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. 2020 Sep 1;12(5):21–23. [Article in German] doi: 10.1007/s15033-020-1912-4

Übersicht zu Sensitivität und Spezifität des SARS-CoV-2-Nachweises mittels PCR

Adrian Gillissen 1,
PMCID: PMC7445394  PMID: 32863974

Hintergrund und Fragestellung: Goldener Nachweisstandard bei einer frühen SARS-CoV-2-Infektion ist die RT-PCR (Polymerasekettenreaktion). Die PCR-Assays weisen die Virusgenomabschnitte upE und Orf1a auf und die beiden verfügbaren nested PCRs können zur Sequenzierung der RdRp- und N-Gene herangezogen werden. Das Robert Koch-Institut (RKI) empfiehlt, mindestens zwei Nachweisverfahren unter Verwendung interner und externer Kontrollen heranzuziehen, um ein falsch positives oder negatives Ergebnis zu vermeiden [4]. Die aktuelle Publikation von Woloshin et al. diskutiert die Verlässlichkeit des PCR-Nachweises in der praktischen Anwendung von SARS-CoV-2-Verdachtsfällen.

Methoden: Üblicherweise werden die Proben aus nasalen, pharyngealen Abstrichen und aus dem Sputum, seltener, da aufwendiger, aus Trachealsekret oder der broncho-alveolären Lavage (BAL) gewonnen. Die Genauigkeit eines Tests wird mit Sensitivität (Anteil der richtig positiven Testergebnisse) und der Spezifität (Anteil der richtig falschen Ergebnisse) bewertet. Dabei spielt nicht nur die Qualität des Tests, sondern auch die Güte der Probengewinnung eine große Rolle. Ein ungelöstes Problem ist der fehlende Referenzstandard bei klinisch asymptomatischen Patienten, weswegen Angaben zur klinischen Sensitivität bislang fehlen.

Ergebnisse: In zwei chinesischen Analysen aus Wuhan ergaben sich bei COVID-19-Kranken 1-7 Tage nach stationärer Aufnahme falsch negative Ergebnisse im Sputum von 11 %, im nasalen Abstrichen 27 %, im Rachenabstrich 40 % [Originalie]. In einer anderen chinesischen Studie waren nur 67 % aller Proben aus dem oberen oder unteren Respirationstrakt PCR-positiv. Alle Patienten wiesen "typische" Veränderungen in den CT-Thoraxaufnahmen auf und 93 % hatten eine positve COVID-19-Antikörperkonversion [1]. In weiteren PCR-Untersuchungen betrug die Sensitivität in der BAL 93 %, im Sputum 72 %, im Nasenabstrich 63 % und im Rachenabstrich 32 % [2]. Falsch negative Ergebnisse rangieren in den verschiedenen Analysen von 2-29 %. Neben der Qualität und dem Entnahmeort der zu messenden Probe ist auch anzunehmen, dass der positive Virusnachweis (RNA) bzw. die Spezifität auch vom Erkrankungsstadium, der Virusreplikationsrate und Clearancemechanismen beeinflusst wird [3].

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Schlussfolgerung: Der SARS-CoV-2-Nachweis mittels RT-PCR ist nicht immer verlässlich. Für die praktische Anwendung haben diese Tests viele Unsicherheiten, was nicht nur die schlechte Sensitivität und mitunter auch schlechte Spezifität, sondern auch was die Güte der Probengewinnung betrifft.

Kommentar von Prof. Dr. med. Adrian Gillissen.

Derzeit kein 100%ig verlässliches Nachweisverfahren

Mit einem perfekten Test könnte eine Infektion sicher bewiesen oder ausgeschlossen werden. Ein unzuverlässiger Test gibt aber nur eine Wahrscheinlichkeit für bzw. gegen das Vorliegen einer Infektion an. Je schlechter ein Nachweisverfahren ist, desto wichtiger wird die Vortestwahrscheinlichkeit, die im Fall einer SARS-CoV-2-Infektion z. B. von der Prävalenz, ergriffenen Schutzmaßnahmen, Expositionszeit etc. abhängt. Bei einem verlässlichen Test (Sensitivität > 95 %) würde die Post-Testwahrscheinlichkeit unter 5 % betragen, auch wenn die Vortestwahrscheinlichkeit z. B. bei 50 % im Fall eines "hot spot"-Virusausbruchs läge. Bei der aber mehr realistischen Testsensitivität von 70 % und einer solchen hohen Vortestwahrscheinlichkeit würde die Post-Testwahrscheinlichkeit 23 % betragen. Dieser Wert ist für den sicheren Ausschluss einer potenziell als infiziert betrachteten Person allerdings viel zu hoch.

Verkompliziert wird die Bewertung der Testgüte (Sensitivität und Sensitivität) der verschiedenen Publikationen zu PCR-Analysen durch die große Heterogenität der verwendeten Tests, der häufig fehlenden Verblindung und fehlenden Analysedetails der verwendeten RT-PCR-Tests. Hier könnte vielleicht die Bewertung von CT-Thoraxaufnahmen helfen.

In einer kleineren Fallserie an 82 Patienten, die in der Universität Hong-Kong-Shenzhen betreut wurden, sind 34 als COVID-19- und 48 als Nicht-COVID-19-Fälle definiert worden. Die Sensitivität der RT-PCR-Analyse betrug 79 % und die Spezifität 100 %. Die Ergebnisse der CT-Thoraxaufnahme waren 77 % bzw. 96 %, wobei die Interobserverübereinstimmung bei 0,69 (Cohen's kappa) lag. Interessant ist aber für die Praxis, dass sich für beide Nachweisverfahren, sofern konkordant, eine Sensitivität von 94 % ergab [2].

Woloshin et al. diskutieren somit ein sehr praxisrelevantes Thema, indem sie auf die Limitationen von RT-PCR-Tests hinweisen. In der Summe gibt es gegenwärtig kein hundertprozentig verlässliches Nachweisverfahren, dass eine SARS-CoV-2-Infektion sicher beweist oder sicher ausschließt. Deswegen empfiehlt das RKI bei diskordanten Ergebnissen von PCR und CT-Aufnahmen die Wiederholung der RT-PCR, deren Ergebnis dann als goldener Standard zu werten ist [5].

Originalie.

Woloshin S, Neeraj Patel N, Kesselheim AS. False Negative Tests for SARS-CoV-2 Infection - Challenges and Implications. New Engl J Med. 2020; https://doi.org/10.1056/NEJMp2015897

Prof. Dr. med. Adrian Gillissen.

Direktor, Medizinische Klinik III Klinikum am Steinenberg / Ermstalklinik Med. Klinik III Innere Medizin/Pneumologie Stuttgarterstr. 100, 72574 Reutlingen-Bad Urach, gillissen_a@klin-rt.de

Literatur

  • 1.Zhao J, Yuan Q, Wang H et al. Antibody responses to SARS-CoV-2 in patients of novel coronavirus disease 2019. Clin Infect Dis Off Publ Infect Dis Soc Am. 2020; 10.1093/cid/ciaa344 [DOI] [PMC free article] [PubMed]
  • 2.He JL, Luo L, Luo ZD et al. Diagnostic performance between CT and initial real-time RT-PCR for clinically suspected 2019 coronavirus disease (COVID-19) patients outside Wuhan, China. Respir Med. 2020; 10.1016/j.rmed.2020.105980 [DOI] [PMC free article] [PubMed]
  • 3.Wang W, Xu Y, Gao R et al. Detection of SARS-CoV-2 in Different Types of Clinical Specimens. JAMA. 2020; 10.1001/jama.2020.3786 [DOI] [PMC free article] [PubMed]
  • 4.Watson J, Whiting PF, Brush JE. Interpreting a covid-19 test result. BMJ. 2020; https://doi.org/10.1136/bmj.m1808 [DOI] [PubMed]
  • 5.https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/M/MERS_Coronavirus/MERS-CoV_Labordiagnostik.html

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