Husten, Schnupfen, Heiserkeit: Es ist klar, woran Betroffene in Corona- zeiten dann mit Bangen denken. Doch auch in der SARS-CoV-2-Pandemie ist eine Erkältung in sehr vielen Fällen eben genau das - eine Erkältung.
Spätestens Mitte Dezember beginnt auf der Nordhalbkugel für Erkältungs- und Grippeerreger die Saison. In diesem Jahr scheinen sich die beteiligten Viren jedoch schwer zu tun [1]. Nimmt man den inzwischen vergangenen Winter der Südhalbkugel zum Maßstab, wird das auch so bleiben. Denn im Südwinter kam z.B. die saisonale Grippe praktisch nicht zum Zuge.
Da mag mancher denken: Abstand, Hygiene, Alltagsmasken wirken eben auch gegen die Übertragung der Grippe. Hinzu kommt eine vergleichsweise hohe Impfbereitschaft. Und die eingeschränkte Reisetätigkeit mag ein Übriges tun.
Im Prinzip gilt das, was bei der Grippe beobachtet wurde, auch für Erkältungen. So gingen Infektionen durch Respiratorische Syncytial-Viren (RSV) in Westaustralien um 98% zurück. Die Zahlen für 2020 blieben lange Zeit weit unter jenen des Vorjahrs. Doch dann geschah Erstaunliches: Im Oktober holte RSV zum Comeback aus, bis die Infektionszahlen schließlich wieder annähernd das Niveau von 2019 erreichten.
Das Rhinovirus
Überhaupt gibt es eine Ausnahme, ein Virus, das sich jedem Abwärtstrend verweigert hat. Es handelt sich um das Rhinovirus, den Hauptverursacher von Erkältungen. Die genaue Ursache für das Ausbleiben eines Effekts ist unklar. Vermutet wird, dass sich Rhinoviren als stabiler erweisen, weil ihnen eine Lipidhülle fehlt. Influenza- und Coronaviren haben einen solchen Mantel und lassen sich deshalb mit Seife und Desinfektionsmittel bekämpfen. Dafür spricht auch, dass die Zahlen von Erkältungserkrankungen durch hüllenlose Adenoviren im südlichen Winter relativ stabil blieben.
An der Übertragbarkeit von Rhinoviren mögen eine Reihe von Faktoren beteiligt sein, doch wie sich ihr Gewicht im Einzelnen verteilt, ist nicht völlig klar. Die Immunabwehr könnte in der kalten Jahreszeit schwächer ausfallen. Und da sich Menschen im Winter viel in Innenräumen aufhalten, könnten auch Temperatur und Luftfeuchtigkeit in diesen Räumen wichtige Faktoren für die Virenübertragung sein.
Luftfeuchtigkeit und Infektiosität
Eine Forschergruppe hat untersucht, wie die Luftfeuchtigkeit im Raum und Atemwegsaerosole mit Blick auf die Infektiosität von Rhinoviren zusammenspielen [2]. Die Aerosole enthalten Salz. Beim Übergang von den Atemwegen mit einer Feuchtigkeit von 100% in sehr trockene Raumluft verdampft Wasser und das enthaltene Salz kristallisiert, was seine Fähigkeit mindert, dem Virus zu schaden. Zu feuchte Raumluft wiederum verhindert das Verdampfen und hält so die virusschädliche Salzkonzentration niedrig. Folgt man den Ergebnissen, sollte die Raumfeuchtigkeit auf Werten zwischen 38% und 68% gehalten werden, um einer Übertragung von Rhinoviren entgegenzuwirken.
Häufige Erreger
Zu den häufigen Erregern von grippalen Infekten gehören auch vier Familien von Coronaviren, benannt als 229E, NL63, OC43 und HKU1. Laut Literaturdaten gehen 10-30% aller Infektionen der oberen Atemwege von Erwachsenen, die vor allem in den Wintermonaten auftreten, auf sie zurück. Mehr als 90% aller Menschen sind den Daten nach seropositiv auf mindestens drei dieser Viren. Die leidigen Folgen sind bekannt: Rhinitis, Pharyngitis, Konjunktivitis, mitunter Laryngotracheitis und Otitis media.
Erkältung und COVID-19
Ergebnisse einer Studie zu den Erkältungs-Coronaviren machen grippale Infekte erträglicher [3]. Dafür wurden die Daten von rund 869.000 Patienten durchforstet. Fast 127.000 von ihnen hatten im vergangenen Jahr die Diagnose einer akuten Sinusitis, Bronchitis oder Pharyngitis erhalten. Die Rate an positiven SARS-CoV-2-Tests in dieser Gruppe lag bei 12,2%. Bei Patienten, die keinen grippalen Infekt gehabt hatten, erreichte die SARS-CoV-2-Quote 15,1%. Mit anderen Worten war das Chancenverhältnis mit Blick auf einen positiven Coronatest bei Patienten mit vorangegangenen Erkältungssymptomen um 24% vermindert, bei den über 80-Jährigen sogar um bis zu 39%.
Obwohl es sich um eine Assoziationsstudie handelt, die keine kausalen Schlüsse zulässt, geben sich die beteiligten Forscher optimistisch: Sie halten es für möglich, dass die beobachtete Reduktion dazu beiträgt, das endemische Muster der COVID-19-Infektion in ein episodisches zu verwandeln.
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