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. 2020 Aug 24;224(4):181–186. [Article in German] doi: 10.1055/a-1192-7437

Perinatale Aspekte der SARS-CoV-2 Infektion

SARS-CoV-2 and Perinatal Aspects

Ann Carolin Longardt 1,, Vincent Patrick Winkler 2, Ulrich Pecks 2
PMCID: PMC7516365  PMID: 32838447

Zusammenfassung

Das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 hat sich zu einer Pandemie entwickelt, in der es noch viele Unbekannte gibt. Die Modalitäten der Übertragung, unterschiedlichen Symptome und Ausprägungen sowie Begleiterscheinung der Erkrankung sind unzureichend charakterisiert. Gerade Patientengruppen in besonderen Situationen wie Schwangere und Neugeborene müssen dabei separat betrachtet werden. Das bisherige Wissen zu Schwangerschaft, Geburt und den ersten Lebenstagen ist aufgrund der spärlichen Datenlage von besonderer Unsicherheit geprägt. Es bestehen aber derzeit keine Hinweise für eine signifikante Verschlechterung im maternalen und perinatalen Outcome. Viele Schwangere mit SARS-CoV-2-Infektion bleiben asymptomatisch. Die Möglichkeit einer vertikalen Transmission auf das Kind kann nicht sicher ausgeschlossen werden. Hinweise hierauf ergaben sich jedoch bislang nur aus Einzelfällen. Auch Neugeboreneninfektionen sind eher selten, unspezifisch und verlaufen meist mild, wobei respiratorische Symptome dominieren. In diesem Artikel wird die bisherige Datenlage beleuchtet, um eine bessere Aufklärung, Beratung und Behandlung der Schwangeren und Neugeborenen mit SARS-CoV-2 zu ermöglichen und um Anregungen für die zukünftige Forschung zu geben.

Schlüsselwörter: SARS-CoV-2, Coronavirus, COVID-19, Neonat, perinatal

Einleitung

Seit Ende 2019 breitet sich das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 ausgehend von Wuhan (Volksrepublik China) weltweit aus und wurde deshalb am 11. März 2020 durch die World Health Organisation (WHO) zur Pandemie erklärt 1 . Laut WHO sind (Stand 12. Mai 2020) 4 098 018 bestätigte Infektionen verzeichnet, davon 283 271 Todesfälle (https://covid19.who.int), wobei die Infektionsrate wahrscheinlich unterschätzt ist. Infektionen mit SARS-CoV-2 führen zum Krankheitsbild COVID-19. Die Erkrankung kann alle Altersgruppen betreffen und als asymptomatische Infektion bis hin zu letalen Formen verlaufen 2 . Typische Symptome sind trockener Husten, Halsschmerzen, Myalgien und Fieber, sowie eine olfaktorische Dysfunktion 3 4 . Hauptübertragungsweg scheint die Tröpfcheninfektion zu sein, Kontaktinfektionen sind nicht auszuschließen. Eine vertikale Transmission von Mutter zum Kind wird diskutiert 5 6 7 8 9 . Berichte zu Infektionen von Schwangeren 6 7 8 10 , sowie peri- und postnatale Infektionen 11 12 13 14 werden zunehmend publiziert. Es besteht weiterhin große Unsicherheit betreffend der materno-fetalen Transmission, dem Infektionsverlauf bei Schwangeren, dem Risiko für Frühgeburten sowie dem postnatalen Verlauf. Diese spiegelt sich auch in Kontroversen zum Management unter Geburt wider 15 . Die vorliegende Übersicht befasst sich mit der aktuellen Publikationslage zu SARS-CoV-2 in der Schwangerschaft mit dem Schwerpunkt der materno-fetalen Transmission beziehungsweise der postnatalen Infektion des Neonaten.

Haupttext

Ätiologie von COVID-19 und Transmission

Bei SARS-CoV-2 handelt es sich um ein Einzelstrang RNA-Virus, das zu den Sarbecoviren der Gattung Betacoronavirus gehört 16 . SARS-CoV-2 wird rasch inaktiviert zum Beispiel durch 30minütige Exposition bei 56°C, 75% Ethanol, oder Peressigsäure beziehungsweise Chlorhaltige Desinfektionsmittel 12 . Das Virus vermehrt sich bereits in einem frühen Stadium der Infektion stark im Rachenraum. Der Eintritt in die Zelle findet über den SARS-CoV-2-Rezeptor Angiotensin-konvertierendes Enzym 2 (ACE2) statt 12 . Die Expression von ACE2 ist signifikant höher in der asiatischen im Vergleich zur europäischen und amerikanischen Bevölkerung, sowie höher bei Männern als bei Frauen. Dies ist eine mögliche Erklärung für höhere Infektionszahlen im asiatischen Raum sowie in der männlichen Bevölkerung 12 17 .

In Bezug auf die Transmission wird die Tröpfcheninfektion als Hauptübertragungsweg gesehen, neben der Kontakttransmission und Transmission durch Aerosole 12 . Eine fäkal-orale Übertragung ist möglich 18 . Eine systematische Untersuchung infizierter Personen auf SARS-CoV-2-Nachweis in verschiedenen Körperregionen erfolgte durch Wang et al. Beschrieben wurden höchste Nachweisraten in bronchoalveolärer Lavage-Flüssigkeit (14 von 15 Personen; 93%), Sputum (72 von 104; 72%), Nasenabstrichen (5 von 8; 63%), Fibrobronchoskopischer Biopsie (6 von 13; 46%), Rachenabstrichen (126 von 398; 32%), Kot (44 von 153; 29%), kaum aber im Blut (3 von 307; 1%) oder Urin 19 .

COVID-19 und Schwangerschaft

Da Studien zu Influenza, SARS und MERS eine erhöhte Morbidität und Mortalität bei Schwangeren im Vergleich zu nicht-schwangeren Frauen nahelegten 6 20 21 22 23 24 , war die Sorge bei SARS-CoV-2 groß. In einzelnen Fallserien wurde nun aber über einen vergleichbaren klinischen Verlauf bei Schwangeren wie bei nicht-schwangeren Erwachsenen berichtet 8 25 . Typische Symptome sind Fieber, trockener Husten, sowie Myalgien, Halsschmerzen und laborchemisch eine Lymphopenie 4 8 . Die Symptomatik kann von milden Grippe-ähnlichen Symptomen bis hin zu schweren Pneumonien reichen 4 . Eine systematische Untersuchung, bei der alle zur Geburt aufgenommenen 215 Frauen zwischen dem 22. März bis 4. April 2020 an zwei Krankenhäusern in New York auf SARS-CoV-2 gescreent wurden, deckte eine Prävalenz von 15% auf. Wichtig ist die Beobachtung, dass nur 4 der 33 betroffenen Frauen zum Zeitpunkt des Abstrichs symptomatisch waren. Nur 3 der asymptomatischen Frauen entwickelten im weiteren Verlauf Symptome 26 .

In einer Studie aus den 50 Kliniken in Wuhan wurden 118 Frauen mit COVID-19 zwischen Dezember 2019 und März 2020 erfasst; 109 zeigten einen milden Verlauf und 9 (8%) einen schweren Verlauf mit Hypoxämie, eine hiervon wurde beatmet. Zum Zeitpunkt der Publikation wurden 109 Frauen ohne weitere Komplikationen entlassen, so auch alle Frauen mit schwerem Verlauf. Vier Frauen wünschten wegen COVID-19 die Abruptio, 3 Frauen hatten einen spontanen Abort und 2 Frauen eine Extrauteringravidität; 68 Frauen (58%) wurden in dieser Zeit entbunden. Bemerkenswert ist dabei die hohe Sectio-Rate von 93%, die sich insbesondere aus der Unsicherheit im Umgang mit der Erkrankung ergab 27 .

In einem systematischen Review aus 33 Publikationen mit 385 schwangeren Frauen wurde über einen milden Verlauf in 95,6%, einen schweren Verlauf in 3,6% und über kritisch kranke Patientinnen in 0,8% berichtet 28 . Einschränkend ist hier jedoch zu erwähnen, dass die Qualität der aktuell sehr rasch und im Schnellverfahren publizierten Studien dem sonst üblichen wissenschaftlichen Anspruch nicht standhalten und diese Daten daher mit Vorsicht zu bewerten sind. Mitte Mai 2020 sind auf Pubmed alleine 193 Publikationen zu den Schlagworten „COVID-19 and pregnancy“ zu finden.

Ob ein erhöhtes Risiko für Fehlgeburten, intrauterinen Fruchttod, Frühgeburt, oder „fetal Distress“ sowie für andere maternale oder perinatale Komplikationen besteht bleibt aktuell noch unklar.

Pathologische Veränderungen der fetalen Herzfrequenz können bei Schwangeren mit COVID-19 ein frühes Zeichen einer maternalen respiratorischen Verschlechterung sein 29 .

Vertikale Transmission von Mutter zu Kind?

Eine vertikale Transmission bezeichnet die intrauterine transplazentare, peripartale oder durch Muttermilch übertragene Infektion des Neugeborenen. In Bezug auf die intrauterine vertikale Transmission von SARS-CoV-2 gibt es keinen sicheren Nachweis. Da das Virus selten (ca. 1%) im Blut Betroffener zu finden ist 19 , macht dies eine Übertragung über die Plazenta unwahrscheinlich. Mehrere Fallserien gingen dieser Frage letztlich genauer nach: Untersuchungen bei 6 Neugeborenen von SARS-CoV-2-positiven Müttern ergaben keinen Virusnachweis in Fruchtwasser, Nabelschnurblut oder im kindlichen Nasen-Rachenabstrich 8 . Ebenso berichteten Zhu et al. von Müttern mit COVID-19, deren 10 Neugeborene einen negativen Nasen-Rachen-Abstrich für SARS-CoV-2 aufwiesen 25 . Peng et al. untersuchten systematisch in einem Fall die Möglichkeiten einer vertikalen Übertragung durch SARS-CoV-2-PCR-Analysen in Abstrichen aus verschiedenen Körperregionen einer COVID-19-Patientin sowie ihrem Kind. Die Patientin brachte in der 35+3 Schwangerschaftswoche ein Frühgeborenes zur Welt, welches durch Tachypnoe und weitere respiratorische Symptome auffällig wurde und einer CPAP-Behandlung bedurfte. Die PCR aus Fruchtwasser, Vaginalsekret, Nabelschnurblut, Plazenta, mütterlichem Serum, mütterlichem Rektalabstrich sowie Muttermilch waren negativ für SARS-CoV-2. Alle Abstriche des geborenen Mädchens aus Nasen-Rachen-Raum, Analregion, Urin, Blut und Sputum/Lavage 2 Stunden nach der Geburt sowie an den Lebenstagen 1, 2, 3, 7 und 14 blieben ebenfalls negativ. Die Autoren folgerten, dass bei dieser sehr intensiven Untersuchung sich kein Anhalt auf eine vertikale Transmission oder eine postnatale Infektion zeigte, auch wenn das Kind offensichtlich symptomatisch war 5 . Ebenso berichteten Chen et al. über 4 Neonaten von SARS-CoV-2 positiven Müttern, bei denen keine Infektion per Abstrich nachgewiesen werden konnte 30 . Schwartz et al. fassten in einer Literaturrecherche 38 Mutter-Kind-Paare mit COVID-19 der Mütter zusammen ohne eine vertikale Transmission zu bestätigen 10 . Vier Publikationen beschreiben eine Analyse von Plazenten von Frauen, die zum Zeitpunkt der Geburt COVID-19 aufwiesen. In keiner der insgesamt 6 untersuchten Plazenten konnte das SARS-CoV-2-Virus nachgewiesen werden 5 31 32 33 . Abgesehen davon, dass das Virus selten im Blut detektiert wurde, stellt sich auch die Frage nach der Expression des SARS-CoV-2-Rezeptors ACE2 im Bereich der materno-fetalen Grenzfläche beziehungsweise in der Plazenta. Herse et al. beschrieben, dass ACE in der Plazenta deutlich geringer exprimiert wird als in der Dezidua 34 . Dem gegenüber zeigte eine kürzlich veröffentlichte Auswertung bestehender Online-Datenbanken zu Single Cell Sequencing eine hohe Expression des ACE2 in stromalen und perivaskulären Zellen der Dezidua, im Zytotrophoblast und Synzytiotrophoblast der Plazenta, aber auch in spezifischen Zellen des fetalen Herzens, der Leber und der Lunge. Zudem unterliegt die Dichte des Rezeptors im Gewebe zumindest in der Maus einer Dynamik im Laufe der embryonalen Entwicklung 35 . Somit stellt sich auch die Frage nach einer vulnerablen Phase in der Schwangerschaft. Daten aus dem 1. oder 2. Trimenon sind so spärlich, dass eine Bewertung nicht möglich ist. Ein Fallbericht aus der Schweiz wies das Virus in der Plazenta bei einem Spätabort einer symptomatischen Patientin im 2. Trimenon nach 36 . Ob das Virus in diesem speziellen Fall von pathogenetischer Bedeutung war, ist unklar, aber möglich. Ein weiterer Fall eines Neugeborenen einer 41jährigen peruanischen COVID-19 positiven Mutter wirft Fragen zum Transmissionsweg auf. Die Patientin wurde wegen ihrer respiratorischen Symptomatik in der 33 Schwangerschaftswoche entbunden. Das Kind zeigte sich mit 16 Lebensstunden positiv für SARS-CoV-2 im Nasen-Rachen-Abstrich. Da das Frühgeborene unmittelbar nach der Entbindung durch Sectio von der Mutter isoliert und nicht durch die Mutter gestillt wurde, erscheint eine postpartale Infektion nach Angaben der Autoren unwahrscheinlich und damit eine vertikale Transmission naheliegend 37 .

Seit Februar 2020 sind IgG- und IgM-Antikörper-Tests für SARS-CoV-2 auf dem Markt verfügbar 38 . Die Sensitivität und Spezifität wird von den Herstellern mit 70,2–88,2% und 96,2–99,0% für IgM sowie für IgG mit 97,8% und 97,9% angegeben. Zeng et al. 38 fanden bei 3 von 6 Neugeborenen COVID-19-erkrankter Mütter spezifische IgM-Antikörper, Dong et al. 7 berichteten von einem Neugeborenen mit IgM-Antikörpernachweis im Alter von 2 Stunden. Da IgM-Antikörper aufgrund ihrer Größe und molekularen Struktur die Plazenta nicht passieren, stellt sich die Frage einer intrauterinen Infektion durch das Virus mit entsprechender fetaler IgM-Bildung erneut. Eine andere Erklärung könnte eine infektionsbedingt gestörte Plazentastruktur sein 38 39 , die dann den Übertritt großmolekularer mütterliche Partikel zum Fötus erleichtert.

Ebenfalls unklar ist, ob eine Übertragung über die Muttermilch erfolgen kann. Chen et al. untersuchten in einer Fallserie Muttermilch von 6 Müttern; alle Proben waren negativ für SARS-CoV-2 8 . In einer Kohorte aus Wuhan (13 Frauen mit COVID-19) wurde in einer von 3 Muttermilchproben Virus-RNA nachgewiesen 40 . Gesichert ist der Infektionsweg durch eine SARS-CoV-2-Übertragung über die Muttermilch damit jedoch nicht. Möglicherweise liegt das Hauptrisiko eher in der Tröpfcheninfektion aus den mütterlichen Atemwegen während des Stillens (horizontale Transmission) 29 . Obwohl das Stillen für das Neugeborene und für die Bindung zwischen Mutter und Kind wichtig ist, vermieden Kollegen in China noch im Februar 2020 eine klare Positionierung für oder gegen das Stillen bei isolierten Neugeborenen 41 . Anzunehmen ist aber auch die Weitergabe von SARS-CoV-2-Antikörpern über die Muttermilch an das Kind, was den klinischen Verlauf einer kindlichen Infektion positiv beeinflussen könnte, ähnlich wie es bei der SARS-Epidemie 2002/2003 berichtet wurde 42 . Weitere Untersuchungen sind dringend erforderlich, um einerseits das Risiko einer „Muttermilchkontamination“ mit Virus-RNA andererseits den möglichen Nutzen durch die Weitergabe von Antikörpern abzuschätzen.

COVID-19 bei Neugeborenen und Kindern

Die Symptome bei infizierten Neu- und insbesondere Frühgeborenen sind weniger spezifisch und eindeutig als bei Erwachsenen. Symptome wie Atemnotsyndrom, Temperaturinstabilität, gastrointestinale sowie kardiovaskuläre Manifestationen könnten auch die Folgen der Geburtsumstände oder einer Frühgeburt sein.

In der oben bereits erwähnten retrospektiven Auswertung durch Zhu et al. wurden zwischen dem 20. Januar und 5. Februar 2020 Neugeborene in Wuhan untersucht, die von Müttern mit COVID-19 geboren wurden; 6 der 10 Neugeborenen von 9 Müttern (ein Zwilling) wurden symptomatisch, 6 Neugeborene hatten eine Atemstörung, 3 eine Zyanose, 2 Erbrechen und Nahrungsintoleranz, 2 Fieber, ein Kind war tachykard. Laborchemisch wurden zwei Kinder durch eine Thrombopenie und pathologische Leberwerte auffällig. Ein Kind verstarb am 9. Lebenstag im Multiorganversagen. Diese viel beachtete Publikation warf aufgrund der signifikanten Komplikationsrate der Kinder Fragen auf, insbesondere deshalb, da die Nasen-Rachenabstriche auf SARS-CoV-2 bei allen Kindern negativ waren. Das ungünstige Outcome der Kinder erklärt sich somit einerseits möglicherweise durch die Folgen der Frühgeburt, 6 der 10 Kinder wurden vor der vollendeten 37. Schwangerschaftswoche geboren, wobei die Umstände, die zu der Frühgeburt führten, nicht ausführlich beschrieben wurden 25 . Auf der anderen Seite ist unklar, wie intensiv die Kinder tatsächlich auf eine SARS-CoV-2-Infektion getestet wurden oder wie hoch die Falsch-Negativ-Rate der Abstriche war. Die Publikation zeigt deutlich die allgemeinen Mängel der v. a. zu Beginn der Pandemie möglicherweise unkritisch im Eilverfahren veröffentlichten Berichte. Chen et al. berichteten über weitere 9 Kinder von COVID-19 positiven Schwangeren. Alle Frauen wurden durch Sectio entbunden. Keine der Sectiones war allein aufgrund von COVID-19-Symptomen indiziert. Jedoch spielte die Unsicherheit im Umgang mit der Infektion eine Rolle. Obwohl 4 der Kinder als Frühgeborene (36+0 bis 36+3 Schwangerschaftswochen) zur Welt kamen, benötigte keines der 9 Kinder eine spezielle neonatologische Versorgung oder wurde respiratorisch auffällig. Ein Kind zeigte leicht erhöhte myokardiale Enzymwerte im Blut 8 . Die wohl größte Fallserie mit 33 Neugeborenen von Frauen mit COVID-19 beschreibt 3 nachweislich SARS-CoV-2 infizierte Kinder. Alle drei Neugeborenen hatten Anzeichen der Pneumonie, zwei Kinder hatten Fieber und nur eines der drei Neugeborenen schwere respiratorische Symptome, die aber auch auf die Frühgeburt (31+2 Schwangerschaftswochen) bezogen werden können. Zudem berichtet die Studie nicht, wie systematisch die Kinder postpartal getestet wurden, oder ob Abstriche nur durchgeführt wurden, wenn die Kinder symptomatisch wurden 43 . Somit stellt sich der neonatale Verlauf bei Kindern von COVID-19-positiven Müttern in den meisten Fällen milde bis asymptomatisch dar. Die Sorge vor rascher respiratorischer Verschlechterung in Einzelfällen sowie die eingeschränkten Behandlungsmöglichkeiten lassen Neugeborene von COVID-19-positiven Müttern jedoch als Risikogruppe einstufen 14 .

Ähnliche Effekte im Kindesalter wurden in Bezug auf SARS und MERS gesehen – insgesamt scheint auch hier in dieser Altersgruppe der Verlauf deutlich milder als bei Erwachsenen zu sein 44 45 . Die Langzeitauswirkungen der SARS-CoV-2-Infektion auf das Neugeborene sollten Gegenstand künftiger Forschung sein.

Management sub partu und postpartal

Die bisherige Datenlage lässt wenige eindeutige Empfehlungen im Umgang mit einer SARS-CoV-2-Infektion unter der Geburt und postnatal zu. Einig sind sich alle Experten in Bezug auf den Schutz des Personals und insbesondere das Tragen von FFP-Masken. Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) empfiehlt in ihrem Schreiben vom 19.03.2020 darüber hinaus sinngemäß, die Versorgung von Mutter und Kind unter Beachtung präventiver Hygienemaßnahmen den allgemeinen geburtshilflichen Regeln folgen zu lassen. Der Geburtsmodus wird anhand geburtshilflicher Indikationen und dem Wunsch der Frau individualisiert. Auch ein kontinuierliches Zusammenbleiben im gleichen Raum und Hautkontakt von Mutter und Kind postnatal wird unabhängig von COVID-19 empfohlen 46 .

Darüber hinaus empfehlen die DGPM zusammen mit der DGGG und der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) in einer gemeinsamen Stellungnahme vom 31.03.2020 bei Isolation von Mutter und Kind im gleichen Zimmer für das Bett des Kindes einen Mindestabstand von 1,5 m zur Mutter 47 . Ebenso sollte auch das Stillen ermöglicht werden; in Situationen, in denen eine schwere Krankheit bei einer Mutter mit COVID-19 oder anderen Komplikationen diese daran hindert direkt zu stillen, sollten Mütter ermutigt und unterstützt werden, Milch abzupumpen und das Kind entsprechend füttern zu lassen. Das Europäische Institut für Stillen und Laktation e.V. empfiehlt in dieser Situation neben einer ausreichenden Händehygiene die Sterilisation aller benutzten Gefäße und Pump-Sets 48 . Am 12.03.2020 wurden darüber hinaus ein „FAQ für schwangere Frauen und ihre Familien“ vom German Board and College of Obstetrics and Gynecology (GBCOG) in Zusammenarbeit mit dem Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF) und der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. (DGGG) veröffentlicht, in welchem Frauen ebenso eindeutig das Stillen empfohlen wird 49 . Ähnliche Veröffentlichungen gehen auch von WHO, UNICEF und viele andere Fachgesellschaften (z. B. Royal College of Obstetricians and Gynecologists) aus 50 51 . Dennoch bestanden und bestehen international Kontroversen in Bezug auf das Stillen. Einzelne Autoren rieten explizit hiervon ab, ohne sich dazu näher zu erklären oder auf sinnvolle haltbare Evidenz zu stützen 52 53 .

Dies war und ist sicher der herrschenden Unsicherheit und Angst vor einer Transmission auf das Neugeborene geschuldet und unterstreicht die Notwendigkeit von Studien hierzu.

Offene Fragen

Eine aktuelle Umfrage der Cochrane Collaboration lässt interessante Schlüsse auf die bestehende Unsicherheit beim peripartalen Management von Schwangeren mit COVID-19 zu. Besonders interessant sind dabei die Aspekte, bei denen kein Konsens unter Experten erreicht werden konnte 15 :

  • Indikation zu zusätzlichen sonografischen Kontrollen des Feten.

  • Notwendigkeit zur antenatalen Lungenreifeinduktion mit Kortikoiden

  • Begleitung der Schwangeren durch den Partner zur Geburt

  • Lachgas unter der Geburt

  • Spätes versus frühes Abnabeln

  • Anwesenheit eines Pädiaters zur Geburt

  • Haut-zu-Haut-Kontakt zwischen Mutter und Kind

  • Isolation des Kindes von der Mutter nach der Geburt

  • Stillen

Weitere wichtige offene Fragen in Deutschland adressieren auch die Verzahnung des ambulanten und stationären Settings bei der Versorgung von Müttern und Neugeborenen. Zum Beispiel besteht Unsicherheit in der Frage, wann Mütter mit ihren Kindern aus dem Krankenhaus entlassen werden sollten: eher früh, um andere Patientinnen und Kinder im Krankenhaus nicht zu infizieren, oder eher spät, um eine bessere Überwachung von Mutter und Kind zu gewährleisten und Arzt-/Hebammenbesuche im ambulanten Bereich zu vermeiden? Je nach weiterem Anhalten der Pandemie wird das Gesundheitssystem auf diese Fragen rasch Antworten finden müssen, um Strukturen optimal auszurichten.

Schlussfolgerungen

Die Publikationslage in Bezug auf die Auswirkungen einer SARS-CoV-2-Infektion auf die Schwangerschaft beziehungsweise auf Mutter und Neugeborenes ist unübersichtlich und für eine zuverlässige Bewertung unzureichend. Studien und Fallberichte wurden häufig im Eilverfahren und teilweise „inflationär“ veröffentlicht und genügen so den ansonsten üblichen wissenschaftlichen Ansprüchen nicht. Es besteht aber bisher keine sichere Evidenz für eine erhöhte Morbidität und Mortalität von Mutter und Kind oder eine erhöhte Frühgeburtenrate. Ebenso gibt es keinen gesicherten Hinweis für eine vertikale Transmission. Von dem Risiko einer horizontalen Übertragung, z. B. im Rahmen des Stillens, muss ausgegangen werden. Neonatale COVID-19 Infektionen verlaufen aber zumeist milde. Es werden dringend Ergebnisse von Studien zu SARS-CoV-2 in der Schwangerschaft und Neonatalperiode benötigt, wie sie zum Beispiel aus der laufenden „COVID-19 Related Obstetric and Neonatal Outcome Study in Germany“ (CRONOS) erwartet werden können.

Footnotes

Interessenkonflikt Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Fazit für die Praxis.

Im peripartalen Management und in der weiteren Betreuung des Neugeborenen bestehen zahlreiche offene Fragen. Ihrer Beantwortung sind aktuelle Forschungsprojekte gewidmet, wie die laufende „COVID-19 Related Obstetric and Neonatal Outcome Study in Germany“ (CRONOS) unter der Schirmherrschaft der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin ( www.dgpm-online.org ).

In der Beratung von Frauen mit SARS-CoV-2-Infektion kann eine antepartale (vertikale) Transmission nicht ausgeschlossen werden, erscheint aber eher unwahrscheinlich. Ebenso gilt eine Infektion des Neugeborenen bei SARS-CoV-2 positiver Mutter peripartal als selten. Dem postnatalen Infektionsrisiko sollte nach Auffassung der Autoren nicht mit einer routinemäßigen Isolation des Kindes von der Mutter begegnet werden. Ist die Mutter durch COVID-19 nur wenig beeinträchtigt, besteht für eine Trennung von Mutter und Kind keine Veranlassung. Das Stillen kann weiterhin empfohlen werden unter der Voraussetzung entsprechender Hygienemaßnahmen wie Händewaschen sowie Tragen eines gutsitzenden Mund-Nasen-Schutzes. Die Mutter sollte allerdings über die Möglichkeit einer Übertragung auf das Kind z. B. durch eine Tröpfcheninfektion informiert und über mögliche Symptome beim Kind aufgeklärt werden. Unverzichtbar bleibt die postnatale Quarantäne der Familie bis zur Symptomfreiheit und zum negativen SARS-CoV-2-Abstrich-Ergebniss entsprechend den Bestimmungen der Gesundheitsämter bzw. des Robert-Koch-Instituts. Eine Isolation des Kindes für 14 Tage wird empfohlen, wenn Mutter und Kind nicht gemeinsam untergebracht werden können. Wird das Kind symptomatisch, sollte es in eine neonatologische Abteilung verlegt werden. De Rose et al. schlagen vor, dass eine Entlassung möglich ist, sobald das Neugeborene keine respiratorischen Symptome mehr aufweist, 3–5 Tage fieberfrei ist und 2 Nasen-Rachen-Abstriche auf SARS-CoV-2 mit einem Abstand von mindestens 48 Stunden negativ sind 14 .

Literatur


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