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. 2020 Oct 9:187–258. [Article in German] doi: 10.1016/B978-3-437-22722-6.00006-8

Infektionen

Friedrich Reichert, Stephan Illing
Editors: Martin Claßen1, Olaf Sommerburg2
PMCID: PMC7545269

6.1. Allgemeine Symptome

6.1.1. Fieber

  • FieberFieber = Erhöhung der Körpertemperatur über 38 °C rektal, 37,7 °C axillar/im Ohr

  • Subfebrile TemperaturTemperatur, subfebrile = erhöhte Temperatur bis 38 °C/37,7 °C

Fieber ist ein häufiges Symptom (▶  Tab. 6.1 ). In den meisten Fällen lässt sich die Ursache schnell abklären. Vor allem bei KK verlaufen viele Virusinfekte symptomarm u. bessern sich unter spontaner Entfieberung nach 3–5 d. Eine weitere Abklärung ist bei solchem Spontanverlauf ohne weitere Sympt. u. bei gutem AZ nicht nötig, allerdings klin. Kontrollen! Hohes Fieber unklarer Ursache sowie Fieber bei Sgl. < 6 Mon. immer abklären.

Tab. 6.1.

Differenzialdiagnosen FieberFieberDifferenzialdiagnosen

Fieberursachen* Bemerkungen
Häufig bzw. dringend
Sepsis (▶ 6.4.1) Meist Sgl. o. Immundefekt/-suppression, bei NG (▶ 4.4.2), Antibiose innerhalb 1 h nach Vorstellung!
Meningitis (▶ 6.4.2) Bei bakt. Meningitis: Antibiose innerhalb 1 h!
Enzephalitis (▶ 6.4.3) Viele Ursachen, sofortige Abklärung
Harnwegsinfekt (▶ 8.9) Öfter bei Mädchen, in jedem Alter
Oberer Atemwegsinfekt Häufigste Fieberursache bei Kindern
Sinusitis Kaum vor 5. Lj., oft wenig Lokalsymptome
Bronchitis ▶ 14.3.3
Pneumonien Häufigste Ursache bei Fieber ohne Fokus.
Otitis media Antibiose verhindert keine Komplikationen (Mastoiditis) ▶ 21.4
Hepatitis Weitere Abklärung (▶ 13.6, ▶ 6.6.8), kann auch anikterisch verlaufen!
Enteritis (▶ 13.4.5) Fieber je nach Erreger, bei manchen folgt der Durchfall mit Abstand (z. B. Salmonellen, Typhus)
Exanthema subitum (▶ 6.6.4) Oft sehr hohes Fieber, meist bis 2. Lj., flüchtiges Exanthem oft übersehen (tritt nach Entfieberung auf)
EBV-Infektion (▶ 6.6.14) Oft Tonsillitis als Leitsymptom, Altersgipfel < 3 J. u. > 12 J.
Daran denken
Rheumatische bzw. Autoimmunerkr., M. Still Nur z. T. mit Gelenksympt., oft nur ein Gelenk betroffen, je nach Erkr. sehr unterschiedliche klin. Sympt. (▶ 16)
Tuberkulose (▶ 6.5.27) Anamnese! (Flüchtlingsunterkunft, Besuch von Verwandten) Immer Testung, wg. relativer Seltenheit oft übersehen, selten hohes Fieber
Osteomyelitis (▶ 6.4.4) V. a. bei Sgl., zu Beginn wenig Lokalsympt., bei älteren Kindern auch an CRMO denken
Kawasaki-Sy. (▶ 16.7) u. a. Vaskulitiden V. a. bis 3. Lj., oft zu später Ther.-Beginn, dadurch unnötige KO, Virusnachweis schließt Kawasaki nicht aus (z. B. Adenoviren)!
Leukämie/Malignome Fieber nicht selten als erstes Symptom! Auch bei Lymphomen u. a. Tu (▶ 18.5)
Mykoplasmeninf. (▶ 6.5.16, ▶ 14.3.4) Auch ohne Pneumonie, meist hohe BSG, niedriges CRP, hohes Fieber, Hautsymptome, protrahierter Verlauf
Borreliose (▶ 6.5.2) Fazialis- u. a. Paresen, Neuroborr. oft mit unspez. Sympt.
Zytomegalie V. a. bei Sgl. (▶ 6.6.2)
Toxoplasmose 6.8.1
Salmonellose 6.5.21
Chlamydien Bes. bei FG u. NG (▶ 6.5.5)
Schädel-Hirn-Trauma Temperaturinstabilität als Mittelhirnzeichen bei schwerem SHT (▶ 12.6), beim NG an Blutung denken!
Drug Fever Wenn gar nichts hilft, alle Medikamente absetzen; meist durch Antibiotika o. Antikonvulsiva
Intoxikation Anticholinergika, Atropin (Überdosierung von niedrigpotenten Belladona-Globuli beschrieben), Kokain
Artefakt Bei SK unter Aufsicht nachmessen!
Physikalisch Bsp.: Sgl. im Sommer im Auto, Freibadbesuch
Impfreaktion Anamnese (▶ 6.12.4)!
Dehydratation Unregelmäßiges Begleitsymptom
Selten
Endokarditis Meist bei Pat. mit Vitien (▶ 7.8.1)
M. Crohn Oft vor den Bauchsympt. lange Episoden mit leichtem Fieber (▶ 13.4.7)
Malaria (▶ 6.8.4) Kommt auch in der Türkei vor! Erkr. oft erst Mon. nach Rückkehr
Hirntumoren, Hirndruck Meist andere Sympt. im Vordergrund, selten alleiniges Frühsymptom
Lupus erythematodes, Dermatomyositis, Sharp-Sy. u. a. ▶ 16.5, ▶ 16.6, bei Kindern selten, aber oft spät diagnostiziert
Weitere Infektionskrankheiten Bsp.: Brucellose ▶ 6.5.3, Amöben, Rickettsien, Leishmaniasen, Tularämie (zunehmend) ▶ 6.5.26, Bartonellose ▶ 6.5.1, Leptospirose ▶ 6.5.12
Selten
Mykosen Systemisch nur bei Immundefekten/-suppression, Pat. mit parenteraler Ernährung über zentrale Katheter etc.
Familiäres Mittelmeerfieber bzw. periodische Fiebersy. (▶ 16.9)

Fieberursachen, die ohne Schwierigkeiten zuzuordnen sind, z.B. typ. Virus-(„Kinder-“)Krankheiten u. eindeutige (lokale) bakt. Krankheitsursachen, sind nicht erwähnt. Ebenso die Vielzahl von sehr seltenen Fieberursachen.

Unklares Fieber (ohne Fokus) ist zu 95 % durch einen Infekt ausgelöst.

Vorgehen (v. a. bei unklarer Fieberursache)

Image 1

Nachmessen! Nicht alle häuslichen Messungen stimmen, Kind ausziehen, um Effekt durch zu warme Kleidung auszuschalten.

Bei weiter bestehendem Fieber häufige klin. Kontrolle.

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Diagnostik

Körperl. Unters.: Auskultation Herz/Lunge; Abdomen; LK-Status, Milz, Gelenke, Racheninspektion, Trommelfell, ganzes Integument.

Anamnestisch eingrenzen:

  • Fieber: Wie hoch? Wie lange? Anfangssymptome, Begleiterscheinungen (Schwitzen, Schüttelfrost etc.)?

  • Schmerzen (diffus, Kopf, Gelenke, Muskeln etc.) o. sonstige subjektive Empfindungen (Übelkeit, Bauchschmerzen, Appetitlosigkeit, Schonhaltung, Entwicklungsknick etc.)

  • Kontakt mit kranken Kindern, Ansteckungsmöglichkeiten

  • Vorerkr., OP (z. B. Vitien)

  • Tierkontakte, Urlaub auf dem Bauernhof (Kryptosporidien), Zeckenstich

  • Medikamente (auch rezeptfreie!)

  • Auslandsaufenthalte (Tropenkrankheiten, Malaria auch in der Türkei!)

  • Auffällige Verhaltensweisen

Labordiagn.:

  • BB inkl. Diff.-BB (bei maschineller Bestimmung mikroskopisch nachuntersuchen!)

  • CRP, BSG, bei V. a. invasive/schwere Infektion: Procalcitonin o. IL6/IL8 (Neo)

  • Bei hohem Fieber (> 39 °C) o. Sepsiszeichen o. schlechtem AZ Blutkulturen, Laktat

  • Restserum für serolog. Unters. zurückstellen

  • E'lyte, Harnstoff, Krea, Blutgase, bei Exsikkose bzw. wenn Infusion nötig

  • Urinstatus (bei Pyelonephritisverdacht: U-Kult – Clean-Catch, Katheter o. Punktion, keine Kultur aus Beutel!)

Weitere Diagn.:

  • Evtl. Sono der Bauchorgane: Hepatosplenomegalie? Strukturveränderungen? Abdom. Lymphadenopathie? Auffälligkeiten an den Harnwegen?

  • Evtl. Rö-Thorax: Pneumonie? Lymphome? Herzgröße?

  • Alle weiteren Unters. (z. B. LP) gezielt bzw. nach Hinweisen!

  • Tuberkulintest/IGRA (▶ 6.5.27)

Therapie

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  • Antipyretika ▶ 27.1/Analgetika ▶ 27.2

  • Bei scheinbar gesunden u. trotzdem hoch fiebernden (Schul-)Kindern mehrfache Messung unter Aufsicht, um Manipulation auszuschließen!

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6.1.2. Lymphknotenschwellungen

Anamnese  Dauer, Lokalisation, BLymphknotenschwellungegleitsymptome (Fieber, Gewichtsverlust, Schlappheit, Konjunktivits, Pharyngitis, Rhinitis, Zahnprobleme, Exantheme, Traumata), Kontakt zu A-Streptokokken, TB (▶ 6.5.27). Kontakt zu nicht pasteurisierter Milch (Brucellose ▶ 6.5.3, Mycobacterium bovis6.5.17), rohem Fleisch (Toxoplasmose ▶ 6.8.1); Tierkontakte (Katzen: Toxoplasmose, Bartonellen ▶ 6.5.1, Ziegen: Brucellose ▶ 6.5.3, Hasen: Tularämie), Zecken- o. Flohbisse (Tularämie ▶ 6.5.26), Medikation (Phenytoin, Carbamazepin), Auslandsaufenthalt.

Differenzialdiagnosen

Infektiöse Ursachen: ▶  Tab.6.2 , zudem bakt. Infektionen im Einzugsgebiet o. d. LK selbst (Abszess), auch sehr kleine Läsionen

Tab. 6.2.

Infektiöse Ursache zervikaler LymphadenitisLymphadenitis bei Kindern. Akut: < 3 Wo., chronisch: > 3 Wo.

Präsentation Häufig Selten
Akut unilateral S. aureus6.5.23, A-Strep. ▶ 6.5.24, orale Anaerobier B-Strep., Pasteurella multicoda, Yersinien, Tularämie ▶ 6.5.26
Akut bilateral Rhinoviren, EBV6.6.14, CMV ▶ 6.6.2, HSV ▶ 6.6.10, Adenov. ▶ 6.6.1, Enterov. ▶ 6.6.3, Mykopl. ▶ 6.5.16, A-Strep., Influenza ▶ 6.6.12 HSV, HHV 6/7, Parvo B19, Mumps, Masern, Röteln,
Chronisch unilateral NTM (nichttuberkulöse Mykobakterien) 6.5.17, Bartonella henselae6.5.1 Toxoplasmose, TB, Mycobacterium bovis, sehr selten Aktinomykose, Nocardia, Aspergillose
Chronisch bilateral EBV, CMV HIV, Toxoplasmose, TB, sehr selten Brucellose, Syphilis, Histoplasmose

Nichtinfektiöse Ursachen: Lymphome, Metastasen, Kawasaki-Syndrom ▶ 16.7, Kollagenosen, M. Gaucher u. a. Stoffwechseldefekte

Diagnostik

  • Exakte klin. Unters. (gesamter Status!)

  • Labor: zunächst nur diff-BB, CRP, bei persistierenden LK-Schwellungen BSG, LDH. Restserum für Serologie. Ggf. A-Streptokokken-Schnelltest

  • Apparativ: ggf. Sono (Einschmelzung/Abszess? Abdom. Lymphome?), ggf. Rö (Hilusverdichtung?)

  • Klin. Kontrolle nach 2–4 Wo., wenn bis dahin keine neuen Sympt. auftreten

  • Bei Verdachtsmomenten für Leukämie/Malignom: KM-Punktion u. weitere Diagn. (▶ 18.2.2)

  • Bei Hinweisen auf atyp. Inf. Suche nach Immundefekt (▶ 15.2)

  • Nur bei weiterhin unklarer Diagnose: LK-Entfernung zur Histologie (keine Biopsie)

6.1.3. Exantheme

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Die Zuordnung von ExanthemenExanthem(e) fällt auch geübten Pädiatern gelegentlich schwer. Vor allem bei KK treten sehr oft unspez. Exantheme bei vielen Erkr. auf (▶  Tab. 6.3 ), die sich weder durch klare sonstige Sympt. noch serologisch einordnen lassen („Kinder kriegen Flecken!“).

Tab. 6.3.

Übersicht exanthematische ErkrankungenExanthem(e)Erkrankungen

Krankheit Lokalisation Morphe Verlauf
Varizellen (▶ 6.6.25) Generalisiert, auch an behaartem Kopf, Schleimhäuten Kleine blassrote Flecken, die sich rasch zu Bläschen u. Pusteln umwandeln Schubweiser Verlauf, alle Stadien gleichzeitig sichtbar („Sternenhimmel“)
Masern (▶ 6.6.13) Generalisiert, beginnend hinter den Ohren, dann zentrifugal über Stamm u. Extremitäten ausbreitend Stark gerötete, etwas unregelmäßig geformte, bis ca. 1 cm große, auch konfluierende Flecken, im Verlauf teils hämorrhagisch Bei Beginn des Exanthems Fieberschub. Vorausgehend Koplik-Flecken im Rachen. Exanthem verschwindet in derselben Reihenfolge, wie es auftritt
Röteln (▶ 6.6.21) Generalisiert, im Gesicht beginnend, zentrifugale Ausbreitung über Stamm u. Extremitäten Oft nur leicht gerötet, kleinfleckig makulös, ganz leicht erhaben, Einzeleffloreszenz etwa stecknadelkopfgroß, nicht konfluierend Begleitend nuchale LK. Verschwindet in derselben Reihenfolge, wie es auftritt
Scharlach (▶ 6.5.24) Beginn meist zentral: Leisten-, Hals-, Schulterregion; im Gesicht bleibt die Perioralregion blass Meist dtl. gerötet, feinfleckig, teilweise zu großen Flächen konfluierend, rau palpabel („Sandpapier“) Ausbreitung vom Stamm aus, nach Abklingen unterschiedlich ausgeprägte, teils grob-lamelläre Schuppung
EBV-Inf. (Pfeiffer-Drüsenfieber) (▶ 6.6.14) Generalisierte, meist schnelle Ausbreitung ohne charakt. Beginn Masern- o. rötelnähnlich. Ausgeprägt rote Flecken, gelegentlich mit lividem Zentrum, bes. bei begleitendem Arzneimittelexanthem Exanthem nur bei 5 %! Oft gleichzeitig Juckreiz, oft zögerlich abklingend
Arzneimittelexanthem Bei Kindern meist generalisiert, bei Jgl. auch lokalisiert; je nach Auslöser, meist durch Ampi-/Amoxicillin o. Co-trimoxazol Masernähnlich bis großfleckig, dann polyzyklisch o. konfluierend, mit kokardenförmigen, zentral lividen Effloreszenzen Je nach Auslöser innerhalb von Stunden bis wenigen Wo. abklingend. Bei Kindern nur selten allergisch! (▶ 15.1.3)
Ringelröteln (▶ 6.6.18) Wangenerythem! Generalisiert, bevorzugt Oberarmstreckseite, Unterarmbeugeseite Bis zu münzgroße ringförmige, teils miteinander verbundene, landkartenähnliche Figuren Oft flüchtig, klingt innerhalb weniger Tage ab
Exanthema subitum (▶ 6.6.4) Rumpf, dann Ausbreitung auf die Extremitäten Feinfleckig, oft nur diskret gerötet, stark variierend Sehr flüchtig, manchmal nur wenige Stunden sichtbar. Bei bzw. kurz nach Entfieberung
Kawasaki-Sy. (▶ 16.7) Generalisiert, Palmar- u. Plantarerythem, rote/rissige Lippen Makulopapulös, polymorph, sehr uncharakt.! Andauerndes hohes Fieber, Konjunktivitis, in der 2. Krankheitswo. Schuppung an Fingern u. Zehen

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Differenzialdiagnosen nach Morphologie

  • Makulös: (Exanthema subitum), Exanthem(e)DifferenzialdiagnosenStreptok. (Scharlach), Exanthem(e)makul(opapul)ösesMykoplasmen, Enteroviren, Parvoviren, Chlamydien (Psittakose), HIV, Typhus

  • Makulopapulös: Masern, Röteln, CMV, alle unter „makulös“ aufgeführten Inf., Hepatitis B, Rotaviren, Enteroviren, Rickettsien, Yersinien, Syphilis, Würmer

  • Urtikariell: (▶ 15.1), Exanthem(e)urtikariellespseudoallergisch/parainfektiös bzw. unspezifisch. Ferner EBV, Mumps, Hepatitis B, Mykoplasmen, Shigellen, Yersinien, Malaria, Lamblien, Trichomonaden, alle Wurmerkr., Echinok., alle Parasiten

  • Papulös u. nodulär: Warzen, Exanthem(e)papulöses Exanthem(e)noduläresHBV, Mykobakterien, Candida, Treponemen, Leishmanien, Parasiten, Parapox (Orf)

  • Vesikulär: HSV, VZV, Enteroviren, Exanthem(e)vesikuläresStreptok., Staphylok., Candida, selten andere

  • Petechial/Purpura: bei Exanthem(e)petechial, PurpuraSeptikämie (Meningok., HiB, A-Strept., Pneumok.), PSH (▶ 16.8), VZV, CMV, Enteroviren, Rotaviren, Adenoviren, RSV, Influenza, Masern, Rikettsien, Mykoplasmen, Haemophilus, Bartonellen, Borrelien, Toxoplasmose, aber auch Histiozytosis X

  • Erythema-multiforme Erythemamultiforme -artig: HSV, EBV, Streptok., Enteroviren, Mykoplasmen, ParvoB19, Influenza, Mumps, HBV, Chlamydien, Staphylok., TB, Salmonellen, Yersinien, Syphilis,

  • Erythema nodosum Erythemanodosum : Streptok., TB, HSV, Chlamydien, Campylobacter, Yersinien, Wurmerkr., Salmonellen, M. Crohn

  • Exanthem u. Meningitis: HSV, Exanthem(e)u. MeningitisEnteroviren, Neisserien, A-Strept., HiB, Listerien, Toxoplasmose

6.2. Diagnostik bei Infektionsverdacht

Anamnese u. körperl. Unters. (▶ 1.2.3; ▶ 6.1).Infektionsverdacht, Diagnostik

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Um die Kinder vor unnötigen Untersuchungen zu bewahren, sollte die apparative Diagn. zielgerichtet erfolgen (z. B. kein „Routinethorax“). Klinik führt, kein Routinelabor bei ambulanten Patienten!

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Labor

  • Grobe Orientierung: viral: CRP leicht erhöht, Leukopenie, Thrombopenie, Monozytose, PCT neg.; bakteriell: CRP stärker erhöht, Leukozytose, Granulozytose; schwere invas. Infektion: PCT dtl. erhöht, Thrombozytensturz

  • BB: Linksverschiebung? Leukozytose? Granulopenie? Monozytose? Thrombopenie?

  • CRP: Anstieg erst nach 24 h. Bei externen Befunden: Einheit beachten (mg/l o. mg/dl)

  • Procalcitonin: Anstieg nach 4–6 h bei invasiven Infektionen, sensibelster Parameter für Sepsis u. bakt. Meningitis!

  • BSG: Leicht erhöht? Stark erhöht, z. B. bei schweren bakt. Erkr., Mykoplasmen, rheumat. Erkr.

  • Bei Neugeborenen IL-6 (o. IL-8), kein Verlaufsparameter, fällt rasch ab

  • V. a. pränatale Inf.: TORCH-Screening: serolog. Bestimmung spezifischer IgM-Ak gegen Toxoplasma, Others (z. B. Syphilis, Listeriose), Rubella, Cytomegalie, Herpes

Bakteriologische Untersuchungen  Arbeitstechniken ▶ 2.1.1.

  • Abstrich Abstrich : von der Haut bei NG, später nur bei schweren Hautinf., aus Eiterherden bei ungewöhnlichen Verläufen. Rachenabstrich: normalerweise nur Frage nach Streptok.

  • PCR aus Rachenabstrich bei Mykoplasmen, Pertusiss. Flüssigmedium o. Trockentupfer, keine Gel-Medien

  • Blutkultur Blutkultur : bei klin. V. a. Sepsis, Endokarditis, schwere Pneumonie, schwere PN, bei NG u. Sgl. mit Infektionsverdacht

  • Liquorkultur Liquorkultur : bei jeder LP, die wegen V. a. Meningitis vorgenommen wird, auch wenn abakt. Meningitis vermutet wird.

  • Urinkultur Urinkultur : im Prinzip bei jedem HWI. Nur aus Blasenpunktions- o. Katheterurin o. Clean-Catch. Eine Kultur aus Beutel ist nur zu verwerten wenn sie negativ ist, z. B. Sterilitätsnachweis nach begonnener Behandlung! (▶ 2.8.2)

  • MM-Kultur: bei Verfütterung abgepumpter MM, bes. bei NG. Technik wie Urinkultur

  • Sputum Sputum : nicht bei „normalen“ Nasen-Rachen-Inf., auch nicht bei unkomplizierten Bronchopneumonien. Ind. bes. bei chron. rezid. Atemwegserkr. (CF) sowie bei TB-Verdacht (induziertes Sputum nach Inhalation mit 6 % Kochsalz, ▶ 6.5.27)

  • Stuhlkultur Stuhlkultur : bei Enteritiden, auch bei chron. Diarrhöen (Hinweis an das Labor für seltenere Keime (Campylobacter, Kryptosporidien, Yersinien). Ggf. auch Unters. auf Lamblien u. Amöben

  • Tuberkulin-Test/IGRA (▶ 6.5.27); Sono, Rö bei gezieltem VerdachtTuberkulin-Test

Image 5Fehlerquellen.

  • Pilze (Candida) werden oft berichtet, sind meist irrelevant (außer bei FG, Immunsupp.), bei entsprechendem Verdacht gezielte Suche.

  • Hinweis: Ausgedehnte serolog. Unters. sind teuer u. lohnen meist nicht (häufige Kreuzreaktionen, Titerverlauf nötig), der direkte Erregernachweis (Kultur, PCR) steht im Vordergrund.

  • Nasen-/Rachenabstriche bei unkompl. Infekt. der oberen u. unteren Luftwege sind nicht zielführend (unterscheiden nicht zw. Besiedelung/Infektionserreger).

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Virologische Untersuchungen  Zum Nachweis akuter o. abgelaufener Virusinfektionen. Schnelltests Schnelltest schwankende Sensitivität. Gut: Rota/Adeno. Schlecht: Influenza, RSV. Werden zunehmend durch PCR ersetzt.

Virusnachweis Virusnachweis : Der Direktnachweis von Viren (RNA o. DNA) erfolgt durch PCR. Möglich aus Rachen (Abstrich o. Spülwasser), Nase (Abstrich o. besser Sekret), Blut u. a. Körperflüssigkeiten, Stuhl, Urin, Vesikeln sowie Biopsiematerial u. OP-Präparaten. Häufige Ind.: Enteroviren i. Stuhl (Meningitis, sept. Sgl.)

Serologie Serologie : Indirekter Erregernachweis. IgM-Titer weisen eher auf eine akute Inf. hin. Ein starker Titeranstieg von IgG-Ak bei 2 Blutproben (z. B. binnen 2–4 Wo.) deutet auf eine frische Inf. hin. Bei Virusinf. ist die genaue Kenntnis der typ. Titerverläufe nötig (ggf. Labor anrufen. Cave: IgM häufig mit Kreuzreaktionen!)

Serolog. Methoden sind v. a. KBR, ELISA, Hämagglutinationshemm- u. IFL-Test.

  • Ind.: Eindeutige u. pauschale Ind.-Stellung ist nicht möglich. Meist sinnvoll bei Hepatitis (immer Virusdiagn.!), Enzephalitis, Hinweis auf pränatale Inf., therapieresistente o. atyp. Pneumonie ohne bakt. Erregernachweis, evtl. bei unklarem Fieber u. Hinweisen auf Virusinf., Bestimmung der Impftiter (z. B. bei Immundefekt o. onkolog. Pat.).

  • Nicht indiziert: bei Inf. der oberen Luftwege, Tonsillitis, Bronchitis, Pneumonie

Mikrobiologische Probe.

  • !

    Abstriche für PCR nicht ins Gel-Medium (normale mikrob. Abstriche), sondern in Trocken- o. Flüssigmedium

  • Mikrobiologische Proben immer so schnell wie möglich ins Labor

  • Im Zweifel: VOR der Probenentnahme im Labor anrufen u. Prozedere erfragen!

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6.3. Antibiotische Therapie

80 % aller AntibiotikaAntibiotika werden in der ambulanten Medizin verschrieben, davon sind schätzungsweise ⅔ nicht indiziert (z. B. banale Luftwegsinfekte)!

Grundsätze moderner AntibiotikatherapieImage 6.

  • Rational (wirklich nötig? Erwartetes Keimspektrum?)AntibiotikatherapieGrundsätze

  • Restriktiv (kurze Dauer, frühe [o. primäre] Oralisierung, Absetzen, wenn nicht mehr nötig)

  • Leitlinienkonform

Das frühere Dogma, Antibiotika niemals zu früh abzusetzen („Packung fertig nehmen“), ist obsolet; jede eingesparte Antibiotikadosis hat positiven Einfluss auf die Resistenzsituation u. die Entwicklung von unerwünschten Nebenwirkungen.

Alt-text: Unlabelled Box

Antibiotic Stewardship Antibiotic Stewardship („ABS“)  ABS-Programme führen zu geringeren Kosten, weniger unerwünschten Arzneimittelwirkungen, kürzeren Krankenhausverweildauern u. höherer Leitlinienadhärenz, geringerer Letalität u. Mortalität. Zudem ist ein positiver Effekt auf die voranschreitende Verbreitung von multiresistenten Keimen (insbesondere MRGN) zu erwarten. Rückbesinnung auf die (Amino-) Penicilline!

Interne Antiinfektivalisten Antiinfektivalisten, interne  Sollten in jeder Klinik vorhanden u. stets aktuell gehalten werden, Beispiel ▶  Tab.6.4

Tab. 6.4.

Orale antiinfektive Therapie bei ambulanten PatientenInfektion(en)orale Therapie bei ambulanten Patienten

Infektion und Indikation Antibiotikum Alternative/Erläuterung Dauer
Infektionen der Atemwege und des HNO-Bereichs
Otitis media
AB-Therapie nur bei Sgl. < 6 Mon. o. schlechter AZ o. protrahiert > 48–72 h o. Grunderkrankung
Amoxicillin 50 mg/kg/d (max. 3 g) in 3 ED
Primär: Analgesie + Nasentropfen
Otorrhö bei Paukenröhrchen: HNO, ggf. H2O2 3 %, bei Foetor Ciproflox OT 7 d
Bei Rez. i. d. letzten 4 Wo.: Amoxi/Clav 50/12,5 mg/kg/d in 3 ED
Nach Perforation: AB nur bei Otalgie,Otorrhö-Persistenz, Fieber
5(–7) d
Pertussis
Immer antibiotische Behandlung zur Reduktion der Symptome u.der Ansteckungsgefahr
Im 1. LM: Azithromycin 10 mg/kg KG in 1 ED
Ab 2. LM: Clarithromycin 15 mg/kg KG/d (max. 1 g) in 2 ED
Nach 5 d Antibiose nicht mehr ansteckend
< 6 Mon. stat. Überwachung empfohlen
Chemoprophylaxe i. d. Umgebung von Sgl./chron. kranken Kindern, s. DGPI-Handbuch
Azithr. 5 d
Clarithr. 7 d
Pneumonie
Hinweise auf virale Genese, dann keine AB: Vorschulalter u. jünger, obstruktive Symptomatik, langsamer Beginn, rel. guter AZ
Amoxicillin 50 mg/kg/d (max. 3 g) in 3 ED
Bei V. a. Mykoplasmen: Clarithromycin 15 mg/kg KG/d (max. 1 g) in 2 ED
Bei > 8 J. u. V. a. atypische Erreger: Doxycyclin d1 4 mg/kg KG, max. 200 mg; ab d2 2 mg/kg KG/d, max. 100 mg
< 6 Mon. Amoxi/Clav, immer i. v.
< 8 Wo. wie NG-Sepsis
 > 8 J. u. schlechte Compliance: Doxy
Bei rez. Mikroaspirationen/pulm. Grunderkr.: Amoxi/Clav
5(–7) d
Myk. 7–10 d
Doxy 7 d
Sinusitis
Primär symptomatisch. Antibiose bei Persistenz (eitr. Rhinosinusitis > 10 d), schweren Symptomen (eitr. Rhinosin. + 39 °C > 3 d + Gesichtsschmerzen), Verschlechterung (biphasischer Verlauf)
Amoxicillin 50 mg/kg/d (max. 3 g) in 3 ED
Reeval nach 3 d
Bei Nichtansprechen: Amoxi/Clav 50 mg/12,5 mg/kg/d in 3 ED
Ab 9 J.: Doxycyclin d1 4 mg/kg KG, max. 200 mg; ab d2 2 mg/kg KG/d, max. 100 mg
Bildgebung u HNO-Vorstellung bei V. a. Komplikationen:
  • Schwellung periorbital(fazial

  • Augenmotilitätsstörung

  • Jegl. V. a. intrakraniele Kompl.!

i. v. mit Unacid, ggf. auf intrakr. erweitern
5(–10) d
Tonsillitis/Pharyngitis
AB nur bei Nachweis von A-Strep
Kein GAS-ST: < 2 J. (GAS bei Sgl. Rarität) u. bei H. a. Virusinfekt (Husten, Schnupfen, Konjunktivitis, Stomatitis)
Bei häufigen Rezidiven: Cefadroxil 5 d (höhere Eradikationsrate)
InfectoBiCicillin:
1–6 J.: 2 × tgl. ½ Messlöffel, Tagesdosis 750 000 IE
6–12 J.: 2 × tgl. 1 Messlöffel, Tagesdosis 1 500 000 IE
 > 12 J.: 2 × tgl. 1–2 Messlöffel, Tagesdosis 1 500 000–3 000 000 IE
McIsaac-Score ab 3 J.:
Je 1 Punkt für: Alter 3–14 J., Fieber, „keine Husten“, zervikale LK-Schwellung, Tonsillenschwellung/-exsudat
 ≥ 3 Punkte: GAS-ST
Bei Allergie: Clarithromycin 15 mg/kg/d in 2 ED
7 d
Haut- und Weichteilinfektionen
Versuch des Erregernachweises bedenken. H. a. PVL? MRSA?
Lokale Antisepsis: Octenidin 0,1 % (Lsg./Spray. nicht in tiefe Wunden einbringen) o. Chlorhexidin-Creme o. Prontosan Gel (Polihexanid)
Panaritium, Abszess, oberflächliche Wunden, leichte Wundinfektionen, Balanitis: antiseptische u. ggf. chir. Ther., i. d. R. keine system. AB-Ther. nötig
Abszess Amoxi/Clav 50 mg/12,5 mg/kg/d in 3 ED Meist primär chirurgisch Nach Klinik 5–7 d
Impetigo contagiosa/Phlegmone Cefadroxil 50 mg/kg/d in 2 ED, Jgl. 2 × 1 g Amoxi/Clav 50 mg/12,5 mg/kg/d in 3 ED Nach Klinik 5–7 d
Bisswunden Amoxi/Clav 50 mg/12,5 mg/kg/d in 3 ED Wundtoilette; Tetanus? Tollwut? 5(–10) d
„Infizierter“ Insektenstich
Keine Antibiose bei Schwellung u./o. Lymphangitis < 48 h nach Stich (= „verstärkte Lokalreaktion“)
Bei Infektion:
Cefadroxil 50 mg/kg/d in 2 ED, Jgl. 2 × 1 g
Auch bei verstärkter Lokalreaktion ohne Antibiose: immer antiseptische Umschläge und Ruhigstellung Nach Klinik 3(–5) d
Lymphadenitis colli
Antibiose nur wenn unilateral, da bilateral meist viral
Amoxi/Clav 50 mg/12,5 mg/kg/d in 3 ED
Ggf. bis EBV ausgeschlossen; Cefadroxil
Ggf. Sono: Einschmelzung? RT-23? TSpot NTM? i. v. Gabe bedenken
Bei Persistenz > 3 Wo. OP
Nach Klinik, 7 d
Periorbitale Cellulitis
Cave bei Motilitätseinschränkung
Amoxi/Clav 50 mg/12,5 mg/kg/d in 3 ED Meist Beginn i. v., HNO + AA; p. o. nur bei mildem Befund, nur Befall Oberlid. Guter AZ, keine KS Nach Klinik 5(–7) d
Konjunktivitis eitrig
 < 4 Wo.: an Gonok. u. Chlam. denken
Nur bei protrah. eitriger Sekr. u. konj. Rötung: Gentamicin-AT 4 ×/d Meist gar keine Ther. nötig
Systemisch nur bei Gon./Chlam.
Nach Klinik 4–5 d
Mykose der Haut (Z. n. Windelsoor) Topisch: Nystatin (candio-hermal) o. Nystatin + Zink (Multilind) Windelsoor: zusätzlich Nystatin p.o.: Moronal 4 × 1 ml 10–12 d
Skabies
Bei Skabies crustosa: stat. u. Derma-Konsil
Permethrin 5 % Creme 8–12 h (Aussparung Mund u. Augen)
Ab 15 kg KG: Ivermectin p. o. 0,2 mg/kg ED
NG u. Sgl.: stat.
Neos Permethrin 2,5 %
Allgemeine Maßnahmen beachten!
Rez./crustosa: Wdh. nach 1 Wo.
Harnwege
Zystitis
Keine AB bei nur leichten Beschwerden, kein Fieber, unsicherer Diagnose
Nitrofurantoin (Nifuretten 20 mg)
5 mg/kg KG in 3–4 ED, entspr. tgl. 3(–4) Tbl. (cave: G6PD)
Cefaclor 40 mg/kg/d in 3 ED
Mädchen ab 12 J. u. > 50 kg KG: Fosfomycin 1 × 3 g p. o. (ED abends)
3(–5) d
Pyelonephritis Cefpodoxim 10 mg/kg/d in 2 ED (max. 400 mg/d; wirkt nicht gg. Enterokokken) Immer i. v. bei:< 3–6 Mon., red. AZ, Exsikkose, Harntraktanom.; chron. Niereninsuff.; transplant.
Bei 1. PN: Sono zeitnah (muss nicht stat. sein)
7(–10) d
Oxyuriasis Pyrantel (Helmex) 10 mg/kg/d p. o. 1 × ab 7. LM; bei Persistenz 3 × 1 ED an d1, d14, d28 + Behandlung der Angehörigen Mebendazol (Vermox) 1 × 100 mg ab 2 J.

Verantwortlich für Dosierung u. Indikation ist immer der behandelnde Arzt. Die Empfehlungen sind nur eingeschränkt nutzbar bei: Grunderkrankung, kompliziertem Verlauf, antibiotischer Vorbehandlung. Unnötige AB-Ther. vermeiden bzw. sofort beenden. AB-Ther. so kurz u. schmal wie mögl. AB-Ther. bei leichten selbstlimitierenden Erkr. vermeiden. In unklaren Situationen ohne Risiko „wait and watch“ mit Kontrolle beim Kinderarzt. Falls Cefadroxil nicht vorrätig ist: Cefaclor 40 mg/kg/d in 3 ED (nur ausnahmsweise, hat eigentl. ein zu breites Spektrum), oft ist auch ein Beginn am Folgetag mögl., wenn die Apotheke das Medikament besorgt hat. Orales Cefuroxim hat keine Ind., da breites Spektrum im gramneg. Bereich, schlechte Bioverfügbarkeit u. damit sehr hoher Resistenzdruck.

Maximaldosen: Amoxi 3 g/d, Cefadroxil 2 g/d, AmoxiClav 3,75 g/d, Clarithromycin 1 g/d. Doxycyclin: Sonnenschutz, nicht zu Milchprodukten.

Angelehnt an die Empfehlungen der DGPI; Stand 12/2019

Empirische Therapie  Ther. ohne Kenntnis des Erregers. Orientiert sich an den wahrscheinlichsten Erregern sowie am Krankheitsbild. Beispiel: Bei einer HWI gilt ist eine Abdeckung von 85 % der möglichen Erreger als akzeptabel, wohingegen bei einer bakteriellen Meningitis 99 % des möglichen Keimspektrums abgedeckt sein sollten.

Gezielte Therapie  Nach Erhalt der Kulturergebnisse soll auf das schmalste mögliche Antibiotikum gewechselt werden, wobei Pharmakokinetik u. Pharmakodynamik berücksichtigt werden müssen (z. B. Liquorgängigkeit, orale Bioverfügbarkeit).

Kombinationstherapien  Nur in Ausnahmefällen sinnvoll (schwere Sepsis, NG-Sepsis, onkol. Pat.). Häufiger Fehler z. B. doppelte anaerobe Abdeckung (z. B. Piperacillin/Tazobactam plus Metronidazol).

Orale CephalosporineCephalosporine jenseits der 1. Generation (insbes. Cefuroxim) sollten aufgrund der schlechten oralen Bioverfügbarkeit nur noch in Ausnahmefällen genutzt werden. Zudem sind sie in keiner deutschsprachigen Leitlinie Mittel der 1. Wahl (außer Cefpodoxim bei Pyelonephritis).

Image 7Beispiel für irrationale Antibiotikatherapie.

Orales CefuroximCefuroxim hat lediglich eine Bioverfügbarkeit von 20–50 %, ein breites Wirkspektrum im gramnegativen Bereich, wird jedoch meist für Infektionen durch grampositive Erreger verschrieben (Luftwegsinfekte, Haut- u. Weichteilinfektionen). Das heißt, 50–80 % des Wirkstoffes helfen nicht dem Patienten, sondern selektieren im Darm gramnegative Keime.

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Image 8Grundprinzipien der antibiotischen Therapie.

  • Vor jeder antibiotischenAntibiotikatherapieGrundprinzipien Ther. möglichst Erregerdiagnostik (Urin, Blut, Liquor, Abstriche usw.).

  • Wahl der Antibiose soll immer leitliniengerecht erfolgen (z. B. DGPI).

  • Bei empirischer Ther. immer Dokumentation von:
    • Indikation – z. B. „bakterielle Pneumonie“ o. „V. a. bakt. Meningitis“. Ein alleiniges „hohes CRP“ ist keine Indikation für eine Antibiotikather.!
    • Ausreichender Dosierung, adäquater Applikation (i. v./p. o.)
    • Kriterien zur Oralisierung (z. B. klinisches Ansprechen, Entfieberung, bei i. v. Ther., Oralisierungkriterien)
    • Geplanter Gesamtdauer
  • Ther. spätestens nach 48–72 h überprüfen („Tag-3-Bündel“, „Antibiotika-Timeout“):
    • Klinisches Ansprechen?
    • Kulturergebnisse vorhanden – Verschmälerung möglich?
    • Oralisierung möglich? Für gewöhnlich bei klinischem Ansprechen u. gesicherter oraler Resorption (z. B. nicht bei Ileus)
    • Absetzen möglich?
    • Im Verlauf tägl. Indikation, Applikation, Ansprechen, Möglichkeit des Absetzens überprüfen
  • Eine Antibiotikather. soll sofort beendet werden, wenn sich herausstellt, dass die Indikation dafür nicht (mehr) gegeben ist.

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6.4. Infektionsbedingte Krankheitsbilder

HWI (▶ 8.9), Enteritis (▶ 13.4.5), Infektion(en)KranheitsbilderPneumonie (▶ 14.3.4), Inf. im HNO-Bereich (▶ 21).

6.4.1. Sepsis

Opportunistische Inf. (▶ 6.4.5), SepsisSepsis bei NG (▶ 4.4.2).

Image 9Die goldene Stunde der Sepsis.

Bei jeglichem Sepsis-Verdacht soll die erste Antibiotikagabe innerhalb einer Stunde erfolgen, jede Minute zählt – die Letalität steigt pro Stunde Verzögerung um 7 %!

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Definition

  • Bakteriämie: Bakt. Keime sind in der Blutbahn nachzuweisen, ohne klin. Sympt.

  • Sepsis: SIRSSIRS (systemic inflammatory response syndrome) mit vermuteter o. erwiesener infektiöser Ursache (▶  Tab.6.5 )

Tab. 6.5.

DefinitionskriterienSIRSDefinitionskriterien eines SIRS

Kriterium Mögliche Befunde
ODER UND
Temp. > 38,5 °C < 36 °C Rekt./oral/invasiv
Herzfrequenz > 2 SD über Norm o. bradykard (< 1 J.) für > 0,5 h > 2 SD unter Norm für > 0,5 h Nicht ursächlich durch Stimulation, Schmerz, Herzerkr., Medikation, Vagusreiz
Atemfrequenz > 2 SD über Norm Beatmungspflicht Nicht bedingt durch neuromusk. Erkrankung o. Narkose
Leukozyten Über Altersnorm Unter Altersnorm (ohne Chemoth.) > 10 % unreife Neutrophile Nicht durch G-CSF

Erreger  Häufigste Erreger sind:

  • Bei NG ⅔ B-Strept. o. gramneg. Keime (bes. E. coli); Staphylok., Enterok., H. influenzae, Pneumokok., Klebsiellen, Listerien

  • Jenseits NG-Periode: Pneumokok., GAS, Meningok., Staphylok., gramneg. Darmbakterien, Haemophilus (häufiger non-b als b)

Septische Erkr. sind jenseits des NG-Alters selten, aber hochgefährlich. Oft besteht eine andere Grunderkr.; v. a. bei älteren Kindern nach Risikofaktoren (▶  Tab. 6.6 ) suchen.

Tab. 6.6.

Risikofaktoren für eine SepsisSepsisRisikofaktoren

Risikofaktoren für Sepsis Erreger
Angeborene Immundefekte (▶ 15.2) Je nach Störung sehr unterschiedliche Keime (Staphylok., Anaerobier, Pilze etc.)
Erworbene Immundefekte (AIDS) Alle
Maligne Erkr. (z. B. Leukämien) Alle
Fehlen der Milz (nach OP, Trauma) Bekapselte Erreger (Pneumok., Meningok., HiB)
Fremdkörper, bes. zentrale Katheter Alle, bes. Staphylok.
Thalassämie, andere hämatolog. Erkr. mit häufigen Transfusionen Yersinien, Salmonellen etc.
Medikamentenbedingt: Zytostatika, Steroide Alle

Klinik  Allgemeinerscheinungen wie Somnolenz/alterniertes Bewusstsein (!), rascher körperl. Verfall, Schüttelfrost, Tachypnoe, Kollaps; Fieber (oft sehr hoch) o. Hypothermie (insb. Sgl./NG/onkol. Pat); Erbrechen, Durchfall; uncharakt. Exantheme; marmoriertes/gräuliches Kolorit; Blutungen (petechial o. großflächig).

DD der bakteriellen Sepsis  Virusinf. (CMV, EBV, Adenov.), Malaria (▶ 6.8.4), Typhus (▶ 6.5.28), rheumatoide Arthritis (▶ 16.2), Intox. (▶ 3.4), Malignome (Leukämie ▶ 18.5), MAS, beim Sgl. Herzvitium, beim NG Hirnblutung.

Diagnostik

  • Zunächst gründliche körperl. Unters., um Infektionsherd evtl. zu lokalisieren

  • Kapillärer Refill: wichtiger Marker für Schock!

  • Labor: BB + Diff.-BB (Linksverschiebung, Leukozytose, Thrombopenie), Blutkulturen zum Keimnachweis u. Antibiogramm (wenn mögl. 2 Kulturen, bei V. a. Endokarditis > 5 Kulturen), Procalcitonin (massiv ↑, sensitivster frühester Marker) CRP (massiv ↑, aber Anstieg erst nach > 18 h), BGA, Laktat, BZ, Quick, pTT (Verbrauchskoagulopathie), AT3, Fibrinogen, Leber(synthese)- werte, Kreatinin, Urinkultur, evtl. LP

  • Rö-Thorax: zentrale o. basale Pneumonie?

  • Sono Abd.: Abszesse, Organomegalie, Asplenie?

  • Bei offener Fontanelle: Sono Schädel (Blutung? Abszess?)

Therapie

  • Die frühe u. aggressive Ther. (Antibiose u. Volumen) hat nachweislichen Effekt auf das Outcome, großzügige Intensivversorgung schon bei Verdacht auf Schock!

  • Antibiotika (sofortige Gabe nach Kulturgewinnung!): empirische Breitbandther.: Cefotaxim o. Ceftriaxon o. Tazobactam/Piperacillin (bei Abd. Fokus), bei < 3 Mon. o. schlechter AZ o. chron. Vorerkr. o. Fremdmaterial PLUS Aminoglykosid (z. B. Gentamicin), dann gezieltes Umsetzen nach Antibiogramm

  • Schockther. u. Infusionsbehandlung (▶ 3.2) – bei verl. Refill o. Hypotonie o. Laktatazidose 20 ml/kgKG balanc. VEL „aus der Hand“ (Perfusorspritzen), bis 3 × in 15 Min., falls keine Besserung → Intensivstation (Katecholamine)

  • Bei NG 2-fach-Komb. (▶ 4.4.2) anwenden (meist Ampicillin + Gentamicin o. Ampicillin + Cefotaxim o. Ampicillin/Sulbactam + Gentamicin). Oft klinikspezifische Schemata je nach regionaler Keim- u. Resistenzlage.

  • Überwachung/Kontrollen: Klinik (!), HF, AF, RR, Flüssigkeitsbilanz u. Gewicht, ggf. BGA u. Laktat, bei schneller Verschlechterung der Parameter u./o. Laktatazidose u./o. prim. Gerinnungsstörung frühzeitige intensivmed. Behandlung

Image 10Warnzeichen bei Sepsis.

  • Alterniertes Bewusstsein

  • Anhaltende Tachykardie o. Laktatazidose o. verl. Refill trotz Volumenther.

  • Purpura/konfl. Petechien

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6.4.2. Meningitis

Tuberkulöse Meningitis ▶ 6.5.27.

Image 11

Eine bakt. MeningitisMeningitis ist ein akut bedrohliches Krankheitsbild mit hoher Letalität u. häufigen Folgeschäden, daher bei jedem Verdacht konsequente, adäquate u. schnelle Versorgung.

Im Zweifelsfall immer LP (Meningismus ▶ 1.2.3, Technik LP ▶ 2.5).

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Erreger  Häufigste bakt. Erreger:

  • Bei NG: B-Streptok., E. coli, Pneumok., Haemophilus, Staphylok., Listerien, Klebsiellen, Proteus, Pseudomonas

  • Bei KK u. SK: Meningok., S. pneumoniae (= Pneumok.), H. influenzae (vor der HiB-Impfung am häufigsten!)

  • Ab Jugendalter: Meningok., Pneumok., selten andere

Häufigste Erreger der serösen M.: mit großem Abstand Enteroviren (▶ 6.6.3), seltener FSME, Mumps, alle anderen Viren wesentlich seltener. Borrelien (▶ 6.5.2)können ebenfalls eine seröse Meningitis verursachen.

Image 12

Wichtigste Entscheidung: bakteriell – abakteriell (viral, andere Ursachen):

  • Hinweise für bakt.: schlechter AZ, schneller Beginn, Petechien, starker Meningismus, hohe Liquorzellzahl (meist > 500/mm3, aber zu Beginn niedrig), Liquorgranulozytose, niedriger Liquorzucker, Laktat i. L. > 3 mmol/l, erhöhtes Procalcitonin, verl. Refill, Zentralisation

  • Hinweise für viral: oft stabiler AZ, eher schleichender Beginn, vorangehende katarrhalische Zeichen, hohes Fieber ohne Zentralisierung, Kopfschmerzen, neurolog. Begleitsympt., mittelhohe Liquorzellzahl (meist 20–1 000/mm3), Verhältnis Lymphozyten/Granulozyten > 1:1 (anfangs oft > Granulozyten), Liquorzucker u. Liquorlaktat normal

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Klinik

  • Sgl.: plötzliche Atemstörungen, Verfärbung des Hautkolorits, Fieber o. Hypothermie, gespannte Fontanelle, Erbrechen, Trinkschwäche, Lethargie o. Irritabilität, schrilles Schreien, Apnoen, Muskelhypotonie, Krampfanfälle, Meningismusprüfung wenig sensitiv

  • KK bis Jgl.: plötzlicher Krankheitsbeginn, Erbrechen, Kopfschmerzen, Übelkeit, Apathie, Unruhe, meningitische Zeichen (▶ 1.2.3), relativ selten Krampfanfälle. Petechiale Hautblutungen bei Meningok.

Differenzialdiagnosen  Meningeale Reizung anderer Ursachen, z. B. benachbarte andere Inf. (Sinusitis, Otitis, Mastoiditis), Hirnblutung, Sonnenstich, Malignome (Leukämie, Hirntumoren), Schwermetallvergiftung (Blei), Fremdkörper (Shunt), sehr selten parainfektiös bei Toxoplasmose, Mykosen, Parasitosen.

Image 13Merke.

  • Bei zweifelhaftem klin. Befund, misslungener LP, oraler antibiotischer Vorbehandlung u. a. Entscheidungsproblemen immer wie bakt. Meningitis behandeln!

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Bakterielle Meningitis

Diagnostik Meningitisbakterielle

  • Initial: LP (Zellzahl, Differenzierung, Kultur) sowie BB, Diff-BB, CRP, PCT, BGA, Laktat, BZ, E'lyte, Gerinnung, Blutkultur

  • Bei Meningismus ohne Fieber: Bildgebung (MRT o. cCT) vor LP (Hirndruck/RF?)

  • Verlaufskontrollen: LP nur bei ungewöhnlichem Verlauf; Hörtest; EEG, ggf. je nach KO CT/MRT u. weitere neurolog. Diagn.

Komplikationen

  • Akut: septischer Schock, Waterhouse-Friderichsen-Sy. (Meningok.), Krampfanfälle, SIADH, Hirnabszess, bei Sgl. Subduralergüsse („Hygrome“)

Image 14Management und Therapie.
  • Antibiose sofort nach LP, keine Verzögerung bei frustraner LP o. bei nötiger Bildgebung, z. B. Cefotaxim 200 mg/kg KG/d in 4 Dosen o. Ceftriaxon. Bei NG 3-fach-Ther. wie bei Sepsis (6.3.1) plus Cefotaxim, Ampi in erhöhter Dosis. Nach Vorliegen des Antibiogramms Anpassung

  • Dauer nach Alter u. Erreger: NG 14 d (E. coli 21 d), Nicht-NG: Meningokokken 5 d, HiB/Pneumokokken/unbek. Erreger 7–10 d

  • Dexamethason: 4 × 0,15 mg/kg KG/d für 2 d, erste Dosis mit der 1. Antibiotikagabe. Reduziert evtl. Folgeschäden, insb. Hörschäden bei Haemophilus, senkt Letalität bei Erwachsenen (Empfehlungen mehrfach geändert)

  • Schockther./Waterhouse-Friderichsen-Sy. (▶ 3.2.4) auf Intensiv; engmaschige Überwachung aller Vitalwerte bis zur Stabilisierung. Tägl. neurolog. Unters., Pupillenreaktion, MER, Hirnnerven anfangs auch häufiger

  • Bilanz, spez. Gewicht, KG, an den ersten 2 d 8–12-stdl., wegen häufiger SIADH (▶ 10.6.2) → Na-Kontrollen, Flüssigkeitsrestriktion, E'lyt-Korrektur

  • Bei Herdzeichen, fokalen Anfällen, Hinweisen auf steigenden Hirndruck CCT bzw. MRT, bei Sgl. Schädel-Sono

  • Nachpunktion (nach 1–2 d) bei ausbleibender klin. Besserung/gr. neg. Meningitis

  • Vor Entlassung EEG, Hörtest

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Image 15Besonderheiten.
  • Sgl. initial auf die Intensivstation (Krampfanfälle, Apnoen)

  • Bei der Unters. nach Pilonidalsinus schauen, spätestens nach der 2. bakt. Meningitis

  • Antibiotikaprophylaxe auch bei Familienmitgliedern o. Kontaktpersonen nicht vergessen: Meningok. (▶ 6.5.15), Haemophilus (▶ 6.5.10)

  • Meldung an Gesundheitsamt bei Nachweis von HiB/Meningokokken

  • Folgeerscheinungen: Hörstörungen (▶ 21.11), andere Hirnnervenausfälle, Hydrozephalus (▶ 12.8), Entwicklungsstörungen (▶ 12.1.1), Hygrome

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Virale Meningitis

Diagnostik Meningitisvirale

  • LP (Status, Kultur, drittes Röhrchen für Virusdiagnostik), BB, Diff-BB, CRP, PCT, BZ, BGA, Elyte

  • Primäre Erregerdiagnostik: Enteroviren-PCR im Liquor u. im Stuhl (Stuhl senstitiver als Liquor), FSME-AK i. S., Borrelien-ASI (Serum/Liquor-Paar)

Image 16Management und Therapie.
  • Bettruhe, evtl. parenteraler Flüssigkeitsersatz, bei Schmerzen PCM od. Ibuprofen. Dauer des stat. Aufenthalts je nach Zustand, früheste Entlassung 24 h nach Punktion u. sicherer Diagnosestellung einschl. Ätiol.

  • Kontrollpunktionen sind bei unkompliziertem Verlauf überflüssig

  • Vor Entlassung bzw. nach klin. Ausheilung: ggf. EEG, Hörtest, gründliche neurolog. Unters.

  • !

    Wichtig: Abgrenzung zu Enzephalitis (▶ 6.4.3)!

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6.4.3. Enzephalitis

Definition  Entzündl. Erkr. desEnzephalitis Gehirns. Oft gleichzeitig Meningitis o. Neuritis (z. B. Guillain-Barré-Sy.).

Image 17 Jeder fokale Krampfanfall bei Fieber ist bis zum Beweis des Gegenteils eine Herpes-Enzephalitis u. sollte mit Aciclovir (45 mg/kg/d in 3 ED als KI) behandelt werden

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Ätiologie u. Erreger

Virusinfektionen:

  • Humanpathogene Viren: Enteroviren (▶ 6.5.3), HSV (erhöhtes Risiko bei NG: bei Primärinf. der Mutter während der Geburt bis 50 %, bei Reinf. der Mutter/des Personals 1–5 %). CMV, Varizellen, Influenza, Mumps, Masern, Röteln, Parvoviren, Influenza

  • Durch Insekten übertragene Viren: FSME, zahlreiche tropische Viren, die in Mitteleuropa keine Rolle spielen

  • Durch Warmblüter übertragene Viren: Tollwut; weitere sehr selten

Nichtvirale Infektionen: wesentlich seltener. Mykoplasmen, Borrelien, Treponemen, Rickettsien, TB, Pilze (bei immundefizienten Pat.), evtl. Würmer. Meist sind andere Symptome durch die betreffenden Erreger o. die Anamnese hinweisend.

Parainfektiös: wahrscheinlich nicht durch dir. Inf., sondern sek. durch Immunreaktionen hervorgerufen bei:

  • Pertussis, Mykoplasmen, Masern, Röteln, Varizellen, Hepatitis, HIV

  • Impfungen: Pertussis, Tollwut, Masern, Gelbfieber (alle äußerst selten)

  • Slow-Virus-Inf. (▶ 6.6.13): Masern, sehr selten Röteln, weitere ohne praktische Bedeutung

Autoimmunenzephalitis: häufiger als früher angenommen. Zunehmend werden mehr Autoantikörper gefunden (häufigste: NMDA-AK). Häufig nach Herpes-Enzephalitis (viele „Rezidive“ sind vermutlich AI-Enzephalitiden, die durch HSV-Enzephalitis getriggert wurden).

Unklare Ursachen: Viele Fälle bleiben unklar, Häufung im Sommer legt z. B. nicht erkannte Inf. mit Enteroviren (▶ 6.6.3) nahe, autoimmune Genese vermutlich viel häufiger als früher gedacht.

Klinik Unspez. Sympt.: Fieber, Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen (sehr unterschiedlich). Im Gegensatz zu Meningitis meist neurolog. Auffälligkeiten, Bewusstseinsstörungen bis zum Koma, Krampfanfälle, Ataxie. Verlauf variiert sehr stark.

Differenzialdiagnosen  Hirntumoren (DD konstante meist seitendifferente neurolog. Zeichen, Hirndruckzeichen, ▶ 12.8), Hirnabszess, Intox. (Medikamente, Schwermetalle, Pestizide), hepatisches Koma, Sinusvenenthrombose u. a. vaskuläre Erkr.

Diagnostik u. Kontrollen

  • BB (meist unchar. verändert), CRP, PCT, Leber- u. Nierenwerte, EEG (Allgemeinveränderungen; Krampfbereitschaft; evtl. Herdbefund, dann aber andere DD beachten, ▶ 12.2.1), Tox-Screen. i. U., LP nach Ausschluss Hirndruck (Klinik, MRT, evtl. Augenhintergrund): Pleozytose meist < 1 000 Zellen, Zytologie unspezifisch, Eiweiß ↑, Zucker normal; cMRT obligat!

  • Erregerdiagnostik (bei Immunsuppression direkt „2. Runde“ mitbestimmen):
    • ASI (Antikörper-Spezifitätsindex, Serum/Liquor-Paar): HSV 1 + 2, VZV; „2. Runde“ Borrelien, CMV, EBV
    • PCR im Liquor: HSV, Enteroviren, VZV, Mykoplasmen, ggf. Influenza, bei NG zusätzl. Toxpl. + CMV; „2. Runde“ Toxoplasma, CMV, HHV-6, Adenoviren, EBV, ggf. HIV
    • Serum (AK-bestimmung): Mykoplasmen (PCR i. L. sehr unsensitiv); „2. Runde“ Borrelien, Mumps, Masern, FSME, Toxplasma, HIV
    • Sonstiges: Enteroviren-PCR im Stuhl (sensitiver), Mykoplasmen-PCR i. Rachenabstrich, Influenza-ST (i. d. Saison)
  • Laufende Kontrollen: Krampfbereitschaft, Bewusstsein, Atmung (Insuffizienz mögl.), RR, Temperatur (Fieber erhöht Krampfrisiko), Flüssigkeitsbilanz (mangelndes Trinken/Durst, Fieber, SIADH), ggf. Hirndruckmessung (kontinuierlich mit Monitor) u. Hirnödemprophylaxe (▶ 12.8.1)

  • Vor Entlassung gründliche neurolog. Unters., EEG, Hörtest, evtl. Sehtest

Therapie Bei geringstem Enzephalitisverdacht sofortiger Beginn mit Aciclovir i. v. 45 mg/kg/d in 3 ED, noch vor ausführlicher Diagnostik, HSV ist eine der wenigen therapierbaren Ursachen, ▶ 6.6.10, ggf. + Erythromycin (gg. Mykoplasmen, jedoch ohne gesicherten Nutzen), ansonsten rein sympt.:

  • Antipyretika, Infusion n. Bilanz/E’lyte. Cave: SIADH, ggf. Antikonvulsiva

  • KG u. Rehabilitationsmaßnahmen nach akuter Krankheitsphase

6.4.4. Osteomyelitis und septische Arthritis

Ätiologie u. Erreger  Meist hämatogeneOsteomyelitis ArthritisseptischeStreuung von bakt. Erregern (Staph. aureus, Streptok., Kingella kingae, Salmonellen). Spezielles Keimspektrum bei:

  • NG, Sgl.: Herd meist in Epiphyse, häufig mit Gelenkinf. Erreger: Streptok., Haemophilus, Staph. aureus, Kingella kingae, auch Candida, seltener andere

  • Gesicht (Unter-/Oberkiefer), Becken: Anaerobier

  • Hämatolog. Grunderkr. mit Eisenüberladung: Salmonellen

  • Immundefekt, Leukämie: Pseudomonas u. a. ungewöhnliche Keime

Bei ca. 30 % lassen sich die Erreger aus der Blutkultur isolieren, bei bis zu 70 % aus eitrigem Material, bei Biopsie mehr.

Klinik  Zu Beginn oft uncharakt., daher immer daran denken! Symptome sind:

  • Lokale Schmerzen (nicht immer charakt.)

  • Fieber

  • Schmerzhafte Bewegungseinschränkung (manchmal nur bei passiver Bewegung)

  • Gelenkschwellungen

  • Evtl. auch septische Symptome

Bei ca. 10 % (v. a. bei Sgl.) multifokale Osteomyelitis mit mehreren Herden.

Differenzialdiagnosen  Trauma, Traumafolgen, Hämatome, gutartige u. maligne Tu des Skeletts, Histiozytose, Arthritiden anderer Ursachen, CRMO (chron.-rezid. multifokale Osteomyelitis = nichtinfektiös, sondern autoimmun!), reaktive Arthritis (n. Yersinien, Campylobacter, Shigellen u. a.)

Diagnostik

  • Labor: BSG stark erhöht, CRP ↑, Leukozytose unzuverlässig

  • Rö: zu Beginn nur Weichteilschwellung, Periostanhebung, osteolytischer Herd als spätes Zeichen (nach 5–10 d)

  • MRT: gute Darstellung, v. a. Differenzierung von anderen Läsionen. Durch hohe Verfügbarkeit von MRT ist Skelettszintigrafie nicht mehr nötig

  • Bei Bakteriämie (insb. durch Staphylok. ▶ 15.4.20 o. Salmonellen ▶ 6.4.18): Suche nach anderen Herden (Echo: Endokarditis?) u. weiteren Abszessen (Sono Leber, Milz, ggf. cMRT)

  • Diagn. Punktion: zur Materialgewinnung für Histologie u. Bakteriologie

Therapie

Kons.: Empirisch Ampicillin/Sulbactam o. Ampicillin/Clavulansäure 100 mg/kg KG/d (Ampi-Anteil) in 3 ED. Bei Sichelzellanämie Ceftriaxon (Salmonellenrisiko), bei NG nach Sepsisschema, nach Erregerisolierung gezielte Ther. Oralisierung bei unkompliziertem Verlauf (= Ther.-Beginn 3–5 d nach Symptombeginn, gutes klin. Ansprechen, Blutkultur steril), wenn CRP halbiert + > 48 h fieberfrei, kein MRSA o. Salmonellen, gute Compliance, sichere Nachkontrollen. Therapiedauer: Gesamtdauer Arthritis 2(–3) Wo., Osteomyelitis 4(–6) Wo. (mind. bis CRP < 2 mg/dl)

Chir.: Eröffnung u. Ausräumung, evtl. Saug-Spül-Drainage über 5–10 d, Immobilisierung für die 1. Wo., danach passive Bewegungsbehandlung. OP-Ind. sind:

  • Fieber über mehr als 3 d trotz i. v. Ther.

  • Hinweise auf Sequester, Fistel, Thrombosierung/Minderperfusion

  • Eitrige Arthritis

6.4.5. Opportunistische Infektionen

Bei einigen angeb. o. erworbenen Erkr. kann es zu (atyp.) Inf. durch sonst weniger pathogene Erreger kommen (▶  Tab. 6.7 ).

Tab. 6.7.

Opportunistische InfektionenInfektion(en)opportunistische

Ursache/Auslöser Häufigste Erreger Mechanismus
Zerebrale Shunts Staph. epidermidis, Staph. aureus u. a. Endogene o. periop. Inf.
Zentrale Katheter Staph. epidermidis, Candida, alle Bakterien Aufsteigende Hautkeime, Hygienemängel
Inhalation Pseudomonas Kontamination des Geräts
Verbrennungen Pseudomonas, Staphylok. Anderes Hautmilieu, Immunität
Große OPs, Kardiochirurgie Staph. epidermidis, Pseudomonas, Candida Geänderte Flora durch Antibiotikaprophylaxe
Herzfehler, Klappenersatz Streptok. Einnistung in defektem Gewebe
Zelluläre Immundefekte (▶ 15.2.3) Mykobakterien, Listerien, CMV, Candida u. a. Fehlende B-Zell-Stimulation u. Interaktion
SCID (Immundefekt) (▶ 15.2.3) Sehr viele Bakterien u. Viren, Pneumocystis jiroveci Defekte B- u. T-Zell- Antwort
Humorale Immundefekte (▶ 15.2.3) Pathogene Bakterien, Pseudomonas Phagozytose, Lyse, Agglutination, Toxinneutralisation gestört
Komplementdefekte (C1-Esterase-Inhib.) Pneumok., andere Kokken u. a. Gestörte Chemotaxis
AIDS (▶ 6.6.11) Zytomegalie, Toxoplasmose, Candida, Pneumocystis, Aspergillus u. a. Gestörte T-Zell-Funktion durch Retrovirusinfektion
Karzinome Pseudomonas, E. coli u. a., bes. gramneg. Keime Granulozytopenie, verschiedene Mechanismen
Immunsuppression Bsp.: Pseudomonas, E. coli, HSV, Varizellen, CMV Abhängig von der Substanz
Transplantation Staphylok., Candida, CMV, Hepatitis, Herpes, Varizellen u. a. Durch Immunsuppression
Mangelernährung Schwerer Verlauf von Masern, HSV, Varizellen, Mykobakterien Gestörte T-Zell-Funktion
Mukoviszidose (▶ 14.6) Pseudomonas aeruginosa; Staph. aureus; Burkholderia spp., Achromobacter xylosoxidans u. a. CFTR-Defekt, multifaktoriell
Urämie Bacteroides, Enterobact., Staphylok., Candida, Herpes, CMV Gestörte Frühphase der Infektabwehr, T-Zell-Funktion

6.5. Bakterielle Erkrankungen

6.5.1. Bartonellose

Erreger   Bartonella henselae, B. quintana u. a.,Bartonellose Infektion(en)bakterielleÜbertragen meist durch Biss- u. Kratzwunden v. jungen Katzen (und -flöhen), selten Hunden. Seroprävalenz beim Menschen 10 %.

Klinik „Katzenkratzkrankheit Katzenkratzkrankheit “: Inkubationszeit 3–10 d. Nach 15–50 d einseitige, unilokuläre Lymphadenitis, die nach 2–4 Mon. abheilt. Oft leicht zu übersehende, schlecht heilende Hautläsion im Bereich der Eintrittspforte (über Monate bestehend) im Zuflussgebiet. Primär axilläre, supraklav., zervikale Lymphknoten betroffen, Schwellungen bis 5 cm möglich. In < 50 % Fieber. Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, Erythmea nodosum, Thrombopenie, Arthalgien. Selten LK-Einschmelzung.

Seltene Manifestation als Parinaud-Syndrom: nicht eitrige Konjunktivitis mit subaurikulärer Lymphadenitis.

Diagnostik  Anamnese u. Klinik. Serologie (IFT) Methode der Wahl, IgG > 1:200 ist wegweisend, ggf. serielle Kontrollen. IgM selten hilfreich. Gelegentlich per Biopsie. DD Lymphadenopathie durch NTM o. Toxoplasmose.

Komplikationen  Endokarditis, disseminierte Bartonellose mit Abszessen in Leber u. Milz, Bakteriämien (bei Immunsupp).

Therapie  Nur bei disseminierter Infektion o. Organbefall: Aziothromycin 5 d (bis Wo./Mon.).

14 % aller Lymphadenopathien im Kopf- Hals-Bereich sind einer Bartonellose zuzuschreiben.

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6.5.2. Borrelien

Erreger   Borrelia burgdorferi Borrelia burgdorferi. Übertragung durch BorrelienZeckenZecken (in Endemiegebieten Nymphen u. adulte Zecken zu 30–40 % mit Borrelien infiziert, 80 % der Inf. erfolgen durch Nymphen, die etwa 1 mm groß sind u. meist nicht bemerkt werden). Das Infektionsrisiko steigt mit der Dauer bis zur Zeckenentfernung.

Klinik

  • Frühstadium lokalisiert – Erythema migrans, meist Kopf-Hals-Bereich, häufigste Krankheitsmanifestation, 1–3 Wo. nach Stich

  • Frühstadium disseminiert – Multiple Erythemata migrantia, Borrelien-Lymphozytom (z. B. am Ohr), Organmanifestationen: Neuroborreliose (in 80 % mit lymphozytärer Meningitis u. periph. Hirnnervenlähmung, meist Fazialisparese, typisch: Strecksteife der Wirbelsäule; selten Enzephalitis; selten Meningopolyradikulitis), Arthralgien, Augen, Herz ([Myo]Karditis, Rhythmusstörungen, AV-Block). Oft ohne vorheriges Erythema migrans

  • Spätstadium – Inkubationszeit Monate bis Jahre, (Oligo-)Arthritis (am häufigsten schmerzfreie Gonarthritis mit Erguss), selten chron. Enzephalomyelitis u. Akrodermatitis chronica atrophicans, Uveitis, Keratitis

Inkubationszeit  Frühstadium lok. 1–3 Wo., disseminiert 2–10 Wo., Spätstadium > 6 Mon.

Differenzialdiagnosen  Neurolog. Symptomatik durch andere Erreger (▶ 6.4.3). Septische u. autoimmunolog. Arthritiden anderer Ursache.

Diagnostik

  • Frühstadium lokalisiert: klinische Diagnose, keine weitere Diagnostik nötig

  • Serologie (IgG + IgM), wenn pos.: Westernblot u. Interpretation der Banden durch Infektiologen/erfahrenes Labor

  • Bei V. a. Neuroborreliose: immer LP, ASI (Nachweis autochtoner AK-Produktion im ZNS)

  • Eine isolierte Fazialisparese mit Liquorpleozytose ist in fast 100 % d. Fälle eine Neuroborreliose

  • Nicht indiziert: PCR aus Zecken, Kontrollserologie nach erfolgter Ther.

Therapie

  • Frühe Manifestation: Amoxicillin p. o. 50 mg/kg/d (max. 2 g) über 10–14 d , bei Persistenz Wdh., alternativ Makrolid. Ab 9 J. alternativ Doxycyclin 1. Tag 4 mg/kg/d, ab 2. Tag 2 mg/kg/d, max. 200 mg/d

  • Neuroborreliose: < 9 J.: Ceftriaxon 50 mg/kg 1 ×/d als KI, max. 2 g. Ab 9 J.: Doxycylin p. o. 4 mg/kg/d in 2 ED, max. 200 mg/d, Dauer 14 d

  • Spätstadium: Ceftriaxon 50 mg/kg/d, max. 2 g/d in 1 Dosis über 2 Wo. Alternativ Amoxicillin 50 mg/kg in 3 ED o. Doxycyclin 4 mg/kg/d über 4 Wo. (höhere Rezidivrate als bei i. v. Ther.). Bei Rezidiv Wdh. der Ther.

Image 18Besonderheiten.

  • Entfernung d. Zecke mit Pinzette o. Zeckenkarte: Zecke vorsichtig herausziehen, ohne sie dabei zu quetschen, evtl. etwas rütteln. Nach Entfernung Einstichstelle desinfizieren. Evtl. verbleibenden Rest des Stichwerkzeugs der Zecke mit Kanüle o. Ä. entfernen. Belassen erhöht das Infektionsrisiko nicht.

  • Früher Zeitpunkt der Zeckenentfernung ist wichtiger als die richtige Technik.

  • Keine Ther., wenn keine Sympt. bestehen. Ein pos. Titer allein ist keine Krankheit, generelle Antibiotikaprophylaxe nach Zeckenstich ist nicht sinnvoll.

  • Falsch interpretierte Borrelienserologien bei „unspezifischen Symptomen“ (Fatigue) sind häufiger Grund für nutzlose AB-Ther.

  • Für die Existenz einer „chronischen Borreliose“, die von zweifelhaften „Borrelienexperten“ über Monate mit Antibiotika behandelt wird, fehlt jegliche Evidenz.

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6.5.3. Brucellose

Erreger   Brucella Brucella abortus u. melitensis. Inf. Brucellosedurch Tierkontakt (Ziegen, Schafe, Rinder, Schweine), nichtpasteurisierte Milchprodukte. Deutsches Nutzvieh gilt als brucellosefrei; vorwiegend in Südeuropa.

Klinik  Variable, unspez. Symptome, häufig Arthralgien. Zudem Abgeschlagenheit, rez. Fieber, Nachtschweiß, LK-Schwellung, HSM, alle Organsysteme können betroffen sein. 50 % erhöhte Transaminasen, BB-Veränderungen (alle Zellreihen). Nachweis kulturell aus Blut o. Biopsiematerial bzw. serologisch. Cave: Endokarditis.

Therapie  Co-trimoxazol (< 9 J.), Doxycylin (ab 9 J.), jeweils plus Rifampicin für mind. 6 Wo.

6.5.4. Campylobacter

Erreger  Viele Spezies, am häufigsten Campylobacter Campylobacter jejuni, C. coli. Inf. z. B. durch nichtpasteurisierte Milch, rohe Eier etc., fäkal-orale Übertragung von Mensch zu Mensch.

Klinik

  • Am häufigsten Enteritis mit blutigen Stühlen, heftigen diffusen Bauchschmerzen, Koliken, Erbrechen, mittelhohem Fieber, Dauer bis 1 Wo.; post-/parainfektiös: reaktive Arthritis (6 % bei Kindern), GBS

  • Seltener, aber bes. bei Sgl.: Bakteriämie mit septischen Zeichen wie Hepatosplenomegalie, Ikterus, allg. Infektionszeichen

Inkubationszeit  2–7 d.

Differenzialdiagnosen  Andere Enteritis- u. Sepsiserreger.

Diagnostik  Kulturell o. durch PCR im Stuhl.

Therapie  Nur sympt. bei: schwerem/protrahiertem Verlauf > 1 Wo. u. beim jungen Sgl. Azithromycin 10 mg/kg/d in 1 ED über 3 d; bei septischem Verlauf 3. Gen. Ceph.

Prophylaxe  Isolation, solange enteritische Symptome bestehen

6.5.5. Chlamydien

Erreger   Chlamydia Chlamydien trachomatis, 14 Serotypen. Typen D–K: häufiger Erreger von Urethritiden, dadurch Inf. des NG möglich. Typ L: Lymphogranuloma inguinale. Typen A–C: Trachom. C. pneumoniae: obere u. untere Atemwegsinfektionen ab KK-Alter.

Häufig sexuelle Übertragung; subklin. Zervizitis; durch aufsteigende Inf. Zerstörung des Tubenepithels; als Folge häufig Fertilitätsstörungen. 13 % d. Jugendl. sind urogenital infiziert.

Klinik

  • Konjunktivitis: meist in der 2. Lebenswo. (3. Tag–6. Wo.) eitrige Entzündung eines o. beider Augen, Lidschwellung, Pseudomembranen

  • Pneumonie beim NG: Beginn bis zum 3. LM, aber auch schon beim NG. Zunehmende Tachypnoe, stakkatoartiger Husten, Apnoen, selten Fieber. Oft nachfolgend chron. rezidiv. Obstruktion, Ventilationsstörungen

PneumonieChlamydien Inkubationszeit  2–25 d.

Differenzialdiagnosen  Andere Konjunktivitiden, Pneumonien durch andere Erreger (z. B. RSV, Pertussis).

Diagnostik  PCR aus Abstrichmaterial (Auge, Rachen, urogenital): muss Epithelzellen enthalten (Nachweiswahrscheinlichkeit im Eiter geringer).

Therapie  Azithromycin 10 mg/kg in 1 ED für 3 d. Ab 9 J. Doxycyclin.

Prophylaxe  Nicht möglich (Ther. der Mutter vor Geburt); bei Jgl.: Kondome.

6.5.6. Cholera

Meldepflicht nach IfSG (▶ 6.11).

Erreger   Vibrio cholerae Vibrio cholerae , enterotoxinbildendes CholeraBakterium. Vorkommen bes. in tropischen u. subtropischen Regionen, in Mitteleuropa derzeit eher eingeschleppte Einzelinf. bzw. Kleinepidemien. Infektion v. a. über kontaminiertes Trinkwasser, aber auch fäkal-oral möglich.

Klinik  Plötzlich einsetzende, profuse, sehr dünne „reiswasserähnliche“ Stühle. Durch die riesigen Stuhlmengen sehr schnell eintretende Dehydratation u. E'lytstörung.

Inkubationszeit  3–6 d (selten kürzer).

Diagnostik  Erregernachweis in Stuhl bzw. Rektalabstrich.

Therapie  Rein symptomatisch. Ausreichender, engmaschig bilanzierter Flüssigkeits- u. E'lytersatz. Erkr. ist selbstlimitierend.

Prophylaxe  Nahrungsmittel- u. Trinkwasserhygiene. Reiseimpfung: oraler Impfstoff, für Kinder ab 2 J. 3 Impfdosen, ab 6 J. 2 Impfdosen im Abstand von 1–6 Wo., siehe RKI. Isolation bis zur Symptomfreiheit.

6.5.7. Diphtherie

Meldepflicht nach IfSG (▶ 6.11).Diphtherie

Erreger   Corynebacterium diphtheriae Corynebacterium diphtheriae. In D immer wieder sporadische Erkr. bzw. Kleinepidemien. Verbreitung durch Tröpfcheninf.

Sterblichkeit 10 %, nicht rückläufig. Oft relativ späte Diagnosestellung durch mangelnde Kenntnis der Erkr.

Klinik

  • Tonsilläre Diphtherie: Halsschmerzen, Unwohlsein, Fieber zu Beginn. Entwicklung zunächst dünner, grauer, spinnwebartiger Membranen. Blutung bei Entfernung. Schwellung der LK u. ausgedehnte ödematöse Schwellung im Halsbereich. Bei Beteiligung des Gaumens Verlauf abh. von der gebildeten Toxinmenge. Gaumensegellähmung möglich, auch Kreislaufsympt.

  • Kehlkopfdiphtherie („echter Krupp Krupp, echter “): durch Ausbreitung der Pseudomembranen Heiserkeit, Stridor, Atemnot. Plötzliche Todesfälle durch abgelöste u. dann obstruierende Membranen

  • Hautdiphtherie: Ulkus mit scharf begrenztem Rand u. membranösem Grund. Ähnlich: Nabel-Diphtherie

  • Nasale Diphtherie (bei Sgl.): Beginn wie Schnupfen, zunehmend obstruierende weißliche Beläge, werden dann sanguinolent, übler Geruch, langsame Toxinfreisetzung

Inkubationszeit  2–5 d, aber auch länger.

Differenzialdiagnosen  Eitrige Tonsillitiden/Tracheobronchitiden anderer Ursache (EBV, Streptok.), Pseudokrupp, Epiglottitis, laryngeale Obstruktion anderer Ursache (▶ 14.3.2), leukämische Infiltration der Tonsillen.

Diagnostik  Abstrich vom Rand o. unter den Pseudomembranen. Toxinnachweis im Neutralisationstest sehr schnell möglich, aber nicht überall verfügbar, ansonsten ELISA.

Antitoxinnachweis zur Bestimmung der Immunlage. Der Schutz hängt von der Toxinogenität der Erreger ab. Eine Erkr. trotz Impfschutz ist möglich, verläuft aber i. d. R. harmloser.

Therapie  Antitoxin 500–2 000 IE/kg KG, gleichzeitig antibiotisch zur Keimelimination: Penicillin 14 d.

Komplikationen  Systemischer Verlauf, Myokarditis (mit Folgeschäden), meist ab der 2. Krankheitswo. Paralysen (Gaumen, Hirnnerven, aber auch peripher), meist reversibel.

Prophylaxe  ImpfungDiphtherieImpfung (Impfplan ▶ 6.12.1). Passive Immunisierung (einmalig 3 000 IE). Isolierung. Umgebungsprophylaxe von Kontaktpersonen (Erythromycin 7 d, tgl. klin. Kontrollen, Kontroll-Abstrich vor Beginn u. nach Ende der AB). Isolierung.

6.5.8. Escherichia coli

Image 19

„Normale“ E. coli sind bei Escherichia coliNG einer der häufigeren Sepsiserreger. Ansonsten normaler Darmkeim, aber wichtig bei HWI jenseits des Säuglingsalters.

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Differenzialdiagnosen  Enteritiden durch andere Erreger.

Escherichia-coli-Stämme  Einige Stämme (gekennzeichnet durch Oberflächenantigene bzw. Toxine) haben bes. pathogenetische Bedeutung (Auswahl der häufigsten):

  • Enterotoxisch (ETEC): häufiger Diarrhö-Erreger, v. a. in den Tropen (Reisediarrhö)

  • Enteropathogen (EPEC): bes. im 1. Lj., durch mangelnde Hygiene gelegentlich Ausbreitung in Gemeinschaftseinrichtungen

  • Enterohämorrhagisch (EHEC) = STEC Shigatoxin (SLT) bzw. VTEC = Verotoxin: hämorrhagische Kolitis, daher blutige Stühle. Als KO HUS (5–15 % bei Kindern) (Ausbruch 2011 HUSEC41-Stamm; ▶ 8.3.5, ▶ 17.1.5)

Diagnostik  Durch Keimnachweis in Stuhl, Blutkultur, Liquor, bei enteropathogenen Stämmen ggf. Toxinnachweis mit PCR.

Therapie  Sympt., ausreichender Flüssigkeitsersatz. Antibiotisch nur bei invasiver E. coli-Inf. bei NG/Sgl. u. HWI.

Prophylaxe  Bei Enteritis Isolierung, bei Massenerkr. Meldepflicht.

6.5.9. Gonokokken

Erreger   Neisseria gonorrhoeae, spielt bei Kindern keine große Rolle.

Klinik

  • Bei NG: eitrige Konjunktivitis. Als Folge bei mangelhafter Ther. → Erblindung, selten, aber nach Aufgabe der Credé-Prophylaxe prinzipiell wieder möglich. Disseminierte Inf. möglich

  • Bei Inf. im späteren Kindesalter: an sexuellen Missbrauch denken

Therapie  Ceftriaxon: Konjunk. u. unkompl. als ED i. m.; dissem. 7 d i. v., Meningitis 14 d i. v.

6.5.10. Haemophilus influenzae

Image 20

Häufiger Keim Haemophilus influenzaebei Otitiden, Sinusitiden, Tracheitis etc., v. a. bei Superinf. nach viralen Erkr. Invasive Erkr., hervorgerufen durch Typ B (HiB): Epiglottitis (fast immer HiB), Meningitis (seit Impfung sehr selten), Pneumonien, septische Arthritiden, HWI, Endokarditis etc., alle relativ selten durch HiB.

Invasive Infektionen seit der Impfung häufiger durch non-b-Typen.

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Klinik  Obere Atemwegsinf. (Otitis etc.), aber auch Pneumonien, bes. bei Mukoviszidose o. a. Risikopat. Invasive Erkr. durch Typ B. Meningitis (▶ 6.4.2), Epiglottitis (▶ 14.3.2).

Differenzialdiagnosen  Inf. durch andere bakt. Erreger. Epiglottitis: viraler Krupp, Aspiration/Fremdkörper (Diphtherie).

Diagnostik  Erregernachweis in Liquor, Sputum, Blutkultur, Bronchialsekret etc.

Therapie  Bei invasiven Erkr. Cefotaxim o. Ceftriaxon, bei nichtinvasiver Erkr. Amoxicillin/Clavulansäure.

Prophylaxe  ImpfungHaemophilus influenzaeImpfung (s. Impfplan ▶ 6.12.1). Umgebungsprophylaxe bei invasiven Erkr. in Familien mit mind. einem Kind < 5 J. Indexpatient u. Familienmitglieder (u. enge Kontaktpersonen) Rifampicin 20 mg/kg KG/d in 1 Dosis für 4 d, Maximaldosis 600 mg, Sgl. im 1. LM 10 mg/kg KG. Isolierung bis 24 h nach Beginn d. Antibiose nötig.

Image 21

Rifampicin ist teratogen, daher bei erw. Kontaktpersonen nach SS fragen!

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6.5.11. Legionellen

Erreger   Legionella pneumophila. Verbreitung Legionellendurch Warmwasser (60 °C), wobei inhalierter Nebel z. B. beim Duschen zur Inf. führen kann. Ferner in Klimaanlagen etc. Bei jüngeren Kindern extrem selten.

Klinik  Hohes Fieber, schweres Krankheitsgefühl mit grippeähnlichen Sympt., atyp. Pneumonie mit geringem klin. Lokalbefund, Muskelschmerzen. Bei ca. ⅓ begleitende Diarrhö.

Inkubationszeit  1–10 d.

Diagnostik

  • Erregernachweis durch PCR aus Rachenabstrich, Sputum, Trachealsekret Methode der Wahl

  • Antigen-Nachweis im Urin möglich

  • !

    Rö-Thorax: fleckige Infiltrate, die konfluieren können

Therapie  Clarithromycin 15 mg/kg in 2 ED 5–10 d, ggf. länger (Immunsupp.) o. Azithromycin 10 mg/kg in 1 ED für 5 d.

Komplikationen  Bei 3 % Nierenversagen.

Prophylaxe  Keine Isolierung nötig.

6.5.12. Leptospirose

Weltweit verbreitete LeptospiroseZoonose, „emerging disease“. Meldepflicht nach IfSG (▶ 6.11).

Erreger   Leptospira, 20 Serogruppen. Gramneg., aerob. Reservoir: Wild- u. Haustiere, primär Ratten u. Mäuse. Übertragung durch Urin, Blut, Erde, Wasser, Eintritt durch Haut, Schleimhaut, GI-Trakt. Exposition durch Freizeitaktivitäten („Abenteuer“) nimmt zu. Inkubationszeit 7–14 d.

Klinik  Beide Formen biphasisch. Leptospirämie 3–7 d, danach 2. Phase mit Organmanifestation. Gesamtdauer 4–30 d.

  • Anikterische Leptospirose (90 %): hohes Fieber, red. AZ, Kopfsz., Myalgien, BS, Übelkeit, Erbrechen, Konjunktivitis. 2. Phase nach Entfieberung: schwerste Kopfschmerzen, Meningismus (häufigste Manifstetation d. anikt. L.)

  • Ikterische Form (Weil-Krankh., 10 %, Letalität 5–15 %): Beide Phasen gehen fließend ineinander über. Leberbeteiligung mit starker Bilirubinerhöhung, Vaskulitis, Nierenbeteiligung (obligat) mit Kreatininerhöhung u. Kaliumverlust, Thrombopenie, DIC, pulmonale Beteiligung.

Diagnose  1. Krankheitswoche Erregernachweis (PCR) aus Blut, Liquor, Urin, Gewebe, 2. Krankheitswoche Serologie (Tieranstieg, MAT nur in Speziallaboren Sicherheitsstufe 2, ELISA mit geringerer Sensitivität).

Therapie  Leichte Formen symptomatisch. Schwere Verläufe Penicillin G 100k IE/kg/d in 3 ED max. 1,5 Mio. IE. Bei Allergie Doxycyclin (> 8 J.). Cave: Jarisch-Herxheimer-Reaktion, ggf. Steroide bei Ther.-Beginn.

Komplikationen:  Meningitis, chron. Uveitis (Visusminderung), Nephritis mit Nierenversagen, Pankreatitis, Cholezystitis, Blutungen.

6.5.13. Listeriose

Erreger   Listeria monocytogenes Listeria monocytogenes. ListerioseVorkommen bei Tieren, v. a. Vieh, Kleintieren u. Wild. Rohmilchprodukte (Kühe, Ziegen u. Schafe) können Erreger übertragen. Bedeutung bes. in der Neonatologie. Plazentagängig, dadurch Auslösung von Aborten u. Fetopathien. Inkubationszeit bei Lebensmittelinf. 3–21–70 d.

Klinik

  • Beim Erw. o. größeren Kind uncharakt. Symptome, grippeähnlich, mit LK-Schwellung, Hepatitis, selten generalisierte Inf.

  • Fetopathie (Early-Onset-Inf., häufiger) u. postnatale (Late-Onset-)Inf.: meist septische Erkr., mit Absiedelung von Keimen in viele Organe. An der Haut miliar verteilte Granulome. Symptome wie bei NG-Sepsis. Prognose bei fetaler Inf. sehr schlecht (Mortalität 15–50 %), bei postnataler Inf. häufiger Meningitis, Mortalität 10–20 %, oft Hydrozephalus u. Anfälle

  • Bei Aspiration der Keime aus dem Fruchtwasser auch oligosympt. Form mit miliarer Aussaat in der Lunge

Differenzialdiagnosen  Sepsis anderer Genese.

Diagnostik

  • Kultureller Nachweis: Fruchtwasser, Mekonium, Blutkultur, Liquor, Stuhl u. Abstrichen des NG, Vaginalsekret der Mutter (Meldepflicht!). Antibiogramm wg. sehr unterschiedlicher Resistenz

  • Ak-Nachweis/PCR zu unsicher

Therapie  Ampicillin (14 d, bei ZNS 21 d) + Gentamicin (die ersten 5–7 d). Endokarditis: 6 Wo.

Komplikationen  Folgeschäden Hydrozephalus, ICP u. Entwicklungsstörungen.

Prophylaxe  In der SS Vermeidung von Rohmilch(-käse), Weichkäse, ungegarten Speisen, längerer Aufbewahrung nach dem Kochen (kalte Platte).

6.5.14. Lues

Erreger   Treponema pallidum Treponema pallidum Lues(Spirochäten). Konnatale Inf.: transplazentarer Übergang, meist im letzten Trimenon (ca. 0–5 Fälle/J.). Sehr selten bei sexuellem Missbrauch.

Klinik der konnatalen Lues  Bei früher fetaler Inf. meist Abort bzw. frühzeitiger Tod.

  • Frühzeichen: dickflüssiger Schnupfen, Atemnot-Sy., Osteochondritis mit Pseudoparalyse, Pemphigoid (bis pfenniggroße Blasen, bes. an den Fußsohlen, mit eitrigem Sekret). Hepatosplenomegalie; mit 3–6 Mon. Krampfanfälle, Hydrozephalus

  • Spätzeichen (nach Jahren): Sattelnase, tonnenförmige Schneidezähne mit typ. Schmelzdefekten, Skelettabnormitäten (Säbelscheidentibia u. a.)

Differenzialdiagnosen  Andere Inf., Osteomyelitis, Epidermolysis bullosa.

Diagnostik  Serologische Stufendiagnostik. Immer Liquordiagnostik bei mütterl. Lues.

Therapie  Penicillin 200k–250k IE/kg/d i. v. für 14 d. Keine Resistenzen.

Komplikationen  Schockähnliche Herxheimer-Jarisch-Reaktion bei Beginn der Penicillin-Ther. durch massenhaften Keimzerfall.

Image 22Hautblasen enthalten Erreger!

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6.5.15. Meningokokken

Meldepflicht nach IfSG (▶ 6.11) bei Meningokokkeninvasiver Erkrankung.

Erreger   Neisseria meningitidis, 12 Serogruppen, wichtigste Typen für Meningitiden A–C. In Mitteleuropa meist Typ B (Inkubationszeit 2–7 d). Häufig symptomlose Träger, asympt. Inf. o. harmlos verlaufende Inf. im Nasen-Rachen-Raum. Wichtiger Erreger der bakt. Meningitis, bes. bei KK. Sepsis mit Hautnekrosen u. Hämorrhagien.

Klinik

  • Meningitis (▶ 6.4.2)

  • Sepsis (▶ 6.4.1 ): Mit o. ohne vorausgehende unspez. Infektzeichen. Rascher Verfall, stark red. AZ, petechiale Blutungen, die sich purpuraähnlich vergrößern, bis hin zu großflächigen Hautblutungen u. Zeichen der dissem. Gerinnungsstörung. Fulminanter Verlauf mit Multiorganversagen u. hämorrhagischer Infarzierung der NN-Rinde (Waterhouse-Friderichsen-SyndromWaterhouse-Friderichsen-Syndrom). Häufig innerhalb weniger Stunden vom Wohlbefinden zum Vollbild. Nicht immer begleitende Meningitis, reine Bakteriämie hat schlechteres Outcome als mit Meningitis.

  • !

    Hohe Mortalität (bis 25 %), häufig Defektheilung, z. B. durch Nekrosen!

Differenzialdiagnosen  Generalisierte Vaskulitiden anderer Ursache, Sepsis durch andere Erreger.

Diagnostik  Kultureller Erregernachweis in Blutkultur, Liquor, Abstrichen.

Image 23Therapie.

  • Septische Verlaufsformen u. Meningitis sind ein absoluter Notfall: sehr schneller Ther.-Beginn u. intensivmed. Überwachung. Cefotaxim 200 mg/kg/d in 4 Dosen. Ggf. Dexamethason additiv um Endotoxinschock zu vermeiden

  • Meist intensive Schockther. mit massiven Volumengaben nötig, bei dissem. Gerinn. Faktorengabe, Empfehlungen der intensivmed. Ther. haben sich oft geändert (akt. Prot. C, Heparinisierung, Steroide usw.)

Alt-text: Unlabelled Box

Komplikationen

  • Nach Meningitis: häufig Taubheit, Blindheit, Krampfanfälle, Hirnnervenausfälle, Hydrozephalus

  • Nach Sepsis: NNR-Blutungen, Abszesse in verschiedenen Organen, Gelenken. Durch Nekrosen häufig erhebliche Narben o. Amputationen

Prophylaxe  ImpfungMeningitisImpfung: gegen Typ C ab dem 2. Lj. empfohlen, gegen Typ B aktuell nur als Indikationsimpfung, ansonsten Reiseimpfung (ACWY). Bei Komplementdefekten, Asplenie, Eculizimab-Ther., Hypogammaglobulinämie: ACWY- u. B-Impfung empfohlen.

Chemoprophylaxe: enge Kontaktpersonen (Familie, enge Schulkontakte etc.): Rifampicin 20 mg/kg KG/d in 2 Dosen für 2 d, im 1. LM 10 mg/kg KG/d, Maximaldosis 1 200 mg/d. Impfung der Haushaltskontakte gegen entspr. Serogruppe.

Isolierung bis 24 h nach Beginn der Antibiose.

Image 24Rifampicin ist teratogen, bei erw. Kontaktpersonen nach SS fragen! Alternative bei Erw. Ciprofloxacin ED.

Alt-text: Unlabelled Box

6.5.16. Mykoplasmen

Erreger   Mycoplasma pneumoniae. MykoplasmenMeist respiratorische Inf., selten vor dem 5. Lj., aber in jedem Alter möglich, wenig kontagiös, daher Infektionsweg meist nicht nachzuvollziehen.

Klinik  Zu Beginn unspez. Krankheitszeichen, Fieber. Pneumonie, protrahierter Verlauf über 2–4 Wo. Otitis, Pharyngitis, Rhinitis, Asthmaexazerbation. V. a. bei kleineren Kindern oft urtikarielles Exanthem o. Erythema multiforme bis zum SJS.

Inkubationszeit  9–21 d.

Differenzialdiagnosen  Pneumonien durch andere Erreger.

Diagnostik

  • Goldstandard: PCR aus Rachenabstrich u. anderen Sekreten; Serologie selten nützlich (beweisend ist erst der Titeranstieg > 4 Stufen nach 2–3 Wo.)

  • Rö-Thorax: intertitielle, „atyp.“, zentrale Pneumonie, aber auch Lobärpneumonie

  • Meist CRP niedrig, BSG erhöht, Kälteagglutinine bei ca. 50 % pos.

Therapie Clarithromycin, ab 9 J. Doxycyclin, 7–10 d.

Komplikationen  Selten: Guillain-Barré-Sy., hämolytische Anämie, ulzerierende Stomatitis, Myokarditis, Enzephalitis, Polyarthritis, Pankreatitis, Vaskulitis, Hepatitis etc.

Prophylaxe  Nicht möglich. Isolation im Grunde nicht nötig.

6.5.17. Nicht tuberkulöse Mykobakterien (NTM)

Erreger  z. B. M. bovis, M. avium, M. chelonae, M. abscessus u. Mykobakterien, nicht tuberkulösezahlr. weitere Arten. Bei älteren CF-Pat. häufig Nachweis von NTM, dann unterschiedliche Relevanz (M. abscessus gefährlich). Häufiger Grund für schmerzfreie, chronische unilaterale Lymphadenopathie bei Kleinkindern. Spontane Fistelbildung mit langwieriger Ausheilung häufig, wenn der LK nicht vorher operativ entfernt wird.

Klinik:  Klinische Diagnose bei charakteristischem Befund. V. a. NTM besteht bei zervikofazialer Lymphadenitis (87 % submandibulär, geringes Fieber in 20 %) und:

  • < 5 J.

  • Subakut/chronisch, unilateral

  • Nicht schmerzhaft

  • Ausbleibender Besserung auf staphylok.- u. streptok.-wirksame Ther.

  • Guter AZ

  • Rosa-violette Verfärbung u. Ausdünnen der Haut

Diagnosesicherung durch PCR aus Fistelgang o. Gewebe. Tuberkulin-Hauttest oft positiv, unterscheidet aber nicht zwischen NTM u. TB (> 15 mm hinweisend auf TB).

Therapie:  Chirurgische Exzision – kurativ u. zur Sicherung der Diagnose. Keine Inzision/Drainage wegen chronischer Fistelbildung. OP hat ein besseres kosmetisches Outcome als die reine Beobachtung. Zuwarten ist dennoch eine valide Möglichkeit, da selbstlimitierende Erkrankung. Isolierung: Nicht zusammen mit nicht besiedelten CF-Patienten legen.

6.5.18. Pertussis

Meldepflicht nach IfSG (▶ 6.11) schon Pertussisbei Verdacht.

Erreger

  • Bordetella pertussis: KeuchhustenKeuchhusten. Keime wachsen nur auf Respirationsepithel, bilden Toxin, das den Husten zentral auslöst (daher Apnoen bei Sgl. möglich)

  • Bordetella parapertussis: geringere Bedeutung, ähnliche, leichtere Erkr. Getrennte Serologie, keine Kreuzreaktion! Ähnlich: B. bronchiseptica

Klinik

  • Katarrhalisches Stadium (1–2 Wo.): Rhinitis, leichter Husten, unspez. Infektzeichen

  • Konvulsivisches Stadium (2–4 Wo., teils länger): Hustenanfälle häufiger u. intensiver, v. a. nachts stakkatoartiger Husten mit 10–20 Hustenstößen, dadurch schrittweise immer intensivere Exspiration, am Ende langer stridoröser Atemzug. Während des Anfalls unterschiedlich ausgeprägte Zyanose. Anschließend Würgen o. Erbrechen, Produktion von glasig aussehendem Schleim. Anfälle werden ausgelöst durch Essen, Trinken etc. u. durch Racheninspektion!

  • !

    Bei Sgl. oft keine typ. Hustenanfälle, stattdessen Apnoen. Dadurch Mortalität in den ersten 6 Mon. ↑, Ind. zur stat. Aufnahme u. Monitorüberwachung!

Inkubationszeit  5–10(–21) d.

Differenzialdiagnosen  Pneumonie, Bronchiolitis (RSV, Adenovir.), Fremdkörper.

Diagnostik

  • BB: Leukozytose oft 20 000–50 000/μl, mit relativer Lymphozytose, ab konvulsivem Stadium. BB-Veränderungen nicht obligat.

  • Erregernachweis: PCR aus Nasen-Rachen-Abstrich (Spezialtupfer, Labor fragen). Serologie nur in Ausnahmen (Titeranstieg erst i. d. 2.–3. Krankheitswo.)

Therapie  < 6 Mon. stat. Überwachung (bis 48 h keine Apnoe beobachtet wurde). Im 1. LM: Azithromycin 10 mg/kg KG in 1 ED für 5 d. Ab 2. LM: Clarithromycin 15 mg/kg KG/d (max. 1 g) in 2 ED für 7 d. Nutzen: Keimelimination nach 5 d (daher immer indiziert bis 3 Wo. nach Beginn), Einfluss auf den Verlauf nur bei frühem Beginn (St. Katarrhale) .

Komplikationen  Pneumonie, selten auch interstitiell; Enzephalitis; Krampfanfälle, Pneumothorax, Rippenbrüche, bei Erw. höhere KO-Rate (auch Leistenhernie, Inkontinenz u. a.). Bei Sgl. Apnoen, mögl. Ursache von SIDS.

Prophylaxe  ImpfungPertussisImpfung, Auffrischung alle 10 J. (Impfplan ▶ 6.12.1, Impfung v. Schwangeren u. deren Haushaltsmitgliedern). Umgebungsprophylaxe (wie Ther.): Sgl. u. Menschen mit Kontakt zu gefährdeten Personen (Sgl.!) auch bei Impfschutz (Geimpfte können Überträger sein). Andere: wenn keine Impfung i. d. letzten 5 J.

Isolierung: mind. 5 d nach Beginn der Antibiose.

Image 25Wg. der Gefährdung junger Sgl. (kein Nestschutz!) immer nach entsprechenden Kontakten fragen, ggf. antibiotische Prophylaxe!

Erkr. nach Impfung sind möglich, meist im Schulalter bzw. > 5 J. nach der letzten Auffrischung.

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6.5.19. Pneumokokken

Erreger   Streptococcus pneumoniae. PneumokokkenÜber 70 durch Kapselantigene unterscheidbare Typen. Oft bei Gesunden zu finden.

Klinik  Je nach Organmanifestation. Bei NG wichtiger Sepsis- u. Meningitiserreger. Häufigster bakt. Pneumonieerreger, zudem Pleuraempyem, abszedierende Pneumonie. Meist Otitis, Sinusitis, Pharyngitis, seltener Peritonitis, Sepsis, Perikarditis, HUS u. weitere Organmanifestationen. Gehäufte Inf. (Sepsis) bei Fehlen der Milz, nephrotischem Sy., Sichelzellanämie u. Hämoglobinopathien.

Diagnostik  Kultureller Erregernachweis in Abstrichen, Blutkulturen, Liquor etc. Bei allen systemischen Inf. Antibiogramm. Bei invasiver Erkr. Typisierung durch Referenzzentrum empfohlen (www.nrz-streptococcus.de).

Therapie  Penicillin, Dosis/Dauer je nach Manifestation, Amoxicillin möglich. Bei Allergie Erythromycin (ca. 10 % Resistenz).

Prophylaxe  ImpfungPneumokokkenImpfung aller Sgl. mit 13-valentem Konjugatimpfstoff, bei Risikopat. (s. RKI) Folgeimpfung n. 6–12 Mon. mit PPSV23 2. Bei Asplenie (auch funktionell bei Sichelzellanämie) Dauerprophylaxe mit Penicillin. Isolierung: Basishygiene.

6.5.20. Pseudomonas aeruginosa

Erreger  Wasserkeim, bes. Pseudomonas aeruginosain „stehenden Gewässern“, z. B. Siphon, Toilette, aber auch in „sauberen“ Leitungen, Sprudlern, Beatmungsgeräten, Verneblern etc. Opportunistischer Erreger bei CF, bei immunolog. inkompetenten Pat., NG, Malignompat., nach Verbrennungen, in Kathetern u. a. implantierten Fremdkörpern. Häufiger Hospitalkeim.

Klinik bei Organerkrankungen  Im Prinzip können alle Organe betroffen sein, bes. bei Immundefekten. An der Haut (bei NG, selten später) fortschreitende tiefe Abszesse mit nachfolgender Nekrose u. letalem Ausgang.

Diagnostik  Kultureller Nachweis in Sputum, Blutkultur, Liquor, Abstrichen etc.

Therapie  Antibiotische Ther. oft schwierig, da in vielen Fällen Multiresistenz. Antibiogramm kann in relativ kurzer Zeit wechseln bzw. mehrere Stämme bei einem Pat. Die wenigsten Resistenzen gibt es derzeit gegen Aminoglykoside, einige Cephalosporine (z. B. Ceftazidim, Cefepim) sowie Carbapeneme (Imipenem, Meropenem) u. Fosfomycin, Dosierungen ▶ 28. Bei CF auch orale Ther. mit Ciprofloxacin u. parallel Inhalation mit Colistin, Tobramycin o. Aztreonam. Bei schleimbildenden Stämmen (Alginatkapsel) meist nur Keimreduktion möglich, Elimination bei chron. kranken Pat. kaum zu erreichen (CF ▶ 14.6).

Prophylaxe  Hygiene! Bei CF-Pat. besteht die Gefahr, dass sie ihre Stämme in der Klinik „austauschen“, daher vorsorgliche Isolierung Pseudomonas-pos. Pat. möglichst auch untereinander, auf jeden Fall von P.-aeruginosa-neg. CF-Pat. Übertragung durch Lungenfunktionsgeräte etc. ist sehr unwahrscheinlich.

6.5.21. Salmonellen

Erreger

  • Salmonella enteritidis, typhimurium u. a.: Salmonellenzahlreiche, oft nach Orten benannte Untertypen (ca. 2 500 Serovare). Inf. über kontaminierte Lebensmittel bzw. Schmierinf. von Mensch zu Mensch. Häufigste Ursache bakt. Darmerkr., meist Spätsommer. Seltener Osteomyelitis. Bei NG, Sgl., Eisenüberladung bei Hämoglobinopathien u. immunolog. auffälligen Pat. auch Sepsis u. Meningitis (bei bis zu 10 % der Inf. bei diesen Pat.-Gruppen)

  • S. typhi (▶ 6.5.28)

Klinik  Abrupter Beginn mit Fieber, Übelkeit, Erbrechen, abdom. Krämpfen, dann wässrigen Stühlen, die Schleim u. Blut enthalten können. Besserung meist nach 2–5 d. Lebensbedrohliche Verläufe selten. Oft subklin. Erkr.

Inkubationszeit  8–72 h.

Differenzialdiagnosen  Enteritiden durch andere Erreger.

Diagnostik  Erregernachweis in Stuhl (Blutkultur, Liquor). Ärztl. Meldepflicht nur bei Häufung, ansonsten Labormeldepflicht (▶ 6.11)!

Therapie

  • Sympt. wie bei Durchfallerkr.

  • Bei NG u. Sgl. < 6 Mon.: Ampicillin (200–300 mg/kg KG/d) o. Amoxicillin (100 mg/kg KG/d). Bei invas. Erkr. (z. B. Osteomyelitis) Ceftriaxon.

  • !

    Durch Antibiotika wird die Rate der Dauerausscheider erhöht, sodass Antibiotika bei älteren Kindern u. Erw. bei Enteritis ohne septische KO kontraindiziert sind!

Komplikationen  Jenseits des Sgl.-Alters selten, aber rez. Bakteriämien möglich mit folgender Osteomyelitis u. sept. Arhtritis ▶ 6.4.4 (häufiger aber reakt. Arhtitis). Nach typ. Enteritis werden Salmonellen häufig noch über einige Wochen ausgeschieden, daher Handhygiene auch nach klin. Ausheilung beibehalten. Besuch v. Gemeinschaftseinrichtungen, wenn keine Symptome mehr bestehen.

Isolierung: Einzelzimmer bei mangelnder Compliance.

6.5.22. Shigellen

Erreger  4 Spezies (Shigella dysenteriae, flexneri, boydii, sonnei) mitShigellen zahlreichen Serovaren. Weltweite Verbreitung, in Europa relativ selten. Meist nur Einzelerkr. bzw. Kleinepidemien. Übertragung durch Schmierinf. von Mensch zu Mensch, nicht tierpathogen. Hohe Kontagiosität, bereits 200 Keime können Inf. auslösen!

Klinik  Beginn mit kolikartigen heftigen Bauchschmerzen, hohem Fieber, meist am 3. Krankheitstag beginnende, sehr häufig schleimige u. blutige Durchfälle. Dadurch schnell eintretende Dehydratation.

Inkubationszeit  1–7 (meist 2–4) d.

Differenzialdiagnosen  Zu Beginn Verwechslung mit Meningitis u. septischen Krankheitsbildern möglich, ansonsten andere bakt. Darmerkr., Campylobacter, Amöben, Rotaviren.

Diagnostik  Keimnachweis im Stuhl. Serologie wenig aussagekräftig. E'lytstatus, BGA.

Therapie  Flüssigkeits- u. E'lytersatz. Antibiotika-Ther. kürzt Krankheitsverlauf u. Keimausscheidung ab. Ceftriaxon 80–100 mg/kg als ED i. v., max. 2 g, dann nach Antibiogramm, 5 d, bei KO 7–10 d.

Komplikationen  Initial Krampfanfälle (10–40 % der hospitalisierten Pat., Ursache unklar). Selten septische Verläufe, sehr selten HUS (meist bei Shigella dysenteriae).

Prophylaxe  Isolation, bis 3 Stuhlproben negativ waren.

6.5.23. Staphylokokken

Erreger   Staph. aureus ist der wichtigsteStaphylokokken Eitererreger der Haut(anhangsgebilde), aber auch der Inf. anderer Organsysteme, z. B. Pneumonie, Osteomyelitis, Meningitis, Endokarditis, HWI. Eine Unterklassifizierung ist bei atyp. Klinik u. epidemiolog. Fragestellungen sinnvoll.

  • Exotoxinbildende Stämme: von bes. Bedeutung exfoliatives Toxin = Lyell-Sy. (staphylococcal scalded skin syndrome, SSSS) u. Toxic-shock-syndrome-toxin 1 (TSST-1).

  • Enterotoxinbildende Stämme sind die häufigste Ursache von „Lebensmittelvergiftungen“.

  • MRSA: s. u.

  • PVL: Panton-Valentin Leukozidin-produzierende Stämme sind bes. virulent, mit erhöhter Morbidität u. Mortalität assoziiert, teils auch multiresistent

  • Staph. epidermidis: in der Neonatologie u. als opportunistischer Keim bei Immundefizienz o. implantiertem Fremdmaterial (zentrale Katheter) von Bedeutung

Klinik

  • Abszesse: meist staphylok.-bedingt, oft Vorerkr. bzw. Verletzung, anschließend Superinf. mit Einschmelzung u. meist gelblichem Eiter. Bei sehr ungewöhnlichen, ausgedehnten o. rezid. Staphylok.-Inf./-Abszessen an Immundefekte denken (▶ 15.2)

  • (Nekrotisierende) Fasciitis: durch lokale Toxinbildung schwere nekrotische Erkrankung der Faszien u. der Weichteile mit desaströsem Verlauf. Frühes Warnzeichen: Diskrepanz extremer Schmerzen bei noch mildem klinischem Befund

  • Impetigo wie bei Streptokokken. Bei Staphylodermie NG rasche Ausbreitung über den Körper. Entstehen einer septischen Allgemeininf. möglich, mit Pneumonie, Osteomyelitis u. Arthritis. Sehr hohe Kontagiosität

  • Staphylococcal scalded skin syndrome (SSSS, Lyell-Sy.Lyell-Syndrom ): unspez. Beginn mit Fieber u. allg. Infektzeichen. Generalisiertes Erythem, makulöse Effloreszenzen, die sich schnell ausbreiten, Übergang in Blasenstadium mit sehr großflächigen Blasen, teils mit Ablösung größerer Hautbezirke (wie Schuh o. Handschuh). Blasenbildung auf Druck

  • Enterotoxinbedingte Durchfälle: beginnen sehr plötzlich, oft bereits 1 h nach „Genuss“ des verantwortlichen Nahrungsmittels, fast wässrig, mit Tenesmen u. allg. Schocksympt. bis hin zu Kreislaufkollaps u. Bewusstlosigkeit

  • Toxisches Schock-Sy. (STSS) Durch TSST-1. Unspez. Krankheitssymptome, Fieber, Erythrodermie, art. Hypotonie, Schocksymptomatik (wie septischer Schock), z. B. durch Staph. aureus besiedelte Tampons bei menstruierenden Mädchen u. Frauen, selten! Auch durch toxinbildende Streptokokken möglich

Differenzialdiagnosen

  • Staphylodermie des NG: Epidermolysis bullosa

  • Lyell-Sy.: bei Kindern (bis 10 J.) fast immer durch Staphylok., bei Erw. fast immer medikamentös/toxisch. Unterscheidung durch mikroskopische Unters. von Blasendecke (Gefrierschnitt) bzw. -inhalt. Staphylok.-bedingt: intraepidermale Trennung, Blasendecke enthält keine Basalmembran, im Inhalt einzelne Epidermiszellen. Toxisch bedingt: subepidermale Trennung an der Basalmembran, gesamte Epidermis gelöst

  • Enterotoxinbedingte Erkr.: akute Durchfälle anderer Genese, allergisch o. anderweitig bedingter Schock. Unterscheidung: Bei Enterotoxin sind meist mehrere Personen betroffen; anamnestisch verdorbene o. leicht verderbliche Lebensmittel (z. B. Mayonnaise)

  • Toxisches Schock-Sy.: septischer Schock anderer Genese (Pneumokok., Meningok.)

Diagnostik  Bakteriolog. Nachweis aus Abstrich, Eiter, Bronchialsekret, Blutkulturen etc.

Therapie

  • Bei leichteren Hautinf. lokal desinfizierend. Abszesse: chirurgisch

  • Impetigo contagiosa: oral Cefadroxil 50 mg/kg/d in 2 ED 7 d

  • Bei schweren Inf. sowie bei NG systemische antibiotische Behandlung, z.B. Cefazolin (i. v.), Amoxicillin/Clavulansäure (i. v./p. o.), Flucloxacillin (i. v.), Cefadroxil (p. o.), Cefaclor (p. o.)

  • Bei SSSS u. TSSS: immer i. v., wie oben + Clindamycin (hemmt Toxinbildung)

  • Bei Fasciitis: wie oben + Clindamycin + Immunglobuline + radikales Débridement, meist Intensivstation

Prophylaxe  Nur durch Hygiene! 20–40 % der Bevölkerung sind mit Staph. aureus besiedelt.

Image 26MRSA (methicillinresistenter Staph. aureus).

Die Häufigkeit MRSAdieses StaphylokokkenmethicillinresistenteProblemkeims ist bei Kindern in den letzten Jahren stabil. Risikogruppen i. d. Päd. sind langzeithospitalisierte Pat., zuverlegte Pat. aus Ländern mit niedrigem Hygienestandard u. ausufernder Antibiotikanutzung (Südeuropa, Asien, Afrika).

Empfohlen ist ein bakteriolog. Screening bei allen intensivmed. Pat. (Nasenabstrich bzw. Wunden o. Hautläsionen). Vorsorgliche Isolierung bis zum Vorliegen der Abstrichergebnisse bei Pat. aus dem Ausland.

Aktuelle KRINKO-Empfehlung bzgl. Hygiene u. Ther. über www.rki.de.

Zur Dekolonisierung (Indikation, praktische Durchführung) siehe www.mrsa-kinder.net.

Alt-text: Unlabelled Box

Image 27Prophylaxe: strengste Hygiene mit Isolierung, Mundschutz, Handschuhpflege, Schlussdesinfektion.

Ther.: Clindamycin, Vancomycin, Teicoplanin o. Linezolid sind meist wirksam.

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6.5.24. Streptokokken

Erreger  Zahlreiche UntergruppenStreptokokken („Lancefield-Gruppe“) u. Serotypen.

  • Gruppe A (S. pyogenes, β-hämolysierend): Pharyngitis, Scharlach, Impetigo, Tonsillitis, Otitis media, Erysipel, weitere Weichteil- u. Wundinf., seltener Pneumonien, akute Glomerulonephritis, Sepsis, Meningitis

  • Gruppe B (S. agalactiae, β-hämolysierend): wichtiger Sepsiserreger bei NG, mit Pneumonie o. Meningitis; ansonsten geringere Bedeutung, Otitis media, Endokarditis, Osteomyelitis

  • Gruppe D (S. faecalis, γ-hämolysierend): Endokarditis, HWI, Gallenwegs- u. Darminf., Peritonitis

  • Nicht typisiert/„vergrünende Streptok.“ (S. viridans, hämolysierend/Teilhämolyse): meist im Pharynx, Mitverursacher der Karies, Bedeutung als Endokarditis-Erreger (40 %) (▶ 7.8.1)

  • Gruppe C u. G: Tonsillitis, Pharyngitis, Weichteilinf.

  • Weitere Untergruppen (Lancefield E–O) spielen keine wesentliche Rolle

Klinik  S. auch bei den organbezogenen Krankheitsbildern!

  • Scharlach Scharlach : Nach einer Inkubationszeit von meistens 2–4 d (extrem 1–8 d) abrupter Beginn mit schnell steigendem Fieber bis > 40 °C, Halsschmerzen, allg. Krankheitsgefühl, Kopf- u. Gliederschmerzen. Exanthem u. Enanthem sind toxinvermittelt. Düsterrote Rachenhinterwand, Zunge anfangs weißlich belegt, bald samtartige gleichmäßige Rötung mit verdickten Papillen („Erdbeerzunge“). Exanthem am 2.–4. Krankheitstag, oft flüchtig o. fehlend, kleinfleckig, makulös, „wie Sandpapier“, dicht stehend bis konfluierend. Beginn an Leisten, oberem Thorax, Hals, Gesäß, dann mit zentrifugaler Ausbreitung, Aussparung der Perioralregion. Nach Abblassen des Exanthems unterschiedlich ausgeprägte Hautschuppung. Mehrfacherkr. möglich, Reinfektionen mit Streptok. häufig, dann meist ohne Exanthem. Sonderform: Wundscharlach, ausgehend von infizierten Wunden, auch nach OP

  • (Pharyngo-)Tonsillitis Tonsillitis : Halsschmerzen u. Fieber, geröteter Rachenring, vergrößerte gerötete Tonsillen mit weißen Stippchen, zerv. LK. Cave: bei < 3 J. quasi immer viral. Vorgehen: ab 3 J. McIsaac-Score McIsaac-Score : je 1 Punkt für Alter 3–14 J., Fieber, „kein Husten“, LK-Schwellung zervikal, Tonsillenexsudat. Bei ≥ 3 Punkte: Schnelltest, falls pos.: Penicillin 7 d

  • Erysipel, Impetigo (▶ 19.8)

  • Proktitis: hartnäckige perianale Rötung u. Schwellung, oft Stuhlverhalt, am häufigsten zwischen 3. u. 10. Lj. (S. pyogenes, GAS-Schnelltest aus Abstrich möglich)

  • Streptok.-B-Sepsis des NG:
    • Early-Onset-Sepsis (EOS) 1.–3. Lebenstag: oft sehr schneller Beginn, bes. bei vorzeitigem Blasensprung. In den ersten Lebensstunden bis -tagen klin. Verschlechterung, Tachypnoe, Einziehungen, Hypoxämie als Zeichen der prim. pulmonalen Inf. bei gleichzeitig auskultatorisch fast normaler Lunge
    • Late-Onset-Sepsis (LOS): nach 1–8 Wo. Beginn mit unspez. Zeichen, Trinkschwäche, Fieber, Tachypnoe, Stöhnen, Jammern, Meningitis, rascher Verfall möglich

Differenzialdiagnosen

  • Bei NG: Sepsis anderer Ursache, ANS, Vitium, Stoffwechselerkrankung

  • Scharlach: Virusinfekte (sehr häufig), Medikamentenexantheme, Kawasaki-Sy. (▶ 16.7)

Diagnostik  Nachweis in Abstrich u. Kultur (Blut, Liquor)

  • Schnelltest für Gruppe A aus Rachenabstrich ist die Diagnostik d. Wahl

  • Anti-Streptolysin- u. Anti-Streptodornase-AK haben geringen diagnostischen Wert im klinischen Alltag

Therapie  

  • Pharyngitis u. Scharlach: Penicillin V oral (▶ 27.4). Streptok. sind in 99 % penicillinempfindlich. Bei Allergie: Erythromycin

  • Bei septischem Verlauf, Endokarditis, v. a. NG-Pneumonie/-Sepsis zu Beginn Komb.-Ther. bis zum Erregernachweis (▶ 6.4.1)

Komplikationen  Folgeerkr.: Endokarditis (▶ 7.8.1), Glomerulonephritis (▶ 8.3.2), „rheumatisches Fieber“ (▶ 16.4.4), Chorea minor. Die antibiotische Behandlung verhindert keine Folgeerkrankungen.

Prophylax Die AB-Ther. ist durch die red. Ansteckung (nach 24 h keine Infektiosität mehr, ohne Antibiotika 7–10 d infektiös) indiziert. Symptomatische Haushaltsmitglieder mitbehandeln. Isolierung bis 24 h nach Beginn der Antibiose.

Image 28Typ. Scharlachfälle sind nicht sehr häufig. Die Diagnose „Scharlach“ ohne vorherigen Streptok.-Nachweis ist immer in Zweifel zu ziehen. Asympt. Träger werden nicht behandelt.

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6.5.25. Tetanus

Erreger   Clostridium tetani Clostridium tetani. TetanusToxinbildner. Ubiquitär verteilt, v. a. im Boden u. Staub. Dringt über verschmutzte Wunden ein, Wachstum im anaeroben Milieu, Bildung von Neurotoxin.

Klinik  Tonische, schmerzhafte Muskelkrämpfe, meist in der Nähe der Verletzung o. im Gesicht beginnend, dann Generalisierung. Krampfartige generalisierte Spasmen der Skelettmuskulatur, die durch Berührung o. a. Stimuli ausgelöst werden. Volles Bewusstsein!

Inkubationszeit  3–14 d.

Differenzialdiagnosen  Tetanie, z. B. durch Hyperventilation, Ca2 +-Mangel, Poliomyelitis, Tollwut.

Diagnostik

  • Toxinnachweis in spezialisierten Labors

  • Serologie zur Frage der Immunisierung: Schutzgrenzwert 0,01 IE/ml. Sicherer Schutz anzunehmen ab ≥ 0,1 IE/ml (jeweils ELISA)

Therapie  Tetanus-Immunglobulin 3 000–6 000 IE i. m. in 1 ED, dazu Antibiotika- Ther. mit Metronidazol 30 mg/kg/d in 4 ED 10–14 d. Skelettmuskelrelaxierung, Sedierung u. ggf. Beatmung. Mortalität hoch!

Prophylaxe

  • Impfstatus erfragen: Als vollständiger Impfschutz gilt: Kinder mit 3 (o. 4) Basisimmunisierungen u. regulärer Auffrischung

  • Saubere, geringfügige Wunden: Aktivimpfung bei < 3 Impfdosen o. ≥ 10 J. seit letzter Impfung; TIG(Tetanus-Ig)-Gabe, wenn ungeimpft o. unbek. Impfstatus

  • Alle anderen Wunden: Aktivimpfung bei < 3 Impfdosen o. ≥ 5 J. seit letzter Impfung; TIG-Gabe bei < 3 Impfdosen o. unbek. Impfstatus

  • Impfstoff: immer Kombinationsimpfstoff mit Diphtherietoxoid u. Pertussistoxoid nutzen, reine Tetanusimpfstoffe sind obsolet. < 6 J. TDaP, ab 6 J. Tdap (red. Toxoidgehalt); TIG-Dosis 250 IE; bei schweren Verl./unzureichender chir. Versorgung 500 IE

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  • Nicht immer sofort TetanusImpfungohne Rückfrage aktive Impfung beginnen, nur weil das Impfbuch nicht vorgelegt werden kann. Wenn auf diese Weise viele Impfungen in sehr kurzer Zeit erfolgen (< 4 Wo.), können heftige Lokalreaktionen o. Allgemeinreaktionen bis zum Schock auftreten, die nicht allergisch sind.

  • Bei Verbrennungspat. durch massiven AK-Verlust trotz Impfung Erkr. möglich!

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6.5.26. Tularämie

Synonym „Hasenpest Hasenpest “. Tularämie

Erreger   Francisella tularensis, gramneg. Stäbchen, 2 relevante Spezies: ssp. tularensis (Nordamerika, schwere Symptome, bis 30 % Letalität ohne Ther.), ssp. holarctica (Europa, Asien, Nordamerika, leichtere Symptome, häufige Spontanheilung). Hauptwirte (und Übertragung durch Kontakt zu) wildlebende Hasen u. Nager, zudem Zecken, Stechmücken. Hoch ansteckend, potenzielle Biowaffe. Steigende Inzidenz: 2016 < 10 Fälle/J. in D, seit 2017 > 50/J., primär Süddeutschland, hohe Dunkelziffer.

Klinik  Je nach Eintrittspforte. Meist plötzlicher Beginn mit hohem Fieber.

  • Ulzeroglanduläre Form (45 %): kleine, schlecht heilende Ulzeration an Eintrittspforte, schmerzhafte regionale LK-Schwellung, nach 1–2 Wo. oft vesikulopap. Exanthem an d. Extremitäten

  • Glanduläre Form (15 %): wie oben, ohne Ulzerationen

  • Typhoidale Form (10 %): Erkrankung ohne Organmanifestationen

  • Oropharyngeale Form (primäer in osteurop. Staaten und d. Türkei): membranöse Pharyngitis, Tonsillitis.

  • Pulmonale Form (15 %): Dyspnoe, Husten, mediastinale Lymphadenopathie, Pneumonie, Pleuritis

  • Seltene Manifestationen: okuloglanduläre Form (ulzerierende Konjunktivitis), meningeale Form

Differenzialdiagnosen  LK-Schwellung anderer Ursache (▶ 6.1.2).

Diagnostik  PCR aus Wundmaterial (vor Probenentnahme Kontakt Referenzlabor). Serielle Serologie (4-facher Titeranstieg beweisend).

Therapie  Ciprofloxacin 30 mg/kg/d in 2 ED, 10–14 d, max. 1 g. Schwere Form: Kombination mit Gentamicin 5 mg/kg 1 ×/d.

Prophylaxe  Zecken- u. Mückenschutz. Keine Isolierung nötig.

6.5.27. Tuberkulose

Meldepflicht nach IfSG (▶ 6.11) für Tuberkulosebehandlungsbedürftige Erkrankung an u. der Tod durch TB sowie Verweigerung u. Abbruch der Behandlung.

Erreger   Mycobacterium (M.) tuberculosis Mycobacterium tuberculosis. In den letzten Jahren dtl. Anstieg der Fallzahlen durch Migration, ansonsten durch Aufenthalte in Hochprävalenzländern.

Komplexes Thema, viele Definitionen. Exzellent ist die AWMF „S2k-LL zur Diagnostik, Prävention u. Ther. der Tuberkulose im Kinder- u. Jugendalter“, in der alle Fragen zu Befundkonstellationen, Exposition, Diagnostik u. Ther. kurz u. klar beantwortet werden, www.awmf.org.

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Definitionen  

  • Latente Tuberkuloseinfektion (LTBI): immunologischer Nachweis des Erregerkontaktes (Hauttest o. IGRA) ohne Symptome o. Organmanifestation. Progressionsrisiko zu einer manifesten TB bei Kindern dtl. höher, bei Sgl. sehr hoch, kann durch Chemoprävention dtl. reduziert werden

  • Tuberkulose („active tuberculosis“): manifeste Erkrankung durch M. tuberculosis

  • Infektionsrelevanter Kontakt: 8 h kumulativer Kontakt mit mikrosk. pos. Pat., 40 h bei kulturellem Nachweis. Insbesondere für KK, Sgl. u. Immunsupprimierte können kürzere Kontakte schon als infektionsrelevant gelten!

Klinik

  • Beim Jugendlichen: wie beim Erwachsenen, Husten > 2 Wo., Gewichtsverlust, pers. Fieber, HämoptysenTuberkuloseKlinik

  • Beim Vorschul- u. Schulkind: häufiges Fehlen typischer Symptome; Husten, Gedeihstörung, pers. Fieber, sehr unspezifische Symptome

  • Beim Sgl. u. KK (< 5 J.): häufiges Fehlen typischer Symptome, Röntgen wenig sensitiv u. zur Diagnose wenig geeignet. Foudroyanter Verlauf möglich. Häufigeres Auftreten von Miliar-TB, TB-Meningitis (5 %), osteoartikuläre Manifestationen

  • Beim NG: bei perinataler Infektion z. B. bei Urogenital-Tb der Mutter. Septisches Krankheitsbild mit Disseminierung, schweren Komplikationen u. Folgeschäden (insb. ZNS)

Organmanifestationen:

  • Primäre pulmonale TB: Husten, Fieber, Hämoptysen, B-Symptomatik. Radiologisch Kavernen, Infiltrat, vergrößerte Hiluslymphknoten, Atelektasen. Kompression von Bronchien u. Trachea möglich. Postprimäre TB: bei älteren Jugendlichen, entspricht klinisch u. radiologisch der pulmonalen TB des Erwachsenen

  • Lymphadenitis: häufigste extrapulmonale Manifestation im Kindesalter (15 %), meist am Hals/ submandibulär (95 %). Wenig dolente Schwellung > 3 Wo., livide verfärbt. Abgrenzung zu NTM wichtig

  • Meningitis: 3–5 Mon. nach Primärinfektion, < 5 J. u. Sgl. haben ein besonders hohes Risiko. Symptome sind Kopfschmerzen, geringes Fieber, Erbrechen, Vigilanzminderung bis zum Koma, Spielunlust. Langsamer Verlauf. Ausbildung einer basalen Meningitis mit Liquorzirkulationsstörung u. Hirndruck, Vaskulitis mit Parenchymschaden u. Ischämie, oft SIADH mit Hyponatriämie

  • Osteoartikulär: Osteomyelitis, Arthritis, Spondylitis der Wirbelsäule (bei Gehverweigerung dran denken!) mit Rückenschmerzen, Skoliose.

  • Miliar-TB: plötzlicher Beginn mit Fieber, unspez. septischen Zeichen, BB wenig charakt., Blutkulturen neg. auf klass. Sepsiserreger, erst relativ spät pulmonale Symptome. Unter TNF-alpha-Blockade hohes Risiko einer Miliar-TB!

  • Abdomnielle, okuläre TB, urogenitale, kutane, perikardiale TB sehr selten

Inkubationszeit  Meist > 3 Wo., eher Monate.

Differenzialdiagnosen  Sarkoidose, bei Kindern extrem selten!

Anamnese Sensitivster Marker für eine Infektion ist die ausführliche Anamnese (Indexpatient, Enge d. Kontaktes, Auslandsaufenthalt).

Diagnostik   TuberkuloseDiagnostik

  • Immunologische Tests:
    • Intrakutantest (Mendel-Mantoux) mit PPD RT 23 SSI (Statens Serum Institut Kopenhagen, von WHO u. IUATLD empfohlen, 2 TE in 0,1 ml) bei Kindern < 5 J. Als positiv gilt eine Induration (nicht die Rötung!) von > 5 mm. Intrakutane Injektionstechnik wichtig, Quaddelbildung bei Injektion obligat!
    • Serologische Tests (IGRA): bei Kindern ab 5 J. Quantiferontest u. T-Spot (vergleichbarer diagn. Wert) aus Heparinblut. Kurze Transportzeiten (Stunden) ohne Kühlung. Ausreichende Blutmenge nötig
    • Bei gefährdeten Pat. (< 2 J. o. Immundefizienz/-suppression o. Kontakt zu resistenter TB) immer beide Tests durchführen. Bei diskordantem Ergebnis ist das Gesamtergebnis als positiv zu werten
  • Erregernachweis: bei jeder extrapulm. Manifestation im Kindesalter unbedingt Sputum o. Magensekret gewinnen
    • PCR, Mikroskopie (Ziehl-Neelsen-Färbung) u. Kultur aus Sputum, Magensekret, Biopsien, Urin, Liquor möglich, sollten immer kombiniert werden, Kultur wird 8 Wo. bebrütet, häufig nach 10–20 d pos., genetischer Nachweis einer INH u./o. RMP-Resistenz mittels PCR möglich
    • Induziertes Sputum 3 × morgens nüchtern: Inh. mit Salbutamol 1Tr./3 kg, Mund ausspülen, Inhal. mit NaCl 5,85 %, dann kräftig husten lassen. Bei zu geringer Menge durch Complianceprobleme (< 7 J.) besser Magensekret
    • Magensekret 3 × nüchtern (bei Sgl. vor nächster MZ): 10–20 ml über MS aspirieren. Falls < 5 ml: Magen mit 20 ml NaCl 0,9 % spülen u. nach 2 Min. 20 ml des verdünnten Sekrets aspirieren. Aspirat in gepufferte Röhrchen (im Labor anfragen)

Diagnostik bei nachgewiesener TB

  • Rö-Thorax: Infiltrate, hiläre LK, Verkalkungen?

  • Sono Abdomen beim KK: LK-Vergrößerungen?

  • Sono Schädel beim Sgl.: H. a. Liquorzirkulationsstörung?

  • LP bei Hinweis auf Meningitis, beim jungen Sgl. sehr großzügig, beim NG immer: charakt. sind hohes Eiweiß bei relativ geringer Zellzahl, sehr niedriger Zucker!

  • Vor Ther.-Beginn: BB, Transaminasen, Krea, Gerinnung, bei Ethambutol: Augenarzt

Therapie (▶  Tab. 6.8 )TuberkuloseTherapie

  • Exposition: Chemoprophylaxe für Kinder < 5 J. mit bei infektionsrelevantem Kontakt (bei Sgl. sehr großzügige Indikationsstellung): immunologische Diagnostik, bei neg. Test INH für 8 Wo., anschließend neue Testung, bei NG/jungen Sgl. nach 3. LM. Bei > 5 J. u. neg. Test Kontrolle n. 8 Wo. Falls pos. → LTBI.

  • LTBI: Chemoprävention mit INH für 9 Mon. o. INH + RMP für 3 Mon. Bei jeder LTBI muss eine aktive TB ausgeschlossen werden (klin. Untersuchung, Anamnese, ggf. Röntgen, bei geringstem Verdacht Sputum/Magensekret).

  • Tuberkulose (pos. immunol. Test, pos. PCR o. Kultur o. Mikrosk.): 3-fach-Ther. mit INH-PZA-RMP für 2 Mon., dann RMP-INH für 4 Mon., bei komplizierter TB weitere 7 Mon.; ggf. 3-fach- bzw. 4-fach-Ther. nach Antibiogramm.

  • Kompl. Tuberkulose: 4-fach-Ther. mit INH-PZA-RMP-EMB für 2 Mon., dann INH-RMP für 4 Mon.

  • Extrapulm. Manifestationen, Resistenzen: sehr variabel, siehe Leitlinie.

Image 30Therapiekontrollen u. Probleme.

  • Laufende Kontrollen unter Ther.: Transaminasen u. BB nach Behandlungsbeginn 2-wöchentl., ab der 4. Behandlungswo. monatl. Je nach Medikament zusätzlich (NW): Urinstatus, Krea, Audiometrie, Visus einschl. Farbtafeln 4-wöchig bei EMB

  • Bei Unklarheiten u. komplizierten Einzelfällen immer Rücksprache mit dem Referenzzentrum o. erfahrenem Infektiologen, Konsultation der LL!

  • Atyp. Mykobakterien sind oft multiresistent u. benötigen spezielle Ther., Rücksprache mit Referenzzentrum

Alt-text: Unlabelled Box

Tab. 6.8.

Wichtigste TuberkulostatikaTuberkulostatika, Gabe 1 × täglichTuberkuloseTuberkulostatika

Abkürzung Name Tagesdosis (Grenzen) Nebenwirkungen
INH Isoniazid 10 (7–15) mg/kg KG, max. 300 mg, bei KK immer mit Pyridoxin Transaminasen ↑, periphere Neuropathie
RMP Rifampicin 15 (10–20) mg/kg KG, max. 600 mg/d Transaminasen ↑, Hautreaktionen, Orangefärbung von Körperflüssigkeiten (fast immer), GI-Symptome
PZA Pyrazinamid 35 (30–40) mg/kg KG/d max. 1 500 mg/d Hyperurikämie, Übelkeit, Appetitstörungen, Transaminasen ↑, Arthralgien, Exantheme, Fotosensibilisierung
EMB Ethambutol 20 (10–25) mg/kg KG, max. 2 000 mg Retrobulbärneuritis, Exanthem, Schwindel

Prophylaxe  Pat. mit offener TB müssen zu Beginn der Behandlung (bis Sputum neg.) isoliert bleiben (2–3 Wo). BCG-Impfung in Niedrigprävalenzländern nicht empfohlen.

Isolierung  Je nach Lokalisation. Bei offener Lungen-TB: Strenge Isolierung, Kittel, Handschuhe, FFP2-Maske. Bei mikrosk. positivem Befund im Sputum: Befundkontrolle frühestens nach 2 Wo. Ther., Isolierung mind. 3 Wo.

6.5.28. Typhus/Paratyphus

Meldepflicht nach IfSG (▶ 6.11).

Erreger   Salmonella typhi/paratyphi. TyphusTyphus, BauchtyphusParatyphus.

Klinik  Beginn mit Fieber, meist um u. über 40 °C u. v. a. kontinuierlich. Unwohlsein, Kopf- u. Gliederschmerzen sowie abdom. Sympt., aber zunächst nur bei etwa der Hälfte der Pat. Durchfälle, sonst sogar eher Obstipation. Zunehmende Eintrübung u. Desorientierung (Typhus = „Nebel“). Splenomegalie. Häufig makulopapulöses Exanthem, v. a. periumbilikal („Roseolen“). Allmähliche Erholung innerhalb einiger Wo. Auffallend ist die Relation zwischen hohem Fieber u. normaler Pulsfrequenz.

Inkubationszeit  1–3 Wo.

Differenzialdiagnosen  Zu Beginn oft verwechselt mit Pneumonie, Gastroenteritis anderer Ursache, Influenza, dann auch TB, ferner Malaria, andere seltene Inf., Leukämien.

Diagnostik

  • BB: meist Leukopenie (3 000/μl), gelegentlich auch Thrombopenie

  • Erregernachweis in Blutkultur (1. Krankheitswo.) u. Stuhl (ab 2. Wo.)

Therapie  Ausreichende (parenterale) Flüssigkeitszufuhr. Wenn sensibel, Ampicillin 100 mg/kg KG/d o. TMP/SMZ 8–12 mg TMP-Anteil, ansonsten Ceftriaxon 75–100 mg/kg KG/d, Dauer 10–14 d. Bei ZNS-Befall supportiv Dexamethason 0,3 mg/kg i. v., dann 0,1 mg/kg KG alle 6 h für 48 h. Bei Osteomyelitis Azithromycin 4–6 Wo., bei Menigitis Ceftriaxon + Ciprofloxacin mind. 4 Wo.

Komplikationen  Darmperforationen bei ca. 1 %, schwere GI-Blutungen bei > 1 %, meist in der 2. Krankheitswo. Toxische Enzephalopathie, Neuritiden, akuter Gallenblasenhydrops, Osteomyelitis, septische Arthritis selten.

Prophylaxe  Impfung: Lebendimpfung mit 3 Kps. oral an den Tagen 1, 3, 5 unzerkaut schlucken (Kühlkette!), parenteraler Impfstoff 1 Dosis 2 Wo. vor Expositionsrisiko. Isolierung, bis 3 Stuhlproben negativ!

6.5.29. Yersinien

Erreger   Yersinia (Y.) enterocolica, Y. pseudotuberculosis bei YersinienKälbern u. Schweinen, zunehmend auch bei Hunden u. Katzen. Tiere sind klin. gesund! Übertragung durch Schmierinf., auch rohes Schweinemett. Y. pestis, Erreger der Pest, spielt in Europa keine Rolle.

Klinik  Protrahiert verlaufende Durchfälle. Durch Befall der mesenterialen LK heftige Bauchschmerzen möglich. Allg. Schwäche, Übelkeit, Blässe. Sekundärerkr. in fast allen Organen möglich. Immunologisch ausgelöste Arthritiden (Sprunggelenke!) kommen v. a. bei Pat. mit HLA B27 vor u. führen zur Erstmanifestation der rheumatoiden Arthritis.

Inkubationszeit  1–14 d.

Differenzialdiagnosen  Appendizitis, Enteritiden durch andere Erreger, M. Crohn.

Diagnostik

  • Kultureller Nachweis im Stuhl (in vielen Labors wird nicht danach gesucht, daher oft falsch neg., Verwechslung mit coliformen Keimen möglich)

  • Serologisch mittels ELISA u. Immunoblot

Therapie  Sympt. Antibiose bei Sepsis, extraintestinalen Infektionen, Immunsuppression. Empfindlich meist gegen Co-trimoxazol, Cephalosporine Gr. 3, Aminoglykoside, Doxycyclin (▶ 27.4).

Komplikationen  Septische Verläufe mit hoher Mortalität kommen gehäuft vor bei Pat. mit Eisenüberladung (z. B. Thalassaemia major, nach Eisenintoxikation o. -überdosierung).

6.6. Viruserkrankungen

6.6.1. Adenoviren

Erreger  Verschiedene Infektion(en)viraleserolog. Typen, Unterscheidung selten verlangt.

Klinik  Sehr unterschiedliche Verläufe: „Influenza-like-illness“; Pharyngitis, Tonsillitis, Pneumonie, Tracheobronchitis, Gastroenteritis (durch mesenteriale Lymphadenopathie Invaginationsrisiko). Bei Typ 8: Keratokonjunktivitis epidemica (extrem kontagiös). Beim Sgl. Sepsis-ähnliches Krankheitsbild möglich.

Inkubationszeit  Je nach Typ 4–14 d, meist 5–8 d.

Differenzialdiagnosen  Andere Virusinf., Pertussis, bakt. Inf. der oberen Luftwege, anderweitig ausgelöste Gastroenteritis.

Diagnostik  Bei Enteritis Schnelltest. Sonst Erregernachweis mittels PCR.

Therapie  Sympt. je nach Manifestation. Bei Pneumonie mit bakt. Superinf. Antibiose

6.6.2. Zytomegalievirus

Erreger  ZytomegalievirusZytomegalievirus (CMV): sehr weitverbreitetes Virus. Durchseuchung hoch, Angaben sehr schwankend, bei Schwangeren 20–80 %, davon 4–5 % Ausscheider (Urin). Häufigkeit der kongenitalen Infektion 0,4–8 %!

Klinik  Meist inapparenter Verlauf, ansonsten Fieber, uncharakt. Krankheitszeichen, Lymphadenitis, Milzvergrößerung, Hepatitis.

Bei Lungentransplantierten obliterative Bronchiolitis („chron. Abstoßung“), auch nach anderen Transplantationen atyp. u. problematische Verläufe.

Differenzialdiagnosen  Andere Viruserkr.

Diagnostik PCR aus Urin, Blut (Viruslast), AK-Titer.

Der Serologie ist nicht anzusehen, ob der Pat. infektiös ist o. nicht. Daher im Zweifelsfall Ausscheider bei pos. Serologie annehmen.

Alt-text: Unlabelled Box

Therapie  Bei konnataler Inf. Valganciclovir 32 mg/kg KG p. o. in 2 ED für 6 Mon., initial Ganciclovir 12 mg/kg/d i. v. in 2 ED für 2 Wo. Beides off-label. Bei Immunsuppression: Ganciclovir 10 mg/kg KG/d in 2 ED für 2–3 Wo., anschließend Erhaltungsther. (5 mg/kg KG i. v. an 5 d/Wo.). Nach Stammzelltransp. ggf. CMV-Immunglobulin.

Komplikationen  Bei NG Hepatitis (mit Zirrhoseentwicklung), ZNS-Inf. mit Mikro-/Hydrozephalus, Chorioretinitis, Verkalkungen. Bei Immunsuppression chron. Infektionen u. Komplikationen, z. B. Chorioretinitis, ZNS-Infektion.

Prophylaxe  Bei FG u. onkolog. Pat. nur leukozytendepletierte Blutprodukte verwenden. Stillen CMV-pos. Mütter bei sehr unreifen FG wird kontrovers diskutiert. Keine Isolierung nötig.

6.6.3. Enteroviren (Coxsackie-/ECHO-Viren)

Erreger Enteroviren

  • Coxsackie-A-VirenCoxsackie-Viren: 23 Serotypen. Tropismus für Haut- u. Schleimhäute: Herpangina, Pharyngitis, Sommergrippe, Exantheme, gastrointestinale Sympt., Hand-Mund-Fuß-KrankheitHand-Mund-Fuß-Krankheit (Serotyp 16), selten Meningitiden u. neurolog. Sympt. Begleitsympt. in praktisch allen Organsystemen. Bei Herpangina hohe Kontagiosität, sommerliche Epidemien unter KK

  • Coxsackie-B-Viren: 6 Serotypen. Tropismus für Skelett- u. Herzmuskulatur. Myokarditiden, Meningitiden mit neurolog. Begleitsympt., Myositis, Enteritis, Hepatitis

  • ECHOECHO-Viren (enteric cytopathogenic human orphan), Parechoviren u. neuere Enteroviren: viele Serotypen. Erkr. der oberen Luftwege, Gastroenteritis, Meningitis, Myalgien, Exantheme, bei NG Sepsis-like-Syndrome. Polio6.6.19

Klinik

  • CoxA: Herpangina Herpangina (Typen 1–10, 16, 22): plötzlicher Beginn mit hohem Fieber, Appetitlosigkeit, Hals- u. Kopfschmerzen. Fast nie Bronchitis, Otitis, Rhinitis. Im Rachen 1–2 mm große papulovesikulöse Effloreszenzen mit umgebender Rötung, anschließend kleiner Schleimhautdefekt. Bei Palmar- Plantarbefall „Hand-Fuß-Mund-Krankheit“

  • CoxB: häufig akuter plötzlicher Beginn mit Muskelschmerzen, Müdigkeit, starken Kopfschmerzen u. Fieber als uncharakt. Sympt.

  • ECHO/neuere Enteroviren: je nach Organsympt., oft nur uncharakt. („grippale“) Infektzeichen

  • Alle Enteroviren können eine klassische Gastroenteritis auslösen

  • Seröse Meningitiden in den Sommermonaten am häufigsten durch Cox. u. Echoviren ausgelöst, lokale Epidemien häufig

  • „Sepsis like syndrome Sepsis like syndrome “: Bei NG/Sgl. < 3 Mon. sind schwere septische Verläufe mit Schock möglich u. nicht selten, klinisch nicht von einer bakteriellen Sepsis zu unterscheiden (bei jeder NG-Sepsis im Sommer nach EV im Stuhl schauen!). Ebenso Myokarditis, Hepatitis, Pneumonie, Meningoenzephalitis möglich

Inkubationszeit  6–14 d.

Differenzialdiagnosen  Stomatitis aphthosa (Herpesviren), andere Viruserkr., bei NG Sepsis.

Diagnostik

  • Goldstandard: PCR aus Stuhl (sensitivste Methode auch bei Meningitis). PCR aus Liquor bei LP (geringere Sensitivität, oft nur in den ersten 3–5 Tagen positiv). Subtypisierung kostenfrei über Referenzzentrum möglich

  • Serologische Untersuchungen haben aufgrund vieler Kreuzreaktionen keine klinische Relevanz mehr

  • Meningitis: LP, initial granulozytäre, später lymphozytäre Liquorpleozytose mit wenigen bis 1500 Zellen/μl (▶ 6.4.2)

Therapie  Sympt., je nach Organmanifestation. Bei Sepsis-like-syndrome beim Sgl. antibiot. Ther. bis bakt. Ko-Infektionen durch neg. Kulturen ausgeschlossen sind (5 % d. Fälle!)

Herpangina: Bei KK oft Nahrungsverweigerung, dann Analgesie, ggf. Infusion

Prophylaxe  Keine bekannt, Isolierung bei Herpangina nach Compliance (Schmierinfektion) u. GE.

6.6.4. Exanthema subitum, Dreitagefieber

Erreger  Humanes Herpesvirus Exanthema subitum DreitagefieberTyp 6 (HHV6). Meist bei KK in den ersten 2 Lj.

Klinik  Hohes Fieber > 40 °C ohne sonstige Symptome, sehr oft Ursache des 1. Fieberkampfs, bes. beim ersten Fieberanstieg. Dauer 1–5 d (meist 3), dann plötzlicher Abfall u. Auftreten eines feinmakulösen stammbetonten Exanthems, das meist nur für einige Stunden deutlich sichtbar ist.

Inkubationszeit  5–15 d.

Differenzialdiagnosen  Andere Virusinf.

Diagnostik  Initial Leukozytose, ab 2. Tag eher Leukopenie, Diff.-BB unauffällig, eher Lymphozytose. Virusnachweis u. Serologie unnötig.

Therapie  Antipyretika, Flüssigkeitszufuhr.

Komplikationen  Fieberkrämpfe, sonst keine bekannt.

6.6.5. Frühsommer-Meningoenze-phalitis (FSME)

Erreger  FSME-Virus (Flavivirus). Frühsommer-MeningoenzephalitisÜbertragung des Virus durch Zecken, keine Ansteckung von Mensch zu Mensch. Aktuelle Karte Endemiegebiete www.rki.de: bes. Bayern, Baden-Württemberg u. Südhessen. Auch in Endemiegebieten nur 0,2 % der Zecken infektiös, aber hohe Kontagiosität. Verweildauer der Zecke spielt keine Rolle.

Klinik  Bei ca. 70 % der Infizierten subklinisch. Ansonsten: 1. Krankheitsphase mit unchar. Zeichen (Kopfschmerz, Müdigkeit, Unwohlsein, Fieber). 2. Phase: Meningoenzephalitis mit Krampfanfällen u. Paresen, Leber- u. Myokardbeteiligung. Bei KK meist gutartiger Verlauf, bei Erw., bes. älteren Menschen, häufiger bleibende Paresen. Letalität bei meningitischem Verlauf bis 2 %.

Inkubationszeit  2–28 d (Durchschnitt 7–14 d).

Differenzialdiagnosen  Enzephalitiden durch andere (virale) Erreger, andere Polyneuropathien.

Diagnostik

  • Liquor: Pleozytose, wenige bis > 1 500 Zellen/μl, initial Granulozytose, später Lymphozytose

  • Serologie positiv ab Symptombeginn daher Goldstandard. PCR im Liquor nur in der ersten uncharakt. Krankheitsphase pos.

Therapie  Sympt. (Analgetika, Antikonvulsiva).

Prophylaxe  Impfung, Zeckenschutz. Keine Isolierung.

6.6.6. Hantavirus

Erreger  RNA-Virus aus der Familie Bunyaviridae, weltweit verschiedene Typen, in Europa meist Puumala, durchHantavirus Exkremente der Rötelmaus übertragen (seltener andere Nager). Wechselnde, teils stark zunehmende Inzidenz zwischen 300 u. 2 000 Fällen/J. Lokale Häufung insb. in BW. Ansteckung im Frühjahr beim Ausmisten von Gartenhäuschen/Garagen (Erreger persistiert in getrocknetem Mäuseurin, mit Staub aufgewirbelt), beim Spielen am Waldrand. Andere Stämme (Dobravan Seoul, Dobrava) können in Südosteuropa, Russland, Asien, Amerika hämorrhagisches Fieber auslösen.

Klinik  Fieber mit unspez. Krankheitszeichen, kolikartige Bauch- o. Flankenschmerzen, Übelkeit u. Diarrhö, Kopfschmerzen, Bluthochdruck, in der 2. Phase nach 7 (3–19) d, Nierenversagen (meist passager u. leicht = Nephropathia epidemica) mit Krea-Anstieg, Proteinurie, Thrombozytopenie.

Inkubatonszeit  10–30 d.

Diagnostik  Serologie mit ELISA, IgM wird früh positiv, IgG in Endemiegebieten oft prävalent.

Therapie  Sympt. je nach Manifestation. Dialyse nur bei Hyperkaliämie/unbeherrschb. Hypertonus/Ödemen.

Komplikationen  Dialysepflicht sehr selten.

Prophylaxe  Kein Kontakt mit Ausscheidungen von Mäusen, bei Sanierung entsprechender Räume (Schuppen, Wohnwagen etc.) Mundschutz u. Handschuhe, Staubentwicklung durch Anfeuchten reduzieren (weitere Info: RKI). Keine Isolierung nötig.

6.6.7. Hepatitis A

Hepatitisformen (▶ 13.6.3). Akute Form Meldepflicht nach IfSG (▶ 6.11).

Erreger  Hepatitis-A-VirusHepatitisA, Ansteckung meist durch kontaminierte Lebensmittel bzw. Schmierinf. Die meisten Erkr. nach Reisen bzw. in u. nach den Sommerferien, danach auch Schulepidemien. Durchseuchung je nach Bevölkerungsgruppe sehr unterschiedlich, KK derzeit ca. 5 % in D bzw. Mitteleuropa, Afrika > 80 %.

Meldepflicht nach IfSG (▶ 6.11).

Klinik  Häufig anikterisch bzw. symptomlos. Zu Beginn uncharakt. Krankheitszeichen, häufig Appetitlosigkeit u. unklare abdom. Sympt., meist nur leichter Ikterus. Bei Kindern schnelle Erholung.

Inkubationszeit  14–48 d (Durchschnitt 28 d).

Differenzialdiagnosen  Andere Hepatitisformen (▶ 6.6.8, ▶ 6.6.9, ▶ 13.1.7).

Diagnostik  Serologie: Nur IgG pos. → frühere Inf., IgM pos. → akute Inf., bleibt lange pos. (Monate bis 1 J.).

Therapie  Symptomatisch.

Komplikationen  Sehr selten Leberversagen.

Prophylaxe  Aktive Impfung gefährdeter Personen (Personal von Infektionsstationen, Reisende). Die passive Immunprophylaxe mit Gammaglobulin nur in Ausnahmefällen. Isolierung bis 1–2 Wochen nach Beginn der Symptome; Schulbesuch, wenn klinisch gesund.

6.6.8. Hepatitis B

Akute Form: Meldepflicht nach IfSG (▶ 6.11).

Erreger  Hepatitis-BHepatitisB-Virus. Zur Inf. genügen sehr kleine Blutmengen, daher große Gefahr für Krankenhauspersonal (unsachgemäß abgeworfenen Kanülen etc.), Infektion z. B. durch Tätowierungen möglich, weltweit häufigste Übertragung durch Intimkontakte!

Klinik  Nicht selten anikterische Verläufe.

  • Zu Beginn uncharakt. Sympt. wie Arthralgien, Hauterscheinungen, dann Entwicklung des Ikterus, Entfärbung der Stühle. In dieser Phase Appetitstörungen u. uncharakt. Bauchsymptome. Hepatomegalie

  • Bei neonataler Inf. Beginn der Symptome meist mit 4–6 Mon.

Inkubationszeit  40–180 d (Durchschnitt 90 d).

Differenzialdiagnosen  Andere Hepatitisformen (▶ 13.6.3).

Diagnostik  Transaminasenerhöhung, bes. der GOT, oft über 1 000 U/l. Serologie, HBsAg (bei Persistenz: chron. HepB; ▶  Abb. 6.1 ). Zur Feststellung der Viruslast HBV-DNA auch als Verlaufskontrolle sowie HBeAg. Zweiterkrankung durch HDV bedenken.

Abb. 6.1.

Abb. 6.1

Hepatitis B, serologischer Verlauf [L157]

Therapie

  • Keine kausale Th. d. akuten o. chron. HepB möglich.

  • Bei chron. Hepatitis B (HBeAg pos.) pegyliertes IFN α2b, damit > 10 % Ausheilung, ca. ⅓ Serokonversion zu anti-HBe, bei vertikaler Inf. geringes Ansprechen. Alternativ: Entecavir, Tenofovir. Kontakt zu spez. Zentrum sinnvoll.

Komplikationen

  • Akute fulminante Hepatitis Hepatitisfulminante: sehr schnell einsetzende schwere Inf. mit extremem Bili-Anstieg, hepatisches Koma (Ammoniak ↑ als Zeichen der Leberinsuff.). Mortalität 30–80 %, bei Sgl. nach neonataler Inf. auch höher.

  • Chron. persistierende Hepatitis: relativ Hepatitischronisch persistierendegutartige Verlaufsform, meist asympt., leichte Hepatomegalie, keine Ther. Erregerpersistenz! Typ. Serologie: HBsAg pos., Anti-HBc pos. (↑↑), Anti-HBs neg.

  • Chron. Trägerstatus: Häufigkeit Hepatitischronischeist je nach Alter unterschiedlich, am höchsten nach Inf. im 1. Lj. (90 %). Bei Erw. ca. 1 % chron. HBs-Träger

Spätkomplikationen: Leberzirrhose u. Leberzell-Ca.

Prophylaxe  Impfung ▶ 6.12, Auffrischung nach Titerverlauf. Bei NG HBsAg-positiver Mutter: Aktiv- u. Passivimpfung (Immunglobulin 0,5 ml/kg KG, mind. 1 ml, i. m.) bei Geburt, spät. innerhalb 12 h post partum! Bei unbek. HBsAg-Status: sofort bestimmen u. ggf. NG impfen. Stillen nach Impfung möglich.

6.6.9. Hepatitis C

Akute Form Meldepflicht nach IfSG (▶ 6.11).HepatitisC

Erreger  Hepatitis-C-Virus (HCV, Flavivirus). Durchseuchung ca. 1 %. Übertragung durch Kontakt mit Blut u. Blutprodukten sowie durch Transfusionen, vertikale Übertragung bei HCV-pos. Mutter 3–8 % unabhängig vom Geburtsmodus. Kontagiosität geringer als bei Hepatitis B.

Klinik  Häufig inapparenter Verlauf ohne Ikterus, akute Erkr. mit klin. Hepatitis, sehr häufig chron. verlaufend (> 50 %).

Inkubationszeit  2–26 Wo. (Durchschnitt 8 Wo.).

Differenzialdiagnosen  Andere Hepatitisformen.

Diagnostik  Nur nach Ausschluss anderer Hepatitiden bzw. bei konkretem Verdacht:

  • Ak-Nachweis mittels ELISA (Anti-HCV)

  • Quantitative HCV-RNA zur Bestimmung der Viruslast u. des Genotyps (da die Ansprechrate der einzelnen Genotypen auf Ther. unterschiedlich ist)

Therapie

  • 3 Mon. nach akuter HepC zuwarten, ob Viruselimination erfolgt

  • Danach Behandlung wie bei chronischer Infektion: Peginterferon obsolet, Heilung durch neue Medikamente bis 100 % möglich. Z. B. Ribavirin mit Sofosbuvir, Ledipasvir mit Sofosbuvir. Neue Medikamente in Aussicht, bisher sehr teuer.

Prophylaxe  Vermeidung von Blutkontakten, ausreichende Hygiene bei Piercing, Tätowierung, Verwendung von Kondomen. Impfung o. passive Immunisierung nicht in Sicht.

Bei anti-HCV-pos. Schwangeren vaginale Entbindung möglich, Stillen (mit geringem Restrisiko) möglich, Kind nach Geburt u. im Verlauf auf HCV-RNA untersuchen.

Bei versehentlichem Blutkontakt Überwachung/Kontrollen durch Betriebsarzt.

6.6.10. Herpes simplex

Erreger

  • Herpes-simplex-VirusHerpes simplex (HSV) bzw. humanes Herpesvirus (HHV), 2 Typen von Bedeutung. Typ 1 als typ. Herpes (labialis), Typ 2 eher Herpes genitalis, von Bedeutung in der Neonatologie (schwere Inf. des NG mit Enzephalitis, ▶ 6.4.3)

  • Hohe Durchseuchung, Ende des 2. Lj. > 80 %. Hohe Kontagiosität. Die meisten Erkr. sind subklinisch. Übertragung durch Schleimhautkontakte (Kuss) o. indir. (Löffel, Nahrung etc.). Typ 2 meist venerische Inf. bzw. unter der Geburt

Klinik

  • Primärinfektion: meist subklin., beim KK als Stomatitis aphthosa, hochfieberhaft mit Nahrungsverweigerung, Ulzera auf Zunge u. Mundschleimhaut. Seltener Panaritien durch Inokulation (prim. lokaler Herpes), Mortalität bei jungen Sgl. hoch.

  • Reinfektion: ausgelöst durch Inf., Sonneneinstrahlung, Stress, hormonell etc. Herpes labialis, seltener Keratitis o. fieberhafter Verlauf. 70–90 % der Erw. sind Virusträger, Reizschwelle zur (endogenen) Reinfektion individuell sehr unterschiedlich

  • Enzephalitis: häufiger durch Reaktivierung, Typ 1 u. 2. Fokale Krampfanfälle mit Fieber gelten bis zum Beweis des Gegenteils als Herpes-Enzephalitis (sofort Aciclovir i. v. 45 mg/kg/d in 3 ED). Hohe Komplikationsrate mit Defektheilung.

Inkubationszeit  6 d (2–12 d).

Diagnostik

  • Direktnachweis mit PCR aus Bläschenpunktat bzw. Abstrich, Liquor, Rachenabstrich

  • !

    Bei Enzephalitis kann die PCR im Liquor anfangs noch negativ sein, bei anhaltendem Verdacht Nachpunktion nach 3 d, falls weiterhin negativ, ist eine HSV-Enzephalitis ausgeschlossen. MRT u. EEG bei Enzephalitisverdacht immer sinnvoll

  • Serologie nur als Titerverlauf aussagekräftig: Unterscheidung frische/frühere Inf. schwierig. Bei Enzephalitis autochtone AK-Produktion möglich (Antikörperspezifitätsindex)

Therapie

  • Topische Ther.: z. B. Augensalbe mit Aciclovir

  • Bei generalisierter Inf. (Enzephalitis etc.) frühzeitige systemische Aciclovir-Ther. (45 mg/kg KG/d i. v. in 3 Dosen)!

  • Bei klin. gesunden NG mit Herpeskontakt (Herpes genitalis der Mutter; Küssen bei Lippenherpes etc.): 15 mg/kg alle 8 h über 5 d (bis PCR v. Schleimhaut u. Bindehaut negativ u. IgG [Nestschutz] beim Kind nachgewiesen ist)

Komplikationen

  • Eczema herpeticatumEczema herpeticatum: bei atopischer Dermatitis hochfieberhafte generalisierte Verlaufsform, ohne Behandlung hohe Mortalität. Immer i. v. Ther. mit 30 mg/kg KG/d in 3 Dosen über 7 d, ggf. bakt. Superinfektion mit Cephazolin mitbehandeln

  • Systemische Inf. bei Immundefekt, Immunsuppression, HIV

  • Enzephalitis (▶ 6.4.3)

Isolierung:  Bei jeder aktiven mukokutanen HSV-Infektion ist eine Isolierung angezeigt.

6.6.11. HIV/AIDS

Erreger   Human immunodeficiency virus Human immunodeficiency virus (HIV), meist Typ 1, sehr selten Typ 2. 4 Gruppen (M, N, O u. P), M ist die Hauptgruppe, 9 Subtypen (A–K). Pro Jahr werden 250 HIVHIV-Infektion-exponierte Kinder geboren. In allen Altersgruppen ca. 3 200 Neudiagnosen/J.

Infektionswege u. Epidemiologie

  • In Deutschland ca. 400 Kinder bekannt, 2015 26 Neudiagnosen, jährlich werden ca. 250 HIV-exponierte Kinder geboren.

  • Vertikale Inf. (Mutter–Kind) bei Transmissionsprophylaxe < 1 %, ohne bei ca. 10 %.

  • Sexuell (bei Jgl. häufigster Infektionsweg, bei Jgl. 15–19 J. ca. 0,1/100 000 Neudiagnosen/J.).

  • Kontakt mit infiziertem Blut (i. v. Drogen, sehr selten bei med. Personal).

  • Sehr selten: Blutprodukte (abnehmende Bedeutung, nachdem v. a. Faktor-VIII-Präparate sicher sind).

  • „Med.“ Maßnahmen, Piercing etc.

  • !

    Keine Gefahr durch Speichel (auf intakter Haut), Hautkontakt, Haushalts- u. a. enge Kontakte, Nahrungsmittel u. Wasser, Tiere/Insektenstiche.

Klassifikation:  Klinische Stadien 1–3 (mild, moderat, AIDSAIDS), immunologische Stadien nach CDC (▶  Tab. 6.9 ). AIDS-definierende Erkrankungen: u. a. rez. Septikämien, PJP, Histoplasmose, Candidose, HSV, EBV, CMV, Toxoplasmose, Cryptosporidiose, Lymphome, Kaposi-Sarkom.

Tab. 6.9.

Immunologisches Stadium der HIV-Infektion bei Kindern nach CDCHIV-InfektionCDC-Klassifikation

Immunologisches Stadium < 12 Mon., CD4/μl, CD4 % 1–5 J., CD4/μl, CD4 % > 5 J., CD4/μl, CD4 %
1 > 1 500, > 34 > 1 000, > 30 > 500, > 26
2 750–1 499, 26–33 500–999, 22–29 200–499, 14–25
3 < 750, < 26 < 500, < 22 < 200, < 14

Klinik  Sehr unterschiedliches klin. Bild, geprägt von opportunistischen Infektionen. Infizierte NG erkranken durchschnittlich schneller u. schwerer als später infizierte Kinder u. Jgl.

Differenzialdiagnosen  Immundefekte anderer Ursache (▶ 15.2).

Diagnostik

  • Bei NG infizierter Mütter Bestimmung Viruslast aus EDTA-Blut. Passiv übertragene Ak erlauben in den ersten 1–2 J. keine zuverlässige Serologie. 2 negative Tests im Alter von 1 u. 4 Monaten schließen HIV-Infektion aus.

  • Serologie: (nach Einverständnis des Erziehungsberechtigten) als Screeningtest bzw. Vorunters. Vor Mitteilung d. pos. Ergebnis muss eine Kontrolle erfolgen.

  • Verlaufskontrolle bei infizierten Pat. mittels CD4-Zell-Zahl u. Viruslast.

Therapie  Behandlung nicht nur der Infektion selbst, sondern immer auch Behandlung der Komplikationen/opp. Inf., Ther.-Betreuung durch erfahrenes Zentrum!

  • Indikation zur cART (kombinierten antiretroviralen Ther.) nach Alter, Klinik (CDC-Stadien), Viruslast u. CD4-Zahl

  • Typischerweise Kombination mind. 3 antiretroviraler Substanzen. Häufige Aktualisierung der Komb.-Ther. sowie Ther.-Kontrolle → aktuelle Leitlinien über die päd. Arbeitsgemeinschaft AIDS (PAAD) erfragen (www.kinder-aids.de)

Prophylaxe

  • Bisher nur durch Verhinderung des Kontakts. Rechtzeitige Aufklärung von Jgl. (Sexualberatung, Drogenberatung)

  • Bei HIV-pos. Schwangeren: antiretrovirale medikamentöse Ther apie, selektive Sectio vor Wehenbeginn, falls Viruslast > 50 Kopien/ml, Stillverzicht, PEP des NG (siehe Leitlinien, Zidovudin bei VL < 50, bei erhöhtem Risiko Triple-Prophylaxe)

Immer aktuelle Leitlinien prüfen, z. B. https://aidsinfo.nih.gov/guidelines, AWMF, RKI, DGPI

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Verhalten bei Stichverletzungen mit HIV-pos. Blutkontakt.

  • Wunde ausbluten lassen bzw. Blutung induzieren, Wunde spreizen, antiseptisch ausspülen

  • Stichkanal tief desinfizieren mit 70-prozentigem Isopropanol

  • Blutabnahme für Serologie (wird für 1 J. eingefroren)

  • Materialasservierung (Kanüle, Skalpell etc.) für Virusnachweis

  • Information des Betriebsarztes, Risikoabschätzung in Bezug auf HIV, Indikation für HepB- u. Tetanus-Immunprophylaxe prüfen

  • Bei hohem Risiko Dreierkombination über 4 Wo., aktuelle LL beachten

  • Ther.-Überwachung über hämatolog./onkolog. Abt.

  • Serolog. HIV, HepB/C-Kontrollen nach 6 u. 12 Wo. u. 6 Mon.

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6.6.12. Influenza

Erreger  InfluenzavirenInfluenza A, B, C. Virusgrippe, „echte Grippe“. Viele Varianten bes. bei Influenza A, wechselnde Antigenität, daher keine stabile Immunität. Tröpfcheninf., hohe Kontagiosität. Hauptvektor sind Kinder (hohe Virusausscheidung), 30 % aller Kinder haben jeden Winter Kontakt zum Erreger!

Klinik  Schneller Fieberanstieg mit Schüttelfrost, Kopfschmerz, Hustenreiz, Halsschmerzen, Übelkeit, red. AZ, Gliederschmerz, nichteitrige bds. Konjunktivitis. Nach 5 (–10) d Besserung der Symptome. Bei Kindern oft Bronchitis, Bronchiolitis, Krupp-Syndrom, Pneumonie, Fieberkrämpfe.

50 % aller wegen Influenza hospitalisierten Kinder sind < 1 Jahr alt!

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Inkubationszeit  2–3 d.

Differenzialdiagnosen  Andere Viruserkr., z. B. Adenoviren, bei Bronchitis/-iolitis RSV.

Diagnostik

  • BB häufig mit Leukopenie u. Thrombopenie. Bei Superinf. Leukozytose mit Linksverschiebung, CRP unspezifisch

  • Influenza-PCR aus Nasen-Rachensekret: mittlerweile meist schnell verfügbar, großzügige Indikation zur Kohortierung wegen immensem Risiko für andere Patienten u. Personal. Auch bei unkl. Symptomen in der Saison (z. B. „Kopfschmerz + Thrombopenie“)

Therapie

  • Bettruhe, Antipyretika/Analgetika

  • Influenza A u. B: Oseltamivir (p. o./i. v.) o. Zanamavir (p. i.). Indiziert bei Risikopatienten (chron. Lungenerkrankungen, Kardiopatienten, Immunsuppression), möglichst früher Beginn. Bei Sgl. off-label, nur stationär. Dauer 5 d. Datenlage zur Wirksamkeit nicht gut

  • !

    Bei V. a. bakterielle Superinfektion immer staphylok.-wirksam behandeln (Amoxicillin/Clavulansäure, Ampicillin/Sulbactam)!

Komplikationen  Tracheobronchitis, Krupp (▶ 14.3), pulmonale bakt. Superinfektion (zweizeitiger Fieberanstieg, sek. Verschlechterung, hohes CRP), Enzephalitis

Influenzainfektionen induzieren einen sek. Immundefekt mit Hyperrekrutierung funktionseingeschränkter Granulozyten, daher sind schwerste nekrotisierende Pneumonien u. septische Verläufe durch S. aureus möglich!

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Prophylaxe  Jährliche InfluenzaImpfungImpfung: empfohlen für Pat. mit erhöhtem Risiko u. Menschen, die Risikopatienten betreuen (Schwangere [!], Impfung schützt das NG), chron. Atemwegserkr., Herzfehler, Immunsupprimierte, med. Personal (!), KiTa-Betreuer, Geschwister u. Kinder chronisch kranker Menschen; Impfstoff wechselt jährlich (www.rki.de). Wechselnder Impferfolg durch Antigendrift.

Isolierung: Kohortenisolierung (bei gleichem Stamm) für mind. 1 Wo.

6.6.13. Masern

Exanthem (▶ 6.1.3) u. Isolationsmaßnahmen (▶ 6.10).Masern

Meldepflicht nach IfSG (▶ 6.11).

Klinik  Prodromalstadium mit allg. Krankheitszeichen, Fieber, Rhinitis, Konjunktivitis, Koplik-Flecken (weiße fest haftende Stippchen, bes. Wangenschleimhaut), Husten, typ. charakterist. Exanthemverlauf (▶ 6.3.1).

Inkubationszeit  11–14 d.

Differenzialdiagnosen  Andere Exanthemkrankheiten, Arzneimittelexantheme (Amoxicillin).

Diagnostik  PCR aus Rachenabstrich o. Urin zuverlässig innerhalb 7 d nach Exanthembeginn. Serologie: IgM 3 d nach Exanthembeginn pos. Im BB meist Leukopenie. Bei Erkr. trotz Impfung IgG-Aviditätstest.

Therapie  Sympt., Bettruhe, Antipyrese, bei bakt. Superinf. staphylok.-wirksame Antibiose (Amoxicillin/Clavulansäure). Bei Mangelernährung Vit. A.

Prophylaxe  Impfung (Impfplan ▶ 6.12.1): Lebendimpfung, bei etwa 10 % Impfmasern mit abgeschwächtem Verlauf, nicht infektiös. Keine Impfung bei Immundefekt! Aktive „Inkubationsimpfung“ sinnvoll bei punktuellem Kontakt u. Impfung an den ersten 3 d nach Kontakt. Strenge Isolierung.

Komplikationen MasernKomplikationen

  • Krupp-Syndrom, Otitis: meist ungefährlich. Sehr selten Glottisödem → Intubation

  • Otitis: ca. 1 %. Häufig mit Perforation, antibiotische Ther. nur bei Hinweis auf Superinf.

  • Pneumonie: ca. 1 %, bei mangelernährten o. immungeschwächten Kindern häufiger. Eine der wichtigsten Todesursachen in Entwicklungsländern! Interstitielle Pneumonie setzt früh ein, gefährlicher. Bakt. Superinf. erst im Exanthemstadium o. später

  • Enzephalitis (▶ 6.4.3): ca. 1 : 1 000, mit Krampfanfällen, Koma u. zahlreichen wechselnden neurolog. Sympt. Häufig Dauerfolgen: Krampfleiden, ICP, Teilleistungsstörungen. Außer antikonvulsiver Ther. keine spez. Behandlung möglich. Während akuter „unkomplizierter“ Masern sehr häufig (> 10 %) EEG-Veränderungen, deren prognostische Aussagekraft ungeklärt ist

  • Subakut sklerosierende Panenzephalitis (SSPE): Latenz zur Masernerkr. meist 5–7 J., ca. 1:5 000–10 000. Uncharakt. Beginn mit Persönlichkeitsveränderungen, Bewegungsstörungen, Krampfanfällen, Übergang in komatösen Dämmerzustand, immer tödlicher Ausgang. Typ. EEG-Veränderungen, hohe Masern-Ak-Titer im Liquor. Keine Behandlung möglich, bei Krampfanfällen antikonvulsiv

  • Immunsystem: Nach Infektion über mehrere Wochen anhaltender T-Zell-Defekt, der für bakterielle (auch invasive) Infektionen prädisponiert

6.6.14. Mononukleose/Epstein-Barr-Virus

Exanthem.

Erreger  Epstein-Barr-VirusEpstein-Barr-Virus (EBV). MononukleoseMononukleose, Pfeiffer-DrüsenfieberPfeiffer-Drüsenfieber. Kontagiosität gering, Übertragung meist durch Schleimhautkontakte („kissing disease“). Durchseuchung bei Jgl. 60–80 %.

Klinik  Jugendliche: Protrahiertes u. sich intermittierend oft über mehrere Wo. hinziehendes Fieber, generalisierte Lymphadenopathie, (Hepato)Splenomegalie. Häufig eitrige Angina, gelegentlich mit pseudomembranösen Belägen, bei etwa 5 % feinfleckiges Exanthem (▶ 6.1.3). KK: primär hohes Fieber, zervikale Lymphadenopathie u. eitrige Angina (bei < 3 J. viel häufiger als A-Strept.!), oft unspezifische Symptome.

Inkubationszeit  10–50 d.

Differenzialdiagnosen  Bei uncharakt. fieberhaften Erkr. immer an EBV denken, „Pfeiffer macht alles“. Als DD kommen viele andere Infektionskrankheiten infrage, aber auch Leukämien.

Diagnostik

  • Schnelltest ab 6 J. möglich. Häufig leicht erhöhte LDH, GOT u. GPT, selten Bilirubin

  • BB: initial Leukopenie, dann Leukozytose bis > 20 000/μl mit relativer „Monozytose“ (lymphozytoide große Zellen), häufig stark erhöhtes CRP

  • Serologie (▶  Tab. 6.10 ): VCA (virus capsid antigen), EA (early antigen), EBNA (Epstein-Barr-Nuclear-Antigen). Anti-VCA-IgM = Früh-Ak, Anti-EBNA = Spät-Ak. Individuelle Verläufe möglich (ausbleibende EBNA, persistierende IgM)

  • PCR i. EDTA-Blut (Reaktivierung bei Immunsuppression?)

Tab. 6.10.

EBV-Antikörper in verschiedenen ErkrankungsstadienEpstein-Barr-VirusAntikörper

Anti-VCA-IgM Anti-VCA-IgG Anti-EA-IgG Anti-EBNA
Keine Infektion 0 0 0 0
Akute Erkrankung + + +/0 0
Frühere Erkrankung 0 + 0 +

Therapie

  • Antipyretika, keine Antibiotika

  • Bei Tonsillenödem mit Stenose, Schmerzen durch Splenomegalie o. sehr stark geschwollenen LK systemische Steroid-Ther. über einige Tage

  • Bei Splenomegalie: kein Kontaktsport o. a. Aktivitäten, die die Gefahr der Milzruptur erhöhen (z. B. Radfahren, Skifahren), bis die Milz sonografisch (nicht nur palpatorisch!) nicht mehr vergrößert ist

Komplikationen

  • Bei versehentlicher Behandlung mit Aminopenicillinen bei > 90 %, seltener bei anderen Antibiotika masernähnliches, sehr intensives Exanthem mit zentral oft livide verfärbten Effloreszenzen. Keine Allergie!

  • Milzruptur, meist in der 2. Krankheitswo. (selten)

  • Induktion von Lymphomen bei einigen Immundefekten o. Immunsuppression (PTLD)

Prophylaxe  Keine strenge Isolierung notw. wg. geringer Infektiosität.

6.6.15. Mumps

Meldepflicht nach IfSG (▶ 6.11).

Erreger  Mumpsvirus. Parotitis epidemicaParotitis epidemica, MumpsMumps o. ZiegenpeterZiegenpeter, zahlreiche regional unterschiedliche volkstümliche Bezeichnungen. Kontagiosität mittelgroß, Durchseuchung 85 % bis zum 15. Lj.

Klinik  Meist keine wesentlichen Prodromi, gelegentliche Kopf- u. Halsschmerzen. Beginn mit meist erst einseitiger, teigiger, schmerzhafter Schwellung einer Speicheldrüse, bes. der Parotis. Fieber meist nur leicht. Die andere Parotis bzw. anderen Speicheldrüsen folgen nach einigen Tagen.

Differenzialdiagnosen  Parotitis anderer Ursachen, Speichelsteine mit Verschluss des Ausführungsgangs, Tu der Parotis.

Inkubationszeit  14–24 d (Durchschnitt 17 d).

Diagnostik

  • BB uncharakt., Erhöhung der Serumamylase

  • Serologie: Bestimmung von IgM, bei Immundefekt o. Geimpften PCR (Urin o. Rachenabstrich)

Therapie  Keine, nur sympt., ggf. Schmerzbekämpfung.

Komplikationen

  • Meningitis/Enzephalitis: Eine meningeale Reizung ist bei Mumps sehr häufig, bis 50 %, bei ca. 10 % Kopfschmerzen, bei 1–2 % typ. Zeichen der Meningitis. Begleitende Enzephalitis wesentlich seltener, dann schlechtere Prognose bzgl. Dauerschäden, ansonsten gutartiger Verlauf

  • Orchitis: bei Jungen nach der Pubertät u. Männern, bis 30 % in dieser Altersstufe. Sehr schmerzhafte Schwellung des Hodens, oft bds., aber nicht gleichzeitig. Etwa ⅓ der befallenen Hoden atrophieren, häufige Ursache erworbener Sterilität. Oft begleitende Epididymitis

  • Pankreatitis: relativ häufig, aber gutartig verlaufend

  • Adnexitis, Nephritis, Thyreoiditis, Myokarditis, seltene Organkomplikationen

Prophylaxe  Impfung (Impfplan ▶ 6.12.1). Isolierung nötig.

6.6.16. Noroviren

Erreger  NorovirusNoroviren. Häufung in den Wintermonaten. Hochkontagiös (< 100 Viren), hohe Viruskonz. im Stuhl u. Erbrochenen. Aerogene Inf. möglich.

Klinik  Meist abrupt einsetzendes Erbrechen, manchmal Durchfall, meist innerhalb Stunden bis wenige Tage selbstlimitierend.

Differenzialdiagnosen  Gastroenteritis durch andere Auslöser.

Inkubationszeit  10–50 h.

Diagnostik

  • PCR aus Stuhl o. Erbrochenem o. Schnelltest wichtig bei Massenerkr. bzw. zur Kohortierung

  • Elektrolyte, BB etc. wie bei Gastroenteritiden je nach Klinik (▶ 13.4.5)

Therapie  Keine, nur sympt.

Komplikationen  Bei Sgl. u. KK Exsikkose, Elektrolytentgleisung.

Prophylaxe  Hygiene (Händedesinf. mit viruzid wirksamer Substanz), Mundschutz, Kohortenisolierung.

6.6.17. Parainfluenza

Erreger  ParainfluenzavirenParainfluenza. Bei Kindern wichtiger als bei Erw., sehr hohe Kontagiosität, sehr hohe Durchseuchung.

Klinik  Symptome des Respirationstrakts, z. B. Krupp-Syndrom, Bronchitis, Bronchiolitis, Pneumonie.

Inkubationszeit  2–4 d.

Differenzialdiagnosen  Andere Viruserkr., z. B. RS-Viren, Influenza u. a. Andere Ursachen trachealer u. bronchialer Obstruktion (▶ 14.3; ▶ 14.4).

Diagnostik  Nicht nötig, PCR möglich.

Therapie  Sympt., z. B. Antipyretika.

Es gibt viele „Grippemittel“ u. „Hustensäfte“, deren Wirksamkeit nicht erwiesen ist. Keine unnötigen Antihistaminika, Sedativa, Mukolytika etc. geben.

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Komplikationen  Bakt. Superinf., dann z. B. Amoxicillin (▶ 26.4).

Prophylaxe  Nicht möglich. In der Klinik Isolierung, Übertragung auf andere stat. Pat. vermeiden.

6.6.18. Parvovirus B19

Erreger  Parvovirus B19Parvovirus B19: RingelrötelnRingelröteln, Erythema infectiosumErythema infectiosum (DD Exantheme ▶ 6.1.3). Relativ seltene Erkr., offenbar geringe Kontagiosität nur in der Inkubationszeit, bei bestehendem Exanthem nicht mehr infektiös.

Klinik  Geringes Fieber, keine typ. Prodromi. Beginn des Exanthems meist im Gesicht, mit rötlich-livider Verfärbung der Wangen („slapped cheek“). Polyzyklische, girlandenförmige Effloreszenzen, die aus zentral abblassenden Flecken entstehen, oft auch feinfleckig verwaschen. Dauer des Exanthems bis zu 10 d. Häufige Begleitarthritiden mit plötzlichem symmetrischem Befall der kleinen Gelenke.

Inkubationszeit  6–17 d (Durchschnitt 13 d).

Differenzialdiagnosen  Andere Viruserkr. (Röteln), Arzneimittelexanthem, SLE u. a. Autoimmunerkr.

Diagnostik  Eher Leukopenie mit relativer Eosinophilie. Serolog. Nachweis von IgM u. IgG (ELISA o. RIA). PCR möglich.

Therapie  Keine. Bei Hydrops ggf. fetale Transfusion.

Komplikationen

  • Aplastische Krise, bes. bei Pat. mit hämolytischer Anämie

  • In der SS: fetale Anämie, die zum Abort führen kann, bei Inf. in der SS wöchentliche Sonografie. Keine Embryopathie wie Röteln!

Prophylaxe  Bisher nicht möglich. Isolierung bei hämat. Grunderkrankung u. aplast. Krise.

6.6.19. Poliomyelitis, Kinderlähmung

Meldepflicht nach IfSG (▶ 6.11).Poliomyelitis Kinderlähmung

Erreger  Polioviren (Gattung d. Enteroviren), 3 Typen, in Europa ausgerottet, Typ 2 weltweit. Keine Kreuzimmunität, daher Mehrfacherkr. möglich. Kontagiosität hoch, in Endemiegebieten hohe Frühdurchseuchung (90 % im 2. Lj.).

Einzelne eingeschleppte Fälle aus Kriegs- u. Krisengebieten von Nahost bis Vorderasien.

Klinik

  • Inapparente Inf. ohne jede Symptome (häufig)

  • Leichter Verlauf: Fieber, Kopfschmerzen, Somnolenz, Schwindel, Erbrechen, Obstipation, unspez. katarrhalische Symptome

  • Neurolog. Erkr.-Formen erst nach der Virämie u. bei bereits begonnener Immunreaktion:
    • Meningitischer Verlauf (ohne Lähmungen)
    • Paralytische Poliomyelitis).Poliomyelitisparalytische 0,5–1 %: Nach Prodromalstadium schlaffe Lähmung, meist zuerst der Beine, 2. Fieberanstieg. Beteiligung der anderen Muskulatur möglich, auch Atemmuskulatur. Keine Sensibiltätsstörungen o. Schmerzen. Als Spätfolge z. B. Beinverkürzungen, Kontrakturen, Skoliose

Inkubationszeit  7–14 d.

Differenzialdiagnosen  Andere neurotrope Viren, andere Meningitisformen, Guillain-Barré-Sy., Tu des ZNS.

Diagnostik

  • Enteroviren-PCR aus Stuhl u. Liquor, Sero-/Genotypisierung durch Referenzzentrum (kostenfrei)

  • Liquor: leichte Pleozytose

Therapie  Keine spez. Ther., bei Atemlähmung Intensivther. mit Beatmung. Meist nach einigen Wo. teilweiser Rückgang der Lähmungen durch Rückgang des Hirn-/Rückenmarködems. Nachbehandlung mit Physiother. hat nachweislich pos. Effekt!

Prophylaxe  Impfung (▶ 6.12). ).PoliomyelitisImpfungStrikte Isolierungsmaßnahmen, Riegelungsimpfungen.

6.6.20. Rhinoviren

Erreger  Mehr als 100 verschiedene RhinovirenSerotypen. Schnupfen, der auf die nasale Mukosa begrenzt bleibt. Kontagiosität hoch.

Klinik  Schnupfen, zunächst wässrig, gleichzeitig Halsschmerzen, bei ca. 30 % auch Husten. Gelegentlich Allgemeinsymptome wie Kopfschmerzen u. Fieber, Dauer insgesamt 7–10 d. Aktivierung bzw. Verschlechterung bei hyperreagiblem Bronchialsystem/Asthma.

Inkubationszeit  2–4 d.

Differenzialdiagnosen  Inf. durch andere Viren (Adeno-, Parainfluenza-, RS-Viren), Streptok.

Diagnostik  Keine spez. Diagn. notw.

Therapie  Symptomatisch.

Komplikationen  Otitis (▶ 21.4, ▶ 21.5), Sinusitis (▶ 21.3).

6.6.21. Röteln

Meldepflicht nach IfSG (▶ 6.11).

Erreger  RötelnvirusRöteln. Häufig symptomlose Erkr., auch dann ansteckend! Kontagiosität insgesamt relativ gering, Erkr. meist mit 5–15 J.

Klinik  Nur schwache Prodromi, dann Schwellung der zervikalen LK für etwa 1 Wo., danach Exanthem (▶ 6.1.3): diskret makulös o. makulopapulös feinfleckig, sehr leicht erhaben, nicht konfluierend, am Kopf beginnend, 1–3 d lang sichtbar. Typ. sind nuchale LK-Vergößerungen.

Inkubationszeit  14–23 d.

Differenzialdiagnosen  Andere exanthematische Erkr., auch EBV, Arzneimittelexantheme.

Diagnostik

  • Charakt. ist Leukopenie, evtl. relative Eosinophilie

  • Serologie: Nachweis von IgM, ggf. PCR. Bei Exposition in der Frühschwangerschaft unbedingt im Labor die Diagnose sichern.

  • Titerbestimmung in der SS: je nach Labormethode IgG 1 : ≤ 64 keine Immunität; bei ELISA IgG 1 : ≥ 256 wahrscheinlich bis sicher; bei sehr hohen Titern o. pos. IgM frische Inf. wahrscheinlich (Laborkommentar lesen!)

  • Konnatale Infektion: PCR aus Nasen- Rachen-Sekret o. Urin.

Therapie  Nur sympt., Bettruhe, Antipyretika.

Komplikationen

  • Selten! Enzephalitis kann vorkommen (1 : ≤ 6 000), bei Jgl. u. Erw. häufiger Arthritiden.

  • Wesentlichste KO ist die Embryopathie. Bei Inf. in der < 12. SSW bei 85 % Fehlbildungen mit Hirnfehlbildungen, Innenohrschwerhörigkeit, Mikrophthalmus, Herzfehlern, weitere Fehlbildungen, meist erhebliche psychomotorische Entwicklungsstörung. Risiko nimmt mit Dauer der SS ab.

  • !

    Die Kinder sind nach der Geburt für mehrere Monate (bis Jahre!) infektiös. Keine Ther.-Möglichkeit.

Prophylaxe  ImpfungRötelnImpfung (▶ 6.12.1). Embryopathien durch das Impfvirus sind nicht bekannt. Eine versehentliche Impfung i. d. Schwangerschaft ist keine Abbruchsindikation! Isolierung im Krankenhaus sinnvoll, um Kontakt zu Schwangeren zu vermeiden.

6.6.22. Rotaviren

Erreger  RotavirenRotaviren, 4 Serotypen mit Subtypen. Kontagiosität sehr hoch, Mehrfacherkr. u. Reinfektionen häufig. Hohe Durchseuchung v. a. auf Säuglingsstationen. Vor Einführung der Impfung häufigster Grund für die Hospitalisierung im 1. LJ.

Klinik  Erbrechen u. Diarrhö, oft übelriechende, teils grün verfärbte Stühle. Trinkschwäche, Dehydration. Gelegentlich Blähungen bis zur Ileussymptomatik, bei Sgl. teils als Sepsis gedeutete Allgemeinsymptome. Dauer meist < 1 Wo., manchmal länger mit postenteritischem Syndrom.

Inkubationszeit  24–72 h.

Differenzialdiagnosen  Andere virale u. bakt. Darmerkr., Fehlbildungen des GIT bei NG, NEC (▶ 4.4.5).

Diagnostik  Schnelltest im Stuhl zuverlässig, primär zur Kohortierung.

Therapie  Frühzeitige u. ausreichende Rehydrierung (möglichst oral, Infusion so kurz wie möglich, ▶ 13.4.5), früher Nahrungsaufbau. Keine spez. Behandlung. Bei Sgl. u. leichter Erkr. weiterstillen (spez. IgA-AK in der MM), dann leichterer Verlauf.

Komplikationen

  • Bei NG u. FG: NEC (▶ 4.4.5), septische Verlaufsform, bei KK: Invagination

  • Persistierende Durchfälle bis hin zu Zottenatrophie bzw. Laktasemangel (▶ 13.4.8)

Prophylaxe  Impfung (▶ 6.12), Kohorteniolierung; ausreichende Händedesinf.

6.6.23. RS-Viren

Erreger  Respiratory-Syncytial-VirenRespiratory-Syncytial-Viren. Epidemieartiges Auftreten in den Wintermonaten, hohe Durchseuchung. Keine bleibende Immunität nach Erkr., sodass häufige Reinfektionen möglich sind. Häufigster Erreger der Pneumonie bei Kindern! Bei Sgl. eher Bronchiolitis/Bronchitis, bei größeren KK (Broncho-)Pneumonie. Bei Erw. (Mutter) meist nur afebriler Schnupfen.

Klinik  Bei Sgl. Bronchiolitis (▶ 14.4.1), obstruktive Bronchitis, bei KK Krupp-Syndrom (▶ 14.3.2), Bronchopneumonie mit obstruktiver Komponente u. Lobärpneumonie.

Inkubationszeit  3–7 d.

Differenzialdiagnosen  Andere Viruserkr., bei Sgl. bakt. Pneumonie, Chlamydien.

Diagnostik  Virusdirektnachweis mittels PCR aus Nasen-Rachen-Abstrich

Therapie  Symptomatisch. Bei Bronchiolitis < 1 J.:

  • !

    keine Inhalationen (NaCl, Salbutamol, Suprarenin), keine Steroide

  • Kind so gut es geht in Ruhe lassen („minimal handling“)

  • Bei Trinkschwäche Ernährung über Sonde, Infusion gefährlicher, da Gefahr d. SIADH mit Hyponatriämie (tägliche Natriumkontrollen bei Infusion!)

Komplikationen  Bei Sgl. SIADH mit Hyponatriämie. Apnoen (auch zentral). Selten bakt. Superinfektion. Induktion eines hyperreagiblen Bronchialsystems.

Prophylaxe  Bei FG/Sgl. mit BPD, zyanotischen Vitien u. einigen wenigen anderen „Risiko“-Sgl. passive Immunisierung mit Palivizumab (= monoklonale Anti-RSV-Ak), im Einzelfall Ind. prüfen u. von der Krankenkasse genehmigen lassen. Kohortenisolierung.

6.6.24. Tollwut

Meldepflicht nach IfSG (▶ 6.11), auch die Exposition!

Erreger  TollwutvirusTollwut, RabiesRabies. Erregerreservoir sind Säugetiere (Hunde, Füchse, Katzen), Fledermäuse u. a. Inf. durch Biss o. Speichelkontakt (über kleine Hautwunden). Die Tiere zeigen ungewöhnliches Verhalten, entweder bes. „zutraulich“ o. ungewöhnlich aggressiv. Übertragung durch Impfköder bisher nicht bekannt. Endemisch in Indien, Pakistan, Afrika, Asien, Amerika.

Die bodengebundene Tollwut ist in Deutschland u. fast allen Nachbarländern nicht mehr präsent, dies gilt nicht für Tollwut bei Fledermäusen. Sehr wenige Fälle seit Jahrzehnten, dann nur bei illegal aus dem Ausland eingeschleppten Tieren o. nach Bissen im Ausland. Es werden viel zu viele Kinder gegen Tollwut geimpft, andererseits ist Tollwut die Infektionskrankheit mit der höchsten Letalität überhaupt.

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Klinik  Inkubationszeit 30–90 d (bis Jahre). Erste Zeichen sind Sensibilitätsstörungen an der Bissstelle, vegetative Störungen, Überempfindlichkeit gegen optische u. akustische Reize, Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit. Dann schlagartig einsetzendes Erregungsstadium mit schmerzhaften Schluckkrämpfen, die z. B. durch das Geräusch fließenden Wassers ausgelöst werden. Anschließend paralytisches Stadium mit meningitischen Begleitsympt. Letalität beim Menschen nahezu 100 %!

Differenzialdiagnosen  Polio, Guillain-Barré-Sy., andere Enzephalitiden; Tetanus.

Diagnostik

  • Bei Erkrankten Virusnachweis im Abklatschpräparat (Kornea, Speichel) mittels IFL, postmortal aus Hirnbiopsie

  • Serolog. Nachweis bei längerem Überleben möglich

Therapie  Keine Ther. möglich, trotz Beatmung u. intensivmed. Maßnahmen Mortalität nicht zu senken, nur sporadische Einzelfälle mit Überleben berichtet.

Prophylaxe  Grundimmunisierung: 3 Impfdosen an den Tagen 0, 7, 28.

Postexpositionsprophylaxe (PEP)  Indikation s. u.TollwutPostexpositionsprophylaxe

  • Exp. Grad I (Berühren, Füttern, Belecken der intakten Haut): keine Impfung.

  • Exp. Grad II: nicht blutende Kratzer, Lecken an nicht intakter Haut: Aktivimpfung an Tagen 0, 3, 7, 14 u. 28.

  • Exp. Grad III: blutende Bissverletzungen, Kontakt von Schleimhäuten/Wunden mit Speichel: zusätzlich Passivimpfung mit Tollwut-Immunglobulin (20 IE/kg KG) zur ersten Impfung, halbe Dosis im Bereich der Wunde injizieren, halbe Dosis in den kontralateralen M. deltoideus.

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  • Wichtigste Maßnahme bei Tierbissen ist die antiseptische Wundversorgung

  • Keine PEP indiziert bei:
    • Biss/Kontakt durch Wildtiere (z. B. Ratte) in Deutschland
    • Biss durch Haustier in Deutschland, wenn sich das Tier i. d. letzten 3 Wo. nicht im Ausland aufgehalten hat
  • PEP indiziert bei:
    • Biss/Kontakt durch Tier mit unbekanntem Halter u. bei jeglichem Zweifel. Wird der Halter ausfindig gemacht u. kann Impfstatus/Aufenthalt d. Tieres klarstellen: PEP beenden
    • Biss/Kontakt mit Fledermaus (weltweit)
  • Alternativ: Tier unter Quarantäne stellen; falls nach 10 d noch symptomfrei, PEP beenden (Tier müsste bei Tollwut Symptome zeigen)

  • Ein Haustier (z. B. Katze), das evtl. eine Fledermaus gefressen hat, stellt kein Risiko dar.

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6.6.25. Varizellen, Zoster

Für VarizellenVarizellen Meldepflicht nach IfSG (▶ 6.11) auch bei Verdacht.

Erreger  Varicella-Zoster-VirusVaricella-Zoster-Virus (VZV). Ersterkr.: Varizellen, WindpockenWindpocken. Hohe Kontagiosität, daher Frühdurchseuchung groß (bis 10. Lj.> 90 %).

Klinik  Uncharakt. Prodromi wie grippaler Infekt. Beginn des Exanthems mit feinen rötlichen Papeln, die sich innerhalb eines Tages in Bläschen mit einem anfangs hellen, dann gelblich trüben Inhalt umwandeln, ca. 2–5 mm groß, dann Eintrocknung u. Schwarzfärbung der Krusten, die nach einigen Tagen abfallen, gelegentlich unter Hinterlassung von Narben, meist hypopigmentierten Stellen. Das Exanthem kann länger als 1 Wo. sichtbar sein, es finden sich Bläschen aller Stadien nebeneinander („Sternenhimmel“). Betroffen ist der ganze Körper einschl. Kopfhaut, Mundschleimhaut u. Genitale. Starker Juckreiz.

Inkubationszeit  11–21 d (Durchschnitt 14 d).

Differenzialdiagnosen  Prurigo simplex acuta.

Diagnostik

  • Für Diagnoseentscheidungen: PCR aus Blässcheninhalt

  • Serologie möglich

Therapie

  • Sympt. u. antipyretisch, bei starkem Juckreiz Antihistaminika (Cetirizin, Dimetinden). Lokal Zinkschüttelmixtur aufpinseln

  • Bei sehr schwerem Varizellenverlauf (z. B. bei immunsupprimierten Pat.) i. v. Ther. mit Aciclovir 30 mg/kg KG/d in 3 Dosen

Komplikationen  Bakt. Superinf. (staphylok.-wirksame Antibiose ▶ 27.4). Selten: Pneumonie, Hepatitis, Pankreatitis, Meningitis, Enzephalitis, Cerebellitis u. a.

Prophylaxe  Impfung für alle Kinder ab dem 11. LM empfohlen (Impfplan ▶ 6.12.1).

Passiv mit Hyperimmunglobulin o. Aciclovir möglich, für Risikopat. (immunsupprimiert behandelte Pat., NG ungeschützter Mütter, Pat. mit Immundefekt).

In der Klinik Isolierung. Zoster wenig kontagiös, dir. Kontakt mit immunsupprimierten Pat. etc. vermeiden.

6.6.26. SARS-CoV2

SARS-CoV2SARS-CoV2 (severe acute respiratory syndrome – Corona virus 2) löst die Erkrankung COVID-19COVID-19 (Coronavirus Disease 2019) aus.

Dieses Unterkapitel beruht auf dem Wissensstand vom Juni 2020. Aktuell wurden fast 10 Millionen Erkrankungen und fast eine halbe Million Todesfälle gemeldet – die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen. Die größte Gefahr besteht in der völligen Überlastung der Gesundheitssysteme durch einen Massenanfall von beatmungspflichtigen Patienten. Wichtigste Maßnahme zur Eindämmung: „Isolate Cases, Quarantine Contacts“. Die Fall-Nachverfolgung und intensive Testungen, sowie das Verhindern von potentiellen Superspreader-Events (Großveranstaltungen in geschlossenen Räumen) stehen im Vordergrund.

Vier Stufen (the four C) der Verbreitung auf lokaler Ebene: „No Cases – isolated cases – clusters of cases – community transmission“ („the four Cs“). Durch Ausgangssperren (Lockdowns) können ganze Regionen unter Isolation gestellt werden, wenn die Gesundheitsbehörden einzelne Fälle u. deren Kontakte nicht mehr verfolgen können. So kann eine Region von community transmission zurück auf cluster, zurück auf einzelne Fälle gelangen. Hierfür sind immense Anstrengungen notwendig, die sowohl die Psyche der Bevölkerung als auch die öffentlichen Gesundheitssysteme u. die Wirtschaft vor eine nie dagewesene Herausforderung stellen.

Klinik Inkubationszeit 5–6 (1–14) d, Tröpfcheninfektion, Aerosolübertragung, Schmierinfektion. In > 80% milde Erkrankung mit trockenem Husten, Halsschmerzen, Fieber, Verlust des Geruchssinns, Gliederschmerzen, seltener Gastroenteritis. Bei schwerem Verlauf hohe Inzidenz thrombembolischer Komplikationen. Im Verlauf Zytokinsturm mit Multiorganversagen möglich. Kinder: bis 50% asymptomatisch. Wenn symptomatisch: oft nur Erkältung, bis 30% Diarrhö/Erbrechen, Fieber in 50%-70%. Interstitielle Pneumonie mit ARDS möglich. Schätzung zur Sterblichkeit insgesamt aktuell 0,5-1%, bei Kindern weit niedriger.

ARDS 5–8 d nach Pneumoniebeginn intrapulmonale Fibrose mit akut einsetzendem ARDS u. Beatmungspflichtigkeit, durchschnittliche Beatmungsdauer 7–14 d. Letaler Verlauf primär bei Älteren u. chronisch Erkrankten, insbesondere kardiale VE sowie Diab. Einzelne Verläufe ähnlich eines septischen Schocks u. Multiorganversagen mögl., auch im jüngeren Alter.

Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome (MISC; Syn. PIMS-TS, Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome (MISC; Syn. PIMS-TS, pediatric inflammatory multisystem syndrome timely associated with SARS-CoV-2): Möglicherweise durch SARS-CoV-2-Infektion postinfektiös getriggerte Hyperinflammation mit Vaskulitis, teils als komplettes, inkomplettes oder atypisches Kawasaki-Syndrom oder Toxic-Shock-Syndrom imponierend, primär bei Schulkindern (typisches Kawasaki bei Kleinkindern), Therapie entsprechend. Bisher ca. 200 Fälle weltweit.

Diagnsostik Goldstandard PCR aus Oropharynx, positiv ab 2-3d vor Symptombeginn, nach 7d Verlagerung der Viruslast in die unteren Atemwege, dann oft nur noch Trachealsekret positiv. IgG nach 1-2 Wochen, IgM und IgA ungefähr zeitgleich. Beweisend: Titeranstieg nach 2-4 Wochen, auch bei initial negativer PCR.

Therapie Symptomatisch, bei O2-Bedarf reduziert Dexamethason evtl. die Letalität.

Infektiosität  Schon 48h vor Symptombeginn hohe Viruslast und Infektiosität. Ansteckungsfähigkeit bei mildem Verlauf bis 9d nach Erkrankungsbeginn, Isolation bis 9d nach Erkrankungsbeginn + 3d Symptomfreiheit. Bei schwerem Verlauf deutlich längere Infektiosität anzunehmen.

Prophylaxe Basismaßnahmen der Hygiene, Kontaktvermeidung, im Krankenhaus Schleusenzimmer mit Unterdruck, wenn möglich. Mund-Nasen-Schutz für alle Mitarbeiter des Gesundheitswesens. Erstkontakt bei Infektzeichen immer mit FFP2-Maske, Schutzbrille, Kittel, Handschuhen.

6.7. Pilzinfektionen, Mykosen

Drei Gruppen Infektion(en)Pilzevon Pilzen spielen bei Inf. eine Rolle, wobei nur die im Kindesalter relevanten ausführlicher genannt werden können. Weitere MykosenMykosen bei Kindern selten.

  • Hefepilze/Sprosspilze, z. B. Candida-Arten, Cryptococcus

  • Schimmelpilze, z. B. Aspergillus-Arten

  • Fadenpilze/Dermatophyten, z. B. Epidermophyton, Trichophyton, Microsporon

6.7.1. Soor

Erreger   Candida albicans Candida albicans (90 %) u. a. SoorHefen. Erkr.: Soor, Moniliasis. ubiquitär verbreiteter Hefepilz, der als opportunistischer Erreger Erkr. hervorruft, z. B. bei NG, Immundefekten, antibiotischer o. zytostatischer Behandlung, Diabetes, HIV.

Klinik

  • Bei NG weißliche Beläge, teils festhaftend, Zunge u. Wangentaschen, Trinkschwäche, geblähter Bauch u. Koliken bei intestinaler Beteiligung, dann auch meist Anogenitalsoor

  • Windelsoor: sehr häufig, als Superinf. bei ammoniakalischer Dermatitis o. Infekten/antibiotischer Behandlung. Intensive Rötung, konfluierend mit Satelliteneffloreszenzen, scharf begrenzt mit leicht schuppendem Rand

  • Intertriginöse Candidose in allen Altersstufen, Ösophagitis fast nur bei Immundefekten u. AIDS

  • Sepsis bei FG nach Besiedelung (z. B. zentraler Katheter, aber auch primär)

Diagnostik  Klinisch. Nachweis in Abstrichen, Stuhl, Blutkulturen.

Therapie

  • Lokal mit Nystatin, Amphotericin B o. Miconazol, bei Windelsoor möglichst als Paste, sonst Salben

  • Oral Nystatin o. Amphotericin B, bei Sgl. z. B. nach jeder Mahlzeit 0,5–1 ml. Wird nicht resorbiert, atoxisch

Prophylaxe  Bei Sgl. mit antibiotischer Behandlung auf die Entwicklung einer Soorinf. achten, frühzeitige antimykotische Ther., evtl. sogar „prophylaktisch“, ebenso bei Jgl. mit Mehrfachantibiose (z. B. Genitalmykose bei CF u. i. v. Antibiose).

6.7.2. Aspergillose

Erreger   Aspergillus fumigatus u. a. Arten. Verschiedene Erkr.

Klinik

  • AspergillomAspergillom: Myzel: kreisrunder kavernenartiger Herd in der Lunge. Am häufigsten bei Kindern mit Immundefekt/Immunsuppression

  • Aspergillus-Inf.: selten, meist bei Immundefekt

  • Allergische bronchopulmonale AspergilloseAspergillose (ABPA) bei Mukoviszidose (▶ 14.6)

  • Allergie: Inhalationsallergie, meist Asthma mit vorwiegend verzögerter Reaktion

Diagnostik

  • Erregernachweis im Sputum (beweist nur Kontakt, häufig ohne klin. Relevanz, v. a. bei CF)

  • Gallactomannan i. S.: z. Screening bei Hochrisikopatienten o. bei Verdacht wichtigster Marker

  • Serologie: Immunkomplexe (bei Aspergillose u. ABPA), IgE-Ak (bei ABPA-Verdacht rekombinante Allergene rAsp1/2/4/6)

  • Prick-Test (bei Allergie u. ABPA)

Therapie  Bei invas. Erkr: Voriconazol o. lipos. Amphotericin B.

6.7.3. Dermatophyten

Erreger   Microsporon, Trichophyton, Epidermophyton u. a. Arten. DermatophytenÜbertragung von Mensch zu Mensch o. von Tieren. Besiedelung der Epidermis, Befall von Haaren u. Nägeln.

Klinik

  • Meist flächenhafte, oft runde o. ovale Rötung, mit randständiger Schuppung, Haarausfall

  • Tinea manuum et pedum: intertriginöse feuchte Schuppung, Rhagaden o. dyshidrosiforme Bläschen

Differenzialdiagnosen  Psoriasis, bes. Ekzemformen (atopisches Fußekzem).

Diagnostik  Fluoreszenz unter Wood-Licht (UV). Kultur (1–2 Wo.), Probenmaterial durch Abschaben gewinnen u. mit entsprechender Fragestellung in das mykolog. Labor verschicken (vorher nicht desinfizieren).

Therapie

  • Lokal, z. B. mit Bifonazol, Ciclopirox etc.

  • Zusätzliche systemische Ther. bei tiefer Mykose o. persistierender Nagelmykose, z. B. mit Fluconazol, Terbinafin (noch off-label) o. Griseofulvin

6.8. Protozoen

6.8.1. Toxoplasmose

Erreger   Toxoplasma gondii. Infektion(en)Protozoen ToxoplasmoseÜbertragung meist durch rohes o. ungenügend erhitztes Fleisch mit Zysten, seltener durch Oozysten aus Katzenkot (Katze hat akuten Durchfall). Inkubationszeit 4–21 d, Symptome nach 2 Wo.

Klinik

  • Nach Erstinf. in der SS Abort o. konnatale Toxoplasmose. Risiko der Übertragung steigt von 15 % im 1. bis zu 60 % im 3. Trimester. Symptome: Hydrozephalus o. Mikrozephalus, Chorioretinitis, Verkalkungen im Gehirn, bei Beteiligung der Hypophyse Diab. insip. u. a. Folgen, schwere Entwicklungsverzögerung, Krampfleiden, Hepatosplenomegalie. Häufig Früh- o. Totgeburten

  • Bei älteren Kindern meist asympt. (90 %); zunehmende Durchseuchung mit steigendem Alter. Klin. Symptome können sein: LK-Schwellungen ▶ 6.1.2, Krankheitsgefühl u. Schwäche ohne Fieber

  • Pat. mit AIDS o. Immundefekten können schwer erkranken mit generalisierten Infektionszeichen u. typischerweise ZNS-Befall

Differenzialdiagnosen  Konnatale Zytomegalie u. andere Inf.

Diagnostik

  • PCR zum Erregernachweis in Körperflüssigkeiten, differenziert nicht zw. akuter, latenter, reaktivierter Inf.

  • Serologie: IgM steigt nach 1–2 Wo., IgG n. 3–4 Wo. IgG-Titer-Anstieg o. Nachweis von IgM-Ak sichern Diagnose, Aviditätsbestimmung hilfreich (hochavide = zurückliegende Inf.). Bei NG schwierige Interpret. wg. mat. AK

  • Bei V. a. konnatale Inf. gezielte Suche nach typ. Organkomplikationen

Therapie

  • Konnatale To.: 12 Monate Ther. mit Pyrimethamin + Sulfadiazin + Folinsäure

  • Postnatale To.: Ther. nur bei schwerer Inf (z. B. bei Immundef.): Pyrimethamin + Sulfadiazin o. Co-Trimoxazol

Prophylaxe  Kein rohes Fleisch essen, Gemüse u. Früchte waschen, Handhygiene bei der Fleischzubereitung, Berührung mit Tierkot vermeiden, bes. Katzenkot.

6.8.2. Kryptosporidien

Erreger   Cryptosporidium parvum, Kryptosporidiendarmpathogener Parasit bes. bei Kälbern, aber auch anderem Vieh, sporadisch auf Menschen übertragbar („Urlaub auf dem Bauernhof“), 1 500–2 000 Fälle/J.

Klinik  Inf. kann asympt. verlaufen. Sonst wässrige profuse Durchfälle. Schwere Verläufe bes. bei Pat. mit angeb. o. erw. Immundefekten. Typ. Geruch nach Kuhstall. Bei Immundefizienz schwere Diarrhö ohne Erregerelimination mit langwierigem Verlauf, Gewichtsverlust u. Malabsorption.

Inkubationszeit  2–7 d.

Differenzialdiagnosen  Darminfekte durch andere Erreger.

Diagnostik  Mikroskopischer Nachweis in nach Ziehl-Neelsen gefärbten Stuhlausstrichen. In Routinestuhlkulturen werden Kryptosporidien nicht gefunden!

Therapie  Normalerweise selbstlimitierend, sympt. Ther. der Diarrhö u. des Wasserverlusts. Bei Immundefizienz Nitazoxanid, Paromomycin o. Azithromycin.

6.8.3. Pneumocystis

Erreger   Pneumocystis Pneumocystis jiroveci (früher P. carinii). Normal harmlos, als Krankheitserreger nur bei immunolog. inkompetenten Pat., gelegentlich Sgl., bes. Pat. mit AIDS, aber auch anderen Immundefekten u. unter zytostatischer Ther.

Klinik  Bei Sgl. zu Beginn Husten, leichtes Fieber, Tachypnoe u. zunehmende Atemnot, Einziehungen u. Zyanose. Bei älteren Kindern/Erw. oft plötzlicher Beginn mit Fieber, Tachypnoe u. Husten, Zyanose u. Atemnot. Relativ zur Schwere der Erkr. normaler Auskultationsbefund. Unbehandelt oft tödlicher Ausgang.

Besiedelung mit Pneumocystis bedeutet noch nicht Erkr., Nachweis bedeutet noch nicht Ther.!

Alt-text: Unlabelled Box

Diagnostik

  • Erregernachweis in Bronchiallavage, evtl. auch (induziertem) Sputum (nach Inhalation mit Kochsalz 6 %) o. in transbronchialer Biopsie. Serologie häufig falsch pos. u. ohne Bedeutung

  • Rö-Thorax: ausgeprägte Überblähung, feingranuläre Zeichnung, vom Hilus ausgehende Infiltrate

Therapie  Trimethoprim-Sulfamethoxazol 20 mg/kg KG/d auf Trimethoprim bezogen, in 3–4 Dosen.

Prophylaxe  Bei onkol. Pat. 150 mg TMP/m2 KOF + 750 mg SMX/m2 KOF p. o. 3 ×/Wo.

6.8.4. Malaria

Erreger   Plasmodium Plasmodium (P.) falciparum (MalariaMalaria [M.]. tropica, am gefährlichsten), P. vivax u.  P. ovale (M. tertiana), P. malariae (M. quartana), P. knowlesi, Übertragung durch Anopheles-Mücken (selten auch durch Bluttransfusionen). Endemiegebiete fast überall in den Tropen u. Subtropen, auch einige Gegenden der Türkei!

Klinik

  • M. tropica: Fieber, Kopf-, Bauch- u. Gliederschmerzen, Allgemeinsympt., manchmal Durchfall. Fieberverlauf unregelmäßig. Labor: Anämie, Thrombozytopenie (sensitivster Laborparameter), Hämolysezeichen

  • Andere Formen: Fieberschübe bei M. tertiana alle 48 h, bei M. quartana alle 72 h. KO selten. Splenomegalie bei längeren Verläufen

  • !

    Achtung! Rezidive bei M. tropica durch Medikamentenresistenz innerhalb einiger Mon. nach Ther. möglich. Rezidive bei M. tertiana durch in der Leber verbleibende Plasmodien („Hypnozoiten“) jahrelang möglich

Kriterien für „komplizierte Malaria“  Mit Behandlung auf Intensivstation: Eintrübung, Krampfanfall, resp. Insuff., Hypoglyk., Azidose, Hyperkaliämie, Schock, Gerinnungsstörung, sichtbarer Ikterus, Hb < 5 g/dl, Parasitämie > 5 %.

Inkubationszeit  Meist 7–27 d, selten bis 1 Jahr (Anamnese!)

Differenzialdiagnosen  Bei unklarem Fieber Reiseanamnese! Bei Fieber nach Tropenaufenthalt immer Malaria ausschließen.

Diagnostik  Erregernachweis im „dicken Tropfen“, dünner Ausstrich zur Speziesidentifizierung, Schnelltest zur Notfalldiagnostik. Anruf im Tropeninstitut sinnvoll.

Therapie:  M. tertiana u. quartana können ambulant behandelt werden.

  • Unkompl. M. tropica (off-label für P. knowlesi/tertiana): Artemether-Lumefantrin (1 Tbl. enthält 20 mg A. u. 120 mg L.), Einnahme zu Stunde 0, 8, 24, 36, 48, 60. Dosis: 5–15 kg 1 Tbl.; 15–25 kg 2 Tbl.; 25–35 kg 3 Tbl.; > 35 kg 4 Tbl. EKG-Monitoring. Bei kard. Vorerkr: Atovaquon-Proguanil (Malarone)

  • Kompl. Malaria: Artesunat i. v. > 20 kg KG 2,4 mg/kg, < 20 kg KG 3 mg/kg zu Stunde 0, 12, 24, dann alle 24 h, Ther. mind. 24 h, max 7 d, Oralisierung sobald möglich, Komplettierung Ther. mit Artemisinin o. Malarone

  • Immer Rezidivproph. bei M. tertiana nach Akutther.: Primaquin 1 × tgl. für 14 d (Hypnozoitenelimination)

Prophylaxe  Richtet sich nach Reiseziel, -zeit, -dauer, Empfehlungen der DTG unter www.dtg.org. Wichtigste Prophylaxe ist die Expositionsprophylaxe (lange, helle Kleidung, Repellents, Moskitonetz). Eine Impfung (Mosquirix) ist zugelassen, für Reisemedizin aber unzureichende Wirkung.

6.8.5. Giardiasis (Lambliasis)

Erreger   Giardia lamblia, weltweitGiardiasis Lambliasisverbreitet. Schmierinf. bzw. kontaminiertes Wasser. Reife Zysten können außerhalb des Körpers monatelang überleben.

Klinik  Oft asympt., bei 40–80 % Durchfälle, Gewichtsverlust, Gedeihstörung. Plötzlicher o. allmählicher Beginn, oft selbstlimitierend, aber auch Übergang in chron. Inf. mit Malabsorption, Disaccharidintoleranz etc. u. sek. Vitaminmangel möglich. Wegen der klin. Ähnlichkeit zu CED vor Koloskopie Lambliasis ausschließen.

Diagnostik  Nachweis der Zysten in Stuhl, Duodenalsaft o. in Biopsien aus dem Duodenum. Immunolog. Antigennachweis im Stuhl möglich.

Therapie  Metronidazol 15 mg/kg KG/d in 3 Dosen über 7–10 d.

6.8.6. Amöben

Erreger   Entamoeba (E.) histolytica. Überwiegend Amöbenin warmen Ländern, Inf. über kontaminierte Nahrungsmittel, Wasser bzw. Schmierinf.

Klinik

  • Asympt. Zystenträger (Darmlumeninf.)

  • AmöbenruhrAmöbenruhr: Bauchschmerzen, Durchfälle meist blutig-schleimig

  • AmöbenabszessAmöbenabszess (Leberabszess, bei 1–7 % der Kinder mit invasiver Amöbiasis): Fieber, Schmerzen im re. Oberbauch, schlechtes Allgemeinbefinden

Inkubationszeit  Ca. 2 Wo., aber auch noch nach Mon. Erkr. möglich.

Diagnostik

  • Asympt. Zystenträger: Nachweis der Zysten im Stuhl

  • Amöbenruhr: Nachweis von E. histolytica, die Erythrozyten phagozytiert haben („Magna-Form“) im Stuhl, am einfachsten im frischen Stuhl. PCR möglich u. zuverlässig

  • Amöbenabszess: sonografischer Nachweis des Abszesses in der Leber. Bestätigung durch Nachweis spezifischer Ak i. S.

Therapie  Amöbenruhr u. -leberabszess: Metronidazol 30 mg/kg KG/d in 3 Dosen für 10 d, o. Tinidazol, bei V. a. Darmperforation zusätzlich Chloroquin 10 mg/kg/d, max. 600 mg, für 2–3 Wo.

Komplikationen  Leberabszess, Darmperforationen, Lungenbeteiligung.

6.8.7. Leishmaniosen

Erreger  Viszerale LeishmanioseLeishmaniose (Kala-Azar): meist Leishmania (L.) donovani. Kutane Leishmaniose (Orientbeule): meist L. tropica. Mukokutane Leishmaniose: L. brasiliensis, L. mexicana u. a. Subtropen u. Tropen, übertragen von Mücken.

Klinik

  • Viszerale Leishmaniose: bei jüngeren Kindern meist plötzlicher Beginn mit Fieber, Übelkeit, Erbrechen, Husten, gelegentlich nur uncharakt. Allgemein- u. Bauchsymptome. Hepatosplenomegalie. Labor: Panzytopenie

  • Kutane Leishmaniose: Hautgeschwüre

  • Mukokutane Leishmaniose: zusätzlich evtl. Ulzerationen in Nase, Mund u. Pharynx

Inkubationszeit  Wochen bis Monate.

Differenzialdiagnosen Cave: Verwechslung mit Leukämie!

Diagnostik

  • Viszerale Leishmaniose: mikroskopischer Erregernachweis (KM), PCR aus Blut o. KM

  • Ak-Nachweis bei viszeraler Leishmaniose

  • Kutane u. mukokutane Leishmaniose: mikroskopischer Erregernachweis (Wundrand)

Therapie  Viszerale Leishmaniose: liposomales Amphotericin B 3 mg/kg/d an 5 aufeinanderfolgenden Tagen u. an Tag 10. Erreger aus Mittel- u. Südamerika: 4 mg/kg KG/d. Therapie in RS mit spez. Zentrum

6.9. Wurmerkrankungen

6.9.1. Oxyuren

Erreger   Enterobius vermicularis, FadenwürmerFadenwürmer.Wurmerkrankungen OxyurenFäkal-orale Übertragung (Eier z. B. unter Fingernägeln, in Kleidern, Betten). Sehr weit verbreitet, häufiger Vorstellungsgrund nachts in der Notaufnahme.

Klinik  Keine Allgemeinsympt., harmlos. Im Stuhl 5–13 mm lange weiße Würmer. Analer Juckreiz in der Nacht, da die Würmer nachts dort auswandern, um die Eier abzulegen.

Diagnostik  Entweder sichtbare Würmer im Stuhl o. Tesafilmabzug perianal am Morgen, mikroskopischer Einachweis.

Therapie  Pyrantel einmalig 10 mg/kg, max. 1 g. Alternativ ab 2 J. Mebendazol 100 mg ED. Bei rezid. Oxyurasis Mebendazol 100 mg einmal alle 2 Wo. über 16 Wo., Mitbehandlung d. Haushaltskontakte.

6.9.2. Zestoden (Taeniasis, Zystizerkose)

Erreger   Taenia saginata (RinderbandwurmBandwurm, am häufigsten), Taenia solium (Schweinebandwurm, selten), Bothriocephalus latus (Fischbandwurm, sehr selten). Zystizerkose = Befall mit dem Finnenstadium von T. solium. Zestoden TaeniasisÜbertragung i. d. R. durch Zystizerkoserohes (Rind-)Fleisch. Inkubationszeit 8–10 Wo.

Fischbandwurm Klinik  Meist asympt. Evtl. Bandwurmglieder im Stuhl als erstes Zeichen. Gelegentlich uncharakt. Bauchsymptome, evtl. Anämie durch Vit.-B12-Mangel. Bei Neurozystizerkose: Krampfanfälle, neurol. Sympt.

Diagnostik  Mikroskopischer Nachweis der Eier im Stuhl. Makroskopisch: wenn Bandwurmglieder auf dem Stuhl erscheinen. Bei Taenia saginata 1–2 cm lange, viereckige Glieder, Oberflächenzeichnung mit mehreren Seitenästen, noch mehrere Stunden beweglich. Taenia solium hat kürzere Glieder ohne Zeichnung. Neurozyst.: cMRT, AK im Liquor.

Therapie

  • Taeniasis: Praziquantel 10 mg/kg als ED

  • Zystizerkose: Behandlungsindikation unklar, wenn dann Albendazol 15 mg/kg in 2 ED 7–14d, ggf. additiv Steroide (Anaphylaxieprophylaxe bei Parasitenzerfall)

6.9.3. Echinokokken

Erreger   Echinococcus (E.) granulosus (HundebandwurmHundebandwurm, häufiger), E. multilocularis (Fuchsbandwurm, selten). Übertragung durch Hundekot bzw. Waldbeeren, die mit Fuchskot kontaminiert sind. Inkubationszeit wenige Monate bis viele Jahre.Echinokokken

Klinik  Larven wandern in die Leber, dort infiltratives Wachstum, bilden zystenartige, teils monströs große Gebilde, die Tausende von Bandwurmköpfen enthalten können. E. granulosus kann auch andere Organe befallen (Milz, Lunge, Gehirn). Klin. Erscheinungen durch die Raumforderung je nach Lokalisation.

Diagnostik  BB (ausgeprägte Eosinophilie). Goldstandard Sono, MRT. Serologie zur Bestätigung, Kinder oft falsch negativ. RS mit Referenzzentrum.

Therapie  Operative Entfernung bei großen Leberzysten: Chemother. durch Punktion u. (sofern kein Anschluss der Zyste an die Gallenwege) Desinf. der Zyste mit 70–95 % Ethanol. Dann Entfernung der Zyste. Ferner PAIR-Verfahren (Punktion-Aspiration-Injektion-Reaspiration). Bei inoperablen Zysten Albendazol. Jährliche bildgebende Verlaufskontrollen für 10 Jahre.

6.9.4. Toxocara

Erreger   Toxocara Toxocara (T.) canis (häufiger), T. cati. Erkr. als Larva migrans visceralis bezeichnet. Übertragung durch Hundekot. Bis zu 80 % der Spielplätze (Sandkästen) sind verunreinigt.

Klinik  Erkr. meist bei KK, fast immer asymptomatisch, ggf. Fieber, Husten, HSM. Krampfanfälle durch zerebralen Befall (20 %). Sonderform: okuläre Inf. mit Visusrückgang, Schielen, periorbitalen Ödemen, selten Blindheit.

Diagnostik  BB mit ausgeprägter Eosinophilie, bis > 60 %. Serolog. Nachweis.

Therapie  I. d. R. keine Ther. notw. Bei ZNS- o. Augenbefall Albendazol 4 Wo.

Prophylaxe  Durch Händewaschen nach dem Spielplatzbesuch bzw. nach Berühren von Hunden/Katzen.

6.10. Isolationsmaßnahmen, Hygiene

Bes. gefährdete Pat.-Gruppen sind NG u. FG, Pat. Infektion(en)Isolationsmaßnahmen Isolationsmaßnahmen Infektion(en)Hygiene Hygienemit Immundefekten, onkolog. u. frisch operierte Pat. Im Prinzip sind alle Kinder vor in der Klinik erwerbbaren Inf. zu schützen.

Vorbeugung von Krankenhausinfektionen

  • Isolierung infektiöser Pat siehe jeweilige Erkrankung

  • „Hygienische Händedesinf.“ immer u. ohne Ausnahme! Nur bei Verschmutzung vorher waschen. Richtiges Mittel verwenden, bei Noro- o. Rotaviren spezielle viruzide Substanzen! 5 Indikationen zur Händedesinfektion:
    • 1.
      VOR Patientenkontakt
    • 2.
      VOR aspetischen Tätigkeiten
    • 3.
      NACH Kontakt mit pot. inf. Material
    • 4.
      NACH Patientenkontakt
    • 5.
      NACH Kontakt mit der dir. Patientenumgebung
  • !

    Alkoholische Händedesinfektionsmittel nicht zur Flächen- u. Gerätedesinf. benutzen, da rückfettend. Für das Stethoskop z. B. Einmal-Alkoholtupfer!

  • Kittelpflege: Für jeden Pat. eigener Überkittel für Kontaktpersonen. Kittel bleibt in der Nähe des Betts, mind. täglich wechseln.

  • Instrumente: Wichtigster potenzieller Keimüberträger ist das Stethoskop, daher bei Sgl. für jedes Kind eigenes Stethoskop. Ansonsten Desinf. der Membran vor der Unters. (Alkoholtupfer).

Maßnahmen bei eingetretenen Krankenhausinfektionen

  • Ein Pat. betroffen: Behandlung der Inf. Eltern über eine in der Klinik erworbene Inf. offen informieren. Auch die Eltern müssen sich an Isolationsmaßnahmen etc. halten.

  • Bei massenhaften Klinikinf. (z. B. epidemieartig ausgebreitete Rotaenteritis):
    • Zusammenarbeit mit der Krankenhaushygiene, hygienebeauftragtem Arzt, Arbeitsmedizin, ggf. Umgebungsunters. (Handabklatsche, Rachenabstriche) auch beim Personal, um Infektionsquellen zu lokalisieren.
    • Kohortensystem, um Infektionskette zu unterbrechen, es werden alle Kinder zu einer Gruppe zusammengefasst u. alle nachkommenden Kinder zu einer zweiten Gruppe. Diese beiden „Kohorten“ sind streng voneinander zu trennen.
    • Intensivierte Überwachung der Händedesinf., gezielte Suche nach Hygienemängeln

Infektionen des Personals  Häufig Inf. d. Atemwege (Influenza, RSV) bei mangelndem Eigenschutz (Influenzaimpfung!). Bei Stichverletzung bei Hepatitis-B-Verdacht o. -Kontakt sofort passive Immunisierung, vorher Titer abnehmen (+ Hep C + HIV). Kontrollen durch Betriebsarzt. Bei HIV-Kontakt Prophylaxe (▶ 6.6.11). Gefährdete Personen (z. B. Schwangere) müssen vor Inf. bes. geschützt werden, v. a. CMV, Toxoplasmose, TB, auch Röteln.

6.11. Meldepflicht

MeldepflichtInfektion(en)Meldepflicht Meldepflicht besteht u. a. schon bei Verdacht auf Keuchhusten, Masern, Mumps, Röteln, Windpocken. Meldeformular unter www.rki.de mit weiteren wichtigen Informationen!

Nach dem Infektionsschutzgesetz (§§ 6, 8, 9 IfSG) sind zahlreiche Krankheiten zu melden. Die aktuellen Bestimmungen u. Formulare bzgl. der Meldepflicht sind abzurufen über das Robert Koch-Institut (www.rki.de).

  • Bei Zweifeln über die Meldepflicht Anruf beim zuständigen Gesundheitsamt.

  • Die Meldung erfolgt an das nächstgelegene Gesundheitsamt binnen 24 h.

  • Verantwortlich für die Meldung ist der behandelnde Arzt, in Krankenhäusern der leitende Arzt. I. d. R. wird die Meldung stillschweigend delegiert. Der leitende Arzt bzw. dessen Vertreter (zuständiger Oberarzt) sollten über eine Meldung informiert sein.

  • Eine Kopie der Meldung gehört zur Dokumentation in die Akte.

  • Meldung durch den Arzt gemäß § 6 IfSG bei Verdacht, Erkrankung o. Tod in Bezug auf folgende Krankheiten:
    • Botulismus, Cholera, Clostr. diff. (schwerer Verl.), Creutzfeldt-Jakob-Krank. (außer fam. Form), Diphtherie, akute Virushepatitis, eneteropathisches hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS), virusbedingtes hämorrhagisches Fieber, Keuchhusten, Masern, Meningokokken (invasive Erkrankung), Milzbrand, Mumps, Paratyphus, Pest, Poliomyelitis, Röteln einschl. -embryopathie, Tollwut (auch mögliche Exposition), Typhus abdominalis, Tuberkulose, Windpocken, zoonotische Influenza. Zudem Impfschäden sowie Lebensmittelvergiftungen bei Beschäftigten im Lebensmittelbereich o. bei 2 o. mehr Erkrankungen in epid. Zusammenhang sowie bei Gefahr für die Allgemeinheit
  • Meldung durch das Labor gemäß § 7 IfSG: Stand 2019 bei aktuell 51 Erregern, www.rki.de, Suchwort „Meldepflicht“

6.12. Impfungen, allgemeine Prinzipien

6.12.1. Impfkalender

Impfkalender ▶  Tab. 6.11 für Sgl., Kinder, Jgl. u. Erw. nach den Empfehlungen der STIKO (Ständige Impfkommission am RKI), immer aktuell abzurufen unter www.rki.de.

Tab. 6.11.

ImpfkalenderImpfkalender (Stiko) 2019/2020 (Stand Juni 2020) [X221-007]


Alter
Impfung in Wo- chen
in Monatena
in Jahren
6 2 4 11– 14 15– 23 2– 4 5– 6 7–8 9– 14 15– 16 17 ab 18 ab 60
Rotaviren G1b G2 (G3)
Tetanus G1 G2 G3 N N A1 N A2 N A (ggf. N)e
Diphtherie G1 G2 G3 N N A1 N A2 N A (ggf. N)e
Pertussis G1 G2 G3 N N A1 N A2 N A3e (ggf. N)
Hib
H. influenzae Typ b
G1 G2 G3 N N
Poliomyelitis G1 G2 G3 N N A1 N ggf. N
Hepatitis B G1 G2 G3 N N
Pneumokokkena G1 G2 G3 N Sg
Meningokokken C G1 (ab 12 Mon.) N
Masern G1 G2 N Sf
Mumps, Röteln G1 G2 N
Varizellen G1 G2 N
HPV
Humane Papil- lomvirern
G1dG2d Nd
Herpes zoster G1h G2h
Influenza S (jährl.)

G: Grundimmunisierung (in bis zu 4 Teilimpfungen G1–G4)

A: Auffrischimpfung

S: Standardimpfung

N: Nachholimpfung (Grundimmunisierung aller noch nicht Geimpften bzw. Komplettierung einer unvollständigen Impfserie)
  • a
    Frühgeborene erhalten bei der 6-Fach-Impfung und bei der Pneumokokkenimpfung eine zusätzliche Impfdosis im Alter von 3 Monaten, d. h. insgesamt 4 Dosen
  • b
    Die 1. Impfung sollte bereits ab dem Alter von 6 Wo. erfolgen, je nach verwendetem Impfstoff sind 2 bzw. 3 Dosen im Abstand von mind. 4 Wo. erforderlich.
  • c
    Bei Anwendung eines monovalenten Impfstoffs kann diese Dosis entfallen.
  • d
    Standardimpfung für Kinder und Jugendliche im Alter von 9–14 J. mit 2 Impfstoffdosen im Abstand von mind. 5 Mon., bei Nachholimpfung beginnend im Alter > 14 Jahren o. einem Impfabstand von < 5 Monaten zwischen 1. Und 2. Dosis ist eine 3. Dosis erfoderlich (Fachinformation beachten).
  • e
    Td-Auffrischimpfung alle 10 J.; die nächste fällige Td-Impfung einmalig als Tdap- bzw. bei entsprechender Ind. als komb. Tdap-IPV-Komb.-Impfung.
  • f
    Einmalige Impfung für alle nach 1970 geborenen Personen ≥ 18 J. mit unklarem Impfstatus, ohne Impfung o. mit nur 1 Impfung in der Kindheit.
  • g
    Impfung mit dem 23-valenten Polysaccharid-Impfstoff
  • h
    Zweimalige Impfung mit dem adjuvantierten Herpes-zoster-Totimpfstoff im Abstand von mind. 2 bis max. 6 Monaten.

6.12.2. Impfstatus

Bei jedem stationär aufgenommenen Kind ImpfstatusImpfstatus festhalten (nicht einfach „s. altes Krankenblatt“ o. „wird nachgereicht“).

Jede Impfung unmittelbar in den Impfausweis eintragen, dabei Aufkleber mit Chargennummer verwenden, zweiter Aufkleber in die Akte!

  • Eintragung u. Bescheinigung von Impfungen ist Pflicht lt. § 22 IfSG.

  • Der Impfausweis hat Dokumentcharakter.

  • Eintragungen nur selbst vornehmen u. eigenhändig unterschreiben.

  • !

    Auch Tuberkulintests sollten eingetragen werden; wird häufig vergessen!

Image 31Tipps.

  • Stat. Aufenthalt nutzen, um auf Lücken aufmerksam zu machen, z. B. im Entlassungsbrief (höflich) erwähnen.

  • Aber: Keine unnötige Impfdiskussion, denn dies erscheint den Eltern bei stat. Aufenthalten meist als absolute Nebensache. Impfskeptiker sind nur schwer zu überzeugen, gelingt in der Klinik meist nicht.

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6.12.3. Impfkombinationen und -abstände

Prinzip  Gleichzeitige ImpfungImpfungAbstände ImpfungKombinationen gegen verschiedene Erreger. Dies reduziert die Anzahl der Injektionen bei gleicher Wirksamkeit.

Typ. Komb. für die Erstimpfung bei Kindern sind:

  • Tetanus-Diphtherie-Pertussis-Polio-HiB-Hepatitis B (6-fach)

  • Masern-Mumps-Röteln-Varizellen

Für spätere Auffrischungen gibt es die jeweils empfohlenen Impfungen in Form altersangepasster Kombinationsimpfstoffe.

Abstände

  • Lebendimpfungen entweder gleichzeitig o. in mind. 4 Wo. Abstand

  • Lebend- u. Totimpfungen in beliebigen Abständen

  • Nach Masern möglichst 3 Mon. Abstand

  • Nach Gammaglobulin mind. 4 Mon. Abstand bis zur nächsten Lebendimpfung (Ausnahme: Gelbfieber)

  • Zwischen Tot-/Toxoidimpfungen keine beliebige Verkürzung der Intervalle. 2. Impfung ab 4 Wo. Abstand möglich, nicht unter 3 Wo.! Verlängerung der Intervalle weniger problematisch als wesentliche Verkürzung

  • Impfungen in der Inkubationszeit (Mumps, Hepatitis B) möglichst schnell nach Kontakt

6.12.4. Vorgehen bei Impfkomplikationen

ImpfreaktionImpfreaktion Impfkomplikationen bedeutet nicht gleich KO. Lokalreaktionen an der Impfstelle sind meist harmlos. Stärkere Schwellungen in den ersten Tagen kein Abszess, sondern Zeichen der (teilweise) subkutanen Gabe statt i. m., v. a. bei Impfstoffen mit Adjuvanzien. Leichtes Fieber ohne Begleiterscheinungen auch normal. Bei Fieberkrämpfen in der Anamnese z. B. Paracetamol bzw. Anfallsprophylaxe (▶ 12.3). Eine Impfreaktion deutet auf die normale Funktion des Immunsystems u. zeigt, dass die Impfung „angeht“, auch die Eltern entsprechend informieren.

Bei Verdacht auf Impfkomplikationen

  • Alle Daten festhalten

  • Impfenden Arzt informieren, fehlende Angaben erfragen

  • Meldung ans Paul-Ehrlich-Institut online www.pei.de

Haftung für Impfschäden

  • Für öffentlich empfohlene Impfungen lt. § 20 IfSG haften die Länder (§§ 60 u. 61 IfSG). Klageerhebung gegen das Land beim Sozialgericht

  • Bei Fahrlässigkeit bzw. Kunstfehler haftet der impfende Arzt

  • Bei nicht zugelassenen Impfstoffen haftet der impfende Arzt

  • Daher bei Indikationsimpfungen, v. a. bei nicht zugelassenen Impfstoffen, schriftliche Einverständniserklärung des Pat., mit Angabe der Risiken


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