Abstract
Inhalationsanästhetika werden über die Lungen in den Körper aufgenommen und mit dem Blutstrom in den verschiedenen Körpergeweben und -organen verteilt. Ihr Hauptwirkort ist das Gehirn, dessen Funktion auf noch nicht geklärte Weise so gedämpft wird, dass eine Narkose bzw. chirurgische Allgemeinanästhesie entsteht. Nach Unterbrechung der Zufuhr strömen die Inhalationsanästhetika aus dem Gehirn wieder in das Blut zurück und werden ausgeatmet. Gebräuchliche Inhalationsanästhetika sind Isofluran, Desfluran und Sevofluran (volatile Anästhetika), – zunehmend seltener – außerdem das Lachgas. Die volatilen Anästhetika liegen bei Raumtemperatur als Flüssigkeit vor und müssen in speziellen Verdampfern (Vaporen) in den dampfförmigen Zustand überführt werden, damit sie eingeatmet werden können. Lachgas benötigt keine Verdampfer. Die volatilen Anästhetika werden wegen ihrer geringen toxischen Breite und kardiovaskulären Nebenwirkungen standardmäßig mit anderen Substanzen (Opioide, Lachgas, Muskelrelaxanzien) kombiniert. Diese Kombinationsnarkosen sind besser steuerbar als andere Formen der Allgemeinanästhesie und gehen mit weniger Nebenwirkungen einher als die reine Inhalationsanästhesie.
Inhalationsanästhetika werden über die Lungen in den Körper aufgenommen und mit dem Blutstrom in den verschiedenen Körpergeweben und -organen verteilt. Ihr Hauptwirkort ist das Gehirn, dessen Funktion auf noch nicht geklärte Weise so gedämpft wird, dass eine Narkose bzw. chirurgische Allgemeinanästhesie entsteht. Nach Unterbrechung der Zufuhr strömen die Inhalationsanästhetika aus dem Gehirn wieder in das Blut zurück und werden ausgeatmet. Gebräuchliche Inhalationsanästhetika sind Isofluran, Desfluran und Sevofluran (volatile Anästhetika), außerdem – zunehmend seltener – das Lachgas. Die volatilen Anästhetika liegen bei Raumtemperatur als Flüssigkeit vor und müssen in speziellen Verdampfern (Vaporen) in den dampfförmigen Zustand überführt werden, damit sie eingeatmet werden können. Lachgas benötigt dagegen keine Verdampfer. Die volatilen Anästhetika werden wegen ihrer geringen toxischen Breite und kardiovaskulären Nebenwirkungen standardmäßig mit anderen Substanzen (Opioide, Lachgas, Muskelrelaxanzien) kombiniert. Diese Kombinationsnarkosen sind besser steuerbar als andere Formen der Allgemeinanästhesie und gehen mit weniger Nebenwirkungen einher als die reine Inhalationsanästhesie.
Da die Aufnahme und auch die Ausscheidung der Inhalationsanästhetika v. a. von der Atmung abhängen, kann die Narkosetiefe leicht durch Änderungen der Narkosegaskonzentration in der Inspirationsluft verändert und so dem jeweiligen Bedarf angepasst werden. Im Gegensatz zur totalen intravenösen Narkose ist damit die Inhalationsanästhesie sehr gut steuerbar. Allerdings sind die Inhalationsanästhetika aus folgenden Gründen keine idealen Anästhetika:
Die Narkoseeinleitung verläuft relativ langsam und geht mit einem Erregungsstadium einher.
Bei vielen Patienten sind für eine ausreichende Narkosetiefe inspiratorische Konzentrationen erforderlich, die zu unerwünschten Reaktionen, v. a. des Herz-Kreislauf-Systems, führen können.
Aus diesen Gründen wird eine reine Inhalationsnarkose eher selten durchgeführt und stattdessen meist eine Kombination verschiedener Substanzen angewandt. Die Inhalationsanästhesie ist somit in der Regel eine Kombinationsnarkose, die sich z. B. aus folgenden Komponenten zusammensetzen kann:
intravenöses Anästhetikum zur raschen Einleitung der Narkose, z. B. Propofol oder Thiopental,
Opioid als starkes Analgetikum, z. B. Fentanyl, Remifentanil, Sufentanil,
volatiles Anästhetikum für die Aufrechterhaltung der Narkose, z. B. Desfluran, Sevofluran oder Isofluran (evtl. kombiniert mit Lachgas, um den Dosisbedarf noch weiter zu reduzieren).
ND-Muskelrelaxans zur Erschlaffung der Muskulatur (soweit erforderlich).
Gebräuchliche Inhalationsanästhetika
Isofluran (Forene)
Desfluran (Suprane)
Sevofluran (Sevorane)
Lachgas (Stickoxidul, N2O)
Physikalisch-chemische Eigenschaften der Inhalationsanästhetika
Die Inhalationsanästhetika liegen bei Raumtemperatur vor als:
Gas: Lachgas (N2O),
Flüssigkeit: Isofluran, Desfluran, Sevofluran.
Die flüssigen Inhalationsanästhetika müssen zunächst in den dampfförmigen (volatilen) Zustand umgewandelt werden, damit sie eingeatmet werden können. Diese Umwandlung erfolgt in speziellen Narkosemittelverdampfern ( Vaporen), über die das Inhalationsanästhetikum in einer genau einstellbaren Konzentration dem Patienten zugeführt wird (10.1007/978-3-662-50444-4_6).
Lachgas kann dagegen direkt aus dem Gaszylinder oder der zentralen Gasversorgung über eine Dosiereinrichtung (Rotameter) durch das Narkosesystem zum Patienten geleitet werden.
Ob ein Inhalationsanästhetikum bei Raumtemperatur als Gas oder als Flüssigkeit vorliegt, hängt von seinem Siedepunkt ab. Es gilt:
Ein Inhalationsanästhetikum ist flüssig, wenn sein Siedepunkt über der Raumtemperatur und gasförmig, wenn sein Siedepunkt unterhalb der Raumtemperatur liegt.
Löslichkeit
Wie kommen die Inhalationsanästhetika zu ihrem eigentlichen Wirkort – dem Gehirn? Die Inhalationsanästhetika werden mit dem Blut zum Gehirn transportiert. Für den Transport müssen sich die Gase aber zunächst im Blut lösen. Hierbei ist nach dem Henry-Gesetz die im Blut physikalisch gelöste Menge des Inhalationsanästhetikums direkt proportional dem Partialdruck der Substanz im Blut. Im Gleichgewichtszustand ist der Partialdruck des Gases im Blut genauso hoch wie in der Inspirations- bzw. Alveolarluft.
Die einzelnen Inhalationsanästhetika besitzen eine unterschiedliche Löslichkeit: sie ist gering für Sevofluran, Desfluran und Lachgas, für Isofluran dagegen höher.
Aufnahme und Verteilung der Inhalationsanästhetika
Die Tiefe der Narkose, die mit einem bestimmten Inhalationsanästhetikum erreicht werden kann, hängt vom Partialdruck des Anästhetikums im Gehirn ab.
Nach dem Henry-Gesetz strebt der Partialdruck des Inhalationsanästhetikums im Gehirn und in den anderen Geweben des Körpers ein Gleichgewicht mit dem Partialdruck des Anästhetikums im Blut und den Alveolen an. Mit anderen Worten: das Gehirn nimmt das Inhalationsanästhetikum so lange auf, bis die Partialdrücke in der Alveolarluft und im Gehirn gleich sind. Darum spielt die Konzentration (bzw. der Partialdruck) in der Alveolarluft eine zentrale Rolle für die Narkose. Wichtig ist aber außerdem noch die Löslichkeit des Anästhetikums im Blut: Sie bestimmt v. a. die Geschwindigkeit, mit der ein anästhetischer Zustand erreicht wird.
Inspiratorische und alveoläre Konzentration
Der Partialdruck der Inhalationsanästhetika in den Alveolen bestimmt die Partialdrücke im Blut und in allen anderen Geweben des Körpers, einschließlich des Gehirns. Der alveoläre Partialdruck wiederum hängt von der Konzentration (bzw. dem Partialdruck) der Gase in der Inspirationsluft ab. Die Geschwindigkeit, mit der sich die inspiratorische und alveoläre Konzentration der Gase einander angleichen, hängt von folgenden Faktoren ab:
der Konzentration des Inhalationsanästhetikums in der Inspirationsluft,
der Größe der alveolären Ventilation bzw. dem Atemminutenvolumen.
Für die Narkosepraxis ist wichtig, dass die alveoläre Konzentration eines Inhalationsanästhetikums rasch durch Änderung der Atmung bzw. Beatmung und der Konzentration in der Inspirationsluft beeinflusst werden kann.
Aufnahme des Anästhetikums
Die Aufnahme des Inhalationsanästhetikums in das Blut der Lunge hängt im Wesentlichen von drei Faktoren ab:
Blutlöslichkeit des Anästhetikums,
Herzzeitvolumen,
Partialdruckdifferenz des Anästhetikums zwischen Alveolen und Lungenvenenblut.
Blutlöslichkeit des Inhalationsanästhetikums
Als Löslichkeit eines Inhalationsanästhetikums bezeichnet man das Verhältnis seiner Konzentrationen in zwei Phasen, die miteinander im Gleichgewicht stehen. Auf das Blut bezogen, wird die Löslichkeit auch als Blut-Gas-Verteilungskoeffizient beschrieben. Der Blut-Gas-Verteilungskoeffizient eines Inhalationsanästhetikums charakterisiert das Verhältnis der Konzentration im Blut zur Konzentration in der Gasphase und verdeutlicht somit, wie sich das Anästhetikum zwischen diesen beiden Phasen (Blut und Gas) verteilt hat, wenn ein Gleichgewicht erreicht worden ist.
Im Gleichgewicht sind die Partialdrücke des Anästhetikums in beiden Phasen gleich, die Konzentrationen hingegen unterschiedlich.
Ein hoher Blut-Gas-Verteilungskoeffizient bedeutet eine starke Blutlöslichkeit und umgekehrt. Für die Praxis gilt: Je löslicher ein Inhalationsanästhetikum im Blut, desto mehr Substanz muss aufgenommen werden, um den Partialdruck im Blut zu erhöhen. Darum steigt der Partialdruck gut löslicher Anästhetika langsam an, der von schlecht löslichen Anästhetika hingegen schneller. Daher gilt:
Die Narkoseeinleitung verläuft mit gut blutlöslichen Substanzen langsamer als mit schlecht löslichen.
Partialdruckdifferenz zwischen Alveolen und Lungenvenenblut
Ist die Partialdruckdifferenz zwischen Alveolarluft und Lungenvenenblut hoch, wird auch eine entsprechend größere Menge des Inhalationsanästhetikums aufgenommen als bei einer nur geringen Partialdruckdifferenz. Die Differenz zwischen den Partialdrücken entsteht durch die fortlaufende Aufnahme des Anästhetikums aus dem Blut in die verschiedenen Gewebe des Körpers. Hierdurch wird nämlich der Partialdruck im Blut ständig erniedrigt. Erst wenn alle Gewebe mit dem Inhalationsanästhetikum gesättigt sind und damit ein Partialdruckgleichgewicht zwischen den Geweben und dem arteriellen Blut erreicht worden ist, verschwindet die Partialdruckdifferenz zwischen Alveolen und Blut und es wird kein weiteres Gas mehr aufgenommen.
Verteilung des Anästhetikums im Körper
Die Aufnahme der Inhalationsanästhetika aus dem Blut in die verschiedenen Gewebe des Körpers hängt von folgenden Faktoren ab:
Gewebelöslichkeit des Anästhetikums,
Durchblutung der Gewebe,
Partialdruckdifferenz des Anästhetikums zwischen Blut und Gewebe.
Gewebelöslichkeit
Die Löslichkeit eines Anästhetikums im Gewebe wird durch den Gewebe-Blut-Verteilungskoeffizienten charakterisiert. Er beträgt für die meisten fettfreien Gewebe etwa 1, d. h. es besteht kein wesentlicher Unterschied zwischen Blut- und Gewebelöslichkeit. Anders hingegen im Fettgewebe: Hier ist der Verteilungskoeffizient wesentlich größer als 1. Hieraus folgt, dass der größte Teil des im Blut befindlichen Anästhetikums in die Fettgewebe aufgenommen wird.
Durchblutung der Gewebe
Je größer die Durchblutung eines Gewebes, desto schneller steigen hier Partialdruck und Konzentration des Inhalationsanästhetikums an. Daher erreichen die gut durchbluteten Organe wie Gehirn, Herz, Nieren, Leber und Verdauungstrakt rasch ein Gleichgewicht mit dem Partialdruck des Anästhetikums im Blut: bei gleich bleibender Konzentration in der Inspirationsluft meist innerhalb von 10–15 min. Während die gefäßreichen Gewebe bereits gesättigt sind, nehmen die weniger gut durchbluteten Gewebe noch weiter das Anästhetikum auf. Dies gilt insbesondere für das Fettgewebe, dessen Aufsättigung über viele Stunden verläuft, sodass sich, z. B., auch im Verlauf durchschnittlich langer Isoflurannarkosen kein Gleichgewicht mit dem Fettgewebe einstellt.
Partialdruckdifferenz zwischen Blut und Gewebe
Je größer die Partialdruckdifferenz zwischen Blut und Gewebe, desto schneller der Einstrom des Inhalationsanästhetikums in das Gewebe. Da die Partialdruckdifferenz anfangs hoch ist, nehmen die Gewebe das Anästhetikum zunächst rasch auf. Mit zunehmender Angleichung der Partialdrücke verlangsamt sich jedoch die weitere Aufnahme der Substanz.
Konzentration in der Inspirationsluft
Die Konzentration des Anästhetikums in der Einatemluft beeinflusst die Geschwindigkeit, mit der die alveoläre Konzentration ansteigt. Es gilt:
Je höher die Konzentration eines Anästhetikums in der Inspirationsluft, desto höher auch die alveoläre Konzentration.
Größe der Ventilation
Wird die Atmung gesteigert (bei unverändertem Herzzeitvolumen), gelangt auch eine größere Menge des Anästhetikums in die Lunge. Die alveoläre Konzentration nähert sich rascher der inspiratorischen Konzentration an, dadurch verläuft auch die Narkoseeinleitung schneller. Dieser Effekt gilt für die gut im Blut löslichen Anästhetika. Während die alveoläre Konzentration von Lachgas durch eine Steigerung der Atmung nur wenig beeinflusst wird, steigt die von Isofluran hierdurch rascher an. Für die Praxis gilt daher Folgendes: Die Narkoseeinleitung mit Isofluran, Sevofluran und Desfluran kann durch Hyperventilation beschleunigt werden.
Ausscheidung der Inhalationsanästhetika
Die gebräuchlichen Inhalationsanästhetika Desfluran, Sevofluran und Isofluran, verlassen den Körper zum größten Teil auf dem gleichen Weg, über den sie hineingelangt sind: die Lungen. Ein kleiner Teil wird jedoch in der Leber verstoffwechselt (metabolisiert) und in veränderter Form über die Nieren ausgeschieden.
Die Geschwindigkeit, mit der das Inhalationsanästhetikum ausgeatmet wird und damit der Patient aus der Narkose erwacht, hängt im Wesentlichen von den gleichen Faktoren ab wie die Aufnahme:
Größe der Ventilation,
Höhe des Herzzeitvolumens,
Löslichkeit des Anästhetikums in Blut und Gewebe.
Für die Ausscheidung des Anästhetikums über die Lungen gilt: Je höher die Ventilation bzw. das Atemminutenvolumen, desto rascher wird das Anästhetikum ausgeschieden.
Hierbei gibt es wieder Unterschiede zwischen den Anästhetika: Je größer die Löslichkeit eines Anästhetikums, desto langsamer die pulmonale Ausscheidung und desto langsamer das Erwachen aus der Narkose. Daher verläuft das Erwachen bei dem stärker im Blut löslichen Isofluran langsamer als mit Desfluran und Sevofluran.
Dauer der Narkose
Die Dauer der Narkose ist für die Geschwindigkeit, mit der das Inhalationsanästhetikum ausgeschieden wird, ebenfalls von großer Bedeutung. Es gilt:
Je länger die Narkose mit gut löslichen Inhalationsanästhetika dauert, desto langsamer ist die pulmonale Ausscheidung und damit das Erwachen aus der Narkose.
Der Grund für die verzögerte Ausscheidung liegt darin, dass nach einer langen Narkose große Mengen des Anästhetikums in die Muskulatur und in das Fettgewebe aufgenommen worden sind und nun aus diesen Geweben fortlaufend in das Blut abgegeben werden. Bei kürzeren Narkosen haben diese Gewebe dagegen wesentlich weniger Anästhetikum aufgenommen, sodass in der Ausleitungsphase auch nur eine geringe Menge in das Blut abgegeben wird.
Wirkstärke der Inhalationsanästhetika – MAC
Um eine bestimmte Narkosetiefe zu erreichen, ist eine bestimmte Mindestkonzentration des Anästhetikums erforderlich. Eine zu geringe Konzentration würde eine zu flache Narkose hervorrufen. Ein Maß für die Wirkstärke (Potenz) eines Inhalationsanästhetikums ist die minimale alveoläre Konzentration (abgekürzt MAC).
Minimale alveoläre Konzentration
Die minimale alveoläre Konzentration eines Inhalationsanästhetikums ist die alveoläre Konzentration, bei der 50% aller Patienten auf den Hautschnitt nicht mehr mit Abwehrbewegungen reagieren. Sie wird als 1 MAC des Anästhetikums bezeichnet.
Die minimale alveoläre Konzentration wird in % von 1 Atmosphäre angegeben: z. B. bedeutet 1 MAC Desfluran eine alveoläre Konzentration von 6 Vol.-% in Sauerstoff (Tab. 9.1).
Anästhetikum | MAC-Werte in 100% Sauerstoff [%] | MAC-Werte mit 30% Sauerstoff und 70% Lachgas [%] |
---|---|---|
Isofluran | 1,15 | 0,50 |
Sevofluran | 2,05 | 0,8 |
Desfluran | 6,0 | 2,83 |
Lachgas | 110 |
Die einzelnen Inhalationsanästhetika besitzen eine unterschiedliche Wirkstärke und entsprechend unterschiedliche MAC-Werte (Tab. 9.1). Praktisch ist wichtig:
Je niedriger der MAC-Wert eines Inhalationsanästhetikums, desto stärker seine anästhetische Wirkung!
MAC-awake
Dies ist die Konzentration des Inhalationsanästhetikums, bei der ein Patient vorhersehbar erwacht. Der MAC-awake wird nicht wesentlich durch eine vorangegangene Zufuhr von Opioiden beeinflusst. Er beträgt etwa 1/3–1/4 des MAC-Wertes für den Hautschnitt.
Einflüsse auf den MAC-Wert
Der MAC-Wert ist unabhängig von der Art des chirurgischen Reizes, dem Geschlecht, der Größe und dem Gewicht des Patienten sowie von der Narkosedauer, wird jedoch durch folgende Faktoren beeinflusst:
Kombination verschiedener Inhalationsanästhetika, üblicherweise von volatilen Anästhetika mit Lachgas,
Alter: mit zunehmendem Alter nimmt der MAC-Wert ab und damit auch der Anästhetikabedarf,
Körpertemperatur: Hypothermie senkt den MAC-Wert, Hyperthermie erhöht ihn,
Schwangerschaft: der MAC-Wert ist bei Schwangeren niedriger als bei Nichtschwangeren,
Opioide: der MAC-Wert nimmt stark ab,
Sedativhypnotika: der MAC-Wert wird vermindert.
Kombination von Inhalationsanästhetika
Werden verschiedene Inhalationsanästhetika gleichzeitig zugeführt, addieren sich in der Regel die Wirkungen: Die MAC des einzelnen Anästhetikums wird erniedrigt, sodass für die gleiche Narkosetiefe eine geringere Konzentration erforderlich ist. Hierdurch werden auch die unerwünschten Nebenwirkungen verringert. Diesen Effekt macht man sich in der Praxis zunutze, wenn die volatilen Inhalationsanästhetika Isofluran, Sevofluran und Desfluran mit Lachgas kombiniert werden. Der Einfluss dieser Kombination auf die MAC-Werte ist in Tab. 9.1 dargestellt. Dagegen werden Isofluran, Desfluran und Sevofluran nicht miteinander kombiniert.
Hypoxie, Anämie oder Blutdruckabfall
Der Anästhetikabedarf wird durch Hypoxie, Anämie oder Blutdruckabfall herabgesetzt, ein Effekt, der in der Praxis strikt beachtet werden muss, um schwere kardiovaskuläre Nebenwirkungen zu vermeiden.
Alkoholabusus
Bei Alkoholikern ist der Bedarf an Anästhetika und damit die MAC-Wert erhöht; hingegen ist bei akuter Trunkenheit die MAC wegen der zentral dämpfenden Wirkung des Alkohols vermindert, sodass eine geringere Konzentration des Inhalationsanästhetikums erforderlich ist.
Kritik am MAC-Begriff
Der traditionelle MAC-Begriff bezieht sich auf die Unterdrückung von Abwehrbewegungen beim Hautschnitt während einer Monoanästhesie mit dem volatilen Anästhetikum. Dabei werden ausgeprägte Reaktionen des Herz-Kreislauf-Systems (Blutdruckanstieg, Tachykardie) auf andere Reize wie Laryngoskopie, endotracheale Intubation und operative Maßnahmen nicht berücksichtigt. Klinisch zeigt sich immer wieder, dass zur Unterdrückung der unerwünschten kardiovaskulären Reaktionen auf diese Stimuli Konzentrationen erforderlich sind, die teilweise erheblich über den herkömmlichen MAC-Werten liegen und somit der herkömmliche MAC-Wert als Leitlinie für die Dosierung der Anästhetika in diesen Situationen nur von geringem Wert ist.
Narkosestadien bei Inhalationsanästhesien
Der Tod durch Narkose war in den Anfangsjahren der Anästhesie keine Seltenheit. Die damaligen Ärzte erkannten sehr rasch, dass tödliche Komplikationen häufig durch eine Überdosierung von Anästhetika hervorgerufen wurden. Sie entwickelten dabei anhand klinischer Zeichen ein Beobachtungsschema, mit dessen Hilfe bestimmte – dosisabhängige – Narkosestadien unterschieden werden konnten. Mit Hilfe dieser Narkosestadien wurde die Tiefe der Narkose klinisch bzw. ohne Hilfsgeräte eingeschätzt und gesteuert.
Die Einteilung des amerikanischen Anästhesisten Arthur Guedel diente lange Zeit als Grundlage für die Narkoseführung:
Stadium I: Amnesie und Analgesie,
Stadium II: Erregung (Exzitation),
Stadium III: chirurgische Toleranz,
Stadium IV: Vergiftung.
Die Stadieneinteilung beruhte auf der klinischen Beobachtung folgender Funktionen:
Atmung,
Pupillenreaktion,
Augenbewegungen,
Reflexaktivität.
Die bei der modernen Narkose als besonders wichtig eingeschätzte Herz-Kreislauf-Funktion wird dagegen im Guedel-Schema nicht berücksichtigt.
Das Exzitationsstadium der Inhalationsnarkose ist besonders unerwünscht und wird daher durch vorangehende Injektion eines Einleitungsanästhetikums unterdrückt, tritt aber bei der Inhalationseinleitung prämedizierter Kinder auf, jedoch meist in abgeschwächter Form.
Pharmakologie gebräuchlicher Inhalationsanästhetika
Die volatilen Anästhetika Isofluran, Sevofluran und Desfluran unterscheiden sich voneinander v. a. in den physikochemischen Eigenschaften, der Wirkstärke und im Stoffwechsel, während die anästhetischen, kardiovaskulären und respiratorischen Wirkungen im Wesentlichen identisch sind. Alle drei Substanzen dämpfen konzentrationsabhängig die Hirn-, Atem- und Herz-Kreislauf-Funktion. Hierbei ist für die Praxis Folgendes wichtig:
Die Sicherheitsbreite der volatilen Inhalationsanästhetika ist gering: So kann bereits das 2- bis 4-fache der üblichen anästhetischen Dosis einen Herz-Kreislauf-Stillstand hervorrufen. Auch können alle volatilen Anästhetika bei disponierten Patienten eine maligne Hyperthermie auslösen und sind daher bei diesen Patienten strikt kontraindiziert.
Isofluran
Physikochemische Eigenschaften
Isofluran, CF2-O-CClH-CF3 (Isofluran-Generika und Forene) ist eine klare, farblose, nichtbrennbare Flüssigkeit von leicht stechendem, ätherartigem Geruch. Die Flüssigkeit ist licht- und alkalibeständig und benötigt keinen Stabilisatorzusatz, reagiert nicht mit Metall, löst sich jedoch in Gummi.
Eigenschaften von Isofluran
Siedepunkt 48,5°C
Blut-Gas-Verteilungskoeffizient 1,4
MAC50-Werte: 1,15 in 100% O2; 0,5 in 70% Lachgas
Macawake 0,44 Vol.-%
Metabolisierungsrate 0,2%
Kardiovaskuläre Wirkungen
Die wichtigsten kardiovaskulären Nebenwirkungen von Isofluran sind:
Abnahme der Myokardkontraktilität (negativ-inotrope Wirkung); gering bei Herzgesunden, stärker bei Herzkranken,
leichter Anstieg der Herzfrequenz, gelegentlich starke Tachykardie,
konzentrationsabhängiger Blutdruckabfall, primär durch Gefäßdilatation (Abnahme des peripheren Widerstands),
Dilatation der Koronararterien mit Zunahme der Koronardurchblutung.
Respiratorische Wirkungen
Isofluran wirkt atemdepressiv. Für Maskennarkosen mit erhaltener Spontanatmung soll Isofluran weniger geeignet sein. Eine bronchodilatatorische Wirkung ist vermutlich ebenfalls vorhanden.
Neuromuskuläre Wirkungen
Isofluran relaxiert in geringem Maß die Skelettmuskulatur: Die Wirkung von Succinylcholin und von ND-Muskelrelaxanzien wird verstärkt, ihr Dosisbedarf somit vermindert.
Niere und Leber
Nierenschäden sind durch Isofluran nicht zu erwarten.
Der Stoffwechsel von Isofluran in der Leber ist mit 0,2% der zugeführten Substanz sehr gering, toxische Metabolite werden nicht gebildet. Vorbestehende Lebererkrankung oder wiederholte Zufuhr sind keine Kontraindikationen für den Einsatz von Isofluran.
Klinische Anwendung
Isofluran ist das älteste der 3 gebräuchlichen volatilen Anästhetika. Die Steuerbarkeit der Isoflurananästhesie ist schlechter als die von Sevofluran und von Desfluran, auch dauert das Erwachen länger.
Einleitung der Narkose
Wie bei den anderen volatilen Anästhetika wird die Narkose standardmäßig i.v. eingeleitet. Um rasch eine Aufsättigung zu erreichen, werden anfangs folgende inspiratorische Konzentrationen zugeführt:
3–4% Isofluran bei Zufuhr in Raumluft oder Sauerstoff,
1,5–3,5% bei gleichzeitiger Zufuhr von Lachgas.
Die Einleitung per Inhalation (ohne i.v.-Kurznarkotikum) wird zumeist durch respiratorische Effekte, wie Atemanhalten oder Husten, behindert und daher nicht empfohlen.
Aufrechterhaltung der Narkose
Der Dosisbedarf ist sehr variabel und liegt bei 0,68–1,37 Vol.-%. Die Steuerung der Narkose erfolgt wiederum überwiegend anhand kardiovaskulärer Reaktionen. Allerdings kann bei einigen Patienten der Blutdruck frühzeitig abfallen, ohne dass eine ausreichende Narkosetiefe vorliegt. Stimuli, wie endotracheale Intubation oder Hautschnitt, können dann zu erheblichen Blutdruckanstiegen führen.
Ausleitung der Narkose
Die Zufuhr sollte kurz vor Operationsende – unter fortgesetzter Lachgasgabe – unterbrochen werden. Die Patienten erwachen, auch bei längeren Narkosen, im Durchschnitt nach etwa 10 min, manchmal auch erheblich später.
Desfluran
Dieses Inhalationsanästhetikum (Präparat Suprane) weist mit 0,42 den niedrigsten Blut-Gas-Verteilungskoeffizienten aller volatilen Anästhetika auf. Wegen der sehr geringen Löslichkeit im Blut verlaufen Narkoseeinleitung, Vertiefen und Abflachen der Narkose und das Erwachen rascher als bei den anderen Substanzen. Hieraus ergibt sich insgesamt eine bessere Steuerbarkeit der Narkose. Weiterhin wird Desfluran im Körper kaum metabolisiert und wirkt auch nicht gewebeschädigend.
Physikochemische Eigenschaften
Eigenschaften von Desfluran
Siedepunkt: 22,8°C
Blut-Gas-Verteilungskoeffizient: 0,42
MAC50-Werte (45 Jahre): 6,0 in 100% O2; 2,83 in 50–60% N2O (Bereich ca. 5–1 Vol.-%)
MACawake 2,04 Vol.-%
Metabolisierungsrate 0,02%
Desfluran ist eine klare, farblose, nicht brennbare Flüssigkeit, die in frischem Atemkalk (Wassergehalt 15%) auch bei höheren Temperaturen (40–60°C) stabil ist.
Kardiovaskuläre Wirkungen
Die Herz-Kreislauf-Wirkungen von Desfluran entsprechen im Wesentlichen denen von Isofluran:
dosisabhängiger Abfall des arteriellen Blutdrucks, v. a. durch Vasodilatation bzw. Abnahme des peripheren Gefäßwiderstands,
Zunahme der Herzfrequenz bei höheren Konzentrationen,
negativ inotrope Wirkung, jedoch beim Gesunden kein wesentlicher Abfall des Herzzeitvolumens,
bei einigen Patienten: konzentrationsabhängig Hypertonie und Tachykardie in der Einleitungsphase, auch ohne Stimulation (zentral stimulierender Effekt). Die Hypertonie und Tachykardie treten besonders in der Einleitungsphase auf, wenn die inspiratorische Konzentration zu rasch auf mehr als 6 Vol.-% gesteigert wird. Sie kann durch Vorinjektion eine Opioids, z. B. Fentanyl, in der Regel verhindert werden.
Respiratorische Wirkungen
Niedrige Konzentrationen von Desfluran reizen die Atemwege nicht. Bei Konzentrationen ab etwa 6 Vol.-% können jedoch, wie zuvor beschrieben, Husten, Atemanhalten, Laryngospasmus und gesteigerte Sekretproduktion auftreten. Ohne chirurgische Stimulation bewirkt Desfluran eine zentrale Atemdepression mit Abnahme des Atemzugvolumens, Rechtsverschiebung der CO2-Antwortkurve und Anstieg des arteriellen pCO2. Unter erhaltener Spontanatmung nimmt die alveoläre Ventilation ab. Da gleichzeitig die Atemfrequenz zunimmt, wird das Atemminutenvolumen jedoch aufrechterhalten.
Neuromuskuläre Wirkungen
Desfluran wirkt dosisabhängig muskelrelaxierend. Bei entsprechender Narkosetiefe kann ein endotrachealer Tubus ohne Einsatz von Muskelrelaxanzien eingeführt werden.
Wirkungen auf das zentrale Nervensystem
Die zerebralen Effekte von Desfluran entsprechen im Wesentlichen denen von Isofluran. Das EEG wird dosisabhängig gedämpft, bei 1,7 MAC tritt eine Nulllinie auf. Der zerebrale Gefäßwiderstand nimmt wahrscheinlich ab, die Hirndurchblutung und der intrakranielle Druck nehmen zu.
Leber und Niere
Desfluran ist das Inhalationsanästhetikum mit der geringsten Stoffwechselrate in der Leber. Die Substanz wird im Wesentlichen unverändert über die Lunge ausgeatmet.
Leberschäden treten durch Desfluran nicht auf, auch keine Funktionsstörungen. Dies gilt auch für Patienten mit Lebererkrankungen. Diese günstige Wirkung wird auf die sehr geringe Verstoffwechslung und den fehlenden Einfluss auf die Durchblutung der Leber zurückgeführt.
Die Niere und ihre Funktion werden durch Desfluran ebenfalls nicht beeinträchtigt, die Nierendurchblutung bleibt unverändert.
Verdampfung und Zufuhr
Für Desfluran sind wegen des niedrigen Siedepunktesspezielle Verdampfer (Abschn. 9.1) erforderlich, in denen die Flüssigkeit in den gasförmigen Zustand überführt wird. Nach Umwandlung in den gasförmigen Zustand kann Desfluran mit den derzeit gebräuchlichen Narkosegeräten dem Patienten zugeführt werden.
Klinische Anwendung
Desfluran ist das schwächste der 3 gebräuchlichen volatilen Anästhetika. Durch die geringere Wirkstärke ist der Desfluranverbrauch wesentlich höher als bei den anderen volatilen Anästhetika (Kostenfaktor!). Daher sollte die Substanz nur für Low- oder Minimal-flow-Narkosen angewandt werden.
Narkoseeinleitung
Konzentrationen von 6–7 Vol.-% Desfluran bewirken Atemanhalten, Laryngospasmus und gesteigerte Speichelsekretion. Daher gilt:
Desfluran ist für die Narkoseeinleitung per Inhalation nicht geeignet.
Aufrechterhaltung der Narkose
Die kardiovaskulären und muskelrelaxierenden Wirkungen von Desfluran entsprechen im Wesentlichen denen anderer Inhalationsanästhetika. Die Steuerbarkeit ist jedoch besser, sodass die Narkose rascher der wechselnden Intensität chirurgischer Reize angepasst werden kann.
Ausleitung der Narkose
Die Narkoseausleitung verläuft mit Desfluran etwa 2-mal schneller als mit Isofluran und bei Versuchspersonen auch deutlich rascher als mit Sevofluran. Eine längere Zufuhr von Desfluran verzögert die Zeit bis zum Erwachen nicht wesentlich. Die Substanz kann daher praktisch bis zur letzten Hautnaht zugeführt werden.
Sevofluran
Wie Desfluran weist auch dieses volatile Anästhetikum eine geringere Blutlöslichkeit auf als andere Inhalationsanästhetika, sodass sich insgesamt eine bessere Steuerbarkeit der Narkose und ein rascheres Erwachen ergeben. Allerdings ist die Wirkstärke wegen der schlechteren Blutlöslichkeit niedriger als die von Isofluran.
Physikochemische Eigenschaften
Sevofluran ist eine farblose, nichtbrennbare Flüssigkeit von mildem ätherartigem Geruch und einer niedrigen Löslichkeit in Fett und im Blut. Der Blut-Gas-Verteilungskoeffizient ist, mit Ausnahme von Desfluran, niedriger als bei den anderen Inhalationsanästhetika.
Eigenschaften von Sevofluran
Siedepunkt 58,5°C
Blut-Gas-Verteilungskoeffizient: 0,68
MAC50-Werte: 1,71 Vol.-% in O2, 0,66 Vol.-% in 70% N2O
MACawake 0,7 Vol.-%
Metabolisierungsrate 3–5%
Stabilisatorzusatz: keiner
Signifikante Fluoridfreisetzung: ja
Interaktion mit Absorberkalk: ja
Metabolismus
Der wesentliche Unterschied zwischen Sevofluran und anderen volatilen Anästhetika, mit Ausnahme von Desfluran, besteht in den pharmakokinetischen Eigenschaften und der Freisetzung von anorganischem Fluorid.
Sevofluran erfüllt nicht das von einem Inhalationsanästhetikum geforderte Kriterium der geringen Verstoffwechselung. Die Metabolisierungsrate liegt mit 3–5% deutlich höher als die von Isofluran und Desfluran, sodass Sevofluran in dieser Hinsicht keinen Fortschritt bedeutet. Allerdings entscheidet nicht die Metabolisierungsrate über die Toxizität eines Inhalationsanästhetikums, sondern die Art der entstehenden Metabolite (Stoffwechselprodukte) und deren potenziell schädigende Wirkung auf den Organismus.
Bildung von Compound A im Atemkalk
Sevofluran ist, im Gegensatz zu Desfluran, im Atemkalk nicht stabil und reagiert mit dem Kalk unter Bildung verschiedener Abbauprodukte. Ein möglicherweise klinisch wichtiges Abbauprodukt ist Compound A, ein Vinyläther mit nephrotoxischen Eigenschaften. Mit Natronkalk ist die Compound-A-Bildung geringer als mit Bariumkalk.
Kardiovaskuläre Wirkungen
Die allgemeinen hämodynamischen Wirkungen von Sevofluran ähneln, mit geringen Abweichungen, denen von Isofluran und Desfluran:
geringe Veränderungen der Herzfrequenz,
keine klinisch relevante arhythmogene Wirkung, keine Sensibilisierung des Myokards gegenüber Katecholaminen,
Vasodilatation mit Abnahme des peripheren Widerstands,
dosisabhängiger Blutdruckabfall,
Abnahme des pulmonalarteriellen Drucks,
negativ inotrope Wirkung.
Die Stabilität der Herzfrequenz unter Sevofluran ist besonders bei Koronarkranken ein erwünschter Effekt.
Blutdruck und Herzfrequenz in der Einleitungsphase
Im Gegensatz zu Desfluran bewirkt Sevofluran in der Einleitungsphase der Narkose keine sympathoadrenerge Reaktion mit Hypertonie und Tachykardie, wenn die inspiratorischen Konzentrationen rasch über 1 MAC hinaus gesteigert werden. Stattdessen führen ansteigende Sevoflurankonzentrationen regelmäßig zum Blutdruckabfall.
Respiratorische Wirkungen
Die respiratorischen Wirkungen von Sevofluran entsprechen im Wesentlichen denen von Desfluran und Isofluran. Sevofluran wirkt atemdepressiv, bei MAC-Werten von 1,5–2 Vol.-% tritt eine Apnoe auf. Die Steigerung des Atemantriebs bei zunehmenden CO2-Konzentrationen wird dosisabhängig vermindert, ebenso die Atemsteigerung auf Hypoxämie. Wie die anderen Inhalationsanästhetika relaxiert auch Sevofluran die durch Acetylcholin oder Histamin kontrahierte Bronchialmuskulatur. Im Gegensatz zu Desfluran werden die oberen Atemwege durch Sevofluran nicht stimuliert. Daher gilt:
Sevofluran ist für die Narkoseeinleitung per Inhalation bei Kindern sehr gut geeignet.
Neuromuskuläre Wirkungen
Wie die anderen gebräuchlichen volatilen Anästhetika relaxiert auch Sevofluran die Skelettmuskeln. Die Wirkung von nichtdepolarisierenden Muskelrelaxanzien wird verstärkt und verlängert.
Zentrales Nervensystem
Die zentralen Effekte von Sevofluran entsprechen im Wesentlichen denen von Desfluran und Isofluran. Sevofluran senkt den zerebralen O2-Verbrauch und dilatiert die Hirngefäße. Bei normaler intrakranieller Compliance bleibt der intrakranielle Druck unter Sevofluran unverändert, jedoch muss bei Patienten mit eingeschränkter Compliance oder erhöhtem Hirndruck mit einem weiteren Anstieg gerechnet werden.
Leber
Die Gesamtdurchblutung der Leber und der Fluss in der V. portae bleiben bis zu einer Dosierung von 1 MAC unverändert. Bei 1,5 MAC nimmt hingegen die Gesamtdurchblutung der Leber um 26% ab, der Pfortaderfluss um 31%. Die Leberfunktion wird aber durch Sevofluran nicht wesentlich beeinflusst.
Nierenfunktion
Die Nierenfunktion wird durch Sevofluran bei der klinischen Anwendung nicht beeinträchtigt.
Klinische Anwendung
Sevofluran flutet rasch an und ab, die Wirkung ist dadurch gut steuerbar. Die Einleitung und Führung der Narkose unterscheiden sich nicht wesentlich von der anderer volatiler Anästhetika; das Erwachen erfolgt ähnlich rasch wie mit Desfluran Das Verhalten von Blutdruck und Herzfrequenz scheint mit Sevofluran stabiler zu sein als mit Isofluran und Desfluran.
Narkoseeinleitung per Inhalation
Während Desfluran die Atemwege stimuliert und daher nicht für die Narkoseeinleitung per Inhalation geeignet ist, fehlen solche Effekte bei Sevofluran, sodass v. a. Kinder relativ rasch über eine Atemmaske eingeleitet werden können, besonders wenn am Verdampfer die Höchstkonzentration von 8 Vol.-% eingestellt wird (Einzelheiten: 10.1007/978-3-662-50444-4_19). Möglich ist jedoch auch die sog. Ein-Atemzug-Einleitung („single breath induction“) beim Erwachsenen, bei der nach vollständiger Füllung des Narkosesystems der Patient zunächst einmal tief ein- und maximal ausatmet, danach über eine fest aufgesetzte Gesichtsmaske das Narkosegasgemisch einmal tief einatmet und dann die Luft zunächst anhält. Bleibt die Atmung erhalten, sollte die inspiratorische Sevoflurankonzentration schrittweise reduziert werden. Meist tritt innerhalb von 40–60 s nach dem initialen Atemzug der Schlaf ein.
Ausleitung und Aufwachverhalten
Aufgrund der pharmakokinetischen Eigenschaften erwachen die Patienten nach einer Sevoflurananästhesie in der Regel früher als nach Isoflurananästhesie. Die Unterschiede liegen allerdings lediglich im Bereich einiger Minuten.
Unruhezustände in der Aufwachphase
Vor allem bei Kindern werden in der Aufwachphase vermehrt Unruhezustände nach Sevoflurananästhesie beobachtet (Einzelheiten: 10.1007/978-3-662-50444-4_19), möglicherweise bedingt durch das rasche Erwachen und damit frühzeitiger Schmerzwahrnehmung.
Lachgas (Stickoxydul , N2O)
Lachgas allein führt nicht zur chirurgischen Anästhesie, daher wird die Substanz nur zur Ergänzung anderer Anästhetika sowie von Opioiden eingesetzt. Die Wirkstärke ist sehr gering.
Physikochemische Eigenschaften
Lachgas ist farb-, geruch- und geschmacklos. Es wird für den klinischen Gebrauch als Flüssigkeit in Stahlzylindern (Kennfarbe: Grau) unter einem Druck von 51 atm geliefert. Beim Öffnen des Zylinders am Reduzierventil wird ein Teil des Lachgases wieder gasförmig. Der Druck von 51 atm im Zylinder bleibt hierbei solange konstant, wie sich noch flüssiges Gas im Zylinder befindet. Darum muss beim Einsatz Folgendes beachtet werden:
Lachgas ist nur sehr gering im Blut löslich und verbindet sich nicht mit Blutbestandteilen. Das Gas wird ausschließlich physikalisch gelöst im Plasma transportiert.
Eigenschaften von Lachgas
Blut-Gas-Verteilungskoeffizient 0,47
Fett-Gas-Verteilungskoeffizient 1,4
MAC-Wert: 105 (für 1 MAC wären hyperbare Bedingungen erforderlich)
Anästhesie
Lachgas ist nur ein schwaches Anästhetikum: selbst mit Konzentrationen von 80% könnte nur das Planum 1 des chirurgischen Toleranzstadiums nach Guedel erreicht werden. Bei dieser Konzentration besteht jedoch schon die Gefahr einer Hypoxie. Darum gilt allgemein: Die maximale inspiratorische Konzentration von Lachgas sollte 70% nicht überschreiten!
Klinisch werden meist Konzentrationen zwischen 50 und 70% eingesetzt, mit denen aber in der Regel keine chirurgische Anästhesie erreicht werden kann. Durch Zufuhr von Lachgas-Sauerstoff allein kann somit keine Narkose eingeleitet werden!
Wegen der geringen Blutlöslichkeit von Lachgas stellt sich sehr rasch ein Gleichgewicht der Partialdrücke in Alveolen, Blut und Gehirn ein.
Die Kombination von Lachgas mit volatilen Anästhetika setzt deren MAC herab, sodass diese Substanzen in geringeren Konzentrationen und mit entsprechend weniger unerwünschten Nebenwirkungen zugeführt werden können.
Daneben wird Lachgas bei der balancierten Anästhesie in Kombination mit Opioiden und Muskelrelaxanzien eingesetzt.
Kardiovaskuläre und respiratorische Wirkungen
Beim Herzgesunden sind die Herz-Kreislauf-Wirkungen von Lachgas sehr gering und klinisch oft nicht nachweisbar. Beim Herzkranken kann jedoch die negativ-inotrope Wirkung von Lachgas stärker hervortreten und zum Abfall von Herzzeitvolumen und Blutdruck führen.
Die Wirkung auf die Atmung ist ebenfalls gering, jedoch wird die atemdepressorische Wirkung volatiler Anästhetika verstärkt.
Diffusion in gasgefüllte Körperhöhlen
Lachgas kann in luftgefüllte Hohlräume des Körpers eindringen und diese Räume beträchtlich erweitern. Dies gilt z. B. für:
luftgefüllte Darmschlingen,
luftgefüllte Manschette des Endotrachealtubus,
Pneumothorax,
Pneumoperitoneum,
Pneumozephalus.
Je höher die alveoläre Lachgaskonzentration, desto stärker die Diffusion in die luftgefüllten Körperhöhlen. Besonders gefährlich ist die Lachgaszufuhr beim Pneumothorax: innerhalb von 10 min kann sich die Luftansammlung im Pleuraspalt verdoppeln, sodass lebensbedrohliche Störungen der Atem- und Herz-Kreislauf-Funktion hervorgerufen werden; darum gilt:
Keine Zufuhr von Lachgas bei Pneumothorax!
Auch bei einer Luftembolie (z. B. bei neurochirurgischen Operationen) muss die Lachgaszufuhr sofort unterbrochen werden.
Die Diffusion von Lachgas in Tubusmanschetten kann zur lebensbedrohlichen Ballonhernie führen. Sie lässt sich durch Füllen des Ballons mit Lachgas verhindern.
Diffusionshypoxie
Wird die Lachgaszufuhr unterbrochen, diffundiert das Gas innerhalb der ersten Minuten aus dem Blut in großer Menge in die Alveolen und verdünnt den alveolären Sauerstoff. Erhält der Patient während dieser Zeitspanne nur Raumluft, kann eine Hypoxie, die sog. Lachgasdiffusionshypoxie, auftreten. Diese Gefahr besteht nur innerhalb der ersten 5–10 min, weil danach zunehmend geringere Mengen Lachgas ausgeschieden werden. Gefährdet sind v. a. Herzkranke und Patienten mit Erkrankungen der Atmungsorgane. Im praktischen Einsatz gilt Folgendes:
Um die Lachgasdiffusionshypoxie zu verhindern, wird dem Patienten bei der Narkoseausleitung in den ersten Minuten nach Unterbrechung der Lachgaszufuhr reiner Sauerstoff zugeführt.
Bewertung von Lachgas
Lachgas ist nur schwach wirksam; führt signifikant häufiger zu PONV (10.1007/978-3-662-50444-4_3) und schädigt zudem die Atmosphäre. Da genügend alternative Substanzen mit großer Sicherheitsbreite zur Verfügung stehen, gibt es keinen überzeugenden Grund mehr, Lachgas noch weiter für Narkosen einzusetzen.
Auswahl des Inhalationsanästhetikums
Die gebräuchlichen Inhalationsanästhetika sind keine idealen Narkosemittel: Alle weisen Vor- und Nachteile auf, die beim Einsatz berücksichtigt werden müssen (Tab. 9.2).
Substanz | Vorteile | Nachteile |
---|---|---|
Isofluran |
– nur geringer HZV-Abfall – verminderter Hirnstoffwechsel – geringe Biotransformation – gute Muskelrelaxierung – relativ kostengünstig |
– unangenehmer Geruch – starker Vasodilatator – Blutdruckabfall |
Desfluran |
– rasche Aufnahme und Elimination – stabiles Molekül – geringste Biotransformation |
– niedriger Siedepunkt – spezieller Verdampfer – Irritation der Atemwege – sympathoadrenerge Stimulation möglich – teuer |
Sevofluran |
– rasche Aufnahme und Elimination – kein stechender Geruch |
– Biotransformation erhöht Serumfluoridkonzentration – reagiert mit Atemkalk – teuer |
Desfluran und Sevofluran haben beide einen erwünscht niedrigen Blut-Gas- und Blut-Gewebe-Verteilungskoeffizienten und werden daher rasch aufgenommen und eliminiert, sind somit besser steuerbar als Isofluran; auch wachen die Patienten rascher auf als nach Isofluran. Jedoch weisen beide Substanzen auch Nachteile (s. o.) auf, die eine Klassifizierung als „ideal“ oder zumindest als „nahezu ideal“ nicht rechtfertigen.
Praktisches Vorgehen bei Inhalationsnarkosen
Die Inhalationsanästhesie wird aus praktischen Gründen in drei Phasen unterteilt:
Einleitungsphase,
Unterhaltungsphase,
Ausleitungsphase.
Einleitung der Narkose
Um die relativ lange Einleitungsphase der Inhalationsanästhetika abzukürzen, wird die Inhalationsnarkose standardmäßig mit einem der gebräuchlichen Hypnotika i.v. eingeleitet. Zusätzlich wird häufig ein Opioid vorinjiziert, da hierdurch kardiovaskuläre Reaktionen bei der endotrachealen Intubation abgeschwächt oder abgeblockt werden. Bei kleinen Kindern ist auch die Einleitung per Inhalation möglich (10.1007/978-3-662-50444-4_19).
Nach der i.v.-Einleitung kann die Inhalationsnarkose als Maskennarkose mit erhaltener Spontanatmung oder als Intubationsnarkose (Tubus oder Larynxmaske) mit oder ohne Muskelrelaxanzien fortgesetzt werden. Während der Intubationsnarkose wird der Patient zumeist kontrolliert beatmet. Bei zahlreichen Eingriffen (Dauer <30 min) kann der Patient jedoch auch über den Tubus oder die Larynxmaske spontan atmen, wenn keine Muskelrelaxanzien eingesetzt werden.
Aufrechterhaltung der Narkose
Ist die Narkoseeinleitung abgeschlossen, muss die inspiratorische Narkosegaskonzentration meist erniedrigt werden, weil die alveoläre Konzentration im weiteren Verlauf sonst immer stärker ansteigen und entsprechend auch die Nebenwirkungen (v. a. die kardiovaskulären) zunehmen würden.
Praktisches Vorgehen bei der Aufrechterhaltung der Narkose
Ist die Narkose ausreichend tief, sollte mit der Operation begonnen werden. Tiefe Narkose ohne chirurgische Stimulation führt zu Blutdruckabfall und (beim spontan atmenden Patienten) zur Atemdepression.
Oft muss zu Beginn des Hautschnitts bzw. der chirurgischen Stimulation zunächst die inspiratorische Narkosegaskonzentration erhöht werden, um kardiovaskuläre Reaktionen (Blutdruckanstieg und/oder Tachykardie) zu verhindern bzw. zu beseitigen.
Die Narkose wird so flach wie möglich bzw. so tief wie nötig gehalten, d. h. so geführt, dass keine unerwünschte Stimulation des Herz-Kreislauf-Systems (Blutdruckanstieg, Tachykardie) auftritt oder der Patient erwacht. Durch Kombination mit einem Opioid, Ketamin und/oder Lachgas können die volatilen Anästhetika niedriger dosiert werden.
Erfordert die Operation eine gute Muskelerschlaffung, werden in der Regel nichtdepolarisierende Muskelrelaxanzien eingesetzt.
Die Konzentration des volatilen Anästhetikums muss immer dem wechselnden Bedarf des jeweiligen Eingriffs/Stimulus angepasst werden
Ausleitung der Narkose
Wann soll die Zufuhr des Inhalationsanästhetikums unterbrochen werden, damit der Patient mit dem Operationsende erwacht und extubiert werden kann? Dies hängt v. a. von der Dauer der Narkose (Ausnahme: Desfluran), dem verwendeten Anästhetikum und der Berufserfahrung des Anästhesisten ab. Nach langen Isoflurannarkosen ist das Erwachen verzögert, sodass die Zufuhr des Inhalationsanästhetikums früher unterbrochen werden muss als bei kurzdauernden Narkosen. Lachgas wird zumeist bis zur letzten Hautnaht zugeführt.
Praktisches Vorgehen bei der Ausleitung der Narkose
Soll der Patient am Ende des Eingriffs wach sein und extubiert werden, kann nach langen Narkosen die Zufuhr von Isofluran etwa 10–20 min vor OP-Ende unterbrochen werden (hierbei handelt es sich lediglich um Anhaltswerte ohne Gewähr!). Desfluran und Sevofluran können dagegen bis kurz vor OP-Ende zugeführt werden.
Ein zu frühes Erwachen, d. h. vor Beendigung der Hautnähte oder dem Anlegen schmerzhafter Verbände, muss jedoch vermieden werden.
- Bei der Ausleitung einer (reinen) Inhalationsnarkose tritt nicht selten wieder ein Exzitationsstadium auf, das mit folgenden Gefahren verbunden ist:
- Laryngospasmus (beim bereits extubierten Patienten),
- Bronchospasmus,
- Husten, Würgen und Erbrechen mit Belastung der chirurgischen Nähte (besonders unerwünscht bei abdominellen und ophthalmochirurgischen Eingriffen).
Während der Exzitationsphase muss jede Stimulation (z. B. Einführen eines Guedel-Tubus) vermieden werden!
Die Extubation erfolgt – bei ausreichender Spontanatmung – in der Regel am wachen Patienten, keinesfalls im Exzitationsstadium.
Bei der Extubation in tiefer Narkose, besteht die Gefahr einer Verlegung der Atemwege und ein erhöhtes Aspirationsrisiko.
In Abhängigkeit von der Narkosedauer ist mit einem Nachschlaf unterschiedlicher Länge zu rechnen, aus dem der Patient jedoch erweckbar sein sollte.
- Während und nach der Narkoseausleitung tritt bei allen Inhalationsanästhetika häufig ein Muskelzittern („shivering“) auf.
- Ursache: Auskühlung des Patienten sowie tonisch-klonische Bewegungen durch Enthemmung von Rückenmarkreflexen beim Abklingen der Narkose.
- Therapie: Wärmeschutz evtl. Sedierung, z. B. mit Pethidin (Dolantin) oder Clonidin (Catapresan).
Contributor Information
Collaborators: Tobias Fink and Tilmann Müller-Wolff
Nachschlagen und Weiterlesen
- [1].Baum J (2001) Low-Flow-Anästhesie. Pabst Science, Lengerich (CD-ROM)
- [2].Loscar M, Conzen P (2004) Volatile Anästhetika. Anästhesist 53: 183–197. (Im Internet unter: www.springerlink.com/content/fx85g9g40k369vax/fulltext.pdf) [DOI] [PubMed]
- [3].Eger EI, Eisenkraft JB, Weiskopf B (2003) Die Pharmakologie der Inhalationsanästhetika (zu beziehen über Baxter Deutschland GmbH (Hrsg), Am Weichselgarten 30a, 91058 Erlangen)
Internet
- [4].Ärztekammer Baden-Württemberg. Einsatz von schwangeren Mitarbeiterinnen im OP-Bereich unter besonderer Berücksichtigung der Exposition gegenüber Narkosegasen. www.aerztekammer-bw.de/25/10praxis/85arbeitsmedizin/0409.pdf