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. Author manuscript; available in PMC: 2021 Feb 3.
Published in final edited form as: Pneumologie. 2020 Feb 3;74(2):77–87. [Article in German] doi: 10.1055/a-1078-8126

E-Zigaretten – Funktionsweise, Inhaltsstoffe und die Vaping-assoziierte akute Lungenschädigung

E-cigarettes – operating principle, ingredients, and associated acute lung injury

Jonas C Schupp 1, Antje Prasse 2, Hanno C Erythropel 3,4
PMCID: PMC7366312  NIHMSID: NIHMS1607296  PMID: 32016924

Abstract

Seit April 2019 kam es in den USA zu über 2.000 Erkrankungen, bei denen zumeist junge Patienten mit schweren Lungenschädigungen in Krankenhäuser eingewiesen wurden. Im Verlauf sind bisher mehr als 40 Patienten verstorben. Nur ein einziger Zusammenhang konnte zwischen diesen Patienten ermittelt werden: Sie waren alle Nutzer von elektronischen Zigaretten (E-Zigaretten). Mittlerweile wird das Krankheitsbild im Englischen als EVALI bezeichnet (engl. „e-cigarette, or vaping, product use associated lung injury”, E-Zigaretten- oder Vaping-assoziierte Lungenschädigung). Basierend auf zumeist US-amerikanischen Studien zum Thema soll diese Übersichtsarbeit einen Einblick in die Definition, die Epidemiologie, das Krankheitsbild, den typischen Verlauf und potenzielle Auslöser, wie z.B. Vitamin-E-Acetat, von EVALI geben. Zusätzlich soll ein allgemeiner Überblick über die prinzipielle Funktionsweise von E-Zigaretten, die Inhaltsstoffe der verdampften Flüssigkeiten (E-Liquids), sowie die damit verbundenen Inhalationsrisiken gegeben werden.

Beginning in April of 2019, the US saw >2,000 cases of hospitalized, often young, patients with severe acute lung injury, of which over 40 died, and the only existing connection between patients was their use of electronic cigarettes (e-cigarettes). The acronym EVALI („e-cigarette, or vaping, product use associated lung injury”) has since been established for the condition. This review article is intended to provide an overview of recent, mainly US literature on EVALI, including the case definition, epidemiology, clinical presentation, typical disease progression, as well as potential triggers. Ancillary to this, the review further provides a general overview of the basic function of e-cigarettes, the ingredients of the liquids used in these (e-liquids), as well as a brief description of the associated potential inhalation risks.

Einleitung

Die erste moderne elektronische Zigarette („E-Zigarette“) wurde 2003 in China patentiert und seit 2006 werden diese Geräte zunehmend global vermarktet [1,2]. Besonders in den USA haben E-Zigaretten mittlerweile nennenswerte Marktanteile, auch bei Jugendlichen, erobert und erfolgreiche Firmen, wie das kalifornische „Juul Labs“, das die „Juul“ E-Zigarette vermarktet, werden auf Firmenwerte im zweistelligen Milliardenbereich geschätzt (in US-Dollar). Mittels E-Zigaretten können nicht nur Nikotin-haltige E-Liquids inhaliert werden (sog. „vaping“), sondern auch Tetrahydrocannabinol (THC)-haltige Flüssigkeiten (auch „dabbing“ genannt). THC-haltige Präparate können sowohl auf offiziellem Wege in US-amerikanischen Bundesstaaten, in denen Marihuana legal ist, als auch illegal über den Schwarzmarkt erworben werden. Diverse Studien zeigen allerdings, dass letztere oft mit verschiedenen Substanzen gestreckt werden, z.B. mit Vitamin-E-Acetat [3,4]. Die Inhalation von Vitamin-E-Acetat wird als Hauptursache für den seit Sommer 2019 in den USA sprunghaften Anstieg von E-Zigaretten- und Vaping-assoziierten akuten Lungenschädigungen („EVALI“) verantwortlich gemacht. Dem klinischen Teil mit dem Thema EVALI wird eine generelle Einführung zum Thema E-Zigaretten und deren Inhaltsstoffe vorangestellt.

Aufbau und Funktionsweise von E-Zigaretten

Primäre Aufgabe von E-Zigaretten ist es, den Suchtstoff Nikotin in ein Aerosol zu bringen, welches anschließend vom Nutzer wie bei herkömmlichen Zigaretten (dort als Rauch) inhaliert wird. Einer der Vorteile von E-Zigaretten soll sein, dass der Nutzer deutlich geringeren Mengen von bekannten Giftstoffen ausgesetzt ist, als sie beim Verbrennen von Tabak entstehen (z.B. Teer, Blausäure, Formaldehyd). In englischer Fachliteratur werden E-Zigaretten auch als „Electronic Nicotine Delivery System (ENDS)“ bezeichnet [2]. Trotz Änderungen am Design und der Größe von E-Zigaretten seit 2003 ist die grundsätzliche Funktionsweise aller E-Zigaretten gleich (Abb. 1): Eine nikotinhaltige und aromatisierte Flüssigkeit - auch „E-Liquid“ genannt - ist in einem (oft manuell nachfüllbarem) Reservoir oder Container in Kontakt mit einem Docht aus Baumwolle und/oder Kunststoff, der dadurch konstant mit E-Liquid getränkt ist und durch eine Heizwendel geführt wird (Abb. 1). Die Heizwendel wird durch Knopfdruck, oder automatisch bei Detektion von Unterdruck durch Ziehen am Gerät, aktiviert und somit erhitzt. Hierdurch verdampft die Flüssigkeit und es bildet sich ein Aerosol, das per Zug am Mundstück auf direktem Weg in den Rachen und anschließend in die Atemwege des Nutzers gelangt. Durch diesen Aufbau ähnelt die Nutzung dieser Geräte herkömmlichem Zigarettenrauchen, insbesondere wenn die Heizwendel durch simples Ziehen am Mundstück automatisch aktiviert wird.

Nikotin-Abgabe von E-Zigaretten

E-Zigaretten hatten zunächst einen gravierenden Nachteil: Die absolute Nikotin-Menge pro Zug, die das Gehirn des Nutzers via Lunge und Blut erreicht, war in herkömmlichen Zigaretten nach wie vor höher und damit verbunden auch der „Nikotin-Kick“ im Gehirn, der u.a. durch freigesetztes Dopamin ausgelöst wird [5]. Um die Nikotin-Zufuhr pro Zug zu erhöhen, wurden immer leistungsstärkere Modelle entwickelt, welche allgemein als 2. Und 3. Generation bezeichnet werden (Abb. 2). Ähnelten E-Zigaretten der 1. Generation meist herkömmlichen Zigaretten in Größe und Form, so wuchsen in der 2. und 3. Generation sowohl die Batteriegröße (generell der untere Teil der in Abb. 2 abgebildeten Geräte) als auch die Größe des E-Liquid Reservoirs, da mehr produziertes Aerosol (und damit absolut mehr Nikotin) auch mehr konsumierte Flüssigkeit bedeutete. Physikalisch gesehen bedeutet eine höhere Leistung, dass sich die Heizwendel schneller und stärker aufheizt, wobei sich die Leistung (in Watt, W) aus der elektrischen Spannung der Batterie (in Volt, V) und dem Widerstand der Heizwendel (in Ohm, Ω) berechnen lässt: Leistung [W] = (Spannung [V])2 / Widerstand (Ω).

Eine logische Alternative zur Erhöhung der Nikotin-zufuhr pro Zug wäre eine erhöhte Nikotin-Konzentration in dem zu verdampfendem E-Liquid selbst. Allerdings erzeugt Nikotin einen bitteren Geschmack und reizt die Atemwege beim Inhalieren, weswegen E-Zigaretten der 1.−3. Generation meist nur 0,3–2,4 Gewichts-% (von hier an %) Nikotin enthielten, in seltenen Fällen auch 3,6% (Abb. 2). Schon bei einer Konzentration von 2,4% wird Nikotin von Nutzern als stark irritierend und scharf wahrgenommen [6]. Der entscheidende „Durchbruch“ in dieser Hinsicht gelang der kalifornischen Firma Juul Labs, die in ihrer ab 2015 in den USA vermarkteten „Juul“ E-Zigarette (engl. Wortspiel mit „jewel“ – dt. Juwel) die Nikotin-Konzentration auf 5% Nikotin heraufsetzen konnte, ohne dass das generierte Aerosol zu bitter oder reizend auf den Nutzer wirkte. Juul Labs nutzt zu diesem Zweck statt dem „freiem“ (basischem) Nikotin eine Mischung aus Nikotin und Benzoesäure, die zusammen ein sogenanntes Nikotinsalz (Nikotinbenzoat; Abb. 3) bilden. Dies ist dieselbe Form, in der Nikotin auch im Tabak vorkommt. Nikotinsalze haben einen geringeren pH-Wert als „freies“ Nikotin und sind daher weniger irritierend und bitter. Zudem ist Nikotinbenzoat flüssig und nicht fest und verdampft selbst bei Erhitzung als Gemisch und nicht als zwei Einzelstoffe [7]. Weiterhin gibt Juul Labs in ihrem Patent über Nikotinsalzformulierungen an, dass die Nikotin-Blutkonzentration in Probanden nach einem Zug ihres Produktes (mit 5% Nikotin) ähnlich hoch sind, wie nach dem Zug an einer herkömmlichen Zigarette (Pall Mall) und damit deutlich höher als nach einem Zug an einer herkömmlichen E-Zigarette mit „freiem“ Nikotin und dementsprechend geringerer Konzentration (2% Nikotin) [8].

Juul E-Zigaretten sind sog. geschlossene Systeme, da die Kartuschen (genannt „Pods“) nicht nachfüllbar sind und nach der Nutzung ersetzt werden müssen. Ein US-amerikanischer Pod (daher die Bezeichnung „Pod devices“ in Abb. 2) enthält ca. 0,7 g E-Liquid. Dies reicht laut Juul für ca. 200 Züge und enthält dieselbe Menge Nikotin wie eine Packung Zigaretten. Allerdings enthalten die in Deutschland seit Ende 2018 vermarkteten Juul E-Zigaretten nur ca. 1,8% Nikotin und damit nur rund ein Drittel des Nikotins der US-amerikanischen Produkte (5%). Die 2014 verabschiedete und 2016 in Kraft getretene EU-Richtlinie für Tabakerzeugnisse (engl. „TPD“ [9]) beschränkt die in der EU vermarkteten E-Liquids auf eine maximale Nikotinkonzentration von 20 mg/ml (da die Dichte von E-Liquids >1 g/mL ist, entsprechen 20 mg/mL ca. 1,8%).

Eine Variante des Vapings ist das „Dabbing“, bei dem ein Aerosol eingeatmet wird, was durch Erhitzen von sehr zähen Substanzen gebildet wird, die THC oder Cannabidiol enthalten (z. B. Haschischöl).

Inhaltsstoffe von E-Liquids

Zwar ist die Aufnahme von Nikotin das Hauptziel der E-Zigaretten-Nutzung, doch machen Nikotin sowie die zugesetzten Aromastoffe nur einen Bruchteil der Masse von E-Liquids aus. Generell werden zwei Trägerstoffe zur E-Liquid-Herstellung genutzt: Propylenglykol (PG) und Glycerol (VG für „Vegetable Glycerol“). Diese beiden Stoffe machen oft 80–99% der Masse von E-Liquids aus, und Inhaltsstoffangaben auf E-Liquids beschreiben oft nur die verhältnismäßigen Anteile dieser beide Stoffe zueinander, sowie „Nikotin“, „Benzoesäure“ (falls vorhanden), und den recht undefinierten Inhaltsstoff „Aromen“. Als Beispiel sei Juul E-Liquid genannt, welches PG/VG im Verhältnis 30/70 (in %) enthält, wobei andere beliebte Mischungen meist zwischen 100/0 und den genannten 30/70 liegen. Ein noch höherer Anteil von Glycerol ist eher selten, da Glycerol sehr zäh und eine honig-artige Konsistenz hat, und somit schwierig anzumischen ist. Mehrere Studien haben nachgewiesen, dass eine zu starke Erhitzung von E-Liquids dazu führt, dass Propylenglykol und Glycerol bekannte Giftstoffe freisetzen, wie z.B. Formaldehyd und Acrolein [10,11]. Dies hat dazu geführt, dass viele der modernen E-Zigaretten automatisch die Temperatur der Heizwendel überwachen und diese bei Überhitzung (ca. 220°C) automatisch ausschalten. Eine solche Funktion ist jedoch nicht gesetzlich vorgeschrieben und somit auch nicht zwangsläufig in jeder E-Zigarette integriert.

Unter dem Sammelbegriff „Aromen“ verbergen sich Hunderte von chemischen Verbindungen, die oft für charakteristische Aromen verantwortlich sind, wie z.B. Vanillin (Vanille-Aroma), Benzaldehyd (Kirsch-/Mandelaroma), Zimtaldehyd (Zimtaroma), oder Isoamylacetat (Bananenaroma). Weiterhin kommen auch ätherische Öle zum Einsatz (z.B. aus Minze, Gewürznelken, etc.), deren genaue Komposition nicht exakt bekannt ist und die von Produkt zu Produkt sehr unterschiedlich sein können, sowie weitere Aromastoffe, die nicht pur, sondern als Lösung und somit in Lösungsmitteln verkauft werden. Als Beispiel sei Vanille-Extrakt genannt, das generell als Ethanol-Lösung erhältlich ist [12].

Weiterhin zeigen neue Studien, dass es zu chemischen Reaktionen in E-Liquids kommen kann, z.B. zwischen aldehydischen Aromastoffen wie dem weit verbreitet genutztem, süßlichem Aromastoff Vanillin und den Trägerstoffen Propylenglykol oder Glycerol [1315]. Diese Reaktion findet schon bei Raumtemperatur statt und die neugebildeten sog. Acetal-Verbindungen unterscheiden sich in ihren Eigenschaften, z.B. durch ein erhöhtes Irritationspotenzial, von den Reagenzien, aus denen sie gebildet wurden (hier: Vanillin und Propylenglykol) [16]. Infolgedessen ist die genaue Komposition von E-Liquids oft unklar und selbst die detaillierte Inhaltsstoffangabe, die für Hersteller in der EU im Gegensatz zur USA meldepflichtig ist [17], hilft nicht einen genauen Überblick über die Stoffe zu gewinnen, denen sich ein E-Zigaretten-Nutzer aussetzt, sowie die potenzielle Gefahr durch deren Inhalation abzuschätzen. Hierzu wäre eine chemische Analyse des E-Liquids direkt vor der Nutzung bzw. des Aerosols notwendig, da die einzelnen enthaltenen Substanzen miteinander reagieren und so neue Substanzen entstehen können [16].

Inhalationsrisiken

Während der Nutzung von E-Zigaretten (englisch „to vape“, deutsch „dampfen“) inhalieren Nutzer eine Vielzahl von Stoffen, deren Anzahl von der Komplexität der Geschmacksrichtung des E-Liquids abhängig ist: z.B. kann „Menthol“-Aroma durch das Zusetzen von einem einzigen Stoff (Menthol) kreiert werden, andererseits existieren komplexe Geschmacksrichtungen wie „Knuspriger Kuchen mit Zitronencreme und Baiser“, für die eine Vielzahl von Aromastoffen vonnöten ist. Die meisten der zugesetzten Aromastoffe haben eines gemeinsam: Sie sind oft anerkannte Lebensmittelzusatzstoffe, die von Expertengremien im behördlichen Auftrag oder internationalen Organisationen wie der WHO nach verschiedenen Kriterien auf ihre Sicherheit evaluiert worden sind. Beispiele hierfür sind die “European Food Safety Authority” (EFSA), die “US Food and Drug Administration” (FDA) in Zusammenarbeit mit der “Flavor Extract Manufacturers Association” (FEMA), sowie das “UN/WHO Joint Expert Committee on Food Additives” (JECFA). Diese Evaluationen berücksichtigen meist jedoch nur die Aufnahme durch den Magen-Darm-Trakt, bzw. eine Gesamtexposition ohne Berücksichtigung des Expositionsweges. Die Inhalation des E-Liquid-Aerosols, und damit der zugesetzten und als Lebensmittelzusatzstoffe zugelassenen Aromastoffen, ist daher nicht zwangsläufig unproblematisch. Ein Beispiel hierfür ist das unten diskutierte Vitamin-E-Acetat (auch Tocopherylacetat), ein dickflüssiges, öliges Provitamin: Vitamin-E-Acetat ist ein Nahrungsergänzungsmittel und kann problemlos über den Magen-Darm-Trakt aufgenommen werden, wird jedoch bei Inhalation verdächtigt, EVALI auszulösen [3]. Des Weiteren muss beachtet werden, dass typische E-Zigaretten-Nutzer >100 Züge regelmäßig über den Tag hinweg inhalieren (eine herkömmliche Zigarette entspricht ca. 10–15 Zügen), was bedeutet, dass neben möglichen akuten Effekten auch chronische Effekte der Inhaltsstoffe von E-Liquids untersucht werden müssen.

Obwohl dieser Übersichtsartikel keine detaillierte Analyse der Hunderten von Stoffen, die in E-Liquids genutzt werden, leisten kann, so sollen doch einige wichtige Stoffe im Folgenden diskutiert werden. Darüber hinaus seien interessierte Leser auf weitere Literaturquellen verwiesen [1820].

Die Trägerstoffe Propylenglykol und Glycerol machen den Großteil von E-Liquids aus, oft >85% der Gesamtmasse. Beide produzieren beim Erhitzen problematische Stoffe, wie die Carbonylverbindungen Formaldehyd oder Acrolein. Die Menge der produzierten Carbonylverbindungen ist proportional zum Leistungsausstoß der E-Zigarette [21]. Andere Faktoren, wie die Aromastoffe im E-Liquid, können zudem ebenfalls eine Rolle bei der Carbonyl-Entwicklung spielen [22]. Neben der Reaktivität von Propylenglykol und Glycerol stellt sich auch die Frage nach deren direkten Effekten auf den Nutzer. Während Propylenglykol zwar reizend auf Augen und Rachen wirken kann, ansonsten aber als relativ unschädlich angesehen wird [18,19], ist die Lage bei Glycerol etwas komplexer: Zwei klinische Fallstudien aus den USA und dem Vereinten Königreich beschreiben Fälle von Lipoidpneumonien, die die Autoren auf Glycerol-Inhalation in E-Zigaretten zurückführten [23,24], und eine aktuelle Studie beschreibt den Befund einer Akkumulation von Lipid-beladenen (jedoch nicht Glycerol) Makrophagen in Mäuselungen, die über vier Monate chronisch Propylenglykol/Glycerol-Aerosol ausgesetzt wurden [25].

Für viele der Aromastoffe in E-Liquids existiert wenig oder gar keine Literatur bezüglich deren Inhalationstoxikologie, weshalb mögliche Langzeitfolgen durch E-Zigaretten-Nutzung gar nicht oder nur schwer abzuschätzen sind. Eine mögliche Quelle bieten Grenzwerte, die zum Arbeitnehmerschutz entwickelt wurden, wie der MAK- (Maximale Arbeitsplatz-Konzentration) und BAT-Wert (Biologische Arbeitsstoff-Toleranzwert) in Deutschland, oder der WEEL-Wert („Workplace Environmental Exposure Level“) der US-amerikanischen „Occupational Alliance for Risk Science“. Im Folgenden sind einige bekanntermaßen problematische Aromastoffe aufgeführt.

Diacetyl (2,3-Butandion; Butteraroma) kann bei Inhalation zu einer Bronchiolitis obliterans führen [11], welche im Englischen auch als „popcorn lung disease“ bezeichnet wird, nachdem mehrere Arbeiter einer Popcorn-Fabrik nach Diacetyl-Exposition erkrankten [26]. Zimtaldehyd (Zimtaroma) wirkt bei Inhalation reizend auf Rachen und Atemwege [27], reagiert mit den E-Liquid Trägerstoffen Proyplenglykol und Glycerol zu neuen Verbindungen [16] und beeinträchtigt die mitochondriale Funktion sowie den Zilienschlag von Bronchialepithelzellen, und somit die Abwehrfunktion dieser Atemwegszellen [28]. Einige Aromastoffe, wie z.B. Benzaldehyd (Kirsch-/Mandelaroma), Menthol, Eugenol (Gewürznelkenaroma), (R)-Limonen (Zitrusaroma), Gingerol (Ingweraroma), Ethylvanillin (Vanillearoma), Vanillin Propylenglykol Acetal (Reaktionsprodukt aus Vanillin und Propylenglykol) aktivieren Ionenkanäle wie TRPA1 oder TRPV1 der Schmerzrezeptoren und haben somit eine reizende Wirkung auf die Atemwege [16,20]. Zwar sind diese Stoffe auch Bestandteil von Nahrungsmitteln, dort jedoch in geringeren Konzentrationen, und sie werden nicht als Aerosole eingeatmet. Eine regelmäßige Reizung der Atemwege durch Inhalation von E-Zigaretten-Aerosol und der darin enthaltenen reizenden Stoffe kann somit zu Entzündungen der Atemwege und möglicherweise zu Asthma bronchiale führen, bzw. bei Patienten mit Asthma Asthmaanfälle auslösen [29]. Zusätzlich sind natürlich auch chronische Folgeschäden denkbar.

E-Zigaretten-Nutzung von US-amerikanischen Jugendlichen

E-Zigaretten wurden zunächst als Alternative für Tabakraucher beworben. Allerdings gab es schnell Bedenken, dass diese Geräte auch für Jugendliche verlockend sein könnten. Dies wurde befördert durch das Angebot von Tausenden verschiedenen Geschmacksrichtungen und der oft eleganten Optik, vor allem der „pod devices“ wie Juul (siehe Abb. 2). Derzeit sind in den USA Klagen gegen Juul mit dem Vorwurf eingereicht, dass ihre Vermarktungsstrategie ab 2016 bis ca. 2018 vor allem auf Jugendliche zielte [30]. Die US-amerikanische FDA führt seit ca. 1999 jährliche nationale Befragungen zur Nutzung von Tabak- und Nikotinprodukten in Schulen durch, die sog. National Youth Tobacco Survey (NYTS, Nationale Umfrage zur Tabaknutzung von Jugendlichen). Neueste Zahlen [31,32] zeigen sowohl einen stetigen Rückgang von Nutzern herkömmlicher Zigaretten (Stand 2019: ca. 6% aller Schüler der 9.−12. Klassen), gleichzeitig aber einen rapiden Anstieg der E-Zigaretten-Nutzung, speziell seit der Einführung von Juul Ende 2015 (Abb. 4). Stand 2019 nutzten 27.5% und damit >5 Mio. US-amerikanische Schüler der 9.−12. Klassen E-Zigaretten in den 30 Tagen vor der Befragung (2018: ca. 3.6 Mio). Hiervon gaben ca. 1 Millionen Jugendliche an E-Zigaretten täglich zu nutzen [32]. Weiterhin gaben >50% der jugendlichen E-Zigaretten-Nutzer an, Juul-Geräte zu nutzen. Die favorisierten Geschmacksrichtungen waren „fruchtig“, „Menthol/Mint“ und „Desserts“. Weitere Studien unterstützen dies: Süße und fruchtige Aromen sowie Menthol/Mint dominieren, wohingegen das Tabak-Aroma bei Jugendlichen überwiegend unbeliebt ist [3234]. Vor dem Hintergrund von stetig fallenden Zahlen von US-amerikanischen jugendlichen (Zigaretten-) Rauchern ist mit den steigenden E-Zigaretten-Nutzungszahlen die Sorge verbunden, dass sich dieser Trend umkehrt [35].

Laut der vom Bundesministerium für Gesundheit geförderten, noch nicht abgeschlossenen DEBRA-Studie („Deutsche Befragung zum Rauchverhalten“) [36] liegt die Prävalenz der aktiven E-Zigaretten-Nutzer bei ca. 2% (www.debra-study.info, Abfrage November 2019), bzw. laut Drogenbericht der Bundesregierung im Jahre 2019 für 14- bis 17-Jährige bei unter 1% [37].

Ausbruch der „E-Zigaretten-Epidemie“ 2019

Mitte 2019 traten in den USA erste Fälle einer mysteriösen Erkrankung von ansonsten gesunden Jugendlichen auf, die mit progressiver Dyspnoe, Müdigkeit und Hypoxämie stationär behandelt werden mussten. Zwei dieser Patienten mussten intubiert und mechanisch beatmet werden, und bei vier der Patienten zeigten CT-Scans bilaterale Milchglastrübungen [38]. Die einzige Verbindung zwischen diesen Fällen war, dass alle Patienten E-Zigaretten nutzten. Schnell häuften sich ähnliche Berichte aus einer Vielzahl von US-Bundesstaaten, wobei unklar blieb, welcher Bestandteil von E-Zigaretten oder E-Liquids für das Krankheitsbild verantwortlich war. Diese Frage ist bis heute nicht abschließend geklärt. Das US-amerikanische Center for Disease Control and Prevention (CDC) begann daraufhin, nationale Fallzahlen zu kompilieren und zu erforschen, was der Grund für das nun als „Ausbruch“ bezeichnete Krankheitsgeschehen sei. Die „E-Zigaretten-Epidemie“ erfuhr aus vielschichtigen Gründen zudem eine außerordentliche mediale Aufmerksamkeit, so bietet z.B. die New York Times in ihrer Online-Ausgabe eine gelungene optische Übersicht über den derzeitigen Stand der vom CDC veröffentlichten epidemiologischen Daten an (s. Abschnitt zur Epidemiologie) [39]. An dieser Stelle sei angemerkt, dass ähnliche Fälle, allerdings in geringerer Fallzahl, auch aus dem Vereinigten Königreich (UK) [23] und Japan [40] bekannt sind. Im Folgenden soll der aktuelle Stand der Forschung zum mittlerweile „EVALI“ genannten Krankheitsbild präsentiert werden („e-cigarette, or vaping, product use associated lung injury”, E-Zigaretten- oder Vaping-assoziierte Lungenschädigung) [41].

E-Zigaretten- oder Vaping-assoziierte Lungenschädigung - EVALI

Definition EVALI

Der Begriff EVALI wurde vom CDC geprägt und wird auch in dieser Übersichtsarbeit verwendet [41]. Das CDC hat für Surveillance-Zwecke eine Falldefinition des schweren EVALI entwickelt und hierfür festgelegt, dass dann von einem EVALI auszugehen ist, wenn Patienten 1.) innerhalb der letzten 90 Tage vor Symptombeginn E-Zigaretten, oder andere Vaping- oder Dabbing-Produkte genutzt haben, 2.) pulmonale Verschattungen bzw. Milchglastrübungen in der thorakalen Bildgebung vorliegen und 3.) der Ausschluss alternativer Diagnosen, insbesondere infektiologischer Erkrankungen, erfolgte (Details siehe Tab. 1) [42]. Diese Definition wurde jedoch explizit nur für die gesundheitsbehördliche Überwachung entwickelt und soll nicht für die klinische Diagnose verwendet werden.

Table 1:

Tabelle 1: CDC-Falldefinition [42] des schweren EVALI vom 30. August 2019, genutzt ebenfalls von Layden et al. [38]

Bestätigt
- Verwendung von E-Zigaretten / Vaping oder Dabbing# in den 90 Tagen vor Beginn der Symptome
- Pulmonale Infiltrate, wie Verschattungen im Röntgen-Thorax oder Milchglastrübung im CT-Thorax
- Ausschluss einer pulmonalen Infektion zum Zeitpunkt der Erstuntersuchung: Zu den Mindestkriterien gehören negatives Panel auf respiratorische Viren, Influenza-PCR oder - Schnelltest. Alle anderen klinisch indizierten Untersuchungen auf Infektionskrankheiten der Atemwege müssen negativ sein, so z.B. Urinantigen auf Streptococcus pneumoniae und Legionella, Sputumkultur bei produktivem Husten, Kultur einer bronchoalveolären Lavage, Blutkultur, ggf. Ausschluss opportunistischer Atemwegsinfektionen bei HIV.
- Kein Nachweis einer plausiblen Alternativdiagnose (insbesondere kardiologische, rheumatologische oder neoplastische Erkrankungen)
Wahrscheinlich
- Verwendung von E-Zigaretten / Vaping oder Dabbing# in den 90 Tagen vor Beginn der Symptome
- Pulmonale Infiltrate, wie Verschattungen im Röntgen-Thorax oder Milchglastrübung im CT-Thorax
- Nachweis einer pulmonalen Infektion mittels Kultur oder PCR, aber das behandelnde Team ist der Ansicht, dass dies nicht die alleinige Ursache des zugrunde liegenden Prozesses der Atemwegserkrankung ist ODER der Ausschluss einer pulmonalen Infektion ist nicht (vollständig) erfolgt (Untersuchungen wurden nicht durchgeführt) und das behandelnde Team glaubt, dass dies nicht die alleinige Ursache des zugrunde liegenden Prozesses der Atemwegserkrankung ist.
- Kein Nachweis einer plausiblen Alternativdiagnose (insbesondere kardiologische, rheumatologische oder neoplastische Erkrankungen)
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Vaping wurde definiert als die Verwendung einer elektronischen Vorrichtung (z.B. elektronisches Nikotinabgabesystem, elektronische Zigarette (E-Zigarette(), Vape(s), Vape oder Dab Pen oder andere Vorrichtung) und Dabbing als die Verwendung einer Vorrichtung zum Erhitzen von Substanzen zur Erzeugung eines Aerosols/Rauchs, in beiden Fällen zum Inhalieren von Substanzen wie Nikotin, Marijuana, Tetrahydrocannabinol (THC), THC-Konzentrate, Cannabidiol (CBD), synthetische Cannabinoide und Aromen.

Epidemiologie und Demographie der EVALI

Das CDC unterhält eine Webseite, auf der epidemiologische Daten aus den USA zu EVALI wöchentlich aktualisiert werden [43]. Stand Dezember 2019 wurden dem CDC 2.291 hospitalisierte EVALI-Fälle gemeldet [43]: 68% der Patienten mit EVALI waren männlichen Geschlechts im medianen Alter von 24 Jahren (Spannweite zwischen 13 und 78 Jahren). 15% der Patienten waren unter 18 Jahre alt. 83% der Patienten berichteten die Nutzung von THC-haltigen Produkten, sowie 61% von Nikotin-haltigen Produkten. Von den 2.291 Patienten mit EVALI sind bisher 48 verstorben, was einer Letalität von 2,1% entspricht. Während der Gipfel der Inzidenz bei jungen Männern liegt, versterben vor allem Patienten fortgeschrittenen Alters an EVALI. So beträgt das mediane Alter der an EVALI Verstorbenen 52 Jahre (Spannweite zwischen 17 und 75 Jahren).

Auf europäischer Ebene werden Daten zu EVALI aktuell durch die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht erhoben, Ergebnisse liegen bisher noch nicht vor.

Klinisches Bild der EVALI

In den drei publizierten Fallserien sind Symptome, Befunde und Verlauf der Patienten mit EVALI überraschend einheitlich (Kurzzusammenfassung s. Tab. 2) [38,44,45]: Die Symptome des schweren EVALI umfassen typischerweise respiratorische Symptome wie Atemnot, unproduktiver Husten, pleuritische Schmerzen, systemische Symptome wie Fieber, Schüttelfrost, Tachykardie und Fatigue, sowie gastrointestinale Beschwerden wie Übelkeit und Erbrechen, Bauchschmerzen und Durchfall [38,42,44,45]. Regelhaft erhobene Befunde waren: Tachypnoe, Hypoxämie unter Raumluft [44], Leukozytose mit Prädominanz neutrophiler Granulozyten, erhöhtes C-reaktives Protein (CRP) und erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit. Radiologisch lagen in über 90% der Fälle bilaterale Verschattungen im Röntgen-Thorax, bzw. bilaterale Milchglastrübungen, teils mit Konsolidierungen, im CT-Thorax vor. Zytologisch können in der bronchoalveolären Lavage (BAL) neutrophile Granulozyten und Lipid-beladene Makrophagen in variierender Häufigkeit nachgewiesen werden. Histopathologisch zeigte sich eine akute Lungenschädigung, d.h. ein diffuser alveolärer Schaden oder eine organisierende Pneumonie [46,47]. Das Schädigungsmuster wurde meist als eine chemisch-toxische Pneumonitis, sowie seltener als eine Lipidpneumonie, eingeordnet [47]. Auf die radiologischen, histologischen und zytologischen Befunde soll im Folgenden detaillierter eingegangen werden.

Table 2:

Tabelle 2: Kurzzusammenfassung des klinischen Bildes von EVALI

Symptome:
- Respiratorisch: Atemnot, unproduktiver Husten, pleuritische Schmerzen
- Gastrointestinal: Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Durchfall
- Systemisch: Fieber, Schüttelfrost, Tachykardie, Fatigue
Befunde:
- Hypoxämie
- Leukozytose, periphere Neutrophilie
- Röntgen-Thorax: bilaterale Verschattungen, CT-Thorax: bilaterale Milchglastrübung und Konsolidierungen
- BAL: Neutrophilie, Schaum- bzw. Lipid-beladene Makrophagen
- Histologie: Bild einer akuten Lungenschädigung: diffuse alveoläre Schädigung und/oder organisierende Pneumonie; ebenfalls Neutrophilie und Schaum- bzw. Lipid-beladene Makrophagen

In der größten Fallstudie zu EVALI wurden über 90% der Patienten mit EVALI in ein Krankenhaus und circa die Hälfte auf einer Intensivstation aufgenommen [38,41]. Diese Patienten wurden initial bis zum Ausschluss einer bakteriellen Genese der Erkrankung zumeist mit einer antibiotischen Medikation behandelt. Über 90% der Patienten wurden mit einer systemischen Glucocorticoid-Therapie behandelt [38,44,45], wobei in 65%−82% der Fälle über eine klinische Besserung nach Therapiebeginn berichtet wurde [38,41]. Randomisierte, Placebo-kontrollierte Studien zur Behandlung von Patienten mit EVALI wurden bisher nicht publiziert. Die Therapie der akuten respiratorischen Insuffizienz richtete sich nach deren Schweregrad und reichte von einer Sauerstoffsupplementation über die Intubation mit mechanischer Beatmung bis hin zu einer extrakorporalen Membranoxygenierung (ECMO) [29]. Eine klinische Verbesserung trat üblicherweise nach 24–72 Stunden ein [44,45] und die Entlassung aus dem Krankenhaus erfolgte nach 6 bis 10 Tagen [38,41,45]. Die Letalität liegt nach derzeitigem Stand bei ca. 2,1% [38,42].

Limitierend ist anzumerken, dass vermutlich ein ausgeprägter Publikationsbias vorliegt, da überwiegend schwere Verläufe mit konsekutiver Hospitalisierung erfasst wurden. Unklar ist, wie viele Personen möglicherweise an einem „milden“ EVALI erkrankt sind, da von einem Kontinuum der Schwere des EVALI auszugehen ist. Insgesamt dürfte bisher nur die Spitze des Eisberges der „Morbidität des EVALIs“ bekannt und publiziert sein.

Schädigungsmuster und Histologie der EVALI

Ein spezifischer histologischer Befund der EVALI wurde bisher nicht identifiziert, jedoch sind die zwei häufigsten publizierten Schädigungsmuster die einer chemisch-toxischen Pneumonitis [38] und einer Lipoidpneumonie [23,44,48]. Weiterhin wurden Einzelfälle einer organisierenden Pneumonie [49,50], diffusen alveolären Hämorrhagie [51], akuten eosinophilen Pneumonie [52], Spontanpneumothorax [53], exogen allergischen Alveolitis [54] und Status asthmaticus [29] berichtet; auf diese wird in dieser Übersichtsarbeit jedoch aufgrund ihrer solitären Inzidenz nicht weiter eingegangen.

Histopathologische Befunde zeigen typischerweise das Bild einer akuten Lungenschädigung, d.h. eines diffusen alveolären Schadens oder einer organisierenden Pneumonie, teilweise lag auch ein Mischbild dieser beiden Muster vor. Gelegentlich konnte das Lungenschädigungsmuster auch nicht näher klassifiziert werden [38,46,47]. Eine organisierende Pneumonie ist gekennzeichnet durch Granulationsgewebe in den Alveolen, bzw. terminalen Atemwegen (sog. Massonkörper), welche sich aus Fibroblasten und Myofibroblasten, sowie Kollagen zusammensetzen. Eine akute fibrinöse Pneumonitis mit hyalinen Membranen ist charakteristisch für einen diffusen Alveolarschaden [46]. In einer histologischen Fallserie von 17 Patienten mit EVALI wurde weiterhin schaumige Makrophagen (s. nächster Abschnitt) beobachtet, sowie eine meist prominente Neutrophilie beschrieben [38,47].

Zytologie der Bronchoalveolären Lavage bei EVALI

Zwei Befunde wurden regelhaft in zytologischen Untersuchungen der BAL bei Patienten mit EVALI erhoben: eine Vermehrung der neutrophilen Granulozyten sowie schaumige bzw. Lipid-beladene Makrophagen. Die Neutrophilie in der BAL war sehr variabel ausgeprägt, so lag der Prozentsatz an neutrophilen Granulozyten der BAL-Zellen bei 10–90% [38,45,55]. In Anbetracht der theoretisch denkbaren Differenzialdiagnose einer akuten eosinophilen Pneumonie ist weiterhin berichtenswert, dass eosinophile Granulozyten in keinem nennenswerten Umfang gefunden wurden und scheinbar in der Pathogenese der EVALI keine relevante Rolle spielen. Schaumige Makrophagen wurden hingegen fast immer in der BAL, sowie auch im Lungengewebe von Patienten mit EVALI identifiziert [44,55]. Die schaumigen Makrophagen von EVALI- Patienten stellten sich in der Oil Red O oder der Sudanfärbung als Lipid-beladene Makrophagen dar. Die relative Häufigkeit der Lipid-beladenen Makrophagen (25–75%) sowie die Intensität der Lipidfärbungen variierten jedoch von Fall zu Fall stark [38,44,55]. Bislang ist unklar, ob die Lipiddepositionen aus den inhalativ zugeführten Stoffen entstammen oder durch einen veränderten Lipidmetabolismus der Makrophagen - im Sinne einer Phospholipidose – entstehen [25,42]. Auch ist ungeklärt, ob der Nachweis von Lipid-beladenen Makrophagen integral für die Pathogenese der EVALI und somit klinisch relevant ist, oder nur einen Marker der Exposition gegenüber Öl- und Fett-haltigem Aerosol oder Rauch darstellt [42,55].

Mittels zu Forschungs- bzw. Überwachungszwecken asservierter BAL gelang es der CDC den Nachweis von Vitamin-E-Acetat mittels Massenspektrometrie zu führen (siehe unten) [3].

Bildgebung der EVALI

Zwar wurde über unterschiedliche radiologische Schädigungsmuster im Rahmen der EVALI berichtet, es lässt sich jedoch ein relativ typisches Muster aus den Fallserien herauslesen [56]: Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass die Infiltrationen zumeist im Röntgen-Thorax, jedoch immer im CT-Thorax nachweisbar sind. In den drei publizierten Fallserien fielen im Röntgen-Thorax bilaterale infiltrative Verschattungen auf. Im CT-Thorax zeigen sich diese zumeist als diffuse, bilaterale Milchglasverschattungen, häufig auch mit subpleuraler Aussparung. Bei vielen Patienten zeigen sich zudem Konsolidierungen und Atelektasen in den basalen Abschnitten, die dem Bild eines ARDS entsprechen. Gelegentlich wurde auch über das Auftreten von nodulären oder „tree-in-bud“ Infiltrationen berichtet, vermutlich immer dann wenn eine zusätzliche Schädigung im Bereich der distalen Atemwege vorlag [38,45]. Zudem wurde bei Patienten mit EVALI selten über ein Pneumomediastinum, einen Pneumothorax oder einen Pleuraerguss berichtet [38,53]; eine direkte Schädigung der Pleura lässt sich in der Regel jedoch nicht nachweisen.

Eine Reduktion der Hounsfield-Einheiten (< –30 HU) in den Zonen mit Infiltraten, die durch die Fettanreicherung zustande kommt und als pathognomonisch für die klassische Lipoidpneumonie gilt, kann bei EVALI vorliegen, ist bei den allermeisten Patienten jedoch nicht in diesem Ausmaß nachzuweisen [57].

Inhalatives Vitamin-E-Acetat als potentieller Auslöser der EVALI

Anfang November 2019 gelang es der CDC, einen ersten potentiellen Auslöser der EVALI zu identifizieren [3]: Von August bis Oktober 2019 wurde BAL-Material von 29 Patienten aus 10 verschiedenen US-Bundesstaaten mit EVALI nach Konsum THC-haltigen E-Liquids durch die bundesstaatlichen Gesundheitsbehörden gesammelt und anschließend zentral von der CDC mittels Isotopenverdünnung-Massenspektrometrie analysiert. In allen 29 BALs wurde Vitamin-E-Acetat, in 23 von 28 Proben THC oder dessen Metabolite, sowie Nikotinmetabolite in 16 von 26 Proben nachgewiesen. Dies ist somit die erste Studie, die Vitamin-E-Acetat am Ort der primären Schädigung in biologischen Proben von EVALI-Patienten nachgewiesen hat [3].

In einer aktuellen Studie aus Minnesota wurden von EVALI-Patienten eingereichte (illegale) THC-haltige E-Liquids untersucht und Vitamin-E-Acetat in 11 der 12 Fälle nachgewiesen [4]. Weiterhin wurden in dieser Studie die Inhaltsstoffe der durch die Behörden konfiszierten THC-haltigen E-Liquids aus den Jahren 2018 (10 Proben) und 2019 (20 Proben) miteinander verglichen: Keine der Proben aus 2018 - also vor dem Ausbruch der EVALI Erkrankungen – enthielt Vitamin-E-Acetat, jedoch alle 20 Proben von 2019 – dem Jahr des EVALI-Ausbruchs [4]. Dies ist ein weiterer Hinweis darauf, dass - zumindest in Minnesota - die Nachweise von Vitamin-E-Acetat in THC-haltigen E-Liquids mit dem Ausbruch der EVALI-Erkrankungen assoziieren.

Die FDA unterhält auf ihrer Homepage weiterhin eine Übersicht über die Laborergebnisse von E-Liquids, die von Patienten mit CDC Fallnummer eingereicht wurden [58]: Stand Dezember 2019 wurden 545 E-Liquid-Proben von 70 Patienten untersucht (d.h., in der Regel mehrere Kartuschen und somit Proben pro Patient): In 80% wurde THC nachgewiesen, von denen wiederum 77% Vitamin-E-Acetat enthielten, in Konzentrationen zwischen 23% und 88%. Weiterhin enthielten 32% der THC-haltigen Proben auch Triglyceride (Lipide), die bei Inhalation ebenso problematisch seien können.

Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass der Nachweis einer spezifischen Substanz (wie Vitamin-E-Acetat) in Proben von an EVALI erkrankten Patienten nur einen ersten, wichtigen Schritt darstellt [58]. Die Frage der Kausalität bleibt bisher unbeantwortet. So wurden o.g. BAL-Proben seitens der CDC nur auf eine Handvoll Substanzen getestet: mittelkettige und langkettige Triglyceride, Erdöldestillate, Terpene, Cannabinoide, Nikotin und Vitamin-E-Acetat [3], jedoch nicht auf andere Substanzen und es ist denkbar, dass es weitere Auslöser der EVALI gibt. Weiterhin wurden BALs gesunder Probanden bzw. gesunder Nutzer THC-haltiger E-Liquids bisher nicht untersucht.

Kommentar

Als Abschluss dieser Übersichtsarbeit folgt nun ein Kommentar mit unserer persönlichen Einschätzung, der zur Diskussion anregen soll:

Erfreulicherweise ist es bisher nicht zu einem Ausbruch an EVALI Erkrankungen in Deutschland gekommen, was möglicherweise daran liegt, dass die Nutzung von THC-haltigen E-Liquids bzw. Haschischöl weniger üblich ist, und diese somit auch nicht mit „natürlich“ erscheinenden Stoffen wie Vitamin-E-Acetat oder Kokosöl gestreckt werden. Da Marihuana in den USA in 11 Staaten frei verkäuflich und in 33 Staaten auf Rezept zu erhalten ist, scheint die Verlockung groß, durch dessen „Export“ als verarbeitetes THC-haltiges E-Liquid bzw. Haschischöl in die Bundesstaaten, in denen THC illegal ist, schnelles Geld zu verdienen. Der Gewinn kann durch eine Streckung weiter maximiert werden und was liegt näher, als ein „Vitamin“ mit ähnlicher Konsistenz (Vitamin-E-Acetat) hierfür zu nutzen.

An dieser Stelle möchten die Autoren allerdings auch erwähnen, dass THC-Öl und mögliche Streckmittel wie Vitamin-E-Acetat nicht alleine für den EVALI Ausbruch in den USA verantwortlich gemacht werden können; schließlich sind auch Fälle von EVALI bekannt, in denen keine THC-haltigen E-Liquids, sondern ausschließlich Nikotin-haltige E-Liquids genutzt wurden, und es sind auch Fälle über die USA hinaus, z.B. in UK und Japan, beschrieben worden [23,40]. Langzeitdaten zu den gesundheitlichen Risiken - speziell nach Inhalation - der anderen Inhaltsstoffen in E-Zigaretten, von denen es Hunderte gibt, sind bisher nicht existent. Zudem ist die rechtliche Lage in den USA so, dass weder eine Lizenz zum Anmischen von E-Liquids benötigt wird, noch muss der FDA oder dem Konsumenten mitgeteilt werden, welche Stoffe im E-Liquid verarbeitet wurden. Die rechtliche Situation unterscheidet sich in Deutschland insofern nur dadurch, dass Hersteller eine Inhaltsangabe an die zuständige Behörde übermitteln müssen: Darüber hinaus existieren in Deutschland einige Anforderungen an Inhaltsstoffe von E-Liquids, z. B. dürfen diese nicht karzinogen, mutagen, oder fortpflanzungsgefährdend (CMR) sein oder gesundheitlichen Nutzen suggerieren. Zwar sind einige wenige Stoffe auch explizit verboten, wie das o. g. Diacetyl, jedoch gibt es darüber hinaus keine Regelungen bezüglich des Zusatzes der großen Anzahl von Aromastoffen, deren Inhalationstoxikologie oft unbekannt ist [59]. Anders ist die Lage bei herkömmlichen Zigaretten, die EU-weit seit 2016 überhaupt keine anderen Inhaltsstoffe mehr enthalten dürfen, welche ein „charakterisierendes“ Aroma verleihen – und selbst Menthol-Zigaretten werden ab 2020 verboten sein. Das Verbot charakterisierender Aromen erfolgte u. a. auch, um Tabakprodukte nicht durch den Zusatz von süßlichem Aroma für Jugendliche attraktiver zu machen; insofern ist es unklar, wieso ähnliche Regelungen nicht auch für E-Zigaretten gelten, schließlich enthalten diese ebenso den Suchtstoff Nikotin. Selbst wenn der Verkauf von aromatisierten E-Liquids verboten würde (wie bereits in 8 US-amerikanischen Bundesstaaten geschehen), ist davon auszugehen, dass selbst angemischte E-Liquids mit fragwürdiger Reinheit und unklarer Zusammensetzung weiterhin inhaliert und zu Erkrankungen führen werden. Anleitungen hierzu sind im Internet weit verbreitet.

Sollten Langzeitstudien bestätigen, dass E-Zigaretten tatsächlich harmloser als herkömmliche Zigaretten sind, so dürfen diese jedoch ausschließlich für Raucher von herkömmlichen Zigaretten als Ersatz empfohlen werden, nicht jedoch der breiten Bevölkerung. In den USA hat die Verfügbarkeit von süßlichen E-Liquids bereits dazu geführt, dass eine „neue Generation“ Nikotin-Süchtiger durch ein Produkt kreiert wurde, das vorgeblich dazu konzipiert wurde Raucher mit Nikotin zu versorgen, ohne dass diese dabei den freigesetzten Giftstoffen aus verbranntem Tabak ausgesetzt sind (engl. „modified risk product“).

Danksagung

Die Autoren danken Herrn Dr. med. Edward Manning (New Haven) für die Bereitstellung der CT-Thorax-Aufnahme in Abb. 5, Herrn Peter Selz des Bundesministeriums für Gesundheit für die freundliche Auskunft, sowie Herrn Prof. Dr. med. Tom Schaberg (Rotenburg), Frau Eda Erythropel und Herrn Karl-Heinz Erythropel für die kritische Durchsicht eines Manuskriptes.

Abbildung 1:

Abbildung 1:

Links: typische E-Zigarettenkartusche mit sichtbarem (ungetränktem) Docht. Die Heizwendel befindet sich innerhalb des metallischen Zylinders. Rechts: Schema der prinzipiellen Funktionsweise von E-Zigaretten, E-Liquid in Gelb.

Abbildung 2:

Abbildung 2:

Evolution von E-Zigaretten von ca. 2003–2019 und Angaben zum Leistungsausstoß, typischen Nikotingehalts, sowie der Form des Nikotins.

Abbildung 3:

Abbildung 3:

A: „freies“ Nikotin, das durch zwei tertiäre Stickstoff (N) Atome basisch reagiert (pH>8) und B: Nikotinsalz bestehend aus einfach ionisiertem Nikotin und Benzoesäure (pH<6).

Abbildung 4:

Abbildung 4:

E-Zigaretten-Nutzung von US-amerikanischen Schülern der Klassen 6 – 8 (Middle School) und Schülern der Klassen 9 – 12 (High School) in Prozent laut nationaler Umfrage der US Food and Drug Administration (FDA) [31].

Abbildung 5:

Abbildung 5:

CT-Thorax-Aufnahme einer Patientin im jungen Erwachsenenalter mit EVALI nach Inhalation von THC-haltigem E-Liquids mittels einer E-Zigarette. In einer von der Patientin bereitgestellten Probe konnte Vitamin-E-acetat nachgewiesen werden. Man beachte die bilaterale Milchglasverschattung mit subpleuraler Aussparung, begleitet von einem rechtsseitig führenden Pleuraerguss.

Acknowledgments

Funding

Die Stelle von HCE wird durch das US National Institute on Drug Abuse und das US FDA Center for Tobacco Products (CTP) unterstützt (Förderungsnummer U54DA036151). Der Inhalt liegt in der alleinigen Verantwortung der Autoren und spiegelt nicht unbedingt die offiziellen Ansichten des NIH oder der Food and Drug Administration wider.

Footnotes

Interessenkonflikte:

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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