilitätshemmer verzichten.

  • Keine Besserung bei Fieber oder blutigem Stuhl nach 2 d → Arzt aufsuchen.

  • Keine Besserung bei wässriger Diarrhoe nach 3 d → V. a. Lambliasis (häufiger Durchfallerreger in warmen Ländern) → Einmaldosis Tinidazol 2 g, z. B; Simplotan®.

Prophylaxe

Wie bei unkomplizierter Reisediarrhoe.

Tab. 9.47.

Tropenvirosen und andere fieberhafte Allgemeinerkrankungen

Krankheit/Erreger Vektor Vorkommen
Schweres hämorrhagisches Fieber mit Exanthem durch Arboviren

Dengue Mücken Afrika, Südostasien, Mittelamerika

Gelbfieber Mücken Afrika, Süd- und Zentralafrika

Chikungunya Mücken Afrika, Südostasien

Rift-Valley Mücken Ostafrika, Niltal,

Krim-Kongo Mücken, Zecken! Zentralafrika, Bulgarien, Südrussland

Marburg-Virus Mücken Zentralafrika

Ebola-Virus Mücken Zentralafrika

Krankheit/Erreger Vektor Vorkommen

Hämorrhagisches Fieber (HF)

Leptospirose Nagetiere (Urin) Zentraleuropa bzw. weltweit

Hanta-Virus-Inf. Nagetiere (Urin) Typ Hantaan: China, Korea

Lassa-Fieber Nagetiere (Urin) West- und Zentralafrika

Argentinisches HF (mit neurologischen Ausfällen!) Nagetiere (Urin) Argentinien

Bolivianisches HF (mit neurologischen Ausfällen!) Nagetiere (Urin) Anden

Venezuelanisches HF (mit neurologischen Ausfällen!) Nagetiere (Urin) Venezuela

Muskel- und Gelenkschmerzen, mit/ohne Exanthem

Dengue Mücken Afrika, Südostasien, Mittelamerika

Chikungunya Mücken Afrika, franz. Insel Réunion, Südostasien. Leitsymptom: Qualvolle, ca. 1 Wo. andauernde Muskel- und Gelenkschmerzen

O'nyong-nyong Mücken Uganda, Zaire, Kenia

Ross-River-Fieber (epidemische Polyarthritis) Mücken Pazifik, Australien (relativ häufig)

Sandmückenfieber Mücken Mittelmeerraum, Mittlerer Osten, Nordindien

Oroya-Fieber (hämolytische Anämie) Mücken Peru und angrenzende Andenstaaten

Meningitis/Enzephalitis durch Arboviren

FSME Zecken Zentraleuropa, Eurasien, Sibirien, China

Gelbfieber Mücken Norden Südamerikas, Zentralafrika

Japan-Enzephalitis Mücken Südostasien

West-Nil Mücken Afrika, Mittlerer Osten

Pferdeenzephalitis Mücken Nord- und Südamerika

St.-Louis-Enzephalitis Mücken Nordamerika, Karibik

La Crosse Mücken Nordamerika

Murray-Valley-E. Mücken Australien

Flecktyphusartige Erkrankungen

Klassisches Fleckfieber Kleiderlaus Weltweit

Rocky Mountain spotted fever Zecken Nord- und Südamerika

Murines Fleckfieber Rattenfloh Südostasien, Australien, Mittelamerika

Fievre boutonneuse Zecken Südfrankreich, Mittelmeerraum, Afrika, Indien, China

Tsutsugamushi-Fieber Stechmilben Japan, Südkorea, Südchina, Taiwan, Südostasien, Indien, Indonesien, Nordaustralien

9.10.9. Screening nach Reiseende

Indikationen

Ein Screening des zurückgekehrten Reisenden mit exakter Reiseanamnese (Route, Reisemittel, Charakter der Reise, Dauer u. a.) ist nach längerem Tropenaufenthalt unter schwierigen Bedingungen angezeigt, z. B. nach Arbeitsaufenthalten oder Abenteuerreisen (auch wenn der Rückkehrende symptomlos ist) und immer, wenn eines oder mehrere der folgenden Symptome auftritt:

  • Unklares Fieber, „Erkältungsgefühl”.

  • Ikterus.

  • Diarrhoe (v. a. bei schleimig-blutigem Stuhl).

  • Lymphadenopathie.

  • Schmerzen beim Wasserlassen/Blut im Urin, genitale Affektionen (Schmerzen, Pruritus, Ulzerationen).

  • Pruritus und Dermatopathien.

  • Parästhesien.

Cave: Immer auch an das Versagen der Malaria-Prophylaxe denken. Frühzeitig Kontakt mit Tropenmediziner aufnehmen (Inline graphic 35.1.2).

Diagnostik

  • BSG.

  • Diff.-BB: Auf Eosinophilie achten: Hinweis für Helminthiasis.

  • Leberfunktionsparameter.

  • Serol. Tests zum Nachweis von Ak gegen Viren, Bakterien, Protozoen, Helminthen bei konkretem Verdacht oder unklaren Beschwerden. Je nach Ergebnis: Facharztüberweisung zum Internisten oder an eine tropenmedizinische Klinik; Adressen Inline graphic 35.1.2.

  • Bei V. a. Malaria Pat. zur Blutabnahme in geeignetes Labor schicken, wo ausreichende Erfahrung in Anfertigung und Auswertung z. B. eines „Dicken Tropfens” besteht; vorher telefonisch Rücksprache nehmen; bei entsprechender Klinik immer sofort Klinikeinweisung.

    Tab. 9.48.

    Leitsymptome der häufigsten „Importkrankheiten”
    Beginn Fieber GIT-Symptome Hautsymptome Pulmonale Symptome
    Wenige Tage nach Rückkehr Malaria, Arbovirosen (Dengue, Gelbfieber), Rickettsiosen, enteropa-thogene Darmbakteriosen Virale und bakt. Inf. (u. a. Cholera) Larva migrans cutanea, kutane Myiasen, Ektopa-rasiten Virale und bakt. Inf.
    Einige Wo. nach Rückkehr* Malaria, Hepatitis, Abdominaltyphus, Rickettsio-sen, akute Bilharziose, invasive Amöbose, Leish-maniosen Giardiose (Lamblia-sis), intestinale Amöbose, Darmhelminthen Strongyloidose Askaridose, Strongyloidose, Toxokarose
    Mon. (J.) n. Rückkehr Malaria, Filariosen** viszerale Leishmaniose Intestinale Amöbose, Darmhelminthen Kutane Leishmaniosen, Lepra**, Filariosen**
    *
    Nach Langzeitaufenthalten entsprechend früher
    **
    Fast nur bei Reisenden nach beruflicher Exposition/nach Langzeitaufenthalten

Inline graphic Plasmodiensuche auch im EDTA-Blut möglich.

Abklärung einer Bluteosinophilie nach Tropenaufenthalten

  • Stuhluntersuchung auf Helminthenlarven zum Ausschluss einer Strongylose, ggf. Serologie.

  • Gewebshelminthen-Suchtest (wenn 2 der 3 Hauptind. zutreffen).

Indikationen zum serologischen Suchtest

  • Bluteosinophilie (Wurmerkr. mit Gewebestadien): 15% aller Tropenrückkehrer (Anteil höher bei Langzeitaufenthalten); neg. Erregernachweis bei 65% der Tropenrückkehrer.

  • Expositionsverdacht: Infektionswege.
    • Per os: Nahrung, Schmutzinf., Tierkontakte, Trinkwasser.
    • Perkutan: Insektenstiche, Süßwasser, Boden.
  • Unspezifischer klinischer Befund.
    • Fieber: Schistosoma (Katayama-Sy., Filarien, Trichinella, Toxocara).
    • GIT-Beschwerden: Schistosoma, Strongyloides, Toxocara.
    • Hautsymptomatik: Strongyloides, Loa, Onchocerca (Toxocara).
    • Lungensymptomatik: Schistosoma, Paragonimus, Strongyloides, Toxocara (Ascaris).
  • Serum-IgE-Spiegel > 1000 IU/ml.

9.11. Infektionsschutzgesetz

Das Gesetz zur Bekämpfung und Verhütung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz, IfSG) regelt Aufgaben und Koordinierung der zuständigen Gesundheitsbehörden, Meldewesen, Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten (Schutzimpfungen, Gemeinschaftseinrichtungen, Lebensmittelhygiene, Wasserhygiene), Tätigkeit mit Krankheitserregern, Entschädigung bei Impfschaden, Tätigkeitsverbot, Bußgeld- und Strafbestimmungen.

Außerdem meldepflichtig (Gefahr für die Allgemeinheit) sind a) das Auftreten einer bedrohlichen Krankheit oder von mindestens zwei gleichartigen bedrohlichen unbekannten Erkrankungen mit wahrscheinlich epidemischem Zusammenhang (namentlich); b) gehäuftes Auftreten nosokomialer Infektionen mit wahrscheinlich epidemischem Zusammenhang (nicht namentlich); c) Verdacht einer außergewöhnlichen Impfreaktion oder eines Impfschadens.

Infos zu Meldeformularen u. a. www.rki.de oder www.gesundheitsamt.de.

Zur Meldung verpflichtete Personen

  • Der feststellende Arzt, bei stationären Einrichtungen der leitende Arzt, Leiter von Heimen oder Lagern bei den in Tab. 9.49, Tab. 9.50 genannten Erkr.

  • Der Leiter einer pathologisch-anatomischen Diagn., wenn ein Befund erhoben wird, der mit hoher Wahrscheinlichkeit auf eine Erkr. oder einen Krankheitserreger aus Tab. 9.49, Tab. 9.50 hinweist.

  • Der Leiter des diagn. Labors bei Krankheitserregern aus Tab. 9.49, Tab. 9.50.

Tab. 9.49.

Namentliche Meldung von Infektionskrankheiten nach § 6/7 IfSG an das zuständige Gesundheitsamt

V E T A Krankheit V E T A Krankheit
Angeborene + + Listeriose

+ +
  • Cytomegalie

+ + + Masern

+ +
  • Listeriose

Meningitis/Enzephalitis

+ +
  • Lues

+ + +
  • Meningokokken-Mening. o. -Sepsis


+ +
  • Toxoplasmose

+ +
  • andere bakt. Meningitiden


+ +
  • Rötelnembryopathie

+ +
  • Virusmeningoenzephalitiden


+ +
  • Varizellen

+ +
  • übrige Formen


+ + Borreliose + + + Milzbrand

+ + + Botulismus + + Mumps

+ + Brucellose + + Ornithose

+ + + + Cholera + + + + Paratyphus A, B und C

+ + + + Diphtherie + + Pertussis

Enteritis infectiosa durch + + + Pest

* + +
  • Adenoviren

+ + + Poliomyelitis

* + +
  • Astroviren

+ + Q-Fieber

* + + +
  • Campylobacter

+ + Röteln

* + +
  • Coronaviren

+ + Rotz

* + + +
  • Cryptosporidium par-vum

+ + Rückfallfieber

* + + +
  • Entamoebia histolytica

+ + + SARS

* + + +
  • Escherichia coli (alle Formen)

+ + Scharlach

* + + +
  • Giardia lamblia

* + + Shigellenruhr

* + + +
  • Norwalk-like-Virus

+ + Tetanus

* + + +
  • Rotaviren

+ + Toxisches Schocksyndrom (TSS)

* + + +
  • Salmonella

+ + + Tollwut

* + + +
  • Yersinia enterocolitica

+ + Trachom

* + +
  • übrige Formen, einschließlich mikrobiell bedingter Lebensmittelvergiftung

+ + Trichinose

+ + + + HUS: Enterohepatisches hämolytisches urämisches Syndrom + + TBC (behandlungsbedürftig zu-sätzl. Therapieverweigerer o. Therapieabbruch)

+ + Fleckfieber + + Tularämie

+ + Gasbrand/Gasödem + + + + Typhus abdominalis

+ + Gelbfieber + + + Virusbed. hämorrhag. Fieber

+ + + Humane spongiforme En-zephalopathie Virushepatitis

+ + Influenza (Virusgrippe) + + + +
  • Hepatitis B und C


+ + Legionellose + + +
  • übrige Formen


+ + Lepra + + + Vogelgrippe

+ + Leptospirose + Übrige Infektionskrankheiten

V: Verdacht; E: Erkrankung; T: Tod; A: Ausscheider; +: Meldepflicht, *: Verdacht meldepflichtig bei Personen im Lebensmittelbereich (§ 42 IfSG) oder wenn zwei oder mehrere gleichartige Erkrankungen in epidemiologischem Zusammenhang auftreten.

Tab. 9.50.

Nicht-namentliche Meldung von Infektionskrankheiten nach § 6/7 IfSG an das zuständige Gesundheitsamt

V E T A Krankheit
+ + Echinokokkose

+ + HIV

+ + Lues (Syphilis)

+ + Malaria

+ + Röteln (nur konnatal)

+ + Toxoplasmose (nur konnatal)

V: Verdacht; E: Erkrankung; T: Tod; A: Ausscheider; +: Meldepflicht

Meldung wann und wohin?

Die namentliche Meldung muss unverzüglich, spätestens innerhalb von 24 h an das für den aktuellen Aufenthaltsort des Betroffenen zuständige Gesundheitsamt (GA), bei Meldung durch diagnostische Institute an das für den Einsender zuständige GA erfolgen. Eine Meldung darf wegen einzelner fehlender Angaben nicht verzögert werden, ggf. Nachmeldung. Liegt die Hauptwohnung oder der normale Aufenthaltsort der betroffenen Person im Bereich eines anderen GA, benachrichtigt das unterrichtete GA das für den normalen Aufenthaltsort des Betroffenen zuständige GA. Nicht-namentliche Meldung innerhalb von 2 Wo. an das Robert-Koch-Institut auf einem speziellen Formblatt.

Quarantäneerkrankungen

Lungenpest, virales hämorrhagisches Fieber.

Besuchsverbot von Gemeinschaftseinrichtungen (Schulen, Heimen u. a.) bei Erkrankung an oder Verdacht auf

(A = Regelung für Ausscheider: Besuch von Gemeinschaftseinrichtungen nach Rücksprache mit dem Gesundheitsamt möglich): Cholera (A); Diphtherie (A); EHEC-Enteritis; virales hämorrhagisches Fieber (A); Haem. infl.; Typ b-Meningitis; Impetigo contagiosa; Keuchhusten; ansteckungsfähige Lungentuberkulose; Lausbefall; Masern; Meningokokken-Inf.; Mumps; Paratyphus (A); Pest; Polio; Scabies (Krätze); Scharlach oder sonst. A-Streptok.-Inf.; Shigellose; Typhus abdominalis (A); Virushepatitis A oder E; Windpocken.

Tätigkeitsverbot im Lebensmittelbereich

  • Erkr. an oder V. a.: Typhus abdominalis; Paratyphus; Cholera; Shigellenruhr; Salmonellose, einer anderen infektiösen Gastroenteritis; Virushepatitis A oder E.

  • Infizierte Wunden oder Hautkrankheiten, bei denen die Möglichkeit einer Übertragung der Krankheitserreger über Lebensmittel besteht.

  • Ausscheider von: Choleravibrionen, EHEC, Salmonellen, Shigellen.

Internet

Articles from Praxisleitfaden Allgemeinmedizin are provided here courtesy of Elsevier

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