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. 2020 Oct 30;23(5):60–61. [Article in German] doi: 10.1007/s15015-020-2577-x

COVID-19: Höhere Sterberate bei Krebspatienten

Maria Rüthrich 1,, Judith Neumaier 2
PMCID: PMC7588345

Krebspatienten haben möglicherweise aufgrund der behandlungsbedingten Immunsuppression und der vermehrten Komorbiditäten ein erhöhtes Risiko, an COVID-19 zu sterben. An einer Klinik in New York wurden die Sterberaten von Krebspatienten nun genauer unter die Lupe genommen.

In die Analyse eingeschlossen wurden Daten von 218 COVID-19-Patienten, die eine maligne Diagnose aufwiesen und vom 18. März bis 8. April 2020 am Montefiore Einstein Center for Cancer Care, New York City, NY/USA, behandelt wurden. 75 % von ihnen hatten solide Tumoren, 25 % hatten hämatologische Malignitäten. Die Patienten waren 10-92 Jahre (Median: 69 Jahre) alt.

Insgesamt starben 61 (28 %) Patienten an COVID-19. Die durch COVID-19 bedingte Sterberate betrug bei Patienten mit hämatologischen Malignitäten 37 % und bei Patienten mit soliden Tumoren 25 %. Besonders hoch war die COVID-19-Sterberate bei Patienten mit Lungenkrebs (55 %), kolorektalen Tumoren (38 %), Pankreaskarzinom (67 %), Tumoren des oberen Gastrointestinaltrakts (38 %) oder mit gynäkologischen Tumoren (38 %). Geschlecht und Ethnie hatten keinen Einfluss auf das Sterberisiko. Ein höheres Alter war jedoch mit einer signifikant erhöhten Mortalität assoziiert. Auch bei einem schweren Verlauf von COVID-19, der mit einer Behandlung auf der Intensivstation und Beatmung einherging, war die Mortalität signifikant erhöht. Bei einer aktiven Krebserkrankung oder fortgeschrittenen, metastasierten Krebserkrankung zeigte sich ein Trend zu einer erhöhten Mortalität. Eine laufende Chemotherapie oder eine Bestrahlung hatte jedoch keinen Einfluss auf die Mortalität. Immuntherapeutisch wurden nur wenige Patienten behandelt. Auch bei ihnen zeigte sich keine Assoziation zur COVID-19-Sterberate. Bei einer gleichzeitig bestehenden Herzerkrankung stieg das Risiko an COVID-19 zu sterben. Diabetes und chronische Nierenerkrankungen führten dagegen nicht zu einem erhöhten Sterberisiko.

In der multivariaten Analyse waren ein Alter über 65 Jahren (Odds Ratio [OR] 0,23), das Vorliegen mehrerer Komorbiditäten (OR 1,52), eine Behandlung auf der Intensivstation (OR 4,83) und erhöhte D-Dimer-, Laktat- und Laktatdehydrogenase-Spiegeln signifikant mit einer erhöhten Mortalität assoziiert.

Im Vergleich mit einer Kohorte ohne Krebserkrankung hatten Krebspatienten ein signifikant höheres Risiko an COVID-19 zu versterben. Die Sterberate war in allen Altersgruppen erhöht, wobei der Unterschied in der Gruppe der 45- bis 64-Jährigen und bei über 75-Jährigen signifikant war. Auch beim Vergleich der offiziellen Fallzahlen aus New York zeigte sich bei Krebspatienten eine deutlich erhöhte COVID-19-Sterberate.

Fazit: Diese Daten legen nahe, dass proaktive Strategien notwendig sind, um die Wahrscheinlichkeit einer Infektion in dieser gefährdeten Patientenpopulation zu verringern und die Früherkennung zu verbessern.

Mehta V et al. Case Fatality Rate of Cancer Patients with COVID-19 in a New York Hospital System. Cancer Discov. 2020;10(7):935-41

Kommentar

Erfahrungen aus anderen Pandemien und Fallserien aus der frühen Phase der COVID-19-Pandemie lassen vermuten, dass Krebspatienten schwerere Infektionsverläufe und eine erhöhte COVID-19-assoziierten Sterblichkeit aufweisen [Liang W et al. Lancet Oncol. 2020;21(3):335-7; Zhang L et al. Ann Oncol. 2020;31(7):894-901]. Dies liegt unter anderem darin begründet, dass Krebspatienten oft älter sind und eine höhere Zahl an Begleiterkrankungen aufweisen - Merkmale, die von Vikas Mehta und Kollegen als signifikante Risikofaktoren für die Sterblichkeit identifiziert werden konnten.

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Weiterhin scheinen auch die zugrundeliegende Krebserkrankung sowie deren Therapie Einfluss auf den Verlauf und das Überleben von COVID-19 zu haben.

Die Datenlage ist jedoch inkongruent. So konnte das Forscherteam um Mehta eine erhöhte Sterblichkeit für hämatologische Neoplasien und aktive Krebserkrankungen aufzeigen. In einer britischen Kohortenstudie konnte hingegen weder die Entität noch die Therapie und der Erkrankungsstatus als signifikanter Risikofaktor identifiziert werden [Lee LY et al. Lancet. 2020; 395(10241): 1919-26].

Zum aktuellen Zeitpunkt ist die vorliegende Studie eine von wenigen, welche die COVID-19-assoziierte Sterblichkeit zwischen Krebs- und Nichtkrebspatienten vergleicht, wobei sich über alle Altersgruppen hinweg eine zwei- bis vierfach erhöhte Sterberate für Krebspatienten zeigte.

Ähnliche Ergebnisse fanden sich auch in einer multizentrischen Analyse aus der frühen Phase der Pandemie aus Wuhan, China. Auch hier wiesen Krebspatienten mit COVID-19 in einer altersgematchten Analyse signifikant häufiger schwere Infektionsverläufe und eine höhere COVID-19 assoziierte Sterblichkeit auf [Da M et al. Cancer Discov. 2020; 10(6):783-91]. Erste Ergebnisse eines europäischen multizentrischen Registers (LEOSS, "Lean European Survey on SARS-CoV-2 infected Patients") hingegen zeigten, dass, auch wenn Krebspatienten im Vergleich mit Patienten ohne maligne Grunderkrankung signifikant älter waren und mehr Begleiterkrankungen aufwiesen, sowohl die Sterblichkeit als auch das Überleben in für Alter, Geschlecht und Komorbidität adjustierten Analysen zwischen den beiden Gruppen vergleichbar waren [Rüthrich MM et al. ECCVID. 2020;Abstr 00439].

Fazit: Die Verläufe von Krebspatienten mit COVID-19 sind unter anderem vom lokalen Infektionsgeschehen als auch den Kapazitäten des Gesundheitssystems abhängig. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Krebspatienten bedingt durch ihr häufig fortgeschrittenes Alter und der höheren Zahl an Begleiterkrankungen ein erhöhtes Risiko für schwere und letale COVID-19-Verläufe aufweisen.

Dr. med. Maria Madeleine Rüthrich.

Klinik für Innere Medizin II, Abteilung für Hämatologie und internistische Onkologie

Universitätsklinikum Jena

Am Klinikum 1, 07747 Jena

Maria.Ruethrich@med.uni-jena.de

Contributor Information

Maria Rüthrich, Email: Maria.Ruethrich@med.uni-jena.de

Judith Neumaier, Email: judith.neumaier@t-online.de.


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