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. 2020 Jun 25;162(12):36–42. [Article in German] doi: 10.1007/s15006-020-0614-5

Die Leichenschau — ein aktueller Überblick

Rechtsmedizin

The post-mortem examination — current issues

Stefan Sommer 1,, Oliver Peschel 2
PMCID: PMC7309697  PMID: 32578093

Abstract

Bei der Leichenschau gibt es vieles zu beachten, von der richtigen Beleuchtung bis zum Umgang mit Verstorbenen, bei denen COVID-19 diagnostiziert wurde oder der Verdacht auf eine Infektion besteht. Der nachfolgende Beitrag bringt Sie auf den aktuellen Stand und gibt zahlreiche praktische Tipps.


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Die Leichenschau ist eine wichtige ärztliche Aufgabe. Sie dient persönlichkeits-, straf- und zivilrechtlichen, sozialen sowie gesundheitspolitischen Zielen. Sinn der Leichenschau ist daher insbesondere die sichere Feststellung des Todes, die Verhinderung der Ausbreitung von Infektionskrankheiten und das Erkennen einer nicht natürlichen Todesart und damit u. a. eines möglichen Fremdverschuldens. Nach einer Untersuchung von Brinkmann et al. ist davon auszugehen, dass pro Jahr 1.200 bis 2.400 Tötungsdelikte übersehen werden, 11.000 bis 22.000 nichtnatürliche Todesfälle wie Unfälle oder Suizide unerkannt bleiben [2].

2.400 Bis zu 2.400 Tötungsdelikte werden pro Jahr übersehen.

Die bei der Leichenschau gewonnenen Daten sind Grundlage der Todessursachenstatistik, die wiederum die Basis für gesundheitspolitische Entscheidungen darstellt. Die Vorschriften zu deren Durchführung sind in den jeweiligen Bestattungsgesetzen niedergelegt und variieren von Bundesland zu Bundesland. Bei Fehlern bei der Leichenschau oder im Zusammenhang mit dem Ausfüllen von Todesbescheinigungen kann der leichenschauende Arzt eine Ordnungswidrigkeit (OWi) begehen und mit einer Geldbuße belegt werden [3]. Wird nicht besseren Wissens ein natürlicher Tod bescheinigt, obwohl eine ungeklärte oder nicht natürliche Todesart zu attestieren gewesen wäre, kann dies rechtlich auch als versuchte Strafvereitelung (§258 StGB) verfolgt werden. Den folgenden Ausführungen liegt die bayerische Gesetzgebung zugrunde.

Definition des Leichnams

Unter einer menschlichen Leiche versteht man den Körper eines Verstorbenen, solange der Gewebsverbund noch nicht durch Fäulnis aufgehoben wurde sowie jedes im Rahmen der Geburt verstorbene Kind, unabhängig vom Geburtsgewicht, bei dem während des Geburtsvorgangs mindestens ein Lebenszeichen (Herzschlag, natürliche Lungenatmung, Pulsieren der Nabelschnur) vorhanden gewesen ist. Fehlen diese Zeichen, kommt es auf das Gewicht an: Beträgt dieses > 500 g, liegt eine Totgeburt vor und wird rechtlich ebenfalls als Leichnam verstanden, während man bei einem Geburtsgewicht < 500 g von einer Fehlgeburt spricht, welche keine gesonderte Leichenschau erfordert [4].

Der die Leichenschau durchführende Arzt ist verpflichtet, folgende Informationen zu erheben und auf dem Totenschein zu vermerken:

  • Identifikation des Leichnams

  • Feststellung des Todes

  • Zeitpunkt des Todes, ggf. Auffindezeitpunkt des Leichnams

  • Todesart

  • Todesursache.

Wer veranlasst die Leichenschau und wer führt sie durch?

Im eingetretenen Todesfall haben zunächst die nächsten Angehörigen des Verstorbenen die Pflicht, einen Leichenschauer zu verständigen. In Krankenhäusern sollte dieser vom diensthabenden Personal verständigt werden. Zur Leichenschau ist jeder niedergelassene Arzt im Kreis der Niederlassung sowie jeder Krankenhausarzt innerhalb seines Krankenhauses verpflichtet [5].

Die Leichenschau sollte so gewissenhaft und so genau wie jede Tätigkeit am lebenden Patienten erfolgen.

Um u. a. eine zeitnahe Abwicklung zu gewährleisten, haben sich in größeren Städten wie z. B. München Leichenschaudienste organisiert, die im Sterbefall oder bei Auffinden eines Leichnams hinzugerufen werden können [6]. Not(dienst)ärzte sind von der Verpflichtung zur Leichenschau entbunden [7], da dies zu einer längeren Bindung des Arztes am Einsatzort führen würde. Sie haben deshalb die Möglichkeit, eine vorläufige Todesbescheinigung auszustellen, in welcher lediglich der Tod attestiert wird (Entkoppelung von sicherer Todesfeststellung und vollständiger Leichenschau). In diesem Fall muss eine ausführliche Leichenschau zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden.

Ob für Ärzte, die im Rahmen des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes tätig sind, ebenfalls die Möglichkeit zur Ausstellung einer vorläufigen Todesbescheinigung besteht oder ob sie zur Leichenschau verpflichtet werden können, wird derzeit diskutiert.

Zeitpunkt der Leichenschau

In den landesrechtlichen Bestimmungen ist vorgeschrieben, dass die Leichenschau unverzüglich zu erfolgen hat und lediglich unaufschiebbaren Maßnahmen im Rahmen der Patientenversorgung der Vorrang gewährt werden darf. Grund für diese Dringlichkeit ist die Notwendigkeit der sicheren Todesfeststellung. Falls dieser nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann, weil sichere Todeszeichen fehlen, sind Indikation bzw. Kontraindikation für eine Reanimation zu prüfen.

Die Leichenschau sollte mit derselben Gewissenhaftigkeit und Genauigkeit erfolgen wie jede Tätigkeit am lebenden Patienten auch. Aufgabe des Leichenschauers ist zunächst die Identifikation des Toten. Diesbezüglich darf der Leichenschauer sich auch auf die Angaben Dritter verlassen (meistens der Angehörigen, Abgleich mit Ausweisdokumenten sinnvoll, aber nicht immer ganz unproblematisch). Diese sind ihrerseits gegenüber dem Leichenschauer zur Auskunft verpflichtet. Falls die Identität des Verstorbenen nicht eindeutig zu bestimmen ist, muss zeitnah die Polizei verständigt werden (Eintrag in die Todesbescheinigung z. B. „unbek. Mann“ oder „fragl. Nachname, Vorname“ etc.).

Des Weiteren muss sich der Arzt bei der Leichenschau Gewissheit über den Eintritt des Todes verschaffen. Hierfür muss mindestens ein sicheres Todeszeichen vorhanden sein (s. u.).

Die Feststellung des Todeseintritts anhand von sicheren Todeszeichen kann mitunter schwierig sein, da diese in der ersten Phase nach dem Herzstillstand (20–30 min) noch fehlen können und somit der vermeintliche Todeseintritt mit einer sogenannten Vita minima (Scheintod) verwechselt werden kann. Unter einer Vita minima wird die Reduzierung der Vitalfunktionen auf sehr niedriges (minimales!) Niveau verstanden, sodass diese nur noch mit Spezialuntersuchungsmethoden wie EEG oder EKG erfasst werden können (aber: ein Nulllinien-EKG allein ist kein sicheres Todeszeichen und damit für die Todesfeststellung nicht ausreichend).

Bestimmung der Todeszeit

Da die Todeszeit u. U. weitreichende zivilrechtliche Folgen z. B. hinsichtlich Erbfolge etc. haben kann, darf diese nie spekulativ bestimmt werden [8]. Wurde der Todeseintritt nicht selbst beobachtet oder kann dieser bei einer Reanimation nicht plausibel eingegrenzt werden, darf sich der Leichenschauer auch hier auf die Angaben von Angehörigen bzw. Zeugen verlassen (sog. Auskunftsrecht).

Das Standesamt verlangt einen exakten Todeszeitpunkt oder exakt umrissenen Todeszeitraum.

Das Standesamt verlangt zur Beurkundung eines Todesfalles einen exakten Todeszeitpunkt oder exakt umrissenen Todeszeitraum („Zuletzt lebend gesehen — tot aufgefunden“). Nur wenn eine nicht-natürliche oder ungeklärte Todesart bescheinigt wurde, kann sich der Leichenschauer auf den Auffindungszeitpunkt beschränken. Ggf. können neben Zeugenaussagen auch medizinische Dokumentationsbefunde (EKG und/oder Monitoring) sowie kriminalistische Ermittlungsergebnisse (z. B. letztes Telefonat, Zeitungen im Briefkasten o. Ä.) herangezogen werden.

In der Praxis eignen sich die Bestimmung der Körperkerntemperatur, die Auslösbarkeit supravitaler Reaktionen sowie die frühen und späten Leichenerscheinungen für eine Eingrenzung des Todeszeitpunkts. Erstere sind Bestandteil spezieller rechtsmedizinischer Untersuchungen am Leichenfundort und gehören nicht zu den Untersuchungen, die üblicherweise im Rahmen einer Leichenschau gefordert werden. Hingegen sollten Leichenveränderungen im Zeitverlauf von jedem Arzt beurteilt werden können.

Praktische Durchführung der Leichenschau

Eine systematische Vorgehensweise ist bei der Leichenschau besonders wichtig, da nur so relevante Befunde nicht übersehen werden. Der Leichnam sollte (bis auf wenige Ausnahmen, s. u.) immer entkleidet werden, und es sollte eine Inspektion der Vorder- und Rückseite einschließlich aller Körperöffnungen sowie der behaarten Körperpartien erfolgen. Evtl. vorhandene Verbände oder Pflaster sollten entfernt werden.

Sobald sich allerdings Hinweise auf einen nicht-natürlichen Tod ergeben, ist von einer Entkleidung und jeglichen weiteren Manipulationen am Leichnam Abstand zu nehmen. Dies sollte dann begründet auf dem Totenschein vermerkt werden.

Vor einer genauen Untersuchung des Leichnams sollten dessen allgemeine Merkmale wie z. B. Narben oder Verletzungen registriert werden und es sollte auf eine gute Beleuchtung geachtet werden, um die Farbe und Lage der Totenflecken richtig interpretieren zu können [10].

Totenflecken

Totenflecken gehören zu den sicheren Todeszeichen. Sie sollten hinsichtlich ihrer Intensität, Lage und Abdrücke beurteilt werden. Spärliche Totenflecke könnten Anzeichen für einen größeren Blutverlust sein, während die Lage der Totenflecke Auskunft über die Körperposition gibt, in der sich der Körper nach dem Tod befunden hat (Abb. 1). Die Kraft, die erforderlich ist, um Totenflecken auf Fingerkuppen- oder Fingernageldruck zum Abblassen zu bringen, lässt grobe Rückschlüsse auf den Todeszeitpunkt zu. (Je mehr Kraft erforderlich ist, umso länger liegt der Todeseintritt zurück.)

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Die Farbe der Totenflecken kann auf Vergiftungen hinweisen: So haben Totenflecke bei einer CO-Vergiftung anstelle der normalen blau-violetten Farbe eine kräftige, kirschrote Farbgebung; bei Cyanid-Intoxikationen kommt es häufig zu einer gräulich-braunen Einfärbung [11]. Gegenstände, auf denen der Leichnam liegt, können sich in den Totenflecken abdrücken und Hinweise auf die Lage während des frühen postmortalen Intervalls oder mögliche Lageveränderungen des Leichnams geben. Tab. 1 zeigt die zeitliche Entwicklung der Totenflecke.

ca. 15–30 min post mortem (p. m.) Beginn
ca. 1–2 Stunden p. m. Konfluktion
ca. 6–8 Stunden p. m. volle Ausbildung
bis ca. 20 Stunden p. m. vollständig auf Daumendruck wegdrückbar
bis ca. 36 Stunden p. m. unvollständig auf scharfkantigen Druck wegdrückbar
bis ca. 6 Stunden p. m. vollständige Umlagerbarkeit

* Orientierende Angaben, individuell und je nach Aufndungssituation sehr variabel

Totenstarre

Die Totenstarre (Abb. 2) als weiteres sicheres Todeszeichen (durch ATP-Mangel-bedingte, erst durch Autolyseprozesse später zu lösende Bindung der Actin-Filamente an Myosin) tritt häufig gemäß der Nysten-Regel auf [12]: Demnach beginnt sie im Kiefergelenk, zieht dann über die Schultern bzw. oberen Extremitäten zum Becken und schließlich weiter zu den unteren Extremitäten. Eine Lösung findet in derselben Reihenfolge statt. Es gibt jedoch zahlreiche Ausnahmen. Auch dürfen eine evtl. bestehende Kältestarre der Muskulatur oder Muskelverkürzungen/-verhärtungen (z. B. durch Hitze) oder vorbestehende Versteifungen von Gelenken nicht vom Leichenschauer als Totenstarre fehlinterpretiert werden (daher immer Prüfung an mehreren Gelenken).

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Die ablaufenden Fäulnisprozesse beeinträchtigen die äußere Befunderhebung und überdecken evtl. vorhandene Spuren auf äußere Gewalteinwirkung.

Großen Einfluss auf die Totenstarre hat die Muskeltätigkeit unmittelbar vor dem Todeseintritt. Eine starke Anstrengung (z. B. Sport oder Krampfanfall) führt zu einem erhöhten Verbrauch von ATP und deswegen zu einem früheren Eintritt der Totenstarre. Im Gegensatz dazu stellt sie sich bei geringer Muskelarbeit (z. B. infolge längerer Bettlägerigkeit) erst deutlich verzögert ein. Eintreten und Ablauf der Totenstarre sind stark temperaturabhängig (je höher die Temperatur der Leiche bzw. der Umgebung, umso schneller der Ablauf). Tab. 2 zeigt eine Übersicht über das zeitliche Auftreten der Totenstarre.

ca. 2–4 Stunden p. m. Beginn der Ausprägung
ca. 6–8 Stunden p. m. vollständige Ausprägung
ca. 8 Stunden p. m. Wiedereintritt nach Brechen
ca. 2–4 Tage p. m. Lösung (stark temperaturabhängig)

* Orientierende Angaben, individuell und je nach Aufndungssituation sehr variabel

Fäulnis

Fäulnis gilt ebenfalls als sicheres Todeszeichen. Zu Beginn des Fäulnisprozesses kommt es zur Ablösung der Oberhaut, häufig in Verbindung mit Blasenbildung sowie Flüssigkeitsaustritt aus Mund und Nase. Im weiteren Verlauf kann es zu einer Gasdunsung im Bereich des Gesichts, der Brüste, des Skrotums und des Abdomens kommen, die eine Identifizierung des Leichnams erschweren kann [13].

Gemäß der Casper`schen Regel sind Fäulnisveränderungen bei konstanter Umgebungstemperatur in einer Woche an der Luft vergleichbar mit 2 Wochen im Wasser bzw. 8 Wochen im Erdgrab [14]. Fäulnisveränderungen können durch Umwelteinflüsse beschleunigt oder verlangsamt werden. So treten sie bei wärmeren Temperaturen schneller und bei kälteren langsamer auf. Sobald Fäulnis zu erkennen ist, wird es für den Leichenschauer zunehmend schwieriger, einen natürlichen Tod zu bescheinigen.

Auffindesituation der Leiche

Die Situation am Leichenfundort, dessen Umfeld sowie die Lage, in der der Leichnam aufgefunden wurde, ist zu dokumentieren. Es gilt Hinweise zu vermerken, die z. B. auf einen Suizid (Abschiedsbrief), Kampfspuren oder eine chronische Erkrankung (Medikamente, Medikationsplan) schließen lassen. Eine fotografische Dokumentation der Auffindesituation und von auffälligen Befunden am Leichnam kann hilfreich sein.

Der Leichenschauer sollte Informationen zur Krankheitsgeschichte von Angehörigen oder Pflegepersonen erfragen und prüfen, ob diese mit der Auffindesituation in Einklang zu bringen sind. Auskünfte von dritten Personen sind dabei kritisch zu hinterfragen. Falls notwendige Unterlagen für die Einschätzung der Todesumstände nicht vorliegen, kann der vorbehandelnde Hausarzt kontaktiert werden, um Informationen zur medizinischen Vorgeschichte zu bekommen. Dieser sowie alle anderen vorbehandelnden Ärzte ist/sind gesetzlich verpflichtet, dem Leichenschauer Auskunft zu geben bzw. Einsicht in die Krankenunterlagen zu gewährleisten (sog. Auskunftsrecht).

Sobald sich Hinweise auf eine nicht-natürliche oder eine ungeklärte Todesart ergeben oder die Identität des Leichnams nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann, ist der Leichenschauarzt verpflichtet, die Polizei zu informieren.

Besteht der Verdacht, dass der Verstorbene an einer übertragbaren Krankheit gelitten hat bzw. die Krankheit Todesursache sein könnte, ist der Leichenschauarzt gemäß § 9 Abs. 3 verpflichtet, dies unverzüglich, jedoch spätestens innerhalb von 24 Stunden dem Gesundheitsamt zu melden (aktuell bedeutend bei diagnostizierten oder Verdachtsfällen von COVID-19, ggf. mit Vermerk, dass Schutzmaßnahmen zu treffen sind).

Bei V. a. Tod aufgrund einer Berufskrankheit muss dies der Leichenschauarzt bei der zuständigen Berufsgenossenschaft melden.

Bei V.a. Tod durch eine COVID-19-Infektion müssen Sie dies unverzüglich an das Gesundheitsamt melden!

Die drei Todesart-Kategorien

  1. Natürlicher Tod: Er kann nur attestiert werden, wenn konkrete, dokumentierte Hinweise auf eine gravierende, lebensbedrohliche Krankheit vorliegen, die mit dem Tod unmittelbar in Verbindung gebracht werden kann und die den Todeseintritt zum gegenständlichen Zeitpunkt hat erwarten lassen. Beispiel für eine Kausalkette: Arteriosklerose (3. Stelle), Koronararteriensklerose (2. Stelle), Myokardinfarkt (1. Stelle). Der Todeseintritt muss sich zweifelsfrei aus den Informationen erklären lassen. Es dürfen in diesem Zusammenhang keinerlei Hinweise für nicht-natürliche Ereignisse zu finden sein.

  2. Nicht-natürlicher Tod: Wichtig für die Feststellung eines nicht-natürlichen Todes ist die Möglichkeit, dass der Tod durch eine externe Ursache herbeigeführt wurde. Dabei ist es für den ärztlichen Leichenschauer irrelevant, ob dies durch eigene, fremde Hand oder akzidentell erfolgte. Ein begründeter Verdacht genügt für diese Einstufung.

    Zu dieser Kategorie gehören Unfalltodesfälle, Tötungsdelikte oder Suizide ebenso wie Verdachtsfälle bzgl. eines ärztlichen oder pflegerischen Sorgfaltspflichtverstoßes. Allerdings sollten auch hier soweit möglich schlüssige Kausalketten vermerkt werden. Beispiel: Vor Jahren Verkehrsunfall mit apallischem Syndrom (3. Stelle), seitdem Bettlägerigkeit/Immobilisation (2. Stelle), jetzt Tod durch Pneumonie (1. Stelle).

    Wichtig ist, dass sich der leichenschauende Arzt besonders bei der Klassifikation der Todesart nicht von anderen Anwesenden unter Druck setzen lässt. Ebenso sollte er sich nicht durch Vermutungen oder vermeintlich kriminalistische Erkenntnisse (z. B. Schlüssel steckt in der von innen verschlossenen Wohnung) in seiner Entscheidung beeinflussen lassen.

  3. Ungeklärte Todesart: Wenn keine Anhaltspunkte für einen nicht-natürlichen Tod vorliegen, andererseits aber auch ein natürlicher Tod nicht sicher festzustellen ist, ist die unklare Todesart zu bescheinigen. Dies betrifft plötzliche, unvorhergesehene Todesfälle (z. B. der bislang gesunde 80-Jährige in der von innen verschlossenen Wohnung), Leichen mit Fäulnisveränderungen oder wenn die Krankengeschichte zum Zeitpunkt der Leichenschau nicht einsehbar ist. Um eine voreiligen Schuldzuweisung zu vermeiden, können Todesfälle im Krankenhaus, bei denen der Todeseintritt in Zusammenhang mit einem Grundleiden und operativen Eingriff gebracht werden kann, ebenfalls in diese Kategorie eingeordnet werden.

Todesursache

Unter der Todesursache versteht man die Krankheit, Verletzung oder Vergiftung, die den Tod unmittelbar verursacht hat. Wichtig ist, dass sich diese Ursache als schlüssige Kausalkette ergibt. Das entsprechende Grundleiden, das dann auch in die Todesursachenstatistik einfließt, sollte auf der Todesbescheinigung an 3. Stelle vermerkt werden (Eintrag unter „c [Grundleiden]“). Bei nicht-natürlichen Todesfällen sollten die Umstände des Todes genauer beschrieben werden, und ein Vermerk zur Ursache, z. B. der Verletzung oder Vergiftung, erfolgen.

Vergütung der ärztlichen Leichenschau.

Seit dem 1. 1. 2020 gelten neue Regelungen zur Abrechnung der Leichenschau:

GOÄ Ziffer 100: „Vorläufige Leichenschau“ inkl. Ausstellen des entsprechenden Formulars, Dauer mindestens 20 Minuten: 110,51 €;

GOÄ Ziffer 101: „eingehende Leichenschau“ inkl. Ausstellen des entsprechenden Formulars, Dauer mindestens 45 Minuten: 165,77 €;

zusätzlich berechnungsfähig sind Zuschläge für Uhrzeiten außerhalb der üblichen Praxiszeiten, Wegegeld und Wochenende/Feiertage sowie für unbekannte Leichen (Ziffer 102 GOÄ); wird der Zeitansatz unterschritten, ist nur 60% der Ziffer 100/101 berechnungsfähi g[15].

FAZIT FÜR DIE PRAXIS.

  1. Die Vorder- und Rückseite des Leichnams, die behaarten Körperpartien sowie alle Körperöffnungen sollten am vollständig entkleideten Leichnam unter guten Lichtverhältnissen inspiziert werden, so lange von einem natürlichen Tod ausgegangen wird.

  2. Sobald erkennbar wird, dass eine ungeklärte oder Anhaltspunkte für eine nicht-natürliche Todesart zu bescheinigen sind oder die Identität des Leichnams nicht festgestellt werden kann, sind sämtliche weiteren Manipulationen an der Leiche zu unterlassen, und die Polizei ist unverzüglich zu verständigen.

  3. Die Todesursache sollte, wenn möglich, als plausible Kausalkette dargestellt werden. (Die ausschließliche Angabe von Endzuständen wie z. B. „Herz-Kreislauf-Stillstand“ sollte vermieden werden.)

Literatur

  • 1.Madea B. Die ärztliche Leichenschau: Rechtsgrundlagen, praktische Durchführung, Problemlösungen. 2. Aufage. Berlin: Springer; 2006. p. 2. [Google Scholar]
  • 2.Gleich S, et al. Bundesgesundheitsblatt. 2019;62:1415–1421. doi: 10.1007/s00103-019-03042-5. [DOI] [PubMed] [Google Scholar]
  • 3.Gleich S, et al. Rechtsmedizin. 2019;2(2019):111. [Google Scholar]
  • 4.Madea B. Die ärztliche Leichenschau: Rechtsgrundlagen, praktische Durchführung, Problemlösungen. 2. Aufage. Berlin: Springer; 2006. p. 20. [Google Scholar]
  • 5.Penning R.: Rechtsmedizin systematisch. 2. Aufage. Uni-Med, Bremen S.38
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  • 8.Penning R.: Rechtsmedizin systematisch. 2.Aufage. Uni-Med, Bremen S. 39
  • 9.Madea B. Die ärztliche Leichenschau: Rechtsgrundlagen, praktische Durchführung, Problemlösungen. 2. Aufage. Berlin: Springer; 2006. p. 86. [Google Scholar]
  • 10.S1- Leitlinie 054-001 Regeln zur Durchführung der ärztlichen Leichenschau, aktueller Stand 10/2017, S.5
  • 11.Madea B.: Die ärztliche Leichenschau: Rechtsgrundlagen, praktische Durchführung, Problemlösungen. 2. Aufage. Springer, Berlin 2006, S. 80
  • 12.Penning R.: Rechtsmedizin systematisch. 2.Aufage. Uni-Med, Bremen,S. 28
  • 13.MMW. 2018.
  • 14.Penning R.: Rechtsmedizin systematisch. 2.Aufage. Uni-Med, Bremen, S. 30
  • 15.Merkblatt zur Abrechnung der ärztlichen Leichenschau nach der Gebührenordnung für Ärzte ( GOÄ), Stand 01/2020, S. 1-2

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