Deutsche Mittelständler sind stark, einige sogar Hidden Champions. Zu viel "hidden" schadet aber auch unbekannten Weltmarktführern dabei, Führungs- und Fachkräfte zu finden und zu halten.
Mittelständische Unternehmen stellt die Corona-Krise vor große Herausforderungen. Doch ein Blick auf die Entwicklung der vergangenen 20 Jahre zeigt: Der deutsche Mittelstand boomt. Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass er auch diese Krise überstehen wird. Hidden Champions, die oft unbekannten Weltmarktführer unter ihnen, prägen mit einem starken Anteil den erfolgreichen Wirtschaftsstandort Deutschland. Als Technologie- und Innovationsmotor im Inland gilt der Mittelstand international als Markenzeichen.
Doch warum haben viele Mittelständler dann Probleme, die richtigen Mitarbeiter zu finden und/oder zu halten? Der Mangel an Fachkräften und (Nachwuchs-)Führungskräften ist eine der größten Bedrohungen für den Mittelstand. Der War for Talents ist intensiver geworden. Dies wird sich nach der Covid-19-Krise noch verschärfen. Denn ein mögliches Überangebot an qualifizierten Kräften garantiert noch keine gute Personalsituation im einzelnen Unternehmen.
Die zielorientierte Akquisition von gesuchten Mitarbeitern und das Erreichen von langfristiger Loyalität bei gefundenen Mitarbeitern gehören zu den strategischen Aufgaben der Unternehmensführung, die in hohem Maße über künftigen Erfolg mitentscheiden. Einerseits stellen sich Unternehmen diesen Aufgaben, andererseits unterschätzen viele Arbeitgeber die Hindernisse. Mittelstand als starke Marke alleine reicht nicht aus. Es geht darum, die Unternehmensmarke exzellent zu führen. Dazu ist für den Personalmarkt eine wettbewerbsfähige Corporate Brand zu schaffen und zu führen, also eine starke Employer Brand. Eine solche starke Marke hat nicht nur eine strategische Bedeutung, sondern eine ganze Reihe betriebswirtschaftlicher Vorteile. Zu den wichtigsten Herausforderungen und Lösungen für Auf- und Ausbau einer starken Employer Brand gehören die nachfolgenden.
Aufmerksamkeit und Wahrnehmung schaffen: Viele mittelständische Unternehmen werden gar nicht als potenzieller Arbeitgeber von Führungs- und Fachkräften wahrgenommen. Schon beim Herausfiltern geeigneter Unternehmen im Bewerbungsprozess fallen viele Mittelständler wegen fehlender Sichtbarkeit am Arbeitsmarkt heraus. Sichtbarkeit ist durch gezielte Investition zu erhöhen. Der professionelle Auftritt mit gut organisierter Website speziell für Human Resources (HR) auch über Social Media wie Linkedin und andere zählt dazu. Gezieltes Bewerben von Stellenausschreibungen in Sozialen Medien kann Unternehmen helfen, die Aufmerksamkeit geeigneter Kandidaten auf sich zu lenken.
Brita verschafft sich einen hohen Bekanntheitsgrad
Gleiches gilt für Auftritte an Hochschulen und Universitäten, die oft Großunternehmen, Konzernen und Global Playern überlassen bleiben. Durch geschickte Präsenz der Employer Brand können auch Mittelständler erfolgreich auf sich aufmerksam machen. Dies beweist beispielsweise der Wasserfilter-Hersteller Brita aus Taunusstein an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Oestrich-Winkel. Mit systematischen und aufeinander abgestimmten Angeboten für Studierende in relevanten Fachbereichen, durch integrierte Case Studies im Vorlesungsbetrieb und über Vorträge von Führungskräften hat sich das Unternehmen mit weltweit mehr als 1.800 Mitarbeitern innerhalb kurzer Zeit einen hohen Bekanntheitsgrad verschafft. Das daraus entstandene Interesse der Studierenden führte zu signifikant gestiegenen Bewerberzahlen auf allen Ebenen - vom Praktikanten bis zum ehemaligen Ex-Absolventen als Führungskraft.
Fluktuation vermeiden: Die Akquise von neuen Mitarbeitern wird immer teurer sein als das Erreichen von langfristiger Loyalität bei gefundenen Mitarbeitern. Eine hohe Fluktuationsrate schadet Unternehmen wirtschaftlich. Angesichts dieser Tatsache erstaunt es, wie wenig Zeit und Mittel mittelständische Unternehmen in ihre starke Arbeitgebermarke investieren. Fach- und Führungskräfte, die stolz auf ihren Arbeitgeber sind, haben eine belegbar höhere Loyalität gegenüber ihrem Unternehmen. Eine starke Employer Brand aufzubauen, zu der sich Mitarbeiter gerne bekennen, hat also unmittelbare betriebswirtschaftliche Vorteile.
Veränderung bedeutet inhaltlichen Wandel
Employer Branding statt Personalabteilung: HR-Abteilungen werden oft als reine Personalverwaltung unterhalten - häufig zu Unrecht. Personalabteilungen müssen inhaltlich ganzheitlich betrachtet werden. Langfristig ist Expertenwissen in HR aufzubauen, um kompetente Mitarbeiterförderung leisten zu können. Dann können sie auch Aufstiegschancen für Führungskräfte der Zukunft im Unternehmen kreieren. Die Personalabteilungen klassischer Prägung werden diesen Anforderungen nicht gerecht. Es reichen keine kosmetischen Eingriffe, wie etwa die Bezeichnung der Abteilung zu ändern. Veränderung bedeutet inhaltlichen Wandel. Zeitgemäße HR trägt die strategische Verantwortung für das Personal und trägt zum Großteil zum Employer Branding bei, sodass die Wahrnehmung steigt. Dafür übernehmen auch Markenprofis in HR oder Staff Development einige Aufgaben.
Neue Generationen, neue Erwartungen: Die sogenannten Generationen Y und Z haben eigene Wertvorstellungen und stellen viele HR-Entscheider damit vor neue Aufgaben. Die Bedeutung ist bei einer großen Anzahl von Unternehmen noch unbekannt, obwohl die jungen Generationen schon im Arbeitsmarkt angekommen sind. Ihre Ansprüche, beispielsweise ihr Verlangen nach flachen Hierarchien, ist also keine Zukunftsmusik.
Je eher sich Mittelständler mit den Generationen und ihren Ansichten auseinandersetzen, desto eher schaffen sie es, ihre Personalarbeit daran anzupassen. Ihre sicher geglaubte Arbeitsplatz-Situation mag sich in der Corona-Krise verändert haben, ihre Erwartungen an ihren Arbeitsplatz ändern die nachwachsenden Generationen sicher nicht.
Kompakt.
Aufgabe der Unternehmensführung ist auch, eine starke Arbeitgebermarke aufzubauen.
Mit der Umsetzung werden statt Personal-Verwaltern besser HR-Gestalter inklusive Know-how in Marketing betraut.
Die Erwartungen nachwachsender Generationen erhöhen den Druck, hier zu investieren.
Contributor Information
Prof. Roland Mattmüller, Email: thorsten.garber@springernature.com.
Linda Rinke, Email: thorsten.garber@springernature.com.