Abstract
Der Tetanus (Wundstarrkrampf) ist eine akute Infektionskrankheit des Nervensystems, die mit schweren Muskelkrämpfen einhergeht. Die Erkrankung wird durch ein Toxin des Bakteriums Clostridium tetani hervorgerufen. Die Inkubationszeit beträgt 3–21 Tage. Leitsymptome sind Trismus, Risus sardonicus und generalisierte/regionale Muskelspasmen. Klinisch werden vier Tetanusformen unterschieden: generalisierter, lokaler, zephaler (im Kopfbereich) und neonataler. Patienten mit schwerem generalisiertem Tetanus müssen kontrolliert beatmet werden.
Der Tetanus (Wundstarrkrampf) ist eine akute Infektionskrankheit des Nervensystems, die mit schweren Muskelkrämpfen einhergeht. Die Erkrankung wird durch ein Toxin des Bakteriums Clostridium tetani hervorgerufen. Die Inkubationszeit beträgt 3–21 Tage. Leitsymptome sind Trismus, Risus sardonicus und generalisierte/regionale Muskelspasmen. Klinisch werden vier Tetanusformen unterschieden: generalisierter, lokaler, zephaler (im Kopfbereich) und neonataler. Patienten mit schwerem generalisiertem Tetanus müssen kontrolliert beatmet werden.
Erreger und Krankheitsentstehung
Die Erreger des Tetanus sind anaerobe, sporenbildende, grampositive Stäbchen. Sie sind weltweit in der Erde und in den Faeces (Kot) von Haus- und Nutztieren verbreitet.
Die Tetanus-Clostridien existieren in zwei Formen: Sporen und vegetative Formen. Die vegetativen Formen produzieren ein Neurotoxin , das Tetanospasmin, das die klinischen Erscheinungen des Tetanus hervorruft, und außerdem das Tetanolysin, das lebendes Gewebe im Bereich der Infektionsstelle zerstören kann und so die Bedingungen für die Bakterienvermehrung verbessert. Das von den vegetativen Formen produzierte Tetanospasmin dringt entlang der peripheren Nerven und möglicherweise auch über Blut- und Lymphbahnen in das Rückenmark und den Hirnstamm ein. Das Toxin ist extrem toxisch, vergleichbar mit Botulismustoxin. Es wirkt an vier Stellen des Nervensystems:
an der motorischen Endplatte,
im Rückenmark,
im Gehirn und
im sympathischen Nervensystem.
Epidemiologie
Jährlich sterben weltweit etwa 1 Mio. Menschen, darunter ca. 580.000 Neugeborene, an Tetanus. In Deutschland erkranken aber wegen der prophylaktischen Schutzimpfung pro Jahr wahrscheinlich nur ca. 70 Personen an Tetanus, meist nach einer akuten Verletzung der Haut (Trauma, Operationswunden, Piercing). Die Sterblichkeit beträgt, auch bei optimaler Intensivbehandlung, etwa 20%.
Klinisches Bild und Diagnose
Tonische Muskelstarre und schmerzhafte Muskelspasmen – bei erhaltenem Bewusstsein – stehen im Mittelpunkt des generalisierten Tetanus. Charakteristische Frühsymptome sind: Muskelsteife in Nacken und Rücken sowie Schluckbeschwerden.
Kennzeichen des Vollbildes
Trismus (Kieferklemme)
Risus sardonicus: „teuflisches Grinsen“ durch Kontraktur der mimischen Muskulatur mit Vorziehen der Mundwinkel nach außen
Opisthotonus: anhaltende Krämpfe der Rückenstrecker
brettharte Bauchmuskulatur durch tonische Krämpfe
Spasmen der Pharynx- und Halsmuskulatur
tonisch-klonische Krampfanfälle
Die Krampfanfälle treten spontan auf, werden aber auch durch Berührung, Geräusche, Lichtreize und Aufregung ausgelöst. Sie gehen mit erheblicher Muskelarbeit, Anstieg der Körpertemperatur und ausgeprägtem Schwitzen einher.
Während der Krampfanfälle ist der Patient vom Erstickungstod bedroht.
Die anhaltende Starre der Atemmuskulatur kann die Atemfunktion so schwer beeinträchtigen, dass eine respiratorische Insuffizienz mit Zyanose auftritt. Die Hypoxie kann ebenfalls zum Tod des Patienten führen.
Störungen des sympathischen Nervensystems durch das Tetanospasmin manifestieren sich meist in folgender Weise:
labiler Hypertonus,
Tachykardie,
Herzrhythmusstörungen,
periphere Vasokonstriktion,
starkes Schwitzen.
Außerdem treten Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels mit Anstieg des Blutzuckers auf.
Nach dem klinischen Bild kann der Tetanus in folgende Schweregrade unterteilt werden:
Schweregrad-Klassifizierung des Tetanus
Grad I, leicht: leichte bis mäßige Kieferklemme, generalisierte Spastik, keine Beeinträchtigung der Atemfunktion, keine Muskelspasmen, geringe oder keine Schluckstörungen
Grad II, mäßig: mäßige Kieferklemme, ausgeprägte Muskelsteife, leichte bis mäßige aber kurz dauernde Muskelspasmen: mäßige Beeinträchtigung der Atmung, Atemfrequenz >30/min, leichte Schluckstörungen
Grad III, schwer: ausgeprägte Kieferklemme, generalisierte Spastik, verlängerte Reflexspasmen, Atemfrequenz >40/min, Apnoe-Anfälle, schwere Schluckstörungen, Tachykardie >120/min
Grad IV, sehr schwer: Zeichen von Grad III mit bedrohlichen autonomen Funktionsstörungen einschließlich Herz-Kreislauf-System, schwere Hypertonie und Tachykardie im Wechsel mit Blutdruckabfall und Bradykardie
Diagnose
Die Diagnose wird aus dem klinischen Bild gestellt. Bei voll entwickelter Krankheit ist das einfach, nicht hingegen im Frühstadium. Typische Veränderungen von Laborwerten gibt es nicht. Die Elektromyographie zeigt kontinuierliche, nicht unterdrückbare Muskelaktivität.
Differenzialdiagnose
Strychninvergiftung, E-605-Vergiftung, Meningoenzephalitis, Tollwut, Katatonie, Stiff-Person-Syndrom (neurologische Autoimmunerkrankung mit generalisierter Tonuserhöhung der Muskulatur), Frühdyskinesie/akute dystone Reaktion nach Neuroleptika, Kieferklemme anderer Ursachen.
Intensivbehandlung
Die Behandlung ist symptomatisch und richtet sich nach dem Schweregrad des klinischen Bildes. Die Toxinwirkung kann 4–12 Wochen anhalten; darum darf der Patient nicht zu früh von der Intensivstation auf die Allgemeinstation verlegt werden. Die überstandene Tetanuskrankheit schützt nicht vor einer erneuten Infektion. Daher ist eine aktive Immunisierung erforderlich.
Allgemeinbehandlung und Behandlung leichter Formen
Unabhängig vom Schweregrad wird für alle Formen folgende Allgemeinbehandlung durchgeführt:
Neutralisierung von ungebundenem Tetanustoxin durch menschliches Tetanusimmunglobulin (hTIG): 1-mal 500 IE i.m.; in der Postakutphase: Immunisierung mit Tetanustoxoid, TTX-Td 1-mal i.m. (nicht in dieselbe Extremität wie bei hTIG-Injektion verabreichen),
chirurgische Ausschaltung der Infektionsquelle, Injektion von hTIG in die Wundränder bei der chirurgischen Wundversorgung (evtl. intrathekale Injektion von hTIG),
antibiotische Therapie mit Metronidazol,
Behandlung der Spasmen mit Benzodiazepinen i.v., evtl. Baclofen intrathekal, Dantrolen i.v.,
Thromboseprophylaxe mit Heparin.
Bei leichtem Tetanus werden die Patienten in einem nicht verdunkelten Einzelzimmer auf der Intensivstation überwacht und bei Bedarf sediert (mit einem Benzodiazepin). Intubationsbesteck, Notfallmedikamente, Muskelrelaxans und Beatmungsgerät müssen bereitgestellt werden.
Behandlung mäßig schwerer Formen
Im Stadium II sind v. a. die oberen Luftwege durch plötzliche Krämpfe (Laryngospasmus) gefährdet. Darum muss die Indikation zur endotrachealen Intubation oder Tracheotomie großzügig gestellt werden.
Der Patient wird in einem ruhigen Einzelzimmer untergebracht und sorgfältig überwacht. Wegen der Erstickungsgefahr darf er zu keinem Zeitpunkt allein gelassen werden. Alle Patienten werden analgosediert (z. B. mit Benzodiazepinen plus Opioiden).
Behandlung des schweren/sehr schweren Tetanus
Je nach Schwere der Muskelstarre und Krampfanfälle wird in folgender Weise vorgegangen.
Praktisches Vorgehen
Tiefe Sedierung mit Midazolam (wirkt nicht nur sedierend, sondern auch antikonvulsiv, zentral muskelrelaxierend), b. B. zusätzlich Propofol und Opioide, endotracheale Intubation oder Tracheotomie und assistierte Spontanatmung. Oder
tiefe Sedierung mit Midazolam und Opioiden; Muskelrelaxierung und kontrollierte Beatmung. Hierbei sollte der Patient nur anrelaxiert sein. Um Muskelatrophien zu vermeiden, wird so bald wie möglich auf assistierte Atmung übergegangen.
Außerdem ist intensives Muskeltraining (mehrmals täglich) durch einen Physiotherapeuten unerlässlich.
Magnesiumsulfat
Vor allem aus Entwicklungsländern mit hoher Zahl an Tetanuserkrankungen gibt es Berichte über den Einsatz von Magnesiumsulfat zur Prophylaxe und Behandlung der Krämpfe (10.1007/978-3-662-50444-4_68). In günstigen Fällen kann hierdurch eine Beatmung des Patienten vermieden werden. Angestrebt werden Serummagnesiumkonzentrationen von 2–4 mmol/l. Eine lückenlose Überwachung der muskulären Atemfunktion und der Magnesiumserumspiegel ist erforderlich.
Bei gesteigerter Sympathikusaktivität können β-Blocker eingesetzt werden, evtl. auch Clonidin; bei Hyperglykämie Insulin-Perfusor; Heparin zur Thromboseprophylaxe; medikamentöse Stressulkusprophylaxe.
Ernährung
Werden die Krämpfe verhindert und die Körpertemperatur im Normbereich gehalten, entspricht der Kalorienbedarf des Tetanuspatienten dem anderer Intensivpatienten (ca. 20–25 kcal/kgKG). Mit der Sondenernährung sollte sobald wie möglich begonnen werden. Wegen der Neigung zu Obstipation wird 2-mal täglich ein Abführmittel (z. B. Magnesiumsulfat oder Rizinusöl) über die Magensonde verabreicht.
Contributor Information
Collaborators: Tobias Fink and Tilmann Müller-Wolff
Nachschlagen und Weiterlesen
Internet
- [1].Deutsche Gesellschaft für Neurologie (2012) Leitlinie Tetanus. www.awmf.org/leitlinien, gültig bis 2017
- [2].Robert-Koch-Institut (RKI) (2010) Tetanus. RKI-Ratgeber für Ärzte. www.rki.de
