Abstract
Bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 muss im Falle einer unklaren Bewusstseinsstörung und/oder Bauchschmerzen eine Natrium/Glukose-Kotransporter-2(SGLT-2)-Inhibitor-induzierte diabetische Ketoazidose in die Differenzialdiagnose einbezogen werden. Dabei können die Blutzuckerspiegel trotz ausgeprägter Azidose nur moderat erhöht sein. Bei Nachweis ist eine umgehende intensivmedizinische Therapie unerlässlich.
Schlüsselwörter: Diabetes mellitus Typ 2, Säure-Basen-Gleichgewicht, Ketoazidose, Natrium/Glukose-Kotransporter-2-Inhibitoren, Hypophosphatämie
Abstract
Patients with type 2 diabetes who present with confusion and/or abdominal pains should be screened for sodium–glucose cotransporter 2 (SGLT-2)-induced diabetic ketoacidosis. Severe acidosis was diagnosed despite only moderately increased blood sugar levels. If so, immediate ICU treatment is essential.
Keywords: Diabetes mellitus type 2, Acid-base equilibrium, Ketosis, Sodium-glucose transporter 2 inhibitors, Hypophosphatemia
Anamnese
Die Aufnahme des 71 Jahre alten Patienten auf die Intensivstation erfolgte bei qualitativer Bewusstseinsstörung, Tachypnoe und Tachykardie mit arterieller Hypotonie unter dem Verdacht einer Sepsis. Ein zerebelläres Syndrom mit Intentionstremor und Ataxie, einer links betonten proximalen Parese sowie einer kognitiven Beeinträchtigung, das bei bekanntem fragiles-X-assoziiertem Tremor-Ataxie-Syndrom (FXTAS) vorbestand, hatte sich in den letzten Tagen laut Ehefrau verschlechtert. In den Tagen vor Aufnahme hatte der Patient auch zunehmend weniger gegessen und getrunken. Wegen autonomer Dysfunktion und benigner Prostatahyperplasie war der Patient mit einem suprapubischen Blasenkatheter versorgt.
Im Jahr 2010 war bei dem Patienten ein Diabetes mellitus Typ 2 diagnostiziert worden. Deswegen nahm der übergewichtige Patient (Body-Mass-Index [BMI] 36 kg/m2) ein Kombinationspräparat mit Metformin und Sitagliptin ein und applizierte einen Glucagon-like-peptide-1(GLP-1)-Rezeptor-Agonisten. Etwa 6 Monate vor stationärer Aufnahme war die antidiabetische Therapie um Empagliflozin 25 mg/Tag ergänzt worden.
Befund
In der neurologischen Untersuchung imponierte ein somnolenter (Glasgow Coma Scale 11), dysarthrischer Patient mit Ruhetremor. Paresen fehlten. Die Atmung war beschleunigt (Atemfrequenz 24/min) und vertieft. Der Patient war tachykard (Herzfrequenz 105/min) und hypoton (systolischer Blutdruck 95 mm Hg), jedoch normotherm (Temperatur 36,8 °C). Klinisch fanden sich Zeichen der Exsikkose, allerdings kein Hinweis auf einen Infektfokus.
Die Urinuntersuchung ergab einen Nitrit-positiven Harnwegsinfekt, eine Glukosurie und eine Ketonurie (Ketonkörper semiquantitativ 2‑fach positiv). Laborchemisch zeigten sich eine akute Nierenschädigung (geschätzte glomeruläre Filtrationsrate 46 ml/min), eine Hyperglykämie (Blutzucker 242 mg/dl, entspricht 13,4 mmol/l) und nur minimal erhöhte Inflammationsparameter (C-reaktives Protein [CRP] 19 mg/l, Prokalzitonin 0,09 ng/ml; Normbereiche: CRP 1–5 mg/l, Prokalzitonin 0–0,05 ng/ml).
In der Blutgasanalyse fiel eine ausgeprägte metabolische Azidose mit einem pH von 7,0, einem Standardbikarbonat von 3,0 mmol/l und einer Anionenlücke (∆AG) von 36 mmol/l auf.
Das Serumlaktat war nicht erhöht.
Diagnose
Euglykämische diabetische Ketoazidose (DKA) unter Therapie mit Natrium/Glukose-Kotransporter-2(SGLT-2)-Inhibitor
Therapie und Verlauf
Der Patient wurde auf die Intensivstation aufgenommen, die oralen Antidiabetika abgesetzt. Zur Unterdrückung der Ketogenese wurde eine kombinierte Therapie mit Insulin- und Glukosezufuhr durchgeführt. Dabei wurde eine kontinuierliche Zufuhr von bis zu 12 IE/h Insulin (über Perfusor) bei – aufgrund der nur mäßig erhöhten Blutglukosewerte – gleichzeitiger intravenöser Glukoseapplikation von teilweise 35 g/h nötig, um sukzessive die Ketogenese zu unterdrücken, die metabolische Azidose auszugleichen und die ∆AG zu normalisieren. Kalium wurde bei Insulinapplikation frühzeitig substituiert, eine Natriumbikarbonatgabe wurde nicht notwendig (∆AG > Standardbikarbonatdifferenz).
Trotz frühzeitiger Phosphatsubstitution (bereits 8 h nach Beginn der Insulintherapie) entwickelte der Patient eine Hypophosphatämie bis 0,2 mmol/l, die aber klinisch inapparent blieb. Nach 48 h konnte der Patient auf die Allgemeinstation verlegt werden.
In Anbetracht der Stoffwechselentgleisung wurden sicherheitshalber – trotz des höheren Alters des Patienten – die Glutamat-Decarboxylase(GAD)-Antikörper zum Ausschluss eines latenten Autoimmundiabetes im Erwachsenenalter („latent autoimmune diabetes in adults“ [LADA]) bestimmt (Tab. 1).
Wert | Normbereich | |
---|---|---|
β‑Hydroxybuttersäure (mg/dl) | 14,00 | Bis 3,50 |
Glutamat-Decarboxylase(GAD)-Antikörper im Serum (IE/ml) | <0,01 | Bis 10,00 |
Die Therapie des Typ-2-Diabetes wurde nach Erholung der Nierenfunktion dort und im weiteren Verlauf auch ambulant mit einem Kombinationspräparat aus Metformin und Gliptin sowie intensivierter Insulintherapie fortgeführt.
Diskussion
Inhibitoren des Natrium/Glukose-Kotransporters 2
SGLT-2-Inhibitoren wurden ab 2013 zur Therapie des Typ-2-Diabetes auf dem US-amerikanischen Markt eingeführt [1]. In Deutschland stehen Dapagliflozin, Empagliflozin und Ertugliflozin zur Verfügung (Letzteres nur in Kombination mit Sitagliptin). Diese sogenannten Gliflozine finden auch in Deutschland eine zunehmende Verwendung in der Therapie des Typ-2-Diabetes. Eingesetzt werden sie in einer Kombinationstherapie mit weiteren Antidiabetika (beispielsweise Metformin) oder als Monotherapeutikum, falls Metformin nicht vertragen wird. Die von ihnen induzierte Hemmung der renalen Glukoserückresorption führt zu einer Glukosurie mit konsekutiver Reduktion der Blutzuckerspiegel.
Die hierdurch induzierte osmotische Diurese in Verbindung mit einer anhaltenden Natriurese aufgrund der SGLT-2-abhängig reduzierten Natriumrückresorption im proximalen Nierentubulus ist wohl für die zusätzlich beobachteten kardio- und renoprotektiven Effekte mitverantwortlich. So fanden sich unter Therapie mit SGLT‑2 Inhibitoren ein verminderter Progress der diabetischen Nephropathie und verminderte Harnsäurewerte [2]. Die EMPA-REG-OUTCOME-Studie [3] konnte unter Empagliflozin eine Minderung des relativen Risikos für die kardiovaskuläre Mortalität um 38 %, für die Hospitalisation wegen dekompensierter Herzinsuffizienz um 35 % und für den Tod jeglicher Ätiologie um 32 % zeigen. Ähnliche Effekte wurden auch für andere SGLT-2-Inhibitoren gezeigt, unter anderem für Dapagliflozin in der DAPA-HF-Studie [4]. Bezüglich der kardioprotektiven Effekte wird auch eine Super-fuel-Theorie diskutiert. Hier wird postuliert, dass durch die Rückresorption von Ketonkörpern und deren Utilisation ein „Supersubstrat“ für das Myokard mit günstiger Energiebilanz entsteht [5]. In einer 2020 veröffentlichten Studie konnte der kardioprotektive und renoprotektive Effekt auch für die Anwendung bei Patienten ohne Diabetes mellitus gezeigt werden [6].
Unter SGLT-2-Inhibitoren werden auch kardio- und renoprotektive Effekte beobachtet
SGLT-2-Inhibitoren werden in der Leber glukuronidiert und unterliegen kombinierten Ausscheidungsmechanismen (renal/intestinal). Bei Niereninsuffizienz kann der Medikamentenspiegel als Ausdruck einer verminderten renalen Clearance über die Zeit um bis zu 48 % erhöht sein. Bei einer glomerulären Filtrationsrate unter 45 ml/min ist aufgrund des Wirkmechanismus von einem abnehmenden therapeutischen Effekt auszugehen, außerdem besteht aufgrund des Risikos vermehrter Nebenwirkungen eine Kontraindikation für die Anwendung ([7]; Abb. 1).
Diabetische Ketoazidose
Bei der DKA finden sich definitionsgemäß folgende pathologisch veränderte Laborparameter:
Blutglukose > 250 mg/dl
Metabolische Azidose, pH < 7,3, HCO3− < 15 mEq/ml
Vergrößerte ∆AG
Ketonkörper im Urin oder Serum
Die Schweregradeinteilung erfolgt über den pH, die Menge des Bikarbonats und die neurologische Symptomatik (schwer: pH < 7,0, Serumbikarbonat < 10 mEq/l, Stupor bzw. Koma).
Ursächlich findet sich beim Diabetes mellitus Typ 1 ein absoluter Insulinmangel mit vermehrter Glukoneogenese und Glykogenolyse bzw. verminderter peripherer Glukoseaufnahme. Durch Erhöhung der Carnitin-Palmitoyl-Transferase-Aktivität kommt es zu einer vermehrten Lipolyse und somit zur Verstoffwechselung von Fettsäuren in der Leber mit Ketonkörperbildung [8].
Im Jahr 2015 warnten die Food and Drug Administration (FDA) und European Medicines Agency (EMA) vor der Gefahr einer DKA [1] unter Therapie mit SGLT-2-Inhibitoren. Hierbei können DKA mit oder ohne Blutzuckererhöhungen auftreten. Bei der euglykämischen DKA finden sich Blutglukosewerte <250 mg/dl. Sie wurde erstmals 1973 bei Patienten mit Typ-1-Diabetes beschrieben [9].
Bei der SGLT-2-Inhibitor-induzierten DKA finden sich in 70 % der Fälle Blutzuckerwerte < 250 mg/dl, in 30 % liegen sie < 200 mg/dl [2]. Aufgrund der nur gering bis mäßig erhöhten Blutzuckerwerte besteht die Gefahr einer verspäteten Diagnose der Stoffwechselentgleisung.
Folgende Mechanismen zur Entstehung der Ketonämie mit nur geringer Blutzuckererhöhung unter SGLT-2-Inhibitoren werden diskutiert [2]
Hemmung des Glukosetransports im proximalen Tubulus mit Glukosurie, konsekutiv kommt es zu einer Minderung der Insulinsekretion und so zu niedrigeren portalen Insulinspiegeln
Direkte Stimulation der pankreatischen α‑Zellen mit Zunahme des Plasmaglukagonspiegels
Verminderte renale Ausscheidung von β‑Hydroxybutyrat bzw. Acetoacetat
Diagnostik der diabetischen Ketoazidose unter SGLT-2-Inhibitoren
Klinisch finden sich die typischen Zeichen einer DKA mit metabolischer Azidose und kompensatorischer Hyperventilation (Kussmaulatmung; [10]), gastrointestinalen Symptomen (Erbrechen, Pseudoperitonitis diabetica), Zeichen der Exsikkose und Bewusstseinsstörung. Bezeichnenderweise können die Blutzuckerwerte wie oben beschrieben nur moderat erhöht sein.
Durch die Berechnung der ∆AG lässt sich eine Additionsazidose nachweisen, die bei normalen Serumlaktatspiegeln und Ausschluss einer Intoxikation eine Ketonämie als Ursache wahrscheinlich macht. Eine Sicherung durch Ketonkörpernachweis im Urin (beispielsweise mittels Ketostix®, Ascensia Diabetes Care Deutschland, Leverkusen) ist nicht immer zielführend, da durch die vermehrte renale Ketonkörperrückresorption der Ketonkörpernachweis im Urin gestört sein kann. Günstig wäre eine direkte Bestimmung der Ketonkörper (insbesondere von β‑Hydroxybutyrat) im Blut. Hier finden sich im Durchschnitt Werte um 9,1 ± 0,85 mmol/l [8].
Azidoseformen bei der SGLT-2-Inhibitor-induzierten diabetischen Ketoazidose
In den meisten Fällen ist die sofortige quantitative Bestimmung der Ketonkörper im Blut nur begrenzt möglich. Hier kann die Berechnung der ∆AG den Verdacht auf das Vorliegen von Ketonkörpern erhärten.
Der Normalwert liegt zwischen 8 und 16 mmol/l. Bei ausgeprägter Hypalbuminämie ist eine Korrektur des Normalwerts nötig (pro Abfall um 1 g/dl Albumin Anstieg der ∆AG um 2,5 mmol/l [11]).
Neben der Erhöhung der Ketonkörper kann zusätzlich das Laktat im Serum vermehrt sein. Dies ist bedingt durch eine verminderte Glukoseutilisation bzw. eine Minderperfusion im Rahmen der begleitenden Hypovolämie. Bei Vorliegen einer Komedikation mit Metformin kann dieses ursächlich für eine Laktaterhöhung sein.
Bei der Therapie mit SGLT-2-Inhibitoren kommt es zusätzlich zu einer Hemmung des Na+/H+-Transporters (NHE3) und damit zu renalen Bikarbonatverlusten. Es können also eine Azidose durch vermehrte Bildung von Ketonkörpern (erhöhte ∆AG) und eine zusätzliche azidotische Komponente durch Bikarbonatverlust ∆HCO3− (hyperchlorämische Azidose) auftreten.
Typischerweise ist dann der Quotient ∆AG/∆HCO3− <1 [12]. Im klinischen Kontext fällt auf, dass unter Therapie trotz Ausgleichs der ∆AG eine metabolische Azidose persistiert (Zeitdifferenz 24–48 h; [13]).
Hypophosphatämie
In der DKA kommt es durch die pH-Verschiebung zu einer Verschiebung von Kalium, Magnesium und Phosphat nach extrazellulär, das heißt, initial gemessene Phosphatspiegel im Serum können noch normal sein. Durch die vorbestehende Glukosurie mit konsekutiver Phosphaturie ist es aber tatsächlich zu einer Phosphatverarmung des Organismus gekommen. Inwieweit die Medikation mit SGLT-2-Inhibitoren selbst zu erniedrigten Phosphatreserven führt, ist nicht geklärt [14].
Das Phosphatdefizit bei der DKA beträgt im Durchschnitt 1 mmol/kgKG [8]. Die Insulintherapie zur Behandlung der DKA führt zu einer vermehrten Aufnahme von Phosphat in die Zelle, durch die notwendige Flüssigkeitszufuhr kommt es zusätzlich zu einer Dilutionshypophosphatämie.
Die intrazelluläre Verarmung an Adenosintriphosphat (ATP; [15]) und die verminderte Bildung von 2,3-Diphosphoglyzerat mit reduzierter Abgabe von Sauerstoff an die Gewebe führen zu unterschiedlich ausgeprägten klinischen Symptomen (Infobox 1). Problematisch bei der DKA kann eine muskulär bedingte Insuffizienz der Atempumpe werden, da diese zum Ausgleich der metabolischen Azidose maximal stimuliert ist. Eine Phosphatsubstitution muss bei entsprechender Klinik oder bei gemessenen Serumphosphatwerten unter 0,32 mmol/l erfolgen. Da Phosphat hauptsächlich intrazellulär vorkommt, ist eine Dosisabschätzung schwierig. Anhaltspunkte bilden Empfehlungen mit initialer Dosis von 0,08 bis 0,16 mmol/kgKG über 6 h bzw. 32 bis 64 mmol/Tag über 7–10 Tage zum Auffüllen der Speicher [15].
Infobox 1 Klinische Symptome bei Hypophosphatämie. (Nach [15, 16])
Zerebrale Anfälle
Tremor
Parästhesien
Guillain-Barré-ähnliche Neuropathien
Quantitative Bewusstseinsstörungen
Myokardiale Pumpfunktionseinschränkung
Respiratorisches Versagen
Dysphagie
Ileus
Rhabdomyolyse (insbesondere bei Patienten mit chronischem Alkoholabusus)
Muskuläre Schwäche
Hämolyse
Störung der granulozytären Chemotaxis (höhere Rate an Sepsis mit gramnegativen Erregern)
Risikofaktoren für die Ausbildung einer Ketoazidose unter SGLT-2-Inhibitoren [1, 2, 17]
Eine Ketoazidose unter Einnahme von SGLT-2-Inhibitoren entsteht vermehrt dann, wenn die Kohlenhydratzufuhr vermindert ist, die Insulinsekretion gestört ist oder vermehrt kontrainsulinäre Hormone gebildet werden. Es besteht keine typische zeitliche Zuordnung zwischen Ersteinnahme des SGLT-2-Inhibitors und Auftreten einer DKA [18]. Über 20 % der Patienten zeigen keinen detektierbaren Trigger.
Ein weiterer Risikofaktor ist die Anwendung von SGLT-2-Inhibitoren zur Insulineinsparung bei Patienten mit autoimmun bedingtem Diabetes mellitus. Hierzu gehören neben den Patienten mit Typ-1-Diabetes auch Patienten mit LADA. Deswegen sollten bei Patienten mit Diabetes und typischer Konstellation (Alter < 50 Jahre, BMI < 25 kg/m2, Autoimmunerkrankungen in der [Familien-]Anamnese) entsprechende Antikörperbestimmungen erfolgen, insbesondere eine Bestimmung der GAD-Autoantikörper [19].
Prophylaxe einer diabetischen Ketoazidose unter Therapie mit SGLT-2-Inhibitoren
Um das Auftreten einer DKA zu vermeiden, müssen die Risikofaktoren bzw. Auslöser (Infobox 2) vermieden werden. In jedem Fall muss die Therapie mit SGLT-2-Inhibitoren bei Trauma, schweren Infektionen und 24 h vor elektiven Operationen beendet werden. Nach dem Auftreten einer SGLT-2-Inhibitor-assoziierten DKA ist eine Wiederaufnahme der Medikation wegen der Rezidivhäufigkeit kritisch zu sehen [20].
Infobox 2 Triggerfaktoren für das Auftreten einer diabetischen Ketoazidose unter Natrium/Glukose-Kotransporter-2-Inhibitoren
Alkoholkonsum/-abusus
Zustand nach Pankreatitis/chronische Pankreatitis
Chronische Lebererkrankung
Erbrechen
Dehydratation
Exzessives Training
Viraler oder bakterieller Infekt
Operation (insbesondere bariatrische Operation mit postoperativ verminderter Kohlenhydrataufnahme)
Trauma
Thyreotoxikose
Signifikante Reduktion einer Insulintherapie
Häufigkeit und Verlauf einer diabetischen Ketoazidose unter SGLT-2-Inhibitoren
Eine DKA findet sich unter Therapie mit SGLT-2-Inhibitoren mit einer Häufigkeit von 0,16 bis 0,76/1000 Patienten und Jahr [21]. Dabei ist das Auftreten bei Patienten mit Typ-2-Diabetes um den Faktor 2,2(–4) im Vergleich zur Anwendung von Dipeptidylpeptidase-4-Hemmern erhöht [22, 23]. Außerhalb kontrollierter Studien fand sich ein bis zu 7‑fach erhöhtes Risiko [18]. Eine Dosis-Nebenwirkungs-Beziehung ist bisher für keine der einzelnen Substanzen nachgewiesen. Es wurde gezeigt, dass ein „off label use“ von Canagliflozin bei Patienten mit Typ-1-Diabetes das Risiko ketonkörperassoziierter Nebenwirkungen um 9,4 % erhöht [18].
Die Letalität der SGLT-2-induzierten DKA beträgt etwa 1,54 % und ist somit im Vergleich zu DKA anderer Ursachen (0,4 %) erhöht [24].
Therapie [2, 8]
Therapieempfehlungen bei DKA [25].
Bei der DKA im Rahmen eines Typ-1-Diabetes wird eine Bolusapplikation von kurz wirksamem Insulin i.v. mit 0,1 IE/kgKG gefolgt von einer kontinuierlichen Therapie mit 0,05–0,10 IE/kgKG pro h über Perfusor empfohlen. Ziel ist dabei, die Ketogenese zu hemmen und die ∆AG sowie die metabolische Azidose zu normalisieren. Dabei soll der Blutzucker um maximal 50 mg/dl pro h abfallen, ab Blutzuckerwerten <300 mg/dl wird daher die zusätzliche Infusion von Glukose 10–20 % i.v. empfohlen.
Bikarbonat wird nur bei ausgeprägter Azidose mit pH < 6,9 gegeben
Zum Ausgleich der Hypovolämie wird eine initiale Flüssigkeitszufuhr mit NaCl 0,9 % 15–20 ml/kgKG pro h i.v. durchgeführt, die weiteren Infusionslösungen werden abhängig von den gemessenen Elektrolyten ausgewählt.
Wegen der Gefahr der Hypokaliämie wird frühzeitig (bei Serumkalium <5,3 mmol/l) mit einer Substitution von Kaliumchlorid begonnen. Bei einem Serumkalium <3,3 mmol/l wird die Insulinzufuhr vorerst pausiert, bis die Hypokaliämie durch Substitution ausgeglichen ist.
Da bei der klassischen DKA eine Additionsazidose (Ketonkörper) vorliegt, wird Bikarbonat nur bei ausgeprägter Azidose mit pH < 6,9 gegeben. Die empfohlene Dosis liegt bei 50 mmol Natriumbikarbonat über 1 h. Bei Überdosierung besteht die Gefahr der Entwicklung einer Hypokaliämie, eines Hirnödems, einer paradoxen zerebralen Azidose und einer verminderten Abgabe von Sauerstoff an die Gewebe.
Unter SGLT-2-Inhibitoren tritt eine diabetische Ketoazidose mit oder ohne Blutzuckererhöhungen auf
Eine Phosphatsubstitution ist nur indiziert, wenn der Patient eine myokardiale Dysfunktion oder eine Erschöpfung der Atempumpe zeigt. Bei Serumwerten unter 0,32 mmol/l kann unabhängig von klinischen Symptomen eine Substitution erwogen werden (s. oben).
Differenzialtherapie bei (euglykämischer) DKA unter Therapie mit SGLT-2-Inhibitoren.
Bei der DKA unter SGTL-2-Inhibitoren sind die gemessenen Blutzuckerwerte relativ niedrig. Dennoch ist es aufgrund der Entstehungsmechanismen der Ketoazidose notwendig, die Lipolyse durch Insulingabe zu hemmen. Dies kann nur bei gleichzeitiger Kohlenhydratzufuhr mittels Glukoseinfusion erfolgen. Aufgrund der Osmolarität der Substanz ist es notwendig, dies über einen zentralen Venenkatheter zu tun.
Zielparameter ist ein kontinuierlicher Rückgang der ∆AG in den initial stündlich durchzuführenden Blutgasanalysen, ohne dass es zu einem kritischen Abfall der Blutzuckerwerte kommt (s. oben).
Wegen der möglicherweise vorliegenden zusätzlichen hyperchlorämischen Azidose ist die Flüssigkeitszufuhr mit balancierten Elektrolytlösungen günstiger als die Infusion von NaCl 0,9 % mit unphysiologisch hohem Chloridanteil [26]. Bei ausgeprägter Azidose (insbesondere bei ∆AG/∆HCO3− <1) ist auch die moderate Zufuhr von Bikarbonat gerechtfertigt.
Die metabolische Rekompensation kann zu einer ausgeprägten Hypophosphatämie führen. Regelmäßige Kontrollen sind dringend anzuraten, eine Substitution sollte bei klinischen Symptomen oder Serumphosphatwerten unter 0,32 mmol/l = 1 mg/dl erfolgen ([17]; s. oben).
Das Behandlungsziel ist erreicht, wenn eine gute Stoffwechseleinstellung gegeben, die ∆AG unter 12 mmol/l gesunken bzw. die metabolische Azidose ausgeglichen ist. Dieses Ziel wird bei dieser Form der DKA erst nach längerer intensivmedizinischer Behandlung erreicht (4 vs. 2 Tage; p = 0,019; [27]); als Grund hierfür wird die verzögerte Diagnosestellung, aber auch die schwer auszugleichende Azidose diskutiert.
Fazit für die Praxis
Patienten unter Therapie mit einem Natrium/Glukose-Kotransporter-2(SGLT-2)-Inhibitor, die eine schwere metabolische Azidose aufweisen, sollten trotz relativ niedriger Blutzuckerwerte auf eine Ketoazidose hin untersucht werden.
Da die direkte Bestimmung von Ketonkörpern im Blut meist nicht realisiert werden kann, hilft die Bestimmung der Anionenlücke.
Patienten mit SGLT-2-Inhibitor-assoziierter diabetischer Ketoazidose benötigen eine intravenöse Insulintherapie mit gleichzeitiger Zufuhr von Glukose zur Hemmung der Ketoneogenese. Regelmäßige Phosphatbestimmungen sind dabei essenziell.
In bestimmten Risikokonstellationen sollte der SGLT-2-Inhibitor pausiert werden. Dies ist aufgrund eigener klinischer Erfahrungen auch bei Patienten mit schwereren Coronavirus-disease-2019(COVID-19)-Verläufen und damit verbundener Anorexie und gleichzeitig vermehrter Atemarbeit bei pulmonaler Beteiligung zu beachten.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
S. Großmann, U. Hoffmann und C. Girlich geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, über die Patienten zu identifizieren sind, liegt von ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern eine schriftliche Einwilligung vor.
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