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. 2020 Jul 31;42(7-8):26–29. [Article in German] doi: 10.1007/s35139-020-0200-3

Welche Rechtsstellen bei Streitigkeiten entscheiden

Carmen Mausbach 1,
PMCID: PMC7392641

Wenn sich zwei Parteien bei einem Streit nicht einigen können, müssen sie in der Regel vor Gericht ziehen und einen Prozess führen. Welche Gerichtsbarkeit dann zuständig ist, entscheidet der jeweilige Sachverhalt. Die Kosten der Auseinandersetzung hängen wiederum vom Streitwert ab.

Die deutsche Rechtsprechung umfasst gemäß Artikel 95 Grundgesetz (GG) fünf selbstständige Gerichtsbarkeiten, die die Rechtsordnung durch Rechtsprechung und Rechtspflege herstellen sollen. Das sind die ordentliche Gerichtsbarkeit, Verwaltungsgerichtsbarkeit, Arbeitsgerichtsbarkeit, Finanzgerichtsbarkeit und Sozialgerichtsbarkeit. Die ordentliche Gerichtsbarkeit ist für das Zivilrecht und das Familienrecht zuständig. Sie befasst sich mit Rechtsstreitigkeiten zwischen Bürgern sowie mit Familienangelegenheiten und verhandelt etwa Miet-, Ehe-, Sorgerechts- und Unterhaltssachen. Zudem ist die ordentliche Gerichtsbarkeit Ansprechpartner für alle Strafsachen. Zu ihr zählt auch die freiwillige Gerichtsbarkeit, der zum Beispiel Grundbuch-, Betreuungs- und Nachlasssachen zugeordnet sind. Die Rechtsprechung erfolgt an den Amtsgerichten, Landgerichten und den Oberlandesgerichten sowie dem Bundesgerichtshof als höchste Instanz der ordentlichen Gerichtsbarkeit (siehe Tabelle auf Seite 27). Das Amtsgericht wird in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten immer dann zuerst angerufen, wenn der Streitwert unter 5.000 Euro liegt. Übertrifft der Streitwert 5.000 Euro, ist in erster Instanz das Landgericht zuständig. Mietsachen den Wohnraum betreffend und Familiensachen werden immer in erster Instanz vor dem Amtsgericht verhandelt.

Wer mit dem Urteil eines Amts- oder Landgerichts nicht einverstanden ist, kann das Rechtsmittel der Berufung einlegen. Sie ist aber nur dann zulässig, wenn der Streitwert mindestens 600 Euro beträgt oder das Gericht, das in erster Instanz entschieden hat, die Berufung im Urteil ausdrücklich zulässt. Urteile des Amtsgerichts werden vom Landgericht überprüft, Entscheidungen des Landgerichts vom Oberlandesgericht. Die von der jeweiligen höheren Instanz gesprochenen Urteile können wiederum überprüft und angefochten werden. Das Rechtsmittel ist in diesem Fall die Revision. Revisionsinstanz ist der Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Er überprüft das Urteil aber lediglich auf Verfahrensfehler und verweist den Sachverhalt dann in der Regel wieder an die Vorinstanz zurück.

Gerichtsbarkeiten haben oft drei Instanzen

Die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist zuständig für alle öffentlich-rechtlichen Konflikte, die nicht unter das Verfassungsrecht fallen und nicht durch gesetzliche Regelungen anderen Gerichtszweigen, etwa den Sozial- oder Finanzgerichten, zugewiesen sind. Unter die Verwaltungsgerichtsbarkeit fallen das Polizei- und Ordnungsrecht, das Bauplanungs- und Bauordnungrecht, das Ausländer- und Asylrecht sowie das Beamten- und Richterrecht. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist dreistufig aufgebaut. In erster Instanz entscheiden die Verwaltungsgerichte. Die Oberverwaltungsgerichte beziehungsweise Verwaltungsgerichtshöfe, so wie sie in manchen Bundesländern auch genannt werden, entscheiden über das Rechtsmittel der Berufung und das Bundesverwaltungsgericht über das Rechtsmittel der Revision.

Kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen Tarifvertragsparteien oder zwischen Arbeitnehmern und -gebern, sind die Stellen der Arbeitsgerichtsbarkeit zuständig. Auch sie ist dreistufig aufgebaut. In erster Instanz urteilen die Arbeitsgerichte, während die Landesarbeitsgerichte über das Rechtsmittel der Berufung entscheiden und das Bundesarbeitsgericht über das Rechtsmittel der Revision.

Wer Ärger mit dem Finanzamt, den Hauptzollämtern oder den Familienkassen wegen Steuern, Zöllen oder Kindergeld hat, muss sich an die Finanzgerichtsbarkeit wenden. Sie ist zweistufig aufgebaut. In erster Instanz urteilen die Finanzgerichte, während der Bundesfinanzhof über das Rechtsmittel der Revision entscheidet.

Der Sozialgerichtsbarkeit obliegen Rechtsstreitigkeiten im Bereich der sozialen Sicherungssysteme. Sie ist bei Auseinandersetzungen mit der gesetzlichen Rentenversicherung, der gesetzlichen Unfallversicherung, der gesetzlichen Krankenversicherung oder der sozialen Pflegeversicherung zuständig. Mit den Sozialgerichten, Landessozialgerichten und dem Bundessozialgericht umfasst sie drei Stufen.

Neben den fünf Gerichtsbarkeiten existieren spezialisierte Gerichte. Ein Beispiel dafür ist das Bundespatentgericht, das für Entscheidungen über Beschwerden gegen Beschlüsse der Prüfungsstellen und Abteilungen des Deutschen Patent- und Markenamts zuständig ist. Außerdem überprüft das Bundesverfassungsgericht Verfassungsverstöße und schützt dadurch insbesondere die Grundrechte der Bürger. Sämtliche in den Gerichtsbarkeiten tätige Richter müssen unabhängig sein. Sie dürfen sich nicht beeinflussen lassen, sondern müssen stets nach Recht und Gesetz entscheiden. Die Unabhängigkeit der Richter ist durch Artikel 97 GG garantiert.

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Rechtsstreitigkeiten kosten Geld

Sowohl die Tätigkeiten des Gerichts als auch die des Rechtsanwalts müssen vergütet werden. Die Gerichtskosten setzen sich aus den gerichtlichen Gebühren und Auslagen zusammen. Sie orientieren sich am Streitwert eines Verfahrens, der in der Regel mit dem Gegenstandswert identisch ist. Die gerichtlichen Auslagen richten sich nach dem Aufwand, den das Gericht hatte. Bei einer Zahlungsklage entspricht der Streitwert dem Gegenstandswert beziehungsweise der Klagesumme. Ein Beispiel: Marion Freitag schuldet dem Handwerker Georg Pauli aus einem Bauvertrag noch 3.500 Euro, zahlt diese jedoch nicht. Der Anwalt von Herrn Pauli erhebt Klage auf Zahlung von 3.500 Euro vor dem zuständigen Amtsgericht. Der Streitwert beträgt 3.500 Euro.

Bei immateriellen Rechten ist es schwieriger, den Streitwert zu bestimmen. In diesem Fall legt ihn das Gericht nach billigem Ermessen fest. Dabei ist der Streitwert umso höher, je bedeutungsvoller die Angelegenheit ist, und hängt davon ab, welche Breitenwirkung ein Sachverhalt hat. Ein Beispiel: Wegen negativer Bewertungen im Internet und Verletzung des Persönlichkeitsrechts erhebt Rechtsanwalt Franz Schröder Klage vor dem Landgericht. In seiner Klageschrift gibt er an, dass er den ihm entstandenen Schaden auf 100.000 Euro schätzt und dem Klageantrag somit einen Gegenstandswert von 100.000 Euro beimisst. Nach der Verhandlung setzt das Gericht den Streitwert jedoch nur auf 5.001 Euro fest.

Steht der Streitwert fest, so lassen sich auch die Kosten berechnen. Die Gerichtskosten werden auf der Grundlage des Gerichtskostengesetzes (GKG) bestimmt. Sie betragen in Abhängigkeit vom Streitwert drei Gebühreneinheiten. Beispielsweise beträgt die einfache Gebühr bei einem Streitwert von 10.000 Euro laut Gebührentabelle 241 Euro. Bei einem Gebührensatz von drei macht das insgesamt 723 Euro. Dieser Betrag ist vom Kläger als Vorschuss zu zahlen. Erst nach Zahlung des Betrags wird das Gericht überhaupt tätig und stellt die Klage dem Beklagten zu, so dass der Rechtsstreit beginnen kann.

Manche Verfahren sind jedoch auch streitwertunabhängig. Das gilt etwa für die Strafverteidigung, bei der es so genannte Rahmengebühren gibt. Wird ein Gerichtsverfahren nicht durch ein Urteil, sondern durch einen Vergleich beendet, reduzieren sich die Gerichtskosten auf nur noch eine Gebühr. Die zu viel gezahlten Gerichtskosten werden dann dem Kläger zurückerstattet.

Sofern der Mandant mit dem Rechtsanwalt keine Vergütungsvereinbarung, beispielsweise einen Stundensatz, getroffen hat, richten sich die Gebühren ebenfalls nach dem Streitwert. Die diesbezügliche Vergütung ist im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) festgelegt. Wird ein Rechtsstreit durch ein voll obsiegendes Urteil beendet, so muss derjenige die Kosten der Auseinandersetzung tragen, der verloren hat. Wenn nun etwa Handwerker Georg Pauli den Rechtsstreit gegen Frau Freitag gewinnt, muss sie die Gerichts- und Anwaltskosten des Klägers sowie die eigenen Rechtsanwaltskosten bezahlen.

Wird einer Klage nur zum Teil stattgegeben, werden die Kosten nach dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens vom Gericht berechnet. Angenommen, im Rechtsstreit Freitag gegen Pauli entscheidet das Gericht, dass Frau Freitag Herrn Pauli keine 3.500 Euro, sondern nur noch 2.450 Euro schuldet. Folglich muss Georg Pauli 30 Prozent und Marion Freitag 70 Prozent der Kosten des Rechtsstreits tragen.

Wird das Gerichtsverfahren durch einen Vergleich zwischen den Parteien beendet, so müssen sich die Seiten über die Kostenaufteilung einigen. Bei der Aufteilung sind die Parteien frei. Wird keine Regelung über die Vergleichsgebühr getroffen, so muss jede Partei die eigenen Kosten des Vergleichs tragen. Beispielsweise einigen sich Georg Pauli und Marion Freitag im Prozess dahin gehend, dass Frau Freitag an den Handwerker noch 3.000 Euro zahlt. Der Rechtsstreit ist damit erledigt. Hinsichtlich der Kosten vereinbaren sie, dass Marion Freitag als Beklagte die Gerichtskosten übernimmt und beide ihre außergerichtlichen Anwaltskosten selbst tragen. Der Anwalt erhält bei einem Vergleichsschluss aber noch eine so genannte Vergleichsgebühr.

Interessenkollision beim Bundesverfassungsgericht?

In Zeiten, in denen fast nur noch das Corona-Virus die Schlagzeilen bestimmt, gehen manche Dinge unter. So auch die Tatsache, dass Stephan Harbarth, bisher Vizepräsident am Bundesverfassungsgericht und Vorsitzender von dessen Erstem Senat, am 22. Juni 2020 zum neuen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts ernannt worden ist. Harbarth gilt als Unternehmenslobbyist und war viele Jahre als aktiver Politiker tätig. Das Problem: Viele seiner Nebeneinkünfte sind nicht nur ungeklärt, sondern waren auch so hoch, dass sie für einen Bundestagsabgeordneten nicht wirklich als Nebentätigkeit deklariert werden können. Auch soll er in den VW-Diesel-Skandal und den Cum-Ex-Skandal verstrickt sein. Kritiker betonen deshalb, dass Harbarth als ehemaliger Anwalt und Bundestagsabgeordneter nicht neutral agieren könne. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH aus Lahr hat daher Verfassungsbeschwerde gegen die Ernennung von Harbarth zum Bundesverfassungsrichter eingelegt, die jedoch nicht angenommen wurde. Eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wird derzeit geprüft.

Quelle: Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Zuständige Gerichte bei zivilrechtlichen Streitigkeiten.

Amtsgericht (AG)

- Einzelrichter

- Streitwert bis 5.000 Euro

- Mietsachen den Wohnraum betreffend und Familiensachen unabhängig vom Streitwert

Landgericht (LG)

- Zivilkammer mit drei Richtern

- Streitwert über 5.000 Euro

- Berufungsverfahren (erste Instanz Amtsgericht)

Oberlandesgericht (OLG)

- Zivilsenat mit drei Richtern

- Berufungsverfahren (erste Instanz Landgericht)

- Revisionsverfahren in Strafsachen

Bundesgerichtshof (BGH)

- Zivilsenat mit fünf Richtern

- Revisionsverfahren (erste Instanz Landgericht, zweite Instanz Oberlandesgericht)


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