Abstract
Hintergrund
Der Nutzen von Smart Devices wie Handys und Smartwatches in der Kardiologie nimmt deutlich zu. Der gehäufte Einsatz wird vor allem auch von Patienten und der Industrie vorangetrieben.
Fragestellung
Welche Möglichkeiten bieten Smart Devices in der Kardiologie?
Material und Methode
Es wurde eine selektive Literaturrecherche durchgeführt. Naturwissenschaftliche und klinische Studien über die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten der technischen Mittel wurden interpretiert.
Ergebnisse
Der Besitz und Gebrauch von Smartphones in Deutschland ist im weltweiten Vergleich sehr hoch. Dies ermöglicht einen sehr breiten Einsatz dieser Technologie auch im medizinischen Bereich. Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig und reichen von der Nutzung als Nachschlagewerk über einen „clinical decision support“ bis hin zur Erfassung von Biosignalen. Gerade die Kombination aus Biosignalmessung und Weiterverarbeitung der Information durch künstliche Intelligenz (KI) ermöglicht eine deutliche Verbesserung der bisherigen Diagnosemethoden und erlaubt extrem genaue Vorhersagen verschiedener kardiovaskulärer Krankheitsverläufe.
Schlussfolgerung
Smart Devices werden in der Kardiologie zunehmend im klinischen Alltag genutzt. Aufgrund der technischen Möglichkeiten wird der Einsatz sehr wahrscheinlich weiter steigen und einige Bereiche der Kardiologie deutlich verändern.
Schlüsselwörter: Kardiologie, Smartphone, Smartwatch, Wearables, Künstliche Intelligenz
Abstract
Background
The use of smart devices such as smartphones and smartwatches in cardiology continues to significantly increase. The widespread use is also promoted by patients and the industry.
Objectives
The goal is to assess different opportunities of smart devices in cardiology.
Materials and methods
A selected review of the literature was carried out. Scientific and clinical studies regarding possible applications of these devices were evaluated.
Results
The use of smartphones in Germany is among the highest worldwide. This allows very broad use of this technology in general and in the medical field. There are various potential applications ranging from a reference source over clinical decision support to biosignal sensing. Particularly, the combination of biosignal collection and interpretation by artificial intelligence could lead to a significant improvement of our diagnostic methods and precisely predict the course of various cardiovascular diseases.
Conclusions
Smart devices are already increasingly used in daily clinical practice. Due to the numerous technical opportunities, the use of these devices will further spread and, most probably, will transform cardiology.
Keywords: Cardiology, Smartphone, Smartwatch, Wearables, Artificial intelligence
Der Bereich eHealth erfährt eine rasante Entwicklung, und digitale Konzepte werden im Medizinsektor und in der Kardiologie zunehmend umgesetzt. Gerade Smart Devices wie Smartphones und Smartwatches spielen im eHealth-Bereich eine große Rolle, da sie von einem Großteil der Bevölkerung genutzt werden und sehr viele Anwendungsmöglichkeiten in einem Gerät bündeln. Dies führt dazu, dass auch die Industrie und die Patienten selbst den Einsatz dieser Geräte vorantreiben. Auch die großen kardiologischen Fachgesellschaften gehen davon aus, dass mobile Devices inklusive der dazugehörigen Apps bei der Kommunikation von medizinischen Informationen, Entscheidungsprozessen im klinischen Alltag und telemedizinischen Erfassen von Biosignalen entscheidende Fortschritte erzielen werden. Der folgende Beitrag zeigt, was heute schon möglich ist und welche Anwendungsmöglichkeiten in naher Zukunft zu erwarten sind.
Apps der großen kardiologischen Fachgesellschaften
Die großen kardiologischen Fachgesellschaften wie die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK), die European Society of Cardiology (ESC) und die American Heart Association (AHA) bieten seit einigen Jahren eigene Apps an, die ursprünglich in erster Linie eine digitale Darstellung der jeweiligen Leitlinien auf den mobilen Geräten wie Smartphone oder Tablet zum Ziel hatten. Die dort hinterlegten Leitlinien, die im klinischen Alltag ein deutlich einfacheres und schnelleres Nachschlagewerk bieten als online hinterlegte PDFs oder gedruckte Pocketleitlinien, sind den meisten KardiologInnen bekannt. In letzter Zeit wurde in diesen Apps vor allem der Bereich mit speziellen interaktiven Anwendungen deutlich ausgebaut. Diese Tools bieten verschiedenste Möglichkeiten, den klinischen Alltag zu vereinfachen. Beispielsweise enthält die ESC Leitlinien-App Tools zu verschiedenen Risikokalkulatoren (z. B. Risiko für plötzlichen Herztod bei hypertropher Kardiomyopathie [HCM]), „clinical decision support“ (CDS; z. B. standardisiertes Vorgehen bei Statinintoleranz) sowie Übersichtslisten (z. B. Sicherheitsprofil kardiovaskulärer Medikamente bei Schwangeren). Noch existiert keine Evidenz zum Gebrauch der Leilinien-Apps und ob sich damit die medizinische Versorgung verbessern und Arbeitsabläufe effizienter gestalten lassen. Einige Studien im Bereich CDS sind allerdings schon verfügbar und werden im Folgenden diskutiert.
„Clinical decision support“
Aufgrund des zunehmenden Wissenszuwachses in der Medizin wird es für Ärzte immer schwerer, alle Informationen für bestimmte Fragestellungen im klinischen Alltag abrufen zu können und stets leitliniengerecht zu entscheiden. Helfen könnte hier ein CDS. Das sind strukturierte, meist digitale Systeme, die den klinischen Entscheidungsprozess mithilfe verschiedener Methoden wie Entscheidungsbäumen oder Frage-Antwort-Möglichkeiten unterstützen. Durch ein CDS kann nicht nur die Leitlinienadhärenz erhöht, sondern es können Kosten reduziert (Reduktion unnötiger oder wiederholter Untersuchungen, Wahl von kosteneffektiveren Behandlungen), der administrative Aufwand gesenkt (automatische DRG-Kodierung, automatisierte Dokumentation) und die Diagnostik verbessert (optimierte Empfehlung zu diagnostischen Untersuchungen, automatisierte Darstellungen diagnostischer Resultate) werden [25]. Prädestiniert für ein CDS sind Applikationen auf einem Klinikrechner oder auf einem Smartphone, welche passend zum jeweiligen medizinischen Problem direkt aufgerufen werden und den Arzt basierend auf den aktuellen Leitlinien durch den Entscheidungsprozess leiten. Der Nutzen eines solchen Vorgehens ist bereits in klinischen Studien belegt. Mithilfe von CDS-Systemen konnten beispielsweise CT-Untersuchungen bei Patienten mit Verdacht auf Lungenarterienembolien in der Notaufnahme um 20 % reduziert werden [22]. Zudem wurde die Rate an korrekt positiven CT-Befunden und die Leitlinienadhärenz in Bezug auf den Einsatz von CT signifikant erhöht [9]. Auch die Therapie von Herzinsuffizienzpatienten lässt sich durch einen automatisierten CDS verbessern. Ein solches System erkannte durch den automatischen Zugriff auf demographische Patienteninformationen sowie Echokardiographie- und EKG-Daten eine Verschlechterung der Herzinsuffizienz der teilnehmenden Patienten und informierte den betreuenden Arzt mit einer automatisch generierten Email über diese Veränderung. Dies führte zu einer signifikant häufigeren Überweisung des Patienten in ein Herzinsuffizienzzentrum und schließlich zu einer niedrigeren Gesamtmortalität [10]. Im Bereich kardiovaskuläre Risikofaktoreinstellung konnte durch den Einsatz eines computerbasierten CDS-Systems die Leitlinienadhärenz der behandelnden Ärzte zur Verschreibung der notwendigen Medikamente und letztlich Erreichen der Therapieziele (Blutdrucksenkung, Cholesterinreduktion und Blutzuckerkontrolle) signifikant verbessert werden [11].
CDS-Tools werden speziell in der Kardiologie auch zunehmend auf dem Smartphone angeboten. Ein Grundstock solcher Tools wird bereits in der DGK Leitlinien-App angeboten. An weiteren Tools zu anderen Krankheitsbildern/Entscheidungsprozessen, wie beispielsweise duale Plättchenhemmung oder Lipidtherapie, arbeitet die DGK bereits. Auch die ESC und ACC erweitern ihr Tool-Angebot stetig. Für Rhythmologie-Interessierte bietet der AppStore Anwendungen wie EP tools (Busy Being Born Solutions LLC) oder EP mobile (EP Studios, Inc.). Weniger ein CDS im klassischen Sinn bieten diese Apps verschiedene Funktionen wie QTc-Rechner, Nachschlagewerk für Brugada- oder ARVC-Kriterien (arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie), aber auch Entscheidungspfade zur Differenzierung einer Breitkomplextachykardie. Das Team der Interventionalisten des Mount Sinai Krankenhauses in New York hat eine ganze App-Sammlung erstellt. Entscheidungsprozesse zu Bifurkationsinterventionen, den Gebrauch der optischen Kohärenztomographie (OCT) oder der transseptalen Punktion werden hier unterstützt. Eine Auswahl an CDS-Tools ist in Tab. 1 dargestellt. Auch im Bereich Smartphone-basierter CDS-Systeme existieren erste erfolgversprechende Daten. Die TAVIApp (TAVI center of University Magna Graecia of Catanzaro) erhöhte signifikant die Übereinstimmung hinsichtlich der Therapieplanung (Indikationsstellung, Wahl des Verfahrens, Auswahl der Prothesengröße) bei Patienten mit hochgradiger Aortenklappenstenose unter kardiologischen Assistenzärzten [13]. Die gleiche Arbeitsgruppe konnte zeigen, dass kardiologische Assistenzärzte mithilfe einer CDS-App die gleiche Rate an korrekter Klassifizierung der ESC-Empfehlungen für einen implantierbaren Kardioverter-Defibrillator (ICD) oder eine kardiale Resynchronisationstherapie (CRT) wie erfahrene Elektrophysiologen erzielten [7]. Auch eine Verbesserung von Therapiezielen bei der Kontrolle von kardiovaskulären Risikofaktoren konnte durch eine Smartphone-basierte App mit Implementierung von leitliniengerechter Blutdrucksenkung und Blutzuckereinstellung erzielt werden [1].
| Bereich | App | Funktion |
|---|---|---|
| Allgemeine Kardiologie | DGK Pocket-Leitlinien | Nachschlagewerk für Leitlinien, Tools zu CDS und verschiedene Kalkulatoren |
| ESC Pocket Guidelines | Nachschlagewerk für Leitlinien, Tools zu CDS und verschiedene Kalkulatoren | |
| ACC Guideline Clinical App | Nachschlagewerk für Leitlinien, Tools zu CDS und verschiedene Kalkulatoren | |
| Rhythmologie | EP mobile (EP Studios, Inc., USA) | CDS zur Diagnose verschiedener Arrhythmien, Kalkulatoren, Risikoscores |
| EP tools (Busy Being Born Solutions LLC, USA) | CDS zur Diagnose verschiedener Arrhythmien, Kalkulatoren, Risikoscores | |
| ESC AF manager (European Society of Cardiology) | CDS zum leitliniengerechten Management von Vorhofflimmerpatienten (Möglichkeit der Verknüpfung mit der Patienten-App „myAF“ der ESC) | |
| Interventionelle Kardiologie | BifurcAID (Mount Sinai Hospital, USA) | CDS zu verschiedenen Interventionstechniken von Bifurkationsstenosen |
| OCTAID (Mount Sinai Hospital, USA) | Bildatlas verschiedener OCT-Befunde, OCT-Quiz, Kommunikation mit OCT-Experten | |
| TransseptAID (Mount Sinai Hospital, USA) | CDS zur transseptalen Punktion bei verschiedenen Interventionen, Materialkunde, Komplikationsmanagement | |
| CalcificAID (Mount Sinai Hospital, USA) | CDS zu verschiedenen Interventionstechniken bei verkalkten Läsionen | |
| TAVRcathAID (Mount Sinai Hospital, USA) | CDS zur Koronarangiographie bei implantierter Aortenklappenprothese | |
| Stent&Surgery (SICI-GISE, Italien) | CDS zur antithrombozytären Therapie nach Interventionen bei Patienten vor Operation |
CDS „clinical decision support“, OCT optische Kohärenztomographie
Für eine noch anwenderfreundlichere Nutzung sollten CDS-Systeme in Zukunft in die klinik- oder praxisinternen Krankenhausinformationssysteme integriert werden. Dadurch können medizinische Informationen der Patienten von den CDS-Systemen automatisch erfasst und im Hintergrund bearbeitet werden. Auf diese Weise kann dem Arzt aus dokumentiertem Leitsymptom, Laborparametern und initialen Untersuchungsergebnissen, ohne diese Informationen aktiv in ein System eingeben zu müssen, eine automatisierte leitlinienorientierte Empfehlungsübersicht zum weiteren Vorgehen präsentiert werden.
Erfassung von Biosignalen mit Smart Devices
Ein großer Nutzen von Smart Devices liegt neben ihrer Funktionalität darin, dass sie von einem Großteil der Menschen in Industrienationen täglich genutzt und somit praktisch rund um die Uhr bei sich geführt werden. Mit einem Anteil der Smartphone-User von knapp 80 % der Gesamtbevölkerung liegt Deutschland auf Platz 4 im weltweiten Ranking [18]. Eine derartige Penetration eines Devices in der Bevölkerung bietet ein erhebliches Potenzial, verschiedenste Daten der Anwender zu erheben. Dies schließt auch die Erfassung von medizinischen Daten (Biosignalen) mit ein. Diese Daten können genutzt werden, um die Patientenversorgung zu verbessern.
Puls- und Rhythmusanalyse
Mithilfe des Smartphones lässt sich basierend auf der Photoplethysmographie (PPG) der Puls messen. Hierfür wird ein Finger vor die Kamera und das Blitzlicht gehalten. Dabei dringt Licht aus dem Blitz in die Hautschichten des Fingers, bis es am Hämoglobin des fließenden Blutes in den Kapillaren wieder mit einer bestimmten Wellenlänge reflektiert wird. Dieses pulsatil reflektierte Lichtsignal wird von der Kamera erfasst und durch die App-Software auf dem Smartphone in eine Pulskurve transformiert (Abb. 1). Dies ermöglicht eine Analyse der Herzfrequenz sowie der Pulsregularität und liefert somit Hinweise für das Vorliegen von Herzrhythmusstörungen, insbesondere Vorhofflimmern. Einzelne Apps zur PPG-Analyse zeigen im Hinblick auf Frequenzanalyse und Vorhofflimmererkennung eine sehr hohe Genauigkeit im Vergleich zu einem Ein-Kanal-EKG [28]. Insgesamt weisen die PPG-basierten Rhythmus-Apps eine sehr gute Sensitivität und Spezifität bei der Detektion von Vorhofflimmern auf (Tab. 2). Aktuelle Konsensusdokumente empfehlen bereits den Einsatz derartiger neuer Devices zum Screening nach Vorhofflimmern [15].

| App | Sensitivität (95 % Konfidenzintervall) |
Spezifität (95 % Konfidenzintervall) |
|---|---|---|
| Cardiio (Cardiio Inc., USA) | 93,5 (89,2–96,2) | 94,8 (88,3–97,8) |
| FibriCheck (Qompium, Belgien) | 96,9 (94,1–98,4) | 96,0 (86,6–98,9) |
| Preventicus (PREVENTICUS GmbH, Deutschland) | 92,9 (88,1–95,8) | 98,7 (84,3–99,9) |
| McManus et al | 97,1 (91,4–99,1) | 93,4 (87,3–96,7) |
| Alle | 94,2 (92,2–95,7) | 95,8 (92,4–97,7) |
Alternativ zur Fingermethode kann das photoplethysmographische Signal auch über eine Kameraaufnahme des Gesichts erfasst werden [31]. Hierbei detektiert die Kamera feine Schlag-für-Schlag-Variationen der Hautfarbe, die mit arteriellen Blutpulsationen korrelieren und somit zur Rhythmusanalyse herangezogen werden können (Abb. 2). Da PPG-Messungen mit der Smartphone-Kamera die aktive Durchführung einer Messung durch den Anwender erfordern, können paroxysmale oder asymptomatische Arrhythmien mit dieser Methode unerkannt bleiben. Mithilfe von Devices, die vom Nutzer permanent getragen werden, wie Fitnessarmbänder, Ringe, Halsketten oder Smartwatches lässt sich ein kontinuierliches PPG-Monitoring gewährleisten und so paroxysmale oder asymptomatische Arrhythmien detektieren. Bezüglich der Smartwatch-basierten PPG-Analyse zur Vorhofflimmerdetektion wurden bereits einige Daten publiziert. Ähnlich wie beim Smartphone zeichnet sich diese durch eine hohe Sensitivität und Spezifität aus, was die Ergebnisse der WATCH-AF-Studie nachweisen konnten. Hier zeigte sich bei der Vorhofflimmerdetektion eine Sensitivität von 93,7 % und Spezifität von 98,2 % [8]. Aufgrund ihres Studiendesigns konnten Sensitivität und Spezifität der Smartwatches in den beiden großen industriegesponsorten Studien (Apple Heart Study mit 419.297 Studienteilnehmern und Huawei Heart Study mit 246.541 Studienteilnehmern) nicht ermittelt werden. Der positive prädiktive Wert der PPG-Methode zur Vorhofflimmerdetektion lag in diesen Studien bei der Apple-Heart-Studie bei 84 % [20] und bei der Huawei-Studie bei 92 % [12].
Einige Smartwatches besitzen auch eine integrierte 1‑Kanal-EKG-Funktion (entspricht der Ableitung I). Bei Alarmierung über eine Pulsirregularität kann mit dieser Funktion ein mögliches Vorhofflimmern verifiziert werden. Forscher an der Cleveland Clinic stellten allerdings bei 50 Patienten mit 300 EKG-Aufzeichnungen (erhoben mit einer Apple Watch) fest, dass der automatische Diagnosealgorithmus, der am Ende der EKG-Aufzeichnung das Resultat auf dem Bildschirm der Uhr anzeigt, zwar eine Spezifität von 100 %, aber eine Sensitivität von lediglich 41 % aufweist. Hauptproblem war die hohe Rate an uneindeutigen Resultaten (31 %). Erst die Interpretation der PDF-Ausdrucke des 1‑Kanal-EKGs durch einen Kardiologen ergab in dieser Studie eine Sensitivität von 96 % [23]. Technische Fortschritte im Diagnosealgorithmus sind hier demnach zwingend notwendig, um die Implementierung der mobilen EKG-Methode in unseren klinischen Alltag zu ermöglichen. Mit Spannung wird die von Apple initiierte Heartline-Studie erwartet, die 180.000 Patienten einschließen wird und das Vorhofflimmerscreening durch die Apple Watch mit ihrer PPG- und EKG-Funktion mit einem Standardvorgehen vergleicht (NCT04276441).
Blutdruck und Sauerstoffsättigung
Basierend auf der PPG-Methode lassen sich aus der Pulskurve auch eine Blutdruckkurve und die Sauerstoffsättigung ableiten [2]. Luo et al. zeigten, dass man aus dem photoplethysmographisch ermittelten Blutfluss des Gesichts per Smartphone-Kamera eine Blutdruckkurve transformieren kann. Die Genauigkeit der Messung für den systolischen und den diastolischen Blutdruck war mit jeweils 95 und 96 % sehr hoch [14]. Eine Implementierung der Blutdruckmessfunktion in eine App ist für den chinesischen Markt geplant. Wann dieses Feature auch in Europa verfügbar sein wird, ist noch unklar.
Mithilfe der PPG-Methode lässt sich mit den Smart Devices auch die Sauerstoffsättigung messen. Eine PPG-App auf dem Smartphone zeigte in einer Studie an 81 Patienten eine sehr hohe Korrelation mit der standardmäßig pulsoximetrisch erhobenen Sauerstoffsättigung [27]. Laut Herstellerangabe können auch die ersten Smartwatches mithilfe der PPG-Methode die Sauerstoffsättigung im Blut messen. Die Datenlage auf diesem Gebiet ist allerdings noch dünn. Studien zur Vorhersage von Exazerbationen einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (NCT03857061) oder Schlafapnoe-Screening (NCT04234828; NCT03775291) basierend auf einer Smartwatch-ermittelten Sauerstoffsättigung werden aktuell durchgeführt. Die durch die Smartwatch detektierbaren Biosignale einschließlich der Sauerstoffsättigung erlauben möglicherweise auch ein Monitoring von COVID-19-Patienten. Forscher aus Heidelberg (NCT04376853) und Bern (NCT04357834) untersuchen aktuell in klinischen Studien, ob eine Verschlechterung des klinischen Zustands bei COVID-19 durch eine Smartwatch detektiert werden kann. Mit einem Smartwatch-Monitoring, das nur Herzfrequenz und Schlafzeit aufzeichnete, ließ sich bereits in einer Studie an knapp 50.000 Teilnehmern in den USA ein Vorhersagemodell erstellen, das die Verbreitung von Influenza wiedergab [21].
Neue Parameter
Neben den genannten klassischen Biosignalen können auch neuartige Parameter mithilfe der Smart Devices erfasst werden. Ein sehr simpler und weit verbreiteter Parameter ist die tägliche Schrittzahl, die nahezu durch jedes Smartphone automatisch erfasst wird. Werhahn et al. konnten zeigen, dass die per Smartphone ermittelte tägliche Schrittzahl mit der Gehstrecke im 6‑Minuten-Gehtest, der maximalen Sauerstoffaufnahme und sogar der linksventrikulären Ejektionsfraktion bei Patienten mit Herzinsuffizienz korreliert [30]. Der tägliche Schrittzähler wurde auch als Parameter zur Beurteilung der Belastbarkeit in einem kardiovaskulären Telerehabilitationsprojekt eingesetzt [26]. Eine andere innovative Methode zum telemedizinischen Monitoring bietet die automatisierte Stimmanalyse von Patienten. In einer Studie mit über 10.000 Patienten waren automatisch erfasste Stimmmuster bei Patienten mit Herzinsuffizienz mit kardialen Dekompensationen und der Gesamtmortalität innerhalb von 20 Monaten nach der Stimmaufzeichnung assoziiert [17]. Forscher an der Mayo-Klinik in Rochester konnten sogar mithilfe einer Smartphone-basierten Stimmaufzeichnung das Vorliegen einer koronaren Herzerkrankung voraussagen [16]. Sog. Smart Speaker sind mittlerweile in der Lage, mit Hilfe spezieller Algorithmen kontaktlos Atemmuster des Anwenders bei zentraler oder obstruktiver Apnoe zu analysieren und sogar eine agonale Atmung im Rahmen eines Herzstillstands zu detektieren [6].
Künstliche Intelligenz
Die Entwicklung neuer Methoden zur Detektion von verschiedenen Biosignalen wird ergänzt durch neue Methoden zur Verarbeitung dieser Signale. Künstliche Intelligenz (KI) bietet dabei einen revolutionären Ansatz und ermöglicht die Interpretation großer und komplexer Datenmengen. Ein geeignetes Einsatzgebiet von KI bietet das EKG. Der Algorithmus der Apple Watch zur Vorhofflimmerdiagnosestellung zeigt, wie bereits oben beschrieben, einige Schwächen. KI kann die diagnostische Sicherheit hier entscheidend verbessern. Durch den Einsatz von KI erzielte man in einer Studie bei der Vorhofflimmerdiagnose aus durch eine Apple Watch geschriebenen EKGs eine Sensitivität von 97,5 % und Spezifität von 100 % [29]. Auch die Problematik bei der Detektion von paroxysmalen oder asymptomatischen Arrhythmien lässt sich möglicherweise durch KI lösen. In einer Studie an 180.000 Patienten mit paroxysmalem Vorhofflimmern gelang es, aus ausschließlich im Sinusrhythmus erfassten EKGs Vorhofflimmern mit einer Sensitivität und Spezifität von 79 % zu diagnostizieren [4]. Durch eine KI-basierte EKG-Befundung lassen sich nicht nur Vorhersagen über den Rhythmus treffen. Mithilfe eines Vektorkardiogramms, basierend auf 5 durch KI interpretierte EKG-Ableitungen, ließ sich in einer Studie bei knapp 600 Patienten eine koronare Herzerkrankung mit einer Sensitivität von über 90 % prognostizieren [5]. EKG und KI erlauben aber auch Annahmen über eine Herzinsuffizienz. In einer Studie an knapp 45.000 Patienten zeigte sich, dass mit einer KI-basierten EKG-Analyse eine Herzinsuffizienz mit einer Sensitivität von 93 % und Spezifität von 86 % diagnostiziert werden konnte [3]. Es gelang sogar, das Risiko für eine erst Jahre später entstandene Herzinsuffizienz bei Patienten zu ermitteln, die zum Zeitpunkt der EKG-Aufzeichnung noch eine normale Pumpfunktion aufwiesen [3]. Mithilfe von Informationen aus einem Brustpatch, der neben EKG auch Temperatur, Hautimpedanz und Bewegung aufzeichnet, konnte in einer Studie an Herzinsuffizienzpatienten eine kardiale Dekompensation mit einem zeitlichen Vorlauf von knapp 7 Tagen vorhersagt werden [24]. Solch ein präziser Blick in die Zukunft erlaubt eine rechtzeitige medizinische Intervention, um zukünftige kardiale Dekompensation in diesem Patientenkollektiv zu verhindern.
Eine zusammenfassende Übersicht über die medizinischen Funktionen von Smart Devices ist in Abb. 3 dargestellt.

Fazit für die Praxis
Die Entwicklung medizinischer Anwendungsmöglichkeiten der Smart Devices schreitet schnell voran.
Bereits jetzt besitzen Smartphones und Smartwatches verschiedene medizinische Funktionen wie „clinical decision support“ (CDS), Erfassen von Vitalparametern, Rhythmusanalyse, EKG-Aufzeichnung und die Erhebung neuartiger Parameter.
In Zukunft wird die Kardiologie insbesondere durch die telemedizinische Erfassung von Biosignalen mithilfe von Wearables und die weitere Verarbeitung der Informationen durch künstliche Intelligenz (KI) revolutioniert werden.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
J. Ledwoch und D. Duncker geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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