Abstract
Intensivpatienten weisen ein hohes Infektionsrisiko auf, besonders auf operativen Intensivstationen. Die wichtigsten Risikofaktoren sind hohes Lebensalter, die eigentliche Erkrankung, operative Eingriffe sowie pflegerische, diagnostische und therapeutische Maßnahmen. Durch ein klar strukturiertes Konzept sinnvoller Hygienemaßnahmen, an dem sich alle auf der Intensivstation tätigen Personen beteiligen, kann das Infektionsrisiko für den Intensivpatienten erheblich gesenkt werden.
Intensivpatienten weisen ein hohes Infektionsrisiko auf, besonders auf operativen Intensivstationen. Die wichtigsten Risikofaktoren sind hohes Lebensalter, die eigentliche Erkrankung, operative Eingriffe sowie pflegerische, diagnostische und therapeutische Maßnahmen. Durch ein klar strukturiertes Konzept sinnvoller Hygienemaßnahmen, an dem sich alle auf der Intensivstation tätigen Personen beteiligen, kann das Infektionsrisiko für den Intensivpatienten erheblich gesenkt werden.
Krankenhausinfektionen
Bei etwa der Hälfte aller Intensivpatienten besteht zu einem gegebenen Zeitpunkt eine Infektion. Eine herausragende Rolle spielen hierbei sog. nosokomiale (krankenhauserworbene) Infektionen.
Nosokomiale Infektionen
Eine Infektion wird als nosokomial bezeichnet, wenn sie bei der Aufnahme des Patienten ins Krankenhaus weder vorhanden war, noch der Patient sich in der Inkubationsphase befand.
Nosokomiale Infektionen sind eine häufige Komplikation beim Intensivpatienten, durch die der Krankheitsverlauf verlängert und die Sterblichkeitsrate erhöht wird. Die Häufigkeit von im Krankenhaus erworbenen Infektionen durch Mikroorganismen beträgt in Deutschland etwa 10%, in Risikobereichen wie der Intensivstation bis zu 30%.
Die häufigsten nosokomialen Infektionen beim Intensivpatienten
Harnwegsinfektionen (ca. 40%)
Pneumonie, Atemwegsinfektionen (ca. 20%)
Postoperative Wundinfektionen (ca. 15%)
Sepsis, u. a. durch Venenkatheter, v. a. ZVK (ca. 8%)
Die Sterblichkeit der nosokomialen Infektion ist hoch: mehr als 30.000 Patienten sterben pro Jahr direkt an den Folgen einer nosokomialen Infektion. Um diese erschreckend hohe Zahl zu senken, müssen bestimmte hygienische Regeln und Maßnahmen strikt eingehalten werden. Diese hygienischen Maßnahmen dienen der primären Prävention , d. h. der Verhütung nosokomialer Infektionskrankheiten und sind Aufgabe aller in einer Intensivstation tätigen Personen.
Erreger
Die Erreger nosokomialer Infektionen sind klinikgebunden (jedoch verschleppbar), breiten sich außerhalb des Körpers an zahlreichen Stellen des Krankenhauses aus, können sich auf Haut und Schleimhäuten des Personals ansiedeln und vermehren, ohne bei den Trägern Krankheiten hervorzurufen (unverdächtige Keimüberträger!). Sie weisen oft eine mehrfache Resistenz gegenüber Antibiotika sowie eine hohe Infektiosität auf.
Die wichtigsten Erreger nosokomialer Infektionen sind:
- gramnegative Bakterien:
- Pseudomonaden,
- Enterobacter,
- Escherichia coli,
- Proteus,
- Klebsiellen,
- grampositive Bakterien:
- Staphylococcus aureus,
- Enterokokken,
- Staphylococcus epidermidis,
- Streptokokken,
- Pneumokokken.
Wichtig ist, dass die meisten gramnegativen Sepsiserreger zur physiologischen Darmflora gehören und damit nur fakultativ pathogen sind.
Resistenz
Eine wichtige Besonderheit nosokomialer Erreger ist ihre Resistenz (Widerstandsfähigkeit) und Mehrfachresistenz gegen Antibiotika, durch die insbesondere der schwer kranke Intensivpatient gefährdet wird.
Resistenz
Eine Resistenz des Erregers liegt vor, wenn er sich bei einer mittleren Konzentration des Antibiotikums im Körper noch vermehren kann.
Die Resistenzentwicklung ist Folge der (oft leichtfertigen) Anwendung von Antibiotika, die zu einer Selektion besonders widerstandsfähiger Erreger geführt hat.
Neben den Bakterien gehören auch noch Pilze (besonders Candida albicans) und Viren (u. a. respiratorische Viren, Influenzaviren, Viren der Hepatitis A und B) zu den nosokomialen Krankheitserregern.
Infektionsquellen
Die wichtigsten Infektionsquellen auf Intensivstationen sind:
Patient,
Personal,
Besucher,
Blut- und Organspender,
Blasenkatheter,
zentraler Venenkatheter,
Instrumente und Geräte,
Medikamente und Infusionen,
Luft.
Patient
Häufigste und wichtigste Infektionsquelle ist der Patient selbst: bei 50–80% der nosokomialen Infektionen stammen die Erreger aus dem Gastrointestinaltrakt oder von der Haut des Patienten (endogene Infektion). Ein Teil dieser Erreger gehört zur physiologischen Flora des Darmtraktesund ist nur fakultativ pathogen, z. B. bei geschwächter Abwehrlage. Ein weiterer Teil stammt aus einer unphysiologischen Besiedelung von Haut und Schleimhäuten während der Intensivbehandlungszeit (Kolonisation ). Der Vorgang der Infektion mit eigenen Bakterien wird als Autoinfektion bezeichnet, die Übertragung der Erreger von einem Patienten zum anderen mit nachfolgender Infektion als Kreuzinfektion . Wichtigstes Transportmittel sind hierbei die Hände des Pflegepersonals und der Ärzte. Die Ausscheidung der Erreger erfolgt v. a. mit Stuhl, Sekreten und Exkreten.
Personal
Die Ansteckung des Patienten durch Pflegepersonal und Ärzte als gesunde Keimträger spielt in der Intensivmedizin eine untergeordnete Rolle. Dennoch müssen Ausscheider pathogener Bakterien (Personal, Besucher) von der Intensivstation ferngehalten werden, ebenso alle Personen, bei denen der Verdacht auf eine Infektionskrankheit besteht (Keimausscheidung während der Inkubationszeit).
Kontamination
Die Besiedelung von Kathetern, Tuben, Drainagen, Geräten, Instrumenten, Infusionslösungen, Medikamenten, Wasser, Arbeitsflächen, Fußböden usw. durch Anflug- bzw. Kontaktkeime wird als Kontamination bezeichnet. Feuchtigkeit als begünstigender Faktor ist hierbei von großer Bedeutung, denn es werden überwiegend Nasskeime übertragen. Das sind gramnegative Bakterien wie E. coli, Pseudomonas und Klebsiellen. Grundsätzlich sind die Kontaminationsmöglichkeiten nahezu unbegrenzt, jedoch sollte die Infektion des Intensivpatienten durch kontaminierte Quellen bei entsprechender Qualität der Hygienekontrolle auf ein Mindestmaß reduziert werden können.
Übertragungswege
Die wichtigsten Übertragungswege für nosokomiale Erreger sind:
Kontaktinfektion,
aerogene Infektion,
Nahrungsmittelinfektion,
transmissive Infektion.
Hiervon spielt die nosokomiale Kontaktinfektion eine herausragende Rolle.
Kontakt- oder Schmierinfektion
Über 90% aller nosokomialen Infektionskrankheiten werden durch Kontakt übertragen, und zwar in folgender Weise:
direkter Kontakt mit der Infektionsquelle; dies können Patient, Personal oder Besucher sein,
direkte Übertragung durch eine kontaminierte Quelle, z. B. Instrumente, Geräte, Infusionslösungen, Medikamente,
indirekt über eine kontaminierte Quelle, die nicht in unmittelbarem Kontakt mit dem Patienten steht, sondern ein Transportmittel benötigt.
Die Kreuzinfektion erfolgt v. a. durch die ungeschützten Hände des Personals. Ihre Verhütung ist von allergrößter Bedeutung für den Intensivpatienten.
Weiter Übertragungswege
Aerogene Infektion
Der Übertragung von nosokomialen Erregern durch die Luft (aerogen) ist mit ca. 10% aller Erkrankungen relativ selten. Übertragungswege: defekte Klimaanlage, Zugluft, Tröpfcheninfektion durch Staub.
Nahrungsmittelinfektion
Sie wird durch Nahrungsmittel und Trinkwasser übertragen. Eintrittspforte ist der Mund, Ursache eine schlechte Krankenhaushygiene!
Transmissive Infektion
Die Übertragung erfolgt, z. B., durch Fliegen und Kakerlaken. Sie ist in der Intensivmedizin von außerordentlich geringer Bedeutung, jedoch möglich.
Eintrittsstellen nosokomialer Erreger
Grundsätzlich können die Erreger über die natürlichen Körperöffnungen in den Organismus eintreten. Beim Intensivpatienten spielen außerdem alle künstlich geschaffenen Zugänge in den Körper eine wichtige Rolle. Hierzu gehören z. B.:
Blasenkatheter,
Endotrachealtubus und Trachealkanüle,
zentraler Venenkatheter,
arterielle Kanüle oder Katheter,
Drainagen und Sonden.
Blasenkatheter
Die Infektionsrate durch Blasenkatheter ist hoch. Im Allgemeinen tritt bereits innerhalb von drei Tagen eine bakterielle Kontamination des Urins auf. Nicht selten wird hierdurch beim Intensivpatienten eine generalisierte Sepsis ausgelöst.
Endotrachealtubus und Trachealkanüle
Tubus und Kanüle erhöhen das Infektionsrisiko, besonders, wenn die Schleimhaut geschädigt oder, wie bei der Tracheotomie, ein größeres Trauma entstanden ist. Zusätzlich wird das Infektionsrisiko durch das endotracheale Absaugen erhöht.
Je länger die endotracheale Intubationszeit, desto größer die Gefahr der Schleimhautschädigung und desto höher die Wahrscheinlichkeit einer Infektion!
Venenkatheter
Sie werden, wie auch Infusionslösungen, nicht selten als Eintrittspforten für nosokomiale Erreger angesehen. Jedoch liegen keine verlässlichen Angaben über die Häufigkeit katheterbedingter Infektionen bzw. Sepsis vor, zumal bei Verdacht auf Sepsis der Venenkatheter gewöhnlich frühzeitig ausgewechselt wird, sodass ein ursächlicher Zusammenhang oft nicht eindeutig gesichert werden kann. Hinweise ergibt eine bakteriologische Untersuchung der abgeschnittenen Katheterspitze.
Begünstigende Faktoren
Intensivpatienten sind bereits durch ihre Grunderkrankung, die zur Aufnahme führte, besonders infektionsgefährdet. Vermutlich beruht diese Anfälligkeit auf einer Schwächung ihrer Abwehrkräfte und den künstlich geschaffenen (invasiven) Eintrittspforten sowie dem Einsatz von Antibiotika. Warum die Abwehrkräfte des Patienten vermindert sind, ist nicht vollständig geklärt, jedoch sind zahlreiche begünstigende Risikofaktoren bekannt. Hierzu gehören u. a.:
extreme Altersgruppen: Frühgeborene, alte Patienten,
schweres Trauma oder Polytrauma,
große chirurgische Eingriffe,
Verbrennungen,
unzureichende Ernährung,
schlechter Allgemeinzustand bzw. Kachexie bei Aufnahme,
chronisches Nierenversagen,
Diabetes mellitus,
Therapie mit Immunsuppressiva (Organtransplantationen), Zytostatika, Kortikosteroiden,
bösartige Erkrankungen,
Bestrahlungstherapie.
Schwere Traumen
Polytrauma, ausgedehnte operative Eingriffe und Verbrennungen beeinträchtigen die Immunreaktion des Organismus und vermindern die Bildung von Antikörpern. Die Funktion der Leukozyten wird gleichermaßen gestört.
Mangelernährung
Sie ist ebenfalls ein wichtiger Faktor für gesteigerte Infektanfälligkeit des Intensivpatienten. Darum muss sorgfältig auf ausreichende Nährstoffzufuhr – auch bei übergewichtigen Patienten – geachtet werden. Keineswegs darf die Intensivtherapie mit einer „Abmagerungskur“ kombiniert werden. Dialysepatienten mit chronischem Nierenversagen weisen ein sehr hohes Infektionsrisiko auf, zum einen bedingt durch die Grunderkrankung, zum andern durch die künstlichen Zugänge zum Körper wie arteriovenöse Shunts, Peritonealdialyse usw.
Häufige nosokomiale Infektionen
Die häufigsten nosokomialen Infektionen beim Intensivpatienten sind:
Harnwegsinfektionen,
Atemwegsinfektionen, Pneumonie,
Wundinfektionen,
Sepsis.
Harnwegsinfektionen
Bei nahezu allen Intensivpatienten mit Blasenkathetern treten innerhalb weniger Tage nach der Katheterisierung Bakterien im Urin auf, am häufigsten E. coli, Klebsiellen, Enterobacter, Serratia, Proteus und Pseudomonas, außerdem, nicht selten, Pilze (Candida albicans). Sie gelangen beim Vorschieben des Katheters in die Harnblase, können jedoch auch am Katheter entlang in die Harnblase gelangen. Ein vermeidbarer Infektionsweg ist der Rückstrom von Urin aus dem Sammelgefäß in die Harnblase.
Atemwegsinfektionen und Pneumonien
Sie treten besonders während der Beatmungs- und Inhalationstherapie auf. Eine bakterielle Besiedelung des unteren Respirationstraktesist bei länger dauernder Intubation oder Tracheotomie kaum zu verhindern. Die häufigsten Keime sind: Staphylokokken, Pseudomonas, Klebsiellen und andere Enterobakterien sowie Candida. Sie stammen meist vom Patienten selbst, aber auch aus den Sekreten intubierter Nachbarpatienten.
Wundinfektionen
Sie treten bei 1–4% der Patienten nach chirurgischen Eingriffen auf, abhängig von zahlreichen Faktoren. Häufigste Erreger: Staphylococcus aureus, Enterokokken, E. coli, Klebsiellen, Enterobakterien, Pseudomonas aeruginosa, Serratia und Proteus. Infektionen durch Anaerobier werden ebenfalls beobachtet.
Sepsis
Erreger im Blut (Septikämien) treten bei 16–22% der Patienten einer gemischten Intensivstation auf. Zu den wichtigsten Ursachen gehören: Beatmung, operative Eingriffe und Venenkatheter. Wichtigste Erreger sind Staphylococcus aureus und Enterobakterien, bei Neugeborenen Streptokokken (10.1007/978-3-662-50444-4_66).
Verhinderung ( Prävention) nosokomialer Infektionen
Die Intensivstation gehört zum Risikobereich, in dem ein erhöhtes Infektionsrisiko für den Patienten besteht und daher hohe bis besonders hohe Anforderungen an die Keimarmut (Asepsis) gestellt werden.
Asepsis, d. h. Keimarmut, ist eine Grundvoraussetzung für die Prävention nosokomialer Infektionen auf Intensivstationen.
Asepsis allein kann jedoch eine Infektion des Intensivpatienten nicht sicher verhindern. Sie muss vielmehr durch eine hygienebewusste Intensivpflege und andere infektionsverhütende Maßnahmen ergänzt werden, um vermeidbare Auto- und Kreuzinfektionen auszuschalten.
Hygienebewusstes Verhalten von Pflegepersonal und Ärzten bei der Behandlung von Intensivpatienten ist eine weitere Grundvoraussetzung für die Verhütung nosokomialer Infektionen.
„Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“: dieser Grundsatz gilt in ganz besonderem Maße für die Hygiene auf Intensivstationen. Die Kontrolle erfolgt am besten in enger Zusammenarbeit von ärztlicher und pflegerischer Stationsleitung, Krankenhaushygieniker und Hygienefachkraft (Hygienefachschwester bzw. -pfleger).
Die entscheidenden Hygieneregeln für die Intensivstation
Konsequentes Händewaschen und Händedesinfektion von Pflegepersonal und Ärzten
Gründliche Schulung und strikte Einhaltung der Hygienedisziplin durch Pflegepersonal und Ärzte
Spezielle hygienische Pflege von Beatmungszubehör, Venen- und Arterienkathetern, Harnblasenkathetern, Drainagen und Wunden
Gezielte, wirksame und sinnvolle Desinfektions- und Sterilisationsverfahren
Wirksame und einfache Isolierungstechniken des Patienten
Ausreichendes Pflegepersonal pro Patient; zu wenig Personal führt zur Vernachlässigung der hygienischen Aufgaben
Perioperative Antibiotikaprophylaxe nur für gesicherte Indikationen und nicht länger als 24 h
Gezielte Antibiotikatherapie nach Antibiogramm bei nachgewiesenen Infektionen
Schriftliche Richtlinien für die Antibiotikaprophylaxe und -therapie
Enge Zusammenarbeit mit dem Krankenhaushygieniker und dem Hygienefachpflegepersonal
Spezielle Hygieneprophylaxen bei Venenkathetern, Blasenkathetern, Beatmungszubehör, endotrachealem Absaugen, Wundpflege usw. sind in den entsprechenden Kapiteln dargestellt
Bauliche Maßnahmen
Hygiene ist ohne bestimmte bauliche Maßnahmen und Raumgestaltung von Intensivstationen nicht möglich.
Standort und Zugang der Intensivstation
Aus hygienischen Gründen darf die Intensivstation nicht als Zugangsweg für andere Krankenhausabteilungen dienen. Der Eingang in die Station erfolgt über geschlossene Türen, die entsprechend deutlich gekennzeichnet sein müssen (Eintritt nur nach Anmeldung, z. B. über eine Sprechanlage). Ein Schleusensystem mit Umkleidemöglichkeiten sollte vorgeschaltet sein.
Klimaanlage
Grundsätzlich sollte die gesamte Intensivstation mit einer Klimaanlage ausgestattet sein:
Temperatur in den Patientenzimmern: 24–26°C,
Luftfeuchtigkeit 35–60%,
Filterung der Luft,
Möglichkeit der Kühlung einzelner Räume.
Die Wirksamkeit von Laminar-air-flow-Systemen bei der Infektionskontrolle ist nicht gesichert.
Raumgestaltung
Der Behandlungsraum muss ausreichend groß sein, die direkte Größe des Bettplatzes 14,6 m2 betragen. Für zwei Patientenbetten müssen folgende hygienische Installationen vorhanden sein:
Waschbecken mit Ellbogen- oder Fußbedienung oder berührungslos funktionierenden Armaturen,
Spender mit Waschlotion (Ellbogenbedienung),
Spender mit Händedesinfektionsmittel (Ellbogenbedienung),
Spender mit Einmalhandtüchern,
Abwurfbehälter.
Außerdem sollte zu jedem Patientenbett 1 Spender mit alkoholischem Händedesinfektionsmittel gehören, zu 4 Patientenbetten je 1 primärer Entsorgungsraum für unreine Materialien.
Weiterhin empfiehlt sich die funktionelle Trennung des direkten Pflegebereichs am Patientenbett in eine „reine“ Seite (Standort des Respirators und der Infusionssysteme) und eine „unreine“ Seite (Urinsammelgefäß, Sonden und Drainagen, Absaugvorrichtung, Abfallbehälter).
Isolierung septischer Patienten
Ebenso wenig wie alle Intensivpatienten in Einzelzimmern untergebracht werden können, ist die strenge räumliche Isolierung septischer von aseptischen Patienten immer möglich. Vielmehr müssen infizierte Patienten häufig zusammen mit nichtinfizierten Patienten behandelt werden. Hierdurch wird die Gefahr einer Kreuzinfektion über das Pflegepersonal erhöht. Um dieser Gefahr wirksam zu begegnen, erfolgt die Pflege des septischen Patienten jeweils isoliert durch nur eine bestimmte Pflegekraft.
Eine strenge räumliche, apparative und personelle Isolierung ist jedoch erforderlich bei:
therapieresistenten Infektionen, z. B. mit MRSA,
Organtransplantationen,
schwerer Verbrennungskrankheit,
Patienten unter Chemotherapie oder Immunsuppressiva,
Patienten mit Zusammenbruch der Abwehrlage,
Ausscheidung bestimmter Erreger.
Bei der strikten Isolierung von Patienten ist zu beachten
Isolierung in eigenem Zimmer oder eigener Box, möglichst mit vorgeschalteter Schleuse
Pflege nur durch fest zugeordnete Pflegepersonen, die nicht an der Pflege der anderen Patienten beteiligt werden dürfen
Eigene Geräte, Instrumente und Zubehör für den isolierten Patienten
Strenge Trennung von reinem und unreinem Bereich (sichere Entsorgung von infektiösen Ausscheidungen und verunreinigtem Zubehör), Kleiderwechsel vor und nach Betreten des Isolierzimmers, Händehygiene bzw. Einmalhandschuhe bei Kontakt, Gesichtsmasken für Pflegende
Organisatorische und pflegerische Maßnahmen
Die hygienischen Anforderungen an Intensivstationen sind besonders hoch, sodass entsprechende organisatorische und pflegerische Maßnahmen erforderlich sind, um den Patienten wirksam vor einer nosokomialen Auto- oder Kreuzinfektion zu schützen.
Organisatorische und pflegerische Hygienemaßnahmen dienen dem Schutz des Patienten und dürfen nicht als Behinderungen der täglichen Arbeit angesehen werden!
Für die Organisation und Überwachung hygienischer Maßnahmen auf Intensivstationen sind v. a. folgende Personen verantwortlich:
ärztlicher Leiter,
Hygienebeauftragter,
Hygienefachschwester bzw. -pfleger.
Ärztlicher Leiter
Er trägt die Verantwortung für die Hygiene auf der Intensivstation und hat die Aufgabe, alle für die Hygienemaßnahmen erforderlichen Informationen an die beteiligten Mitarbeiter weiterzuleiten.
Hygienebeauftragter
Ein Hygieniker oder medizinischer Mikrobiologe (Krankenhaushygieniker oder Hygieniker der Intensivstationen), der hygienischen Problemen nachgeht und die Koordination der hygienischen Maßnahmen auf der Intensivstation durchführt.
Hygienefachschwester oder -pfleger
Eine Fachkraft mit spezieller Weiterbildung nach Ablegung des Krankenpflegeexamens und mit praktischer Berufserfahrung. Aufgaben: praktische Durchführung der im Hygieneplan aufgestellten Hygienemaßnahmen für die Intensivstation in selbstständiger Tätigkeit ohne zusätzliche Dienstverpflichtungen. Die Hygienefachkraft ist entweder dem Hygienebeauftragten oder dem ärztlichen Leiter der Intensivstation unterstellt.
Personal
Schutz des Patienten
Das Personal der Intensivstation nimmt eine Schlüsselstellung bei der Prävention nosokomialer Infektionen ein. Von besonderer Bedeutung ist hierbei die Hände- und Kleidungshygiene.
Händehygiene
Wie bereits dargelegt, sind die Hände des Pflegepersonals und der Ärzte das wichtigste Transportmittel für Kreuzinfektionen, ein Transportmittel, das bei mangelhafter Hygiene weitreichende Spuren mit schlimmen Folgen für zahlreiche Intensivpatienten hinterlassen kann. Hände übertragen jedoch nicht nur die Keime von Patient zu Patient, sondern kontaminieren Geräte und Zubehör und schaffen damit neue Infektionsquellen.
Die wiederholte hygienische Händedesinfektion ist ein wesentlicher Faktor zur Verhütung von Kreuzinfektionen und Kontaminationen.
Indikationen für die hygienische Händedesinfektion (nach WHO)
Vor jedem Betreten und nach jedem Verlassen der Patientenumgebung/des Bettplatzes
Vor dem Patientenkontakt
Nach dem Patientenkontakt
Vor invasiven Maßnahmen
Nach jeder Manipulation, die zur Kontamination führte oder mit Kontaminationsgefahr verbunden war, z. B. Kontakt mit Körperflüssigkeiten
Praktisches Vorgehen bei der Händedesinfektion
Die Desinfektion der Hände erfolgt mit hygienischen alkoholischen Händedesinfektionsmitteln; Seife reicht nicht aus und führt bei häufiger Anwendung zu vermehrtem Keimbefall.
Auf ausreichende Einwirkzeit (30 s) des Desinfektionsmittels muss geachtet werden; während dieser Zeit sollte das Desinfektionsmittel ständig eingerieben werden. Bei Bedarf erneut Händedesinfektionsmittel entnehmen.
Bei Kontamination erfolgt die hygienische Händedesinfektion vor der Reinigung der Hände, um die Erreger abzutöten.
Zum Trocknen der Hände nach dem Waschen dürfen nur Einmalhandtücher verwendet werden.
Ergänzend zur hygienischen Händedesinfektion ist eine tägliche Handpflege mit Creme erforderlich, um Schädigungen der Haut durch das Desinfektionsmittel auszugleichen.
Neben der hygienischen Händedesinfektion spielen das Tragen von Handschuhen bei bestimmten Maßnahmen und der Handschuhwechsel eine wesentliche Rolle.
Unsterile Einmalhandschuhe
Unsterile Einmalhandschuhe werden bei folgenden Tätigkeiten getragen:
Körperreinigung des Intensivpatienten,
Verbandwechsel,
Pflege von Patienten mit schweren Infektionen (z. B. Sepsis),
Dekubituspflege,
Einführung von Suppositorien und rektalen Sonden,
Maßnahmen an kontaminiertem Zubehör, wie z. B. Sonden, Drainagen, Bettwäsche.
Sterile Handschuhe
Sterile Handschuhe werden getragen bei:
der Anlage von Venen- und Blasenkathetern,
endotrachealen Absaugungen,
Punktionen,
chirurgischen Eingriffen.
Kleidungshygiene
Personalschleusen sind nicht erforderlich. Die Arbeitskleidung von Pflegekräften muss an jedem Arbeitstag gewechselt werden, bei entsprechender Verunreinigung auch öfter. Personen, die keinen direkten pflegerischen oder ärztlichen Kontakt mit dem Patienten haben, benötigen keine Schutzkleidung.
Bei allen pflegerischen Maßnahmen, wie z. B. Waschen des Patienten, Entfernen von Kot, Urin und anderen Ausscheidungen, sollten zusätzlich Einmalschürzen getragen werden.
Spezielle Bereichsschuhe sind nicht erforderlich; Plastiküberziehschuhe sind überflüssig.
Schutzhauben und Masken sind für die Routineintensivpflege nicht erforderlich, sondern bestimmten Umständen vorbehalten, z. B. bei strenger Isolierpflege, Lungentuberkulose, Einführen von Kathetern und Thoraxdrainagen.
Persönliche Hygiene
Die persönliche Hygiene des Personals soll die Übertragung eigener Erreger auf den Patienten verhindern.
Folgende Pflegekräfte und Ärzte dürfen, vorübergehend oder auf Dauer, nicht im Intensivbehandlungsbereich eingesetzt werden:
Dauerausscheider pathogener Erreger, z. B. Hepatitisviren, Salmonellen,
akut an Enteritis oder Erkältung erkrankte Personen,
Personen mit entzündlichen Hauterkrankungen, z. B. Pyodermien, Herpes.
Nach den Richtlinien der Berufsgenossenschaften dürfen während der Arbeit keine Ringe und andere Schmuckstücke sowie Uhren getragen werden.
Schutz des Personals
Das auf den Intensivstationen tätige Personal muss ausreichend vor einer Infektion durch den Patienten oder kontaminierte Quellen geschützt werden. Hierzu sind bestimmte eigene Verhaltensweisen sowie eine Unterweisung über hygienische Maßnahmen im Umgang mit Patienten, Geräten und Material im Rahmen einer Fortbildung erforderlich. Sie werden durch Kontrolluntersuchungen und Immunisierungen, z. B. gegen Hepatitis, ergänzt.
Bei Patienten mit Aids muss sich das Personal vor Blut und Sekreten sowie vor kontaminierten Geräten und Instrumenten schützen. Eine besondere Ansteckungsgefahr besteht nach den bisherigen Erkenntnissen jedoch nicht, sodass es keinen Grund für das Personal gibt, in ängstliche Verhaltensweisen zu verfallen und dem Patienten die notwendige Behandlung und Pflege zu verweigern. Eine Isolierung des Patienten im Einzelzimmer ist ebenfalls nicht erforderlich. Händedesinfektion sowie das Tragen von Handschuhen, Hauben und Gesichtsmasken erfolgen entsprechend den oben angeführten Richtlinien. Ein Abweichen hiervon nur aufgrund der Aids-Erkrankung ist nicht gerechtfertigt.
Patienten
Alle Maßnahmen am Patienten müssen den Gesichtspunkt der Infektionsverhütung berücksichtigen. Eine besondere Gefährdung geht hierbei, wie bereits dargelegt, von allen invasiven bzw. künstlichen Zugängen zum Körper, aber auch den patienteneigenen Körperöffnungen aus. Von besonderer Bedeutung sind:
Harnblasenkatheter,
endotracheales Absaugen,
Infusionstherapie und Ernährung,
Gefäßkatheter, Thoraxdrainagen, Sonden,
Wunddrainage,
Antibiotikazufuhr.
Besucher
Die Besuchsregelung für die nächsten Angehörigen des Patienten sollte, wenn eine Kontaktaufnahme möglich ist, großzügig gestaltet werden, um den Genesungsprozess zu fördern. Bestimmte hygienische Gesichtspunkte müssen hierbei berücksichtigt werden. Sie entsprechen im Wesentlichen den genannten Forderungen beim Kontakt mit dem Patienten. Eine entsprechende Unterweisung der Besucher durch das Personal ist daher erforderlich. Dies gilt v. a. für die Händedesinfektion, die alle Besucher vor dem Patientenkontakt und vor Verlassen der Station durchführen müssen.
Grundsätzlich sollten Besucher beim Aufenthalt in der Intensivstation Schutzkittel tragen und keine Nahrungsmittel und Getränke etc. mitbringen.
Geräte, Instrumente und Gebrauchsgegenstände
Eine besondere Gefährdung der Intensivpatienten entsteht, wenn Geräte, Instrumente und Gebrauchsgegenstände mit pathogenen Keimen kontaminiert worden sind, die anschließend übertragen werden. Darum wird auf Intensivstationen so weit wie möglich Einmalzubehör verwendet (Nachteil: Verschwendungsgefahr, Umweltbelastung).
Geräte und Instrumente, die weiter verwendet werden müssen, bedürfen einer besonderen Wartung bzw. der Desinfektion und Reinigung. Hierbei muss aus hygienischen Gründen in folgender Reihenfolge vorgegangen werden:
zunächst Entsorgung, d. h. Dekontamination bzw. Desinfektion,
danach Reinigung (manuell oder maschinell),
dann Schlussdesinfektion und/oder Sterilisation.
Folgende Instrumente müssen steril, d. h. vollkommen frei von Erregern (vegetative Formen und Sporen) sein:
Blasenkatheter,
Gefäßkatheter und Kanülen,
intrakranielle Druckaufnehmer,
Thoraxdrainagen,
intraabdominelle Drainagen,
Periduralkatheter, Spinalkatheter,
chirurgische Instrumente, Prothesen.
Frei von vegetativen Keimen müssen sein:
Endotrachealtubus, Trachealkanüle,
Absaugkatheter,
Zubehör des Beatmungsgerätes,
Vibrationsmassagegeräte,
gastrointestinale Sonden,
oropharyngeale Tuben,
Ambu-Beutel,
Blutdruckmanschetten,
Monitore,
Patientenbett.
Die Entsorgung und Wiederaufbereitung von Geräten und Instrumenten erfolgt entweder in zentralen Einrichtungen (sog. Zentralsterilisation) oder in einem stationseigenen Gerätewartungszentrum. Beide Verfahren haben Vor- und Nachteile.
Beatmungsgeräte
Von Beatmungsgeräten geht eine besondere Infektionsgefährdung aus. Sie müssen daher vor Gebrauch desinfiziert werden, und zwar – wegen der Vielfalt der Beatmungsgeräte – entsprechend den Vorschriften des Herstellers, entweder im Ganzen (z. B. im Aseptor) oder in einzelne Teile zerlegt (nach der Reinigung). Häufig können ganze Systeme als Einmalartikel eingesetzt und entsprechend ausgetauscht werden.
Bei laufendem Betrieb müssen v. a. die Anfeuchter der Respiratoren sorgfältig überwacht und gewechselt werden, weil sie eine besondere Keimquelle darstellen.
Wäsche
Alle Wäscheteile des Patientenbettes gelten als kontaminiert, darum müssen beim Wäschewechsel Einmalhandschuhe getragen und alle ausgewechselten Wäschestücke sofort vorsichtig (Keimaufschüttung in die Umgebung) in keimdichte Säcke verpackt werden. Patientenwäsche muss besonders keimarm sein, bei Verbrennungspatienten sogar steril.
Flächen- und Raumreinigung bzw. -desinfektion
Reinigung und Desinfektion von Räumen
Von besonderer Bedeutung ist die tägliche Scheuerdesinfektion des Fußbodens der Intensivstation:
Der Fußboden wird 2-mal pro Tag mit dem hausüblichen Reinigungssystem – ohne Zusatz von Desinfektionsmittel – gereinigt.
Der Patientenplatz und das Waschbecken werden 1-mal pro Tag in gleicher Weise wie oben angegeben gereinigt.
Eine routinemäßige Desinfektion des Raums durch Verdampfen oder Vernebeln von Formaldehyd ist nicht erforderlich, auch nicht bei einigen meldepflichtigen Erkrankungen nach dem Bundesseuchengesetz, z. B. bei offener Lungentuberkulose.
Flächenreinigung und -desinfektion
Folgende Oberflächen sind besonders häufig kontaminiert:
alle patientennahen Ablageflächen,
oft berührte Gegenstände und Handgriffe,
Bedienungsknöpfe und -schalter von Geräten,
Feuchtstellen, wie Waschbecken, Badewanne, Bodenabläufe.
Zwei Grundsätze für die Vermeidung einer Kontamination:
Unterlassen unnötiger Berührungen,
keine potenziell kontaminierten Gegenstände auf nichtkontaminierten Flächen ablegen, z. B. darf der Beatmungsbeutel nicht neben den Kopf des Patienten gelegt werden; verschmutzte Wäsche, benutzte Einmalartikel (z. B. Absaugkatheter) usw. müssen in Behältern untergebracht werden.
Um eine Kontamination von Oberflächen zu verhindern oder zu beseitigen, ist eine häufige Wischdesinfektion mit Aldehydlösung erforderlich, ergänzt durch die Beseitigung von Staub und Feuchtigkeit.
Fußmatten
Meist mit Desinfektionsmitteln getränkt, besitzen keinerlei infektionsverhütende Wirkung und sind daher entbehrlich.
Unnötige Hygienemaßnahmen auf Intensivstationen
Viele Hygienemaßnahmen auf Intensivstationen sind überflüssig. Sie werden häufig noch durchgeführt, „weil es schon immer so gemacht wurde“, aber auch weil neuere Erkenntnisse und Fortschritte nicht bekannt geworden sind oder einfach ignoriert werden.
Zu den unnötigen Hygienemaßnahmen gehören nach dem Hygieneexperten Daschner:
routinemäßige Abklatschuntersuchungen,
routinemäßige Personaluntersuchungen, wie Rachenabstriche,
routinemäßige Bestimmung der Keimzahlen in der Luft,
routinemäßige Raumsprühdesinfektion (dafür Scheuer-Wisch-Reinigung),
routinemäßige Desinfektion von Waschbecken, Gullys, Siphons, Badewannen,
Sprühdesinfektion von Matratzen, Bettdecken, Kopfkissen (unwirksame Maßnahme),
routinemäßige Fußbodendesinfektion, da der Fußboden kein Erregerreservoir für Harnwegsinfektionen, Wundinfektionen, Sepsis, Pneumonie, Infektion durch Venenkatheter darstellt,
UV-Lampen,
Klebematten, Desinfektionsmatten,
Plastiküberschuhe, Schuhwechsel, Kleiderwechsel ohne Patientenkontakt,
Wechsel der Beatmungsschläuche und Vernebler alle 8 h,
routinemäßiger Wechsel von Beatmungsgeräten,
routinemäßiger Wechsel von Blasenkathetern,
systemische Antibiotikaprophylaxe gegen Pneumonien,
Bettschleusen, Materialschleusen,
aufwendige Personalschleusen,
Kleiderwechsel bei Betreten oder Verlassen der Intensivstation.
Infektionsüberwachung auf Intensivstationen
Um nosokomiale Infektionen bei Intensivpatienten zu vermeiden, sind eine Infektionsüberwachung und eine routinemäßige mikrobiologische Kontrolle der Patienten erforderlich. Hierzu gehört v. a. die regelmäßige Kontrolle des Urins bei Dauerkatheterisierung der Harnblase und des Trachealsekrets bei intubierten Patienten. Außerdem dient die Infektionskontrolle dem Erkennen von Keimquellen und Übertragungswegen sowie von Fehlern bei der Pflege und Behandlung des Patienten. Hierzu gehören wiederum gezielte Untersuchungen der Umgebung, der Geräte und des Zubehörs (auch als „device“ bezeichnet), Überprüfung und Diskussion von Arbeitsabläufen und Pflegemaßnahmen sowie eine regelmäßige Kontrolle der Desinfektions- und Sterilisationsmaßnahmen. Alle diese Maßnahmen werden unter dem Begriff „Surveillance“ zusammengefasst. In Deutschland gibt es ein Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System (KISS), an dem alle Intensivstationen teilnehmen sollten (www.nrz-hygiene.de).
Probenentnahme für bakteriologische Untersuchungen
Die mikrobiologische Untersuchung von Proben erfolgt im Hygienelabor.
Praktisches Vorgehen für Probenentnahme und Verschickung
Bei jeder Entnahme Handschuhe anziehen.
Untersuchungsmaterial kontaminationsfrei abnehmen. Vorher Haut reinigen und mit Alkohol desinfizieren.
Die Probenentnahme sollte vor Beginn der Antibiotikatherapie erfolgen, damit der die Infektion verursachende Erreger identifiziert und gezielt behandelt werden kann.
Den Laborbegleitschein sorgfältig ausfüllen.
Die Proben so schnell wie möglich in das Labor transportieren.
Urin
Der Urin wird 2-mal pro Woche bakteriologisch kontrolliert. Die Entnahme erfolgt aus dem Drainagesystem des Blasenkatheters oder durch suprapubische Blasenpunktion in eine sterile Monovette. Einzusendende Menge: 5 ml. Aufbewahrungszeit im Kühlschrank bis zum Transport 4–6 h. Nicht bei Raumtemperatur lagern!
Positive Urinkultur
Positiv ist eine Urinkultur, wenn sie ≥105 Kolonien/ml Urin mit nicht mehr als zwei Spezies von Mikroorganismen enthält.
Trachealsekret
Die bakteriologische Kontrolle des Trachealsekrets wird beim endotracheal intubierten Patienten 2-mal pro Woche morgens, durchgeführt (bei bronchopulmonaler Infektion täglich). Das Sekret wird unter aseptischen Bedingungen (wie beim Routineabsaugen) durch Absaugen mit dem Hygieneabsaugset in ein angeschlossenes Auffangröhrchen entnommen. Die Proben müssen sofort ins Labor transportieren.
Positives Trachealsekret
Positiv ist der Befund, wenn im Trachealsekret oder in der bronchoalveolären Lavage Erreger kulturell nachgewiesen werden können, alternativ reicht auch der Nachweis relevanter Antigene in Atemwegsekreten.
Stuhl
Der Stuhl wird bei Durchfällen unklarer Ursache untersucht. Entnommen wird eine erbsengroße Probe (am besten aus dem frisch eingesetzten Steckbecken), die in einem sterilen Röhrchen aufbewahrt wird. Lagerung bis zum Transport im Kühlschrank.
Wundabstrich
Der Wundabstrich wird 2-mal pro Woche durchgeführt, z. B. bei:
eiterndem Dekubitus,
nässender Operationswunde,
Tracheostoma,
intraabdominellen Drainagen.
Die Entnahme erfolgt aus der Tiefe von Wunden nach erstem Wegwischen von Eiter mit einem Applikator, der anschließend in das Transportröhrchen eingeführt wird. Der Transport ins Labor muss grundsätzlich am Tag der Entnahme erfolgen.
Blut
Die bakteriologische Untersuchung von Blut ist u. a. indiziert bei:
Verdacht auf Sepsis, Meningitis, Pneumonie,
unklarem Fieber,
Antibiotikatherapie: vor Beginn, 24 h nach der letzten Gabe im freien Intervall, vor der nächsten Gabe.
Die Entnahme erfolgt – nach Punktion einer peripheren Vene – in spezielle Blutkulturflaschen mit 2-mal 10 ml aerober/anaerober Nährlösung, unter aseptischen Bedingungen, nach Reinigung und Desinfektion der Haut und des Gummistopfens der Flasche.
Bei Verdacht werden die Blutentnahmen innerhalb von 24 h 3-mal im Mindestabstand von 2 h durchgeführt, vor Beginn der Antibiotikazufuhr oder direkt vor der nächsten Gabe.
Liquor
Die bakteriologische Kontrolle des Liquors ist indiziert bei neurochirurgischen Patienten mit Liquordrainage (Häufigkeit je nach Krankheitsbild, sonst 2-mal pro Woche) und bei Verdacht auf Meningitis oder Enzephalitis.
Die Entnahme erfolgt über die Drainage oder durch Lumbalpunktion. Entnommen werden, unter aseptischen Bedingungen, 2 ml Liquor mit einer sterilen Monovette oder durch Abtropfen aus der Drainage in ein Röhrchen. Verschluss mit sterilem Stopfen.
Bei Lumbalpunktion werden benötigt: Hautdesinfektion, sterile Abdeckung, Handschuhe und Mundschutz.
Aufbewahrung im Brutschrank bei 37°C. Nativliquor sofort ins Labor transportieren, sonst später in einer Wärmebox transportieren.
Der kulturelle Nachweis von Erregern in einer aseptisch entnommenen Liquorprobe gilt als Kriterium einer Meningitis oder Ventrikulitis.
Sekret aus Thoraxdrainagen
Die bakteriologische Kontrolle von Sekret aus Thoraxdrainagen wird 2-mal pro Woche durchgeführt, bei Abszess öfter. Die Entnahme erfolgt aus dem Thoraxschlauch (Punktionsstelle vorher desinfizieren!) durch Punktion mit einer sterilen Kanüle und aufgesetzter Spritze. Das entnommene Sekret wird in ein Bouillon-Röhrchen gespritzt und im Brutschrank bei 37°C aufbewahrt.
Prävention der nosokomialen Pneumonie
Tritt eine Pneumonie erstmals im Krankenhaus auf, wird sie als krankenhauserworben (nosokomial) angesehen. Nach dieser Definition darf die Pneumonie bei der stationären Aufnahme weder vorhanden noch in Inkubation befindlich gewesen sein.
Pneumonien, die sich unter einer maschinellen Beatmung entwickeln, werden als beatmungsassoziierte Pneumonien bezeichnet. Sie gehören ebenfalls zu den nosokomialen Pneumonien (10.1007/978-3-662-50444-4_56).
Die Pneumonie ist die häufigste krankenhauserworbene Infektion des Intensivpatienten. Sie erhöht das Sterberisiko um 30% und verlängert die Dauer der Intensivbehandlung!
Risikofaktoren
Folgende Patienten sind besonders anfällig für eine nosokomiale Pneumonie:
Alter über 65 Jahre oder unter 1 Jahr,
schwere Grunderkrankung mit beeinträchtigter Immunabwehr und/oder des Bewusstseins,
thorakale oder abdominale Eingriffe,
Notwendigkeit der maschinellen Beatmung,
Beeinträchtigung der laryngealen Schutzreflexe mit Aspiration.
Durch die primär beeinträchtigten Abwehrmechanismen wird die Besiedelung des Mund-Rachenraums mit pathogenen Mikroorganismen anstelle der normalen Flora begünstigt. Die strikte Einhaltung hygienischer Basismaßnahmen senkt die Häufigkeit der nosokomialen Pneumonie um bis zu 30%.
Verhinderung der postoperativen Pneumonie
Wichtigste Basismaßnahme der Prophylaxe postoperativer Pneumonien ist die hygienische Händedesinfektion!
Hygienische Händedesinfektion in der perioperativen Phase als Basismaßnahme
Vor und nach jedem Kontakt mit dem Trachealtubus, Tracheostoma oder Beatmungszubehör
Nach jedem Kontakt mit Schleimhäuten, Sekret aus den Atemwegen oder Gegenständen, die mit solchem Sekret kontaminiert sind
Bei Kontakt mit Schleimhäuten, Sekret aus den Atemwegen oder mit solchem Sekret kontaminierten Gegenständen müssen keimarme Einmalhandschuhe getragen werden
Minderung endogener Risiken
Wichtig ist weiterhin die Minderung sog. endogener Risiken. Hierzu gehören chronische Lungen- und Atemwegerkrankungen, Rauchen, schwere Grunderkrankung, schlechter Ernährungszustand und immunsuppressive Therapie. Risikomindernde Maßnahmen sind:
ambulante Vorbehandlung chronischer Atemwegserkrankungen,
präoperatives physikalisches Atemtraining bei Patienten mit eingeschränkter Lungenfunktion oder anderen Risiken,
rechtzeitiges Einstellen des Rauchens,
Behandlung anderer begünstigender Grunderkrankungen,
Reduktion oder Unterbrechen der immunsuppressiven Therapie.
Postoperative Maßnahmen
Auch in dieser Phase steht die Behandlung chronischer Atemwegserkrankungen und anderer die Atemfunktion beeinträchtigender Faktoren im Vordergrund:
postoperativ regelmäßige und am Bedarf orientierte Anleitung zum Abhusten und tiefen Atmen
medikamentöse und physikalische Therapie von Atemwegserkrankungen,
intensive Atemtherapie einschließlich Physiotherapie bei Risikopatienten,
ausreichende Schmerztherapie, v. a. nach Thorax- und Baucheingriffen,
nichtsedierende Schmerztherapieverfahren sollten bevorzugt werden,
frühzeitige Mobilisierung des Patienten,
Hygienegrundsätze beim Umgang mit Inhalationsgeräten und O2-Befeuchtern beachten,
Verhinderung von Aspirationen: frühzeitige Entfernung von Ernährungssonden, Oberkörperhochlagerung, vor jeder Nahrungszufuhr korrekte Lage der Sonde überprüfen, Nahrungszufuhr an die Darmtätigkeit anpassen,
eine spezifische Ulkusprophylaxe wird nicht empfohlen; vielmehr sollte möglichst auf eine Stressulkusprophylaxe verzichtet werden, da hierdurch der pH-Wert des Magens angehoben und die Besiedelung mit pathogenen Keimen gefördert wird. Indikationen 10.1007/978-3-662-50444-4_39.
Beatmungsassoziierte Pneumonie
10.1007/978-3-662-50444-4_56.
MRSA ( methicillinresistenter Staphylococcus aureus)
Staphylococcus aureus (SA) gehört zu den häufigsten Erregern krankenhauserworbener Infektionen, insbesondere von:
beatmungsassoziierten Pneumonien,
Wundinfektionen,
primärer Sepsis,
katheterbedingten Harnwegsinfektionen.
Ist der Erreger gegen das eigentlich staphylokokkenwirksame penicillinasefeste Methicillin und andere penicillinasefeste Penicilline resistent, so spricht man von methicillinresistentem Staphylococcus aureus (MRSA). Da der Erreger zunehmend Resistenzen gegen andere Antibiotikaklassen ausgebildet hat, wird er (nicht korrekt) auch als multiresistenter Staphylococcus aureus bezeichnet. Wegen der Resistenzentwicklung wurden bei schweren SA-Infektionen zunehmend Glykopeptidantibiotika eingesetzt. Hierdurch und durch den unkontrollierten Einsatz dieser Antibiotika entwickelten auch andere grampositive Erreger Resistenzen.
Ein weiterer Faktor ist im Zusammenhang mit MRSA-Infektionen von Bedeutung: 20% der Bevölkerung sind ständig in der vorderen Nasenhöhle mit MRSA kolonisiert, 60% intermittierend. Die Kolonisation des Intensivpatienten mit MRSA ist daher ein wichtiger Risikofaktor für die Entwicklung einer nosokomialen Infektion.
Wichtigstes Reservoir für MRSA ist der Nasen-Rachen-Raum. Übertragen werden MRSA meist durch Kontakt über die Hände, kontaminierte Gegenstände oder Flächen und durch Tröpfchen beim Husten und Niesen.
Neben MRSA gibt es weitere multiresistente Erreger (MRE): glykopeptidresistente Enterokokken (GRE) und vancomycinresistente Enterokokken (VRE). Die Hauptursache für die Zunahme von MRE ist die unkritische Anwendung von Antibiotika.
Diagnostik
Ist ein MRSA festgestellt worden, muss die Weiterverbreitung und das Weiterverbreitungsrisiko abgeklärt werden. Hierfür sollten Kontrollabstrichen an folgenden Lokalisationen vorgenommen werden:
Wunde,
Nase,
Rachen,
evtl. perineal.
Bei GRE sollten Abstriche an Wunde, perineal und anal/rektal entnommen und untersucht werden.
Bei Mitpatienten im selben Krankenzimmer sind die gleichen Abstriche vorzunehmen.
Behandlung von MRSA-Infektionen
Grundlage der Behandlung ist eine effektive antibiotische Therapie. Sie sollte unter Mitarbeit des klinischen Mikrobiologen erfolgen. Die Wahl des Antibiotikums hängt v. a. vom MRSA-Typ ab. Gebräuchliche Substanzen sind Vancomycin, Linezolid oder Tigecyline.
Ergänzend sollte überprüft werden, ob invasive Maßnahmen wie zentrale Venenkatheter, Blasenkatheter oder maschinelle Beatmung beendet werden können.
Antiepidemische Maßnahmen
Wichtigstes Ziel ist die Verhinderung einer primären Besiedelung oder Infektion mit MRSA. Hierzu gehört das sog. Screening bzw. der Nasenabstrich aus der vorderen Nasenhöhle beider Nasenlöcher. Ein solches primäres Screening kann aber auf Intensivstationen kaum erfolgen, sondern allenfalls auf den zuweisenden Abteilungen. Ergänzende präventive Maßnahmen sind:
wenn möglich: Vermeidung invasiv-diagnostischer Maßnahmen und Eingriffe,
Minimierung von Verlegungen und Transporten.
Patienten mit nachgewiesener MRSA-Kolonisation oder -Infektion sollten schutzisoliert (Einzelzimmer oder abgetrennter Bereich bzw. Bettplatzisolierung) werden. Steht keine Isoliereinheit zur Verfügung, sollte der Patient im Einzelzimmer untergebracht werden; sind mehrere Patienten betroffen, ist auch eine Kohortenisolierung (gemeinsame Unterbringung mehrerer MRSA-Träger) möglich.
Tritt MRSA zeitgleich bei zwei oder mehr Patienten der Intensivstation auf, muss von einem Ausbruch ausgegangen werden. Dann sind entsprechende Sanierungs- und Isolierungsmaßnahmen erforderlich. Außerdem muss die MRSA-Quelle gefunden und die Übertragungskette unterbrochen werden.
Weitere Maßnahmen:
Akte des MRSA-Patienten deutlich kennzeichnen, alle Kontaktbereiche informieren!
Schutzkittel und chirurgische Maske sowie Händedesinfektion und Handschuhwechsel bei allen direkten Tätigkeiten am Patienten; eine Kopfhaube ist nicht erforderlich,
Pflegezubehör patientenbezogen einsetzen und im Zimmer belassen,
Abstriche aus Nasenraum, Rachenraum, Perineum, von allen Wunden und Hautveränderungen; bei Dauerkatheter: Urinproben entnehmen,
Transport des Patientenauf einer Liege mit frischem Tuch; im eigenen Bett nur, wenn es vorher frisch bezogen und wischdesinfiziert wurde; Wunden vorher frisch verbinden; bei nasaler Besiedelung: Mund-Nasen-Schutz anlegen.
Aufklärung der Angehörigen des Patienten und Unterweisung in der hygienischen Händedesinfektion; Schutzkittel sind meist nicht erforderlich, Händedesinfektion vor dem Patientenkontakt und bei Verlassen des Zimmers genügt.
Screening auf MRSA bei Patienten, die vor der Isolierung mit dem MRSA-Patienten Kontakt hatten, ebenso bei Patienten, die aus Kliniken mit bekanntem MRSA-Problem aufgenommen werden.
Bei Ausbruch: Wenn erforderlich Screening des gesamten Personals.
Sanierungsmaßnahmen bei MRSA
Antibiotika nur bei Infektion, nicht bei kontaminierten Patienten
Bei MRSA-Besiedlung des Nasen-Rachen-Raumes: 3-mal täglich Mupirocin-Nasensalbe über 5 Tage. Bei Resistenz oder GRE-Befall: Polihexanid-Präparate
Mund-Rachen-Antiseptik mit Octenidin oder Chlorhexedin
1-mal täglich antiseptische Ganzkörperwäsche einschließlich Kopfhaaren (z. B. mit Octenidin oder Polihexanid) während der Dekolonisation des Nasenraums, für mindestens 3 Tage
Antiseptische Reinigung der Gehörgänge
Täglicher Wäschewechsel nach Ganzkörperantiseptik. Abfall und Wäsche im Patientenzimmer sammeln; normal entsorgen
Nach Aufhebung der Isolierung: Wöchentliche Kontrolle der Abstriche auf MRSA-Besiedlung
Vancomycinresistente Enterokokken
Betroffen sind v. a. immungeschwächte Patienten, bei denen die Erreger zu intraabdominellen oder Harnwegsinfektionen sowie zu Sepsis oder Endokarditis führen können. Ist ein Patient besiedelt oder infiziert, sollte wie bei MRSA verfahren werden:
Isolierung im Einzelzimmer; bei mehreren Patienten Kohortenisolierung,
betreuendes Pflegepersonal auf wenige Mitglieder reduzieren,
langärmelige Schutzkittel und Einmalhandschuhe bei allen pflegerischen Tätigkeiten.
Antibiotikatherapie und -prophylaxe
Der leichtfertige und unsachgemäße Einsatz von Antibiotika beim Intensivpatienten hat ganz wesentlich zur Entwicklung therapieresistenter Erreger, insbesondere der nosokomialen Infektionskrankheiten, beigetragen. Hinzu kommen die Gefahren der Über- oder Unterdosierung durch fehlende Kontrolle der therapeutischen Wirkspiegel von Antibiotika. Aus diesen Gründen sollte die Antibiotikatherapie in enger Zusammenarbeit mit dem Hygieniker erfolgen. Im Vordergrund stehen hierbei folgende Maßnahmen:
Identifizierung des pathogenen Erregers und seiner klinischen Bedeutung,
Austestung der Empfindlichkeit des Erregers,
Kontrolle der Wirksamkeit und Toxizität der Antibiotikabehandlung,
Kostenanalyse der Behandlung und Vorschläge für ebenso wirksame, jedoch billigere Antibiotika.
Prophylaktische Zufuhr von Antibiotika
Hierunter versteht man den ungezielten Einsatz von Antibiotika (oft mit breitem Spektrum) vor einer möglichen Infektion bzw. unmittelbar vor der Operation mit dem Ziel, den Eintritt von Wundinfektionen zu verhindern. Nur für einige wenige Eingriffe ist die Wirksamkeit der Kurzprophylaxe gesichert (z. B. Hysterektomie, Kolon- und Gallenwegschirurgie). Die Zufuhr des Antibiotikums erfolgt hierbei 1 h vor dem Eingriff. Die Dauer der Prophylaxe sollte nach Daschner 24 h nicht überschreiten.
Beim Intensivpatienten ist eine prophylaktische Antibiotikazufuhr zum Schutz vor Infektionen nicht indiziert!
Wirkungsweise
Antibiotika sind Substanzen, die von Pilzen oder Bakterien gebildet werden und bereits in geringer Menge das Wachstum anderer Mikroorganismen hemmen oder diese Organismen abtöten. Die Hemmung der Bakterien erfolgt auf unterschiedliche Weise; dabei können einzelne Antibiotika mehrere Wirkmechanismen aufweisen; solche Mechanismen sind:
Hemmung der Bakterienzellwandsynthese: Penicillin und Cephalosporine,
Hemmung der Proteinsynthese in den bakteriellen Ribosomen,
Hemmung der Nukleinsäuresynthese,
Schädigung der Bakterienzellmembran,
Interferenz mit spezifischen Stoffwechselprozessen der Bakterienzelle.
Bakteriostase
Dieser Begriff bezeichnet die Hemmung der Bakterienvermehrung. Keime werden nicht abgetötet, die natürliche Absterberate ruhender Bakterien nicht beeinflusst.
Bakterizidie
Hierbei handelt es sich um die Abtötung der Bakterienzelle, z. B. durch Verhinderung der Zellwandsynthese. Penicilline und Cephalosporine wirken nur in der Vermehrungsphase der Bakterien bakterizid, Aminoglykoside auch in der Ruhephase. Eine klinisch wesentliche bakterizide Wirkung liegt nur vor, wenn innerhalb von 4 h nach der Einwirkung mehr als 99% aller Keime abgetötet werden.
Synergistische Wirkung
Werden zwei oder mehr Antibiotika miteinander kombiniert, kann eine synergistische Wirkung auftreten: die Wirkung wird gesteigert und das Wirkspektrum verbreitert.
Minimale Hemmkonzentration
Dies ist die in vitro gemessene geringste Konzentration, die das Wachstum der Bakterien in einem flüssigen oder festen Medium hemmt.
Minimale bakterizide Hemmkonzentration
Sie ist definiert als die geringste in vitro gemessene Antibiotikumkonzentration, die nach 24 h im Nährmedium zum Absterben aller Keime geführt hat.
Wirkspektrum
Unterschieden werden Antibiotika mit schmalem, mittlerem und breitem Wirkspektrum. Schmalspektrumantibiotika werden zur gezielten Behandlung von Infektionen mit bekanntem Erreger eingesetzt, Breitspektrumantibiotika v. a. bei der ungezielten Behandlung schwerer Infektionen mit großem Erregerspektrum oder bei Mischinfektionen.
Zufuhr
Antibiotika können i.v., i.m., per os oder lokal angewandt werden. Bei parenteraler Zufuhr treten meist höhere Konzentrationen in Blut und Gewebe auf als nach oraler Gabe. Schwere Infektionen werden anfangs meist mit i.v. zugeführten Antibiotika behandelt, nach Eintritt der Besserung kann auf orale Zufuhr umgestellt werden.
Behandlungsdauer
Sie hängt vom Krankheitsverlauf und der Art des Erregers ab und reicht von der Einmalgabe bis zur Langzeit- und Dauertherapie. Bei septischen Erkrankungen mit bekannter Rezidivneigung sowie bei Patienten mit Immunschwäche ist meist eine längere antibiotische Therapie erforderlich.
Einteilung der Antibiotika
In Tab. 41.1 und Tab. 41.2 sind die Antibiotikagruppen mit ihren einzelnen Substanzen zusammengestellt.
| Gruppe | Wichtige Substanzen | |
|---|---|---|
| β-Laktam-Antibiotika | Tab. 41.2 | |
| Gyrasehemmer (Chinolone) |
Norfloxacin Levofloxacin Ciprofloxacin Fleroxacin Pefloxacin Sparfloxacin |
Grepafloxacin Trovafloxacin Clinafloxacin Moxifloxacin Gatifloxacin Sitafloxacin |
| Tetracycline |
Tetracyclin Minocyclin |
Doxycyclin |
| Chloramphenicol | Chloramphenicol | |
| Ältere Aminoglykoside |
Streptomycin Neomycin |
Kanamycin |
| Neuere Aminoglykoside |
Gentamicin Tobramycin |
Netilmicin Amikacin |
| Makrolide |
Erythromycin Azithromycin |
Clarithromycin Roxithromycin |
| Lincosamide | Lincomycin | Clindamycin |
| Glykopeptide | Vancomycin | Teicoplanin |
| Streptogramine | Quinupristin | Dalfopristin |
| Oxazolidinone | Linezolid | |
| Polymyxine | Polymyxin B | Colistin |
| Sulfonamide |
Sulfadiazin Sulfalen |
Sulfamethoxazol |
| Sulfonamid-Diaminopyrimidin-Kombinationen |
Cotrimoxazol Cotrimetrol |
Cotrimetrol Cotetroxazin |
| Nitrofurane | Nitrofurantoin | Nitrofurazon |
| Nitroimidazole |
Metronidazol Ornidazol |
Tinidazol |
| Gruppe | Untergruppe | Wichtige Substanzen |
|---|---|---|
| Penicilline | Benzylpenicilline |
Penicillin-G-Natrium Clemizol-Penicillin G Procain-Penicillin G Benzathin-Penicillin G |
| Phenoxypenicilline |
Penicillin V Propicillin |
|
| Aminobenzylpenicilline |
Ampicillin Amoxicillin Bacampicillin |
|
| Acylaminopenicilline |
Azlocillin Mezlocillin Piperacillin |
|
| Carboxypenicilline | Ticarcillin | |
| Isoxazolylpenicilline |
Oxacillin Dicloxacillin Fluctoxacillin |
|
| Cephalosporine | Cefazolingruppe | Cefazolin |
| Cefuroximgruppe |
Cefuroxim Cefamandol Cefotiam |
|
| Cefoxitingruppe |
Cefoxitin Cefotetan |
|
| Cefotaximgruppe |
Cefotaxim Ceftriaxon Cefmenoxim |
|
| Ceftazidimgruppe |
Ceftazidim Cefepim Cefpirom |
|
| Cefalexingruppe |
Cefalexin Cefadroxil Cefaclor Loracarbef |
|
| Cefiximgruppe |
Cefixim Cefpodoxim-Proxetil Cefuroxim-Axetil Cefetamet-Pivoxil Ceftibuten Cefdinir |
|
| Carbapeneme | – |
Imipenem Meropenem |
| Monobactame | – | Aztreonam |
| β-Laktamase-Hemmer | – |
Clavulansäure Sulbactam Tazobactam |
β-Laktam-Antibiotika
Die β-Laktam-Antibiotika sind die wichtigsten Antibiotika in der Intensivmedizin. Hierzu gehören folgende Substanzen:
Penicilline,
Cephalosporine,
Carbapeneme,
Monobactame,
β-Laktamase-Hemmer.
Alle Substanzen sind meist gut verträglich, die Toxizität ist gering, die therapeutische Breite hoch.
Nebenwirkungen
Zu den wichtigsten Nebenwirkungen gehören:
allergische Reaktionen,
Störungen der plasmatischen (kumarinartige Wirkung) und thrombozytären Blutgerinnung (Hemmung der Thrombozytenfunktion),
Nephrotoxizität: bei neueren Cephalosporinen gering,
Neurotoxizität, z. B. Penicillin in sehr hoher Dosierung, außerdem Imipenem.
Penicilline
Für die Intensivmedizin wichtige Penicilline sind:
Benzylisopenicillin,
Isoxazolylpenicilline,
Aminopenicilline,
Acylureidopenicilline.
Antibiotika bei typischen nosokomialen Infektionen
Bei schweren Infektionen empfiehlt die Paul-Ehrlich-Gesellschaft folgende Initialtherapie:
Acylaminopenicilline + β-Laktamase-Inhibitor (Piperacillin + Tazobactam),
Cephalosporine der 3. oder 4. Generation (Cefotaxim, Ceftazidim oder Cefepim),
Carbapeneme (Imipenem oder Meropenem),
Fluorchinolone (Ciproflaxin, Ofloxacin oder Levofloxacin),
Aminoglykoside (Gentamycin oder Netilmicin [nur kombiniert mit β-Laktam]).
Staphylococcus aureus und koagulase-negative Staphylokokken
Mittel der Wahl sind penicillinasefeste Penicilline, z. B. Flucloxacillin, Alternativen: Basiscephalosporine, Clindamycin, Kombinationen aus Amoxicillin + Clavulansäure; bei Oxycillinresistenz: Vancomycin oder Teicoplanin. Cephalosporine der 3. Generation sind, im Gegensatz zur 1. und 2. Generation, nicht geeignet.
Enterococcus faecalis
Mittel der Wahl sind Ampicillin oder Amoxicillin. Alternativen: Mezlocillin, Piperacillin, Vancomycin. Cephalosporine sind unwirksam.
Enterococcus faecium
Mittel der Wahl ist Vancomycin, Alternative: Teicoplanin. Nur Therapie mit Glykopeptiden möglich; Erreger sind immer ampicillinresistent.
Escherichia coli
Mittel der Wahl sind Aminopenicilline, mit oder ohne β-Laktamase-Inhibitoren oder Basiscephalosporine, Alternativen: Cephalosporine der 3. Generation, Breitspektrumpenicilline, Imipenem, Chinolone und andere Breitspektrumantibiotika.
Klebsiella pneumoniae
Mittel der Wahl sind Cephalosporine, Alternative: Chinolone, Imipenem. Ampicillin und Breitspektrumpenicilline sind nicht geeignet.
Proteus mirabilis
Mittel der Wahl: Ampicillin, Basiscephalosporine, Cotrimoxazol, Alternativen: Mezlocillin, Piperacillin, Cephalosporine der 3. Generation.
Pseudomonas aeruginosa
Mittel der Wahl: Piperacillin + Aminoglykosid, Alternative: Ceftazidim, Chinolone, Imipenem, Meropenem, Aztreonam.
Enterobacter cloacae
Mittel der Wahl: Piperacillin + Aminoglykosid, Alternative: Chinolone, Imipenem, Aztreonam, Cotrimoxazol.
Proteus vulgaris
Mittel der Wahl: Piperacillin + Aminoglykosid, Alternative: Chinolone, Imipenem, Aztreonam, Cotrimoxazol.
Morganella morgagnii
Mittel der Wahl: Piperacillin + Aminoglykosid, Alternative: Chinolone, Imipenem, Aztreonam, Cotrimoxazol.
Acinetobacter spp.
Mittel der Wahl: Ampicillin/Sulbactam, Piperacillin + Sulbactam und/oder Aminoglykosid, Alternative: Chinolone, Imipenem, Aztreonam, Cotrimoxazol.
Pneumonien beim Intensivpatienten
In der Reihenfolge ihrer Häufigkeit sind Pneumonien beim Intensivpatienten durch folgende Erreger bedingt:
Staphylococcus aureus,
Pseudomonas,
Pilze,
koagulasenegative Staphylokokken,
Acinetobacter,
Klebsiellen,
Enterobacter,
E. coli.
Bei nosokomialen Pneumonien dominieren Enterobakterien: Klebsiellen, Enterobakter und Pseudomonas; von Bedeutung sind außerdem Staphylococcus aureus, Acinetobacter und Pilze.
Eine Keimbesiedelung der Trachea ohne Fieber, Leukozytose und röntgenologische Veränderungen der Lunge ist keine Indikation für den Einsatz von Antibiotika.
Eine Antibiotikatherapie ist erst erforderlich bei Gewebeinvasion, deutlichem Fieber, Leukozytose mit Linksverschiebung und röntgenologisch sichtbaren Infiltraten. Die Auswahl der Antibiotika richtet sich nach Zeitpunkt und Ort des Auftretens der Pneumonie und nach dem Entstehungsmechanismus. Geeignet sind β-Laktam-Antibiotika (Aminopenicilline mit β-Laktamase-Inhibitoren oder Basiscephalosporine) oder Makrolide.
Bei Aspirationspneumonien sollte wegen der häufigen Anaerobierbeteiligung das Antibiotikum mit Metronidazol oder Clindamycin oder anderen anaerob wirksamen Antibiotika kombiniert werden.
Pilzinfektionen
Schwere systemische Pilzinfektionen werden mit Antimykotika behandelt; hierzu gehören:
Azolderivate: Fluconazol, Itraconazol, Midonazol und Ketoconazol,
Polyene: Amphotericin B,
PyrimidinaAnaloga: Flucotysin.
Amphotericin B
Dies ist das Mittel der Wahl bei lebensbedrohlichen Pilzinfektionen (Candida spp, Aspergillus, Cryptococcus), bei Patienten mit Neutropenie und bei Versagen der Behandlung mit Fluconazol.
Contributor Information
Collaborators: Tobias Fink and Tilmann Müller-Wolff
Nachschlagen und Weiterlesen
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