Abstract
Störungen des Flüssigkeitsgleichgewichts oder des Blutvolumens können perioperativ die Herz-Kreislauf-Funktion des Patienten schwerwiegend beeinträchtigen. Die intraoperative Flüssigkeitstherapie ist darauf ausgerichtet, das Flüssigkeitsgleichgewicht oder das Blutvolumen zu erhalten oder wiederherzustellen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen dem Ersatz physiologischer Flüssigkeitsverluste eines normovolämischen Patienten (Erhaltungsbedarf) und dem Ausgleich pathologischer Verluste (Blut, Dehydratation). Für den Erhaltungsbedarf werden plasmaisotone Elektrolytlösungen eingesetzt, für den Volumenersatz balancierte Elektrolytlösungen, kolloidale Lösungen (HES, Gelatine) sowie Blut und Blutderivate.
Störungen des Flüssigkeitsgleichgewichts oder des Blutvolumens können perioperativ die Herz-Kreislauf-Funktion des Patienten schwerwiegend beeinträchtigen. Die intraoperative Flüssigkeitstherapie ist darauf ausgerichtet, das Flüssigkeitsgleichgewicht oder das Blutvolumen zu erhalten oder wiederherzustellen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen dem Ersatz physiologischer Flüssigkeitsverluste eines normovolämischen Patienten (Erhaltungsbedarf) und dem Ausgleich pathologischer Verluste (Blut, Dehydratation). Für den Erhaltungsbedarf werden plasmaisotone Elektrolytlösungen eingesetzt, für den Volumenersatz balancierte Elektrolytlösungen, kolloidale Lösungen (HES, Gelatine) sowie Blut und Blutderivate.
Flüssigkeiten für die perioperative Therapie
Nachstehend sind die verschiedenen Arten von Flüssigkeiten zusammengefasst, die während einer Operation und Narkose infundiert werden.
Infundierbare Flüssigkeiten
- Kristalloide
- Balancierte, plasmaisotone Elektrolytlösungen
- Niedrigmolekulare Kohlenhydratlösungen
- Kolloide
- Hydroxyethylstärke
- Gelatinelösung
- Humanalbumin
- Blut und Blutkomponenten
- Erythrozytenkonzentrat
- Frisch gefrorenes Plasma (Fresh Frozen Plasma, FFP)
Kristalloide
Kristalloide sind Elektrolytlösungen oder niedrigmolekulare Kohlenhydratlösungen, die frei durch Kapillarmembranen diffundieren können und daher nur zu höchstens einem Drittel im Gefäßsystem verbleiben. Sie werden eingesetzt, um den Erhaltungsbedarf zu decken, Verluste zu ersetzen und spezielle Störungen zu korrigieren. Je nach Zusammensetzung können sie isoton, hyperton oder hypoton zum Plasma sein. Die wichtigsten Kristalloide sind in folgender Übersicht zusammengestellt.
Kristalloide
Plasmaisotone balancierte Vollelektrolytlösungen
Isotone NaCl-Lösung 0,9%
Ringer-Laktat bzw. -Azetatlösung
Ringer-Laktat in Glukose 5%
Glukose 5%
Isotone balancierte Elektrolytlösung
Isotone balancierte Elektrolytlösungen enthalten ein physiologisches Elektrolytmuster, das weitgehend der des Blutplasmas entspricht. Hierzu gehören, z. B., Sterofundin ISO (B. Braun) und E 153. In beiden Präparaten beträgt die Osmolalität 281 mosmol/l. Sie gelten als Infusionslösungen der Wahl für die normale perioperative Flüssigkeitstherapie und für die Deckung des Erhaltungsbedarfs. Sie können außerdem für den kurzfristigen Ersatz mittlerer Blut- oder Plasmaverluste angewandt werden.
0,9%ige NaCl-Lösung, isotone Kochsalzlösung
Diese Lösung ist plasmaisoton. Sie wird fälschlich auch als „physiologische“ Kochsalzlösung bezeichnet. Das ist sie aber nicht, denn sie enthält 154 mmol/l Cl–, während die Serum-Cl–-Konzentration bei 103 mmol/l liegt. Die Na+-Konzentration ist mit 154 mmol/l ebenfalls höher als die des Plasmas. Andere Elektrolyte sind nicht enthalten, daher ist sie nur kurzfristig hämodynamisch wirksam und für den Ersatz von Blut- und Plasmaverlusten eher ungeeignet.
Die Lösung wird v. a. bei extrazellulären Volumendefiziten eingesetzt, die mit Hyponatriämie, Hypochlorämie und metabolischer Alkalose einhergehen. Sie ist besonders für Patienten geeignet, deren Magensaft kontinuierlich abgesaugt wird (Cl–-Verlust!) sowie für Dialysepatienten und Kinder mit Pylorospasmus. Werden zu große Mengen zugeführt, kann eine hyperchlorämische Azidose entstehen (besonders bei eingeschränkter Nierenfunktion).
Ringer-Laktat-Lösung
Diese Lösung ist „physiologischer“ als 0,9%ige NaCl-Lösung. Sie enthält neben 130 mmol/l Na+ noch Kalium und Kalzium als Kationen sowie 108 mmol/l Cl– und 28 mmol/l Laktat als Anionen. Das Laktat wird im Stoffwechsel zu Bikarbonat umgewandelt (bei ungestörter Leberfunktion).
Die Lösung dient dem präoperativen Ersatz gastrointestinaler Verluste und zum Ausgleich vorbestehender Volumenverluste, sofern keine schwerwiegenden Störungen von Volumen und Zusammensetzung der Extrazellulärflüssigkeit vorliegen.
Ringer-Laktat in Glukose 5%
Diese Lösung ist mit 545 mosmol/l deutlich hyperton zum Plasma. Sie liefert Wasser, Elektrolyte und Kalorien. Bei langsamer Infusionsgeschwindigkeit von 0,5–0,75 g/kgKG/h Glukose tritt meist keine osmotische Diurese auf. Nach der Metabolisierung der Glukose wird die Lösung nahezu plasmaisoton.
Glukose 5%
Diese Lösung enthält 50 g Glukose in 1 l Wasser. Sie ist hypoton (253 mosmol), der pH-Wert beträgt 4,5. Glukose wird metabolisiert und liefert rund 200 kcal. Nach der Metabolisierung enthält die Lösung keine osmotisch aktiven Teilchen mehr.
Glukose 5% liegt dann als freies Wasser vor und ist darum für den Ersatz von isotonen Verlusten aus dem Extrazellulärraum nicht geeignet.
Werden größere Mengen zugeführt, tritt unweigerlich eine Hämodilution (Blutverdünnung) ein. Intra- und extrazelluläre Flüssigkeit nehmen zu, das Serumnatrium (und die anderen Elektrolyte) sowie der Hämoglobingehalt und Hämatokrit fallen ab.
Kolloide
Kolloide sind hochmolekulare Substanzen (Molekulargewicht >10.000 D), die v. a. für den Ersatz von Blutverlusten zugeführt werden. Unterschieden werden körpereigene Kolloide wie Humanalbumin oder Frischplasma und künstliche Kolloide wie HES und Gelatine.
Kolloide üben einen onkotischen Druck aus und können Wasser binden. Da sie nicht frei durch Kapillarmembranen dringen können, verweilen sie länger im Gefäßsystem als Kristalloide. Der Volumeneffekt isoonkotischer Kolloide beträgt ca. 90–100%, der von hyperonkotischen Lösungen ca. 150%.
Hydroxyethylstärke Hydroxyethylstärke HeHydroS)
HES wird enzymatisch im Plasma abgebaut und renal ausgeschieden. Die Elimination aus dem Körper dauert bis zu 2 Wochen. Wegen der möglichen Nierenschädigung durch HES gilt Folgendes:
HES-haltige Infusionslösungen sollten wegen des Risikos der Nierenschädigung nur noch eingesetzt werden für die Behandlung einer Hypovolämie durch akute Blutverluste, die mit kristalloiden Infusionslösungen allein nicht ausgeglichen werden kann.
HES sollte in der niedrigsten wirksamen Dosis angewandt werden, und das so kurz wie möglich.
Kontraindikationen
Sepsis,
Verbrennungen,
eingeschränkte Nierenfunktion, Nierenersatztherapie,
intrakranielle oder zerebrale Blutung,
kritisch kranke Patienten,
Überwässerung, Lungenödem, Entwässerung,
schwere Gerinnungsstörungen, schwere Leberfunktionsstörungen.
Für den intraoperativen Volumenersatz wird, z. B., 6%iges HES 130 eingesetzt. Die maximale Dosis beträgt 30 ml/kgKG, die intravasale Volumenwirkdauer 2–3 h.
Gelatine
Gelatinelösungen werden aus Kollagen hergestellt. Das mittlere Molekulargewicht beträgt ca. 30.000 D, die Konzentration 3–5%.
Gelatine wird vollständig verstoffwechselt und über den Urin ausgeschieden. Eine Speicherung im Körper tritt nicht auf. Wegen des geringen Molekulargewichts und der niedrigen Konzentration sind die Volumeneffekte und die Wirkdauer geringer als die von HES. Die Wasserbindungskapazität beträgt ca. 14 mg/kgKG, die Verweildauer im Gefäßsystem 2–3 h. Deshalb gilt:
Gelatine muss in der 1,5- bis 2-fachen Menge des Blutverlusts infundiert werden, um ein normales Blutvolumen aufrechtzuerhalten.
Wegen der kurzen Verweildauer im Gefäßsystem ist Gelatine nur zur vorübergehenden Behandlung der Hypovolämie geeignet.
Blutgerinnung
Die Blutgerinnungsaktivität und die Nierenfunktion werden durch Gelatine nicht beeinflusst, größere Mengen können jedoch zur Verdünnung von Gerinnungsfaktoren führen. Anaphylaktoide Reaktionen auf Präparate wie Gelafundin sind sehr selten und können durch Vorgabe von H1- und H2-Blockern minimiert werden.
Klinische Anwendung
Gelatinelösungen eignen sich für den kurzfristigen Ersatz von Blutverlusten, die später durch Blut oder Blutkomponenten ausgeglichen werden sollen. Außerdem wird Gelatine für die isovolämische Hämodilution eingesetzt (10.1007/978-3-662-50444-4_17).
Humanalbumin 20%
Dies ist ein natürliches Kolloid mit einer Plasmahalbwertszeit von 19 Tagen. Überinfusion von Humanalbumin führt zur Ablagerung der Substanz im Interstitium (10.1007/978-3-662-50444-4_17).
Intraoperative Routineflüssigkeitszufuhr
Wie viel und welche Art von Flüssigkeit für den intraoperativen Routineflüssigkeitsersatz gegeben werden soll, ist umstritten. Nur über die Ziele besteht Einigkeit: Es sollen einerseits der für den Patienten normale Erhaltungsbedarf an Flüssigkeit gedeckt und andererseits die durch die jeweilige Operation hervorgerufenen Verluste ersetzt werden.
Erhaltungsbedarf
Die meisten erwachsenen Patienten haben 8–12 h vor der Operation keine Flüssigkeit mehr zu sich genommen. Ihr Flüssigkeitsdefizit kann wie folgt kalkuliert werden:
Perspiratio insensibilis: ca. 280 ml bzw. ca. 0,5 ml/kgKG/h,
Urinausscheidung: ca. 1–2 ml/kgKG/h,
Gesamtdefizit im Extrazellulärraum ca. 700 ml, davon intravasales Defizit ca. 100 ml.
Richtwerte für den Erhaltungsbedarf sind in Tab. 16.1 zusammengestellt.
Patienten, die keine Flüssigkeitskarenz tolerieren, müssen mit Absetzen der oralen Zufuhr eine i.v.-Infusion erhalten.
Ist die Operation nur kurz, wird der Ausgleich des Defizits postoperativ fortgesetzt.
Intraoperativ muss der weitere Erhaltungsbedarf gedeckt werden.
Alter | ml/kgKG/h |
---|---|
Erwachsener | 1–2 |
Kind bis 10 kgKG | 4 |
Kind 10–20 kgKG | 2 |
Kind >20 kgKG | 1 |
Perioperative Flüssigkeitstherapie bei Kindern: 10.1007/978-3-662-50444-4_19.
Für Erwachsene wird ein restriktives perioperatives Flüssigkeitskonzept empfohlen:
Keine prophylaktischen Flüssigkeitsboli vor der Narkoseeinleitung, auch nicht vor Spinal- u. Periduralanästhesien, wenn kein Volumenmangel besteht.
Behandlung des anästhetikabedingten Blutdruckabfalls mit Vasopressoren, nicht mit Infusionslösungen.
Erhaltungszufuhr von 1–2 ml/kgKG/h + verlorener Urinmenge.
Keine routinemäßige Steigerung der Infusionsrate bei Eröffnung großer Körperhöhlen.
- Anpassung des Erhaltungsbedarfs an die Größe der Operation:
- 4 ml/kgKG/h bei geringem operativen Trauma,
- 6 ml/kgKG/h bei moderatem operativen Trauma,
- 8 ml/kgKG/h bei großem operativen Trauma.
Bei positiver Flüssigkeitsbilanz: Diuretika.
Der intraoperative Blutverlust sollte möglichst quantitativ erfasst werden (Sauger). Ein Verlust von 10% des Blutvolumens beim sonst Gesunden gilt allgemein nicht als Indikation für eine Bluttransfusion; er kann mit balancierten Elektrolytlösungen ausgeglichen werden. Bei Verlusten von etwa 15–20% sollte sich der Anästhesist auf die Bluttransfusion vorbereiten. Nähere Einzelheiten sind in 10.1007/978-3-662-50444-4_17 beschrieben.
Einschätzung des Flüssigkeitsgleichgewichts
Die Flüssigkeitstherapie bei Patienten ohne vorbestehenden Störungen des Wasser- und Elektrolytgleichgewichts ist verhältnismäßig einfach und kann sich weitgehend an den zuvor beschriebenen Regeln orientieren.
Anders hingegen die Behandlung von Patienten mit vorbestehenden Störungen: hier setzt eine angemessene Therapie die richtige Diagnose voraus! Der Anästhesist muss den Flüssigkeitsstatus des Patienten mit Hilfe klinischer Zeichen und Labordaten einschätzen. Hierbei ist es sinnvoll, Volumen, Osmolarität und Zusammensetzung der Extrazellulärflüssigkeit zu analysieren und danach das therapeutische Vorgehen festzulegen. Hierzu einige Hinweise:
Volumen
Blutdruck und Puls messen, ggf. sitzend und liegend,
Hautturgor beurteilen,
Feuchtigkeit der Schleimhäute überprüfen,
Urinausscheidung messen.
Osmolarität
Serumosmolarität und Serumnatrium messen.
Zusammensetzung
Bestimmung von:
Serumelektrolyten,
Säure-Basen-Haushalt und Blutgasen,
Harnstoff und Kreatinin.
Der zentrale Venendruck sollte nicht für die Diagnose eines Volumenmangels verwendet werden (S3-Leitlinie). Geeignet sind dagegen sog. volumetrische Vorlastparameter (ITB/GEDV).
Der dehydrierte Patient
Ein Mangel an extrazellulärer Flüssigkeit ist vermutlich die gefährlichste präoperative Störung des Flüssigkeitsgleichgewichts, weil die meisten Anästhesietechniken beim dehydrierten Patienten einen Kreislaufkollaps hervorrufen können. Die Diagnose muss präoperativ (nicht hinterher) anhand klinischer Zeichen und der Vorgeschichte gestellt werden: Laborparameter sind meist wenig hilfreich.
Der Verdacht ergibt sich besonders bei Patienten mit folgenden Störungen:
Durchfälle,
Erbrechen,
intestinale Fisteln,
Magenabsaugung,
hohes Fieber,
Hyperglykämie mit Azetonurie bei Diabetes,
Nierenfunktionsstörungen.
Patienten mit Darmverschluss oder Peritonitis können große Mengen eiweißreicher Flüssigkeit in das Darmlumen oder in die Bauchhöhle verlieren.
Bei ausgedehnten Verbrennungen 2. und 3. Grades werden ebenfalls große Mengen an Flüssigkeit, Elektrolyten und Eiweiß verloren.
Bei einem Flüssigkeitsverlust von 6–8% des Körpergewichts ist der Patient häufig apathisch und oligurisch. Es besteht eine Tachykardie (100–120/min), die Schleimhäute sind trocken, die Zunge gefurcht. Der Blutdruck kann normal sein, fällt aber beim Übergang vom Liegen zum Sitzen meist ab. Diese Patienten benötigen etwa 4–6 l balancierte Elektrolytlösung, um Puls, Blutdruck und Urinausscheidung wieder zu normalisieren. Die Substitution sollte vor der Narkoseeinleitung erfolgen.
Bei schwerer Dehydratation ist der Patient stuporös. Bereits im Liegen ist der Blutdruck niedrig und der Puls schnell, die Schleimhäute sind trocken, die Augen eingesunken, die Venen kollabiert. Die Haut bleibt in Falten stehen und fühlt sich kühl und trocken an. Es besteht eine Oligurie-Anurie. Diese Patienten haben mehr als 10% ihres Körpergewichtes an Flüssigkeit verloren. Sie benötigen u. U. mehr als 10 l balancierte Elektrolytlösung, um ihre Vitalfunktionen wiederherzustellen. In schweren Fällen kann es nötig sein, alle 15 min 1 l Flüssigkeit zu infundieren. Hierbei muss die kardiale Reserve beachtet werden. Wenn erforderlich, müssen zusätzlich inotrope Substanzen, z. B. Dobutamin, zugeführt werden.
Die gesamte massive Flüssigkeitstherapie muss, unabhängig von der gewählten Ersatzlösung, unter Kontrolle der Serumelektrolyte und Säure-Basen-Parameter sowie des zentralen Venendrucks erfolgen.
Gefahren der Flüssigkeitstherapie
Zu viel freies Wasser
Narkose und Operation werden als „Stress“ gewertet, auf den der Organismus mit einer sog. Stressreaktion antwortet. Hierbei sind die Serumspiegel des antidiuretischen Hormons (ADH) oft erhöht. Wird dann freies Wasser (Glukoselösungen) im Überschuss zugeführt, kann es nicht ausgeschieden werden. Es entsteht eine Verdünnungshyponatriämie (nicht mit Natriummangel verwechseln!): Wasser strömt nach intrazellulär, die Zellen schwellen an. Zerebrale Symptome stehen hierbei im Vordergrund. Das Syndrom wird als Wasserintoxikation bezeichnet. Die Serumnatriumkonzentration liegt im Durchschnitt bei 122 mmol/l, die Urinosmolarität ist höher als die des Plasmas.
Die Behandlung besteht in einer Flüssigkeitsrestriktion von weniger als 1 l NaCl-Lösung 0,9%/Tag. Freies Wasser darf nicht zugeführt werden. Bei schweren Formen können zusätzlich Diuretika gegeben werden.
Zu viel Salz
Salzlösungen im Überschuss werden gewöhnlich besser vertragen als die exzessive Zufuhr von freiem Wasser. Die Zufuhr großer Mengen Salzlösungen (>3000 ml) kann bei manchen Patienten respiratorische Störungen (Lungenödem) auslösen.
Akuter Volumenersatz
Vergleiche hierzu auch die 10.1007/978-3-662-50444-4_17 und 10.1007/978-3-662-50444-4_67. Die Reaktion des Organismus auf Blutverluste besteht in einer sofortigen Reduzierung des funktionellen Gefäßbettes durch Vasokonstriktion (Zentralisation ). Betroffen sind in erster Linie die Niere, das Splanchnikusgebiet (Eingeweide) und die venösen (Kapazitäts)gefäße. Durch die Vasokonstriktion wird das wirkliche Ausmaß des Volumenverlustes zunächst maskiert – bei sonst Gesunden sogar bis zu einem Verlust von etwa 20% des Blutvolumens (in liegender Position; bei aufrechter Position ist die Toleranz erheblich geringer).
Die hämodynamischen Kompensationsmechanismen können durch Anästhetika schwerwiegend beeinträchtigt sein, sodass bei geringeren Blutverlusten bereits mit einem Blutdruckabfall gerechnet werden muss.
Ein weiterer Kompensationsmechanismus für akute Blutverluste besteht in der Verschiebung von interstitieller Flüssigkeit und extravasalen Proteinen in das Gefäßsystem. Hierdurch wird das intravasale Volumen wiederhergestellt (nicht aber die Erythrozyten!). Wird das verlorene Blutvolumen nicht ersetzt, verändern sich Hb und Hkt zunächst nicht. Diese beiden Laborwerte können somit initial nicht verwendet werden, um den Blutverlust richtig einzuschätzen. Erst nach einigen Stunden, wenn interstitielle Flüssigkeit in größerer Menge nach intravasal verschoben worden ist, fallen Hb und Hkt ab. Werden hingegen die Blutverluste akut durch Plasmaexpander oder balancierte Elektrolytlösungen ersetzt, fallen Hb und Hkt sofort ab.
Durchschnittliche Blutvolumina
Für die akute Volumentherapie ist die Kenntnis der durchschnittlichen Blutvolumina hilfreich:
Männer: 7,5% des Körpergewichts (75 ml/kgKG)
Frauen: 6,5% des Körpergewichts (65 ml/kgKG)
Neugeborene: 8,5% des Körpergewichts (85 ml/kgKG)
Ziel der Therapie ist die Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung eines ausreichenden zirkulierenden intravasalen Volumens sowie der O2-Transportkapazität und des Gerinnungssystems.
Auswahl der Infusionslösung
Mäßige Blutverluste können mit balancierten, plasmaisotonen Elektrolytlösungen ersetzt werden. Sie müssen im Verhältnis 4:1 infundiert werden (d. h. die Infusionsmenge muss 4-mal höher sein als die verlorene Blutmenge). NaCl-Lösungen sollten nicht zugeführt werden.
Reichen Elektrolytlösungen nicht aus, können zusätzlich (kurzfristig) Kolloide, z. B. 6%iges HES 130, Gelatine oder Albumin infundiert werden (Abschn. 16.1.2).
Weiter anhaltende Blutverluste müssen mit Blutpräparaten ausgeglichen werden (10.1007/978-3-662-50444-4_17).
Elektrolytfreie Lösungen, wie z. B. Glukose 5%, sind für den Volumenersatz nicht geeignet (Gefahr der Wasserintoxikation mit Hirn- und Lungenödem).
Intraoperative Störungen des Kaliumgleichgewichts
Kalium ist das „Lieblingskation“ des Anästhesisten. Normale Serumkaliumwerte von 4–4,5 mmol/l sind für eine ungestörte Funktion des Herzens und der neuromuskulären Übertragung äußerst wichtig. Die Verteilung von intrazellulärem zu extrazellulärem Kalium kann durch zahlreiche Mechanismen gestört werden, ohne dass sich hierbei der Gesamtkaliumbestand des Organismus ändert.
Kaliumverschiebungen von intra- nach extrazellulär mit einem Anstieg des Serumkaliums können z. B. auftreten durch:
schwere Traumen (z. B. Polytrauma),
ausgedehnte Operationen,
Gewebekatabolismus und
Azidose.
Ist hierbei die Nierenfunktion normal, sind kaum Anstiege auf über 6 mmol/l zu erwarten.
Kaliumverschiebungen von extra- nach intrazellulär mit Abfall des Serumkaliums treten auf bei:
Alkalose,
Hyperventilation,
Glukose-Insulin-Behandlung.
Diese Veränderungen sind gewöhnlich ohne schwerwiegende Folgen, solange sich der Gesamtbestand nicht ändert.
Hypokaliämie
Definition
Hypokaliämie ist ein Abfall des Serumkaliums auf weniger als 3,8 mmol/l.
Die Hypokaliämie ist beim chirurgischen Patienten die häufigste Störung des Kaliumbestandes. Die wichtigsten Ursachen sind:
Verluste über die Nieren,
nicht ersetzte Verluste über den Magen-Darm-Trakt,
Kaliumeinstrom in die Zelle.
Renale Kaliumverluste treten v. a. bei chronischer Diuretikatherapie auf. Gefährdet sind somit v. a. Patienten mit Hypertonie und/oder Herzinsuffizienz. Bei digitalisierten Patienten besteht eine besondere Empfindlichkeit gegenüber Hypokaliämie! Für den Anästhesisten sind v. a. die kardialen Wirkungen des Kaliummangels wichtig: Die Erregbarkeit des Herzens ist gesteigert und es besteht die Gefahr von Herzrhythmusstörungen.
Andere Auswirkungen der Hypokaliämie sind Muskelschwäche und intestinale Atonie.
Aus Vorsichtsgründen sollte bei Serumkaliumwerten von unter 3 mmol/l keine elektive Narkose eingeleitet werden.
Das EKG bei einer Hypokaliämie weist 2 Besonderheiten auf:
flache T-Welle,
U-Welle.
Normalerweise sollten bei Kaliummangel nicht mehr als 20 mmol/h infundiert werden. Aus Sicherheitsgründen sollte der Kaliumzusatz zur Infusionslösung 40 mmol nicht überschreiten. Bei schwerem Kaliummangel müssen mehrere 100 mmol über mehrere Tage hinweg gegeben werden, um das Defizit auszugleichen.
Im Notfall können etwa 0,5 mmol/kgKG/h über einen zentralen Venenkatheter infundiert werden. Beim raschen Kaliumersatz müssen das EKG und die Urinausscheidung überwacht werden! Verschwindet die U-Welle und ist das Serumkalium auf über 3 mmol/l angestiegen, kann vermutlich die Narkose eingeleitet werden. Es sollen dann Anästhetika ausgewählt werden, die selbst keine arrhythmogenen Eigenschaften haben.
Eine respiratorische Alkalose durch Hyperventilation muss vermieden werden!
Hyperkaliämie
Definition
Hyperkaliämie ist ein Anstieg des Serumkaliums auf mehr als 5,5 mmol/l.
Serumkaliumwerte von mehr als 6,6 mmol/l sind lebensbedrohlich, Werte über 10–12 mmol/l tödlich.
Die wichtigsten Ursachen für eine Hyperkaliämie beim chirurgischen Patienten sind:
verminderte renale Ausscheidung (z. B. bei Niereninsuffizienz) oder
exzessive Kaliumzufuhr (z. B. bei Massivtransfusionen; zu schnelle Kaliuminfusion).
Gastrointestinale Zeichen der Hyperkaliämie sind:
Übelkeit,
Erbrechen,
Koliken,
Durchfälle.
Kardiale Zeichen sind:
Bradyarrhythmie,
Digitalisresistenz.
Das EKG bei einer Hyperkaliämie weist folgende Besonderheit auf:
hohe, spitze T-Wellen.
Für Wahleingriffe sollte bei Kaliumwerten von über 6 mmol/l möglichst keine Narkose eingeleitet werden.
Die kardialen Auswirkungen der Hyperkaliämie können akut – jedoch nur vorübergehend – mit Kalzium i.v. sowie mit 50–100 g Glukose + 10–20 IE Insulin per Infusion behandelt werden. Durch diese Maßnahmen wird Kalium nach intrazellulär verschoben. Eine Alkalisierung mit Natriumbikarbonat wirkt ähnlich.
Über Kalium und Succinylcholin: 10.1007/978-3-662-50444-4_11. Andere Elektrolytstörungen sind speziellen Fragestellungen vorbehalten. Sie werden darum hier nicht beschrieben.
Contributor Information
Collaborators: Tobias Fink and Tilmann Müller-Wolff
Nachschlagen und Weiterlesen
- [1].Achatz S, Jacob M. Perioperative Infusionstherapie. Allgemein- und Viszeralchirurgie up2date. 2013;7:355–365. doi: 10.1055/s-0033-1346694. [DOI] [Google Scholar]
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Internet
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