Abstract
In der unmittelbaren postoperativen Phase sind eine kontinuierliche Überwachung der Vitalfunktionen und eine einfühlsame Betreuung des Patienten durch kompetentes Fachpflegepersonal erforderlich. Die Überwachung und Versorgung erfolgt in der Regel in einer speziellen Aufwacheinheit oder -zone. Die Dauer der erforderlichen Überwachung kann wenige Minuten bis mehrere Stunden betragen. Die Übergänge von der Aufwachraumbetreuung zur Intermediate Care und zur Intensivtherapie sind häufig fließend: Wenn zu erwarten ist, dass der Zustand des Patienten nicht innerhalb weniger Stunden nach der Operation gebessert werden kann, sollte die alternative Versorgung auf einer Intermediate-Care- oder einer operativen Intensivtherapieeinheit erwogen werden.
In der unmittelbaren postoperativen Phase sind eine kontinuierliche Überwachung der Vitalfunktionen und eine einfühlsame Betreuung des Patienten durch kompetentes Fachpflegepersonal erforderlich. Die Überwachung und Versorgung erfolgt in der Regel in einer speziellen Aufwacheinheit oder -zone. Die Dauer der erforderlichen Überwachung kann wenige Minuten bis mehrere Stunden betragen. Die Übergänge von der Aufwachraumbetreuung zur Intermediate Care und zur Intensivtherapie sind häufig fließend: Wenn zu erwarten ist, dass der Zustand des Patienten nicht innerhalb weniger Stunden nach der Operation gebessert werden kann, sollte die alternative Versorgung auf einer Intermediate-Care- oder einer operativen Intensivtherapieeinheit erwogen werden.
Aufbau und Personal
Räumliche Voraussetzungen
Die Aufwachzone, nachfolgende Aufwachraum genannt, muss in die operative Zone integriert sein, damit Anästhesist und Chirurg unmittelbaren Zugang haben und der Patient, wenn erforderlich, rasch in den Operationssaal zurückgebracht werden kann. Baulich und ablauforganisatorisch sollte der Aufwachraum den Übergang zwischen OP-Bereich (Nähe zur Patientenausschleuse) und den bettenführenden Abteilungen darstellen. Der Aufwachraum ist aber der Betreuung von Patienten in einer beruhigenden Atmosphäre vorbehalten und darf daher nicht zusätzlich als Organisationsstützpunkt der Anästhesie- und/oder OP-Abteilung zweckentfremdet werden. In Krankenhäusern, die ambulante Operationen durchführen, sollte der Aufwachraum über Strukturen zur Patientenentlassung und für den Aufenthalt von Angehörigen verfügen.
Die Größe des Aufwachraums hängt v. a. von der chirurgischen Kapazität des Krankenhauses ab. Für jeden Operationssaal wird durchschnittlich 1,5 Aufwachbetten benötigt.
An den Bettplätzen sollten folgende Ausrüstungen verfügbar sein
O2- und Druckluftanschluss
Beatmungsgerät, Beatmungsbeutel
Vakuum zum Absaugen von Drainagen
Absauggerät und Absaugkatheter
Monitor für EKG, Blutdruck (NIBP und invasiv), ZVD, Pulsoxymetrie, Kapnometrie, Atemfrequenz und Temperatur
Blutdruckmanschette
Stethoskop
Relaxometer
Defibrillator und Notfallmaterialien
Narkosewagen
Atemwegmaterialien und Intubationszubehör
Apparatives Infusions- und Transfusionszubehör
Schmerztherapiepumpen
Therapie- und Notfallmedikamente
O2-Applikationszubehör
Wärmetherapiegeräte und -materialien
Übliches Einmalmaterial
Pflege- und Lagerungsmaterial, Verbandsprodukte
Ausscheidungsmaterialien und Katheterzubehör
Übliche Hygieneausstattungen
Patientenaktenablage und Dokumentationsmöglichkeit
Diagnostikzubehör, z. B. für Notfalllabor und Blutgasanalyse
Personelle Voraussetzungen
Für die personelle Besetzung gilt Folgendes: 1 Pflegekraft (möglichst mit entsprechender Fachweiterbildung) versorgt 3 Patienten; sind die Patienten schwer krank, betreut sie 2 Patienten. Mindestens eine Fachpflegekraft muss im Aufwachraum ständig anwesend sein, wenn dort postoperative Patienten betreut werden.
Aufgaben des Personals im Aufwachraum
Ersteinschätzung und Verlaufsbeobachtung von postoperativen Patienten aller Alters- und Erkrankungsgruppen
Rechtzeitiges Erkennen und Behandeln von Komplikationen nach diagnostischen oder therapeutischen Eingriffen in Allgemeinanästhesie oder unter regionalen Anästhesieverfahren
Einleitung einer postoperativen Schmerztherapie
Behandlung von postoperativer Übelkeit und Erbrechen
Behandlung von postoperativer Unterkühlung
Die fachliche Leitung des Aufwachraums liegt beim Anästhesisten. Er übernimmt die Behandlung der Patienten und entscheidet über ihre Verlegung auf die Allgemein- oder Intensivstation. Für operationsbedingte Komplikationen ist der Operateur zuständig. In sehr großen Aufwacheinheiten sollte ständig 1 Anästhesist anwesend sein.
Qualifikation des Pflegepersonals
Die Einschätzung, Pflege, Überwachung und Therapie von Patienten im Aufwachraum stellt eine komplexe und anspruchsvolle Tätigkeit dar. Sie erfordert spezielle Kenntnisse und Erfahrungen, damit individuelle Patientenbedürfnisse oder Komplikationen sofort erkannt und behandelt werden können. Es gilt:
Die verantwortliche Pflegefachkraft im Aufwachraum muss aufgrund ihrer Qualifikation eine vitale Bedrohung des Patienten umgehend erkennen und außerdem die erforderlichen Erstmaßnahmen zu ihrer Beseitigung einleiten, bis der gleichzeitig alarmierte Anästhesist eintrifft. Hierfür trägt sie die medizinische und juristische Verantwortung!
Unerfahrene, nicht eingearbeitete Pflegekräfte dürfen nur bei direkter Anwesenheit einer Fachpflegekraft den Patienten überwachen.
Übernahme des Patienten
Im Aufwachraum wird der Patient vom narkoseführenden Anästhesisten der Pflegefachkraft strukturiert übergeben. Hierbei wird – nach Anschluss der Überwachungsgeräte – über folgende Einzelheiten berichtet.
Übergabepunkte
Name und Alter des Patienten
Durchgeführte Operation
Name des Operateurs
Anzahl und Art der Drainagen, Katheter und Sonden
Operative Komplikationen
Vorbestehende Erkrankungen, Medikationen, Allergien, Vigilanz- oder Orientierungsstörungen
Narkoseverfahren und -verlauf
Anästhesiekomplikationen
Blutverluste
Flüssigkeits- und Blutersatz
Urinausscheidung
Verluste über Drainagen
Aktuelle Vitalfunktionen, inkl. Körpertemperatur
Schmerztherapie und sonstige Anordnungen
Einschätzung des Patienten
Bei jedem Patienten müssen während seines Aufenthalts in dem Aufwachraum die Vitalfunktionen systematisch und regelmäßig beobachtet und klinisch eingeschätzt werden. Die Ergebnisse werden, ähnlich wie bei der Narkose, sorgfältig protokolliert. Die Einschätzung dient u. a. der Beantwortung folgender Fragen:
Stabilisiert sich der Zustand des Patienten zunehmend?
Welche Therapie- und Pflegeinterventionen benötigt der Patient?
Entwickeln sich Komplikationen, die behandelt werden müssen?
Wann kann der Patient aus dem Aufwachraum entlassen werden?
Muss der Patient auf eine Intensivstation verlegt werden, weil schwere Komplikationen zu befürchten oder aufgetreten sind?
Einschätzung und Überwachung des Aufwachraumpatienten
- Atmung
- Durchgängigkeit der Atemwege
- Atemfrequenz
- Arterielle O2-Sättigung (Pulsoxymetrie)
- Bei Bedarf: Blutgasanalyse
- Herz-Kreislauf-Funktion
- Herzfrequenz und Puls
- Blutdruck
- EKG- Beurteilung
- Neuromuskuläre Funktion
- Beurteilung der Muskelkraft
- Relaxanzienüberhang: Nervenstimulator
Vigilanz- und Orientierungsfähigkeit
- Schmerzen
- Ort und Stärke der Schmerzen
- Wirkung der Schmerztherapie
Temperatur
Übelkeit und Erbrechen
- Urinausscheidung
- Harnverhalt
- Ausgeschiedene Menge
Bilanzierung von Verlusten über Drainagen, Sonden; durch Nachblutungen
Alle wesentlichen Maßnahmen müssen sorgfältig im Aufwachraumprotokoll dokumentiert werden, ebenso der Zeitpunkt der Aufnahme und der Entlassung aus dem Aufwachraum sowie der Verlegungsort.
Regelmäßig zu dokumentierende Maßnahmen im Aufwachraum (DGAI 2009)
Kontinuierlich gemessene O2-Sättigung
Herzfrequenz und -rhythmus
Arterieller Blutdruck
Bewusstseinslage
Schmerzintensität (Skala)
Blutverluste über liegende Drainagen
Therapeutische Maßnahmen
Übernehmende Personen
Aufnahme- und Verlegungszeitpunkt, Verlegungsort
Routineüberwachung
Die meisten Patienten sind bei der Aufnahme in den Aufwachraum bereits extubiert; Atmung- und Herz-Kreislauf-Funktion sind stabil. Die Vigilanz der Patienten ist aber häufig noch eingeschränkt.
Der „Routinepatient“ erhält Sauerstoff über eine Nasensonde oder Maske und wird regelmäßig zum Durchatmen und Abhusten ermuntert. Seine Vitalfunktionen werden in der ersten Phase mindestens alle 15 min eingeschätzt und protokolliert.
Die wichtigsten Aufgaben der Pflegekraft sind:
Überwachung der Atmung, Sicherung der Atemwege,
Überwachung von Herz-Kreislauf-Funktion,
Überprüfung der Bewusstseinslage, Ansprache des Patienten, Aufklärung über die Situation und beruhigende Zuwendung,
Infusionstherapie nach ärztlicher Verordnung,
Erkennen und Behandeln von Schmerzen,
Behandlung von Übelkeit und Erbrechen,
Überwachung der Körpertemperatur,
Wiederherstellung und Unterstützung der Mobilität,
Dokumentation wesentlicher Daten.
Komplikationen in der frühen postoperativen Phase
Die Häufigkeit von Komplikationen im Aufwachraum beträgt ca. 25%. Die häufigsten Komplikationen sind PONV, Verlegung der Atemwege und Blutdruckabfälle. Hinzu kommen seltene, aber ebenfalls wichtige Komplikationen.
Die wichtigsten Störungen und Komplikationen in der unmittelbaren postnarkotischen Phase sind:
Verlegung der Atemwege, Atemdepression, Atemstillstand,
Überhang von Muskelrelaxanzien,
Blutdruckabfälle, Blutdruckanstiege,
Nachblutungen, Hypovolämie
Flüssigkeits- und Elektrolytstörungen,
Anhaltende Unterkühlung,
Muskelzittern,
Übelkeit und Erbrechen,
Harnverhalt
Temperaturanstieg.
Erkennen und Behandeln von Atemstörungen
Die wichtigsten Atemstörungen in der frühen postoperativen Phase sind:
Verlegung der oberen Atemwege,
Überhang von Muskelrelaxanzien mit Muskelschwäche,
Atemdepression durch Opioide,
Pulmonale Aspiration bei eingeschränktem Bewusstsein,
Laryngospasmus: 10.1007/978-3-662-50444-4_32,
Bronchospasmus: 10.1007/978-3-662-50444-4_32.
Verlegung der oberen Atemwege
Häufigste Ursache der postoperativen Atemwegobstruktion ist das Zurücksinken der Zunge beim sedierten oder noch erheblich anrelaxierten Patienten. Erkennbar ist diese Komplikation an paradoxen Atembewegungen mit muskulären Einziehungen am Hals und verstärkter Aktivität der Bauchmuskulatur (Schaukelatmung).
Sofortbehandlung einer Verlegung der oberen Atemwege durch die Pflegekraft
Beim Patienten bleiben und Hilfe anfordern
Patienten ansprechen und zum Atmen auffordern
Ggf. Oberkörper hochlagern bzw. den Patienten atemunterstützend positionieren
Wenn Atemwege weiterhin verlegt: Esmarch-Handgriff, Wendl-Tubus, Sauerstoff zuführen
Ggf. Maskenbeatmung
Wenn nicht zu beseitigen: endotracheale Intubation. (Andere Ursachen: 10.1007/978-3-662-50444-4_32)
Muskelrelaxierung
Die Zeichen hängen vom Grad der Muskelschwäche ab:
Der Händedruck ist schwach und kraftlos.
Die Augen können nicht oder nur mit Mühe geöffnet und offen gehalten werden.
Der Kopf kann nicht oder nur mit Mühe angehoben und gehalten werden.
Die Atmung ist schaukelnd und ruckartig („schlingerndes Boot“).
Der Patient ist unruhig und hat erkennbar Luftnot.
Mögliche vegetative Zeichen (Stress): Tachykardie, Blutdruckanstieg, starkes Schwitzen, Tränenfluss.
Die Muskelschwäche durch Relaxanzienüberhang sollte mit dem Nervenstimulator objektiviert werden.
Die Anrelaxierung muss umgehend behandelt werden, bevor sich ein bedrohlicher O2-Mangel entwickelt. Das Vorgehen richtet sich nach dem Schweregrad der muskulären Schwäche:
Sofortbehandlung des Relaxanzienüberhangs durch die Pflegekraft
Anästhesisten alarmieren
Patienten mit erhöhtem Oberkörper lagern und beruhigen (er ist wach!)
Wenn erforderlich: Atmung mit Atembeutel/Sauerstoff assistieren
ND-Relaxanzien mit Neostigmin + Atropinzusatz (10.1007/978-3-662-50444-4_11) antagonisieren (nach ärztlicher Anweisung), Rocuronium mit Sugammadex
Wenn keine ausreichende Wirkung: intubieren und beatmen
Nach Antagonisierung: Patienten ausreichend lange im Aufwachraum überwachen
Zentrale Atemdepression durch Opioide
Ist die Muskelkraft normal und liegt keine Hypokapnie vor, ist die Atemdepression bzw. Apnoe wahrscheinlich durch Opioide bedingt, v. a. nach Zufuhr hoher Dosen.
Die opioidbedingte Atemdepression kann auch dann auftreten, wenn der Patient im Operationssaal bereits ausreichend geatmet hat. Sie ist erkennbar an zunehmender Sedierung, abnehmender Atemfrequenz und schließlich Atemstillstand.
Mit einer erneuten Atemdepression muss v. a. nach höheren Opioiddosen gerechnet werden, besonders, wenn keine die Atmung stimulierenden Reize (Tubus! Schmerzen!) mehr vorhanden sind. („silent death“ nach Opioidnarkose). Darum darf der Patient nicht zu früh auf die Normalstation verlegt werden!
Sofortbehandlung der opioidbedingten Atemdepression durch die Pflegekraft
Patienten laut ansprechen und zum Atmen auffordern, Anästhesisten alarmieren
Kommandoatmung, wenn erforderlich: Wendl-Tubus
Wenn nicht ausreichend: Masken/Beutelbeatmung und Injektion von Naloxon (Narcanti), zunächst 1 μg/kgKG
Arterielle Hypoxie
Die arterielle Hypoxie, d. h. der Abfall des arteriellen pO2 unter 70 mmHg mit Abfall der arteriellen O2-Sättigung, tritt bei vielen Patienten in der frühen postoperativen Phase auf. Die Ursachen sind vielschichtig. Gefährdet sind v. a. Patienten mit:
Oberbaucheingriffen,
Thoraxoperationen,
chronischen Lungenerkrankungen,
starkem Übergewicht.
Hypoventilation
Hierbei handelt es sich meist um ein typisches Anästhesieproblem. Die Hauptursachen sind:
zentrale Atemdepression durch Anästhetika, v. a. Opioide und Sedativa,
periphere Ateminsuffizienz durch Muskelrelaxanzien,
Apnoe durch verlängerte Hyperventilation während der Narkose,
Verlegung der Atemwege,
Beeinträchtigung der Atmung oder Atemmechanik durch Schmerzen, Übergewicht, Pneumothorax, Hämatothorax, zu straffe Verbände.
Je nach Anästhesie/Operation können diese Faktoren kombiniert auftreten. Die Behandlung richtet sich nach den Ursachen.
Störungen der Herz-Kreislauf-Funktion
Die wichtigsten postoperativen Komplikationen sind:
Blutdruckabfall,
Blutdruckanstieg,
Herzrhythmusstörungen,
Herzinsuffizienz.
Blutdruckabfall
Ein niedriger arterieller Blutdruck ist eine sehr häufige Komplikation in der unmittelbaren postoperativen Phase. Wichtigste Ursache ist ein Volumenmangel, nur selten eine Herzinsuffizienz. Andere Ursachen können sein: anaphylaktische Reaktion, anhaltende Sympathikusblockade nach Spinal-/Periduralanästhesie, Lungenembolie, Herzinfarkt, Herztamponade oder SIRS/Sepsis,
Ein Volumenmangel beruht meist auf ungenügendem Volumenersatz während der Narkose oder anhaltenden Blutverlusten. Die Zeichen sind:
niedriger Blutdruck,
Tachykardie,
niedriger zentraler Venendruck,
verminderte Urinausscheidung
bei Schock: Hautblässe, eingeschränktes Bewusstsein, Bewusstseinsverlust.
Sofortbehandlung des niedrigen Blutdrucks durch die Pflegekraft
Peripheren Puls fühlen, Patienten laut ansprechen, Bewusstseinslage prüfen
Anästhesisten alarmieren
Nach Möglichkeit Beine hochlagern oder Trendelenburglagerung
Pulsoxymetrische O2-Sättigung überprüfen
Sauerstoff zuführen
Volumen und Medikamente nach ärztlicher Anordnung verabreichen
Hypertonie
Die häufigsten Ursachen für einen Blutdruckanstieg in der postoperativen Phase sind:
Schmerzen,
vorbestehende Hypertonie (häufige Ursache!),
nach Karotisstenoseoperationen,
Hypoxie,
Hyperkapnie,
Hypervolämie durch Übertransfusion bzw. Überinfusion,
Muskelzittern,
volle Harnblase (häufig übersehen!),
unerkanntes Delir.
Sofortmaßnahmen der Pflegekraft bei postoperativer Hypertonie
Anästhesisten benachrichtigen
Patienten nach Schmerzen befragen
Harnblasenstatus überprüfen
Auf Anordnung: Antihypertensiva, Sedativa, Analgetika
Herzrhythmusstörungen
Am häufigsten sind Bradykardie, Tachykardie und ventrikuläre Extrasystolen, weiterhin Vorhofflimmern und vorbestehende Herzrhythmusstörungen. Die wichtigsten Ursachen für Herzrhythmusstörungen in der frühen postoperativen Phase sind:
vorbestehende Herzerkrankungen/Herzrhythmusstörungen,
Elektrolytstörungen, besonders Hypokaliämie (!),
Hypoxie, Hyperkapnie und Hypokapnie.
Therapie
Arzt benachrichtigen, wenn möglich Ursache behandeln. Bei symptomatischen Rhythmusstörungen: Antiarrhythmika nach Anweisung des Anästhesisten (10.1007/978-3-662-50444-4_48).
Zu geringe Urinausscheidung
Eine zu geringe Urinausscheidung in der frühen postoperativen Phase ist am häufigsten prärenal (vor der Niere) bedingt. Wichtigste Ursachen sind:
intravasaler Volumenmangel (Hypovolämie),
Herzinsuffizienz bzw. zu niedriges Herzzeitvolumen (Low-output-Syndrom).
Die Diagnose „Oligurie“ kann im Aufwachraum nur nach Legen eines Blasenkatheters gestellt werden. Vor Einleitung einer Behandlung muss die Durchgängigkeit des Katheters überprüft werden.
Therapie
Die Therapie besteht in ausreichender Flüssigkeitszufuhr bei Hypovolämie, am besten unter Kontrolle des zentralen Venendrucks. Tritt danach keine Diurese ein, können Diuretika in niedriger Dosierung (z. B. Lasix) zugeführt werden. Bei Low-output-Syndrom werden Katecholamine (z. B. Dobutamin oder Dopamin) infundiert.
Nachblutungen
Nachblutungen sind fast immer chirurgisch bedingt und müssen entsprechend behandelt werden!
Deshalb müssen Verbände und Wunddrainagen regelmäßig zusammen mit den Vitalwerten überprüft werden.
Über Gerinnungsstörungen nach Massivtransfusionen: 10.1007/978-3-662-50444-4_17.
Abfall der Körpertemperatur
Die Unterkühlung des Patienten ist eine typische Folge moderner Operationsräume mit Klimaanlage, v. a. wenn die Temperatur weniger als 21°C beträgt. Besonders gefährdet sind Patienten bei langdauernden Operationen im Thorax oder Abdomen. Nicht selten sind die Patienten bis auf etwa 32°C rektal abgekühlt und bieten folgende Zeichen der Hypothermie:
Schläfrigkeit und Verlangsamung,
Bradykardie,
niedriger Blutdruck,
verminderte Atmung.
Alle diese Zeichen sind Folgen des erniedrigten Stoffwechsels und bedürfen in der Regel keiner Behandlung, da sie von selbst verschwinden, wenn die Körpertemperatur wieder ansteigt. Im Mittelpunkt steht vielmehr die Behandlung der Hypothermie. Dies gilt besonders für das postoperative Kältezittern, das häufiger nach Inhalationsnarkosen auftritt und für den Patienten sehr unangenehm ist.
Präoperatives Wärmen vor langen Eingriffen, angewärmte Infusionslösungen und postoperatives aktives Wärmen können zur Prophylaxe der postoperativen Hypothermie beitragen.
Sofortmaßnahmen der Pflegekraft bei Hypothermie
Patienten nach längeren Eingriffen in angewärmtes Bett legen, gut zudecken, nicht unnötig aufdecken
Temperatur wiederholt messen
Einsatz von Wärmedecken oder apparativen Wärmesystemen
O2-Zufuhr bei Muskelzittern
Postoperatives Kältezittern („Shivering “)
Postoperatives Kältezittern ist Folge einer intraoperativen Auskühlung, gelegentlich zittern aber auch normotherme Patienten. Das Kältezittern wird von den meisten Patienten als sehr unangenehm empfunden und erhöht zudem den O2-Verbrauch. Es kann verhindert werden, wenn die Narkose erst beim normothermen Patienten ausgeleitet wird.
Manifestes Kältezittern wird medikamentös behandelt (allerdings als „off-label use“), ergänzend mit wärmenden Maßnahmen, z.B. eine konvektive Wärmedecke.
Medikamentöse Behandlung des Kältezitterns (S3-Leitlinie)
- Medikamente erster Wahl
- Pethidin 0,35–0,7 mg/kgKG i.v.
- Clonidin 0,15–0,3 μg/kgKG i.v.
- Medikamente zweiter Wahl
- Tramadol 1–3 mg/kgKG i.v.
- Magnesiumsulfat 30 mg/kgKG i.v.
Zu beachten sind die möglichen Nebenwirkungen dieser Medikamente: Sedierung, Übelkeit, Erbrechen, Bradykardie.
Auf die Normalstation sollte der Patient erst dann verlegt werden, wenn seine Kerntemperatur auf über 35°C angestiegen ist und bei ihm kein Gefühl der Auskühlung mehr besteht.
Anstieg der Körpertemperatur
Die wichtigsten Ursachen für einen Anstieg der Körpertemperatur in der frühen postoperativen Phase sind:
akute oder vorbestehende Infektionen, z. B. nach Darmoperationen oder urologischen Eingriffen,
Überdosierung von Atropin bei Kindern,
verminderte Wärmeabgabe bei Zentralisation,
Pyrogene, z. B. aus Blutkonserven oder Infusionslösungen,
Reaktion auf Medikamente, z. B. MAO-Hemmer, trizyklische Antidepressiva,
maligne Hyperthermie (extrem selten, aber immer zu bedenken! 10.1007/978-3-662-50444-4_32).
Die Therapie ist meist symptomatisch: physikalische Maßnahmen (dünne Decke, Wadenwickel, kalte Waschung) und fiebersenkende Medikamente bei Rektaltemperaturen über 39°C.
Schmerzen
Postoperative Schmerzen hängen von vielerlei Faktoren ab. Sehr junge und sehr alte Patienten benötigen oft weniger Schmerzmittel. Opioide in der Prämedikation schieben den postoperativen Schmerzmittelbedarf hinaus; ebenso die Narkose mit einem Opioid. Eine wichtige Rolle spielt auch die Art der Operation: Thorax- und Oberbaucheingriffe sind besonders schmerzhaft.
Therapie
Vor der Zufuhr von Analgetika sollte die Schmerzintensität mit einer numerischen Ratingskala erfasst und im Narkoseprotokoll dokumentiert werden, später auch die Schmerzlinderung im Verlauf. Bei der Wahl der Analgetika muss zwischen stationären und ambulanten Patienten unterschieden werden.
Starke bis sehr starke Schmerzen werden mit Opioiden (z. B. Piritramid = Dipidolor), in titrierenden Dosen i.v. oder mit PCA behandelt. Hierbei muss aber mit Atemdepression gerechnet werden. Darum den Patienten wiederholt zum Durchatmen auffordern! Weniger starke Schmerzen können oft auch mit einem NSAR wie z. B. Metamizol beseitigt werden. Hilfreich sind auch regionale Anästhesiemethoden zur postoperativen Schmerzbehandlung (z. B. Periduralanalgesie, Plexusanalgesie, periphere Nervenblockaden über Katheter). Einzelheiten zur postoperativen Schmerztherapie: 10.1007/978-3-662-50444-4_36.
Unruhe, Agitiertheit, postoperatives Delir
Gelegentlich treten Unruhe und Agitiertheit in der postoperativen Phase auf. Ursachen können u. a. sein:
Hypoxie,
Hyperkapnie,
Harnverhaltung,
Schmerzen,
Medikamentenentzug (z. B. Psychopharmaka),
Ein postoperatives Delir, also ein akuter Verwirrtheitszustand, manifestiert sich innerhalb von Stunden oder Tagen nach einem Eingriff und darf nicht mit dem sog. Aufwachdelir einer Narkose verwechselt werden. Dem postoperativen Delir geht in der Regel eine Phase der vollständigen Normalisierung nach dem Erwachen aus der Narkose voraus (Einzelheiten zum Delir: 10.1007/978-3-662-50444-4_44).
Therapie
Als Grundregel der Therapie gilt: Zunächst Ursachen beseitigen. Hierzu werden der Patient strukturiert und gezielt nach möglichen Ursachen befragt und außerdem die Patientenanamnese entsprechend analysiert (10.1007/978-3-662-50444-4_44).
Übelkeit und Erbrechen
Übelkeit und Brechreiz bis hin zum Erbrechen (PONV ) treten postoperativ bei ca. 30% der Patienten auf. Die wichtigsten Risikofaktoren sind in 10.1007/978-3-662-50444-4_3 zusammengestellt.
Prophylaxe
10.1007/978-3-662-50444-4_3.
Therapie
Postoperative Übelkeit und Erbrechen sind für die betroffenen Patienten eine schwerwiegende Komplikation, die – unbehandelt – mit hoher Wahrscheinlichkeit lange anhält oder wieder auftritt. Weitere, jedoch seltene Komplikationen von PONV sind: Nahtdehiszenz, pulmonale Aspiration von Mageninhalt, Ösophagusruptur (Boerhaave-Syndrom ), Pneumothorax, Hautemphysem, Trachealruptur oder Sehverlust.
PONV sollte umgehend behandelt werden. Mittel der ersten Wahl sind Serotoninantagonisten (10.1007/978-3-662-50444-4_4), besonders wenn sie noch nicht zur Prophylaxe eingesetzt worden sind. Wirksam sind, in absteigender Reihenfolge, auch Dexamethason, Haloperidol, DHBP, Dimenhydrat und Promethazin. Empfohlen wird eine Kombinationstherapie, um die Wirksamkeit zu erhöhen, z. B. Dexamethason plus Ondansetron oder Haloperidol.
Behandlung von PONV
Ondansetron: Erwachsene 4–8 mg i.v., Kinder 0,1 mg/kgKG i.v. oder
Dolasetron: Erwachsene 12,5 mg i.v., Kinder 0,35 mg/kgKG i.v. oder
Dimenhydrinat (Vomex): Erwachsene 16–64 mg i.v., Kinder 0,5–1 mg/kgKG i.v. oder
DHBP: Erwachsene 0,625–1,25 mg i.v., Kinder 20–50 μg/kgKG i.v.
Tritt PONV trotz Prophylaxe auf, sollte primär ein Antiemetikum aus einer anderen Substanzklasse eingesetzt werden. Die Nebenwirkungen der jeweils verwendeten Substanzen müssen beachtet werden (10.1007/978-3-662-50444-4_3).
Ergänzende Maßnahmen:
Behandlung starker Schmerzen,
Entfernen einer dicht sitzenden Gesichtsmaske,
Mundpflege nach dem Erbrechen.
PONV bei Kindern: 10.1007/978-3-662-50444-4_19.
Verzögertes Erwachen
Die meisten Patienten erwachen innerhalb von 15–20 min nach der Narkose. Bleiben anamnestisch unauffällige Patienten über längere Zeit bewusstseinseingeschränkt, sollte in jedem Fall nach den möglichen Ursachen gesucht werden, wie z. B.:
Überdosierung von Anästhetika und Sedativhypnotika und Muskelrelaxanzien (täuscht Bewusstlosigkeit vor),
exzessive Hyperventilation, besonders bei alten Patienten mit Störungen der Hirndurchblutung,
schwere Hypoglykämie,
ausgeprägte Hyperkapnie (CO2-Narkose),
Unterkühlung,
zerebrale Störungen wie Schlaganfall, Hirnblutung,
zentral anticholinerges Syndrom,
vorbestehende Vigilanz- oder Orientierungsstörungen.
Verlegung des Patienten
Die Verlegung des Patienten auf die Allgemeinstation erfolgt durch den für den Aufwachraum verantwortlichen Anästhesisten in Zusammenarbeit mit dem Fachpflegepersonal. Eine routinemäßige Verlegung aus dem Aufwachraum sollte nur dann erfolgen, wenn der Patient weitestgehend wach, stabil und beschwerdefrei ist. Die Therapie von Narkosefolgen wie Hypothermie, PONV oder Atem- und Herz-Kreislauf-Störungen sollte zum Verlegungszeitpunkt abgeschlossen sein. Eine notwendige Schmerztherapie sollte eingeleitet und ausreichend wirksam sein.
Vorgehen bei ambulanten Patienten: 10.1007/978-3-662-50444-4_30.
Der Patient darf nur dann verlegt werden, wenn folgende grundlegende Voraussetzungen erfüllt sind:
ausreichende Spontanatmung,
stabile Herz-Kreislauf-Funktion,
keine wesentliche Nachblutung,
ausreichende Schutzreflexe,
keine Bewusstlosigkeit.
Im Zweifelsfall sollte der Patient länger im Aufwachraum verbleiben oder auf eine Intensivstation verlegt werden!
Für die Einschätzung, ob der Patient auf eine Normalstation verlegt werden kann, ist der Aufwachscore von Aldrete (Tab. 33.1) hilfreich. Der Score umfasst 5 Merkmale. Jedes Merkmal wird, ähnlich wie bei Apgar-Score, mit 0, 1 oder 2 benotet. Die maximale Punktzahl ist 12, die niedrigste 0.
Merkmal-Benotung | Befund |
---|---|
Aktivität | |
2 | Bewegt 4 Extremitäten spontan oder nach Aufforderung |
1 | Bewegt 2 Extremitäten spontan oder nach Aufforderung |
0 | Bewegt sich weder spontan noch nach Aufforderung |
Atmung | |
2 | Atmet tief durch, hustet gut |
1 | Luftnot oder eingeschränkte Atmung |
0 | Atemstillstand |
Kreislauf | |
2 | Blutdruck ±20% vom Ausgangswert vor Narkose |
1 | Blutdruck ±20–50% vom Ausgangswert vor Narkose |
0 | Blutdruck ±50% vom Ausgangswert vor Narkose |
Bewusstsein | |
2 | Vollkommen wach |
1 | Auf Anruf erweckbar |
0 | Reagiert nicht |
O 2 -Sättigung (pulsoxymetrisch) | |
2 | ≥92% unter Raumluftatmung |
1 | Benötigt zusätzlich Sauerstoff, damit saO2≥90% |
0 | saO2 trotz O2-Zufuhr <90% |
Verlegung nach Regionalanästhesien
Plexusblockaden
Hier ist in der Regel keine postoperative Überwachung erforderlich. Die meisten Patienten können direkt auf die Allgemeinstation verlegt werden. Allerdings muss vorher auf die Verletzungsgefahr für die noch anästhesierte Extremität und die Vermeidung dieser Gefahren hingewiesen werden.
Spinal- und Periduralanästhesie
Nach diesen Verfahren sollten die Patienten erst verlegt werden, wenn folgende Anforderungen erfüllt sind:
stabile Herz-Kreislauf-Funktion, ausreichender Volumenersatz,
Rückkehr der Empfindlichkeit für Nadelstiche in der perianalen Region (S5/5),
Plantarbeugung des Fußes möglich,
Lagesinn in der Großzehe vorhanden,
bei ambulanten Patienten: Rückkehr der Sensibilität.
Footnotes
Unter Mitarbeit von M. Klein, T. Müller-Wolff
Contributor Information
Collaborators: Tobias Fink and Tilmann Müller-Wolff
Nachschlagen und Weiterlesen
- [1].DGAI und BDA (2011) Apparative Ausstattung für Aufwachraum, Intensivüberwachung und Intensivtherapie. Entschließungen, Empfehlungen, Vereinbarungen, Leitlinien. 5. Aufl. Aktiv Druck. Im Internet unter www.dgai.de
- [2].Freiberger C (2010) Der Aufwachraum. Kindle ebook. www.amazon.de
- [3].Hohenberger W (2013) Schmerztherapie im Aufwachraum. Evaluation und Auswirkung. Diplomarbeit. Kindle Edition und Taschenbuch www.amazon.de
- [4].Klein M, Müller-Wolff T. Praktische Umsetzung der neuen AWMF-Leitlinie – Hypothermie erfolgreich vermeiden. PflegenIntensiv. 2014;4:41. [Google Scholar]
Internet
- [5].AWMF (2013) S3-Leitlinie: Vermeidung von postoperativer Hypothermie. www.awmf.org
- [6].BDA und DGAI (2009) Überwachung nach Anästhesieverfahren. www.dgai.de