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. 2020 Dec 22;12(7-8):40–41. [Article in German] doi: 10.1007/s15033-020-1939-6

Keine CO2-Retention durch chirurgische Mund-Nasen-Schutzmaske bei COPD

Martin Kohlhäufl 1,
PMCID: PMC7746998  PMID: 33354241

Hintergrund und Fragestellung: Im Rahmen der pandemischen Ausbreitung von SARS-CoV-2 ist das Tragen von Mund-Nasen-Schutzmasken (MNS) in öffentlichen Räumen ein wesentlicher Bestandteil der Hygienemaßnahmen zur Viruseindämmung [1]. Aktuell gängige MNS sind die zum Selbstschutz geeignete FFP2-Maske, die chirurgische MNS sowie die im außerklinischen Bereich häufig genutzte Stoffmaske ("community mask"). Mit zunehmender Anwendung in der breiten Bevölkerung werden mögliche Risiken durch das Tragen von Masken in der Laien- und Fachpresse diskutiert [2, 3, 4]. Auswirkungen der genannten Maskentypen auf physiologische Parameter (Blutgase, Vitalparameter) und das subjektive Belastungsempfinden sind unter Alltags- oder Arbeitsbelastung bislang - insbesondere bei Risikogruppen - nicht systematisch untersucht.

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Eine US-amerikanische Forschergruppe hat den Einfluss von chirurgischem MNS bei Patienten mit fortgeschrittener COPD auf Sauerstoffsättigung (SpO2) und dem Kohlenstoffdioxidanteil am Ende der Ausatmung (endtiales CO2, ETCO2) untersucht. Der endtidale CO2-Messwert entspricht beim Lungengesunden annähernd, mit einer geringen Differenz von etwa 3-5 mmHg, dem arteriellen Kohlenstoffdioxid-Partialdruck (paCO2), wie er in einer Blutgasanalyse bestimmt wird.

Methoden und Ergebnisse: Endtidales CO2 (ETCO2) und Sauerstoffsättigung (SpO2) wurden bei 15 Männern mit z. T. fortgeschrittener COPD (Durchschnittsalter 71,6 Jahre, FEV1 44,0 ± 22,2 %) im Rahmen eines 6-Minuten-Gehtest mit Tragen eines chirurgischen MNS gemessen und mit einer gesunden Kontrollgruppe verglichen. In Ruhe ergaben sich zunächst vor der Belastungsuntersuchung, nach 5 und 30 Minuten bei Patienten mit COPD in Bezug auf ETCO2 oder SpO2 keine signifikanten Unterschiede zur gesunden Kontrollgruppe (▶Tab. 1). Im Rahmen des 6-Minuten-Gehtests zeigten Patienten mit schwergradiger COPD erwartungsgemäß einen Abfall des SpO2 (-2,28 ± 7,3 %). Bei zwei Patienten bestand die Indikationen zur Langzeitsauerstofftherapie. Nach Belastung waren bei Patienten mit COPD keine signifikanten Änderungen nachweisbar. Insbesondere ergaben sich keine Hinweise auf eine CO2-Retention bei Tragen eines chirurgischen MNS.

HR (× min-1) RR (× min-1) SpO2 (%) ETCO2 (mmHg) pO2 (mm Hg) pCO2 (mmHg)
Gesundes Hauspersonal (N = 15)
Basiswerte ohne Maske in Raumluft 72,5 ± 10,0 (61 bis 88) 17,2 ± 2,5 (13 bis 21) 97,5 ± 1,2 (95 bis 100)

36,2 ± 2,3

(31 bis 40)

NP NP
Änderung ab Ausgangswert
Chirurgische Maske nach 5 min Pause

0,50 ± 3,8

(-5,0 bis 6,0)

0,52 ± 0,5

(0 bis 2,0)

-0,28 ± 0,7

(-1 bis 1)

1,06 ± 1,1

(0,8 bis 2,5)

NP NP
Chirurgische Maske nach 30 min Pause

-0,64 ± 5,4

(-9,0 bis 10,0)

1,13 ± 1,4

(-1,0 bis 3,0)

0,10 ± 0,6

(-1 bis 1)

0,75 ± 1,0

(0,6 bis 2,1)

NP NP
Menschen mit schwerer COPD (N = 15)
Basiswerte ohne Maske in Raumluft

86,0 ± 9,8

(72 bis 103)

20,5 ± 5,4

(12 bis 35)

91,3 ± 5,8

(89 bis 97)

36,1 ± 3,3

(29,7 bis 43,6)

77,2 ± 15,1

(54,4 bis 99,6)

38,9 ± 5,6

(30,6 bis 50,2)

Änderung ab Ausgangswert
Chirurgische Maske nach 5 min Pause

-1,83 ± 4,1

(-8,0 bis 5,0)

-0,12 ± 3,8

(-6,0 bis 4,0)

0,35 ± 1,4

(-1,0 bis 3,0)

-1,67 ± 3,9

(-12,0 bis 6,0)

NP NP
Chirurgische Maske nach 30 min Pause und vor 6MWT

-2,13 ± 6,4

(-14,0 bis 8,0)

1,03 ± 5,0

(-7,0 bis 9,0)

0,87 ± 2,1

(-2,0 bis 5,0)

-1,63 ± 4,3

(-10,0 bis 4,0)

NP NP
Chirurgische Maske nach 30 min Pause und nach 6MWT

11,00 ± 12,0

(-3,0 bis 39,0)

3,30 ± 6,2

(-3,0 bis 18,0)

-2,28 ± 7,3

(-19,0 bis 5,0)

-0,14 ± 5,6

(-9,0 bis 7,0)

-4,6 ± 13,9

(-15,9 bis 27,8)

0,97 ± 2,4

(-2,8 bis 5,3)

Kommentar von Prof. Dr. med. Martin Kohlhäufl.

Studie für Identifizierung von Risikopatienten zu klein

Bei Patienten mit COPD konnte in Ruhe und im Rahmen eines 6-Mintuen-Gehtests mit chirurgischem Mund-Nasen-Schutzmasken (MNS) keine relevante CO 2-Retention nachgewiesen werden. Eine Identifizierung von COPD-Risikogruppen, auf die das Tragen einer Maske im Alltag besonders nachteilige Auswirkungen hätte, ist auf Basis dieser Studie mit kleiner Probandenzahl nicht möglich. Weitere Untersuchungen mit Stratifizierung nach COPD-Schweregrad an größeren Probandenkollektiven sind erforderlich. Weiter können Gesundheitsrisiken durch das längerfristige Tragen von Masken können nicht ausgeschlossen werden. Dennoch erscheint es für Personen mit COPD sinnvoll, zum Beispiel FFP2-Masken mit Vorsicht zu verwenden, da bei diesen unter Maskeneinwirkung klinisch bedeutsame Veränderungen der pO2- und pCO 2-Werte beschrieben sind [3]. Bei gesunden Probanden korrelierten Symptome (z. B. Dyspnoe, Kopfschmerzen, Hitzegefühl, Schwindel) [5] bei kurzfristig hoher Arbeitsbelastung unter gängigen im Krankenhaus eingesetzten Maskentypen über alle MNS hinweg nicht mit der Höhe des belastungsbedingten CO 2-Anstiegs oder SpO2-Abfalls, sondern mit dem Anstieg von Atem- und Herzfrequenz. Insbesondere weniger trainierte Personen (starker Herzfrequenzanstieg) scheinen unter allen Maskentypen, vor allem unter der FFP2-Maske, bereits bei geringerer Belastung Symptome zu entwickeln. Ein klinisch relevanter Einfluss von MNS auf Blutgase und Vitalparameter konnte bei gesunden Probanden nicht nachgewiesen werden. Die maskenspezifischen absoluten Differenzen für PtcCO 2/SpO2 waren gering (maximal 4,3 mmHg/ −1,54 % unter FFP2-Maske). Generell ist ein kritisches Maß für eine klinisch bedeutsame Hyperkapnie/Hypoxie interindividuell sehr verschieden und vom jeweiligen Ausgangswert abhängig. Generell sind Bewusstseinsveränderungen bei Gesunden erst ab PaCO 2-Werten > 60 mmHg zu erwarten, wobei bereits geringere Anstiege des PaCO 2 über eine zerebrale Vasodilatation Kopfschmerzen verursachen können.

Originalie.

Samannan R, Holt G, Calderon-Candelario R et al. Effect of Face Masks on Gas Exchange in Healthy Persons and Patients with COPD. Ann Am Thorac Soc. 2020; https://doi.org/10.1513/AnnalsATS.202007-812RL

Prof. Dr. med. Martin Kohlhäufl.

Lungenpraxis

Eltinger Str. 51

71229 Stuttgart-Leonberg

praxis@kohlhaeufl.com

Literatur


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