Abstract
Thermische Verbrennungen entstehen durch heiße Flüssigkeiten, Flammen oder Berührung von heißen Objekten sowie durch Einwirkung von Elektrizität, Chemikalien oder Strahlen. Die schwere Verbrennung führt zu einer Allgemeinerkrankung mit langem und komplikationsreichem Verlauf. Die Behandlung erfolgt am besten in einer Spezialklinik für Verbrannte. Die schwere Verbrennung wird zusätzlich als massives seelisches Trauma erlebt, zum einen durch die Beschädigungen des Körpers selbst, zum anderen durch die sehr unangenehmen pflegerischen Maßnahmen, die z. T. nur in Allgemeinnarkose durchführbar sind. Erschwerend treten Befürchtungen um ein entstelltes Aussehen und eine gesteigerte Schmerzempfindlichkeit hinzu.
Thermische Verbrennungen entstehen durch heiße Flüssigkeiten, Flammen oder Berührung von heißen Objekten sowie durch Einwirkung von Elektrizität, Chemikalien oder Strahlen. Die schwere Verbrennung führt zu einer Allgemeinerkrankung mit langem und komplikationsreichem Verlauf. Die Behandlung erfolgt am besten in einer Spezialklinik für Verbrannte. Die schwere Verbrennung wird zusätzlich als massives seelisches Trauma erlebt, zum einen durch die Beschädigungen des Körpers selbst, zum anderen durch die sehr unangenehmen pflegerischen Maßnahmen, die z. T. nur in Allgemeinnarkose durchführbar sind. Erschwerend treten Befürchtungen um ein entstelltes Aussehen und eine gesteigerte Schmerzempfindlichkeit hinzu.
Schweregrad von Verbrennungen
Für die Prognose der Verbrennung spielt der Grad der Zerstörung eine wichtige Rolle. Folgende Schweregrade können unterschieden werden.
Verbrennungen I. Grades
Die Verbrennung ist oberflächlich und erfasst nur die Epidermis, während das Korium und die Blutversorgung der Haut nicht beeinträchtigt sind. Klinisch ist die Verbrennung durch eine Rötung der Haut (Hyperämie) und Schmerzen gekennzeichnet. Die Symptome verschwinden innerhalb von 2–3 Tagen, Narben entstehen nicht.
Verbrennungen II. Grades
Das deckende Epithel der Haut ist teilweise zerstört, die tiefen Koriumschichten dagegen sind unversehrt. Klinisch ist die Verbrennung II. Grades durch Blasenbildung mit Austritt von Plasma und starke Schmerzen gekennzeichnet. Der Heilungsverlauf dauert etwa 2 Wochen und ergibt keine Narbenbildung.
Schwierig abzugrenzen gegenüber Verbrennungen III. Grades ist die tiefe Verbrennung II. Grades, die mit oder ohne Blasenbildung einhergeht. Die Epidermis ist nekrotisch, die Basis feucht und weiß mit kleinen Petechien; außerdem besteht eine starke Schwellung; die Schmerzempfindung ist herabgesetzt. Heilungsverlauf ca. 3–4 Wochen mit Narbenbildung.
Verbrennungen III. Grades
Hierbei sind alle Hautschichten einschließlich der Hautanhangsgebilde verbrannt, sodass eine Selbstheilung nicht mehr möglich ist. Anfangs treten Entzündungen und Ödeme, später auch Nekrosen auf. Die Haut ist lederartig und unelastisch, die Sensibilität erloschen. Blasenbildung tritt nicht auf. Kleine Defekte heilen durch Narbenbildung, bei ausgedehnten Verbrennungen ist dagegen eine Hauttransplantation erforderlich.
Verbrennungen IV. Grades
Außer den gesamten Hautschichten im verbrannten Bezirk sind noch die unter der Haut liegenden Gewebe (Muskeln, Sehnen, Nerven usw.) betroffen. Eine Hauttransplantation ist erforderlich!
Entscheidend für den Schweregrad der Verbrennungskrankheit sind die Tiefe der Verbrennung und ihre Ausdehnung auf der Körperoberfläche. Darum müssen der Schweregrad der Verbrennung und die Oberfläche der betroffenen Bereiche zu Beginn der Behandlung sorgfältig eingeschätzt werden.
Ausdehnung von Verbrennungen
Die Oberfläche des verbrannten Bereichs wird am häufigsten nach der Neunerregel eingeschätzt, bei der jeder Hautpartie ein bestimmter prozentualer Anteil an der Körperoberfläche zugeordnet wird. Für den Erwachsenen gelten folgende Werte:
Hals und Kopf 9%,
Stamm vorn und hinten je 18%,
Arm je 9%, davon Oberarm 4%, Unterarm 3%, Hand 2%,
Bein je 18%,
Perineum 1%.
Bei Kindern muss die Regel wegen der unterschiedlichen Größenbeziehung zwischen Kopf und Rumpf in Abhängigkeit vom Alter modifiziert werden. Neben Schweregrad und Ausdehnung der Verbrennung wird der Verlauf der Verbrennungskrankheit noch von Alter, Begleiterkrankungen, klinischem Zustand und verbranntem Körperteil beeinflusst.
Klassifizierung von Verbrennungen
Verbrennungen werden nach der Tiefe (Grad) und der Ausdehnung klassifiziert:
Leichte Verbrennung
Verbrennung II. Grades von weniger als 10% der Körperoberfläche.
Mittelschwere Verbrennung
Verbrennungen II. Grades von 11–30% der Körperoberfläche, oder Verbrennungen III. Grades von weniger als 10%.
Schwere Verbrennung
Verbrennung II. Grades von 31–50% der Körperoberfläche oder 10–20% III. Grades oder weniger als 30% in Kombination mit folgenden Faktoren:
schlechter Allgemeinzustand oder Schock,
schweres Trauma oder chemische Vergiftung,
schwere Verbrennung des Respirationstrakts.
Sehr schwere Verbrennung
Verbrennungen II. Grades von mehr als 50% der Körperoberfläche, oder Verbrennungen III. Grades von mehr als 20%.
Prognose
Verbrennungen III. Grades, die bis zu 60% der Körperoberfläche umfassen, haben eine gute, Verbrennungen zwischen 60–80% hingegen eine schlechte Prognose; Verbrennungen zwischen 80–100% sind infaust.
Indikationen zur Behandlung im Zentrum für Brandverletzte
Nach den Richtlinien der Internationalen Gesellschaft für Verbrennungsbehandlung ist eine stationäre Behandlung in einem Zentrum für Brandverletzte bei folgenden Verbrennungen indiziert:
Verbrennungen II. Grades von mehr als 15% bei Erwachsenen und mehr als 10% bei Kindern,
Verbrennungen III. Grades von mehr als 10% und mehr als 5% bei Kindern,
Verbrennungen des Respirationstraktes (obere Luftwege, Trachea, Lunge),
Verbrennungen bei Mehrfachverletzungen mit Schockgefahr,
Verbrennungen durch Explosionsunfälle, chemische oder thermische Schädigung durch Elektrizität im Gesicht, an Hand, Fuß oder im Genitalbereich.
Pathophysiologie der schweren Verbrennungen
Die schwere Verbrennung ruft nicht nur eine lokale Gewebeschädigung hervor, sondern löst zahlreiche systemische Reaktionen aus, die zur Verbrennungskrankheit führen. Da bei ausgedehnter Verbrennung die schützende Hauthülle fehlt, verliert der Körper große Mengen an Flüssigkeit und Wärme, außerdem wird das nekrotische Gewebe im weiteren Verlauf bakteriell infiziert. Pathophysiologisch ist die Verbrennungskrankheit gekennzeichnet durch eine Schockphase (Akutphase) und eine Intermediärphase (Latenzphase), die beide im Mittelpunkt der Intensivbehandlung stehen.
Schockphase
Nach ausgedehnten, schweren Verbrennungen treten innerhalb der ersten 24–28 h massive Flüssigkeitsverluste auf. Diese Verluste entstehen durch Verdunstung in die Umgebung und durch Sequestration in das Gewebe (Ödembildung). Ursache ist eine gesteigerte Durchlässigkeit der geschädigten Zellmembranen. Außerdem werden große Mengen Plasmaeiweiß verloren, v. a. in der Nähe verbrannter Gebiete, bedingt durch eine gesteigerte Permeabilität der Kapillarmembranen. Zusätzlich gehen mit dem Exsudat auch große Mengen von Elektrolyten verloren. Als Folge der schweren Flüssigkeits- und Eiweißverluste ist das zirkulierende Blutvolumen vermindert, und es entwickelt sich das Bild des hypovolämischen Schocks (Einzelheiten: 10.1007/978-3-662-50444-4_67) mit Abnahme des Herzzeitvolumens und der Organdurchblutung sowie Störungen der Mikrozirkulation durch intravasale Gerinnungsvorgänge.
Je ausgedehnter und schwerer die Verbrennungen, desto rascher tritt der hypovolämische Schock ein.
Etwa 36–48 h nach der Verbrennung normalisiert sich die Permeabilität der Kapillaren wieder. Die Ödemflüssigkeit wird innerhalb von 5 Tagen resorbiert und über die Nieren ausgeschieden. Bei Verbrennungen von mehr als 80% ist die Resorption jedoch oft um mehr als 10 Tage verzögert. Bei ausgedehnten Verbrennungen kann in der Resorptionsphase ein toxisches Krankheitsbild mit Fieber, Zittern, Delirium und Aufblähung des Abdomens eintreten.
Intermediärphase
Nach Ersatz der Flüssigkeits-, Eiweiß- und Elektrolytverluste mit Stabilisierung der Herz-Kreislauf-Funktion beginnt die Intermediärphase (Latenzphase) der Verbrennung. Sie ist gekennzeichnet durch Hypermetabolismus mit gesteigertem O2- und Energiebedarf, Anstieg des Herzzeitvolumens und Hyperthermie sowie Reparationsvorgänge. Hypermetabolismus und Infektionen gehören zu den typischen Komplikationen in dieser Phase.
Hypermetabolismus
Eine Steigerung des Stoffwechsels ist typische Folge der Verbrennungskrankheit. Die Ursache dieser hypermetabolischen Reaktion ist unbekannt, jedoch kann durch höhere Umgebungstemperaturen der Hypermetabolismus vermindert werden. Die Stoffwechselsteigerung muss v. a. bei der Ernährungsbehandlung des Verbrannten berücksichtigt werden.
Infektion und Sepsis
Bakterielle Infektionen der Wundfläche spielen für die Prognose der Verbrennungskrankheit eine ganz wesentliche Rolle: etwa 75% der Todesfälle von Verbrannten sind, zumindest teilweise, durch eine bakterielle Infektion bedingt. Häufigste Erreger sind gramnegative Bakterien, v. a. Pseudomonas aeruginosa und Pilze. Die Keimbesiedlung der Verbrennungswunde beginnt innerhalb weniger Tage nach der Verletzung durch Auto- und Kreuzinfektion. Wichtigste Infektionsquellen sind:
Keime der Analregion,
Bakterien auf der unverletzten Haut,
kontaminierte Hände des medizinischen Personals.
Begünstigende Faktoren: Zimmerluft, chirurgische Maßnahmen an der Wunde.
Gerät die lokale Infektion außer Kontrolle, kann eine Bakteriämie oder Fungämie (Eindringen von Pilzen ins Blut) auftreten und zu einer generalisierten Sepsis bzw. septischem Schock führen.
Thermische Schädigung des Respirationstraktes
Direkte Schädigungen des Respirationstraktes sind v. a. bei Gasexplosionen, Explosionen und Brände durch Chemikalien oder Einwirkung von Giftstoffen in Zusammenhang mit Bränden zu erwarten. Betroffen ist zumeist der obere Respirationstrakt bis zur Trachea, seltener die Bronchien oder Alveolen. Schädigungen der Alveolen führen rasch zur respiratorischen Insuffizienz. Grundsätzlich muss beachtet werden:
Bei thermischen und chemischen Schäden des Respirationstraktes besteht Erstickungsgefahr durch die sich entwickelnde Schwellung.
Intensivbehandlung der Verbrennungskrankheit
Wegen der großen Infektionsgefahr werden schwere Verbrennungen in speziellen Verbrennungseinheiten oder Isolierzimmern der Intensivstation behandelt, die durch Schleusen vom übrigen Pflegebereich abgetrennt sind. Um Flüssigkeitsverluste durch Verdunstung über die verbrannten Hautpartien auf ein Minimum zu beschränken, sollte die Zimmertemperatur zwischen 28 und 32°C betragen, die Luftfeuchtigkeit etwa 40% (zu feuchte Luft begünstigt die Keimbesiedlung).
Praktische Grundsätze
Lagerung des Patienten auf sterilem Schaumstoff in einem von allen Seiten gut zugänglichen Bett. Keine Verwendung von Bettwäsche, täglicher Wechsel des Schaumstoffs.
Bei Betreten des Behandlungszimmers Einmalkittel, Handschuhe, Mundschutz und Überschuhe anlegen. Vor allen pflegerischen Tätigkeiten am Patienten sterile Handschuhe anziehen.
Keine Anwendung von Verbänden (feuchte Kammer!), sondern von Anfang an offene Wundbehandlung mit bakterizidem Oberflächenmaterial, z. B. Polyvidon.
Initialbehandlung
Nach der Primärversorgung in der Notfallabteilung (10.1007/978-3-662-50444-4_31) wird der Patient auf der Intensivstation weiterbehandelt.
Die Initialbehandlung ist darauf ausgerichtet, den Verbrennungsschock zu verhindern oder zu beseitigen. Entsprechend besteht die Therapie v. a. in Flüssigkeits-, Eiweiß- und Elektrolytersatz. Weiterhin ist eine ausreichende Sedierung und Schmerzbehandlung erforderlich.
Flüssigkeitstherapie
Eine ausreichende Zufuhr von Flüssigkeit (Wasser) und Natrium ist die grundlegende Maßnahme in der Schockphase der Verbrennungskrankheit. Die intravenöse Flüssigkeitszufuhr ist bei allen Verbrennungen von mehr als 15 % beim Erwachsenen und von mehr als 10% beim Kind erforderlich.
Mit der Flüssigkeitszufuhr wird sofort nach der Aufnahme des Patienten begonnen.
In den ersten 24 h werden balancierte Elektrolytlösungen infundiert, bei Bedarf ergänzt durch Albumin- bzw. Proteinlösungen.
Die Menge der zugeführten Flüssigkeit richtet sich in erster Linie nach der Ausdehnung und dem Schweregrad der Verbrennungen. Zur Berechnung des Flüssigkeitsbedarfs werden verschiedene Formeln angegeben, denen allen jedoch eine ausreichende Wirksamkeit gemeinsam ist.
Shriners Burns Institute
Ringer-Laktat-Lösung: 2 ml/kgKG ×% verbrannter Oberfläche pro Tag.
Nimmt die Urinausscheidung ab oder steigt der Hämotokrit auf über 50% an (Flüssigkeitsmangel), wird die Flüssigkeitszufuhr auf 300 ml/m2/h gesteigert. Zusätzlich werden Plasmalösungen infundiert.
Formel nach Brooke
Ringer-Laktat-Lösung: 1,5 ml/kgKG ×% verbrannter Oberfläche pro Tag. Zusätzlich kolloidale Lösungen: 0,5 ml/kgKG × % verbrannter Oberfläche und zusätzlich bis zu 2 l Glukose 5%.
Formel nach Parkland
Ringer-Laktat-Lösung: 4 ml/kgKG ×% verbrannter Oberfläche pro Tag.
Überwachung der Flüssigkeitstherapie
Die Flüssigkeitszufuhr erfolgt unter Kontrolle folgender Parameter:
Herzfrequenz,
arterieller Blutdruck,
zentraler Venendruck: 2–7 mmHg,
(evtl. Herzzeitvolumen und Pulmonalarteriendrücke),
Urinausscheidung: mindestens 0,5–1 ml/kgKG/h,
Labor: Hämatokrit (30–35%), Hb (ca. 10 g/dl) Elektrolyte, Serumalbumin (≥2,5 g/dl), Harnstoff und Kreatinin, Blutgase- und Säure-Basen-Parameter, Gerinnungsstatus.
Klinische Zeichen für einen Flüssigkeitsmangel sind:
Durst,
Unruhe,
bei Kindern: Anstieg der Körpertemperatur, Koma, generalisierte Krämpfe,
Oligurie/Anurie,
Tachykardie, niedriger Blutdruck, niedriger zentraler Venendruck.
Sedierung und Schmerztherapie
Bei der Schmerztherapie ist zu berücksichtigen, dass Verbrennungen II. Grades außerordentlich schmerzhaft sind, Verbrennungen III. Grades dagegen keine Schmerzen verursachen. Angestrebt wird bei der Analgosedierung ein schmerzfreier, stressabgeschirmter und kooperativer Patient, der unter der Therapie noch ausreichend spontan atmen kann. Entsprechend sollten Langzeitnarkosen vermieden werden. Die Sedativa werden zunächst i.v. zugeführt, später auch oral, jedoch nicht i.m. oder s.c. Der Opioidbedarf ist in der Regel sehr hoch!
Folgende Substanzen werden am häufigsten für die Analgosedierung eingesetzt:
Kurzzeitige Analgosedierung (ca. 1 Tag): Propofol oder Midazolam in Kombination mit Remifentanil.
Mittellange Analgosedierung (bis zu 3 Tagen): Propofol oder Midazolam mit Remifentanil oder Sufentanil, bei instabilen Patienten Ketamin.
Langzeitanalgosedierung (mehr als 3 Tage): Propofol (nur bis zu 7 Tagen) oder Midazolam mit Remifentanil oder Sufentanil.
Ketamin in Kombination mit Midazolam wird ebenfalls für die Analgosedierung eingesetzt.
Endotracheale Intubation, Tracheotomie
Bei allen thermischen und chemischen Verletzungen des Respirationstraktes oder schweren Schwellungen im Gesichtsbereich muss die Indikation zur frühzeitigen endotrachealen Intubation oder ggf. auch Tracheotomie großzügig gestellt werden, um einer sich möglicherweise entwickelnden Atemwegsobstruktion durch Schwellung rechtzeitig zuvorzukommen. Allerdings ist die schwere Verbrennung allein noch keine Indikation zur Intubation.
Nekrosenabtragung und Wundverschluss
Durch Spülung der Wunde mit Desinfektionsmitteln allein kann eine Infektion zwar verzögert, jedoch nicht verhindert werden. Behandlungsmethode der Wahl ist vielmehr die Entfernung des toten Gewebes und die Deckung des Defektes mit lebender Haut, um eine Infektion und Sepsis zu verhindern.
Frühe Nekrosenabtragung und Wundverschluss
Je länger mit der Wundversorgung gewartet wird, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit einer Infektion mit ihren potenziell lebensbedrohlichen Komplikationen und einer Verlängerung der Behandlungszeit. Die frühe Exzision tiefer Verbrennungswunden und ihr unmittelbar nachfolgender Verschluss scheint daher deutliche Vorteile gegenüber dem verzögerten chirurgischen Vorgehen aufzuweisen. Allerdings können hierbei erhebliche Blutverluste auftreten, ein Effekt, der in der Schockphase besonders unerwünscht ist. Der Wundverschluss kann, je nach Ausdehnung, mit Spalthautlappen des Patienten, verträglichen Spendertransplantaten oder (vorübergehend) künstlichen Materialien (z. B. Epigard) erfolgen. Bei primärer Exzision und sofortigem Verschluss wird, z. B., in folgender Weise vorgegangen:
kleine Wunde: vollständige Exzision und sofortige Transplantation von Spalthautlappen,
größere Wunden: Verschluss mit verfügbaren Spalthautlappen, ergänzt durch vorübergehende Verpflanzung von Allotransplantat,
ausgedehnte Verbrennungen: vorübergehende Transplantation von Allograft mit immunsuppressiver Therapie oder künstlicher Haut.
Späte Nekrosenabtragung und Transplantatdeckung
Sie wird durchgeführt, wenn sich Granulationsgewebe bildet, also etwa zwischen dem 25. und 31. Tag. Auch bei diesem operativen Vorgehen ist, je nach Ausdehnung der Verbrennung, mit größeren Blutverlusten zu rechnen. Nachteile der Spätversorgung: größere Infektionsgefahr, höherer Flüssigkeitsbedarf, verlängerter Krankheitsverlauf.
Wundbehandlung
Wird die Wunde nicht primär verschlossen, so ist eine entsprechend sorgfältige Behandlung erforderlich. Folgende Verfahren werden angewandt:
Offene Wundbehandlung
Ziele sind das rasche Trocknen der Wunde und die Bildung trockenen Schorfes zum Schutz vor bakterieller Besiedelung:
nach Abtragen von Nekrosen bzw. nach der Wundreinigung: Lagerung des Patienten auf einer Schaumstoffmatratze, die mit steriler Gaze bedeckt ist,
vollständiges Offenhalten der Wunden, keinerlei Bedeckung mit Verbänden, Kleidung und Bettzeug,
Vermeiden von Druck auf die Wunde: Lagerungsmaßnahmen nach Überwindung der Schockphase,
sind Lagerungsmaßnahmen kontraindiziert: lokale Anwendung warmer Luft zum Trocknen der Wunde,
ohne Infektion trocknet die Wunde meist innerhalb von 24 h. Nach 2–3 Tagen bildet sich eine trockene Kruste; während dieser Zeit sorgfältiges Entfernen des Exsudats von der Wundoberfläche mit sterilen Baumwollplatten,
bei Verbrennungen III. Grades: Spülung mit Polyvidon 3- bis 6-mal/Tag,
ständige Beobachtung der Wunde bzw. Kruste auf Bildung von Eiter; ist Eiter nachweisbar: Kruste wegschneiden und Eiter entfernen, damit sich eine neue Kruste bilden kann; bei ausgedehnter Eiterung sollte keine offene Wundbehandlung durchgeführt werden.
Halboffene Wundbehandlung
Ziele sind die Förderung der Krustenbildung bei tiefen Verbrennungen II. Grades und die Immobilisierung von Spalthautlappen.
Die halboffene Wundbehandlung erfolgt bei relativ sauberen, tiefen Verbrennungen II. Grades nach Entfernen der Nekrosen, bei eitrigen Wunden nach Säuberung, bei mit Pseudomonas aeruginosa infizierten Wunden (mit entsprechenden antibiotikagetränkten Gazen) und bei Hauttransplantaten, bei denen kein fester Verband angelegt werden kann:
Abdecken der Wunde mit einer sterilen, kochsalzgetränkten oder antibiotikumhaltigen Gaze,
festes Auflegen der Gaze, um die Ansammlung von Eiter im darunter liegenden Zwischenraum zu vermeiden,
Anwendung bei eiternden Wunden nur mit ausreichender Drainage des Wundgebietes,
regelmäßige Kontrolle der Wunde und der sich bildenden Krusten auf Eiter; bei Verdacht: Entfernen der Kruste mit einer Schere.
Feuchte Abdeckung der Wunde
Ziel ist die Säuberung der Wunde von Exsudat, eitrigen Krusten und nekrotischem Gewebe, um Infektionen zu verhindern und die Krustenbildung zu beschleunigen. Anwendung: Wunden mit erheblichem, eitrigem Exsudat oder eitrigen Krusten sowie granulierende Wunden zur Vorbereitung auf die Transplantation (verhindert Austrocknen):
mehrere Schichten gut absorbierender Gaze mit steriler Kochsalzlösung oder Antibiotikumlösung tränken, danach ausdrücken und vorsichtig auf die Wunden legen; anschließend Verband,
Wechsel der Gaze 2-mal täglich, bei schweren Infektionen öfter.
Keine feuchte Abdeckung von Verbrennungswunden bei schweren Infektionen mit Pseudomonas aeruginosa.
Baden der Wunde
Ziele sind: Reinigung der Wunde, Entfernen von Bakterien und Toxinen, Drainage von Eiter unter Krusten. Anwendung: im Stadium der Krustenablösung; infizierte Wunden an den Extremitäten:
Baden des ganzen Körpers oder des betroffenen Körperteils; die Wunden sollten in warme physiologische Kochsalzlösung (Zusatz von Polyvidon) eintauchen; hierbei sollten 30 min nicht überschritten werden,
nach dem Bad: rasches Abtrocknen des Patienten mit steriler Gaze und warmer Luft, um eine Auskühlung zu verhindern,
beim Ganzkörperbad: Herz-Kreislauf-Funktion sorgfältig beobachten; bei Störungen Bad sofort abbrechen!
Bei starken Infektionen: 1-mal täglich baden bzw. je nach Zustand des Patienten,
transplantierte Hautgebiete können nach 2–3 Tagen gebadet werden, Hautentnahmestellen sollten hingegen eine Woche lang trocken gehalten werden,
nach dem Bad: offene, halboffene, feuchte oder bandagierende Wundbehandlung, je nach Zustand der Wunde.
Ernährung
Der Hyperkatabolismus bei der Verbrennungskrankheit erfordert eine hochkalorische und eiweißreiche Ernährung. Der Kalorienbedarf beträgt im Durchschnitt 3000–6000 kcal/Tag. Hierbei sollte die Nahrungszufuhr so früh wie möglich enteral erfolgen, um den Kalorien- und Nährstoffbedarf zu decken. Auf ausreichende Vitaminsubstitution muss ebenfalls geachtet werden.
Eine unzureichende Ernährung des Verbrennungspatienten schwächt die Infektabwehr und stört die Wundheilung.
Infektionsprophylaxe und -behandlung
Die prophylaktische Gabe von Antibiotika nach dem Ausklingen der Schockphase ist umstritten. Häufig werden Antibiotika prophylaktisch kurz vor der Exzision kontaminierter Verbrennungswunden zugeführt und innerhalb von 24 h nach der Operation wieder abgesetzt. Obligatorisch ist hingegen der (möglichst gezielte) Einsatz von Antibiotika bei nachgewiesener Wundinfektion und/oder positiven Blutkulturen. Unstrittig ist auch die lokale Anwendung von Antibiotika, weil hierdurch die bakterielle Besiedelung der Wunde vermindert und die Überlebensrate der Patienten nachweislich verbessert wird.
Komplikationen der Verbrennungskrankheit
Typische Komplikationen der Verbrennungskrankheit sind:
Sepsis,
respiratorische Insuffizienz,
Nierenversagen,
Magen-Darm-Ulzera.
Hinzu kommen als seltene Komplikationen kardiale und zerebrale Störungen.
Sepsis
Die Sepsis bzw. der septische Schock ist eine gefürchtete Komplikation der Wundinfektion, kann jedoch auch durch andere Faktoren hervorgerufen werden (Blasenkatheter, Venenkatheter, Pneumonie). Sie tritt meist in der 2. Phase der Verbrennungskrankheit auf (Abschn. 70.4.2). Therapie: Schockbehandlung, Breitspektrumantibiotika, Wundbehandlung.
Respiratorische Insuffizienz
Die wichtigsten Ursachen einer respiratorischen Insuffizienz sind:
bakterielle Pneumonie,
Lungenödem durch Inhalation toxischer Substanzen oder übermäßige Volumenzufuhr,
Atelektasenbildung,
Aspiration,
ARDS.
Die Therapie erfolgt nach den allgemeinen Grundsätzen der Intensivbehandlung.
Nierenversagen
Das akute Nierenversagen bei Verbrennungskrankheit ist häufig eine Folge des Schockgeschehens, jedoch kommen auch andere Ursachen in Frage, z. B. der septische Schock.
Magen-Darm-Ulzera
Die große Mehrzahl der schwer verbrannten Patienten entwickelt im Verlauf der Erkrankung Erosionen der Magen- und/oder Duodenalschleimhaut, die Hälfte davon Ulzerationen.
Eine weitere, typische Störung ist die verminderte Magen-Darm-Motilität, durch die leicht eine Dilatation des Magens und ein paralytischer Ileus entstehen können, sodass die orale Ernährung beeinträchtigt wird.
Störungen der Herz-Kreislauf-Funktion
Störungen der Herz-Kreislauf-Funktion sind besonders in der Schockphase zu erwarten (durch die Hypovolämie) sowie in der Phase der Resorption der Ödeme, durch die eine akute Überlastung des Herzens ausgelöst werden kann, v. a. bei Patienten mit vorbestehenden Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems.
Zerebrale Störungen
Sehr selten wird eine sog. Verbrennungsenzephalopathie mit vielfältigen neurologischen Störungen beobachtet. Die zugrunde liegenden Ursachen sind nicht genau bekannt.
Contributor Information
Collaborators: Tobias Fink and Tilmann Müller-Wolff
Nachschlagen und Weiterlesen
- [1].Auböck T, Wild T, Auböck J. Manual der Wundheilung. Berlin Heidelberg: Springer; 2016. [Google Scholar]
- [2].Kamolz LP, Herndon DN, Jeschke MG. Verbrennungen. Diagnose, Therapie und Rehabilitation des thermischen Traumas. Heidelberg: Springer; 2016. [Google Scholar]
- [3].Protz K, Timm JH. Moderne Wundversorgung.7. Aufl. Mit. Elsevier: München; 2014. [Google Scholar]
- [4].Voggenreiter G, Dold C. Wundtherapie.2. Aufl. Inklusive CD-ROM Pflegepraxis. Stuttgart: Thieme; 2014. [Google Scholar]
Internet
- [5].Deutsche Gesellschaft für Verbrennungsmedizin (2011) Leitlinie: Thermische und chemische Verletzungen. www.awmf.org/leitlinien
