Abstract
Zwar lassen sich die meisten abdominalen Schmerzen lokalisieren, allerdings ist der Ort des stärksten Schmerzes nicht unbedingt identisch mit dem Ort der Schmerzentstehung. Dennoch empfiehlt sich zur Schmerzlokalisation ein systematisches Vorgehen, das – je nach klinischer Erfahrung des Untersuchers und der Akutheit des Geschehens – selbstverständlich auch abgekürzt werden kann: Zunächst wird davon ausgegangen, dass Schmerzlokalisation und Ort der Schmerzentstehung identisch sind. Es sind entsprechende gezielte Untersuchungsmaßnahmen einzuleiten (klinische Untersuchung, klinisch-chemische Diagnostik, Bildgebung). Ab dem Schulalter kann die angegebene Schmerzqualität wertvolle Hinweise auf die Schmerzursache geben. Ergeben sich keine Hinweise auf die zugrunde liegende (lokale) Schmerzursache, wird der Blick mehr auf diejenigen inneren Organe gerichtet, die über die Head- Zonen mit dem Ort der Schmerzlokalisation korrespondieren. Wird man auch hier nicht fündig, muss an eine Läsion im Verlauf der Afferenz gedacht werden. Übrig bleiben schließlich idiopathische Schmerzen, bei denen der Schmerz selbst die Krankheit darstellt und keine zu behandelnden Ursachen aufzufinden sind (Migräne, funktionelle Bauchschmerzen etc.). Davon abzugrenzen sind noch definierte kinderpsychiatrische Krankheiten, die mit Schmerzen einhergehen können.
Zwar lassen sich die meisten abdominalen Schmerzen lokalisieren, allerdings ist der Ort des stärksten Schmerzes nicht unbedingt identisch mit dem Ort der Schmerzentstehung. Dennoch empfiehlt sich zur Schmerzlokalisation ein systematisches Vorgehen, das – je nach klinischer Erfahrung des Untersuchers und der Akutheit des Geschehens – selbstverständlich auch abgekürzt werden kann: Zunächst wird davon ausgegangen, dass Schmerzlokalisation und Ort der Schmerzentstehung identisch sind. Es sind entsprechende gezielte Untersuchungsmaßnahmen einzuleiten (klinische Untersuchung, klinisch-chemische Diagnostik, Bildgebung). Ab dem Schulalter kann die angegebene Schmerzqualität wertvolle Hinweise auf die Schmerzursache geben. Ergeben sich keine Hinweise auf die zugrunde liegende (lokale) Schmerzursache, wird der Blick mehr auf diejenigen inneren Organe gerichtet, die über die Head-Zonen mit dem Ort der Schmerzlokalisation korrespondieren. Wird man auch hier nicht fündig, muss an eine Läsion im Verlauf der Afferenz gedacht werden. Übrig bleiben schließlich idiopathische Schmerzen, bei denen der Schmerz selbst die Krankheit darstellt und keine zu behandelnden Ursachen aufzufinden sind (Migräne, funktionelle Bauchschmerzen etc.). Davon abzugrenzen sind noch definierte kinderpsychiatrische Krankheiten, die mit Schmerzen einhergehen können.
Schmerzanamnese und Diagnostik
Schmerzanamnese
Wichtig sind Angaben zu:
Periodik und zeitlicher Charakteristik,
Qualität,
Lokalisation,
Intensität,
Begleiterscheinungen,
auslösenden und verstärkenden Faktoren,
lindernden Faktoren,
vorangegangenen Traumata,
Modalitäten und Effekten der bisherigen Therapie.
Klinisch unterscheidet man in akute Bauchschmerzen, die evtl. einer kinderchirurgischen Intervention bedürfen, und chronischen oder chronisch-rezidivierenden abdominalen Schmerzen, welche nach ausführlicher Diagnostik u. U. eine multidisziplinäre Therapie erfordern.
Schmerzmessung und -dokumentation
Zur Verlaufsbeobachtung und Therapieevaluation bei akuten Schmerzen sowie zur weiteren Diagnostik im Rahmen von chronischen Schmerzen ist eine Schmerzmessung unerlässlich.
Bei Kindern unter 4 Jahren oder einer Entwicklungsretardierung empfiehlt sich eine Fremdbeobachtung mittels standardisierter Instrumente wie der KUSS-Skala (Kindliche Unbehagen- und Schmerzskala, KUSS; ◘ Tab. 46.1).
Beobachtung | Bewertung | Punkte |
---|---|---|
Weinen | Gar nicht | 0 |
Stöhnen, Jammern, Wimmern | 1 | |
Schreien | 2 | |
Gesichtsausdruck | Entspannt, lächelnd | 0 |
Mund verzerrt | 1 | |
Mund und Augen grimassiert | 2 | |
Rumpfhaltung | Neutral | 0 |
Unstet | 1 | |
Aufbäumen, Krümmen | 2 | |
Beinhaltung | Neutral | 0 |
Strampelnd, tretend | 1 | |
An den Körper gezogen | 2 | |
Motorische Unruhe | Nicht vorhanden | 0 |
Mäßig | 1 | |
Ruhelos | 2 |
Für jede Variable ist nur eine Aussage zulässig. Die Dauer der Beobachtung beträgt 15 s. Es sind nur Daten aus dieser Zeit festzuhalten, auch wenn sich das Verhalten des Kindes danach ändert. Wiederholte Beobachtungen in festen Zeitabständen sind aussagekräftiger als eine Einzelbeobachtung. Zu jeder Beobachtung gehört die Bestimmung des Wachheitsgrades. Ein schlafendes Kind hat keinen akuten analgetischen Therapiebedarf. Eine Schmerzmedikation ist ab einem summierten Wert von >4 erforderlich. Mit steigender Punktzahl nimmt die Dringlichkeit zu.
Bei älteren Kindern sind Gesichterskalen hilfreich. Die wissenschaftlich am besten validierte Skala ist die Faces Pain Scale (◘ Abb. 46.1). Wählen Sie dabei die Formulierung „weh tun“ oder „Schmerzen“, je nachdem was zu dem jeweiligen Kind am besten zu passen scheint: „Diese Gesichter zeigen, wie weh etwas tun kann (wie sehr etwas schmerzen kann). Dieses Gesicht hier (auf das Gesicht ganz links zeigen) zeigt, dass es gar nicht weh tut (schmerzt). Die anderen Gesichter zeigen, dass es mehr und mehr weh tut (schmerzt) (auf die Gesichter der Reihe nach zeigen), bis hin zu diesem Gesicht, das zeigt, dass es ganz stark weh tut (schmerzt). Zeig mir mal das Gesicht, dass am besten zeigt, wie sehr es dir (gerade) weh tut (wie stark deine Schmerzen gerade sind).“ Vergeben Sie die Punkte 0, 2, 4, 6, 8 oder 10 für die Gesichter von links nach rechts, so dass 0 „kein Schmerz“ und 10 „sehr starker Schmerz“ bedeutet. Vermeiden Sie Worte wie „glücklich“ und „traurig“. Ziel dieser Skala ist es zu messen, wie viel Schmerzen die Kinder haben und nicht wie ihr Gesichtsausdruck ist.
Differenzialdiagnostik
Wichtige Differenzialdiagnosen akuter abdominaler Schmerzen sind in der nachfolgenden ▶ Übersicht aufgeführt.
Wichtige Differenzialdiagnosen chronischer abdominaler Schmerzen finden sich in der nachfolgenden ▶ Übersicht.
Differenzialdiagnosen akuter Bauchschmerzen
-
Krankheit am Ort der Schmerzlokalisation:
-
Gastroenterologisch:
- Appendizitis
- Blähungen (auch bei Nahrungsmittelallergie, Zöliakie, zystischer Fibrose und Kohlenhydratintoleranz)
- Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen
- Duodenalulkus
- Distales intestinales Obstruktionssyndrom bei zystischer Fibrose
- Enterokolitis
- Gallenstein(e)
- Gastritis
- Hepatitis
- Ileus, mechanisch oder paralytisch
- Intestinale Durchblutungsstörung (mesenterialarterielle Obstruktion)
- Invagination
- Magenulkus
- Nahrungsmittelallergie
- Entzündung eines Meckel-Divertikels
- Obstipation
- Pankreatitis
- Parasitäre Lebererkrankungen (z. B. Echinokokkose)
- Reizdarmsyndrom
- Volvulus
-
Gynäkologisch:
- Adnexitis
- Geburtswehen
- Drohende Uterusruptur
- Dysmenorrhö
- Rupturierte Ovarialzyste
- Rupturierte Tubargravidität
- Vorzeitige Plazentalösung
-
Nephrologisch:
- Harnwegsinfekt, Pyelonephritis
- Nierenstein(e)
-
Sonstiges:
- Bauchwandentzündung/-abszess
- Bauchwandhämatom (traumatisch)
- Douglas-Abszess, Psoasabszess
- Milzaffektion (subkapsuläres Hämatom, traumatisch und anderes)
- „Mittelschmerz“
- Peritonitis
- Retroperitoneales Hämatom
- Subkapsuläres Hämatom (Leber, Milz, Niere)
- Tumoren mit Obstruktion eines Hohlorganes (auch Neuroblastom, Lymphom oder Abszess)
- Virusinfektionen
-
-
Krankheit nicht am Ort der Schmerzlokalisation:
- Allergien (an C1-Esterase-Mangel denken)
- Basale Pneumonie/Pleuritis
- Diabetische Ketoacidose
- Epilepsie
- Familiäres Mittelmeerfieber
- Guillain-Barré-Syndrom (Parästhesien)
- Hodentorsion
- Migräne
- Orchitis, Epididymitis
- Porphyrie
- Purpura Schoenlein-Henoch
- Radikulitis (Bauchwand)
- Sichelzellenanämie
Differenzialdiagnosen chronischer Bauchschmerzen
Gastroenterologisch:
-
Entzündungen, Infektionen:
- Giardiasis, Ascariasis
- Hepatitis
- Lymphadenitis mesenterialis, chronische Appendizitis
- Pankreatitis
- Peptisches Ulkus
- Yersinienenterokolitis
-
Immunologische/entzündliche Erkrankungen:
- Colitis ulcerosa, M. Crohn
- Nahrungsmittelallergien
- Zöliakie
-
Folgen kongenitaler Malformationen:
- Kongenitale Darmstenose
- Chilaiditi-Syndrom
- Duplikatur (intestinal)
- Innere Hernie, Leistenhernie, Linea-alba-Hernie
- Malrotation
- Meckel-Divertikel
- M. Hirschsprung
- Oberes Mesenterialarteriensyndrom
- Pancreas anulare
- Pankreatikobiliäre Maljunktion mit oder ohne Choledochuszyste
- Rezidivierender Volvulus
-
Spätfolgen von Traumen:
- Adhäsionen
- Pankreatische Pseudozyste
- Subkapsuläre Blutung
-
Sonstiges:
- Gallenblasenerkrankungen
- Invagination
- Reizdarmsyndrom
- Aerophagie
Primär nicht gastroenterologisch:
-
Systemisch:
- Autoimmunerkrankungen
- Familiäres Mittelmeerfieber
- Heriditäres angioneurotisches Ödem
- Juvenile rheumatoide Arthritis
- Purpura Schoenlein-Henoch
- Rheumatisches Fieber
- Sichelzellenanämie, Thalassämie
- Malignome
-
Erkrankungen benachbarter Organe:
-
Gynäkologisch:
- Dysmenorrhö
- Endometriose
- Entzündungen im kleinen Becken
- Hämatokolpos, Tumoren
- Ovarialzysten oder -tumoren, ovarielle Stieldrehung
- Schwangerschaft
-
Nephrologisch:
- Hydronephrose
- Obstruktionen der Harnwege (z. B. Urethralklappe)
- Nierenkonkremente
- Pyelonephritis, Harnwegsinfektion
-
Pulmonologisch*:
- Asthma bronchiale
- Rezidivierende Pneumonie
- Pleurodynie
- Zystische Fibrose
-
Muskeln und Faszien:
- Psoasabszess
- Sportassoziierte Schmerzen („Joggerniere“)
-
-
Metabolische Erkrankungen*:
- Diabetes mellitus
- Endokrine Erkrankungen mit Obstipation (Hyperparathyreoidismus, Hypothyreose)
- Porphyria congenita
-
Sonstiges:
-
Ingestionen, Vergiftungen:
- Bleiintoxikation*
- Fremdkörperingestion
- Medikamentenwirkungen (Kortikosteroide, Salicylate, Anticholinergika, Phenytoin, Opioide)*
- Opiatentzug*
-
Neurologisch, psychiatrisch*:
- Abdominale Epilepsie
- Phobien
- Anorexia nervosa, Bulimie
- Riley-Day-Syndrom
-
* Anmerkung: Krankheit nicht unbedingt am Ort der Schmerzlokalisation
Allgemeine analgetische Pharmakotherapie
Nichtopioide
Siehe hierzu auch ◘ Tab. 46.2.
Medikament | Applikation | Einzeldosis (mg/kg KG) | Dosisintervall (h) | Tageshöchstdosis | Präparatebeispiele | |
---|---|---|---|---|---|---|
Bis zu einem Körpergewicht von 50 kg (mg/kg KG/Tag) | Erwachsene (mg/Tag) | |||||
Ibuprofen | p.o. | 10 | 6–8 | 40 | 2400 | Nurofen Saft (5 ml enthalten 100 mg); Suppositorien ab 60 mg |
Paracetamol | p.o., rektal | 15; Sättigungs-dosis zu Beginn der Therapie: 30 | 4–6 |
<2 Jahre: 60 >2 Jahre: 90 |
4000 | Ben-u-ron Saft (5 ml enthalten 200 mg); Suppositorien ab 75 mg |
i.v. | <1 Jahr 7,5; sonst 15; keine Sättigungsdosis | 6 |
<1 Jahr: 30 >1 Jahr: 60 |
4000 | Perfalgan 10 mg/ml (Flaschen à 500 oder 1000 mg) | |
Metamizol | p.o., i.v. rektal | 15 | 6 | 75 | 5000 | Novalgin Trpf. (1 Trpf. enthält 25 mg); Suppositorien à 300 und 1000 mg |
Diclofenac | p.o., rektal | 1 | 8 | 3 | 150 | Voltaren Tbl. à 12,5, 25 und 50 mg; Retardtbl. à 100 mg; Suppositorien ab 12,5 mg |
Paracetamol
Paracetamol ist das gängigste Nichtopioidanalgetikum in der Kinderheilkunde. Es beeinflusst weder die thrombozytäre Thromboxan-A2-Produktion noch die periphere Zyklooxygenase. Daher fehlen sowohl der hemmende Effekt auf die Plättchenaggregation und eine antiinflammatorische Wirkung als auch die für nichtsteroidale Antirheumatika typischen Nebenwirkungen wie gastrointestinale Mukosaschäden. Der genaue Wirkmechanismus von Paracetamol – der sich aber sicher zentralnervös manifestiert – ist bislang ungeklärt. Eine Hemmung der Zyklooxygenase im Zentralnervensystem und eine Störung der enzymatischen NO-Synthese werden diskutiert.
In der Kindergastroenterologie kann die Entgiftungskapazität der Leber für Paracetamol durch wiederholte Einnahme der Substanz, Fehlernährung oder die Grunderkrankung eingeschränkt sein. Es kann aber auch durch die gleichzeitige Gabe von Zytochrom-P450-Induktoren zu einer vermehrten Produktion des potenziell toxischen Metaboliten NABQUI kommen. Unabhängig von der Grunderkrankung existieren Polymorphismen der Zytochrom-P450-Expression (wie CYP2E1), die einzelne Kinder hinsichtlich hepatotoxischer Medikamente vulnerabler machen.
Wenn eine Langzeittherapie mit Paracetamol über länger als 72 h vorgesehen ist, sollten regelmäßig die Serumenzymaktivitäten der Glutamat-Oxalacetat-Tansaminase (GOT), der Glutamat-Pyruvat-Tansaminase (GPT) und die Gerinnungsparameter bestimmt werden. Unter Paracetamolgabe kommt es extrem selten zu Überempfindlichkeitsreaktionen oder zur Störung der Blutbildung bis hin zur Panzytopenie.
Die i.v. Darreichungsform von Paracetamol birgt theoretisch viele Vorteile, die sich in praxi jedoch erst noch beweisen müssen:
Es ist keine Sättigungsdosis notwendig.
Die Wirkung tritt schneller ein als nach oraler oder rektaler Gabe.
Es besteht eine hohe Dosissicherheit, da der Wirkstoff komplett aufgenommen wird.
Die empfohlene Tagesdosis (60 mg/kg KG) ist weit von toxischen Paracetamoldosen entfernt.
Acetylsalicylsäure (ASS)
ASS sollte bei thrombozytopenischen oder vor einer Thrombozytopenie stehenden Kindern gar nicht und in der übrigen Pädiatrie wegen der Gefahr eines Reye-Syndroms nur mit strenger Indikationsstellung eingesetzt werden.
Ibuprofen
Ibuprofen ist von allen nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) am besten verträglich. In der Kurzzeittherapie über wenige Tage führt es nicht zu mehr Nebenwirkungen als Paracetamol. Eine Dosisreduktion aller NSAR muss bei Nieren- oder Leberinsuffizienz erfolgen. Bei gleichzeitiger Gabe von NSAR mit Digoxin oder Methotrexat kommt es zur Serumspiegelerhöhung von Digoxin bzw. Methotrexat.
Metamizol
Metamizol wird in der Kindergastroenterologie sehr häufig in Kombination mit Tramadol oder Morphin zur Behandlung abdominaler Schmerzen mit spastischer Komponente eingesetzt, um die notwendige Opioidmenge und die damit verbundenen Nebenwirkungen (vor allem die Obstipation) zu minimieren. Seine antipyretische Wirkung birgt die Gefahr, dass Fieber als Zeichen einer Infektion supprimiert wird. Knochenmarkschädigungen sind laut wissenschaftlicher Informationsbroschüre eine Kontraindikation für die Anwendung von Metamizol, obwohl die Agranulozytose eine extrem seltene Nebenwirkung darstellt und beim Einsatz von Nichtopioidanalgetika keinesfalls spezifisch für Metamizol ist. Weitere wichtige Nebenwirkungen sind Überempfindlichkeitsreaktionen und Allergien. Diese können in Extremfällen und bei i.v. Gabe zum Kreislaufschock führen. Insbesondere bei hohem Fieber sollte Metamizol nur kontinuierlich i.v. oder als Kurzinfusion und bei instabilen Kreislaufverhältnissen gar nicht verabreicht werden. Vorsicht ist geboten bei Patienten mit Asthma- bzw. Allergieanamnese. Für die Kindergastroenterologie wichtige Arzneimittelinteraktionen weist Metamizol mit Ciclosporin auf: Bei gleichzeitiger Anwendung kann der Ciclosporinspiegel absinken.
Niedrigpotente Opioide: Tramadol
Tramadol ist ein reiner Opioidrezeptoragonist. Seine analgetische Wirkung wird durch eine Zunahme der Serotoninsekretion sowie durch die Blockade der synaptischen Wiederaufnahme von Noradrenalin im Zentralnervensystem gesteigert. Die unerwünschten Wirkungen Übelkeit, Erbrechen und Atemdepression werden beim Einsatz in der Pädiatrie selten beobachtet – auch weil bei Dosierungen von >8 mg/kg KG/Tag in der Regel ein Wechsel auf ein hochpotentes Opioid vorgenommen wird.
Tramadol ist ein sehr sicheres Medikament, welches in den empfohlenen Dosierungen keine messbare Atemdepression verursacht und eine spasmolytische Wirkkomponente aufweist. Alle niedrigpotenten Opioide weisen einen Ceiling-Effekt auf, d. h. ab einer Dosis von etwa 10 mg/kg KG/Tag führt eine Dosissteigerung nicht zu einer Zunahme der analgetischen Wirkung, wohl aber der Nebenwirkungen. Dosierungsempfehlungen zu Tramadol finden sich in ◘ Tab. 46.3.
Opioide | Applikationsform | Übliche Startdosis | Dosisverhältnis i.v. : p.o. | Äquianalgetische Dosierungen | Präparatebeispiele | |
---|---|---|---|---|---|---|
Körpergewicht von < 50 kg | Körpergewicht von > 50 kg | |||||
Hydromorphon | i.v. |
– 0,015 mg/kg KG alle 2–4 h – PCA-Bolus: 0,003 mg/kg KG – DTI: 0,005 mg/kg KG/h |
– 1–1,5 mg alle 2–4 h – PCA-Bolus: 0,15 mg – DTI: 0,3 mg/h |
1 : 3 | 1,5 mg |
– Palladon inject 2 mg – Palladon – unretardiert: 1,3 und 2,6 mg; retardiert: 4, 8, 16 und 24 mg |
p. o. |
– Unretardiert: 0,02–0,04 mg/kg KG alle 4 h – Retardiert: 0,04–0,08 mg/kg KG alle 8–12 h |
– Unretardiert: 1,3–2,6 mg alle 4 h – Retardiert: (2–)4 mg alle 8–12 h |
4,5 mg | |||
Morphin | i.v. |
– Bolus: 0,05 mg/kg KG alle 2–4 h – PCA-Bolus: 0,02 mg/kg KG – DTI: 0,02 mg/kg KG/h |
– 3 mg alle 2–4 h – PCA-Bolus: 1 mg – DTI: 0,5 mg/h |
1 : 3 | 10 mg | MSI 10 mg = 1 ml; 20 mg = 1 ml; 200 mg = 10 ml |
p.o. |
– Unretardiert: 0,15–0,3 mg/kg KG alle 4 h – Retardiert: 0,3–0,5 mg/kg KG alle 8–12 h |
– Unretardiert: 5–10 mg alle 4 h – Retardiert: 10 mg alle 8–12 h |
30 mg |
MST 20, 30, 60, 100, 200 Retardgranulat Morphin Merck-Trpf. 0,5 %: 16 Trpf. = 1 ml = 5 mg 2 %: 16 Trpf. = 1 ml = 20 mg |
||
Piritramid | i.v. |
– 0,05 mg/kg KG alle 4–6 h – PCA-Bolus: 0,025 mg/kg KG – DTI: 0,02 mg/kg KG/h |
– 5 mg alle 4–6 h – PCA-Bolus: 1 mg – DTI: 0,5 mg/h |
– | – | Dipidolor; Cave: mit vielen Substanzen inkompatibel; möglichst Gabe über ZVK |
Tramadol | i.v. |
– 1 mg/kg KG alle 3–4 h – DTI: 0,3 mg/kg KG/h |
– 50–100 mg alle 3–6 h – DTI: 10 mg/h |
1 : 1 | 100 mg |
– Tramal Trpf. (1 Trpf. enthält 2,5 mg) – Tramundin retard 100 mg (teilbar) |
p.o. |
– Unretardiert: 1 mg/kg KG alle 3–4 h – Retardiert: 2 mg/kg KG alle 8–12 h |
– Unretardiert 50–100 mg alle 3–4 h – Retardiert 100 mg alle 8–12 h |
100 mg | |||
Tilidin/ Naloxon | p.o. | Unretardiert: <20 kg: 0,5 mg/kg KG/Einzeldosis, mind. 7,5 mg); 20–50 kg: 0,7 mg/kg KG alle 6 h |
Unretardiert: 50 mg alle 4–6 h Retardiert: 100 mg alle 8–12 h |
– | – |
– Valoron N Trpf. (1 Trpf. enthält 2,5 mg) – Valoron N retard ab 50 mg |
DTI Dauertropfinfusion; PCA „patient-controlled analgesia“ (patientenkontrollierte Analgesie); ZVK zentraler Venenkatheter.
Wenn eine Umstellung auf ein Opioid bei einem bereits mit Opioiden vorbehandelten Patienten vorgenommen wird, sollte das neue Medikament mit 50 % der äquianalgetischen Dosis verabreicht (inkomplette Kreuztoleranz) und nach Wirkung titriert werden. Für Säuglinge unter 12 Monaten und für Kinder mit Zerebralschaden beträgt die Startdosis ein Viertel bis ein Drittel der vorgeschlagenen Dosis und sollte nach Wirkung weiter titriert werden.
Hochpotente Opioide
In Deutschland eingesetzte hochpotente Opioide sind (◘ Tab. 46.3):
Morphin: Standardanalgetikum bei starken Schmerzen,
Hydromorphon: Ersatzopioid bei individueller Unverträglichkeit,
Piritramid: postoperativ,
Fentanylpflaster: wenn die Einnahme von Tabletten unerwünscht ist und eine stabile Schmerzsituation besteht,
Buprenorphin: bei Niereninsuffizienz.
Eine pulsoximetrische Überwachung ist in der Einstellungsphase bei Kindern unter 6 Monaten unverzichtbar und bei i.v. Opioidtherapie auch für alle anderen Altersstufen zu empfehlen. Bei einer Anwendungsdauer von >5 Tagen wird die Opioidmenge bei Therapieende langsam über 3–4 Tage ausgeschlichen. Bei längerer Anwendungsdauer reduziert man die Dosis anfangs um 20–40 %/24 h, später um 10–20 %/24 h. Die Entwöhnung kann bis zu 2 Wochen in Anspruch nehmen.
Beim Wechsel von einem hochpotenten Opioid auf ein anderes und der Verwendung hoher Opioiddosen wird die neue Therapie mit der Hälfte der äquianalgetischen Dosis des neuen Opioids begonnen.
Morphin
Morphin ist ein reiner Opioidagonist. Es existiert keine obere Dosisgrenze. Die Morphindosis sollte generell am Effekt titriert werden.
Hydromorphon
Hydromorphon kann primär eingesetzt werden oder bei im Verlauf einer Morphintherapie auftretenden, nicht tolerablen oder nicht therapierbaren Nebenwirkungen. Hydromorphon hat keine analgetisch aktiven Metabolite. Wie Morphin ist Hydromorphon ein reiner Opioidagonist.
Piritramid
Postoperativ wird in Deutschland traditionell Piritramid eingesetzt. Wegen seiner hohen Lipophilie tritt die Wirkung prompt ein, was die i.v. Therapie gut steuerbar macht. Gleichzeitig besteht aber die Gefahr, durch zu schnelle i.v. Applikation eine Euphorie auszulösen und die Kinder „auf den Schuss“ zu konditionieren. Ein entscheidender Nachteil besteht darin, dass sich Piritramid so gut wie gar nicht mit anderen Pharmaka oder Infusionslösungen mischen lässt.
Pethidin
Traditionell wird Pethidin in Deutschland bei schmerzhaften Eingriffen und auch international bei Sichelzellkrisen eingesetzt, obwohl Pethidin für beide Indikationen Nachteile und gegenüber anderen Opioiden keine die Nachteile aufwiegenden Vorteile bietet: Einerseits kommt es nach Pethidingabe bei schmerzhaften Eingriffen wegen der hohen Lipophilie rasch zur Analgesie, andererseits verhindert die altersabhängige Halbwertszeit von mindestens einigen Stunden eine schnelle Rekonvaleszenz des Kindes.
Die länger dauernde Anwendung von Pethidin ist nicht zu empfehlen, da der Metabolit Norpethidin im Körper kumulieren und zu zerebralen Krampfanfällen führen kann. Die Halbwertszeit von Norpethidin beträgt 20–85 h. Bei Einsatz zusammen mit Monoaminooxidase-(MAO-)Hemmern, z. B. Moclobemid und Tranylcypromin (Psychopharmaka), kann es zu lebensgefährlichen Komplikationen wie Hyperpyrexie, arterieller Hypo- oder Hypertonie, Delirium und zerebralen Krampfanfällen kommen.
Fentanyl
Fentanyl ist wie Morphin ein reiner Opioidagonist. Es ist sehr viel lipophiler als Morphin, so dass sowohl Wirkungen als auch Nebenwirkungen – insbesondere Atem- und Kreislaufdepression – bei i.v. Applikation sehr schnell eintreten. Fentanylpflaster sind bei sachgerechter Indikationsstellung und Anwendung auch bei Kindern wirksam und nicht mit mehr Nebenwirkungen behaftet als alle anderen hochpotenten Opioide. Umrechnungstabellen liegen dem Beipackzettel bei. Die minimale orale Tagesmorphindosis bei Umstellung auf Fentanylpflaster beträgt 30 mg/kg KG.
Umstellung von oralem Morphin auf Fentanylpflaster
Das Fentanylpflaster sollte zeitgleich mit der letzten Gabe retardierten Morphins gegeben werden.
Zusätzlich zum Fentanylpflaster müssen immer schnell wirkende Fentanyl- oder Morphinzubereitungen verordnet werden.
Die Opioiddosis für Durchbruchschmerzen beträgt etwa ein Sechstel der Opioidtagesdosis und muss regelmäßig an einen steigenden Grundbedarf angepasst werden.
Für Kinder ist ein Wechsel des Fentanylpflasters alle 48 h zu empfehlen.
Buprenorphin
Buprenorphin, ein gemischter Agonist und Antagonist, wird sublingual, transdermal und i.v. appliziert. Die sehr starke Opioidrezeptorbindung erklärt die lange Wirkungs- und ggf. Nebenwirkungsdauer sowie die schlechte Reversibilität der Nebenwirkungen nach Gabe des Morphinantagonisten Naloxon. Erfahrungen mit Buprenorphin bei Kindern sind sehr begrenzt. Buprenorphin wird unabhängig von der Nierenfunktion ausgeschieden.
Nebenwirkungen der Analgetikatherapie
Das Nebenwirkungsprofil einzelner hochpotenter Opioide kann beim individuellen Patienten äußerst verschieden sein. Betrachtet man jedoch ein großes Kollektiv, unterscheiden sich die verschiedenen Opioide hinsichtlich Art und Ausmaß ihrer Nebenwirkungen kaum.
Es existieren 4 Strategien zur Minimierung der Nebenwirkungen, die nach der „Versuch-und-Irrtum-Methode“ ausprobiert werden müssen:
Dosisreduktion,
Supportivtherapie (◘ Tab. 46.4),
Wechsel des Opioids,
Wechsel des Applikationsweges.
Indikation | Medikament | Applikationsform | Dosierung |
---|---|---|---|
Obstipation | Laktulose | p.o. |
– <3 Jahre: 3-mal 2–5 ml – >3 Jahre: 3-mal 5–10 ml |
Natriumpicosulfat (Laxoberal) | p.o. |
– >4 Jahre: 4–8 Trpf./24 h – >12 Jahre: 10 bis max. 18 Trpf./24 h |
|
Bisacodyl (Dulcolax) | Rektal oder p. o. |
– 2–10 Jahre: 5 mg – >10 Jahre: 10 mg |
|
Übelkeit | Domperidon (Motilium) | p.o. |
– 0,3 mg = 1 Trpf./kg KG – max. 33 Trpf./Dosis alle 6–8 h |
Dimenhydrinat (Vomex) | i.v. | – 1–2 mg/kg KG alle 6–8 h | |
Rektal oder p.o. |
– 5 mg/kg KG alle 6–8 h – Tageshöchstdosen: – 2–6 Jahre: 75 mg – 6–12 Jahre: 150 mg |
Selten und insbesondere bei i. v. Applikation hochpotenter Opioide kann es zu arterieller Hypotonie, Urtikaria und bei Allergikern zu Asthmaanfällen kommen. Psychische Veränderungen (z. B. Euphorie) sowie Spasmen des Sphincter Oddi werden im klinischen Alltag selten gesehen.
Praktische Durchführung der Analgetikatherapie mit Opioiden
Dauertropfinfusion von Morphin bei einem 30 kg schweren Kind
Start mit einer Bolusdosis über 10 min: 30 kg × 0,05 mg = 1,5 mg Morphin über 10 min i. v.
-
Nach 20 min erneute Schmerzmessung:
- bei Schmerzen und keiner Sedierung: Bolusdosis alle 20 min wiederholen;
- bei Sedierung und Schmerzen: Bolusdosis halbieren.
-
Nach ausreichender Schmerzreduktion Start der Dauertropfinfusion:
- 30 kg × 0,02 mg × 24 h = etwa 15 mg;
- Anordnung: 15 mg Morphin ad 48 ml NaCl 0,9 %; Laufrate: 2 ml/h;
- Bedarfsmedikation unter laufender Dauertropfinfusion: 0,5 mg Morphin bis zu halbstündlich i.v. als Kurzinfusion über 15 min.
Gegebenenfalls zusätzliche Gabe von Nichtopioiden (Tramadol und Morphin können mit Metamizol in einer Spritze gemischt werden).
Anordnung: Schmerzmessung und Überwachung mittels Sauerstoffsättigung.
-
Bei häufigen Schmerzdurchbrüchen oder Dauerschmerzen unter Dauertropfinfusion:
- zunächst Bolusgabe: i. A. ein 1-h-Bolus, also diejenige Menge, die bei der neuen Infusionsrate in einer Stunde einlaufen wird,
- dann Laufrate um 20–50 % steigern.
-
Naloxondosierung für den Notfall in der Kurve notieren:
- Notfallmedikation für schwere Atemdepression: Naloxon (Narcanti) 1 : 10 verdünnt: 0,04 mg entsprechen 1 ml,
- 1 Amp. à 0,4 mg auf 10 ml 0,9%ige NaCl-Lösung, im Verhältnis 1 : 10 verdünnen (entspricht 0,04 mg/ml),
- Dosierung: 0,001–0,01 mg/kg KG i.v., entspricht 0,025–0,25 ml/kg KG i.v.
Durchführung einer Therapie mit oralem retardierten Morphin bei einem 30 kg schweren Kind
Anordnung: MST Retardgranulat 15 mg alle 12 h p.o. (0,5 mg/kg KG alle 12 h); MST Retardgranulat 20 mg auf 20 ml auflösen, 15 ml geben, den Rest verwerfen.
Anordnung: Morphintropfen 0,5 %, 16 Trpf. = 5 mg) bei Bedarf, bis zu 2-stündlich.
Gegebenenfalls Laxans ansetzen, wenn keine Diarrhö besteht.
Gegebenenfalls Antiemese ansetzen, wenn Kind bekanntermaßen mit Übelkeit auf Opioide reagiert.
Nach 24 h Therapieevaluation.
Umrechungsfaktoren (klinisch)
P.o.: 60 mg Morphin entsprechen 8 mg Hydromorphon (Verhältnis 1 : 7,5)
I.v.: 10 mg Morphin entsprechen 2 mg Hydromorphon (Verhältnis 1 : 5)
-
Transdermal:
- 60 mg Morphin/Tag p.o. entsprechen Fentanylpflaster (Durogesic) 25 μg/h oder Buprenorphinpflaster (Transtec) 35 μg/h
- Durogesic ab einer Dosierung von 12,5 μg/h erhältlich
Spezielle Schmerztherapie
Akute abdominale Schmerzen
Unabhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung stellt sich die Frage, ob Kinder mit akuten abdominalen Schmerzen Analgetika erhalten dürfen oder ob die zugrunde liegende Erkrankung hierdurch verschleiert wird:
Besteht durch eine Analgesie die Gefahr, dass wichtige lebensrettende Operationen verzögert und dann u. U. zu spät durchgeführt werden?
Schadet eine analgetische Therapie also bei akuten Bauchschmerzen?
Diese Fragen sind für das Erwachsenenalter hinreichend beantwortet: Im Rahmen mehrerer Studien konnte kein schädlicher Einfluss durch eine frühe, d. h. vor Diagnosestellung erfolgte analgetische Therapie mit Opioiden festgestellt werden, wohl aber eine signifikante Schmerzreduktion (AHRQ 2001). Bei Kindern publizierten Kim et al. 2002 die erste Studie zu dieser Fragestellung: Nach Gabe von 0,1 mg Morphin/kg KG i. v. hatten Kinder mit akuten abdominalen Schmerzen, die später operiert werden mussten, weiterhin einen lokalisierten Druckschmerz und eine erhöhte Bauchdeckenspannung. Im Vergleich zur Placebogruppe war die diagnostische Treffsicherheit gleich gut und durch die Morphingabe unbeeinträchtigt. In beiden Gruppen wurden notwendige Laparotomien gleich häufig und ohne Zeitverzögerung durchgeführt. Allerdings hatte die Morphingruppe signifikant weniger Schmerzen bis zur Diagnosestellung und der Initiierung der kausalen Therapie (Kim et al. 2002). In der Zwischenzeit sind mehrere Originalarbeiten und Reviews publiziert, die diese Befunde bestätigen.
Analgetische Enthaltsamkeit bei akuten Bauchschmerzen im Kindesalter scheint also auch bei Verdacht auf das Vorliegen einer kinderchirurgisch zu behandelnden Erkrankung nicht unbedingt gerechtfertigt.
Insbesondere im Rahmen von infektiösen oder chemotherapiebedingten Gastroenteritiden sowie bei Pankreaserkrankungen und postoperativ können kolikartige Bauchschmerzen hoher Intensität auftreten. Bei großen Bauchoperationen und einer schweren Pankreaserkrankung kommen in der Regel regionalanästhesiologische Verfahren zum Einsatz, deren Darstellung den Umfang des Kapitels sprengen würde (Reich 2004). Werden diese Verfahren jedoch nicht angewendet, empfiehlt sich aus schmerztherapeutischer Sicht die systemische Analgesie mit starken Analgetika, die eine spasmolytische Wirkkomponente haben (Tramadol plus Metamizol). Postoperativ werden Opioide in der Regel mit Nichtopioiden kombiniert.
Bei leichteren abdominalen Schmerzen hat sich der Einsatz lokaler Maßnahmen wie Wärme bewährt. Bei starken abdominalen Schmerzen stellt sich die Frage, ob zunächst ein niedrigpotentes (Tramadol) oder primär ein hochpotentes Opioid (Morphin, Piritramid, Hydromorphon) zum Einsatz kommt. Wissenschaftliche Studien zu dieser Fragestellung fehlen.
Chronische und chronisch-rezidivierende abdominale Schmerzen
Dreimonatskoliken
Definition
Dreimonatskoliken ( Nabelkoliken etc.) sind definiert als exzessives Schreien eines gesunden Säuglings. Als exzessiv gilt Schreien ab einer Dauer von mindestens 3 h täglich an 3 Tagen der Woche über einen Beobachtungszeitraum von mindestens 3 Wochen (Wessel et al. 1955). Die in wissenschaftlichen Arbeiten verwendete „Wessel-Definition“ ist notwendig, um wissenschaftliche Therapiestudien vergleichbar zu machen. Sie berücksichtigt aber nicht den Leidensdruck der Familie, der im Alltag für den betreuenden Therapeuten eine viel größere Rolle spielt und letztlich die Therapieindikation darstellt. Üblicherweise beginnt die Symptomatik in den ersten Lebenswochen, erreicht ihr Punctum maximum mit 6 Lebenswochen und sistiert spontan im Alter von 4–5 Monaten. Etwa 5–19 % aller Kinder dieser Altersgruppe sind betroffen (Lucassen et al. 2001). Ob es sich bei dem exzessiven Schreien um Schmerzäußerungen handelt, ist unklar.
Ätiologie
Die Ätiologie ist nicht geklärt. Neben einer noch physiologischen Vermehrung der altersgemäßen Schreiphasen werden schmerzhafte Darmkrämpfe durch Laktoseintoleranz, Nahrungsmittelallergien, vermehrte Gasbildung oder die Fehlinterpretation eines normalen kindlichen Verhaltens durch die Eltern diskutiert. Beispielsweise sind das Alter der Mütter, die Länge ihrer Berufsausbildung und eine akademische Ausbildung positiv mit dem mütterlichen Urteil korreliert, dass das eigene Kind an Nabelkoliken leide (Lucassen et al. 2001). Sehr wahrscheinlich sind „Dreimonatskoliken“ nicht monokausal zu erklären.
Anamnese
Nach dem Ausschluss behandelbarer Ursachen des Schreiens – Kuhmilchintoleranz, Fruktosemalabsorption, Ösophagitis bei Reflux, Kindesmissbrauch (primär/sekundär), Harnwegsinfektionen (s. auch ▶ Abschn. 46.1) – sollte eine genaue Ernährungs- und Schreianamnese erhoben werden. Es empfiehlt sich der Einsatz von Tagebüchern.
Therapie
Therapien, für die ein wissenschaftlicher Wirknachweis zu erbringen versucht wurde, sind in ◘ Tab. 46.5 aufgeführt. Ein differenzierter Einsatz einer Therapie ist bis dato wissenschaftlich nicht untersucht. So ist anzunehmen, dass insbesondere Kinder mit Lebensmittelallergie von einer hypoallergenen Ernährung profitieren. Die wissenschaftlichen Studienergebnisse beziehen sich allesamt auf Kinder, welche die „Wessel-Definition“ erfüllen. Der Leidensdruck (von Eltern und Kind) ist jedoch nicht linear mit der Schwere des Schreiens korreliert, und so wird der niedergelassene Kinderarzt häufiger mit „Schreikindern“ konfrontiert, auf welche die Ergebnisse systematischer Reviews nicht ohne Weiteres übertragbar sind.
Therapie | Positiver Wirknachweis | Risiken | Kommentar |
---|---|---|---|
Medikamente | |||
Orale Anticholinergika: Dicyclomin, Dicycloverin | Signifikante, aber fraglich relevante Verbesserung der Symptomatik bei unterschiedlicher Definition des positiven Therapieeffekts in mehreren KRS | Müdigkeit, Übelkeit und Diarrhö, aber auch Fallberichte über schwere Nebenwirkungen wie Atemstörungen, zerebrale Krampfanfälle, Asphyxie und Koma, insbesondere bei Neugeborenen und jungen Säuglingen, weswegen Dicyclomin in den USA erst ab dem 6. Lebensmonat zugelassen ist (Williams u. Watkin-Jones 1984) | In Studien wurden Dicyclomin und Dicycloverin eingesetzt, in Deutschland ist jedoch nur Pipenzolatbromid erhältlich, welches international für diese Indikation nie wissenschaftlich untersucht wurde |
Entblähungsmittel: Simeticon (Lefax) | In mehreren KRS kein sicherer positiver Wirknachweis | In den Studien nicht berichtet | – |
Lactobacillus reuteri | In zwei KRS positive Effekte | Nicht berichtet | α-Laktalbumin-angereicherte Nahrung plus probiotischer Supplementierung scheint keinen Effekt zu haben |
Nahrungsmodifikationen | |||
Hypoallergene Nahrung für stillende Mütter | Ein Verzicht auf Milch, Eier, Weizen und Nüsse hat einen positiven Effekt | In den Studien nicht berichtet | Insgesamt sehr kleine Fallzahl |
Kuhmilchbasis durch Sojabasis ersetzt | Widersprüchliche Ergebnisse | In den Studien nicht berichtet | Verblindung in den Studien inkomplett |
Säuglingsnahrung auf Kuhmilchbasis durch Kaseinhydrolysatnahrung ersetzt | In KRS kein positiver Wirknachweis | In den Studien nicht berichtet | – |
Säuglingsnahrung auf Kuhmilchbasis durch Molkehydrolysatnahrung ersetzt | Positiver Wirknachweis in einer KRS: Reduktion der täglichen Schreidauer im Median um 63 min (1–127 min) | In den Studien nicht berichtet | – |
Verringerung des Laktosegehalts | Wissenschaftlicher Wirknachweis in 3 KRS widersprüchlich; beobachteter Effekt in jedem Fall gering | In den Studien nicht berichtet | Laktoseintoleranz der Kinder vor Einschluss in die Studien nicht untersucht |
Erhöhung des Ballaststoffanteils | In einer KRS kein positiver Wirknachweis | In den Studien nicht berichtet | – |
Saccharoselösung | Bei längeren Schreiattacken haben 2 ml 12%ige Saccharoselösung einen signifikanten positiven Effekt (nach Einschätzung der Eltern). Die „number needed to treat“ ist mit 2 sehr niedrig | Nachteilige Effekte auf eine altersentsprechende Ernährung und die Zahnentwicklung sind bei längerer Anwendung nicht auszuschließen | Geringe Fallzahl von 19 Kindern; häufig nur kurze Wirkung |
Kräutertee (Kamille, Vervain, Lakritz, Fenchel, Pfefferminze in Glukoselösung) | Bis 3-mal täglich bei Schreiattacken gegeben (bis max. 150 ml pro Gabe), führte der Tee bei signifikant mehr Kindern zum Sistieren der Symptome (58 %), als wenn ausschließlich Glukoselösung gegeben wurde (26 %) | Es wurden im Mittel 30 ml Tee/kg KG/Tag konsumiert. Nachteilige Effekte auf die altersentsprechende Ernährung und die Zahnentwicklung sind bei längerer Anwendung nicht auszuschließen | – |
Elterliche Verhaltensmodifikation | Widersprüchliche Ergebnisse. Die beobachteten Effekte sind sehr gering | Keine | In der größten KRS sollten Mütter Reize (taktil, auditiv etc.) für das Kind vermindern. Ihnen wurde aber auch geraten, ihr Kind alleine zu lassen, wenn sie meinten, das Schreien nicht länger ertragen zu können. Die Beurteilung des Therapieerfolgs wurde mittels einer unvalidierten Skala vorgenommen. Es bleibt unklar, ob sich das kindliche Verhalten verändert hat oder nur dessen Wahrnehmung durch die Mutter |
Chiropraktische Manipulation | Kein Effekt in der einzigen KRS, in der weder Eltern noch die Studienleiter wussten, welches Kind wirklich behandelt wurde (Olafsdottir et al. 2001) | Unklar, ob unsachgemäße Manipulationen zu Schäden führen können | Eine weitere KRS wies positive Therapieeffekte nach, zeigte aber erhebliche methodische Mängel. Insbesondere waren die Eltern hinsichtlich der Behandlung ihres Kindes nicht verblindet (Wiberg et al. 1999) |
Sonstiges
KRS kontrollierte, randomisierte Studie.
Praktisches Vorgehen
Die Eltern sollten über den selbstlimitierenden Charakter des Schreiens unterrichtet werden. Ihnen ist zu versichern, dass sie keine Schuld am Schreien ihres Kindes haben. Ein fester Tagesrhythmus mit Vermeidung einer „Überstimulation“ des Kindes ist der erste Therapieschritt – kostengünstig und ohne Nebenwirkungen. Um Erkrankungen und sozialen Problemen in der Familie vorzubeugen, müssen die Eltern lernen, auf ihre eigenen Kraftreserven Rücksicht zu nehmen (d. h. Weggehen vom Kind, wenn man sich überfordert fühlt; abwechselndes Betreuen durch beide Eltern mit Ruhepausen für die Mutter; Spazierengehen mit dem Kind durch verlässliche Freunde und Familienmitglieder). Stillende Mütter sollten ihre Nahrung auf „allergenarme“ Kost umstellen (◘ Tab. 46.5) und über 4 Wochen den Therapieeffekt beobachten. Für nichtgestillte Kinder empfiehlt sich eine Nahrungsumstellung (◘ Tab. 46.5) mit Beurteilung des Therapieerfolgs nach 1–2 Wochen. Das Zufüttern von Kräutertees ohne Glukosezusatz sollte auf etwa 20 ml/kg KG/Tag beschränkt werden.
Funktionelle Bauchschmerzen
Definition und klinisches Bild
Nur 10 % der Kinder mit rezidivierenden Bauchschmerzen haben tatsächlich ein „organisches“ Leiden (Berger u. Damschen 2009). Jedoch selbst nach Identifizierung und adäquater Therapie des ätiologisch angeschuldigten organischen Leidens können rezidivierende Bauchschmerzen weiter bestehen bleiben. Apley (1975; Apley u. Hale 1958) definiert typische rezidivierende Bauchschmerzen als abdominale Schmerzen, die schubweise mindestens einmal im Monat über mindestens 3 aufeinander folgende Monate auftreten und die das Kind in seinen normalen Aktivitäten behindern. Das Intervall zwischen den Schmerzschüben ist üblicherweise schmerzfrei. Ob eine bessere Einteilung nach den Rom-III-Kriterien therapeutisch weiterführt, bleibt abzuwarten
Kinder mit funktionellen Bauchschmerzen weisen charakteristische Merkmale auf:
periumbilikaler (45 %) oder epigastrischer Schmerz (40 %) über weniger als 1 h, bei zwei Drittel der Kinder; nahezu immer Dauer von weniger als 3 h
kaum je schmerzbedingtes Erwachen aus dem Schlaf,
fast nie Benennung der Maßnahmen, die das Schmerzereignis verkürzen, durch Kind und Eltern möglich,
Schmerzen häufig von vegetativen Symptomen wie Blässe und Übelkeit begleitet,
unauffälliger Befund der körperlichen Untersuchung.
Unter Schulpflichtigen beträgt die Prävalenz funktioneller Bauchschmerzen 10–25 % (Berger u. Damschen 2009).
Die funktionellen Bauchschmerzen sind nicht nur wegen ihrer hohen Prävalenz, sondern auch wegen ihres Verlaufs ein ernst zu nehmendes Problem. In Langzeitstudien wurde innerhalb von 5 Jahren nur ein Drittel der betroffenen Kinder schmerzfrei, ein Drittel klagte über persistierende Schmerzen im Sinne funktioneller Bauchschmerzen, und ein weiteres Drittel litt an anderen rezidivierenden Schmerzsyndromen (Berger u. Damschen 2009). In einer aktuellen Studie waren funktionelle abdominale Schmerzen in der Kindheit mit chronischen Schmerzen im späteren Erwachsenenalter vergesellschaftet, was die Notwendigkeit einer frühen effektiven Therapie betont (Walker et al. 2010). In mehr als der Hälfte der Fälle sind die funktionellen Bauchschmerzen schon primär mit anderen Schmerzformen wie Kopf- und Thoraxschmerzen vergesellschaftet. Bei den Eltern lösen funktionelle Bauchschmerzen häufig Angst aus, begleitet von einer großen Unsicherheit, wie sie auf die Schmerzäußerungen ihres Kindes reagieren sollen.
Initiale Diagnostik
Schützen Sie das Kind und seine Familie vor einer umfangreichen und invasiven Diagnostik! Ausführliche Anamnese, gründliche körperliche Untersuchung und minimale Labordiagnostik sind das Instrumentarium zur sicheren Abgrenzung der funktionellen Bauchschmerzen gegenüber ätiologisch anders zu wertenden Schmerzen.
Erklärungsmodelle
Die funktionellen Bauchschmerzen können im Rahmen von biopsychosozialen Modellen erklärt werden als Zusammenwirken einer bestimmten vererbten oder erworbenen Vulnerabilität mit externen Stressoren. Letztlich hat das Kind aber auch Ressourcen, die eine Gesundung möglich machen. Die Vulnerabilität eines Kindes hinsichtlich der funktionellen Bauchschmerzen ist ein Wechselspiel zwischen organischer Dysfunktion (hier insbesondere des Magen-Darm-Trakts) und psychischen Faktoren (ängstliches Temperament, niedrige Schmerzschwelle, passive Coping-Strategien). Ist es erst einmal zu funktionellen Bauchschmerzen gekommen, vergrößert die rezidivierende Schmerzerfahrung die Vulnerabilität des Kindes, und dies umso mehr, je stärker die Schmerzen von der Umwelt wahrgenommen und verstärkt werden. Stressoren können psychosozialer oder biologischer Natur (z. B. Laktosebelastung) sein. Ein wesentlicher psychosozialer Stressfaktor ist die Familie.
Familien von Kindern mit funktionellen Bauchschmerzen sind häufig gekennzeichnet durch (Berger u. Damschen 2009):
niedrigen sozioökonomischen Status,
große elterliche Fürsorge und Angst,
typische familiäre Interaktionsmuster, die die Schmerzäußerungen des Kindes eher verstärken, als dass sie das Kind darin unterstützen, die Schmerzen aktiv zu überwinden.
Durch verschiedene Ressourcen lassen sich Auswirkungen der Stressoren und damit der Verlauf der funktionellen Bauchschmerzen beeinflussen. Unter Ressourcen sind biologisch-organische (z. B. Diätmodulationen) und psychosoziale Interventionen (Verhaltensmodulationen; s. unten) zu verstehen. Die Familie ist Stressor und Ressource zugleich.
Therapie
Man unterscheidet kognitiv-verhaltenstherapeutische und diätetische Maßnahmen, die bei einzelnen Patienten durchaus auch gemeinsam zur Anwendung kommen. Auf jeden Fall sollten schon im Erstgespräch spätere Konsultationen zur Therapieüberwachung vereinbart werden, damit nach initial komplett unauffälligen Untersuchungsbefunden nicht der Eindruck entsteht, der Arzt wolle sich durch häufige Konsultationen für seine Unfähigkeit entschuldigen, eine organische Ursache für die funktionellen Bauchschmerzen zu finden. Zur Verlaufsüberwachung ist ein Schmerztagebuch (z. B. mit visuellen Analogskalen oder „Smileys“) hilfreich. In einer prospektiven, randomisierten Doppelblindstudie konnten Feldman et al. (1985) zeigen, dass sich der Verlauf der funktionellen Bauchschmerzen durch eine ballaststoffreiche Diät positiv beeinflussen lässt. Andere Quellen bestätigen den positiven Effekt stuhlregulierender Maßnahmen, selbst wenn klinisch keine Obstipation besteht (Hyams 1982). Bei Vorliegen einer Kohlenhydratmalabsorption ist ein 2-wöchiger Auslassversuch angezeigt.
Am erfolgversprechendsten ist eine verhaltenstherapeutisch-kognitive Therapie. In einer Studie von Sanders et al. (1994) war ein strukturiertes kognitiv-verhaltenstherapeutisches Programm für betroffene Kinder und deren Mütter der normalen Versorgung durch den Pädiater überlegen. Nach 6 Monaten waren zwei Drittel der Kinder, die dieses Programm absolvierten, schmerzfrei, gegenüber nur einem Drittel der Kontrollgruppe in normaler pädiatrischer Behandlung. Ähnlich gute Erfahrungen wurden in neuesten Studien von Levy et al. berichtet und mit einem Bauchschmerztherapieprogramm an der Vestischen Kinder- und Jugendklinik in Datteln gemacht (Levy et al. 2010).
Abdominale Migräne
Von den funktionellen Bauchschmerzen ist die abdominale Migräne abgrenzbar. Sie ist definiert als idiopathisch auftretende Symptomatik insbesondere des Kindesalters mit episodischen, abdominalen, mittig lokalisierten Schmerzattacken, die für 1–72 h anhalten. Im Intervall ist das Kind symptomfrei. Die Schmerzen sind von moderater bis starker Intensität, assoziiert mit vasomotorischen Symptomen, Übelkeit oder Erbrechen.
Diagnostische Kriterien sind:
A: Wenigstens 5 Attacken erfüllen die Kriterien B–E.
B: Abdominale Schmerzattacken dauern 1–72 h an (unbehandelt oder nicht erfolgreich behandelt).
-
C: Abdominale Schmerzen haben folgende Charakteristik:
- Lokalisation in der Körpermittellinie oder periumbilikal oder schlecht lokalisierbar,
- dumpfer Schmerzcharakter oder „es tut einfach weh“,
- moderate bis starke Intensität.
-
D: Während der Attacke treten mindestens 2 der folgenden Symptome auf:
- Appetitlosigkeit,
- Übelkeit,
- Erbrechen,
- Gesichtsblässe.
E: Anamnese und körperliche Untersuchung weisen nicht auf eine gastrointestinale oder renale Erkrankung hin. Solche Erkrankungen sind durch geeignete Untersuchungsmethoden ausgeschlossen
Der Schmerz ist so stark, dass normale Aktivitäten unterbrochen werden. Kinder finden es zumeist schwierig, zwischen Appetitlosigkeit und Übelkeit zu unterscheiden. Die Blässe ist häufig von dunklen „Augenrändern“ begleitet. Bei einigen Patienten ist eine Gesichtsröte das führende Zeichen einer vasomotorischen Mitreaktion. Die meisten Kinder mit abdominaler Migräne entwickeln im späteren Leben einen Migränekopfschmerz. Der Autor stellt die Diagnose einer abdominalen Migräne nur, wenn die Familienanamnese für eine Migräne positiv ist und die Symptomatik sehr periodisch einmal bis mehrmals pro Monat auftritt.
Die Therapie der abdominalen Migräne besteht in der Gabe von Ibuprofen oder bei Nichtansprechen in der Verabreichung von Triptanen.
Schmerztherapie bei endoskopischen Eingriffen
Für Gastro- oder Koloskopien ist die Allgemeinnarkose nachweislich die sicherste und effektivste Methode zur Reduktion von Angst und Schmerz (Dillon et al. 1998). Zudem ist die Endoskopiequalität besser als unter jeder anderen Form der Analgosedierung (Lamireau et al. 1998). Kann aus organisatorischen Gründen keine Allgemeinnarkose durchgeführt werden, empfiehlt sich eine Analgosedierung durch einen Arzt, der notfalls eine Reanimation nach anästhesiologischem Facharztstandard durchführen kann (Gilger et al. 2004; Becke et al. 2010; ◘ Tab. 46.6).
Komponenten | Medikament | Dosierung | Nebenwirkungen |
---|---|---|---|
Prämedikation | Atropin | 0,01 mg/kg KG i.v. (Höchstdosis: 0,3 mg) |
– Tachykardie – Unruhe |
Sedierung | Midazolam | Austitrieren: 0,1 mg/kg KG i.v., ggf. wiederholen |
– Arterielle Hypotonie – Paradoxe Reaktionen – Allergien – Muskelzittern – Halluzinationen – Singultus – Hyperventilation – Laryngo- und Bronchospasmus |
Analgesie | Ketamin |
Austitrieren: - Startdosis: 0,5–1 mg/kg KG i.v. - Höchste Einzeldosis: 50 mg - Höchste Kumulativdosis: 6 mg/kg KG |
– Hypersalivation – Erbrechen – Laryngospasmus – Halluzinationen – Hirndrucksteigerung – Tachykardie – Erbrechen – Alpträume – Hypersalivation – Muskelhypertonie – Bluthochdruckkrisen – Sehr selten Atemdepression |
Risikofreie Medikamente oder Medikamentenkombinationen zur Analgosedierung bei Kindern gibt es nicht. Zur Risikominimierung sollten folgende Regeln beachtet werden:
-
mindestens 24 h vor dem Eingriff:
- Anamnese bezüglich Unverträglichkeiten und früheren Komplikationen erheben,
- Aufklärung der Eltern und des Patienten über mögliche Risiken,
- Einholen des schriftlichen Einverständnisses für Eingriff und Analgosedierung oder Narkose;
-
direkt vor dem Eingriff:
- Nahrungskarenz: im Alter von 0–5 Monaten 4 h, danach 6 h,
- Karenzzeit für klare Flüssigkeiten: 2–3 h,
- orale oder rektale Prämedikation bevorzugen (langsame Anflutung),
- bei Kombination von Analgetikum und Sedativum immer zur Sicherheit i.v. Zugang anlegen; grundsätzlich Analgetika und/oder Sedativa nach ihrem Effekt titrieren;
-
während des Eingriffs:
- Monitoring (Monitor zur Überwachung der Sauerstoffsättigung, nichtinvasive Herzfrequenz- und Blutdruckmessung, Überwachung der Atemfrequenz) durch eine Person, die nur mit dieser Aufgabe betraut ist; Monitoring nach Ende der Prozedur bis zum Erreichen unten genannter Kriterien fortsetzen;
- Sicherstellung der Notfallversorgung: intensivmedizinisch erfahrener Arzt, Absauger, Sauerstoffspender, Beatmungsmaske und -beutel, Intubationsbesteck inklusive passender Tuben, Notfallmedikamente inklusive patientenindividualisierter Dosierungskarte, Antidots (z. B. Naloxon und Flumazenil);
- Vitalparameter sowie Medikamentengaben zeitnah dokumentieren;
-
nach dem Eingriff:
-
Entlassungskriterien festlegen, z. B.:
- Vitalwerte wie vor Eingriff,
- Kind wach, reagiert altersadäquat,
- Flüssigkeitsaufnahme problemlos möglich,
- Fähigkeiten im Sprechen, Sitzen und Stehen altersgerecht,
- keine Atemnot,
- keine nichtbeherrschbare Übelkeit, kein nichtbeherrschbares Erbrechen,
- keine Verwirrtheit,
- keine Sauerstoffsupplementierung erforderlich;
- Follow-up festlegen.
-
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