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. 2016 Jun 14:600–607. [Article in German] doi: 10.1007/978-3-662-50444-4_43

Ernährung und Infusionstherapie

Reinhard Larsen 4,
PMCID: PMC7531399

Abstract

Der Ernährungs- und Stoffwechselzustand des schwerkranken Intensivpatienten beeinflusst ganz wesentlich den Verlauf seiner Erkrankung. Mangelernährung und Hypermetabolismus („Stressstoffwechsel“) verschlechtern die Prognose und tragen zu erhöhter Sterblichkeit bei. Darum muss der Ernährungsbedarf des Intensivpatienten in allen Phasen der Akutbehandlung grundsätzlich gewährleistet sein. Diese Aufgabe ist schwierig und nicht bei allen Intensivpatienten in zufriedenstellender Weise zu erfüllen.


Der Ernährungs- und Stoffwechselzustand des schwerkranken Intensivpatienten beeinflusst ganz wesentlich den Verlauf seiner Erkrankung. Mangelernährung und Hypermetabolismus („Stressstoffwechsel“) verschlechtern die Prognose und tragen zu erhöhter Sterblichkeit bei. Darum muss der Ernährungsbedarf des Intensivpatienten in allen Phasen der Akutbehandlung grundsätzlich gewährleistet sein. Diese Aufgabe ist schwierig und nicht bei allen Intensivpatienten in zufriedenstellender Weise zu erfüllen.

Energiegewinnung beim Gesunden

Der gesunde Organismus kann grundsätzlich aus folgenden Substanzen Energie gewinnen:

  • Glukose (und Fruktose),

  • Fettsäuren,

  • Ketonkörper,

  • Aminosäuren,

  • Laktat.

Allerdings gilt dies nicht für alle Organe: Gehirn und Blutzellen sind auf Glukose als Energiequelle angewiesen, während das Herz und einige andere Organe aus mehreren dieser Stoffe Energie gewinnen. Die Energiegewinnung der Organe hängt von verschiedenen Faktoren ab:

  • Freisetzung der energetischen Substanzen aus Gewebespeicher,

  • Konzentration der Substanzen im Plasma,

  • Aufnahme der Substanzen in das Gewebe,

  • Vorhandensein von Enzymen zum Abbau der Substanzen.

Die gesamte Energiegewinnung wird von zahlreichen Hormonen gesteuert. Die wichtigsten sind: Insulin, Adrenalin, Glukagon und Kortikosteroide.

Stoffwechsel des Intensivpatienten

Beim Intensivpatienten können zwei typische Stoffwechselveränderungen auftreten, die den Krankheitsverlauf wesentlich beeinflussen:

  • Hungerzustand (Mangelernährung),

  • Hypermetabolismus („Stressstoffwechsel“, Postaggressionsstoffwechsel, Katabolie).

Hungerstoffwechsel

Ein Hungerzustand entsteht durch langdauernde Nahrungskarenz oder durch ungenügende Zufuhr von Nährstoffen während der Intensivbehandlung.

Im Hungerzustand nimmt die Stoffwechselaktivität ab. Da innerhalb von 24 h die Kohlenhydratvorräte des Körpers aufgebraucht sind, muss der Stoffwechsel auf den Abbau körpereigener Substanzen zurückgreifen, damit die Organe ihre Funktion aufrechterhalten können. So „verbrennt“ ein Gesunder im Hungerzustand bei einem Kalorienverbrauch von 1.800 kcal/Tag innerhalb von 24 h:

  • 75 g Eiweiß (überwiegend aus der Muskulatur),

  • 160 g Triglyzeride aus dem Fettgewebe.

Während des Hungerzustands sinken die Blutzucker- und Insulinspiegel ab.

Hypermetabolismus

Der Hypermetabolismus ist eine gesteigerte Stoffwechselaktivität beim Intensivpatienten, die mit dem Abbau von körpereigenen Eiweißen einhergeht. Hypermetabolismus tritt nach Traumen, „Stress“, Operationen, Sepsis und Verbrennungen auf; körperliche Inaktivität und ungenügende Ernährung gelten als verstärkende Faktoren. Wegen dieser Auslöser wird der Hypermetabolismus auch als „Stressstoffwechsel“ oder „Postaggressionsstoffwechsel“ bezeichnet. Die genaue Ursache des Hypermetabolismus ist unbekannt; jedoch spielen zentrale (zerebrale) und hormonelle Faktoren eine wesentliche Rolle.

Während des Hypermetabolismus werden sog. katabole („eiweißabbauende“) Hormone vermehrt freigesetzt. Dies sind die Katecholamine (z. B. Adrenalin), Glukagon, Kortisol und Wachstumshormon.

Gleichzeitig ist der Spiegel des anabolen („eiweißansetzenden“) Hormons Insulin erhöht. Allerdings besteht trotz erhöhter Insulinspiegel eine Hyperglykämie. Diese beruht v. a. auf der gesteigerten Aktivität der Katecholamine mit erhöhter Glukoseproduktion und auf einer peripheren Insulinresistenz. Die Gewebe können wegen der Insulinresistenz die Glukose nicht mehr verwerten. Die Insulinresistenz begünstigt weiterhin den Abbau der körpereigenen Eiweiße. Betroffen sind nicht nur die Eiweiße der Muskulatur, sondern alle Proteine des Körpers.

Die Stickstoffausscheidung im Urin (Harnstickstoff) kann als grobes Maß für den Abbau der Eiweiße herangezogen werden. Besser geeignet ist allerdings die Bestimmung der Harnstoffproduktionsrate.

Auch der Fettstoffwechsel ist beim Hypermetabolismus betroffen:

  • Steigerung der Lipolyse (Fettspaltung) mit Anstieg der freien Fettsäuren im Plasma,

  • stärkere Verbrennung von Fettsäuren.

Weiterhin entwickeln sich eine positive Wasser- und Natriumbilanz und eine negative Bilanz von Kalium und Magnesium.

Beim Intensivpatienten bestehen nicht selten Hungerzustand und Hypermetabolismus gleichzeitig.

Ernährung des Intensivpatienten

Die Ernährung des Intensivpatienten kann in folgender Weise durchgeführt werden:

  • enteral,

  • parenteral,

  • enteral und parenteral in Kombination.

Enterale Ernährung

Die enterale Ernährung des Intensivpatienten erfolgt über den Magen-Darm-Trakt. Sie ist physiologischer, billiger und komplikationsärmer als die parenterale Ernährung.

Bei ausreichender Magen-Darm-Funktion sollte daher sobald wie möglich mit der enteralen Ernährung begonnen werden. In der Akutphase ist meist eine Ernährung mit Sondennahrung erforderlich. Hierzu werden, je nach Indikation, verschiedene Sonden eingesetzt.

Ernährungssonden

Magensonden

Sie sind aus Kunststoff und werden über die Nase oder den Mund in den Magen vorgeschoben. Magensonden dienen nicht nur zur Ernährung, sondern auch zur Drainage des Magens. Gebräuchliche Größen sind:

  • Neugeborene 5 Charr,

  • Kleinkinder 6–8 Charr,

  • Kinder 8–12 Charr,

  • Erwachsene 12–16 Charr.

Am häufigsten werden Salem- oder Levine-Sonden verwendet.

Zur Technik des Einführens und zur Pflege 10.1007/978-3-662-50444-4_38.

Dünndarmsonden

Duodenal - und Jejunalsonden sind nach Operationen des oberen Verdauungstraktesoder bei Regurgitations- und Aspirationsgefahr indiziert (z. B. durch Gastroparese). Die Platzierung der Sonden ist schwierig; sie sollten daher endoskopisch angelegt werden.

Gastrostomiesonde

Die Ernährung über eine perkutane intragastrale Fistel (PEG) wird bei Obstruktionen im Bereich des Ösophagus bzw. nach Ösophagusoperationen durchgeführt. Bei der Ernährung von Langzeitpflegepatienten werden Gastrostomiesonden eingesetzt.

Normale Sondennahrung

In der Sondennahrung müssen die einzelnen Nährstoffe im richtigen Verhältnis zusammengesetzt sein. Industriell gefertigte Sondennahrung besteht z. B. aus:

  • Kohlenhydraten (Zucker, Dextrine, Stärke): 40–60%,

  • Fetten (Pflanzenöle, Sahne, mittelkettige Triglyzeride = MCT): 30–35%,

  • Proteinen (Eipulver oder Magermilchpulver):15–20%,

  • Ballaststoffen.

  • Energiegehalt 1 kcal/ml; Osmolarität: maximal 450 mosmol/l,

Die Sonennahrung ist glutenfrei und laktosearm oder -frei, außerdem steril.

Der Elektrolyt- und Vitamingehalt herkömmlicher Sondennahrungen reicht hingegen nicht aus; daher müssen Elektrolyte und Vitamine substituiert werden.

Sondennahrung wird entweder erst kurz vor der Zufuhr zubereitet oder es wird gebrauchsfertige Sondennahrung verwendet.

Bei Duodenal- und Jejunalsonden werden die Fette schlecht verwertet. Darum empfiehlt sich bei dieser Sondenlage die Zufuhr von mittelkettigen Triglyzeriden. Sie werden auch ohne Galle und Pankreaslipase aufgenommen. Die Zufuhr von mittelkettigen Triglyzeriden muss schrittweise erfolgen, um Bauchschmerzen und Durchfälle zu vermeiden.

Praktische Hinweise für die Sondenernährung

Ist eine orale Ernährung innerhalb von 3 Tagen als unwahrscheinlich anzusehen, sollte mit der Sondenernährung innerhalb von 24 h nach der Aufnahme in die Intensivstation begonnen werden.

Die Sondennahrung kann als Bolus oder kontinuierlich zugeführt werden. Die kontinuierliche Zufuhr gilt als Verfahren der Wahl. Hierbei empfiehlt sich der Einsatz von Pumpen, die eine zeitlich konstante und genau zu kontrollierende Zufuhr ermöglichen.

Bei der Zufuhr von Einzelportionen dürfen bestimmte Flüssigkeitsmengen nicht überschritten werden:

  • Magensonde ca. 250 ml,

  • Duodenalsonde ca. 100 ml,

  • Jejunalsonde ca. 50 ml.

Praktisches Vorgehen
  • Bei kontinuierlicher Zufuhr beträgt die Menge an Sondennahrung 20–200 ml/h, entweder über einen Zeitraum von 24 h oder nur über einen bestimmten Zeitraum, z. B. tagsüber für 4 h.

  • In der Akutphase reicht die Zufuhr von 15–20 kcal/kgKG aus; im weiteren Verlauf kann langsam auf 25 bis max. 35 kcal/kgKG gesteigert werden.

  • Unmittelbar vor der Zufuhr sollte die Sondennahrung auf Körpertemperatur erwärmt werden.

  • Zu Beginn sollte die Sondennahrung in häufigen kleinen Einzelportionen (z. B. 30–60 ml alle 2 h) zugeführt werden.

  • Vor der Zufuhr mit einer Spritze an der Sondenöffnung aspirieren: Sind noch Reste der vorangegangenen Sondennahrung vorhanden, wird erst dann neue Nahrung zugeführt, wenn sich der Magen entleert hat. Bleiben die Restmengen erhöht, wird die Sondenernährung vorübergehend unterbrochen.

  • Nach der Zufuhr: Sonde mit 20–50 ml ungesüßtem Tee oder stillem Wasser klarspülen und abklemmen. Bei Übelkeit sollte die Klemme geöffnet werden.

  • Regelmäßige Überwachung der Sondenernährung:
    • Inspektion, Perkussion und Auskultation des Abdomens,
    • Kontrolle der Zufuhr und Verträglichkeit,
    • Beurteilung des Stuhls,
    • Laborparameter: Blutzucker, Triglyzeride, Elektrolyte, Leber-, Galle- und Pankreasparameter, Albumin, Präalbumin, Cholinesterase.
  • Angebrochene Flaschen mit Sondennahrung müssen verschlossen im Kühlschrank aufbewahrt werden; sie sind nicht länger als 12 h haltbar (Herstellerangaben beachten).

Kontraindikationen

Bei folgenden Zuständen darf keine Sondenernährung durchgeführt werden:

  • akute gastrointestinale Erkrankungen, z. B. akutes Abdomen, Blutung, Peritonitis, Ileus, unstillbares Erbrechen,

  • akuter Schockzustand,

  • akutes Trauma,

  • Coma diabeticum, Coma hepaticum, akutes Nierenversagen.

Als relative Kontraindikationen gelten: postoperative Darmatonie, akute Pankreatitis, Operationen am Magen-Darm-Trakt, Postaggressionszustand, akute Stoffwechselstörungen.

Komplikationen

Die wichtigsten Komplikationen der Sondenernährung sind:

  • Durchfälle,

  • Erbrechen,

  • Bauchschmerzen,

  • Hyperglykämie,

  • Dehydratation,

  • Verstopfung der Sonde,

  • Sondenfehllage,

  • Erosionen und Ulzerationen,

  • Regurgitation und pulmonale Aspiration.

Die häufigsten Ursachen für Durchfälle sind:

  • Hyperosmolarität der Sondennahrung,

  • bakterielle Verunreinigung der Sondennahrung,

  • zu rasche Zufuhr,

  • zu große Volumina,

  • zu tiefe Sondenlage.

Bei Durchfällen wird eine Teepause eingelegt. Liegt keine bakterielle Verunreinigung vor, können die Durchfälle mit pektinhaltigen Präparaten meist unterbrochen werden.

Immunonutrition

Die Zufuhr spezieller Trink- und Sondennahrungen mit hohem Gehalt an Arginin zusammen mit Omega-3-Fettsäuren, Nukleinsäuren, Antioxydanzien (Vitaminen) und auch Glutamin wird als Immunonutrition („immune modulation enteral therapy“, IMD) bezeichnet. Hierdurch soll die Immunabwehr des mangelernährten Intensivpatienten moduliert und verstärkt werden. Nach den Empfehlungen der DGEM profitieren Intensivpatienten, die enteral ernährt werden können (>2.500 ml/72 h oder <5.750 ml innerhalb von 7 Tagen), von einer Ernährung mit einer immunmodulierenden Sondennahrung. Für schwerkranke Intensivpatienten, die nicht ausreichend, d. h. nicht mit den angegebenen Mengen ernährt werden können, wird eine immunmodulierende Sondennahrung derzeit nicht empfohlen.

Zufuhr von Medikamenten über Ernährungssonden

Zahlreiche Medikamente können über Ernährungssonden verabreicht werden. Hierbei sind einige Besonderheiten zu beachten (Einzelheiten www.pharmatrix.de):

  • Der Magen verträgt eine Osmolarität von 700 mosmol/l, der Dünndarm von 300 mosmol/l. Hyperosmolare Medikamente in Tropfenform müssen daher verdünnt werden.

  • Hartgelatinekapsen werden geöffnet und der Inhalt in 10–15 ml Wasser aufgeschwemmt.

  • Weichgelatinekapseln werden in warmem Wasser aufgelöst, Kapselreste entfernt.

  • Brausetabletten werden in mindestens 50 ml Wasser aufgelöst.

  • Antazida sind ungeeignet, da sie mit der Sondennahrung verklumpen.

  • Vor und nach jeder Medikamentenzufuhr wird die Ernährungssonde mit 20 ml Wasser nachgespült.

Parenterale Ernährung

Bei dieser unphysiologischen Form der Ernährung werden die Nährstoffe dem Körper i.v., unter Umgehung des Magen-Darm-Traktes (parenteral), zugeführt. Die parenterale Ernährung ist indiziert, wenn eine enterale Ernährung nicht möglich ist. Um den physiologischen Ernährungs- und Stoffwechselzustand des Patienten aufrechtzuerhalten, sollten auch bei der parenteralen Ernährung immer alle Komponenten – Kohlenhydrate, Fette, Vitamine und Spurenelemente – verabreicht werden. Die Indikation zur parenteralen Ernährung sollte jedoch streng gestellt werden, da sie mit einer höheren Komplikationsrate (u. a. Infektionen, Katheterkomplikationen) verbunden ist als die enterale Ernährung. Ist davon auszugehen, dass der Intensivpatient innerhalb von 3 Tagen bedarfsdeckend oral oder über die Sonde ernährt werden kann, sollte keine parenterale Ernährung begonnen werden. Patienten, die nicht ausreichend enteral zu ernähren sind, können zusätzlich parenteral ernährt werden.

Als parenterale Nährstoffe werden eingesetzt:

  • Kohlenhydrate bzw. Glukose,

  • Lipide bzw. Fette,

  • Aminosäuren.

Hinzu kommen: Flüssigkeit, Elektrolyte, Vitamine, Spurenelemente.

Glukose

Die Kohlenhydrate dienen (neben den Fetten) als Energieträger bei der parenteralen Ernährung. Verwendet wird ausschließlich Glukose; Zuckeraustauschstoffe sollten dagegen nicht mehr eingesetzt werden.

1 g Glukose liefert ca. 4 kcal.

Nach den Empfehlungen des Bundesgesundheitsamtes sollte die Gesamtkohlenhydratzufuhr 5–6 g/kgKG/Tag nicht überschreiten und bei vermindertem Stoffwechsel auf 200–300 g/Tag beschränkt werden.

Glukose und Insulin

Glukose spielt als Energieträger eine herausragende Rolle in der parenteralen Ernährung und kann von allen Zellen des Körpers zur Energiegewinnung verwertet werden. Einige Gewebe (v. a. das Gehirn) sind sogar vollständig auf Glukose angewiesen. Sie werden daher als glukoseabhängig bezeichnet.

Die Verwertung von Glukose erfolgt normalerweise mit Sauerstoff (aerob), bei O2-Mangel auch anaerob.

Die Verwertung von Glukose ist in hohem Maße insulinabhängig. Dieses im Pankreas gebildete Hormon schleust die Glukose zusammen mit Kalium in die Zellen ein und schafft so erst die Voraussetzungen für die Verstoffwechselung. Es gibt allerdings auch Gewebe, die Glukose insulinunabhängig verwerten können, z. B. die Zellen des zentralen Nervensystems. Ein Insulinbedarf von >6 IE/h für Blutzuckerwerte von <180 mg/dl ist Zeichen einer Glukoseverwertungsstörung, die eine Reduktion der Glukosezufuhr erfordert.

Hyperglykämie

Bei akuten Erkrankungen sind die Blutzuckerwerte häufig erhöht. Hierbei gilt zumeist: je größer der „Stress“, desto höher der Blutzucker. Ausgeprägte Hyperglykämien treten v. a. auf bei:

  • großen Operationen in der frühen postoperativen Phase,

  • Diabetikern,

  • alten Patienten,

  • Adipositas,

  • Leberzirrhose,

  • Verbrennungen,

  • chronischer Urämie.

Ursache der Hyperglykämie ist eine gesteigerte Glukoseproduktion in der Leber und eine Abnahme der insulinabhängigen Glukoseverwertung in der Skelettmuskulatur und im Fettgewebe. Die Glykolyse (Glykogenspaltung in Glukose) ist in Immunsystem, Wundgewebe, Lunge und Skelettmuskulatur gesteigert. Dies führt zu einer gesteigerten Produktion von Pyruvat, das wiederum zu Laktat reduziert wird.

Die Hyperglykämie muss wegen ihrer ungünstigen Auswirkungen mit Altinsulin i.v. (über Perfusor) behandelt werden.

Ungünstige Auswirkungen der Hyperglykämie
  • Elektrolyt- und Flüssigkeitsstörungen

  • Dehydratation

  • Erhöhte Infektanfälligkeit

  • Gesteigerte Blutgerinnung

  • Gestörte Wundheilung

  • Verminderte antibakterielle Funktion der polymorphkernigen Leukozyten

Bei ausgeprägter Hyperglykämie ist die Zufuhr hoher Dosen von Insulin, unter häufiger Kontrolle der Blutzuckerwerte, erforderlich.

Beim Intensivpatienten werden Blutzuckerwerte von <180 mg/dl angestrebt.

Eine „scharfe“ Einstellung der Blutzuckerwerte auf 80–110 mg/dl wird bei Intensivpatienten wegen der erhöhten Hypoglykämiegefahr nicht mehr empfohlen.

Praktische Hinweise
  • Glukose sollte beim Intensivpatienten erst zugeführt werden, wenn die Blutzuckerwerte <180 mg/dl betragen.

  • Hochprozentige Lösungen sind hyperton: Darum müssen sie über einen zentralen Venenkatheter zugeführt werden.

  • Bei „Stressstoffwechsel“ mit Insulinresistenz muss die Glukosezufuhr reduziert werden.

  • Bei unbehandeltem hyperosmolaren Koma darf keine Glukose zugeführt werden!

  • Die übermäßige Zufuhr von Glukose, d. h. über den Bedarf hinaus, kann zu Fettleber, evtl. auch Polyneuropathie führen und muss daher vermieden werden.

Dosierung von Glukose
  • Max. Tagesdosis: ca. 3,5–4,5 g/kgKG/Tag, nach den Empfehlungen des Bundesgesundheitsamts 3–6 g/kgKG/Tag

  • Max. Infusionsgeschwindigkeit: 0,3 g/kgKG/h; zu rasche Infusion führt zu Hyperglykämie und Glukosurie

  • Glukose fördert den Einstrom von Kalium in die Zelle: Darum Kaliumzusatz bei hoher Glukosezufuhrrate

Fette

Fette werden als Emulsionen i.v. zugeführt. Emulsionen der 1. Generation enthalten ausschließlich Triglyzeride mit langkettigen Fettsäuren (LCT), Fettemulsionen der 2. Generation sind hingegen ein Gemisch aus langkettigen und mittelkettigen Triglyzeriden (MCT). Hierbei sollen die mittelkettigen Triglyzeride mehr als Energielieferant, die langkettigen als Strukturbestandteil dienen. Mittelkettige Triglyzeride werden wahrscheinlich nicht oder nur in geringer Menge in der Leber deponiert. Hierdurch soll die Gefahr einer cholestatischen Hepatose vermindert werden. Reine auf Sojabohnenöl basierende Lipidemulsionen sollten nicht mehr eingesetzt werden.

Dosierung von Fetten
  • Beginn der Fettzufuhr erst nach Stabilisierung der Vitalfunktionen und dann in kleinen Schritten von ca. 0,5 g/kgKG/Tag beim Erwachsenen und von etwa 0,7–1 g/kgKG/Tag bei Kindern

  • Vor Steigerung der Menge: Kontrolle der Serumtriglyzeride und des Blutzuckers

  • Steigerungsrate: pro Tag nicht mehr als 0,25–0,5 g/kgKG

  • Maximaldosis: ca. 2 g/kgKG/Tag

  • Triglyzeride im Serum: <3,4 mmol/l oder 300 mg/dl

In regelmäßigen Abständen müssen der Fettinfusion fettlösliche Vitamine zugesetzt werden.

Vorteile

Die Infusion von Fetten besitzt folgende Vorteile:

  • Mit kleinen Flüssigkeitsmengen können große Kalorienmengen zugeführt werden. 1 g Fett liefert 9 kcal (37,7 kJ).

  • Fette sind nicht wasserlöslich und damit osmotisch unwirksam. Sie können über periphere Venen zugeführt werden.

  • Fette sind Träger fettlöslicher Vitamine.

  • Die Zufuhr von Fetten verhindert einen Mangel an essenziellen Fettsäuren.

30–40% der Gesamtkalorien können als Fettkalorien zugeführt werden.

Kontraindikationen

Als Kontraindikationen für Fette gelten: Schock, Hypertriglyzeridämie (>3,4 mmol/l), Hyperlipoproteinämien, Diabetes mellitus, Fettembolie, Leberinsuffizienz, Pankreatitis, Gerinnungsstörungen, schwere Lungenerkrankungen, Störungen der Mikrozirkulation bzw. Schock.

Aminosäuren

Durch die Zufuhr von Aminosäuren sollen der Abbau von körpereigenen Proteinen im Hungerzustand und der Hypermetabolismus verhindert bzw. unterbrochen werden. Aminosäurelösungen dürfen dagegen nicht als Energieträger infundiert werden. Da die kommerziellen Aminosäurelösungen aus Stabilitätsgründen kein Glutamin enthalten, kann diese Substanz nach den derzeit geltenden Leitlinien bei stabilen Intensivpatienten gesondert zugeführt werden (0,3–0,4 g/kgKG/Tag). Bei Patienten mit Multiorganversagen ist die hochdosierte Glutamingabe (>0,4 g/kgKG/Tag) kontraindiziert, da sie sich nachteilig auf die Überlebensrate auswirkt.

Kontraindikationen
  • Akute Niereninsuffizienz (solange keine Nierenersatztherapie durchgeführt wird),

  • schwere Leberschäden, Störungen des Aminosäurenstoffwechsels.

Dosierung von Aminosäuren
  • Ausgeglichene Stoffwechsellage: 0,8 (minimal) bis 1,5 g/kgKG/24 h

  • Bei Katabolie: 1,3–2 g/kgKG/24 h

  • Bei akutem Nierenversagen: 0,8–1,2 g/kgKG („Nierenlösungen“)

Praktische Hinweise
  • Aminosäuren nicht zu schnell infundieren, da sonst ein Verlust über die Nieren auftritt.

  • Zusammen mit den Aminosäuren immer Kaloriensubstrate (Kohlenhydrat- und Fettlösungen) zuführen, damit die Aminosäuren für die Eiweißsynthese verwertet werden können. Als optimal gelten 25–30 kcal (105–126 kJ) pro 1 g Aminosäuren.

Elektrolyte und Spurenelemente

Neben den Hauptbestandteilen – Kohlenhydrate, Fette und Aminosäuren – müssen bei der totalen parenteralen Ernährung auch ausreichend Elektrolyte und Spurenelemente zugeführt werden. Hierzu gehören v. a. Natrium, Kalium und Chlorid (10.1007/978-3-662-50444-4_59) sowie Kalzium, Magnesium, Phosphat, weiterhin die als essenziell angesehenen Spurenelemente Zink, Chrom, Eisen, Jod, Kupfer, Selen, Mangan, Molybdän und Fluor. Ein Mangel an diesen Spurenelementen beeinträchtigt die Funktion zahlreicher Enzyme. Der tägliche Bedarf beim Intensivpatienten ist nicht genau bekannt.

Vitamine

Vitamine sind für zahlreiche Funktionen erforderlich, v. a. für die von Enzymen und Hormonen. Vitamine können vom Körper nicht selbst gebildet werden und müssen daher der Nahrung zugesetzt werden. Um beim Intensivpatienten unter der parenteralen Ernährung einen Vitaminmangel zu vermeiden, sollten frühzeitig wasserlösliche (ab dem 1. Tag) wie auch fettlösliche Vitamine (ab 3.–5. Tag) als Fertigpräparate zugeführt werden. Vitamin B12 sollte alle 3 Monate in einer Dosis von 1 mg i.m. injiziert werden.

Praxis der parenteralen Ernährung

Wann mit einer parenteralen Ernährung von Intensivpatienten, die nicht ausreichend oral/enteral ernährt werden können, begonnen werden sollte, ist nicht geklärt. Die European Society of Parenteral and Enteral Nutrition empfiehlt, hiermit innerhalb von 2 Tagen nach Aufnahme in die Intensivstation zu beginnen, amerikanische Leitlinien dagegen erst nach Ablauf einer Woche, weil ein späterer Beginn der parenteralen Ernährung mit weniger Komplikationen einhergehen soll. Mit der ergänzenden parenteralen Ernährung von nicht ausreichend enteral zu ernährenden Intensivpatienten kann nach dem 3. Tag begonnen werden.

Die parenterale Ernährung wird grundsätzlich nur solange durchgeführt, bis eine enterale Ernährung wieder möglich ist.

Bei längerfristiger parenteraler Ernährung müssen alle notwendigen Nährstoffe in ausreichender Menge zugeführt werden. Hierfür muss ein individuelles Ernährungsschema aufgestellt werden, das v. a. folgende Faktoren berücksichtigt:

  • Alter, Körpergewicht und Ernährungszustand,

  • Grunderkrankung und Begleitkrankheiten,

  • gegenwärtiger klinischer Zustand,

  • gegenwärtige Stoffwechsellage: normal, gesteigert, vermindert.

Energiebedarf

Beim Intensivpatienten beträgt der Energiebedarf durchschnittlich 25–30 kcal/kgKG/Tag bzw. ca. 1.100–1.200 kcal/m2 Körperoberfläche/Tag nach einem großen chirurgischen Eingriff bzw. schweren Trauma und nur selten 2.000 kcal/m2Körperoberfläche/Tag. Der Energiebedarf wird durch Kohlenhydrate und Fette gedeckt. Der Kohlenhydratanteil sollte mindestens 30% betragen.

Dosierung der Nahrungsbestandteile
  • Kohlenhydrate: anfangs 1,5–2 g/kgKG/Tag; schrittweise Steigerung parallel zu den Aminosäuren, bis max. 6 g/kgKG/Tag. Bei Blutzuckerwerten >180 mg/dl bereits unter der niedrigen Dosierung: zunächst keine Steigerung der Zufuhrrate. Bleibt der Blutzucker weiterhin >180 mg/dl erhöht, soll Insulin zugeführt werden (Perfusor mit max. 4 lE/h)

  • Aminosäuren: Beginn mit 0,5–1 g/kgKG/Tag, dann weitere Steigerung in den nachfolgenden Tagen bis zum errechneten Bedarf, meist nicht mehr als 1,5 g/kgKG/Tag; bei Verbrennung ca. 2 g/kgKG/Tag; Kinder: 1,5–2,5 g/kgKG/Tag

  • Fette: anfangs 0,5–1 g/kgKG/Tag. Nach 6–8 h Kontrolle der Fettklärung durch Bestimmung des Triglyzeridspiegels. Bei guter Klärung weitere Steigerung um ca. 0,25–0,5 g/kgKG/Tag bis zu einer Maximaldosis von ca. 2 g/kgKG/Tag, bei schwerstem Hypermetabolismus von 2,5 g/kgKG/Tag. Maximaldosen bei Kindern: 2–3 g/kgKG/Tag. Regelmäßige Kontrolle der Triglyzeride im Serum.

  • Flüssigkeitsbedarf: 30–40 ml/kgKG/Tag

  • Elektrolyte:
    • Natrium: 1–2 mmol/kgKG/Tag
    • Kalium: 1 mmol/kgKG/Tag
    • Kalzium: 0,2–0,5 mmol/kgKG/Tag
    • Magnesium: 0,05–0,3 mmol/kgKG/Tag
    • Phosphat: 0,2–0,5 mmol/kgKG/Tag
Überwachung der parenteralen Ernährung

Nachfolgend sind die wichtigsten Maßnahmen zur Überwachung der parenteralen Ernährung zusammengestellt, täglich bzw. nach Bedarf durchzuführen und evtl. ergänzt durch andere Parameter:

  • Serumelektrolyte,

  • Serumosmolarität,

  • Gesamteiweiß,

  • Harnstoff/Kreatinin,

  • Säure-Basen-Status, Blutgase,

  • Laktat,

  • Blutzucker,

  • Blutbild,

  • Triglyzeride, Gerinnungsstatus,

  • Transaminasen, Bilirubin.

Komplikationen der parenteralen Ernährung

Die wichtigsten Komplikationen der parenteralen Ernährung sind:

  • Gewichtszunahme durch Flüssigkeitsretention,

  • Elektrolytentgleisung,

  • Hyperosmolarität,

  • Infektionen,

  • Katheterkomplikationen (10.1007/978-3-662-50444-4_41), insbesondere Candida- oder bakterielle Sepsis,

  • Harnstoffbelastung,

  • Hyperglykämie und Glukosurie,

  • Refeeding-Syndrom bei ausgeprägt unterernährten Patienten (Hypophosphatämie, Hypokaliämie, Hypomagnesiämie und ausgeprägte Natrium- und Flüssigkeitseinlagerung). Das Syndrom kann auch bei enteraler Ernährung auftreten.

  • Vermehrter O2-Verbrauch, gesteigerte CO2-Produktion,

  • bei längerer parenteraler Ernährung (2–4 Wochen): Fettleber, Cholestase, Cholelithiasis, Cholezystitis.

Praktisches Vorgehen
  • Die parenterale Ernährung erfolgt über einen zentralen Venenkatheter . Liegt die Osmolarität der Ernährungslösungen unter 800 mosm/kgKG, können sie auch periphervenös infundiert werden; periphervenöse Lösungen sind allerdings teuer.

  • Die Nährsubstrate können in Form von Einzelkomponenten, Kombinationslösungen oder All-in-one-Mischungen (Einzelbausteine in 2- oder 3-Kammer-Beuteln) infundiert werden.

  • Die Infusionslösungen werden mit konstanter Geschwindigkeit über eine Infusionspumpe zugeführt, um Entgleisungen des Stoffwechsels zu verhindern.

  • Spurenelementkonzentrate dürfen nicht mit Vitaminlösungen gemischt werden (Zerstörung von Vitamin C).

  • Vitaminlösungen wegen der begrenzten Stabilität nur separat – als Kurzinfusion – zuführen, wasserlösliche Vitamine unter Nierenersatzverfahren in der Behandlungspause, ansonsten Verlust.

  • Der Aufbau der parenteralen Ernährung erfolgt über mehrere Tage:
    • 1. Tag: Glukose 1–1,5 g/kgKG + Aminosäuren, 0,5–0,75 g/kgKG, kein Fett,
    • 2. Tag: Glukose 2–3 g/kgKG, Aminosäuren 1–1,5 g/kgKG, kein Fett,
    • 3. Tag: Glukose 2–3 g/kgKG, Aminosäuren 1–1,5 g/kgKG, Fette 0,5–0,75/kgKG
    • 4. und weitere Tage: Glukose 2–3 maximal 5–6 g/kgKG/Tag, Aminosäuren 1–1,5 maximal 2 g/kgKG/Tag, Fette 1–1,5 maximal bis 2 g/kgKG/Tag.
  • An allen Tagen:
    • Vitamine als Kurzinfusion in 0,9% NaCl über 1 h (Standardkombinationspräparat),
    • Spurenelement in laufender Glukose- oder Elektrolytinfusion (Standardkombinationspräparat).
  • Über den Ernährungskatheter sollten keine anderen Infusionslösungen infundiert werden.

  • Die Infusionssysteme, Bakterienfilter und Katheterverbände müssen täglich gewechselt werden.

  • Der Ernährungskatheter sollte nicht für Blutentnahmen verwendet werden.

  • Die parenterale Ernährung darf nicht abrupt unterbrochen, sondern sollte schrittweise reduziert werden (sonst besteht Hypoglykämiegefahr!).

Contributor Information

Collaborators: Tobias Fink and Tilmann Müller-Wolff

Nachschlagen und Weiterlesen

  • [1].Hartig W et al. (2004) Ernährungs- und Infusionstherapie. 8. Aufl. Thieme, Stuttgart
  • [2].Ledochowski M (2010) Klinische Ernährungsmedizin. Springer, Berlin Heidelberg. Auch als eBook
  • [3].Rümelin A, Mayer K. Ernährung des Intensivpatienten. Berlin Heidelberg: Springer; 2013. [Google Scholar]

Internet

  • [4].Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin (2014). DGEM-Leitlinie Klinische Ernährung. www.dgem.de
  • [5].Informationen zur enteralen Ernährung (Fa. Fresenius Kabi): www.enterale-ernaehrung.de

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