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. 2016 Jun 14:675–679. [Article in German] doi: 10.1007/978-3-662-50444-4_49

Herzinsuffizienz und kardiogener Schock

Reinhard Larsen 4,
PMCID: PMC7531323

Abstract

Die Herzinsuffizienz ist gekennzeichnet durch typische Symptome und Zeichen. Sie beruht auf einer Störung der Herzstruktur oder -funktion. Begleiterkrankungen sind häufig. Die akute Herzinsuffizienz bezeichnet das rasche Auftreten oder rasche Veränderungen von Symptomen und Zeichen der Herzinsuffizienz. Sie ist lebensbedrohlich und muss notfallmäßig behandelt werden. Der kardiogene Schock ist die am stärksten ausgeprägte Form der akuten Herzinsuffizienz.


Die Herzinsuffizienz ist gekennzeichnet durch typische Symptome und Zeichen. Sie beruht auf einer Störung der Herzstruktur oder -funktion. Begleiterkrankungen sind häufig. Die akute Herzinsuffizienz bezeichnet das rasche Auftreten oder rasche Veränderungen von Symptomen und Zeichen der Herzinsuffizienz. Sie ist lebensbedrohlich und muss notfallmäßig behandelt werden. Der kardiogene Schock ist die am stärksten ausgeprägte Form der akuten Herzinsuffizienz.

Herzinsuffizienz: Grundbegriffe

Pathophysiologisch ist die Herzinsuffizienz ein Zustand, bei dem das Herz nicht mehr in der Lage ist, den Blut- bzw. O2-Bedarf der Organe zu decken. Von ihrem Verlauf her werden zwei Formen unterschieden: die chronische Herzinsuffizienz und die akute Herzinsuffizienz. Bei der akuten Herzinsuffizienz lassen sich ebenfalls zwei Formen unterscheiden: die neu aufgetretene akute Form und die akut dekompensierte chronische Herzinsuffizienz.

Die Insuffizienz kann den linken oder den rechten Ventrikel betreffen oder aber beide Ventrikel zusammen. Die Funktionsstörung (Dysfunktion) des linken Ventrikels führt zu den Zeichen der pulmonalen Stauung, die des rechten Ventrikels zu generalisierter venöser Stauung mit Ödemen. Bei der linksventrikulären Dysfunktion werden ebenfalls zwei Formen unterschieden:

  • Systolische Herzinsuffizienz (HF-REF = „heart failure with reduced ejection fraction“), gekennzeichnet durch eine erniedrigte Ejektionsfraktion (EF) und Dilatation des linken Ventrikels,

  • Diastolische Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion (HF-PEF = „heart failure with preserved ejection fraction“) und normalem linksventrikulärem Volumen.

Ursachen

Die Herzinsuffizienz kann durch viele Faktoren ausgelöst werden. Die wichtigsten sind:

  • koronare Herzkrankheit,

  • Kardiomyopathie,

  • Myokarditiden,

  • Hypertonie, Arrhythmien,

  • akute Lungenembolie, Herzbeuteltamponade, Aortendissektion,

  • Myokardinsuffizienz bei Herzklappenerkrankungen.

Kompensationsreaktionen

Die chronische Insuffizienz des Herzmuskels wird in der Regel durch eine Reihe von Anpassungsreaktionen zunächst kompensiert; hierzu gehören:

  • Frank-Starling-Mechanismus,

  • Erhöhung des Sympathikotonus,

  • Steigerung der Myokardkontraktilität,

  • Hypertrophie und Dilatation des Herzmuskels.

Frank-Starling-Mechanismus

Einzelheiten: 10.1007/978-3-662-50444-4_47.

Durch vermehrten venösen Rückstrom (Venokonstriktion!) bzw. Zunahme der Vorlast (Preload) steigt die Kontraktionskraft des Herzens an, außerdem wird die Geometrie des Ventrikels günstiger und das gleiche Schlagvolumen kann mit geringerer kreisförmiger Verkürzung der Muskelfasern ausgeworfen werden.

Erhöhung des Sympathikotonus

Die Steigerung des Sympathikotonus wird v. a. durch den Blutdruckabfall hervorgerufen und führt zu folgenden Reaktionen:

  • Anstieg der Herzfrequenz und Zunahme der Kontraktilität,

  • Kontraktion der Arteriolen mit Anstieg des peripheren und pulmonalen Gefäßwiderstandes,

  • Steigerung der Reninsekretion mit Retention von Salz und Wasser (über den Aldosteronmechanismus).

Hypertrophie und Dilatation des Herzens

Die Hypertrophie des Herzens entsteht durch vermehrte intramyokardiale Wandspannung bei Volumen- und Drucküberlastung des Herzens. Hierdurch nimmt die Ventrikelwand an Dicke zu und an Dehnbarkeit ab. Die Zahl der Sarkomere und die Schlagarbeit des Herzens steigen, sodass zunächst ein normales Schlagvolumen aufrechterhalten wird.

Die Kompensationsmechanismen können durch die während der Intensivbehandlung zugeführten Medikamente erheblich beeinträchtigt werden, bis hin zur kardialen Dekompensation.

Klinisches Bild, Diagnostik und Therapie

Klinisches Bild der Linksherzinsuffizienz

Die Insuffizienz des linken Ventrikels manifestiert sich zuerst als Dyspnoe , hervorgerufen durch ein interstitielles Lungenödem mit Abnahme der Compliance. Während anfangs die Dyspnoe nur bei Belastung auftritt (Belastungsdyspnoe), ist im Stadium der eingeschränkten kardialen Reserve die Dyspnoe bereits in Ruhe vorhanden (Ruhedyspnoe). Weitere Zeichen sind:

  • Stauungsbronchitis,

  • Tachykardie,

  • basale Rasselgeräusche bei Auskultation des Thorax,

  • evtl. Galopprhythmus des Herzens,

  • evtl. prärenale Niereninsuffizienz,

  • bei Dekompensation: Lungenödem, Abfall des Herzzeitvolumens mit Blässe, niedrigem Blutdruck, Oligurie; später kardiogener Schock.

Röntgenbild

Interstitielles Lungenödem, später alveoläres Lungenödem, Hypertrophie und Dilatation des Herzens.

Klinisches Bild der Rechtsherzinsuffizienz

Das klinische Bild der Rechtsherzinsuffizienz ist durch die venöse Stauung vor dem rechten Herz gekennzeichnet:

  • periphere bzw. gemischtförmige Zyanose,

  • gestaute Halsvenen,

  • nachlassende Diurese,

  • periphere Ödeme,

  • Stauungsleber (schmerzhaft vergrößerte Leber), Stauungsgastritis,

  • Aszites, Pleuraergüsse, Perikarderguss,

  • schwankende Blutdruckkurve (Volumenmangel durch schlechte Füllung des linken Ventrikels) und niedriger Druckpuls (niedriges Schlagvolumen),

  • Zeichen des Cor pulmonale (10.1007/978-3-662-50444-4_51).

Diagnose

Die Diagnose „Herzinsuffizienz“ ergibt sich aus der Vorgeschichte und dem klinischen Bild sowie bestimmten Untersuchungen: Röntgenaufnahme des Thorax, 12-Kanal-EKG, transthorakale Echokardiographie mit Bestimmung der Ejektionsfraktion, Herzenzyme, BNP oder NTproBNP, Elektrolyte, Harnstoff, Kreatinin, geschätzte glomeruläre Filtrationsrate Leberenzyme, Bilirubin, Ferritin, totale Eisenbindungskapazität, Bestimmung der Schilddrüsenfunktion, Blutbild.

Grundzüge der Behandlung

Wenn möglich sollten die auslösenden Ursachen der Herzinsuffizienz beseitigt werden. Ansonsten ist eine symptomatische Therapie erforderlich, die darauf abzielt, das Herz zu entlasten und gleichzeitig die Herzleistung zu verbessern.

Jede klinisch manifeste Herzinsuffizienz und jede asymptomatische Störung der kardialen Pumpfunktion mit einer EF <0,4 gilt als Indikation für eine Behandlung. Hierbei werden folgende Medikamente eingesetzt:

  • ACE-Hemmer und β-Blocker bei allen Patienten mit EF ≤40%,

  • Diuretika,

  • Aldosteronantagonisten (MRA): bei allen Patienten mit anhaltenden Symptomen trotz ACE- und β-Blocker-Therapie und einer EF≤70%.

  • Digitalis: bei β-Blocker-Unverträglichkeit. Zusätzlich ACE-Hemmer (oder ARB) und MRA (oder ARB).

  • Angiotensin-Rezeptorblocker (ARB): Anhaltende Symptome und EF ≤40% trotz Therapie mit ACE-Hemmern und β-Blockern bei Unverträglichkeit von MRA.

  • Ivabradin: wenn EF ≤35% und Herzfrequenz >70/min trotz adäquater medikamentöser Therapie.

Zusätzlich Behandlung von Begleiterkrankungen. Hierzu gehören: Angina pectoris, Hypertonie, Diabetes, Anämie, Eisenmangel und Nierenfunktionsstörungen.

Akute Dekompensation: Lungenödem, Low-output-Syndrom, kardiogener Schock

Eine chronische Herzinsuffizienz kann trotz optimal eingestellter Therapie akut dekompensieren und zum kardiogenen Lungenödem, Low-output-Syndrom oder – bei ca. 2–3% der Patienten – zum kardiogenen Schock führen. Zu den wichtigsten Auslösern einer Dekompensation gehören:

  • Herzrhythmusstörungen, v. a. Vorhofflimmern, supraventrikuläre oder ventrikuläre Tachykardien, Bradykardien (10.1007/978-3-662-50444-4_48),

  • Myokardischämien, Myokardinfarkt (10.1007/978-3-662-50444-4_50),

  • Medikamente mit negativ inotroper Wirkung,

  • zu starke Vorlastsenkung (Diuretika + ACE-Hemmer),

  • Überwässerung durch zu ausgiebige Volumenzufuhr,

  • Verschlechterung der Nierenfunktion, z. B. durch Medikamente,

  • Infektionen,

  • Lungenembolie,

  • Anämie.

Das Cor pulmonale, als akute Rechtsherzdekompensation, wird in 10.1007/978-3-662-50444-4_51 beschrieben.

Low-output-Syndrom

Bei akuter Dekompensation einer Linksherzinsuffizienz kommt es zu Blutdruckabfall und Tachykardie, evtl. auch zum Lungenödem.

Akutes kardiogenes Lungenödem

Die Störung ist gekennzeichnet durch erhöhte linksatriale und pulmonalkapilläre Füllungsdrücke (PCWP >18 mmHg) als Zeichen einer stark ausgeprägten diastolischen Funktionsstörung. Das Blutvolumen wird in die Lunge umverteilt und es entwickelt sich ein interstitielles oder alveoläres Ödem. Klinisch steht die respiratorische Insuffizienz im Vordergrund; der systemische Gefäßwiderstand ist erhöht, der arterielle Blutdruck normal oder erhöht. Oft handelt es sich um alte Patienten mit koronarer Herzkrankheit, arterieller Hypertonie, Diabetes mellitus oder Herzklappenfehler in der Vorgeschichte. Wichtigste Komplikation des akuten Lungenödems ist ein akuter Myokardinfarkt. Die Letalität beträgt etwa 6%.

Kardiogener Schock

Hierbei ist das Herz nicht mehr in der Lage, einen ausreichenden Blutfluss zu erzeugen, um die O2-Versorgung der Organe zu gewährleisten. Die klinischen Zeichen und Untersuchungsbefunde sind:

  • Klinisch:Agitiertheit; blasse, kühle, schweißige Haut; Zyanose, Oligurie,

  • schwere und anhaltende arterielle Hypotonie: systolischer Blutdruck <90 mmHg ohne Hypovolämie,

  • periphere Minderdurchblutung,

  • erniedrigter Herzindex (<1,8 l/m2),

  • erhöhte linksventrikuläre Füllungsdrücke (PCWP >18 mmHg).

Basisdiagnostik und Monitoring

  • EKG: frischer oder älterer Myokardinfarkt? Herzrhythmusstörungen? Hypertrophiezeichen

  • Labor: Herzenzyme, Blutbild, Elektrolyte, Nierenfunktion, Blutgerinnung, Entzündungsparameter, Laktat, TSH, arterielle Blutgasanalyse

  • Thoraxröntgenbild: Stauungszeichen

  • Transthorakale Echokardiographie (TTE)

  • Invasive Blutdruckmessung

  • Pulsoxymetrie

  • Pulmonaliskatheter: PCWP, Herzindex, systemischer Gefäßwiderstand

Therapie

Zu den wichtigsten Therapiemaßnahmen gehören:

  • Initial Sauerstoff über Maske oder Nasensonde, Diuretika, Vasodilatatoren,

  • bei anhaltender Hypoxämie nichtinvasive Beatmung,

  • bei schwerster respiratorischer Insuffizienz bzw. hämodynamischer Instabilität oder zunehmender muskulärer Erschöpfung endotracheale Intubation und maschinelle Beatmung (mit PEEP).

  • Weitere Maßnahmen zur Verbesserung der O2-Versorgung:
    • Hämoglobin >8–10 g/dl;
    • saO2 >92%; gemischtvenöse O2-Sättigung >60%,
    • Serumlaktat <2,2 mmol/l.
  • Bei Schmerzen Opioide, z. B. Morphin oder Piritramid.

  • Low-output-Syndrom :
    • Je nach Höhe des Blutdrucks und des peripheren Widerstandes werden häufig Dobutamin und Phosphodiesterasehemmer eingesetzt, evtl. zusätzlich Noradrenalin.
  • Lungenödem:
    • Oberkörperhochlagerung, Sauerstoff, bei Unruhe/Angst evtl. Opioide.
    • Gabe von Nitraten: Nitroglycerin oder Isosorbiddinitrat in hohen Dosen, kombiniert mit niedrig dosiertem Furosemid (40–80 mg). Isosorbiddinitrat: 3 mg alle 5 min bzw. 4 mg alle 4 min bis zum Anstieg der saO2 auf über 96% oder Abfall des systolischen Blutdrucks um 30% oder auf <90 mmHg,
    • Phosphodiesterasehemmer (z. B. Enoximon, Milrinon) wirken positiv inotrop und vasodilatierend; hierdurch Anstieg des HZV bei gleichzeitiger Senkung der Vor- und Nachlast (Vorsicht: starker Blutdruckabfall bei Hypovolämie); indiziert bei schwerem Lungenödem.
    • KeineVolumengabe beim akuten Lungenödem.
  • Kardiogener Schock:
    • Dobutamin und Noradrenalin sind die Mittel der Wahl zur Stabilisierung der Herz-Kreislauf-Funktion. Zielwerte: MAP 65–75 mmHg, CI ≥2,5 l/m2, SVR 800–1000 dyn×s×cm-5,
      • Dosierung Dobutamin: 2,5–10 µg/kgKG/min,
      • Dosierung Noradrenalin: 0,1–1 µg/kg/min, wenn nötig auch höher.
    • Levosimendan und Phosphodiesterasehemmer: versuchsweise bei Versagen der anderen Medikamente.
    • Adrenalin nur als Ultima Ratio bei therapieresistenter Hypotension.
    • Bei therapierefraktärem kardiogenem Schock: IABP (intraaortale Ballonpumpe).
    • Dopamin wird nicht mehr empfohlen. Verapamil und Diltiazem sind im Schock absolut kontraindiziert!
  • Kardioversion: bei hämodynamischer Instabilität durch ventrikuläre Tachykardien; medikamentös: Amiodaron Mittel der 1. Wahl.

Contributor Information

Collaborators: Tobias Fink and Tilmann Müller-Wolff

Nachschlagen und Weiterlesen

  • [1].Block B (2006) Herz-Kreislauf-System. POL-Leitsymptome. Thieme, Stuttgart. Auch als E-Book
  • [2].Erdmann E (2011) Herzinsuffizienz. 5. Aufl. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Weinheim

Internet

  • [3].AWMF (2011) Deutsch-österreichische S3-Leitlinie Infarktbedingter kardiogener Schock. Diagnose, Monitoring und Therapie. www.awmf.org
  • [4].Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (2013) ESC Pocket Guidelines. Herzinsuffizienz. Leitlinien für die Diagnose und Behandlung der akuten und chronischen Herzinsuffizienz. www.leitlinie.dgk.org

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