Abstract
Während eine kurzfristige parenterale Ernährung bei verschiedensten Indikationen in der Kinderchirurgie, der Kinderonkologie und der Kindergastroenterologie i. Allg. gut vertragen wird und vereinfacht durchzuführen ist, empfiehlt es sich aufgrund unterschiedlicher Prognosen bei der Indikationsstellung für eine längerfristige parenterale Ernährung zu berücksichtigen, ob es sich bei dem Kind um ein Früh- oder Neugeborenes handelt oder ob ein Kind jenseits der Altersgrenze von 4 Wochen ernährt werden muss.
Unter parenteraler Ernährung versteht man die Zufuhr von Nährstoffen, Wasser und Nahrungsenergie unter Umgehung des Magen-Darm-Trakts. Die Indikation für eine parenterale Ernährung sollte rechtzeitig gestellt werden, wenn der Patient nur auf diese Weise bedarfsgerecht ernährt werden kann; sie muss aber gleichzeitig äußerst kritisch gestellt werden, weil es sowohl die Ernährungsform mit den größten Risiken für den Patienten als auch die aufwendigste Form der Ernährung ist.
Indikationen
Während eine kurzfristige parenterale Ernährung bei verschiedensten Indikationen in der Kinderchirurgie, der Kinderonkologie und der Kindergastroenterologie i. Allg. gut vertragen wird und vereinfacht durchzuführen ist, empfiehlt es sich aufgrund unterschiedlicher Prognosen bei der Indikationsstellung für eine längerfristige parenterale Ernährung zu berücksichtigen, ob es sich bei dem Kind um ein Früh- oder Neugeborenes handelt oder ob ein Kind jenseits der Altersgrenze von 4 Wochen ernährt werden muss.
Neonatale Indikationen
Frühgeborene müssen nach individueller Beurteilung ihrer enteralen Verdauungskapazität über einige Tage bis Wochen parenteral ernährt werden. Im Neugeborenenalter manifestieren sich zum einen Fehlbildungen, die mit einem Darmversagen assoziiert sind, z. B. langstreckige Atresien, Gastroschisis oder ein neonataler Volvulus, zum anderen Entzündungen, z. B. die nekrotisierende Enterokolitis. Unter Umständen resultiert aus diesen Erkrankungen ein Kurzdarmsyndrom. Bei angeborenen Störungen der Darmschleimhaut, z. B. Mikrovillusinklusionserkrankung oder Tufting-Enteropathie (▶ 10.1007/978-3-642-24710-1_6#Sec12), verhindert die unbeeinflussbare Diarrhö eine Ernährung über den Gastrointestinaltrakt. Seltene Ursachen für die Notwendigkeit einer parenteralen Ernährung sind Mekoniumileus, vaskuläre Anomalien der A. mesenterica, Omphalozele und kongenitaler Kurzdarm.
Postneonatale Indikationen
Jenseits des Neugeborenenalters stellen Transportstörungen aufgrund neuronaler oder muskulärer Dysplasien des gesamten Magen-Darm-Trakts oder einzelner Abschnitte eine Indikation zur parenteralen Ernährung dar. Neben Volvulus und Mesenterialinfarkt kann eine schwere Enterokolitis oder ein stumpfes Bauchtrauma eine ausgedehnte Darmresektion mit resultierendem Kurzdarmsyndrom erforderlich werden lassen.
Zudem kann im Rahmen der Therapie chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen (insbesondere des M. Crohn) in sonst therapierefraktären Fällen für einige Wochen eine parenterale Ernährung angezeigt sein.
Infusionslösungen
Wenn die Indikation zur parenteralen Ernährung gestellt ist, muss im zweiten Schritt die Mischinfusionslösung so konzipiert werden, dass sie die bedarfsgerechte Nährstoff-, Wasser- und Energiezufuhr gewährleistet und gleichzeitig eine ausreichende Stabilität aufweist; der zweite Aspekt ist von Pharmazeuten zu gewährleisten, die hierfür den Regeln der „guten pharmazeutischen Praxis“ folgen.
Die Deckung des Bedarfs des Kindes zu gewährleisten, ist Aufgabe des Arztes, der die Verantwortung dafür übernehmen muss, dass das Kind oder der Jugendliche weder durch einen Mangel noch durch eine zu hohe Nährstoffzufuhr Schaden erleidet.
In der Praxis ist es einerseits hilfreich, auf industriell vorgefertigte Infusionslösungen zurückgreifen zu können; andererseits darf man darüber nie die Orientierung am individuellen Bedarf des Kindes aus dem Auge verlieren, denn angeborene und erworbene Stoffwechseleigenschaften variieren stark von Kind zu Kind.
Kompatibilität, Stabilität, Verträglichkeit und Sicherheit
Neben der bedarfsgerechten Zusammensetzung der Mischinfusionslösungen sind die Kompatibilität der Ausgangslösungen sowie die Stabilität der Mischung entscheidende Voraussetzungen für die Verträglichkeit der parenteralen Ernährung. Neben deklarierten Zusätzen wie Lösungsmitteln, Emulgatoren und Konservierungsstoffen enthalten die industriell gefertigten Ausgangslösungen auch nichtdeklarierte Komponenten, die im Einzelfall zu Unverträglichkeitsreaktionen führen können. Daher ist in manchen Fällen der Wechsel des Präparats bei gleicher deklarierter Zusammensetzung erfolgreich. Im Rahmen der Arzneimittelsicherheit haften Hersteller der Ausgangs- wie auch der Mischlösung für die Sicherheit, d. h. die Lösungen müssen frei sein von Kontaminationen, z. B. Pyrogenen, und von mikrobiellen Verunreinigungen.
Osmolarität
Eine parenterale Ernährung kann in der Regel über periphere Venen erfolgen, wenn die Osmolarität der Infusionslösung <800–900 mosmol/l beträgt. Da Glukose derjenige Nährstoff ist, der in der größten Menge zugeführt werden muss, ist die Glukosekonzentration hauptverantwortlich für die Gesamtosmolarität der Lösungen.
Bei einer Deckung des gesamten Energiebedarfs über die parenterale Ernährung ist ein zentralvenöser Zugang unvermeidlich und sollte auch mit Blick auf die voraussichtliche Dauer der parenteralen Ernährung angelegt werden. Während eine kurze Nutzungszeit einen direkten zentralvenösen Zugang, z. B. Subklaviakatheter oder Jugulariskanüle, nahelegt, sollte bei einer absehbaren Nutzungszeit von mehr als 1–2 Wochen ein „getunnelter“ Zugang gewählt werden, z. B. ein Broviak-, Hickman- oder Grouchon-Katheter. Operativ implantierte, vollständig subkutane Systeme (Ports) sind für die parenterale Ernährung im Kindesalter nicht gut geeignet (▶ Abschn. 37.3.1).
Fixe und freie Mischungen
Je älter ein Kind ist, das parenteral ernährt werden muss, desto eher stellt sich die Frage nach der Anwendung industriell vorgefertigter, fixer Mischlösungen. Bei diesen Lösungen erfolgt die Anpassung an den Energie- und Nährstoffbedarf über das infundierte Volumen.
Bei kleineren Kindern ist die Nährstoffkonzentration aufgrund des am Wachstum orientierten Bedarfs höher zu wählen als bei Erwachsenen, so dass vorgefertigte Mischlösungen allenfalls für kurze Zeiträume in Betracht gezogen werden sollten.
Bedarfsorientierung
Eine parenterale Ernährung ist unter Abwägung der Risiken und des Aufwandes nur dann gerechtfertigt, wenn sie einen wesentlichen Beitrag zur Energie- und Nährstoffversorgung des Organismus leistet. ◘ Tab. 37.1 gibt einen Überblick über den Basisbedarf im Kindesalter.
| Energie und Nährstoffe | Frühgeborene | Neugeborene, Säuglinge | Kleinkinder (1–3 Jahre) |
Kinder (4–10 Jahre) |
Jugendliche (11–15 Jahre) |
|---|---|---|---|---|---|
| Energie (kcal) | 110–120 | 90–100 | 75–90 | 75–90 | 30–75 |
| Wasser (ml) | 60–180 | 60–180 | 80–120 | 60–100 | 50–80 |
| Glukose (g) | 6–12 | 12–18 | 12–18 | 12–18 | 12–18 |
| Fett (g) | 3–4 | 3–4 | 3–4 | 2–3(–4) | 2–3 |
| Aminosäuren (g) | 1,5–4 | 1–2,5 | 1–2(–3) | 1–2(–3) | 1–2 |
| Kalzium (mg) | 20–32 | 20–32 | 11 | 11 | 7–11 |
| Phosphat (mg) | 14–15 | 14–15 | 6 | 6 | 6 |
| Magnesium (mg) | 4–5 | 4,2–5 | 2,4 | 2,4 | 2,4 |
| Natrium (mmol) | (0–)3–5 | 2–5 | 1–3 | 1–3 | 1–3 |
| Kalium (mmol) | (0–)2 | 1–3 | 1–3 | 1–3 | 1–3 |
| Chlorid (mmol) | (0–)5 | 2–3 | 2–3 | 2–3 | 2–3 |
| Zink (μg) | 450–500 | 100–250 | 100 | 50–500 | 50–500 |
| Eisen (μg) | 100–200 | 50–100 | 50–100 | 50–100 | 50–100 |
| Jod (μg) | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 |
| Kupfer (μg) | 20 | 20 | 20 | 20 | 20 |
| Molybdän (μg) | 1 (nur bei niedrigem Geburtsgewicht) | 0,25 | 0,25 | 0,25 | 0,25 |
| Mangan (μg) | 1–50 | 1–50 | 1–50 | 1–50 | 1–50 |
| Vitamin A (μg Retinoläquivalent) | 500 IU | 250–300 |
– <2 J: 250–300 – >2 J: 150 |
150 | 150 |
| Vitamin D (μg) | 160 IU | 0,8 |
– <2 J: 0,8 – >2 J: 10 |
10 | 10 |
| Vitamin E (μg) | 2,8–3,5 | 2,8–3,5 |
– <2 J: 2,8–3,5 – >2 J: 7 |
7 | 7 |
| Vitamin K (μg) | 80a | 10 |
– <2 J: 10 – >2 J: 200 |
200 | 200 |
| Niacin (mg) | 4–6,8 | 4–6,8 |
– <2 J: 4–6,8 – >2 J: 17 |
17 | 17 |
| Thiamin (mg) | 0,35a | 0,35–0,5 |
– <2 J: 0,35–0,5 – >2 J: 1,2 |
1,2 | 1,2 |
| Folsäure (μg) | 56a | 56 |
– <2 J: 56 – >2 J: 140 |
140 | 140 |
| Vitamin B6 (mg) | 180a | 0,15–0,2 |
– <2 J: 0,15–0,2 – >2 J: 1 |
1 | 1 |
| Vitamin B12 (μg) | 0,3a | 0,3 |
– <2 J: 0,3 – >2 J: 1 |
1 | 1 |
a Nach Greene et al. 1988.
J: Jahre.
Parenterale und enterale Zufuhr
Eine ausschließlich parenterale Zufuhr über längere Zeit ist nur in wenigen Fällen notwendig und gerechtfertigt, z. B. bei Transportstörungen mit Ileusgefahr oder schweren entzündlichen Veränderungen der Darmschleimhaut. In den meisten Fällen sollte unbedingt eine zusätzliche orale oder enterale Zufuhr erfolgen, selbst wenn sie aufgrund einer Verdauungs- oder Resorptionsinsuffizienz nicht zur Ernährung des Gesamtorganismus beitragen kann. Der Nutzen dieser Zufuhr ist vielfältig und umfasst u. a.:
luminale Nährstoffversorgung der Enterozyten,
Förderung der Zottenarchitektur der Dünndarmschleimhaut,
Auslösung der Entleerung der Gallenblase,
Vermeidung einer bakteriellen Über- und Fehlbesiedlung des Darms mit dem zusätzlichen Risiko der Translokation von Bakterien durch die Darmschleimhaut und der Aszension in die Gallenwege.
Für die minimale enterale Zufuhr wird eine Menge von 1 ml Nährstofflösung, z. B. Sonden- oder Säuglingsnahrung, pro kg KG/Tag empfohlen. Für die Stimulation der enteralen Hormone muss die Nahrung Fett enthalten. Hydrolysate bieten gegenüber intaktem Protein keine Vorteile. Kindern, die selbst trinken und/oder essen können, sollten keine unnötigen diätetischen Auflagen gemacht werden.
Neben dem bedingten ernährungsphysiologischen Nutzen ist die psychosoziale Integration durch Mahlzeiten im Familien- und Freundeskreis anzustreben. Die Kinder und Jugendlichen sollten auch den sensorischen Genuss bei oraler Nahrungsaufnahme kennenlernen. Bei Kindern unter parenteraler Ernährung, die sich der oralen Nahrungsaufnahme verweigern, kann mittels eines breiten Angebots von Nahrungsmitteln unterschiedlicher Geschmacksrichtung das Interesse am Essen und Trinken geweckt werden. Wenn von Geburt an über längere Zeit keine Nahrung oral aufgenommen wurde, kann eine Physiotherapie nach Castillo-Morales angezeigt sein, um die orale Motorik zu trainieren.
Glukose
Neben Fettemulsionen ist Glukose der Hauptenergieträger der parenteralen Ernährung, da die Menge derjenigen Triglyceride, die rasch hydrolysiert werden können, begrenzt ist. Glukose trägt erheblich zur Acidität und Osmolarität der Lösungen bei; die Acidität der Glukoselösungen liegt bei einem pH-Wert von 3,5–5,5. Obwohl andere Monosaccharide verzögerte Effekte auf den Blutglukosespiegel haben und geringere Schwankungen auslösen, sollte in der Pädiatrie nur Glukose als Kohlenhydrat in der parenteralen Ernährung verwendet werden – zum einen, um hepatische Komplikationen einer unerkannten Fruktoseintoleranz zu vermeiden, und zum anderen, weil die Zufuhr von Zuckeralkoholen (Xylit, Mannit) mit erheblichen diuretischen Effekten einher geht.
Als Folge der Glukoseinfusion kommt es zu einem Hyperinsulinismus, der zum einen bei hohem Zuckerangebot lipogenetisch wirkt und zum anderen bei der Einführung von Infusionspausen (▶ Abschn. 37.3.3) Hypoglykämien verursachen kann. Wenn Glukose aus Glykogenreserven der Leber mobilisiert werden kann, sollte die Neigung zu Hypoglykämien jedoch rasch verschwinden.
Eine zu hohe Glukosezufuhr führt zu einer Steatose der Leber, da die Glukose dann unmittelbar in die Lipogenese eingeführt wird. Daher sind insbesondere auf längere Sicht zu hohe Glukosegaben unbedingt zu vermeiden. Dies trifft lediglich für mangelernährte Kinder nicht zu, die in der Rehabilitationsphase bis zu 20 g Glukose/kg KG/Tag metabolisieren können.
Aminosäuren
Im Rahmen der parenteralen Ernährung werden Aminosäuren zur Deckung des Eiweißbedarfs zugeführt. Das Aminosäurenprofil der üblicherweise verwendeten Mischpräparate ist auf die Aminosäurenkonzentrationen im Blut des Kindes abgestimmt. Spezielle Aminosäurenlösungen für die Anwendung in der Pädiatrie tragen dem Bedarf im Kindesalter Rechnung. Auf die Anwendung solcher Lösungen ist zu bestehen, da die Aminosäurenlösungen für Erwachsene einen Teil der für das Kind notwendigen Aminosäuren (Phenylalanin, Cystein, Glutaminsäure und andere) nicht oder in zu geringer Menge enthalten.
Alle Vollaminosäurenlösungen zur i.v. Anwendung sind vom Hersteller als „hepatotoxisch“ deklariert und sollten strikt am minimalen Bedarf orientiert infundiert werden.
◘ Tab. 37.2 führt die Aminosäuren auf, die in den Lösungen zur Anwendung in der Pädiatrie enthalten sind.
| Aminosäuren | Infusionslösungen | |||||
|---|---|---|---|---|---|---|
| Aminoven infant 10 % | Aminopäd 10 % | Primene 10 % | ||||
| L-Alanin | 9,3 | 84 | 16 | 144 | 8 | 72 |
| L-Arginin | 7,5 | 90 | 9,1 | 109 | 8,4 | 101 |
| L-Asparaginsäure | – | – | 6,6 | 105 | 6 | 95 |
| L-Cystein | 0,5 | 53 | 0,5 | 53 | 1,9 | 194 |
| L-Glutaminsäure | – | – | 9,3 | 96 | 10 | 104 |
| L-Glycin | 4,2 | 123 | 2 | 59 | 4 | 118 |
| L-Histidin | 4,8 | 109 | 4,6 | 105 | 3,8 | 87 |
| L-Isoleuzin | 8 | 121 | 5,1 | 77 | 6,7 | 102 |
| L-Leucin | 13 | 127 | 7,6 | 75 | 10 | 98 |
| L-Lysin | 12 | 113 | 8,9 | 84 | 11 | 103 |
| L-Methionin | 3,1 | 124 | 2 | 80 | 2,4 | 96 |
| L-Phenylalanin | 3,8 | 102 | 3,1 | 84 | 4,2 | 114 |
| L-Prolin | 9,7 | 155 | 6,1 | 97 | 3 | 48 |
| L-Serin | 7,7 | 168 | 2 | 44 | 4 | 88 |
| L-Taurin | 0,4 | 120 | 0,3 | 90 | 0,3 | 90 |
| L-Threonin | 4,4 | 100 | 5,1 | 116 | 3,7 | 84 |
| L-Tryptophan | 2 | 75 | 4 | 150 | 2 | 75 |
| L-Tyrosin | 4,2 | 212 | 1,3 | 66 | 0,5 | 23 |
| L-Valin | 9 | 119 | 6,1 | 81 | 7,6 | 100 |
Fett gedruckte Zahlen weisen auf besonders große Varianzen hin.
Die Dosierung der Aminosäurenzufuhr orientiert sich am Eiweißbedarf. Als grobe Richtschnur sind im Neugeborenen- und Säuglingsalter 1,5–3 g/kg KG anzusetzen. Bei Kindern jenseits des 1. Lebensjahres sinkt der Eiweißbedarf auf 1–2 g/kg KG. Pro 1 g Aminosäuren sollten 30–40 kcal aus Glukose und Fett zugeführt werden, um eine optimale Metabolisierung zu erreichen. Mittels einer Eiweißbilanzierung lässt sich der Nettoproteinzuwachs bestimmen.
Empfehlungen für die Aminosäurenzufuhr im Rahmen der parenteralen Ernährung können ◘ Tab. 37.2entnommen werden. Bei zu hohen Aminosäurengaben steigt zunächst der Harnstoffspiegel im Blut, dann der Ammoniakspiegel. Stoffwechselgesunde Patienten unter parenteraler Ernährung weisen dabei in der Regel nur einen leichten Anstieg der Ammoniakkonzentration auf.
Lipide
Die Möglichkeit, dem Organismus Energie in Gestalt von Fettemulsionen zuführen zu können, ist eine Grundvoraussetzung für die parenterale Ernährung. Sie resultiert aus der hohen Kaloriendichte (kcal/ml) bei geringer Osmolarität. Neben ihrer unmittelbar nutritiven Funktion sind Fettemulsionen auch Träger für fettlösliche Vitamine und Medikamente.
Die größte Erfahrung mit Fettemulsionen in der parenteralen Ernährung liegen für Lösungen mit langkettigen Fettsäuren auf Sojaölbasis vor (◘ Tab. 37.3); in jüngerer Zeit sind zudem Lösungen mit mittelkettigen Triglyceriden sowie mit einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren in Vertrieb gebracht worden. Für die Anwendung dieser Lösungen liegen Erfahrungen und Empfehlungen für die Pädiatrie vor. Während für Präparate auf der Basis von Sojaöl allgemein und selbst bei Frühgeborenen eine gute Verträglichkeit angenommen werden kann, sollte bei beginnender Hepatopathie auf eine Lösung mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren umgesetzt werden (Goulet et al. 2010).
| Fettemulsion (Hersteller) | Zusammensetzung |
|---|---|
| Intralipid (Fresenius-Kabi) | Sojaöl |
| Clinoleic (Baxter) | Olivenöl und Sojaöl |
| SMOF lipid (Fresenius-Kabi) | Sojabohnenöl, MCT, Olivenöl und Fischöl |
| Structolipid (Pharmacia) | Mittelkettige Fettsäuren (aus Kokosöl) und Langkettige Fettsäuren (ausSojäöl) |
MCT mittelkettige Triglyceride.
Die Fettzufuhr sollte immer mit einer Menge von 0,5 g/kg KG begonnen und nach Bedarf auf max. 3 g/kg KG gesteigert werden. Ein Anstieg der Triglyceridkonzentration im Plasma zeigt die Kapazitätsbegrenzung der Triglyceridhydrolyse in der Leber und damit die Obergrenze der Metabolisierung an. Es sind Nüchtern-Triglyceridspiegel von <200 mg/dl anzustreben.
Je nach zugeführtem Gesamtinfusionsvolumen ist die Lipidemulsion als 10%ige, 20%ige oder 30%ige Lösung zu wählen. Neben dem geringeren Volumen liegt der Vorteil der höherprozentigen Lösungen darin, dass der Anteil an Emulgatoren und Stabilisatoren pro Gramm Fett in diesen Lösungen proportional niedriger ist als in der 10%igen Lösung.
Manche Untersucher berichten von günstigen Effekten eines zeitweisen Verzichts auf die Gabe von Fettemulsionen bei Sepsis und Hepatopathie. Wenn auf die Fettzufuhr verzichtet wird, muss aber ein isokalorischer Ersatz durch Glukose erfolgen, um eine katabole Stoffwechsellage zu vermeiden. Im Einzelfall kann es dabei notwendig werden, die tägliche Infusionsdauer zu verlängern oder durch Insulingaben eine Hyperglykämie zu vermeiden.
Beim „fat overload syndrome“ tritt nach parenteraler Fettzufuhr hohes Fieber auf, das nach Absetzen der Fettemulsion verschwindet. Die Pathogenese ist nicht geklärt.
Es ist zu beachten, dass die Galenik verschiedener Fettemulsionen bei Übereinstimmung der deklarierten Komponenten unterschiedlich ist. Daher kann bei Verträglichkeitsproblemen mit einer Lösung in manchen Fällen durch eine andere Lösung eine bessere Verträglichkeit erreicht werden.
Für Fettemulsionen mit „strukturierten Fetten“ (synthetische Triglyceride mit variablem Gehalt an kurz-, mittel- und langkettigen Fettsäuren) liegen nicht genügend Erfahrungen vor, um Empfehlungen für die Anwendung in der Pädiatrie zu formulieren.
Mineralstoffe
Die Homöostase von Natrium, Kalium und Chlorid wird endokrin durch Aldosteron reguliert. Verluste durch sekretorische Diarrhö, schwere Mangelernährung oder Erbrechen werden teilweise durch die Mobilisierung des Körpervorrats an diesen Stoffen ausgeglichen, müssen aber bei der Kalkulation der Zufuhr berücksichtigt werden. Zufuhrempfehlungen sind ◘ Tab. 37.1 zu entnehmen. Neben der Kontrolle der Konzentrationen im Blutplasma oder Serum sollte die Ausscheidung im Urin überwacht werden, um eine zu niedrige oder unnötig hohe Zufuhr zu vermeiden.
Während der Einbau von Kalzium in das Skelett in jedem Fall Vitamin-D-abhängig ist, entfällt bei parenteraler Ernährung der Vitamin-D-Bedarf für die enterale Kalziumaufnahme. Daher kann und sollte Vitamin D niedriger dosiert werden als bei oraler bzw. enteraler Ernährung, denn eine hohe Zufuhr von Vitamin D erhöht die Sensibilität des Knochens für toxische Effekte von Aluminium, das immer noch eine nicht deklarierte Kontamination vieler Infusionslösungen ist. Die Zufuhr von Kalzium und Phosphat sollte auf jeden Fall anhand der Urinausscheidung überwacht und gesteuert werden, da die Plasmaspiegel auch durch Mobilisation aus dem Knochen im Normbereich gehalten werden. Dabei spricht eine erhöhte Kalziumausscheidung für eine zu geringe Phosphatzufuhr. Umgekehrt zeigt eine erhöhte Phosphatausscheidung eine unzureichende Kalziumzufuhr an.
Spurenelemente
Die Zufuhr von Spurenelementen im Rahmen der parenteralen Ernährung erfolgt durch vorgefertigte Mischpräparate, die auf den angenommenen mittleren Bedarf abgestimmt sind. Für die Pädiatrie liegen spezielle Präparate vor; am häufigsten verwendet werden Inzolen pro infantibus und Peditrace.
Kobalt wird ausreichend mit Zyanokobalamin aufgenommen. Die Zufuhr von Zink und Selen muss ggf. zusätzlich erfolgen; bei Verdacht auf Jodmangel sollte das Präparat gewechselt oder Jodid oral zugeführt werden. Die meisten Patienten nehmen Jod aber auch perkutan aus Hautdesinfektionsmitteln auf. Dennoch wird eine minimale Jodzufuhr empfohlen.
Da die häufig operierten Patienten in der Vorgeschichte Transfusionen erhalten haben, ist der Eisenstatus in der Regel unproblematisch. Bei niedrigen Ferritinwerten oder geringer Transferrinsättigung kann Eisen gezielt substituiert werden, z. B. nach folgender Formel:
Gesamteisenbedarf (mg) = Blutvolumen × (12,5 – Ist-Hämoglobinkonzentration) × 0,04
Die Eisenlösung darf nicht mit der parenteralen Ernährung, insbesondere nicht gleichzeitig mit Vitaminpräparaten, infundiert werden.
Vitamine
Vitamine sind essenzielle Bestandteile jeder parenteralen Ernährung, die für mehr als 48 h appliziert wird, währenddessen der Patient oral oder enteral keine Vitamine aufnimmt. Die Zufuhr erfolgt in der Regel durch Mischpräparate, die eine abgestimmte Menge an den einzelnen hydrophilen bzw. lipophilen Vitaminen enthalten. Die meisten Empfehlungen geben Mengenangaben nur für die jeweiligen Mischpräparate an, so dass von einer eher ungenauen Steuerung der Vitaminzufuhr ausgegangen werden muss. Unpublizierte Untersuchungen haben gezeigt, dass die meisten Kinder unter langzeitiger parenteraler Ernährung in Deutschland ausreichend mit Vitaminen versorgt sind.
Bei der Verwendung der Mischpräparate ist auf die Vermeidung von Überdosierungen zu achten. Wenn bei fehlender Kalziumaufnahme aus dem Darm die Vitamin-D-Zufuhr entsprechend niedrig gehalten werden soll, bieten sich Mischpräparate für Erwachsene an, die aber gleichzeitig eine höhere Dosis an Vitamin A enthalten.
Die Vitamine werden den Lösungen unmittelbar vor der Infusion zugesetzt. Wasserlösliche Vitamine sollten über längere Zeit lichtgeschützt gelagert und appliziert werden (umwickelte Infusionsleitung). Die Verabreichung der fettlöslichen Vitamine erfolgt zusammen mit der Lipidemulsion, wenn diese isoliert infundiert wird.
Es bietet sich an, die Vitaminzufuhr nach funktionellen Parametern zu steuern, insbesondere Vitamin K nach der Gerinnungsfunktion und Vitamin D nach der Aktivität der alkalischen Phosphatase (Cave: erhöhte Werte der Isoenzyme bei Cholestase) und dem Parathormonspiegel, aber auch Folsäure nach der Segmentierung der Granulozyten und Vitamin B12 nach der Methylmalonsäureausscheidung mit dem Urin. Vitaminspiegel reflektieren nicht immer zuverlässig den Versorgungsstatus.
Infusionstechniken
Peripher- und zentralvenös
Ob die Applikation einer parenteralen Ernährung über periphere Venen oder einen zentralvenösen Zugang erfolgen muss, ist im Wesentlichen eine Frage der Osmolarität. Die Obergrenze für die periphere Zufuhr liegt bei 800 mosm/l, bei sehr kleinen Kindern eher niedriger. Wegen der niedrigeren Osmolarität werden Fettemulsionen peripher besser vertragen als Glukoselösungen.
Für die zentralvenöse Zufuhr eignen sich „getunnelte“ Katheter, d. h. Katheter, die durch die V. jugularis interna oder die V. subclavia in die obere Hohlvene geführt werden, dann aber nicht unmittelbar durch die Haut nach außen verlegt sind, sondern durch einen subkutanen Tunnel auf die vordere Brustwand gelangen, vorzugsweise in der vorderen Axillarlinie ( Broviak-, Hickman- oder Grouchon-Katheter). Die Spitze des Katheters sollte in jedem Fall am Übergang der oberen Hohlvene in den rechten Vorhof des Herzens liegen – nicht im rechten Vorhof. An der Stelle, an der der Katheter durch die Haut nach außen geführt wird, sitzt fest auf dem Katheter eine Filzmanschette, in die nach der Implantation Fibroblasten einsprossen. Erst wenn der Katheter fest eingewachsen ist, ist der Tunnel vor Infektionen geschützt. Bei der Entfernung des Katheters muss die Manschette an dieser Stelle in Lokalanästhesie scharf herauspräpariert werden.
Im Zweifelsfall sind einlumige Katheter immer mehrlumigen Kathetern vorzuziehen, da das Infektionsrisiko mit der Zahl der Lumina steigt.
In der Pädiatrie haben sich komplett subkutan verlegte zentralvenöse Systeme (Port-a-cath) nicht als günstig erwiesen. Durch den turbulenten Fluss in der Portkammer kommt es leicht zu Ablagerungen, die der langzeitigen Nutzung der Systeme entgegenstehen. Solche Zugänge sind der Applikation von Medikamenten vorbehalten. Wenn nicht bei der Implantation die sensible Innervation der Haut über der Portkammer durchtrennt worden ist, wird das regelmäßige Anstechen der Kammer zudem als unangenehm empfunden.
Die Verwendung von mit Silbernitrat beschichteten zentralvenösen Kathetern zur Vermeidung von Infektionen durch das Katheterlumen hat sich nicht durchgesetzt.
Bei wiederholter Neu-Implantation zentralvenöser Katheter kann die Suche eines geeigneten Blutgefäßes schwierig werden. Hierzu ist die Durchführung einer Dopplersonographie (zur Darstellung der peripheren Venen inklusive V. jugularis und V. subclavia) oder einer Angiomagnetresonanztomographie (Vorteile bei der Darstellung der zentralen Venen) angezeigt, wodurch die Gefäßsituation auch nach Thrombosierung der üblichen Zugangswege gut darstellbar ist. In Extremfällen ist die Anlage eines arteriovenösen Shunts oder eine Implantation des Katheters in das Herzohr zu erwägen. Von der Anlage von Femoraliskathetern ist abzusehen, da sie bei längerer Nutzung kaum vor Infektionen geschützt werden können. Schwierigkeiten bei der Suche nach einem geeigneten Blutgefäß sind keine Indikation für eine Dünndarmtransplantation.
Dauer und Prognose
Bei zahlreichen Indikationen ist es gängige Praxis geworden, über Zeiträume von wenigen Tagen bis Wochen eine parenterale Ernährung durchzuführen, z. B. perioperativ bei größeren Eingriffen sowie in der Onkologie und in der Neonatologie. Vorteilhaft ist es, die voraussichtliche Dauer der parenteralen Ernährung zu Beginn abzuschätzen und bei Zeiten von mehr als einer Woche einen getunnelten zentralvenösen Katheter chirurgisch legen zu lassen. Dies erspart den Patienten Komplikationen mit Systemen, die nur im Rahmen der Intensivmedizin ohne hohes Risiko genutzt werden sollten.
Als Anhalt für die Prognose der enteralen Adaptation kann dienen, dass Kinder mit einem unkomplizierten Kurzdarmsyndrom, das unmittelbar nach der Geburt durch eine ausgedehnte subtotale Darmresektion verursacht wird, eine gute Chance haben, im Alter von 2–3 Jahren voll oral ernährt werden zu können; dies gilt insbesondere, wenn die Ileozökalklappe erhalten ist. Zu dieser Prognose trägt zum einen die Regenerations- und Adaptationsfähigkeit des neonatalen Darms bei, zum anderen sinkt der Energie- und Nährstoffbedarf pro Kilogramm Körpergewicht jenseits des Säuglingsalters deutlich ab. Bei Kindern, die bei Beginn der parenteralen Ernährung älter sind als 1 Jahr, z. B. nach Volvulus im 3. oder 4. Lebensjahr, sowie bei nervalen und muskulären Störungen des Magen-Darm-Trakts kann erfahrungsgemäß keine vollständige enterale Adaptation erwartet werden.
In jedem Fall müssen auftretende Komplikationen der parenteralen Ernährung soweit möglich vermieden und so früh wie möglich erkannt und kompromisslos behandelt werden, um den Kindern die Chance der enteralen Adaptation bzw. die Perspektive einer hohen Lebensqualität unter parenteraler Ernährung zu erhalten. Denn ohne enterale Adaptation bleiben die Kinder lebenslang auf die parenterale Ernährung oder die Chance einer Darmtransplantation angewiesen. Im Jahre 2011 wurde die Transplantatüberlebenszeit nach 3 Jahren mit 65–74 % angegeben (Children’s Hospital of Pittsburgh 2012). Nach isolierter Dünndarmtransplantation ist auch eine Besserung hepatischer Veränderungen beschrieben worden. In Einzelfällen haben Kinder mit fortgeschrittenen Leberveränderungen unter parenteraler Ernährung von einer Lebertransplantation profitiert.
Die Mortalität von Kindern und Jugendlichen unter parenteraler Ernährung ist wesentlich durch infektiöse und hepatische Komplikationen bedingt, die im frühen Stadium noch günstig beeinflusst werden können.
Infusionsregimes
Während im stationären Bereich die kurzfristige parenterale Ernährung in der Regel über 24 h durchgeführt wird, sind bei der langzeitigen, normalerweise zu Hause durchgeführten parenteralen Ernährung Infusionspausen eine Voraussetzung für die Durchführbarkeit dieser Ernährungsform. Keiner Familie ist die ununterbrochene Überwachung der Infusion über 24 h zuzumuten. Zugleich deuten Studien darauf hin, dass solche Pausen ( „Zyklisierung“ der Infusion) auch für endokrine und metabolische Regulationen des Organismus günstig sind und dazu beitragen, Komplikationen zu vermeiden. Da die kontinuierliche parenterale Glukosezufuhr mit der Entwicklung eines Hyperinsulinismus assoziiert ist, kommt es bei Einführung von Pausen zu einem Absinken des Blutzuckerspiegels, was bei langsamem Einsetzen der Glukagonfreisetzung und bei fehlenden Glykogenreserven in der Leber auch zu Hypoglykämien führt. Dem kann zum einen durch die Einführung kurzer Infusionspausen vorgebeugt werden, die dann langsam gesteigert werden. Zum anderen wird Glukose bereits in der Mundhöhle resorbiert, so dass die orale Glukosegabe eine sichere Prävention von Unterzuckerungen ermöglicht. Infusionspausen bedeuten auch, dass die Zeit verkürzt wird, in der dem Körper Nährstoffe zugeführt werden. Aufgrund des hohen Nährstoff-, Energie- und Wasserbedarfs im Säuglingsalter können die Pausen in dieser Altersstufe nicht über 2–4 h hinaus ausgedehnt werden. Bei älteren Kindern und Jugendlichen kann die Infusionszeit bis auf 8 h verkürzt werden; dies ermöglicht auch eine nicht durch Harndrang gestörte Schlafphase, die für die hormonale Wachstumsregulation wichtig ist.
Pflege des zentralen Venenkatheters
Handhabung und Pflege des zentralvenösen Zugangs sind eine entscheidende Säule der Prävention von Komplikationen. Deutet ein Verschluss des Katheters auf eine galenische Instabilität der Mischlösung hin, so sind katheterassoziierte Infektionen häufig Folge von Mängeln beim An- und Abschließen der Infusion oder bei der Katheterpflege; sie treten lokal als „Tunnelinfektion“ oder systemisch als Sepsis auf. Bei häufig rezidivierenden systemischen Infektionen ist allerdings auch an eine Pathogenese auf der Basis der Translokation von Bakterien aus dem Magen-Darm-Trakt zu denken.
Funktionsfähigkeit und -dauer zentralvenöser Systeme für die langzeitige parenterale Ernährung hängen unmittelbar von der Katheterpflege ab. Diese sollte von möglichst wenigen Personen pro Patient möglichst standardisiert erfolgen. Für einen bewährten Pflegestandard wird hier auf eine praxisorientierte Publikation verwiesen (Brandstätter u. Roos-Liegmann 2005).
Je weniger Personen in die tägliche Katheterpflege involviert sind, desto geringer ist das Risiko einer Infektion.
Die Instillation von Antibiotika in den Katheter kann die systemische Sepsistherapie unterstützen und bei rezidivierenden katheterassoziierten Infektionen auch prophylaktisch eingesetzt werden. Lediglich bei Pilzinfektionen wird die Explantation des Katheters als unvermeidlich angesehen. Auch bei Auftreten einer disseminierten intravasalen Gerinnung im Rahmen einer Sepsis muss der Katheter in aller Regel entfernt werden.
Die lange Zeit praktizierte Anwendung von Heparin zur Vermeidung von thrombotischen Obstruktionen im Katheter war nicht wissenschaftlich begründet und ist inzwischen verlassen worden, nachdem Studien keinen Vorteil für Kinder zeigen konnten, die prophylaktisch mit Heparin behandelt wurden. Bei der seltenen Platzierung der Katheterspitze im Herzohr muss ein Antikoagulans gegeben werden.
Teilweise empfohlen wird die regelmäßige Spülung des zentralen Venenkatheters mit Alkohol (95%iges Alkoholkonzentrat der Fa. Braun) oder mit Salzsäure (7,25%ige Salzsäure der Fa. Braun). Beides soll Ablagerungen im Katheter vorbeugen; tatsächlich können Lipidreste erfolgreich gelöst und aus dem Katheter gespült werden. Die am Kathetervolumen orientierten geringen Mengen an Alkohol bzw. Salzsäure sind pharmakologisch unbedenklich, so dass die Spüllösung nicht abgezogen werden muss, sondern eingespült werden kann.
Ernährungsmonitoring
Körperliche Untersuchung
An erster Stelle der Überwachung einer bedarfsgerechten parenteralen Ernährung im Kindes- und Jugendalter steht die Erfassung von Gewicht, Länge und Kopfumfang. Eine parenterale Ernährung ist nicht zwangsläufig mit Kleinwuchs oder Untergewichtigkeit assoziiert, sondern die Kinder wachsen und nehmen an Gewicht zu wie gesunde Kinder, die sich im Bereich zwischen dem Median und minus 0,1 bis 2 Standardabweichungen vom Median entwickeln. Nimmt ein Kind sehr schnell an Gewicht zu, kann durch die bioelektrische Impedanzanalyse der Körperfettgehalt abgeschätzt werden, um ggf. die Energiezufuhr dem Bedarf anzupassen. Neben den anthropometrischen Messungen sollte immer auch die körperliche Untersuchung stehen, um die Proportionen und ggf. den Pubertätsfortschritt zu beurteilen und um Befunde einer Struma, einer Rachitis, einer Anämie, einer Hyporeflexie, eines Ikterus, einer Hepatopathie oder einer Blutungsneigung nicht zu übersehen.
Aus zentralvenösen Kathetern, die zur langzeitigen parenteralen Ernährung genutzt werden, sollten keine Blutentnahmen erfolgen, da dies nach Erfahrungsberichten die „Lebensdauer“ der Katheter deutlich verkürzt.
Labordiagnostik
Bei normalem Wachstumsverlauf und Abwesenheit von Hinweisen auf Komplikationen (Fieber, Ikterus etc.) wird die Indikation für weitergehende Untersuchungen im Langzeitverlauf mit immer größer werdenden Zeitabständen gestellt. Nur solange der Infusionsplan noch kurzfristig geändert werden muss, sind engmaschige Kontrollen von Blutwerten indiziert. Bereits beim Übergang auf die parenterale Ernährung zu Hause sollten Blutuntersuchungen nur noch im Abstand von 2–4 Wochen erforderlich sein. Danach sinkt die Kontrollfrequenz auf einmal alle 3–6 Monate. Lediglich bei Verdacht auf Komplikationen muss diesem ohne Rücksicht auf vorherige Werte konsequent nachgegangen werden. Bei Blutuntersuchungen ist immer auf der Anwendung klinisch-chemischer Mikromethoden zu bestehen, um die iatrogenen Blutverluste so gering wie möglich zu halten.
Zu Beurteilung der bedarfsgerechten Zufuhr von Mineralstoffen (Natrium, Kalium, Chlorid, Kalzium, Phosphat) ist neben Blutuntersuchungen die Ausscheidung dieser Substanzen mit dem Urin heranzuziehen, da Blutspiegel durch Mobilisation aus dem Skelett und der Muskulatur im Normbereich gehalten werden, selbst wenn die Zufuhr zu niedrig ist. So können auch unnötig hohe Gaben vermieden werden. Die Beurteilung der Mineralstoffausscheidung erfolgt entweder in Mengen pro 24 h oder bezogen auf die Kreatininausscheidung. Die adäquate Magnesiumzufuhr wird anhand der Blutspiegel überwacht. Werden die Spurenelemente bedarfsorientiert zugeführt, sind in der Regel und bei fehlenden Hinweisen auf eine Mangelsituation Blutspiegelkontrollen in Abständen von einem Jahr ausreichend.
Die Untersuchung von Blutproben unter parenteraler Ernährung erfolgt unter verschiedenen Gesichtspunkten:
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Hinweise auf die aktuelle Homöostase und einen evtl. Hyperaldosteronismus liefern folgende Parameter:
- Natrium-, Kalium- und Chloridkonzentration,
- pH-Wert und Basenüberschuss,
- Kalzium- und Phosphatkonzentration,
- Triglycerid- und Glukosespiegel.
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Anhaltspunkte für die längerfristige bedarfsgerechte Ernährung ergeben sich u. a. aus folgenden Werten:
- Albumin-, Kreatinin-, Cholesterin- und Harnsäurekonzentration,
- HbA1c-Wert,
- Aktivität der alkalischen Phosphatase (indirekter Marker für Kalzium-, Phosphat- und Zinkspiegel; Cave: cholestatisch bedingte Aktivitätssteigerung des Enzyms),
- Konzentrationen von freiem T3 und T4,
- Thrombinzeit und partielle Thromboplastinzeit (PTT),
- Hämoglobinkonzentration und mittlere korpuskuläre Hämoglobinkonzentration (MCH),
- Ferritinspiegel (bei Verdacht auf Eisenmangel auch Transferrrinsättigung).
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Hinweise auf Komplikationen der parenteralen Ernährung liefern beispielsweise folgende Parameter:
- Bilirubinkonzentrationen (direktes und indirektes Bilirubin),
- Enzymaktivitäten der Transaminasen und der γ-Glutamyltranspeptidase (γ-GT),
- Aktivität der Cholinesterase,
- Quick-Wert,
- Konzentration des C-reaktiven Proteins (CRP),
- D-Dimer-Spiegel.
In Abhängigkeit von der Grunderkrankung sind individuell mehr Untersuchungen indiziert als zum Monitoring der parenteralen Ernährung wegen eines Kurzdarmsyndroms.
Sonographie und Röntgendiagnostik
Mittels Ultraschalldiagnostik können bei Patienten unter parenteraler Ernährung die Struktur von Leber, Milz, Niere und Gallenwegen sowie die Größe der Schilddrüse beurteilt werden; an diesen Organen können sich Folgen und Komplikationen der parenteralen Ernährung manifestieren. Weiterhin kann echokardiographisch die Lage der Katheterspitze am Eingang zum rechten Vorhof kontrolliert und die Spitze auf adhärente Thromben untersucht werden.
Röntgenuntersuchungen im Rahmen der langzeitigen parenteralen Ernährung dienen zur Beurteilung der Skelettreifung; die Knochendichte kann damit nur sehr grob abgeschätzt werden, sollte aber auch bei bedarfsorientierter Kalzium- und Phosphatzufuhr nicht pathologisch vermindert sein.
Risiken
Komplikationen unter parenteraler Ernährung können auf verschiedene Ursachen zurückgeführt werden. Zum einen kann die Grundkrankheit Folgen haben, die klinisch als Komplikationen der Ernährung erscheinen, z. B. kann eine neuronale Dysplasie sich auch auf die Gallenwege erstrecken und so eine Cholestase verursachen. Zum anderen verursachen u. U. Mängel oder eine übermäßige Zufuhr von Nährstoffen Komplikationen, z. B. eine Steatose der Leber bei zu hoher Glukosezufuhr. Schließlich kann die Grunderkrankung (z. B. bakterielle Überbesiedlung, u. a. bei Pseudoobstruktion) die Anfälligkeit für eine Ernährungskomplikation und die Ernährung die Empfindlichkeit für eine Komplikation der Grundkrankheit steigern.
Infektionen
Infektionen stellen eine der häufigsten – und oft lebensbedrohlichen – Komplikationen der langzeitigen parenteralen Ernährung dar. Nicht immer ist ihre Ätiologie eindeutig zu klären. Selbst wenn ein Keim nachweisbar ist, kann die Infektion über das Lumen des zentralvenösen Katheters, über die Außenseite des Katheters oder über eine sonstige Eintrittspforte erfolgt sein.
Von vitaler Bedeutung für die Patienten ist, dass unter parenteraler Ernährung immer an die Möglichkeit der bakteriellen Infektion gedacht wird. Nur dann kann beim ersten Auftreten von Symptomen (Fieber, Trinkschwäche, Müdigkeit, Entzündungssymptome) sofort reagiert werden.
Eine Entzündungsdiagnostik mittels CRP-Konzentration, Blutbild, Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit und anderen laborchemischen Parametern sollte nach Abnahme von Blut zur Anlage von Blutkulturen (aus dem Katheter und einer peripherer Vene) sofort von einer i.v. Antibiotikatherapie gefolgt werden. Häufigste Erreger einer Sepsis bei Patienten unter langzeitiger parenteraler Ernährung sind Staphylococcus epidermidis und Staphylococcus aureus, gefolgt von Enterobacter spp. und Escherichia coli. Mit geeigneten Breitbandantibiotika (z. B. Vancomycin, moderne Cephalosporine, Teicoplanin) kann so in den meisten Fällen die Infektion beherrscht und der Katheter erhalten werden.
Lokale Infektionen im Bereich des subkutanen Tunnels, in dem der Katheter zwischen dem Blutgefäß und der Austrittsstelle verläuft, werden durch lokale Rötung und Schwellung manifest. Ihre Behandlung erfolgt nicht nur lokal, sondern auch mittels systemischer Antibiotikagabe und sorgfältiger Überwachung hinsichtlich der Entwicklung einer Sepsis.
Eine besondere Problematik stellen „enterogene“ Infektionen aufgrund der Translokation von Bakterien aus dem Magen-Darm-Trakt dar. Bei manchen Patienten kommt es durch bakterielle Überbesiedlung oder Störungen der Peristaltik zu einem solchen Übergang von Bakterien in die Blutbahn. Daher kann es sinnvoll sein, bei rezidivierenden Sepsisepisoden im freien Intervall versuchsweise eine orale Therapie mit einem nichtresorbierbaren Antibiotikum (Colistin, Humatin) durchzuführen.
Schließlich stellen weder die Grunderkrankungen noch die parenterale Ernährung einen speziellen Schutz dar, so dass Kinder und Jugendliche für alle oberflächlichen und invasiven Infektionen bestenfalls genauso empfänglich sind wie gesunde Kinder. Wegen der deutlich größeren Gefahren der systemischen Ausbreitung müssen aber auch alle „banalen“ Infektionen konsequent behandelt werden.
Hepatopathie und Cholestase
Während in der älteren Literatur Hepatopathie und Cholestase als unvermeidliche Begleiterscheinungen langzeitiger parenteraler Ernährung angesehen werden, ist inzwischen gut dokumentiert, dass viel zur Prävention der Lebererkrankung getan werden kann. Dabei spielen eine wichtige Rolle:
bedarfsgerechte Zusammensetzung der Infusionslösung,
Vermeidung von Unverträglichkeiten einzelner – unter galenischen Gesichtspunkten zugesetzter – Komponenten,
Verwendung von Diethylhexylphthalat-( DEHT-)freien Infusionsbeuteln und -schläuchen,
Lichtschutz für Vitaminlösungen,
Vermeidung von Infektionen inklusive intestinale Translokation von Bakterien und Toxinen.
Größte Bedeutung kommt der regelmäßigen – zumindest minimalen – oralen oder nasogastralen Zufuhr zu, welche die Gastrin-Cholezystokinin-Achse stimuliert.
Bei Auftreten einer Cholestase (Erhöhung der Konzentration des direkten Bilirubins) oder andauernd gesteigerten Transaminasenaktivitäten muss immer sorgfältig nach der Ätiologie gesucht werden, um vermeidbare Komplikationen abzuwenden.
Weitere Organkomplikationen ( Nephropathie, Osteopathie und andere) sind insgesamt seltener und lassen sich – soweit sie nicht durch eine Grundkrankheit begünstigt werden – mit einem bedarfsgerechten Infusionsregime weitgehend vermeiden.
Orale und enterale Adaptation
Das Ziel der parenteralen Ernährung im Kindes- und Jugendalter besteht darin, die „gastrointestinale Insuffizienz“ wenn möglich zu überwinden und eine Adaptation an eine orale oder enterale Ernährung zu erreichen. Bei der Entwöhnung von der parenteralen Ernährung sollte allerdings die parenterale Zufuhr erst dann vermindert werden, wenn der Patient unter der oralen oder enteralen Zufuhr an Gewicht zunimmt. Für das Vorgehen bei der Entwöhnung wird auf ▶ 10.1007/978-3-642-24710-1_10#Sec13 verwiesen. Um im Rahmen der parenteralen Ernährung zu Hause nicht das Infusionsregime von Tag zu Tag zu ändern, kann zunächst ein „infusionsfreier“ Tag eingeführt werden, dann ein zweiter etc.
Nach jüngeren Erfahrungen erreichen die meisten Patienten mit unkompliziertem Kurzdarmsyndrom die enterale Adaptation, teilweise nach 2–3 Jahren, wenn der Energie- und Nährstoffbedarf pro Kilogramm Körpergewicht sinkt. Eine gut durchgeführte parenterale Ernährung soll dem Patienten die Chance geben, die Adaptation ohne schwerwiegende Komplikationen zu erreichen.
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