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. 2020 Aug 31;69(9):12–19. [Article in German] doi: 10.1007/s35127-020-0311-9

Kommt das dicke Ende?

Barbara Bocks 1,
PMCID: PMC7456607

Bislang hat die deutsche Wirtschaft die Virus-Pandemie dank zahlreicher Hilfsprogramme vergleichsweise gut überstanden. Das freut die Kreditinstitute mit starkem Firmenkundengeschäft. Doch mittel- bis langfristig werden sich wohl einige Branchen nicht vollständig von der Krise erholen können.

Das Corona-Virus hat die Welt weiterhin im Griff. Ein Ende der von der Pandemie ausgelösten Krise ist bislang nicht absehbar. Wie die Europäische Zentralbank (EZB) am 17. Juli mitteilte, erwarten von ihr befragte Volkswirte, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2020 im Euroraum um etwa 8,3 Prozent schrumpfen könnte. In einer EZB-Befragung drei Monate zuvor gingen die Experten noch von einem Minus von 5,5 Prozent aus.

Von den negativen Konjunkturaussichten in Europa dürften auch die Banken und Sparkassen hierzulande nicht verschont bleiben. Die für den ZEW-Finanzmarktreport September 2020 befragten Experten erwarten zwar im Vergleich zum Vormonat, dass sich die Konjunktur insgesamt verbessern könnte. Doch der Ausblick für die Bankenbranche bleibt weiter negativ. Ähnlich sehen das auch die Experten der Boston Consulting Group (BCG), die im laufenden Jahr mit einem um sieben bis neun Prozent geringeren Wachstum des Neugeschäfts für Kreditinstitute mit Privatkunden. Laut BCG könnte sich die Ertragsszenarien im Privatkundengeschäft bis 2024 um 0,5 Prozent pro Jahr beziehungsweise im schlimmsten Fall um 1,7 Prozent pro Jahr verringern. Entscheidend seien die drei möglichen Szenarien der wirtschaftlichen Entwicklung (siehe Grafik unten).

Härter als das Privatkundengeschäft könnte das Firmenkundensegment von den Folgen der Corona-Krise getroffen werden. Laut den BCG-Experten ist in diesem Jahr zwar mit einem Wachstum beim Corporate Banking zwischen einem und vier Prozent zu rechnen, was sich unter anderem mit den staatlichen Hilfs- und Förderprogrammen erklären lässt. Doch bis zum Jahr 2024 sollten die Institute im besten Fall 1,4 Prozent Wachstum in dem Segment erzielen. Im schlechtesten Fall stünde ihnen langfristig ein Rückgang um 3,4 Prozent pro Jahr bevor (siehe Grafik Seite 15).

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Margen im Firmenkundengeschäft steigen

"In der Corona-Krise haben Unternehmen zur Absicherung ihrer Liquidität stark auf Bankkredite zurückgegriffen und machen es immer noch", beobachtet Carsten Baumgärtner, Senior Partner und Experte für Corporate Banking bei BCG. Daraus ergäben sich Chancen für Geldhäuser, die auf Basis einer klar definierten Firmenkundenstrategie und eines entsprechenden Kreditportfoliomanagements auch solche Unternehmen mit Darlehen versorgen können, die bislang keine Geschäftsbeziehungen oder nur kleinere Engagements bei ihnen hatten. Im Moment seien im Corporate Banking deutlich bessere Margen realisierbar als noch vor der Virus-Pandemie. "Im Kreditprozess können Geldinstitute aber an vielen Punkten noch besser werden", meint Baumgärtner. Konkret rät er zum Ausbau von Analysetools sowie zu schnelleren und transparenteren digitalen Prozessen, die Firmenkunden einen eigenen Onlinezugriff ermöglichen.

Hilfsprogramme stützen auch Finanzinstitute

"Das Gesamtgeschäft lief in den vergangenen Monaten auf einem ähnlichen Niveau wie im Vorjahr weiter", hat Robert Bölke, Head of Digital Strategies and Operating Models im Banking bei Sopra Steria Next, beobachtet. Die Virus-Pandemie sei in erster Linie eine wirtschaftliche Krise, die von der Europäischen Union (EU) und speziell von der Bundesrepublik durch immense Mittel im Zaum gehalten werde. Am 21. Juli einigten sich die EU-Mitglieder nach einem mehrtägigen Verhandlungsmarathon auf ein umfangreiches Haushalts- und Finanzpaket von 1,8 Billionen Euro. Davon sind laut Medienberichten 1,074 Billionen Euro für den kommenden, sieben Jahre laufenden Haushalt des Währungsraums eingeplant. 750 Milliarden Euro aus einem Sonderfonds stehen für ein Konjunktur- und Investitionsprogramm für besonders von der Pandemie getroffene Länder bereit. Die staatlichen und fiskalischen Maßnahmen zur Eindämmung der wirtschaftlichen Folgen der Virus-Pandemie waren aus Bölkes Sicht "richtig und wichtig, damit aus der Corona-Krise kein wirtschaftlicher Flächenbrand wird, der dann nicht mehr einzudämmen ist". Und im Vergleich zur europäischen Konkurrenz gehe es den deutschen Geldhäusern besser. Das liege in erster Linie daran, "dass wir in Deutschland das mit Abstand größte Unterstützungsprogramm im Zuge von Corona in Europa haben", so der Experte. Dennoch gebe es einzelne Segmente von Banken, die unter den Folgen der Wirtschaftskrise leiden. Dazu zähle das Geschäft mit Immobilien- und Unternehmenskrediten. "Hier hat das zyklische Verhalten in der Kreditwirtschaft über die vergangenen Jahre zugenommen. Das Geschäft wurde ausgeweitet, größtenteils auf Kosten der Marge", erläutert der Sopra-Steria-Berater. Die gewerbliche Immobilienfinanzierung, speziell für Handels- und Büroimmobilien, habe durch Corona und nicht zuletzt dank des Weiterlaufens der Arbeit im Homeoffice einen Dämpfer erlitten. Auch das werde die Institute treffen.

Corona-Anleihen werden kritisch beäugt

Helfen könnte den deutschen Geldhäusern insbesondere der EU-Wiederaufbaufonds, der Projekte für mehr Klimaschutz und Digitalisierung anschieben soll. Denn diese Vorhaben werden zum Teil zusätzlich mit Bankdarlehen finanziert. "Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Kreditinstitute stets davon profitiert haben, wenn große Konjunkturprogramme aufgelegt werden", weiß Bölke. Zudem emittiert die EU-Kommission kontrovers diskutierte Corona-Anleihen mit einer Laufzeit bis zu 30 Jahren. Dank dieser könnten die wenigen verbleibenden Institute mit großen Handelsabteilungen zusätzliche Erträge erzielen. Mittelfristig werden dadurch allerdings die staatlichen Schulden in die Höhe schnellen, weshalb das Zinsniveau in Europa noch für sehr lange Zeit niedrig oder gar negativ bleiben sollte. Angesichts ständig steigender Einlagen werden dadurch die Probleme in den Instituten immer größer. Die Weitergabe der Negativzinsen an die Kunden muss laut Bölke weiter zunehmen. Die Kreditinstitute müssten daher neue Ertragsmodelle auf Grundlage von Servicegebühren entwickeln. Der Consultant empfiehlt, "weniger oder kein Marketing mehr für Kostenloses zu betreiben, sondern mehr Marketing für gute Produkte und Dienstleistungen, die einen Preis haben". Dazu zählen aus seiner Sicht vor allem digitale Finanzdienstleistungen. "Viele Banken und Sparkassen haben durch Corona zum ersten Mal flächendeckend gesehen und erlebt, dass digitale Kundenkanäle erstens sehr gut funktionieren und zweitens auch angenommen werden", so Bölke. Allerdings besäßen die wenigsten Institute eigene Ökosysteme, die für den Kunden echte Mehrwerte schaffen könnten. "Die Fortschritte der vergangenen Monate waren in Deutschland zwar größer als vor Jahren", gibt er zu. Dennoch lägen die meisten deutschen Institute im europäischen Vergleich eher im Mittelfeld, was die Digitalisierung angehe. Die Corona-Krise sei für die Finanzwirtschaft derzeit "ganz grob gesagt, nur ein Katalysator für alles, was bereits auf der Agenda stand: Konsolidierung, Digitalisierung, Margendruck", resümiert der Berater.

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Langfristig werde die Pandemie "katalytisch auf notwendige Industrieanpassungen" wirken, sagt auch Hans-Martin Kraus, Partner bei Deloitte im Bereich Consulting Strategy & Business Design (siehe Interview Seite 14). Strategische Themen wie der Umbau des Firmenkundengeschäfts müssten die Institute kompromissloser angehen. "Im Privatkundengeschäft wird die nunmehr beschleunigte Digitalisierung zu einem verstärkten Wettbewerb der Geschäftsmodelle führen, was die Situation und Herausforderungen gerade für die etablierten Filialbanken weiter verschärfen dürfte", so der Deloitte-Experte. Kurzfristig habe der Lockdown zwar rund 20.000 der etwa 30.000 Filialen von Banken und Sparkassen im Bundesgebiet zu einer kurzzeitigen Schließung oder zu Einschränkungen gezwungen. "Doch die meisten Institute haben das, manche nach Anlaufschwierigkeiten, mit rollierenden Präsenzsplits und Homeoffice sehr gut hinbekommen", berichtet Kraus. Vor allem die Risikokosten dürften das Jahresergebnis 2020 der Institute schmälern. Höhere Ausfälle könnten im Konsumenten- und Unternehmenskreditgeschäft wegen zunehmender Arbeitslosigkeit und Insolvenzen, aufgrund der Sofortmaßnahmen allerdings verzögert, drohen. Viele Häuser hätten daher bereits ihre Risiko-Rückstellungen beträchtlich erhöht.

Kreditanfragen häufen sich

Die Deutsche Bank berät nach eigenen Angaben seit Wochen über unterschiedliche Kanäle Privatkunden, Selbstständige und Firmen sowie global tätige Unternehmen zu den finanziellen Möglichkeiten, um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise abzufedern. Ziel des Geldhauses sei es, trotz der geringeren Zahl geöffneter Standorte flächendeckend gut erreichbar zu bleiben. Das gelte auch für geschlossene Niederlassungen, bei denen die Mitarbeiter weiterhin telefonisch verfügbar seien. Das Anfrageaufkommen gilt derzeit als besonders hoch, denn mehr als zehn Prozent der Corona-Darlehen der KfW seien über die Deutsche Bank abgewickelt worden. Und ein Drittel der insgesamt mehr als 70.000 Anfragen, die das Institut im Zusammenhang mit Corona erhalten hat, kamen von Unternehmen, die vorher keine Kunden waren. Stefan Bender, verantwortlich für das Unternehmenskundengeschäft der Deutschen Bank, bezeichnete laut Medienberichten die staatlichen Hilfen für Unternehmer als einen Kraftakt für alle.

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Berater erhalten Unterstützung

Auch die Commerzbank hat seit Ausbruch der Virus-Pandemie mit Anfragen ihrer Firmenkunden gut zu tun. "Seit Beginn der Corona-Krise haben wir über 20.000 Finanzierungs- und Informationsanfragen von Firmen- und Unternehmerkunden erhalten", so ein Sprecher. Mehr als die Hälfte davon waren auf die KfW-Programme ausgerichtet. "Mit dem Aufsetzen der Hilfsprogramme haben auch wir unsere Ressourcen zur Bearbeitung der Anträge kurzfristig aufgestockt", berichtet der Sprecher. Die Firmenkundenberater würden unterstützt von rund 100 Spezialisten für öffentliche Förderprogramme. Bei positiver Kreditprüfung könne die Commerzbank die Mittel bei Bedarf taggleich auszahlen. Insgesamt hat das Institut seit Mitte März nach eigenen Angaben mehr als 6.000 KfW-Kreditanträge für Firmen- und Unternehmerkunden genehmigt und ein Volumen von rund zehn Milliarden Euro bereitgestellt. Anfang Mai öffnete das Frankfurter Geldhaus auch schrittweise die zwischenzeitlich geschlossenen 250 Filialen, so dass insgesamt wieder rund 450 Standorte erreichbar sind. Trotzdem habe die Corona-Krise aber zu einem veränderten Zahlungsverhalten der Commerzbank-Kunden geführt, so der Sprecher. Neben den Payment-Services von Apple und Google, die mittlerweile auch mit einer Virtual Debit Card an das Girokonto gebunden werden können, bietet das Institut nach eigenen Angaben den Einkauf über Garmin- oder Fitbit-Uhren an. Es bestehe überdies ein sehr hoher Bedarf an der so genannten E-Signature-Lösung. Erste Einsatzformen werden laut dem Commerzbank-Sprecher in Kürze zur Verfügung stehen.

Hypovereinsbank hält an Strategieplan fest

Wegen des veränderten Nutzungsverhaltens der Kunden baut die Hypovereinsbank (HVB) ihr Multikanal-Angebot weiter aus. Und auch die internen Abläufe des Geldhauses verändern sich. Zu den bisherigen Hoch-Zeiten der Corona-Pandemie sollen knapp 70 Prozent der HVB-Mitarbeiter remote gearbeitet haben. Doch die Säulen des gruppenweiten Strategieplans "Team 23" bleiben nach Angaben des Instituts unverändert. Für das Jahr 2021 bestätigt die gesamte Unicredit-Gruppe das Ziel eines bereinigten Nettogewinns von drei bis 3,5 Milliarden Euro.

Bei der Volksbank Mittelhessen sind mit am stärksten von der Krise betroffen die Firmenkunden aus der Touristik, der Veranstaltungs- und Gastronomiebranche sowie der Automobilzulieferindustrie. Daher unterstützt das Institut sie seit Beginn der Pandemie mit Tilgungsaussetzungen und KfW-Krediten. "Unsere Mitarbeiter standen ihren Kunden beratend zur Seite, um sie durch den vielfältigen, sich permanent verändernden Informationsdschungel zu lotsen", lässt das Institut auf Anfrage wissen. "Manche Kunden werden aber nicht so schnell gegensteuern können, wie ihr Geschäft wegzubrechen droht", warnt Jens Fürbeth, Bereichsleiter Gewerblicher Mittelstand der Volksbank Mittelhessen. Sein Haus begleite Kunden mit zukunftsweisenden Geschäftsmodellen unter anderem, indem es den Transformationsprozess finanziere beziehungsweise helfe, die Digitalisierung voranzutreiben und bei der Restrukturierung zu unterstützen.

Hingegen hat sich die Corona-Lage bei der Hamburger Volksbank schon wieder beruhigt. "Die hohe Nachfrage nach Liquidität ist ausgestanden, so dass sich unser Kredit-Risikokomitee nicht mehr täglich, sondern wöchentlich trifft", berichtet Reiner Brüggestrat, Vorstandssprecher des Instituts. Längerfristig kämen neben der strengen Risikopolitik für die Kreditvergabe noch temporäre Corona-Komponenten hinzu. Insgesamt habe die Virus-Pandemie der Hamburger Volksbank einen kräftigen Schub für mehr Agilität und vor allem ein höheres Tempo bei der Umsetzung verpasst. Laut Brüggestrat wurden binnen kurzer Zeit im Kreditbereich neue Teams mit Kollegen aus anderen Abteilungen zusammengestellt, Arbeitszeiten bedarfsgerecht auf Samstage ausgedehnt, Prozesse verschlankt sowie digitale Arbeits- und Meeting-Methoden erprobt. "Im Privatkundenbereich wird sich der Trend zum digitalen Banking forciert durchsetzen", prophezeit der Vorstandssprecher. Im Firmenkundenbereich will das Institut künftig schwerpunktmäßig seine Kunden bei der digitalen Transformation begleiten, "sowohl als Ratgeber als auch mit den entsprechenden technischen Lösungen für das digitale Banking".

Bei der Stadtsparkasse München waren laut ihrem Vorstandsvorsitzenden Ralf Fleischer durch die Kontaktbeschränkungen zwischenzeitlich alle Geschäftsbereiche von der Corona-Krise betroffen (siehe Statement Seite 19 oben rechts). Etwa das Kartengeschäft, das unter den Reise- und Kontaktbeschränkungen litt, sowie das Wertpapiergeschäft, das den vorübergehenden Einbruch an den Aktienmärkten verkraften musste. "In den übrigen Geschäftsfeldern erleben wir derzeit, dass Kunden Entscheidungen bevorzugt auf einen späteren Zeitpunkt verschieben wie bei Immobilientransaktionen, Anlagegesprächen oder bei Baufinanzierungen", sagt Fleischer. Intensiv habe das Münchener Institut seine Firmenkunden begleitet und unterstützt, um sicherzustellen, dass deren Anträge, auch zu den neu eingeführten Förderkrediten, zügig bearbeitet werden. "Entscheidend für uns als regionale Sparkasse wird die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland sein", so Fleischer weiter. Im Firmenkundengeschäft sind aus seiner Sicht in einer ungünstigen Situation auch entsprechende Wertberichtigungen durch Insolvenzen nicht auszuschließen. Darauf bereite sich das Institut mit entsprechenden Rückstellungen vor.

"Diese Krise betrifft eine Branche, die selbst eine Dauerbaustelle ist".

Wie sind die deutschen Geldhäuser bislang durch die Corona-Krise gekommen?

Es ist noch zu früh, um endgültige Schlüsse zu ziehen, zumal die Virus-Pandemie ja keineswegs vorbei ist. Als einen ersten Trend sehen wir im Privatkundensegment die Forcierung der digitalen Geschäftstätigkeit. Diese Entwicklung wurde durch Corona deutlich verstärkt und beschleunigt. Auch ein Um- beziehungsweise Überdenken bisheriger Präsenz-Strategien finden nun mit neuer Perspektive statt. Aus der Diskussion um Filialschließungen und Kostensenkungen scheint nun eine Auseinandersetzung mit Geschäftsmodellen und Bankvertrieben der Zukunft zu werden.

Was kommt auf das Firmenkundengeschäft der Institute zu?

Im Corporate Banking wird der Transformationsstau der Geschäftsmodelle wegen der vielerorts niedrigen Eigenkapitalrenditen in Verbindung mit steigenden Risikolasten zu kurzfristigen und als heftig wahrgenommenen Strukturanpassungen führen. Betroffen sein werden insbesondere das Corporate Lending und das Transaction Banking als Folge der Relokation von Wertschöpfungsketten. Aus heutiger, vorläufiger Sicht sind Segmente wie das Wealth und Asset Management sowie viele Bereiche des Investmentbankings derzeit noch weitestgehend Corona-resilient.

Welche Prognosen gibt es für die deutsche Bankenbranche 2021?

Mit Blick auf die kommenden zwölf Monate werden wir bei den Geldhäusern hierzulande ein gemischtes Bild sehen. Grundsätzlich funktioniert die Resilienz der Bankenlandschaft, basierend auf der verbesserten Kapitalausstattung als Reaktion auf die globale Finanzkrise 2008. Entscheidend wird sein, wie sich die Konjunktur in den kommenden Monaten entwickeln wird. Wenn es zu einem globalen U-Verlauf kommt, dann wird es kritische Bereiche und Segmente wie Konsumentenkredite, Firmenkundengeschäft und Fintechs geben, für die eine Prognose schwierig bleibt. Diese Krise betrifft eine Branche, die gerade selbst eine Dauerbaustelle ist. Man denke nur an die öffentlich bekannten Transformationsprogramme der Deutschen Bank, der Commerzbank sowie im öffentlichen Sektor etwa der Norddeutschen und der Bayerischen Landesbank. Alle diese Institute mussten schon vor Corona hart an ihrer Umstrukturierung arbeiten.

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Wie führende Geldhäuser mit der Corona-Lage umgehen.

Michael Hammerschmidt

Abteilungsleiter Geschäftsfeldsteuerung, Bereich Genobanken/Verbund, DZ Bank

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"Die DZ Bank hat frühzeitig die Möglichkeiten des mobilen Arbeitens genutzt. Da unsere IT-Systeme von Beginn an zuverlässig funktioniert haben, konnten seit Mitte März rund 90 Prozent unserer Belegschaft von zu Hause aus arbeiten. Auch Kundentermine fanden überwiegend virtuell statt, was ebenfalls gut funktioniert hat. Gleichwohl freuen sich viele Kollegen wieder auf den persönlichen Austausch untereinander und mit den Kunden. Beides versuchen wir, unter Beachtung der Sicherheitsmaßnahmen zu ermöglichen. Wir haben viel aus der Krise mitgenommen. Derzeit diskutieren wir, was wir auch künftig beibehalten wollen. Dazu gehören zum Beispiel die elektronische Freigabe von Zahlungsverkehrsaufträgen, die E-Signatur und eine verstärkte Nutzung des mobilen Arbeitens. Insofern wird die Zukunft wohl hybride Modelle der Arbeitsorganisation bringen."

Knut Straeter

Leiter Vertriebsmanagement Privatkunden Deutschland, Deutsche Bank

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"Mit Ausbruch der Pandemie hat die Deutsche Bank umfangreiche Vorkehrungen getroffen, um Mitarbeiter, Kunden und Geschäftspartner so weit wie möglich vor einer Ansteckung zu schützen. Gleichzeitig haben wir alles daran gesetzt, unseren Kunden und Geschäftspartnern auch weiterhin in ganz Deutschland mit unserer Beratung, unseren Dienstleistungen und Produkten zur Verfügung zu stehen. Es tut gut, in dieser Krise Teil der Lösung zu sein. Ich bin davon überzeugt, dass die Welt nach Covid-19 eine andere sein wird, sowohl für unsere Kunden als auch für uns als Bank."

Jan Rolin

Bereichsleiter Vertriebsmanagement Firmenkunden Deutschland, Commerzbank

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"Die Gesundheit unserer Kunden und Mitarbeiter steht für uns an erster Stelle. Deshalb haben wir konsequent auf Split- und Homeoffice gesetzt und damit unseren Geschäftsbetrieb vollumfänglich und reibungslos aufrechterhalten. In puncto KfW-Corona-Hilfen haben wir mehr als 20.000 Finanzierungsanfragen bekommen und derzeit rund zwölf Milliarden Euro Kredite für Unternehmer- und Firmenkunden zur Verfügung gestellt. Dies und die Tatsache, dass wir in einer Umfrage zum zweiten Mal in Folge zur führenden Bank für Firmenkunden gewählt wurden, freut uns sehr. Was zeigt uns letztlich diese Krise? Das auf tiefem Vertrauen und Nähe zwischen Kunden und Finanzinstitut basierende Hausbankprinzip erfährt eine deutliche Stärkung. Ebenso erhalten der Trend zu mobilem und digitalem Arbeiten bei Kunden und Bank wie auch die Produkt-, Prozess- und Plattformdigitalisierung auf beiden Seiten einen spürbaren weiteren Schub."

Norbert Wolf

Geschäftsführer, Steyler Bank

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"Sowohl die Verantwortlichen für IT und Organisation als auch unsere Mitarbeiter haben schnell reagiert und dafür gesorgt, dass unser Bankbetrieb nahezu reibungslos weiterlaufen konnte. Zwar bedauern wir es, dass wir aus Gründen des Gesundheitsschutzes die Schalterhalle schließen mussten. Da wir aber schon seit vielen Jahren auch über digitale Kanäle und telefonisch beraten, waren wir jederzeit für unsere Kunden erreichbar. Egal ob im Homeoffice oder am regulären Arbeitsplatz: Alle Mitarbeitenden haben sich mit großem Engagement eingebracht und sich selbstständig untereinander vernetzt. Ein zuverlässiger Bankbetrieb ist also auch ohne die ständige Präsenz aller Angestellten in der Filiale möglich. Schlussendlich bin ich aber auch davon überzeugt, dass man langfristig nur mit Homeoffice nicht erfolgreich sein wird."

Daniel Kapffer

Vorstandsmitglied und Chief Operating Officer, Dekabank

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"Die Dekabank hat frühzeitig und intensiv auf die Herausforderungen reagiert. In Phase eins lag unser Fokus auf Krisen- und Risikomanagement, der Liquidität in den Bankbüchern und den Sondervermögen sowie auf der Begleitung unserer Kunden. Jetzt sind wir in Phase zwei: Kunden und Geschäftspartner begleiten wir wegen der volkswirtschaftlichen Verwerfungen weiterhin eng. Desweiteren fokussieren wir uns auf die Steuerung der Risiken im Kreditportfolio sowie der Kapitalposition. Schließlich gilt es, das 'New Normal' im Geschäftsbetrieb zu finden und Antworten auf die durch Corona noch schnellere Entwicklung der Digitalisierung und den neuen Arbeitsformen zu finden."

Ralf Fleischer

Vorstandsvorsitzender, Stadtsparkasse München

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"Entscheidend für uns als regionale Sparkasse wird die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland sein. Im Firmenkundengeschäft sind in einer ungünstigen Situation auch entsprechende Wertberichtigungen durch Insolvenzen nicht auszuschließen. Darauf bereiten wir uns mit entsprechenden Risikorückstellungen vorsorglich vor. Die Corona-Krise hat vieles infrage gestellt. Das gilt auch für die Bankenregulierung. Seit der Finanzkrise vor über zehn Jahren haben die gesetzlichen und aufsichtlichen Vorgaben die Kreditinstitute immer mehr belastet. Damit Banken und Sparkassen Unternehmen individuell beraten sowie umgehend mit Liquidität und Finanzprodukten versorgen können, haben Gesetzgeber und Aufseher das Regulierungskorsett im Schnellverfahren deutlich gelockert."

Klaus Vehns

Geschäftsführer, Rabobank Frankfurt

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"Natürlich hat die Corona-Krise, wie jede Wirtschaftskrise, Auswirkungen in den Bereichen der wirtschaftlichen Stabilität unserer Kreditkunden, im Anlageverhalten der Privatkunden und beim Zugang zu Refinanzierungen über den Geld- und Kapitalmarkt. Die Rabobank spürt alle diese Faktoren vor allem im niederländischen Heimatmarkt, in dem wir als große Universalbank breit aufgestellt sind. Wir haben aber insgesamt und insbesondere bei der Rabodirect keine Zugeständnisse vornehmen müssen oder Einschränkungen bei unserer Kundenbetreuung. Wir konnten auch während der Krise alle Leistungen aufrechterhalten. Als Gesamtinstitut sind wir solide positioniert, diese Krise sehr gut überstehen zu können."

Umfrage im Bankmagazin-Beirat .

Welche Herausforderungen und Chancen die Corona-Krise für Privatbanken, Sparkassen und genossenschaftliche Institute birgt, erörterten die Bankmagazin-Beiräte mit der Redaktion anlässlich ihrer jährlichen Sitzung am 17. Juni 2020. Wegen der geltenden Sicherheitsmaßnahmen erfolgte das Meeting virtuell in einer Videokonferenz. Die ausgewählten Statements aus den unterschiedlichen Instituten zeigen, wie die Verantwortlichen in den vergangenen Wochen agiert haben.

Aufzeichnung: Christian Kemper

Kompakt.

  • Die Corona-Krise ist für die Finanzwirtschaft ein Treiber für Konsolidierung, Digitalisierung und Margendruck.

  • Deutschen Geldhäusern als Kreditgeber für Unternehmen geht es wegen der umfangreichen Hilfsprogramme für ihre Kunden derzeit besser als der ausländischen Konkurrenz.

  • Bei Banken und Sparkassen leiden einzelne Segmente unter den Folgen der Pandemie, darunter das Geschäft mit Immobilienkrediten.

Barbara Bocks

ist freie Wirtschaftsjournalistin in Bremen. Vor ihrer Arbeit als Journalistin war sie in einer deutschen Großbank tätig.graphic file with name 35127_2020_311_Figb_HTML.jpg


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